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Oligotrophierung des Zürichsees
Von
E. A. THOMAS, Zürich
1. Einleitung
Auf Grund von paläolimnologischen Untersuchungen an Seesedimenten weiss man,dass eine grosse Zahl von Seen innerhalb von geologischen Zeiträumen keine grösse-ren Veränderungen durchgemacht haben. Aber nach der Zunahme der Besiedelun gs-dichte im Einzugsgebiet solcher Seen veränderte sich unter dem Einfluss der Lebens-weise des Menschen in wenigen Jahrzehnten ihr gesamter Charakter tiefgreifend,besonders auch der Charakter der Sedimente. Unter diesen Seen stellt der Zürichseeein gut untersuchtes Beispiel dar, bei dem das Landwirtschafts gebiet der Umgebungin den letzten Jahrzehnten ständig abnahm, wo gegen die Besiedelun g seines engerenEinzu gs gebietes rasch zunahm. Die Eutrophierung erfol gte durch die Einleitungwachsender Mengen von Abwässern aus Wohn- und Industriegebieten.
Zu den Fol gen der Eutrophierung gehören Verfärbungen des Oberflächenwassersgegen gelb- bis braungrün, hervorgerufen durch ein übermässi ges Wuchern derAlgen des Oberflächenwassers: Planktonal gen führen zu Wassertrübungen undSchwimmschichten, Uferalgen zu hässlichen Verschlammungen und oft ebenfalls zuSchwimmschichten und einer Schädigung der Schilfbestände. Beim Absterben derAlgen entstehen Sauerstoffzehrun gen im Tiefenwasser, in der Sprungschicht und oftauch an seichten Uferstellen. Mit dem Wuchern der Algen sind zahlreiche Nachteileverbunden für die Trinkwasserbereitun g, die Fischerei, die Badehygiene und denTourismus. Schon vor gut drei Jahrzehnten trat der dringende Wunsch auf, die See-Eutrophierung aufzuhalten und weni gstens teilweise rückgängig zu machen.
Versuche, die Sauerstoffverhältnisse und den gesamten limnologischen Zustanddurch künstliche Massnahmen zu verbessern, stiessen deshalb auf allgemeinesInteresse. Solche Versuche beziehen sich vor allem auf künstliche Belüftung (Lac deBret: MERCIER et GAY 1954: Pfäffikersee: AMBÜHL 1962, THOMAS 1966) oder auf dieAbleitung von sauerstoffarmem Tiefenwasser (Kortowosee : Olszewski 1961 : Wilersee:ESCHMANN 1969) oder auf die Verhinderung der Abwasserzufuhr durch Ringleitun-gen (Ableitung der gereinigten Abwässer in den Seeabfluss). Durch ein System vonRingleitungen wurden gute Sanierungserfol ge erzielt beim Lake Washington, derlimnologisch mit den Zürichsee Ähnlichkeiten hat (EDMONDSON 1969 a und b).
166 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1971
Beim Zürichsee ist die Möglichkeit der Erstellun g einer Ringleitung ebenfalls
geprüft worden. Mit Hinblick auf die Kosten und auf die Verzögerung in der Ver-wirklichun g der Sanierungsbestrebungen sind bei den Gemeinden im Einzugsgebietdes Sees mechanisch-biologisch reini gende Kläranlagen erstellt worden, in denen imVerlaufe der letzten fünf Jahre in zunehmendem Masse auch die Phosphate ausgefälltwerden. Die Fra ge, ob dieses Vorgehen richtig ist, wird letzten Endes vom Gewässerselbst beant«'ortet. Es besteht deshalb ein Bedürfnis, die Auswirkun gen der durch-
geführten Sanierungsmassnahmen auf den Zustand des Sees zu kennen.
2. Rückblick auf die Entwicklung des Zürichsees
Am Wasser des Zürichsees wurde erstmals 1910 nachgewiesen, dass im Hypo-limnion und speziell im bodennahen Wasser (z. B. im untiefen Seeteil zwischenWädenswil-Richterswil-Rapperswil-Stäfa schon in 20 m Tiefe) erniedri gte Sauerstoff-
gehalte vorkamen (KUNZ 1911). Schlammprofil-Untersuchungen liessen erkennen,dass diese Sauerstoffzehrungen erst seit 1896 auftraten und kulturbedin gt sind
(NIPKow 1920).
Tabelle 1. Sauerstoffumsatz im Zürichsee (ohne Obersee) auf Grund von Untersuchungen bei denSeemitten von Wädenswil (Tiefe 67 m), Thalwil (138 m) und Wotlishofen (67 m), in Tonnen
Zone von 0 bis 10 m
Mai Oktober
Zone von 20 bis 138 m
Mai Oktober vorn
Zehrungin 20 bis 138 m
Mai bis Okt.
1936 82501 5706 164401 12786 3654'
1937 8594 6325 20529 14125 6404
1938 9144 5156 19055 11656 7399
1939 8456 5500 18350 11158 7192
1940 8731 5912 18978 14100 4878
1941 9350 72882 18052 150672 29852
1942 9212 6462 16991 9681 7310
1943 68753 58442 150873 70372 80503 2
1944 8388' 6875 15499' 13435 2064'
1945 7356 72192 13969 116252 23442
1946 8456 7631 17992 12560 5362
1947 8731 4 6462 178654 11625 6240 4
1948 9694 4 6944 172874 11003 62844
1949 8662 57752 17707 10287'2 7420 22
1950 9212 5981 16506 9389 7117
1951 8800 6257 17604 11970 5634
1952 9969 6875 18523 10778 7745
1953 8938 5912 18401 12760 5641
1954 9006 6738 16913 9748 7165
1955 9625 6601 20829 14033 6796
1956 8594 7288 19127 14241 4886
1957 8456 6806 16902 10195 6707
1958 8801 5912 21267 13959 7308
1959 8388 6188 18437 12430 6007
' = Juni-Werte, 2 = November-Werte. 3 = Jan./Febr.-Werte, 4 = nur Thalwil
5,2
/960 6/ 62 65 66 67 68 69 1970
4,4 5,56,/6.3
6 463
-- 20-138m Mai
– – – 20 – 138m Oktober
–•–•– 0 – /0 m Mai
0-10 m Oktober
CCOMMOSO
3,9
4,24,9
1000 o=
20
/5
6.1
/0-
8
5,
Jahr gang 116 E. A. THOMAS. Oligotrophierung des Zürichsees 167
Untersuchungen über den Sauerstoffgehalt, den Stickstoffgehalt, den Phosphat-gehalt und die Karbonathärte im Jahresverlauf können Aufschluss geben über diezunehmende Eutrophierung (THomAs 1969a). Entschieden am aus geprägtesten sinddie Veränderungen des Zürichseewassers hinsichtlich des Phosphatgehaltes, der seit1953 bedeutend zunahm. Feiner als die chemischen Bestimmun gen reagierten dieUferalgen des Zürichsees, unter denen ab 1949 Cladophora und andere sich als Folgezunehmender Abwassereinleitungen massenhaft entwickelten. Eini ge biologischeVeränderungen, die sich in den letzten Jahren im Zürichsee abspielten, sind bereitserwähnt worden (1969a).
Als Massstab für die Eutrophierung kann nach wie vor der Sauerstoffgehalt desSeewassers bei gezo gen werden, besonders wenn der vor Jahrzehnten limnologischuntersuchte Seezustand mit dem heuti gen verglichen werden soll. Für den Zürich-see (ohne Obersee) kommen für einen Ver gleich die bei den Seemitten von Wädens-wil, Thalwil und Wollishofen untersuchten Sauerstoffprofile in Betracht. Das Volu-men des Zürichsees beträgt 3,4 km 3. Entsprechend den bei I. KUTSCHKE (1966 S. 80)aufgeführten Angaben haben wir aus den Sauerstoffprofilen der drei genannten
Abb. I. Sauerstoffinhalt des Zürichsees (ohne Obersee) im Hypolimnion und im Epilimnion, 1960bis 1970. UnIerstrichene Zahlen = Sauerstoffzehrung im Hypolimnion vom Mai bis zum Oktober.
168 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1971
Untersuchun gsstellen den Sauerstoffinhalt des Zürichsees für die Zonen von 0-10 m,10-20 m, 20-40 m, 40-60 m, 60-80 m, 80-100 m, 100-120 m, 120-138 m berechnetund in Tabelle 1 und Abb. I die Werte für das Epilimnion (0 bis 10 m) und das Hypo-limnion (20 bis 138 m) einander gegenübergestellt. Auf einen Einbezug der Zone von10 bis 20 m haben wir verzichtet, weil in diesem Gebiet zeitweise die Thermoklineliegt und die Unregelmässigkeiten im Sauerstoffgehalt in dieser Zone besondersausgeprägt sind.
Aus Tab. 1 und Abb. 1 geht hervor, dass in jedem der 35 Jahre der Sauerstoff-
gehalt der 0-10-m-Schicht im Mai grösser war als im Oktober. Hohe Sauerstoff-
gehalte im Epilimnion bedeuten in der wärmeren Jahreszeit, dass dort eine besonderskräftige Photosynthese stattfand. Eine Düngung des Epilimnions mit Phosphatenund anderen Nährstoffen kann zu einem erhöhten Sauerstoffgehalt in dieser Schichtführen. Wo sich in der Vegetationsperiode viel Phytoplankton entwickelt, kann aberim Herbst beim Absterben dieser Organismen eine entsprechend grössere Sauerstoff-zehrung eintreten. Falls die Produkte der Primärproduktion innerhalb der Nahrungs-kette der tierischen Wasserorganismen gut ausgenützt werden, wird diese Sauerstoff-zehrun g kleiner sein als bei schlechter Ausnützung. Dazu kommen zahlreiche weiterelimnolo gische Faktoren, die auf die Variationen im Sauerstoffgehalt des Epilimnionseinen Einfluss haben. Ihre Bedeutun g kann hier nicht näher in Betracht gezogenwerden, sondern muss späteren Bearbeitungen mit programmierten Rechenautomatenvorbehalten werden.
Den höchsten Sauerstoffgehalt des Epilimnions fanden wir im Mai 1952 (9969 t),aber auch in den Jahren 1966 und 1969 traten im Mai hohe Gehalte auf (9281 bzw.9144 t). Ein Vergleich mit den Jahren 1938 (9144 t), 1941 (9350 t) und 1942 (9212 t)zeigt aber, dass solche Gehalte seit langem vorkommen. Extrem niedri ge Sauerstoff-
gehalte sind im Epilimnion selten: für das Jahr 1943 verfü gen wir nur über einenJanuar/Februar-Wert (6875 t), der bis zum Monat Mai zweifellos noch gewachsenist. Nur 6669 t Sauerstoff enthielt das Epilimnion im Mai 1961.
Im Oktober sind die Schwankun gen im Sauerstoffgehalt des Epilimnions ebenfallsbeträchtlich. Unter den zahlreichen Faktoren, die dafür verantwortlich sind, spielendie Temperatur- und Zirkulationsverhältnisse eine erhebliche Rolle. Im Gegensatzzum Greifensee gaben die Sauerstoffverhältnisse des Epilimnions beim Zürichseeauch in den Wintermonaten nie zu Bedenken Anlass.
Das Tiefenwasser des Sees enthielt in den Jahren 1963 (13512 t) und 1964 (13 184 t)für den Monat Mai die niedrigsten Sauerstoffwerte (Abbildung 1). Ähnlich geringwar der Sauerstoffgehalt im Hypolimnion nur im Mai 1945 (13969 t: Tab. 1). Wennder Sauerstoffgehalt im Hypolimnion schon im Mai niedrig war, waren niedrigeWerte auch im Oktober des gleichen Jahres zu erwarten. Im Mai 1963 kann die voran-gehende Seegfrörni zum niedrigen Sauerstoffgehalt beigetragen haben. Ab 1967nahm der Mai-Wert des Hypolimnions stark zu und erreichte im Jahre 1970 mit21 557 t einen Höchstwert innerhalb der letzten 35 Jahre. Einzig der Mai 1958 (21 267 t)kam nahe an diesen günstigen Wert heran.
Von grösstem Interesse ist der Sauerstoffgehalt des Tiefenwassers im Oktober.Die mittlere Sauerstoffmen ge für das Hypolimnion beträgt für die in Tabelle 1 und
Abbildun g 1 aufgeführten 35 Jahre 11 928 t. Noch im Oktober 1964 war der Sauer-
Jahrgang 116 E. A. THOMAS. Oligotrophierung des Zürichsees 169
stoffgehalt des Hypolimnions mit 7669 t äusserst gerin g ; nur im Oktober 1943 wardieser Wert (7037 t) unterschritten worden. Bis zum Jahre 1966 hatten sich die Ver-hältnisse wieder normalisiert, und in den vier folgenden Jahren enthielt das Tiefen-wasser im Oktober mehr Sauerstoff als je zuvor in den voran gehenden 31 Jahren.Im Oktober 1970 (17667 t) war der Sauerstoffgehalt sogar höher als im Durchschnittaller 35 Untersuchun gsjahre im. Mai (17603 t)! Auch ist erstaunlich, dass das Hypo-limnion im Oktober 1970 2,3 mal mehr Sauerstoff enthielt als im Oktober 1964.
Die vom Mai bis zum Oktober im Tiefenwasser stattfindende Sauerstoffzehrungist aus Tabelle 1 und Abbildung 1 ersichtlich und beträ gt im Mittel der 35 Unter-suchungsjahre 5670 t. Es ist erfreulich, dass diese Zehrun g in den letzten Jahrendeutlich unter dem Mittelwert lag.
3. VeränderungeH im See in den letzten Jahren
a) Farbe und Transparenz
Der Gehalt an Phytoplankton hat im Zürichsee in den letzten Jahren stark abge-nommen. Die direkte Folge davon ist, dass das Oberflächenwasser - vor allem inder unteren Hälfte des Sees - in den letzten Jahren eine gegenüber früher ganz ver-änderte Farbe annahm. Der See erscheint in den letzten Jahren blau bis grünblau,während er in früheren Jahren vor allem Farbtöne zwischen gelbgrün, olivbraun,braunviolett bis graubraun aufwies. In Zahlen aus gedrückt bestimmten wir in denletzten Jahren nach der Skala von Forel im Sommer vorwiegend die Farbtöne 9 und10 (cf. 1970), während früher die Farben 16 und 17 (mit Braunton) nicht seltenwaren.
Die Klarheit des Seewassers hat sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert,was für den Beobachter schon ohne Messinstrumente leicht feststellbar war. Aberauch die Transparenz des Zürichsees, beispielsweise bei der tiefsten Stelle zwischenThalwil und Herrliber g, hat sich nach unseren Messungen mittels Secchi-Scheibestark verbessert, wie aus Tabelle 2 hervorgeht. Betrug die Durchsichti gkeit im Mittel
Tabelle 2. Zürichsee, Mitte bei Thalwil. Transparenz (Secchi) in m
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Mittel
1960 3,8 4,9 5,4- l,9 2,8 3,9 2,0 2,9 1,7- l,9 1,6 2,3 2.921961 3,4 4,4 2,6 2.3 5,0-- 3,0 4,8 2.5 2,7 l.8- 2.1 2,9 3,121962 4.0 5.8 6.8- 2,0- 2,1 4.0 3,7 2.6 2.l 3,3 2.9 3.6 3.581963 5.2 22* 2,l* 1,8 1.7- 3,8 3.2 3.0 2.7 3,6 3.4 6.9` 3..301964 10.5' 6.3 7,7 4,0 2.1- 9.4 4,3 2.5 2.4 3,1 3,2 5.1 5.051965 7.l-- 6,9 5,4 4,0 3.4 6.9 4.l 2.6- 3.0 4.4 4.6 6.0 4.871966 -- 6.0 8,l 6.1 1.7- 5,4 4.l 4.7 3.8 8.6 8,S 8.3 5.961967 13,1-' 12,0 8.5 2.3- 7.8 3,6 6.0 3.8 3,8 2.8 6.0 9.8 6.621968 9.4 9.7 8.0 1.l- 6.0 6,3 3.2 2 2 3,7 3.6 11.6 - 5.591969 10,8 11.3 10,2 5,5 2.2- 7,0 6.2 5.8 4,3 6,3 8.2 7,4 7,101970 12.0- 8.3 - 8.2 6,2 7.2 3.4 2.6- 3.3 5,5 8,0 11,3 6,91
= Maxima, - = Minima, * = Eisprobenahme
170 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1971
der Jahre 1960-1963 nur 3,23 m, so stieg dieser Wert bis zum Jahr 1970 um 3,68 m
auf 6,91 m im Jahresdurchschnitt. Im Obersee fand bei der gleichen Berechnung
nach Tabelle 3 bis zum Jahre 1969 nur eine Verbesserun g um 0,66 m auf 4,22 m statt.
Der Untersee war in den Jahren 1964 bis 1970 viel klarer als der Obersee.
Tabelle 3. Zürich-Obersee, Mitte bei Altendorf. Transparenz (Secchi) in m
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. MitIel
1960 3.6 3.7 3.9 3.0 2.8 4.4 3,2 2.7- 3,6 5.9- 4.6 3.3 3.721961 5.2- 3,9 3.6 4.9 2,9 4.7 3.5 4.0 3.9 4.4 2.7- 2,8 3,881962 3.7 3.0 3.1 2.4- 2.5 3.0 2.4- 4.8- 3.4 4.2 3.4 4.4 3.361963 3.2 1.9'- 3.0 . 2.l 2.l 2.4 4,0 5,9- 4.2 3.3 3.9 3.9 3.321964 3.9 3,4 2.7 2.2 1.9- 3,0 4.7 6.4` 2,2 3.0 4.0 5.2 3.551965 4.6- 3.9 4.6- 2.3 2,6 l.8- 3.4 3.6 3.5 3.4 2.5 2.l 3.191966 - 1.7- 3.6 2.9 2.4 3.9 3,8 5.8- 3.9 5.5 5.0 4.9 3,91967 5.6 4.3 4.1 7 . 7 2,1- 2.2 3.4 4,4 3.8 5.8- 4.0 4.2 3.841968 5,1 5.6 3.8 2.2- 3,6 3.4 2,3 2,3 4.5 4,4 5,8- - 3.91969 7.l 3.8 4.0 3.0 3.4 7,6- 3.0 l.8- 4.1 4.2 4,5 4.2 4.221970 - - - 2,4 l.7 1 ,5 2.l l.0- 5.2- 4.0 5.0 3.8 3.08
= Maxima. - = Minima. 7. = Eisprobenahme
b) Veränderungen des Gehaltes an Phosphat und Nitrat beim Durchfliessen des Ober-flächenwassers durch zwei Seen
Der Zürichsee bietet interessante Einblicke in das ge genseiti ge Verhalten von
Phosphat und Nitrat. Er erhält die grösste Wassermenge direkt aus dem Obersee.
Dieses Zuflusswasser ist arm an Phosphat und reiCh an Nitrat. Beim langgezogenen
Untersee flossen früher von beiden Seiten reiChliCh phosphathaltige Abwässer zu.
Der Basiswert (während der Hauptzirkulation) war deshalb im oberen Teil des Sees
deutlich niedriger als im unteren Teil. Aber auch während des Sommers flossen dem
Epilimnion ständig viel Phosphate zu. Im Oberflächenwasser werden diese Phosphat-
Ionen durCh das Phytoplankton während der Vegetationsperiode rasch und gründ-liCh aufgezehrt.
Der Einfluss der Phosphatzufuhr auf den Nitrat gehalt ist aus Abbildun g 2 ersicht-
lich. Im Obersee waren der Basis-Phosphatgehalt und die tägliche Phosphatzufuhrnoch so be g renzt, dass von den Nitraten im April erst ein kleiner Teil verbrauChtwurde: auCh im Au g ust wurden im Obersee nicht alle Nitrate aufgezehrt.
Im eigentlichen Zürichsee nahm der Basis-Phosphatgehalt von Stäfa bis Riesbach
zu; in diesem Seegebiet war früher auch die tägliche Phosphatzuluhr gross. Als
Folge davon nahm der Nitratgehalt schon im April 1962 rasch ab und sank bei
Wollishofen und Riesbach bereits ge gen Null. Im Au gust 1962 war bei Stäfa nur
noch ein kleiner Nitratrest vorhanden, und schon bei Wädenswil sank Gier Nitrat-
gehalt als Folge der täglichen Phosphatzufuhr ge gen Null.
In den Jahren 1967 bis 1970 wurde die Abwasserreini g un g bei den Gemeinden
ins Einzugsgebiet des eigentlichen Zürichsees verbessert. Heute \werden bei fast allenKläranla gen die Phosphate zu ca. 90% aus dem Abwasser entfernt. Die tägliche
Phosphatzufuhr wurde also stark vermindert. Gleichzeitig liess sich zei gen, dass im
11111111111U
i "Nge b. 6 2
-1NO-April 62
77NO:Aug. 62
1NO-Aug. 703
P03-Feb.6 2
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1.0
0.5
2.0 P03-ThwHitu
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IIIIIIIIIII
Jahrgan g 116 E. A. THOMAS. Oligotrophierung des Zürichsees 171
Abb. 2. Verhalten der NiIrate und Phosphate des Oberflächenwassers beim Durchfliessen des Zürich-Obersees (Bollin gen-Altendorf) und des Zürich-Untersees (Stära-Wädenswil-Thalwil-Wollishofen-
Riesbachi Abfluss). 1962 und 1970.
Au gust 1969 und 1970 die Nitrate im Oberflächenwasser des Zürichsees nicht mehr
ganz aufgezehrt wurden; nach Abbildun g 2 blieben 0,6 mg/1 NO3 – in Lösun g . Eine
Elimination der Nitrate aus den Abwässern würde also die Planktonproduktion des
Sees nicht bremsen. Auf Grund früherer Untersuchun gen ist anzunehmen, dass
Phosphat im Zürichsee wieder wachstumsbegrenzender Faktor ist. Weitere Unter-
suchungen sind im Gange.
e) Veränderungen des Sauerstoffgehaltes in den verschiedenen Tiefenschichten
Mit Hinweis auf Tabelle 1 und Abbildun g 1 haben wir darüber orientiert, wie sich
der Sauerstoffinhalt des Epilimnions und des Hypolimnions verändert hat. Far viele
Beurteilun gen wie fischereiliChe Probleme und Fra gen der Trinkwasserbeschaffung
ist es jedoch von ausschlaggebender Wichtigkeit, den Sauerstoffgehalt des Seewassers
in verschiedenen Tiefenschichten in mg-/I zu kennen. Deshalb sei hier auCh auf diese
UntersuChun gsergebnisse der letzten elf Jahre hingewiesen.
Wie aus den Tabellen 4 und 5 hervor geht, sind die Veränderun gen im Sauerstoff-
gehalt einzelner Tiefenschichten in den letzten Jahren markant. Im Verlaufe der
Monate März-April-Mai fand in den Jahren 1967 bis 1970 eine Anreicherung der
gesamten Wassermasse des Sees an Sauerstoff statt, wie man dies kaum mehr für
möglich gehalten hätte. Den Höhepunkt dieser Verbesserun g erreichte das Jahr 1970
172 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1971
Tabelle 4. Sauerstoffgehalt des Zürichseewassers bei Thalwil, tiefste Stelle, im Monat Mai derletzten Jahre, in mg/I
Tiefe 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970in m 19. Mai 9. Mai 18. Mai 16. Mai 5. Mai 24. Mai 4. Mai 18. Mai 20. Mai 13. Mai 26. Mai
0,3 13,3 10,8 12,6 14,5 12,7 12,0 16,l 12,6 12,2 14,1 11,72,5 13,5 10,8 12,8 14,l 12,3 12,l 15,2 12,4 12,0 14,4 11,45,0 11,5 10,5 12,6 13,9 10,7 11,l 13,0 11,5 11,8 13,4 11,27,5 10,6 10,4 12,7 13,2 - 11,4 12,1 10,7 11,3 13,4 11,0
10,0 10,4 10,0 11,4 10,9 9,7 10,9 11,2 10.6 10,l 11,7 11,012,5 9,8 - 10,9 9,3 - 10,3 10,2 10,3 10,0 10,5 10,615,0 9,4 9.5 10,0 9.0 9,l 10,3 9.9 10,0 9.9 10,5 10,617,5 9,8 - 9,8 8,6 - 10,0 9,5 9.5 9,9 10,0 10,520 9,6 8,8 9,3 8,6 8,7 9,8 9,5 9,5 10.0 9.9 10,425 9.7 8.4 9,3 8.4 8,6 9,3 9,5 9.4 9,9 10.2 10,230 9.3 7,7 9,l 8,5 8,6 8.9 8,9 9.4 9,9 9.9 10,040 9,0 7,5 9,0 7,7 8,3 8.6 8.4 9,l 9.5 10,0 10,150 8,9 7.4 9.1 7,8 7,6 8,2 8,3 8.8 9.6 9.6 10,360 8,4 8,7 8,7 6,8 7,2 7,9 8,4 8,8 9.5 9,3 10,270 7.7 6,8 8,2 6.2 6,l 7.4 8.0 8.4 9.8 8,7 9.880 7,0 6,4 8,2 5,0 4,7 6,5 7,8 8,2 9,/ 8.4 9.990 6,0 5.7 8,1 4.9 4.2 4,2 7.2 8,1 9.0 8,3 9.9
100 3,9 4,6 7,6 3,8 2,6 3,4 5.7 7,8 8.6 7,7 9,7110 0.6 3,1 6,9 2,l l,3 2,4 4.9 7,9 9.2 7.2 9,2120 0,3 l,3 5,6 0.5 0,? l,6 3,9 7,5 7,5 5,7 9,l130 0,7 l,l 3,8 0,4 0,2 0,8 3.0 7,0 5,9 5,4 8,9Grund 0,3 0,6 1,3 0,1 0.0 0,2 2.2 6.4 4,5 5.l 8.6
mit rund 9 mg/I Sauerstoff sogar in der grössten Seetiefe. Bei keiner der seit 1910 imZürichsee durch geführten Sauerstoffuntersuchungen hat man in grossen Tiefenjemals soviel Sauerstoff gefunden.
Die ungünsti gsten Sauerstoffverhältnisse trifft man bei unseren grösseren Seenin den Monaten Oktober bis Dezember. Über den Sauerstoffgehalt im Oktober derletzten Jahre gibt Tabelle 5 Auskunft. In Tiefen von 0,3 bis 7,5 m war der Sauer-stoffgehalt wie zu erwarten in allen Jahren befriedi gend hoch. Die Schicht von 10bis 20 m Tiefe ist im Herbst für zeitweise niedrige Werte bekannt; die Jahre 1961 bis1963 fallen durch mehrere Werte von weniger als 3 m g/1 Sauerstoff auf (Oktober undNovember), während ab 1966 so ungünstige Werte in dieser Tiefenzone selten sind.
Die Tiefenzone von 20 bis 40 m wird gerne zur Gewinnun g von Trink- und Brauch-wasser benützt. Traten in dieser Zone vor 1966 im Herbst sehr häufig Sauerstoff-gehalte von weniger als 5 mg/l auf, so enthielt das Wasser hier seither fast immermehr als 5 mg/I.
Als Aufenthaltsort für die Edelfische ist auch die Tiefenzone von 40 bis 90 mTiefe von grosser Bedeutung. Es musste deshalb grosse Bedenken erregen, als derSauerstoffgehalt in der Wassermasse unterhalb von 40 m Tiefe im Dezember derJahre 1963 und 1964 überall unter 5 mg/I sank. Um so erfreulicher ist es dass imOktober, November und Dezember der Jahre 1966 bis 1970 alle in 40 bis 90 m Tiefeerhobenen Wasserproben mehr als 5 m gjl Sauerstoff enthielten.
Als «100-m-See» bezeichnete man beim Zürichsee seit langem die unterhalb von
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Tabelle 5. Sauerstoffgehalt des Zürichseewassers bei Thaiwil, tiefte Stelle, im Monat Oktober derletzten Jahre, in mg/1
Tiefein m
1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 19705.Okt. 11.Okt. 17.Okt. 11.Okt. 15.Okt. 26.Okt. 27.Okt. 10.Okt. 16.Okt. 14.Okt. 19.Okt.
0,3 9,8 9,5 8,6 9,8 8,4 9,0 8,6 12,8 11,8 9.9 10,72,5 9,7 - 8,6 9,3 8,0 8,9 8,4 12,4 11,9 10,3 10,25,0 9,6 9,7 8,4 9,5 8,9 9,0 8,4 11,7 11,8 9,9 9,07,5 9,6 8,7 8,5 9,5 8,3 9,0 8,4 9,2 11,4 10,0 11,5
10,0 9,l 7,7 8,6 8,6 8,3 8,9 2,8. 8,6 7.0 4,4 7,412,5 7,l 1,2 l,1 2,5 7,9 8,8 3,1 5,1 4.4 4,l 5,415,0 3,6 2,0 2,9 2,5 2,7 3,l 3,8 3,4 3.4 4,9 6,817,5 3,9 2.2 3,6 2,3 3,l 3,6 4,1 3,6 4,0 5,8 5,l20 4,l 2,8 4.3 2,6 3,7 4,2 4,4 4.2 4,2 6,3 7,325 4,8 3,5 6,l 4,2 4,6 4,6 4,9 5,0 5,9 7,0 6,530 5,0 4,l 6,0 4.9 4.7 5,l 5.5 5.9 6,3 7.l 7,640 6,l 4,8 5,9 5,4 5.3 5.6 63 7.2 7,0 7.8 8,050 6,l 5.4 7.4 5,9 5,7 6,3 6,4 7.5 7,7 8.0 9,060 6.1 5.5 7.7 5.3 5,l 6,2 7.3 8.1 8.5 8.l 9,570 5,3 5,2 7,0 5,2 4,3 5,6 6,8 8,2 8.5 7.9 9,680 4.6 4.4 6,5 4,l 3,5 4.9 5.8 7.6 8.4 7,6 9.690 2,9 3,6 6,2 3.7 2,4 3,6 5,2 7,6 8,2 6,9 9,l
100 l,9 2,4 4.9 2,5 l.2 l,9 4.4 7,2 7,9 8,l 8.8110 0,4 1,1 4,l l.4 0,5 0,7 3,5 6,9 6,7 5,1 8,1120 0.3 1,2 0,5 1,1 0,4 0.3 0,5 6,3 5.9 3.4 6,2130 0,2 l,2 0,5 l.0 0,5 0.2 - 4.8 l.3 0.8 2.0Grund 0,2 1,3 03 0,6 0.3 0,2 0,5 2,7 l,3 0.4 0.0
100 m Tiefe lie gende Wassermasse, in der in den Herbstmonaten der vorhandene
Sauerstoffvorrat fast vollständi g aufgezehrt wurde. Nun blieben aber in den Jahren
1967 bis 1969 in 100 bis 120 m und teilweise so gar bis 130 m Tiefe bis in den Dezem-
ber hinein noch bemerkenswerte Mengen von gelöstem Sauerstoff erhalten; ein
derart günsti ges Verhalten des Tiefenwassers war aus den früheren Jahren nicht
bekannt. Ledi g lich aus der BesChaffenheit der Sedimente konnte man schliessen,
dass vor 1896 auch in der grössten Tiefe das Wasser noCh stets Sauerstoff enthalten
hatte. Es ist vorgesehen zu überprüfen, ob die Sauerstoffanreicherung des Tiefen-
wassers gewissermassen als Spiegelbild in den Sedimentprofilen zum Ausdruck
kommt.
Bekanntlich geht bei unseren Seen mit der Zunahme des Sauerstoffgehaltes ein
Sinken des Kohlensäuregehaltes und ein Steigen des pH-Wertes parallel; diese
Gesetzmässi gkeit kann auch bei der neuesten Veränderun g des Zürichsees beobachtet
werden. Es ist also ge genwärti g eine gerin gere A ggressivität des Seewassers zu
erwarten.
4. Ursachen der Oligotrophierung des Ziirichsees
Planktongehalt, Wasserfarbe und Klarheit sowie der Sauerstoffgehalt des ZüriCh-
seewassers bis in die grössten Tiefen sprechen eindeuti g dafür, dass sich der Zustand
des Sees in den letzten Jahren, besonders seit dem Jahre 1967, tiefgreifend verbessert
174 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1971
hat, so stark so gar wie es auch optimistische Limnologen kaum für mö glich gehaltenhätten. Es drängt sich somit die Frage auf, aus welchem Grunde diese sich übermehrere Jahre erstreckende Verbesserun g zustande kam. In Betracht kommen inerster Linie günsti ge Auswirkungen der getroffenen Gewässerschutzmassnahmensowie eine günsti ge Konstellation der Witterungsverhältnisse.
a) Witterungsverhältnisse
In den letzten Jahren war die Witterung im Frühjahr tatsächlich eher kühl, undder See erhielt wohl überdurchschnittlich viel Zuflusswasser. Trotzdem hat sich dieTransparenz des Wassers im Obersee nur wenig verändert, während im Unterseedie prächtige Verbesserun g auftrat (Tabellen 3 und 2). Auch die Sauerstoffzehrungim Tiefenwasser des Obersees war in den letzten Jahren ungefähr gleich wie in frü-heren Jahren, jedenfalls nicht si gnifikant geringer (Tabelle 6). Am Obersee sind aber
Tabelle 6. Sauerstoffgehalt des Oberseewassers bei Altendorf, Seemitte. im MonaI Oktober derletzten Jahre, in mg(I
Tiefein in
1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 19675. Okt. 11. Okt. 17.Okt. 11.OkI. 15. OkI. 26.Okt. 27. Okt. 10. Okt.
1968 196916. Okt. 14. Okt.
0.3 10.3 10.8 10.4 10.0 8.5 9.2 8.4 11.3 11.5 10.85 10./ 11,1 10,l 10.1 8,5 9.l 8.0 8.9 10.3 10.3
10 8.3 6.4 9.8 8.0 8.1 8,8 7.9 8,1 7.3 6.215 7.7 4.3 5.7 7.3 l.7 8.6 6.8 8.6 6.9 5.920 4,2 2.8 3.4 4.4 1.2 7.5 4.8 7.2 6.3 3.825 2.6 1.4 2.8 3.0 0.4 3./ 2.6 3.7 2.5 2.530 0.2 0.4 0.6 1.9 0.3 0.3 0.3 0.8 0.9 0.637 0.2 0.3 0.2 0.5 0.2 0.2 0.3 0.5 0.4 0.2
die Gewässerschutzmassnahmen noch weni ger weit gehend verwirklicht als am Unter-see. Es ist also kaum anzunehmen, dass die Oli gotrophierung des Untersees alleinden Witterun gsverhältnissen zuzuschreiben wäre. Auch die ansehnliChe Zahl vonBeobachtun gsjahren (35) spricht hier dagegen. Immerhin sei darauf hingewiesen,dass eine Untersuchung über die Korrelationen zwischen den Witterungsfaktorenund dem Sauerstoffgehalt des Zürichsees sehr erwünscht und auf weitere SiCht vor-gesehen ist.
b) Abwasserreinigung mit Phosphatausfällung
Die gewalti ge Verbesserun g im Zustand des unteren Zürichsees fällt zeitlichzusammen mit der nun schon weit gehend ein geführten Abwasserreini g un g undPhosphatausfällune bei den Abwässern der Gemeinden im Einzu gsgebiet des Sees.Es ist früher viel darüber diskuIiert worden, ob die mechanisch-biolo gische Reini-gun g allein schon wesentlich zur Oligotrophierung des Sees beitra gen könne. MINDER
(1943) hat jedoch bereits darauf hingewiesen, dass die blosse Mineralisierung derAbwässer in Kläranlagen «im See einer Kunstdüngung» gleichkomme. Als prak-tisches Beispiel sei hier der Lake Washington erwähnt, in dessen Einzu gsgebiet 199
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12 mechanisch-biolo gische Kläranla gen in Betrieb waren; diese Abwasserreinigunggenü gte nicht, den See vor einer lästi gen Eutrophierung zu bewahren (EDN1ONDSON
1969a, S. 135).Die am Zürichsee errichteten Kläranlagen arbeiten heute vorwie gend auch mit
Phosphatfällung. Die Phosphatzufuhr zum See ist also verkleinert. Die Praxis hatallerdin gs gezei gt, dass bei den einzelnen Kläranlagen eine gewisse Überwachungder Phosphatfällun g notwendig ist. Kleine technische Mängel wie Verstopfungenoder andere Störungen in der Dosieranlage können die Phosphatfällun g ausserBetrieb setzen und zu einem schlechten Abfluss führen. Vereinzelt ist aus einem fehl-plazierten Sparbedürfnis heraus zu wenig Eisenchlorid zudosiert worden; da dannder Eliminationseffekt rasch sinkt, macht sich eine solche «Einsparung» nichtbezahlt. Die Störun g des Klärbetriebes durch im Rohwasser enthaltene Gifte kanndie Phosphatelimination unter Umständen ebenfalls stören (THOMAS und RAt 1970).
c) Die Wahl der Einleitungstiefe für Abwässer bei Seen
In der kälteren Jahreszeit sind die vertikalen Austauschströmun gen in den Seenso intensiv, dass bei Vollzirkulation eine gleichmässi ge Durchmischung der gesamtenWassermasse von der Oberfläche bis zur Tiefe erfolgt. In dieser Jahreszeit wird dasZuflusswasser einigermassen gleichmässi g mit der gesamten Wassermasse des Sees
vermischt.
Anders lie gen die Verhältnisse im Sommer , wenn das Oberflächenwasser des Sees
wärmer. das Tiefenwasser kälter ist als das Zuflusswasser. Dann schichtet sich das
Zuflusswasser in derjenigen Tiefe in den See ein, in der die gleiche Dichte vorliegt.
Solche Einschichtungsverhältnisse sind im Pfäffikersee für den Monat September
1953 studiert worden (THOMAS 1969b). Damals wurden die Phosphate in der Klär-
anla ge von Pfäffikon noch nicht ausgefällt.
An dieser Stelle interessiert im HinbliCk auf Eutropliierungsfragen besonders die
Art der Einschichtung der Abwasserphosphate in den Pfäffikersee: Im Oberflächen-
wasser war trotz oberflächlicher Einleitun g des gereini gten Abwassers kaum eine
Phosphatzunahme zu bemerken. Hingegen breiteten sich erhöhte Phosphatwerte,
bedin gt durch die mit dem Abwasser einfliessenden 6.4 m g -1 PO 43 - dem Uferhang
fol gend aus bis zu einem Uferabstand von 20 m, um von dort an in 5 m Tiefe sich
bis zu einem Uferabstand von über 50 m einzuschichten. Ausserhalb von 20 m Ufer-
abstand, also bei mehr als 5 m Tiefe , wurden die bodennahen Schichten vom Ab-
wasserphosphat nicht mehr beeinflusst.
Diese Ergebnisse sind interessant hinsichtlich der See-Eutrophierung. Im vorlie-
genden Falle gelangten die Phosphate des Abwassers im September in die aphotische
Zone , so dass sie vom Photoplankton zunächst nicht ausgenutzt werden konnten.
Dies dürfte ein Hauptgrund sein, warum in solchen Seen die Planktonproduktion
im Hochsommer in der Regel zurückgeht: die im Frühjahr im Oberflächenwasser
vorhandenen Nährstoffe sind aufgebrauCht , und die Nährstoffe des Metalimnions
kommen erst im Herbst durch die Teilzirkulation an die Oberfläche. So erklärt sich
auch das zweite Phytoplanktonmaximum, das in der Regel im Herbst auftritt.
Die Wahl der Einleitun gstiefe für Abwässer hat sich bei Seen nicht nur nach
176 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1971
Gesichtspunkten der Eutrophierung zu richten. An Stellen, wo in einem See gebadetwird, wäre es zweifellos nicht erwünscht, Abwasser oberflächlich einzuleiten, weil esdurch windbedingte Strömungen verhindert werden kann, in tiefere Seeschichten zusinken. Anderseits müssen tiefere Seewasserschichten dort unbedingt vor Abwasser-einleitungen geschützt werden, wo Trinkwasserfassungen gefährdet werden könnten.
Beim Zürichsee befinden sich zahlreiche Trinkwasserfassun gen in Tiefen von 30bis 40 m. Zur Einleitung von Abwässern aus den mechanisch-biolo gischen Klär-anlagen, in denen auch die Phosphate eliminiert werden, wählt man eine Tiefe von3 bis 6 m. Diese Tiefe an der oberen Grenze der Sprungschicht hat sich sehr bewährt.Die trotz der Abwasserreinigun g noch in den See gelan genden Algen-Nährstoffeschichten sich in eine lichtarme Zone ein. Aber auch Trinkwasserfassungen undBadestrände sind so vor Verunreini gung geschützt. Die heuti gen Sauerstoffverhält-nisse im Zürichsee sprechen für die Richtigkeit der gewählten Einleitun gstiefe. BeiSeen mit anderen Schichtungsverhältnissen wird man die Einleitun gstiefe für Abwäs-ser entsprechend anpassen.
d) Die zwei Aspekte der See-Sanierung
Beim Greifensee ist für die Zeit voIn März 1967 bis Februar 1968 durch die Unter-suchun gen von PLEISCH (1970) ermittelt worden, welche Phosphatmengen dem Seemonatlich zu geführt werden. Zur Zeit der Vollzirkulation werden diese Phosphatein die gesamte Wassermasse ein gemischt, während der Sommerstagnation dagegenim wesentlichen in die epilimnisChe Schicht von 0-5 m Tiefe. Diese monatlichenPhosphatzufuhren haben wir in Abbildun g 3 mit M bezeichnet. Am meisten Phos-phate erhält das Epilimnion bei diesem See also während der Sommerstagnations-periode. Summiert man diese monatlichen Zufuhren, so erhält man die Kurve S(Abbildung 3).
Aus den UntersuChun gen des kantonalen Laboratoriums geht anderseits hervor,dass 1968 bei Jahresbeginn im Epilimnion ein grosser Phosphatvorrat vorhandenwar. Ohne die tägliche Phosphatzufuhr würde dieser Basisphosphatgehalt rasch aufeinen niedri gen Wert sinken; trotz der tä glichen Zufuhr sank der Basis gehalt imJuni gegen Null. Während mehr als drei Sommermonaten stützte sich die Phyto-planktonproduktion vorwie gend auf die täglich dem Epilimnion zufliessenden Phos-phate, wie dies auch aus den Al gentesten (Bioassays) von PLEISCH (1970) hervorgeht.Aus Abbildun g 3 lässt sich ferner herauslesen: Die der algenproduzierenden Wasser-schicht im Jahresverlauf durch Bäche zugeführte Phosphatmenge ist beim Greifenseerund doppelt so gross wie der Basisphosphatgehalt dieser Schicht bei Vollzirkulation:nur die mit Abwässern belasteten Bäche enthalten wesentliche Phosphatmengen.
Für den Zürichsee wurden Untersuchun gen durch geführt, die den täglich zuflies-senden Phosphaten eine ähnliChe Bedeutung zukommen lassen (THOMAS 1969c).Auch beim Zürichsee kann die Schicht von 0 bis 5 m Tiefe als besonders aktive Zonefür die Phytoplanktontätigkeit angesehen werden. NaCh unseren Berechnungenwurden dieser Schicht früher tä glich 2,u g POl s - pro Liter zu geführt, oder in 10 Tagen0,02 mg I. Das sind bereits chemisch g ut nachweisbare Mengen, die aber im Seelaufend durch das Phytoplankton aufgenommen und verarbeitet werden. Da der
Jahrgan g 116 E. A. THOMAS. Oligotrophierung des Zürichsees 177
Abb. 3. Beziehungen zwischen den im Epilimnion des Greifensees vorhandenen Phosphationen undden dem Epilimnion durch die Zuflüsse monatlich zugeführten Phosphatmengen. B = Basisphosphat-gehalt im Jahresverlauf; M = mittlere monatliche Phosphatzufuhr im Jahresverlauf (März 1967 bis
Februar 1968); S = Summenkurve der Phosphatzufuhr im Jahresverlauf.
«Wintervorrat» (Basisphosphat) im Oberflächenwasser des Zürichsees schon im Maiaufgezehrt ist, verursacht in erster Linie die weitere Phosphatzufuhr zum See diePlanktonentwicklun g im restlichen Teil des Sommerhalbjahres.
Diese Tatsachen sind für die Zurückdrängung der Eutrophierung von grosserBedeutung. Wenn die Phosphatzufuhr aus Kläranla gen durch Elimination von z. B.90% der Phosphate gedrosselt wird, muss im Oberflächenwasser die Algenentwick-lung etwa ab Mai in ähnlicher Weise zurückgehen, was für den Sauerstoffhaushaltdes Tiefenwassers eine Entlastung bedeutet. Wenn also an einem See eine straffeReduktion der Phosphatzufuhr verwirklicht wird, so wird sich schon in den nächstenSommerhalbjahren eine geringere Algenproduktion einstellen. Dieser erste Aspektder Sanierung ist als Sofortwirkung zu bezeichnen.
Bei einer genügenden Drosselung der Phosphatzufuhr zu einem See wird aberauch der Basiswert auf lange Sicht nicht mehr zunehmen, sondern abnehmen. Nacheiner grösseren Zahl von Jahren stehen den Algen vor Be ginn der Vegetationsperiodegeringere Phosphatmengen zur Verfügung. Auf lange Sicht nähert sich der Nähr-stoffgehalt des Sees wieder seinem ursprünglichen Zustand.
Ähnlich wie der Vorgang der See-Eutrophierung zerfällt auch der Sanierungs-vorgan g (also die Oligotrophierung) in zwei verschiedene Mechanismen, eine Sofort-
178 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1971
wirkung und eine Wirkun g auf lange Sicht (THOMAS 1965). Bei der gegen-wärtigen Oligotrophierung des Zürichsees ist noch keine wesentliche ReduktionsdesBasisphosphatgehaltes erfolgt. Eine Wirkung auf lange Sicht fand also noch nichtstatt: es ist mit einer Sofortwirkung zu rechnen.
Damit der nunmehr gute Zustand des Zürichsees auch über klimatisch ungünstigeJahre hinweg erhalten werden kann, muss das begonnene Sanierun gswerk vollendetwerden. Dem Betrieb der Abwasserreinigun gsanlagen einschliesslich der Phosphat-fällung ist grosse Aufmerksamkeit zu schenken. Dem Verbot der Ableitun g vonJauche und Siloabwasser ist Nachachtung zu verschaffen. Anderseits muss dieweitere Entwicklung des Sees sorgfältig verfolgt werden.
5. Schlusswort
Seit langem ist bekannt, dass Böden von bestimmter chemischer und physikalischerBeschaffenheit bei gleichen geo graphischen Bedingungen gleicharti ge Pflanzengesell-schaften hervorbringen. Bei kalkreichen Böden entwickeln sich «kalkliebende»Pflanzengesellschaften, auf kalkarmen Böden «kalkfliehende». In ähnlicher Weisewirkt ein Man gel oder ein Überfluss an bestimmten Stoffen wie Molybdän, Kupfer,Vanadium, Kobalt, Bor, Arsen usw., oder an organischen Stoffen selektiv auf dieEntwicklun g von bestimmten Al genarten und Al gen gesellschaften. Es ist bis heutenoch kein Weg gezeigt worden, nach dem es in wirtschaftlicher Weise gelingen würde,mit der Verkleinerun g der Zufuhr solcher Stoffe das Gesamtwachstum der Al gen inGewässern sicher zu reduzieren. Auch Eisen wird den Seen ständig zugeführt, da dieBöden reichlich Eisenverbindun gen enthalten.
Oligotrophe Klarwasserseen enthalten sehr wenig Phosphat, aber oft erheblicheMengen von Nitrat. Die mechanisch-biologisch gereinigten Abwässer aus Gemeindenenthalten noch reichlich Phosphate. Bei Einleitun g in Seen fördern solche Abwässerdas Wachstum von benthischen und planktischen Al gen. Beim Zürichsee werden dieAbwässer der Gemeinden im Einzugsgebiet des Sees in 12 Kläranlagen mechanischund biolo gisch gereinigt und grossenteils durch Behandlung mit FeC1 3 von denPhosphaten befreit: auch Versuche mit Aluminiumsulfat sind im Gange. Die gerei-nigten Abwässer werden in 3 bis 6 m Tiefe eingeleitet. Das Wasser des Zürichseeswurde seither wieder grünblau und klar und enthält viel weniger Algen. Der Sauer-stoffgehalt des Sees war in den letzten 4 Jahren günstiger als vorher in den letzten4 Jahrzehnten. Falls diese Verbesserungen in Jahren der Trockenheit andauern, istdie Sanierung sehr befriedigend.
Neuerdin gs ist auf Grund einiger Laboratoriumsversuche behauptet worden, diePhosphatfällung in Kläranla gen mit Eisenchlorid verursache im Abfluss der Klär-anlagen zu hohe Eisengehalte; die in den See fliessenden Eisenverbindungen würdenzu einer Stimulierung des Algenwachstums führen. Die Oligotrophierung des Zürich-sees beweist die Unrichtigkeit dieser Behauptung.
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