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Politik · PDF filePolitik und Unterricht 1/1999 · 1. Quartal · 25. Jahrgang „Politik und Unterricht“ wird von der Landeszentrale für politische Bildung Baden

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Politik undUnterricht

1/1999 · 1. Quartal · 25. Jahrgang

„Politik und Unterricht“ wird von der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben.

Herausgeber und Chefredakteur:

Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale für politischeBildung Baden-Württemberg

Redaktionsteam:

Otto Bauschert, M.A., Oberregierungsrat, Landeszentrale fürpolitische Bildung, Stuttgart (geschäftsführender Redakteur)

Ernst-Reinhard Beck, Oberstudiendirektor, Direktor desFriedrich-List-Gymnasiums Reutlingen

Judith Ernst-Schmidt, Studienrätin, Werner-Siemens-Schule(Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), Stuttgart

Ulrich Manz, Rektor der Schiller-Schule Esslingen(Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule)

Horst Neumann, Ministerialrat, Ministerium für Umwelt undVerkehr Baden-Württemberg, Stuttgart

Angelika Schober-Penz, Studienassessorin, Ministerium fürUmwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart

Karin Schröer, Reallehrerin, Eichendorff-RealschuleReutlingen

Anschrift der Redaktion:70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38,Tel. (0711) 2371-388/-378, Telefax (0711) 2371-496

Politik und Unterricht erscheint vierteljährlich

Preis dieser Nummer: DM 5,–

Jahresbezugspreis DM 20,–. Unregelmäßig erscheinendeSonderhefte werden zusätzlich mit je DM 5,– in Rechnunggestellt.

Verlag: Neckar-Verlag GmbH78050 Villingen-Schwenningen, Klosterring 1

Druck: Baur-Offset GmbH & Co.78056 Villingen-Schwenningen, Lichtensteinstraße 76

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt dieMeinung des Herausgebers und der Redaktion wieder.

Nachdruck oder Vervielfältigung aufelektronischen Datenträgern sowie Einspeisung inDatennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

I N H A L T

GG IM PROFIL

Vorwort des Herausgebers __________________ 1

Geleitwort des Ministeriumsfür Kultus, Jugend und Sport ________________ 2

Mitarbeit an diesem Heft ____________________ 2

Unterrichtsvorschläge

Einleitung __________________________________ 3(Siegfried Schiele)

Baustein ADu und das Grundgesetz ____________________ 4(Siegfried Schiele)

Baustein BGrundrechte ________________________________ 6(Siegfried Schiele)

Baustein CRechtsstaat ________________________________ 7(Siegfried Schiele)

Baustein DSozialstaat__________________________________ 9(Siegfried Schiele)

Baustein EGrundgesetzänderung „Asyl“ ________________ 10

Literaturhinweise____________________________ 14(Siegfried Schiele)

Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler ________ 15–48

AV-Medien zum Thema ____________________ U 3

Einem Teil dieser Ausgabe liegt PU-aktuell 10 zur Europawahl am 13. Juni 1999 bei.

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VorwortdesHerausgebers

Wir begehen im Mai den 50. Geburtstag des Grundgesetzes. Unserfrüherer Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat festgestellt: „Wirhaben eine gute Verfassung“. Und er fügte hinzu: „Sind wir auch in guterVerfassung?“

Mit dem Grundgesetz können wir gut leben. Es hat sich gezeigt, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes aus der Vergangenheit gelernthatten. Der Kernpunkt der gesamten Verfassung steht wie ein Mottogleich am Anfang: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Fünfzig Jahre sind im Leben eines Volkes ein relativ geringer Zeitraum.Dennoch ist es auf dem Hintergrund der Geschichte Deutschlands undEuropas in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts bemerkenswert, dasswir auf fünfzig Jahre demokratischer Entwicklung zurückblicken können.Hier wurden Wurzeln gelegt, die auch für die weitere Entwicklung von Bedeutung sind.

Wir dürfen gleichzeitig auf den Fall der Mauer vor fast zehn Jahrenzurückblicken. Die Wiedervereinigung ist aus deutscher Sicht der größteErfolg in der Nachkriegszeit. Dass für die innere Einheit noch viel getanwerden muss, liegt auf der Hand.

Es gibt also Grund zur Freude. Wenn auch in Baden-Württemberg in ca.hundert Städten und Gemeinden der 50. Geburtstag des Grundgesetzesgefeiert wird, dann ist das angebracht. Damit soll ja nicht bekundet werden, dass es keine politische Sorgen gibt. Aber das Grundgesetz istz.B. nicht an der Arbeitslosigkeit schuld. Im Gegenteil. Sein Artikel 20verpflichtet uns, diese und andere sozialen Probleme anzupacken.

Dieses Heft zielt auf den Sekundarbereich l. Ganz bewusst wurde derWeg der Elementarisierung gesucht, der immer auch kritische Fragenaufwirft. Es geht darum, dass schon junge Schülerinnen und Schüler eineBeziehung zum Grundgesetz bekommen. Das Ziel ist klar: Aus der geschriebenen soll eine lebendige Verfassung werden. Im Rahmen einessolchen Heftes können nur die Angelpunkte des Grundgesetzes behan-delt werden. Darum wurden die Grundrechte, der Rechtsstaat und derSozialstaat ausgewählt. Der letzte Baustein „Asyl“ soll deutlich machen,dass eine auf Kontinuität angelegte Verfassung dennoch verändert wer-den kann, wenn es dringenden Änderungsbedarf gibt und die politischeKraft dazu ausreicht.

Manche Themen von Bedeutung konnten in diesem Rahmen nicht dar-gestellt werden. So fehlen z.B. die Themen Verfassungsgeschichte undVerfassungsvergleich. Auch die Frage nach einer „neuen Verfassung“ imZusammenhang mit der Wiedervereinigung wird hier nicht behandelt.Diese Fragen sind so bedeutsam, dass sie in einem eigenen Rahmen behandelt werden müssten.

Herausgeber und Redaktion hoffen, dass dieses Heft dazu beitragenkann, das Grundgesetz bei jungen Menschen bekannter und vertrauterzu machen.

Siegfried SchieleDirektor der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

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Wenn am 23. Mai die öffentlichen Gebäude in der Bundesrepublik beflaggtsein werden, sollen zumindest unsere Schülerinnen und Schüler wissen,warum dieses geschieht. Denn anders als bei ihren Geburtstagen, die die Ein-zelnen gebührend feiern, besonders wenn sie „rund“ sind, hat die Mehrzahlder Deutschen bisher solche markanten Daten ihrer Verfassung wenig be-achtet. Das braucht nicht beargwöhnt zu werden, weil es auf die Problem-lo-sigkeit verweist, mit der das Grundgesetz unserer gesellschaftlichen und po-litischen Ordnung ein halbes Jahrhundert ein sicheres Fundament gewesenist und Beständigkeit im Wandel gezeigt hat. Wurde Kritik geübt, dann bezogsie sich auf die politische Praxis, nicht aber auf die Verfassung. Sie wurde –wenn überhaupt – aus nüchterner Distanz verehrt.

Darum wünscht man sich ein engeres, vertrauteres Verhältnis zu unseremGrundgesetz. Vor allem die jungen Menschen sollten früh seine Werte, dieGrundrechte, den Rechtsstaat, die demokratische Grundordnung und dasSozialstaatsgebot als hohes Gut erkennen. Aber das ist leichter gesagt alsgetan, denn papierene Verfassungsartikel bleiben eher abstrakt und sprechenJugendliche selten an. Sie erfüllen sich jedoch mit Leben, wenn ihre Bedeu-tung an konkreten, eigene Lebensbereiche berührende Situationen erfahrbarwird. Einen solchen Weg schlägt dieses Heft ein, indem es für beide Sekund-arstufen überlegt ausgewählte Materialien zu Kernbereichen der Verfassunganbietet, die Distanzen abbauen und den Bogen zu einem „Du und dasGrundgesetz“ schlagen wollen.

Wenn es diesem Heft gelänge, den Schülerinnen und Schülern Inhalte unse-rer Verfassung als fundamentale Werte des Zusammenlebens und desSchutzes des Einzelnen in unserem Staat so zu vermitteln, dass sie ihneneine dauernde Wertschätzung entgegenbringen, dann hätte die Landeszen-trale für politische Bildung dem Grundgesetz zu seinem 50. Geburtstag dasschönste Geschenk gemacht. Damit es gelingt, setzt das Ministerium für Kul-tus, Jugend und Sport auf einen richtig verstandenen Verfassungspatriotis-mus bei seinen Kolleginnen und Kollegen an den Schulen.

Rudolf PfeilGymnasialprofessorMinisterium für Kultus, Jugend und SportBaden-Württemberg

Geleitwortdes Ministeriumsfür Kultus, Jugendund Sport

Mitarbeit an diesem Heft

Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg, Chefredakteur von „Politik von Unterricht“:Federführung, Bausteine A, B, C (unter Mitarbeitvon Armin Schabert) und D, Literaturhinweise

Sabine Keitel, Referentin des Direktors der Landes-zentrale für politische Bildung Baden-Württemberg:Baustein E

Völlig überarbeitete Neuauflage 1999

Taschenbuch Baden-WürttembergGesetze – Daten – Analysen

Aus dem Inhalt• Landesverfassung, Gemeindeordnung und Land-

kreisordnung• Strukturdaten aller Gemeinden, Landkreise und

Regierungsbezirke• Ausgewählte Regionalgrafiken• Grafische Darstellung von Regierung und Verwaltung

Baden-Württembergs• Aufstellung sämtlicher Kabinette seit Kriegsende• Beiträge über den Landtag, die Kommunalpolitik und

die Landkreise• Landtags- und Kommunalwahlen mit Erklärung der

Wahlsysteme• Kommunale Finanzen und Finanzverfassung der

Bundesrepublik Deutschland

Bestellung bitte schriftlich an die Landeszentrale für politische Bildung.Lieferung ab April 1999Schutzgebühr von 10,– DM (+ Porto)

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GG IM PROFIL

Einleitung

Im Fach Gemeinschaftskunde gibt es so viele wich-tige Themen zu behandeln, dass die zur Verfügungstehenden Stunden bei weitem nicht ausreichen.Um so mehr sollten sich die Lehrerinnen und Lehrerauf das Wesentliche konzentrieren. Zum Wesentli-chen gehört ohne Zweifel die Verfassung, unserGrundgesetz.

Keine Schülerin und kein Schüler sollte die Schuleverlassen, ohne zu wissen,– was das Grundgesetz ist– wie die wichtigsten Bestimmungen des Grund-

gesetzes lauten– warum das Grundgesetz eine demokratische

Verfassung darstellt– weshalb das Grundgesetz bewahrt und beschützt

werden muss.

Noch wertvoller wäre es, wenn es gelänge, so etwaswie eine „Beziehung“ zwischen den jungen Men-schen und unserer Verfassung anzubahnen. Das hatDolf Sternberger mit dem Begriff „Verfassungs-patriotismus“ gemeint. In Deutschland sind wir mitRecht kritisch, wenn sich im Verhältnis von Menschen zu Staat und Politik schwärmerischeTöne einschleichen. Auf der anderen Seite reicht esnicht aus, den demokratischen Staat ausschließlichmit rationalen Dimensionen fest verankern zu wollen.

Wenn wir gute Gründe haben – diese rationale Vor-aussetzung ist unabdingbar –, dann können wir mitder Verfassung auch positive Gefühle und Einstel-lungen verbinden. Die zentrale Norm unseresGrundgesetzes – „Die Würde des Menschen ist un-antastbar“ – hat mehr Chancen auf generelle Be-deutung, wenn sie nicht nur in den Köpfen, sondernauch in den Herzen der Menschen verankert ist.

Wir haben deshalb allen Grund, eine bescheidenedemokratische Festkultur zu pflegen. Dabei brau-chen wir keine Anleihe bei den Vereinigten Staatenaufzunehmen, wo die Verfassung in einem hohenAnsehen steht, sondern unseren eigenen Weg fin-den. Es war bewundernswert, wie im vergangenenJahr gerade in unserem Bundesland an die demo-kratischen Traditionen von 1848/49 angeknüpftwurde. In vielen Städten und Gemeinden fandenKolloquien, Tagungen und Feste statt, um die Ver-wurzelung des demokratischen Gedankenguts inDeutschland ins Bewusstsein zu heben.

Unser Grundgesetz, das immerhin schon seinen 50.Geburtstag feiern kann, verdient auch eine positiveWürdigung und Bestätigung. Darum versucht

die Landeszentrale für politische Bildung, im Mai1999 zusammen mit vielen Städten und Gemeindenin unserem Bundesland, das Grundgesetz in denMittelpunkt von Feiern und festlichen Veranstaltun-gen zu stellen, an denen sich möglichst viele Bürge-rinnen und Bürger beteiligen sollen.

Das Feiern des Grundgesetzes wäre aber hohl,wenn die Verfassung in ihren Kernelementen nichtbekannt wäre. Darum will dieses Heft den Versuchmachen, etwas vom Wesen unserer Verfassung zuerfassen und didaktisch so aufzubereiten, dass dieSchülerinnen und Schüler verstehen können, wes-halb die Beschäftigung mit dem Grundgesetz sowichtig ist. Das ist nicht einfach, weil die Verfassungauf Anhieb etwas Papierenes ist, das von sich auswenig Motivation auslösen kann. Darum könnenLehrerinnen und Lehrer den Weg wählen, über prak-tische Fragen, die eine tiefe Dimension haben, aufdas Grundgesetz zu stoßen. So ist es z. B. möglich,über eine umstrittene Medienberichterstattung (Wieweit darf das Fernsehen in die Intimsphäre der Menschen eindringen?) auf die Grundrechte zukommen. Das umstrittene Thema „Steuerreform“kann nur sachgerecht im Unterricht behandelt wer-den, wenn man sich klar macht, was das Grund-gesetz zum Sozialstaat meint.

Dieser induktive Weg ist möglich. Er hat den Vorteilder Aktualität und der motivierenden Wirkung –,aber den Nachteil, dass die Verfassung als Ganzesauf diese Weise nur schwer in den Blick kommt. Dasgegenteilige Verfahren – der deduktive Weg – istnoch weniger ratsam. Nimmt man z. B. das Grund-gesetz und behandelt nacheinander die einzelnenAbschnitte, so kann diese Methode in der Regel nureine demotivierende Wirkung erzeugen. Paragra-phen zum Sprechen zu bringen, kann nur selten gelingen.

Dieses Heft wählt einen Mittelweg. Zum Teil wirdüber aktuelle Streitfragen (Kopftuchstreit) unmittel-bar der Weg zum Grundgesetz gesucht, zum Teilwerden Kernbereiche des Grundgesetzes (Rechts-staat, Sozialstaat) quasi aus der Verfassung heraus-gehoben und so konkret besprochen, dass dieseGrundelemente der Verfassung verstanden werdenkönnen.

Eine Verfassung zeichnet sich vor allem durch ihreBeständigkeit aus. Nicht zuletzt drückt das Art. 79,3GG aus, wo Kernbestimmungen gleichsam einen„ewigen Rang“ erhalten. Trotzdem will das Grund-gesetz dadurch stets „modern“ sein, dass es er-möglicht, die Verfassung elementaren gesellschaftli-chen Veränderungen anpassen zu können. DieseMöglichkeit wird an einem konkreten Beispiel in ei-nem eigenen Baustein behandelt.

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Es wäre jedoch unbefriedigend, wenn die Schülerin-nen und Schüler das Grundgesetz im Unterricht nurdistanziert behandeln würden. Deshalb wird auchder Fragestellung „Du und das Grundgesetz“ schonim ersten Baustein nachgegangen. Wenn es gelingt,hier eine Beziehung anzubahnen, hat sich der Unter-richt über das Grundgesetz gelohnt.

Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass dieThematik „Grundgesetz“ in diesem Heft nicht um-fassend behandelt werden kann. Dafür fehlt derPlatz in diesem begrenzten Rahmen von 48 Seiten,aber wohl auch die Zahl der verfügbaren Stunden imUnterricht. Sonst könnte man auch darüber philoso-phieren, was überhaupt Verfassungen sind und wassie sein sollen. Man könnte auf Verfassungsge-schichte eingehen oder einen Verfassungsvergleichals weiteren Baustein planen.

Theodor Eschenburg hat mit Recht darauf hingewie-sen, dass die Verfassung keine Heilsordnung seinwill und sein kann. Aber sie soll immerhin in einemdemokratischen Staat Antwort auf die Frage geben,wie Ordnung in Freiheit möglich ist und nachhaltiggewährleistet werden kann. Darum lohnt es, sich imUnterricht intensiv mit dem Grundgesetz zu be-schäftigen.

P R O G R A M M H I N W E I SSüdwestdeutscher Lehrerverband für

Geschichte und Politische Wissenschaften (SWL)

Demokratische Kultur in Deutschland:50 Jahre Grundgesetz –

150 Jahre Badische Revolution 19. Juli 1999, Schloss Rastatt, Ahnensaal

Anreise bis 9.30 Uhr

10.00 Uhr Begrüßung: Hans Woidt, SWLGrußwort: Siegfried Schiele, LpB

10.30 Uhr Prof. Dr. Jutta LimbachPräsidentin des Bundesverfassungsgerichts50 Jahre Grundgesetz

11.30 Uhr Dr. Wolfgang MichalkaLeiter der Erinnerungsstätte in Rastatt Führung durch die neugestaltete Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte

12.30 Uhr Mittagspause

14.30 Uhr Roland Obenland, Studiendirektor am Ludwig-Wilhelm-Gymnasium in Rastatt 150 Jahre Badische Revolution

16.00 Uhr Ende der Tagung

Die Landestagung wird vom Ministerium für Kultus undSport und von den Oberschulämtern als Fortbildungs-veranstaltung anerkannt.

Anmeldungen bitte an den Landesvorsitzenden desSWL, Herrn Hans Woidt, Albrechtstr. 7, 72072 Tübingen

BAUSTEIN A

Du und das Grundgesetz

Das Ziel des gesamten Heftes besteht darin, denSchülerinnen und Schülern das Wesen des Grund-gesetzes näher zu bringen. Es ist aber nicht damitgetan, grundlegende Kenntnisse zu vermitteln,wenn den jungen Menschen dabei nicht klar wird,dass das Grundgesetz sie persönlich etwas angeht.Die Verfassung darf nicht ein Abstraktum bleiben,mit dem man nichts zu tun hat.

Darum möchte dieser erste Baustein gleich eine Be-ziehung zwischen dem Grundgesetz und den Schü-lerinnen und Schülern anbahnen. Bewusst wird pro-vokativ die Frage gestellt: Was geschieht, wenn duund deine Freunde zu den „Ohne-Micheln“gehören? Die Demokratie, die durch das Grundge-setz garantiert werden soll, braucht Demokraten.

Das gängige Gegenargument sollte im Unterrichtzentral aufgegriffen werden: „Der kleine Mann kannja doch nichts machen!“ Diesen Einwand kann mannicht vorschnell abtun. In einer Massendemokratiekann nicht jede Einzelfrage mit jeder Bürgerin undjedem Bürger persönlich abgestimmt werden. Des-halb haben wir eine repräsentative Demokratie.Dennoch darf der Ausgangspunkt, den unserGrundgesetz in Art. 20 als unverbrüchlich festhält,nicht aus dem Auge verloren werden: „Alle Staats-gewalt geht vom Volke aus“.

Ohne Träumereien auszubreiten, die junge Men-schen überfordern, sollte im Unterricht ganz prak-tisch und einfach darüber gesprochen werden, wel-che Möglichkeiten zum Mitmachen in unsererDemokratie bestehen. Am glaubwürdigsten wirkenBeispiele, die von Schülerinnen und Schülern, diesich politisch betätigen und engagieren, selbst ge-schildert werden. Es wäre viel gewonnen, wenn dieMehrzahl der Gleichgültigen in der Klasse einenSinn dafür bekäme, dass ihre Mitwirkung, in welchbescheidener Form auch immer, ein Dienst für dieDemokratie im Sinne unseres Grundgesetzes wäre.

Der gute Wille braucht jedoch konkrete Nahrung.Deshalb werden in diesem ersten Baustein auch diewichtigsten Daten des Grundgesetzes vermittelt,ohne deren Kenntnis die Bemühungen zum Mitma-chen blinder Eifer wären. Um die Schülerinnen undSchüler nicht zu überfordern – es geht in erster Linieum den Sekundarbereich l – werden hier lediglichdie Inhalte des Grundgesetzes vorgestellt, die für einGrundverständnis unerlässlich sind.

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Um allmählich eine Vertrautheit mit unserer Verfas-sung herzustellen, sollten die Schülerinnen undSchüler eine aktuelle Ausgabe des Grundgesetzesausgehändigt bekommen. Außer im Buchhandel istes bei der

Bundeszentrale für politische Bildung Postfach 2325, 53013 Bonn

sowie bei der Landeszentrale für politische Bildungzu erhalten.

Der Text sollte nicht nur beim Thema GrundgesetzVerwendung finden, sondern den gesamten politi-schen Unterricht begleiten. Nur so kann Vertrautheitund ein Eindruck von der Bedeutung entstehen. Ge-rade weil in Deutschland Verfassungen noch nichtpopulär sind, sollten wir den Umgang mit demGrundgesetz selbstverständlicher machen.

Im Unterricht sollte auch der Begriff „Grundgesetz“geklärt werden. Diese Bezeichnung wurde gewählt,um den provisorischen Charakter bis zur Wiederver-einigung zu unterstreichen. Auch nach der Wieder-vereinigung hat das Grundgesetz seinen Namen be-halten.

Vorschläge für den Unterrichtsverlauf

Provozierend werden A 1 und A 2 als Einstieg ein-ander gegenübergestellt. Die Schülerinnen undSchüler sollten darüber diskutieren, wie sie sich undihr eigenes Verhalten sehen. Tun sie etwas für un-sere Demokratie oder sagen sie wie viele: Ohnemich! Danach soll das Bild des „Ohnemichel“ nochetwas konkreter gefasst werden (A 3 bis A 5). Wie-der wird dagegen ein Appell (A 6) gestellt.

Wenn die Diskussion über das Mitmachen bislangim theoretischen Rahmen blieb, so weisen Wissen-schaftler darauf hin, dass es in unserer Demokratieeine beunruhigend hohe Zahl von Leuten gibt, diedas demokratische System als solches in Fragestellen (A 7).

Was ist die Antwort auf diese Probleme? HildegardHamm-Brücher proklamiert die Vision einer „Bürger-gesellschaft“ (A 8).

Um die Problematik auch für den Sekundarbereich lzu erschließen, wird zunächst ein einfacher Test vor-gelegt, der deutlich machen soll, inwieweit dieSchülerinnen und Schüler überhaupt schon mit dempolitischen Leben in Berührung gekommen sind (A 9).

Danach wird gefragt, wie der ideale Bürger in unse-rer Demokratie aussehen könnte (A 10). Konkretwerden Vorschläge zum Mitmachen vorgestellt (A 11 und A 12).

Eher für die Oberstufe wird zusätzlich das Text-Puzzle (A 13) empfohlen, das ein Wort von Max Weber wiedergibt:

„Politik ist die Kunst des Möglichen,aber alle Erfahrung bestätigt es,dass man das Mögliche nicht er-reichte, wenn nicht immer wieder inder Welt nach dem Unmöglichengegriffen worden wäre.“

Diese Aussage gilt auch für eine möglichst umfas-sende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger inunserer Demokratie.

Im zweiten Teil des ersten Bausteins geht es um dieVermittlung der elementaren Informationen zumGrundgesetz. Die historische Einführung hält sichbewusst in Grenzen. A 14 soll blitzlichtartig aufzei-gen, dass der dritte Anlauf zur Demokratie inDeutschland geglückt ist. In A 15 erhält die Klasseeinen Überblick über die Arbeit des Parlamentari-schen Rates. A 16 stellt das Ergebnis dieser Arbeitvor.

Nun beginnt die Phase der Problematisierung. Kannman auf unsere Verfassung trinken (A 18)? Ist siedas Fundament, auf dem wir unser privates und öf-fentliches Glück gründen können (A 17)? Der Bür-ger, der in seinem Häuschen geruhsam die Zeitungliest und sich wohl fühlt, hat in der Regel keine Ah-nung davon, dass auch sein privates Glück viel mitunserer Verfassung zu tun hat, quasi das Funda-ment für das Wohlbefinden mitbegründet.

Danach wird eine Informationsphase eingeschaltet.Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) wird inden Brennpunkt gerückt (A 19). Die Bedeutung die-ses Artikels wird durch die Karikatur (A 20) unter-strichen. Jetzt muss geprüft werden, was in Art. 1GG (A 21) und Art. 20 GG steht. Das Wort-Puzzle (A 22) kann in Gruppenarbeit gelöst werden. DieDarstellung A 23 bringt die Kernbestimmungen un-seres Grundgesetzes noch einmal gebündelt zumAusdruck.

Die Bilder A 24 bis A 26 unterstreichen Ideale unse-rer Verfassung, die nicht immer in der Realität abge-bildet sind, die aber z.B. in der friedlichen Revolu-tion in der DDR fast vollkommen realisiert werdenkonnten und nicht aus den Augen verloren werdensollten.

Dass das nicht immer so war und auch anders seinkann, unterstreichen A 27 und A 28. In autoritärenund totalitären Systemen wird der Mensch unter-drückt oder gar geknechtet. Die Staatsgewalt gehtdann nicht mehr vom Volk aus. Die Würde des Men-schen wird mit Füßen getreten. Darum lohnt es sich,für die Verfassung einzutreten und sich über unserGrundgesetz zu freuen, auch wenn zuweilen eineLücke klafft zwischen dem Anspruch unseresGrundgesetzes und der gesellschaftlich-politischenRealität, also zwischen Verfassungsrecht und Ver-fassungswirklichkeit. Wir können alle dazu bei-tragen, dass die Lücke möglichst erträglich bleibt.

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BAUSTEIN B

Grundrechte

Nach Artikel 79 Abs. 3 GG und Artikel 19 Abs. 2 GGgehören die Grundrechte in ihrem Wesensgehaltzum unveränderbaren Kern des Grundgesetzes. Unsere Verfassung legt großen Wert darauf, dassdie Grundrechte nicht wie Fixsterne am Himmelhängen; sie sollen vielmehr im Alltag direkt und kon-kret erfahrbar sein. Sie sind nach Artikel 1 Abs. 3„unmittelbar geltendes Recht“.

Die Schreckensherrschaft des Dritten Reiches hatdie Würde des Menschen mit Füßen getreten. Nachdem Willen der Mütter und Väter des Grundgeset-zes sollte das nicht noch einmal passieren. Deshalbhaben die Grundrechte einen zentralen Stellenwerterhalten, der auch dadurch zum Ausdruck kommt,dass die Grundrechte ganz am Anfang der Verfas-sung stehen.

Grundrechte und Menschenrechte gehören eng zu-sammen. Der begrifflichen Klarheit wegen sei daraufhingewiesen, dass bei den Grundrechten unter-schieden werden muss zwischen denen, auf die nurdie Staatsangehörigen einen Anspruch haben undden Menschenrechten, die für alle Menschen, die inDeutschland leben, gelten. Zu den Rechten, die nurfür Staatsangehörige Geltung haben, gehören z.B.die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. DasRecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit habendagegen alle, die sich in Deutschland aufhalten. Gerade im Zeitalter der Globalisierung ist die inter-nationale Geltung der Menschenrechte ein vorrangi-ges Ziel. Wir können vieles für dieses Ziel tun, wennwir die Wirksamkeit der Menschenrechte bei uns inDeutschland so entfalten, dass davon eine die Gren-zen überschreitende Leuchtkraft ausgeht.

Dieses allgemeine Postulat kann sehr konkret wer-den. Wie wir mit Ausländern umgehen, wie wir densozial Schwachen helfen, wie die Toleranz ausge-prägt ist, lässt sich ziemlich genau feststellen undbeschreiben. Es lohnt sich, von Zeit zu Zeit selbst-kritisch Bilanz zu ziehen, inwieweit die Grundrechtetatsächlich „unmittelbar geltendes Recht“ sind undwas wir selbst dafür tun. Wer z.B. eine Schülerzei-tung aktiv unterstützt oder gar im Redaktionsteammitarbeitet, realisiert das Grundrecht auf Meinungs-und Informationsfreiheit auf eindrucksvolle Weise.

Da wir schon aus Zeitgründen nicht alle Grund-rechte behandeln können, wird in diesem Bausteinder Vorschlag gemacht, am Beispiel „Kopftuch-streit“ einige Grundrechte (vor allem Artikel 3 und 4)genauer kennenzulernen. Dabei wird deutlich, dasses im Alltag zu Widersprüchen bei der Anwendungder Grundrechte kommen kann.

Der Kopftuchstreit eignet sich auch deshalb, weilhier Fragen aufgeworfen werden, die im globalenZeitalter an Bedeutung zunehmen: Wie ist unterWahrung der Menschenrechte das Zusammenlebenverschiedener Kulturen möglich oder wie könnenund sollen sich im säkularen Zeitalter die Religions-gemeinschaften in einer Demokratie betätigen?

Dieser kulturelle Hintergrund kann freilich nur ange-deutet werden. Im Vordergrund stehen die Grund-rechte.• Wie kann z.B. die „Gleichheit vor dem Gesetz“

(Artikel 3) in einem Konfliktfall garantiert werden?• Wie kann in einer konkreten Situation die Glau-

bens- und Gewissensfreiheit (Artikel 4) gesichertwerden?

• Wie sind die Rechte einer Lehrerin im Verhältniszu den Rechten der Schülerinnen und Schüler zuwerten?

• Und wie verhält es sich mit dem Neutralitätsgebotder Schule?

• Ist das Kopftuch Ausdruck einer religiösen Hal-tung oder Symbol für eine politische Einstellung?

Diese Fragen, die zumindest für Fereshta Ludin sehrkonkrete Bedeutung haben, bestimmen zentraldiese Unterrichtseinheit. Dabei kann es nicht nurdarum gehen, eine konkrete politische Entschei-dung nachvollziehbar zu machen. Schülerinnen undSchüler sollen sich selbst den Kopf zerbrechen, wiesie in diesem konkreten Fall entschieden hätten. Siesollen aber die Entscheidung nicht spontan undemotional treffen, sondern nach ausführlicher Be-schäftigung mit der Materie. Da es unmittelbar umden Schulbereich geht, der Fall also im unmittel-baren Horizont der Schülerinnen und Schüler liegt,darf man mit besonderem Interesse rechnen.

Vorschläge zum Unterrichtsverlauf

Der konkrete Konflikt, der sich erst vor kurzem inBaden-Württemberg zugetragen hat, spielt die zen-trale Rolle bei diesem Baustein.

Plakativ werden die handelnden Personen in B 1vorgestellt: Kultusministerin Annette Schavan hatentschieden, dass die angehende muslimische Leh-rerin Fereshta Ludin nicht in den Schuldienst desLandes übernommen werden kann. Und das, ob-wohl doch in Deutschland die Religionsfreiheit ver-brieft ist (B 2).

Die Schülerinnen und Schüler sollen Gelegenheit er-halten, die Meinungsbildung im Parlament nachzu-vollziehen (B 3). Die wichtigsten Argumente, die beider Debatte im baden-württembergischen Landtagam 15. Juli 1998 vorgebracht wurden, werden vor-gestellt (B 4). Damit die relativ einheitliche Mei-nungsbildung im Parlament die Schülerinnen undSchüler nicht überrollt, wird die kritische Bewertungvon Cem Özdemir präsentiert (B 5). Eine weitere kri-tische Kommentierung der Entscheidung schließtsich an (B 6).

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An dieser Stelle sollte eine erste Meinungsbildung inder Klasse herbeigeführt werden: Wie hätte ichselbst in dieser Frage entschieden? Welche Gründesprechen für, welche gegen das Tragen des Kopf-tuchs? Wie sehen die rechtlichen Bestimmungenaus? Welche Grundrechte und welche Verfassungs-bestimmungen stehen miteinander im Widerstreit?(B 7)

In einem zweiten Schritt erhalten die Schülerinnenund Schüler noch Informationen, die über den kon-kreten Fall hinausführen. Die Geschichte des Kopf-tuchs hat eine lange Tradition, die wenigstens ingroben Zügen bekannt sein sollte (B 9). Das Doku-ment B 10 zeigt, dass die Burqa eine Funktion hat,die noch weit über die des Kopftuchs hinausgeht. B 8 weist darauf hin, dass die „Kopftuch-Frage“nicht nur in Deutschland existiert. In Frankreich istes Schülerinnen nicht erlaubt, das Kopftuch in derSchule zu tragen. Auch bei uns geht der Streit umsKopftuch weiter (B 11). Wir sind daher alle gefor-dert, uns eine eigene Meinung zu bilden.

Da bei der Thematik „Grundrechte“ ganz bewusstdas exemplarische Verfahren gewählt wurde, solltenergänzend wenigstens noch die anderen Grund-rechte kurz vorgestellt werden. Auch bei ihnen kannes in konkreten Fällen zu ähnlichen Konflikten kom-men (B 12).

Dennoch soll hinter solchen Problemen nicht ver-borgen bleiben, dass die Grundrechte ein Glanz-stück unserer Verfassung sind, welche die Entfal-tung und Freiheit der Person sicherstellen.

BAUSTEIN C

Rechtsstaat

Was ein Rechtsstaat wert ist, wird einem manchmalerst bewusst, wenn man sich in einem ausländi-schen Staat aufgehalten hat, wo man mit demRechtsstaat leichtfertig umgeht. Wir wissen auchaus unserer eigenen historischen Erfahrung, was einUnrechtsstaat bedeutet. Die NS-Willkürherrschaftwar das genaue Gegenteil eines Rechtsstaates.Auch das Regime in der DDR trat viele rechtsstaat-liche Grundsätze mit Füßen. Heute gibt es auf derganzen Welt mehr Länder, in denen rechtsstaatlicheGrundsätze nicht gelten, als Staaten, in denen derRechtsstaat geschützt und garantiert wird.

Darum ist es die Absicht dieses Bausteins, die Be-deutung und den Wert von Rechtsstaatlichkeit mit

verständlichen Mitteln so darzustellen, dass dieSchülerinnen und Schüler• verstehen, was ein Rechtsstaat ist (sie sollen

einige Merkmale konkret benennen können)• den Rechtsstaat vom Unrechtsstaat unterschei-

den können• den Rechtsstaat als Werf erkennen, für den es

sich einzusetzen lohnt.

Der Rechtsstaat ist ein zentraler Bestandteil einerdemokratischen Gesellschaft. Es gibt keine Demo-kratie ohne Rechtsstaat und keinen Rechtsstaatohne Demokratie.

In diesem Baustein soll die systematische Darstel-lung nicht übertrieben werden. So wird bewusstnicht auf die Unterscheidung von formalem und materiellem Rechtsstaat eingegangen. Wir gehenvom Rechtsstaat aus, der Gerechtigkeit realisierenwill und den Grund- und Menschenrechten ver-pflichtet ist.

Ein Kernelement des Rechtsstaates ist der Schutzvor staatlichem Machtmissbrauch. Er wird durch dieGewährleistung folgender Grundsätze garantiert:• die Rechtsgleichheit• die Rechtssicherheit• die Sicherung der staatlichen Ordnung durch die

Verfassung• die Garantie der Grundrechte• die Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung• die Bindung der Verwaltung an das Gesetz• die Teilung der staatlichen Gewalt.

In diesen Baustein kann nicht ein kleines Rechtskol-leg integriert werden. Dennoch soll das Bewusstseingeweckt werden für wichtige rechtsstaatliche Maxi-men wie z.B. den „Vorrang des Gesetzes“, der in Artikel 20 Abs. 3 GG verankert ist: „Die Gesetz-gebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, dievollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sindan Gesetz und Recht gebunden“. Der „Vorbehaltdes Gesetzes“ meint, dass Eingriffe in die Rechts-und Freiheitssphäre des Einzelnen der Grundlage eines förmlichen Gesetzes bedürfen.

Die Gewährleistung des Gerichtsschutzes wird inArtikel 19 Abs. 4 GG garantiert: „Wird jemand durchdie öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, sosteht ihm der Rechtsweg offen“. Eine mögliche Ge-fahr, die sich aus diesem Recht ergibt, besteht darin,dass der Rechtsstaat zum „Rechtswegestaat“ wird,wenn Bürgerinnen und Bürger den Rechtsweg we-gen Bagatellfällen beschreiten.

Bei den Materialien wurde darauf verzichtet, alle ein-schlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes, dieden Rechtsstaat garantieren sollen, aufzulisten. Hieraber sollen sie gebündelt dargestellt werden:

• Art. 1 Abs. 3 GG: Bindung aller staatlichen Gewaltan die Grundrechte als unmittelbar geltendesRecht

• Art. 20 Abs. 3 GG: Bindung des Gesetzgebers andie Verfassung

• Art. 3 GG: Rechtsgleichheit

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• Art, 19 Abs. 4 GG: Rechtswegegarantie• Art. 20 Abs. 2 GG: Gewaltenteilung• Art. 20 Abs. 3 GG: Verwaltung und Rechtspre-

chung sind an Recht und Gesetz gebunden• Art. 19 Abs. 4 GG: Verwaltungsgerichtsbarkeit• Rechtssicherheit wie sie in folgenden Artikeln

Ausdruck findet:• Art. 97 GG: Unabhängigkeit der Richter• Art. 101 GG: Verbot von Ausnahmegerichten• Art. 103 Abs. 2 GG: Keine Strafe ohne Gesetz• Art. 103 Abs. 3 GG: Bestrafung einer Tat nur

ein einziges Mal• Art. 23 Abs. 1 GG: Rechtsstaatliche Mitwirkung

an der Europäischen Union.

Nach Art. 79 Abs. 3 GG gehört das Rechtsstaats-prinzip zum Wesensgehalt des Grundgesetzes. Eskann nicht einmal durch eine verfassungsänderndeZweidrittelmehrheit aus den Angeln gehoben wer-den.

Oft hat das Recht in den Augen der Bürgerinnen undBürger dadurch einen schalen Beigeschmack, dasses mit einem fast unübersehbaren Wust von Para-graphen gleichgesetzt wird. Mittlerweile umfasst allein das Bundesrecht ca. 90 000 Paragraphen.Neue Entwicklungen in den Bereichen des Umwelt-schutzes, der Wirtschaft und der Gentechnik werfenProbleme auf, die ebenfalls rechtlich gefasst werdenmüssen. Dennoch wird es in der Zukunft auch dar-auf ankommen, das Recht, wo es nur geht, zu ver-einfachen und nicht zu einem nicht mehr beherrsch-baren Monstrum auswachsen zu lassen.

Vorschläge für den Unterrichtsverlauf

Am Anfang des Bausteins steht eine Karikatur (C 1),die an möglichen Vorurteilen über das Recht an-knüpft: das Recht, das einem in Form von verstaub-ten Paragraphen begegnet.

Die folgenden Materialien sollen dagegen das Rechtin einer positiven Form darstellen. Der Text C 2nennt wichtige Kriterien, die den Rechtsstaat cha-rakterisieren. Hier soll die Klasse die Merkmale nacheingehender Lektüre der Texte herausarbeiten. C 4bringt die verschiedenen Merkmale in einen über-schaubaren Zusammenhang.

Das wichtige Prinzip der Gewaltenteilung soll durchdie Darstellung C 3 verdeutlicht werden. Die Tür zurMacht öffnet sich nur, wenn die drei Gewalten zu-sammenwirken. Eine gewisse Ordnung in die ver-schiedenen Rechtssysteme bringt C 5.

Auch in der Sekundarstufe l kann und soll man fra-gen, von welchen Grundsätzen das Recht getragenist. Der Ausgangs- und Zielpunkt „Gerechtigkeit“wird in C 6 zum Ausdruck gebracht. Ohne Verbin-dung zur Gerechtigkeit gibt es kein Recht, das Be-stand haben kann.

Eng mit dieser Frage verbunden ist auch die Ver-knüpfung des Rechts mit Bereichen, die andere

Wurzeln haben: Religion sowie Brauch und Sitte.Die Religion möchte auch Ordnung in die zwi-schenmenschlichen Beziehungen bringen. Die zehnGebote z.B. decken sich in manchen Teilen mit For-derungen des Rechtssystems. Bräuche und Sittenregeln ebenfalls das menschliche Miteinander.Wenn es zum Beispiel guter Brauch ist, dass Abma-chungen eingehalten werden, ist unser Rechtssy-stem gewaltig entlastet. Die Darstellung C 8 soll dieEigenständigkeit der Bereiche aufzeigen wie auchdie gemeinsame Schnittmenge zum Ausdruck brin-gen.

Kurz soll angedeutet werden, wie es aussehen kann,wenn rechtsstaatliche Grundsätze nicht beachtetwerden (C 7). Die Partei (SED) griff unmittelbar inden Gang eines Gerichtsverfahrens ein.

Eine akute Sorge unseres Rechtswesens wird mitden Karikaturen C 9 behandelt: die Paragraphenflut,die nicht mehr zu bewältigen ist. Anspruchsvoll istder Text C 10. Hier wird die Bedeutung des Rechts-staats in größere Zusammenhänge gestellt.

Zu empfehlen ist die Aufgabe zum Schluss (C 11).Hier kann sich zeigen, ob die Schülerinnen undSchüler rechtsstaatliche Grundsätze verstanden haben.

Zu den Lösungen:

1) Art. 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind vor demGesetz gleich“

2) Es gibt die „Rechtsweggarantie“

3) Art. 3 Abs. 2 GG: „Männer und Frauen sindgleichberechtigt“

4) Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG)

5) Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist zentralfür den Rechtsstaat

6) Vgl. Nr. 1

7) Vgl. Nr. 1

8) Die Gerechtigkeit gebietet, Gleiches gleich undUngleiches ungleich zu behandeln. Das wider-spricht nicht dem Gleichheitsgrundsatz.

9) Art. 19 Abs. 2 GG: „In keinem Falle darf einGrundrecht in seinem Wesensgehalt angetastetwerden.“

10) Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung istGesetzgebung Sache des Parlaments.

11) Art. 101 Abs. 1 GG verbietet Ausnahmegerichte.

12) Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103, Abs. 3GG).

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BAUSTEIN D

Sozialstaat

In einer Zeit, in der intensiv über den „Umbau desSozialstaats“ geredet wird, sollte man wissen, wiedas Wesen des Sozialstaats beschaffen ist. NachArtikel 20 Abs. 1 GG ist die BundesrepublikDeutschland „ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“. Der Anspruch, dass unsere Demo-kratie sozial ausgestaltet werden muss, darf niemalsaufgegeben werden. In den letzten Jahren hat sichdie Debatte über den Sozialstaat deshalb verstärkt,weil die wirtschaftliche Konkurrenz im Rahmen derGlobalisierung zugenommen hat. Etliche Fachleutebehaupten, dass die deutsche Wirtschaft internatio-nal an Konkurrenzfähigkeit verliere, wenn die „Soziallasten“ nicht abgebaut würden. Ist ein sol-cher Abbau aber auf dem Hintergrund von Artikel 20Abs. 1 GG überhaupt möglich? Im politischen Alltagwird deshalb gern von „Umbau“ statt von „Abbau“gesprochen. Wie soll dieser Umbau aber konkretaussehen? Diese Fragestellung sollte im Rahmendieses Bausteins eine Rolle spielen, wenn es auchnicht um eine aktuelle Unterrichtseinheit geht. Diegrundsätzliche Fragestellung „Was ist überhaupt einSozialstaat?“ überwiegt.

Das Prinzip der „sozialen Marktwirtschaft“ ist im Wesentlichen die Antwort auf die Verpflichtung desGrundgesetzes auf den Sozialstaat. Danach bautdas Wirtschaftsleben grundsätzlich auf Markt undWettbewerb. Ohne den wichtigen Zusatz „sozial“würden nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip dieSchwachen auf der Strecke bleiben.

Die soziale Marktwirtschaft betont die Selbstverant-wortlichkeit des Menschen. Er soll sich frei entfaltenund Verantwortung übernehmen, wo es nur möglichist. In Freiheit soll er Eigentum erwerben und Inves-titionen tätigen können. Der Mensch kann jedochnicht als Individuum wirtschaften. Als soziales Wesen ist er auf das Miteinander angewiesen. ZumGrundsatz der Eigenverantwortung tritt die Ver-pflichtung zur Solidarität. Nur auf dieser Basis kannes sozialen Frieden und Gerechtigkeit geben.

Da die Marktwirtschaft aus sich allein nicht sozialwirksam sein kann, muss der Staat Rahmenbedin-gungen schaffen, die sozialen Ansprüchen genügen.Die Marktwirtschaft erfährt also Korrekturen und Ergänzungen. Wenn es z.B. im Art. 14 Abs. 2 GGheißt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zu-gleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, so istdiese Verpflichtung Ausdruck der notwendigen Soli-darität dem sozialen Ganzen gegenüber. Und wennEinkommensstarke mehr Steuern zahlen müssen alsEinkommensschwache, ist das ebenfalls eine Aus-

wirkung eines funktionsfähigen Sozialstaats. Um imAlter, bei Krankheit, Unfällen oder im Fall von Arbeitslosigkeit nicht ungeschützt zu sein, gibt es imSozialstaat ein soziales Versicherungssystem. Die-ses System darf nicht aus den Angeln gehoben werden. Probleme gibt es zuweilen deshalb mit diesem System, weil es nicht vor Missbrauch sicherist. Hier sind bestimmt Regelungen denkbar, welchedie gesellschaftliche Solidarität nicht so stark stra-pazieren.

Der Sozialstaat muss auch dafür Sorge tragen, dassin einer demokratischen Gesellschaft Startgerech-tigkeit besteht. Alle jungen Menschen müssen z.B.gleiche Bildungschancen haben. Der Staat hat dieVerpflichtung, für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Es bleibt in der konkreten politischen Auseinander-setzung immer strittig, ob der bestehende sozialeAusgleich genügt, ob der Wettbewerbscharakter derWirtschaft stärker betont werden soll oder ob nichtzu vertretende soziale Schieflagen in der Gesell-schaft vorliegen. Die konkrete Ausgestaltung desSozialstaats gehört zu den wesentlichen Herausfor-derungen einer zukunftsfähigen Gesellschaft.

Wenn die Schülerinnen und Schüler in diesem HeftKernelemente des Grundgesetzes verstehen sollen,gehört dazu auch das Verständnis vom Sozialstaat.

Dieser Baustein möchte Schülerinnen und Schülerbefähigen:• benennen zu können, welche Elemente den

Sozialstaat ausmachen,• definieren zu können, was die soziale Marktwirt-

schaft von der freien Marktwirtschaft unterschei-det,

• beurteilen zu können, inwieweit die Forderungnach einem „sozialen Bundesstaat“ nach Art. 20Abs. 1 GG in Deutschland erfüllt ist,

• verstehen können, weshalb der Sozialstaat einenWert darstellt, für den es sich einzusetzen lohnt.

Vorschläge für den Unterrichtsverlauf

Die Unterrichtseinheit sollte mit einem großen Fra-gezeichen beginnen: Wie kommt der Rollstuhlfahrerdie Treppe hinauf? (D 1)

Die Schülerinnen und Schüler werden in der Regelvon subjektiven Erfahrungen ausgehen und nichtgleich auf den Sozialstaat kommen. Durch die Dar-stellung D 2 wird der Begriff „Sozialstaat“ einge-führt. Er bietet offenbar ein schützendes Dach ge-gen Bedrohungen unseres sozialen Lebens.

An dieser Stelle sollte plakativ auf Artikel 20 Abs. 1

GG verwiesen werden:

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

Es ist wichtig, dass der Begriff „Sozialstaat“ ver-standen wird. Darum erläutert die Karikatur D 3,dass es zum Wesen des Sozialstaats gehört, sozialeUnterschiede auszugleichen oder abzumildern. Der

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BAUSTEIN E

Grundgesetzänderung„Asyl“

Sechsundvierzigmal wurde das Grundgesetz bisMitte 1998 geändert; im Durchschnitt ergibt dasnicht einmal eine Änderung pro Jahr. Das scheintnicht viel zu sein. Im Vergleich zu den fünfzehn Än-derungen der amerikanischen Verfassung in über200 Jahren ist es eine Menge.

Die Zahlen verraten jedoch wenig; aussagekräftigerist die Qualität der Neuerungen. Einen besonderenStatus innerhalb unserer Verfassung genießen dieGrundrechte. Sie werden auf angeborene Freiheits-rechte zurückgeführt und sind damit unveräußerli-che Rechte. Im Grundgesetz sind sie mehrtach ab-gesichert: Artikel 79 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2garantieren ihren Wesensgehalt. Die Hürden für eineGrundgesetzänderung sind hoch: Zwei Drittel derAbgeordneten des Bundestags und der Mitgliederdes Bundesrats müssen dem Gesetz zustimmen. Istdiese Hürde zu hoch, um notwendigen gesellschaft-lichen Reformen Rechnung zu tragen? Die Ände-rung des Artikels 16 ist ein Gegenbeispiel.

Die Änderung des Asylrechts hat viele Emotionenausgelöst. Der Bundespräsident musste öffentlichdazu aufrufen, keinen Druck auf die Abgeordnetenauszuüben. Demonstrationen begleiteten die Parla-mentssitzungen, und im Vorfeld hatte das ThemaAsyl monatelang Schlagzeilen gemacht. Vorwürfevon der „Aushöhlung eines Grundrechts“ bis zur„untätigen Hinnähme der Asylantenflut“ luden dieDiskussion emotional auf. Das Beispiel Asyl zeigt,wie das Spannungsfeld der gesinnungs- bzw. ver-antwortungsethischen Sicht der Politik (Max Weber)aussehen kann.• Wurden die Ideale der Väter und Mütter des

Grundgesetzes leichtfertig der Stimmung desVolkes geopfert?

• Konnten diese die stark anwachsende Zahl derAsylsuchenden nicht voraussehen, so dass dieAnpassung des Grundgesetzes an die heutigenVerhältnisse unausweichlich wurde?

• Wie flexibel muss oder darf eine Verfassung sein?

Das alte Asylrecht

„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ formulierteder Parlamentarische Rat kurz und prägnant im Ab-satz 2 des Artikels 16. Er zog die Lehren aus der Zeitdes Nationalsozialismus, in der viele Deutsche aufAsyl angewiesen waren. In den Beratungen setztesich die Argumentation des Abgeordneten Wagnerdurch, der sich verwahrte gegen „ein Asylrecht mitVoraussetzungen, mit Bedingungen, (.... das) wärein meinen Augen der Beginn des Endes des Prinzips

Text D 4 versucht behutsam und anschaulich zu ver-mitteln, welche Merkmale den Sozialstaat kenn-zeichnen. Die Interpretation kann von der Klasse ge-leistet werden.

Die Wirkungsweise der sozialen Marktwirtschaft, diebereits im Text angesprochen wurde, wird in Schau-bildern verdeutlicht. Dabei können Hintergründe,Zielsetzungen und Funktionsweise der sozialenMarktwirtschaft herausgearbeitet werden (D 5 a-c).Text und Schaubild D 6 zeigen auf, welche sozialenSicherungssysteme es im Sozialstaat gibt. D 7 weistkonkret beim Thema „Mutterschutz“ nach, wie derStaat der sozialen Verpflichtung nachzukommenversucht.

Wenn wir wissen, was das Wesen des Sozialstaatsausmacht und wie er funktioniert, können wir unsder Frage zuwenden: Haben wir in Deutschland ei-nen Sozialstaat? Provokativ wird die Karikatur D 8vorgestellt:

• Ist die „soziale Pyramide“ richtig dargestellt?• Gibt es nur wenige, die an der Spitze der Gesell-

schaft stehen?• Trägt die große Masse die Hauptlast in unserer

Gesellschaft?• Und wieviel soziale Ungleichheit hält unsere Ge-

sellschaft aus?

Vor einer schnellen Antwort sollten aktuelle Datenstudiert werden (D 9, D 10, D 11). Dabei wird deut-lich, dass es nicht einfach ist, die Ausgaben für dasSozialbudget im Griff zu behalten. Es lohnt sich, mitder Klasse darüber zu diskutieren:

• Wie muss gesellschaftliche Solidarität aktuell definiert werden?

• Wie steht es um das Spannungsfeld zwischenFreiheit und Gleichheit?

Zum Schluss wenden wir uns einem sozialpoliti-schen Problem ersten Grades, der Arbeitslosigkeit,zu. Wie kann und soll der Sozialstaat mit diesemProblem fertig werden? Die Thesen D 12 sollenzunächst individuell bearbeitet werden. Die Auswer-tung in der gesamten Klasse führt bestimmt zu einerfruchtbaren und spannenden Diskussion.

Das Schwedenrätsel (D 13) stellt wichtige sozial-staatliche Begriffe und Probleme zusammen, dievon der Klasse gern und rasch entziffert werdenkönnen.

Lösungen waagrecht:

Generationenvertrag, Wohlfahrtsverbände, Sozial-gesetzbuch, Drogenmissbrauch, Umlageverfahren,Sozialabgaben, Bismarck, Krankheit, Kostenexplo-sion.

Lösungen senkrecht:

Subsidiarität, Selbsthilfegruppen, Rentenreform, Alkoholismus, Sozialstaat, Sozialhilfe, Unfall, Armut,Rente, Alter, Rehabilitation.

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des Asylrechts überhaupt.“ (Parlamentarischer Rat:Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 582).Der Artikel 16 des Grundgesetzes geht weit übervölkerrechtliche Bindungen hinaus: Jeder politischVerfolgte hat einen vorbehaltlosen, einklagbarenRechtsanspruch auf Asylgewährung. Daran ge-knüpft war die Notwendigkeit, jeden Antrag auf Asyldaraufhin zu überprüfen, ob politische Verfolgungvorliege.So weit geht nicht einmal die Genfer Flüchtlingskon-vention vom 28.7.1951, die erstmalig den Rechts-status von Flüchtlingen international festlegte. Sieräumt Flüchtlingen zwar einen effektiven Schutz ge-gen Zurückweisung ein, doch greift sie erst, wenndie Flüchtlinge bereits im Land aufgenommen wur-den.Andererseits geht sie über das deutsche Asylrechthinaus: Aufgrund der Genfer Flüchtlingskonventiondürfen Flüchtlinge auch dann nicht in ein Land ab-geschoben werden, in dem ihnen Gefahr für Leibund Leben sowie für Gesundheit droht, wenn siekein Asyl nach Artikel 16 erhalten haben. Diese De-Facto-Flüchtlinge erhalten das „kleine Asyl“ und be-grenzte Aufenthaltsbefugnisse. So ist z.B. Folter alsallgemeine Verfolgungsmethode kein Grund für Asylnach Artikel 16, jedoch ein Abschiebehindernis nachder Genfer Konvention und dem darauf abgestimm-ten Ausländergesetz. Wieviel Flüchtlinge durch letz-teren Rechtsstatus geschützt werden, zeigen fol-gende Zahlen: Im Jahr 1990 wurden nur 7094 voninsgesamt 73 429 Asylanträgen anerkannt. Ausrechtlichen, humanitären oder tatsächlichen Grün-den durften dennoch 38 889 abgelehnte Asylbewer-ber in Deutschland bleiben.

Entwicklung seit den achtziger JahrenSeit 1983 stiegen die Asylantragszahlen (mit der ein-zigen Ausnahme 1987) kontinuierlich an. Waren es1983 noch 19737 Anträge, so wurde 1992 der Re-kord von 438 191 Anträgen erreicht. Die Öffnung derosteuropäischen Grenzen führte dazu, dass nunüberwiegend Flüchtlinge aus dem Osten nachDeutschland kamen. Finanziell wirkte sich dieseEntwicklung vor allem auf die Kassen der Kommu-nen aus: Etliche Bürgermeister protestierten öffent-lich gegen diese Belastung. Medien und Politikertrugen durch einen manchmal unsensiblen Sprach-gebrauch nicht immer zur Versachlichung der Diskussion bei. Zusätzliche Nahrung erhielt dasThema durch eine Serie von Brandanschlägen aufAsylbewerberheime. Hoyerswerda (September1991), Hünxe (Oktober 1991), Lampertzheim (Januar 1992), Lichtenhagen und Mölln (November1992) sind einige Stationen des Schreckens.Die Verbrechen mit rechtsextremistischem Hinter-grund wurden allgemein verurteilt, doch wurdendaraus unterschiedliche Schlussfolgerungen gezo-gen. Interpretierten die einen eine Grundrechts-änderung als nachträgliche Legitimierung dieserVergehen und verurteilten erst recht eine Einschrän-kung des Artikels 16, so begründeten die anderendamit den erhöhten Handlungsdruck.

Die Forderung nach einer Grundrechtsänderungkam aus den Kreisen der CSU und wurde mit zu-nehmendem öffentlichen Druck auch für den libera-len Koalitionspartner akzeptabel. Die Wende inner-halb der SPD wurde im August 1992 mit den„Petersberger Beschlüssen“ eingeleitet, die imHerbst vom SPD-Bundesparteitag bestätigt wur-den. Innerhalb der SPD war dieser Richtungswech-sel sehr umstritten und wurde nicht von allen voll-zogen; die ablehnende Gruppe begründete ihrePosition auch öffentlich in der entscheidenden Bundestagsdebatte. Dennoch war nun der Weg fürden Asylkompromiss frei, der am 6. Dezember 1992gefunden und mit geringfügigen Änderungen am 26. Mai 1993 im Bundestag angenommen wurde.

Das neue Asyl rechtVor dem Blick auf die Inhalte lohnt es, sich dieLänge des neuen Artikels 16a vor Augen zu führen.Der schlichte Satz des Parlamentarischen Rats istdurch eine Fülle an Einzelregulierungen ergänzt wor-den, welche die ursprüngliche Fassung auf das Vier-zigfache ausdehnen. Dem steht z.B. der Charakterder amerikanischen Verfassung entgegen, die fastauf die zwei Tafeln der zehn Gebote passt und nurvorsichtig durch Amendments ergänzt wird. Sie gibtgrobe Richtlinien vor, die durch die Rechtsprechungausgelegt werden. Je jünger die Verfassungen sind,desto ausführlicher werden sie; diesen Trend zeigendie neuen Verfassungen in den osteuropäischenStaaten und eben auch die Änderungen im Grund-gesetz. Einige Juristen sind der Meinung, die Einzel-heiten des Artikels 16a hätten in ein einfaches Gesetz gehört und ihre Aufwertung zum Verfas-sungsrang schade der Autorität des Grundgesetzes.

Das schmälert jedoch nicht die Bedeutung desneuen Asylrechts. Neu ist die Ausklammerung von(Bürger-)Kriegsflüchtlingen aus dem Asylrecht, dieim Ausländergesetz einen eigenen Rechtsstatus er-halten haben. Nach den Paragraphen 32 und 54 desAusländergesetzes kann der Bundesinnenministergemeinsam mit den Ländern Kriegsflüchtlingen be-grenzten Aufenthalt gewähren, wie im Fall derFlüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien ge-schehen. Neu sind aber vor allem die „sicheren Herkunftsstaaten“ und die sogenannte „Drittstaa-ten-Regelung“.

Sichere HerkunftsstaatenVon Bundestag und Bundesrat werden per GesetzStaaten bestimmt, bei denen „gewährleistet er-scheint, dass dort weder politische Verfolgung nochunmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oderBehandlung stattfindet“ (Art. 16a, Abs. 3). Flücht-linge aus diesen Ländern können sofort an derGrenze abgewiesen werden. Das Bundesverfas-sungsgericht hat in den ersten Eilentscheidungendeutlich gemacht, dass ein aus diesen Gründennicht zugelassener Flüchtling die Möglichkeit habenmuss, diese Vermutung widerlegen zu können. DieBeweislast wird damit umgekehrt. Zweifel an derhundertprozentig gewährleisteten Verfolgungs-

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Abkommen“ vom 19. Juni 1990 und das am 14. Juni1990 in Dublin unterzeichnete EG-Asylabkommen.Sie bestimmen die Zuständigkeit für den Asylantrag,den das Land, in den der Flüchtling zuerst eingereistist, zu bearbeiten hat. Darüber hinaus vereinheitli-chen sie Einreise- und Visumsbedingungen, orga-nisieren einen Datenaustausch über Asylbewerber,und vieles mehr. Die Öffnung der Binnengrenzenwird durch eine stärkere Sicherung der europäi-schen Außengrenzen geschützt. Auch der Verfragvon Amsterdam stellt Weichen für ein einheitlicheresAsylrecht.

Ob eine „Festung Europa“ oder eine europäischeHarmonisierung im Sinne der Flüchtlinge am Endedes Weges steht, wird die Zeit zeigen. Das langfris-tige Ziel muss eine europäische Asylpolitik mit ge-rechter Lastenverteilung sein, die politischen Flücht-lingen eine Chance gibt, und vor allem präventivFluchtursachen beseitigt. Eine einheitliche europäi-sche Regelung wird Auswirkungen auf unsere Ver-fassung haben.

Fazit

Das Beispiel Asyl zeigt, dass der Änderung einesGrundrechtsartikels ein langwieriger politischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozess vor-ausgeht. Das Grundgesetz hat hohe Hürden für eineÄnderung geschaffen; bei einer Zweidrittelmehrheitim Bundestag muss in der Regel ein Teil der Oppo-sition für die Änderung gewonnen werden. Einwomöglich politisch anders besetzter Bundesratkann das Vorhaben ebenfalls blockieren. Der Kon-sens zwischen den verschiedenen Fraktionen mussdaher groß sein.

Die Auseinandersetzungen innerhalb der SPD zumAsylrecht zeigen, dass Grundrechte nicht nur formalgut geschützt sind, sondern oft auch verinnerlichteWerfesysteme darstellen, die nicht leichtfertig auf-gegeben werden. Die Argumente für eine Grund-rechtsänderung haben eine Zweidrittelmehrheit imBundestag und im Bundesrat überzeugt. Die Verant-worfungsethiker haben sich durchgesetzt. Die Ver-fassung ist kein Fähnchen im Wind, sondern ein so-lides Fundament, auf dem eine Gesellschaft bauenund Weichen stellen kann, zumal in Richtung Eu-ropa. Das Beispiel Asyl zeigt, dass eine Änderungdes Grundgesetzes auch in zentralen Fragen prinzi-piell möglich ist. Die Verfassung ist stabil und dyna-misch zugleich.

Vorschläge für den Unterrichtsverlauf

Die Asylrechtsänderung hat damals die Bevölkerungbewegt. Doch sie ist für die meisten Schülerinnenund Schüler nicht bewusst erlebte Geschichte, son-dern muss erst noch mit Leben gefüllt werden. Umden Konflikt überhaupt als solchen wahrzunehmen,müssen die Jugendlichen sowohl die Rolle der Be-fürworter des neuen Artikels 16a als auch die Rolleder Gegner und speziell der Flüchtlinge einnehmen

Sicherheit dieser Staaten hat auch die OrganisationAmnesty international, die Menschenrechtsverlet-zungen im Senegal und in Rumänien nachgewiesenhat. Senegal war zwischenzeitlich von der Länder-liste verschwunden, Gambia wurde ganz von der Liste genommen.

Derzeit werden folgende Staaten nach § 29a desAsylverfahrensgesetzes als verfolgungssicher ein-gestuft: Bulgarien, Ghana, Polen, Rumänien, Sene-gal, Slowakische Republik, Tschechische Republik,Ungarn. Aus diesen Staaten kamen früher über-durchschnittlich viele Flüchtlinge, von denen aller-dings kaum einer als politisch verfolgt anerkanntwurde.

Sichere Drittstaaten

„Wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Ge-meinschaften oder aus einem anderen Drittstaateinreist, in dem die Anwendung des Abkommensüber die Rechtsstellung der Flüchtlinge und derKonvention zum Schütze der Menschenrechte undGrundfreiheiten sichergestellt ist“ (Art. 16a, Abs. 2),hat keinen Anspruch auf ein Asylverfahren. Mangeht davon aus, dass der Flüchtling bereits in demTransitland hätte bleiben und dort Schutz findenkönnen. Sichere Drittstaaten sind die Mitgliedsstaa-ten der EU sowie Norwegen, Polen, TschechischeRepublik und die Schweiz. Damit ist Deutschlandrestlos von sicheren Drittstaaten umgeben. Werüber den Landweg nach Deutschland reist, hat perse keine Möglichkeit, Asyl zu erhalten, wenn mandie Reiseroute nachweisen kann. Der Betreffendekann sein Verfahren höchstens vom Ausland aus be-treiben.

Deutschland hat mit den Nachbarstaaten Überein-kommen über die Rückführung getroffen. Andereeuropäische Staaten wie die Schweiz, Belgien,Frankreich, Großbritannien und die Niederlande ori-entieren sich am „deutschen Modell“ und verweisenFlüchtlinge ebenfalls an zuvor durchreiste Länder,Die Gefahr einer Kettenabschiebung, bei der Flücht-linge bis ins Ursprungsland zurückgeschoben wer-den, steigt mit zunehmender Verbreitung dieser Pra-xis. Andererseits werden die durch die Aufnahmevon Flüchtlingen entstehenden Lasten innerhalb Eu-ropas gerechter verteilt.

Zukunft Europa?

Legt man die Senkung der Asylbewerberzahlen alsMaßstab für den Erfolg des neuen Asylrechts an,kann dieser voll bestätigt werden. Im ersten Halb-jahr 1998 wurde der niedrigste Zugang von Asylbe-werbern seit 1993 registriert: In den ersten siebenMonaten 1998 beantragten 51 000 Menschen Asyl;im Rekordjahr 1992 waren es noch 438 191 gewe-sen.

Noch immer nimmt Deutschland rund die Hälfte al-ler im Bereich der Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion um Asyl nachsuchenden Flüchtlinge auf. Esbestehen bereits einige Abkommen zur europäi-schen Zusammenarbeit: das „Zweite Schengener

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zur Flucht. Der Textauszug E 4 zeigt die systemati-sche Vertreibung der Juden zur Zeit des Nationalso-zialismus. Auch hier kann nach den Gründen derFlucht und der Bedeutung der Aufnahmebereit-schaft anderer Länder gefragt werden. Was erzählenGroßeltern über die Situation der Juden im Natio-nalsozialismus?

Debatten in Parlament und ÖffentlichkeitDie Auszüge aus den Protokollen des Parlamentari-schen Rats (E 5) verdeutlichen die Gründe für denursprünglichen Artikel 16 GG. Haben die damaligenArgumente an Aktualität verloren? Neu waren diehohen Zahlen der Asylbewerber sowie die ungeahn-ten Ausmaße ausländerfeindlicher Ausschreitungen,die im Flugblatt E 6 angedeutet werden. Positionenaus der Zeit der Asylrechtsänderung müssen hinzu-gezogen werden. Der Kommentar des Oberbürger-meisters von Freiburg (E 7) sowie die Kostenzu-sammenstellung in E 8 thematisieren schwervoraussehbare Entwicklungen. Die hohe Zahl derAsylbewerber ist auch auf vielfachen Missbrauchdes Grundrechts zurückzuführen. Die Anerken-nungsquoten legen davon Zeugnis ab (E 9).

Die Gegenüberstellung der Stimmen aus dem Bun-destag bei der zweiten und dritten Beratung desneuen Art. 16 a und der Diskussion im Parlamen-tarischen Rat führt zu einer fruchtbaren Debatte (E 5). Die Klasse kann in zwei Gruppen geteilt werden, welche die verschiedenen Positionen ver-treten. Die Jugendlichen können sich mit den Tabel-len und Fakten der Materialien E 5 bis E 19 auf dieDiskussion vorbereiten und die Argumente inhaltlichanreichern.

Das alte und das neue AsylrechtDer alte (E 10) und neue Artikel 16 (E 11) sollten di-rekt miteinander verglichen werden, damit das Aus-maß der Änderungen augenfällig wird. Verständnis-fragen können Absatz für Absatz am neuenAsylrecht bearbeitet werden, so dass indirekt mitdem neuen Artikel 16a, Abs. 1 auch das alte Asyl-recht besprochen wird.

AuswirkungenGrundsätzliche Fragen stellen sich bei Artikel 16a,Abs. 1: Was bedeutet überhaupt politische Verfol-gung? Welche Rechte wurden einem Menschen ver-weigert, den man als politisch verfolgt einstuft? Je-der Schüler, jede Schülerin soll sich einen Fallausdenken, in dem er oder sie politisches Asyl gewähren würde. Die in E 12 genannten Beispielewerden daraufhin geprüft, welche Grundrechte missachtet wurden und ob politische Verfolgungvorliegen könnte. In Fall a) ist ein Schicksal be-schrieben, das z.B. Abbas Maroufi real erlebt hat,der politisches Asyl in Deutschland erhielt; Theresa(b) hat jedoch keinen Anspruch, da sie aus wirt-schaftlichen Motiven floh. Die selbst erarbeitetenDefinitionen können mit der Definition des Bundes-verfassungsgerichts (E 13) verglichen werden.

können. Die Senkung der Asylbewerberzahlen auf-grund der finanziellen Belastung scheint ein leicht zuvermittelndes Ziel. Schwieriger ist die Identifizierungmit den Flüchtlingen, zumal die Mehrheit von ihnennicht politisch verfolgt ist.

ProblemaufrissEs gibt keine wissenschaftlich begründbare Zauber-formel darüber, wie wieviel Flüchtlinge ein Land ver-trägt. Die persönlichen Wertmaßstäbe spielen im-mer eine Rolle bei der eigenen Meinungsbildung.Was kann oder sollte eine Gesellschaft für politischeFlüchtlinge tun? Wie aufnahmefähig und -bereit istDeutschland? Fährt der Luxusdampfer ohne Not anden Ertrinkenden vorbei, oder droht das Boot ange-sichts der Flüchtlingsmassen zu kentern (E 1, E 2)?Die in ihrer Aussage kontroversen Karikaturen sindgeeignet, die persönlichen Meinungen der Schüle-rinnen und Schüler in Erfahrung zu bringen. Nachersten offenen Stellungnahmen kann die KlassePro- und Kontra-Argumente für jede der beiden Ka-rikaturen sammeln, um ein ausgewogenes Bild zuerzeugen.

Ein erstes Lernziel ist das Erkennen von Fluchtgrün-den. Das Weltpuzzle der Landeszentrale eignet sichgut als Einstieg: Gemeinsam legen die Schülerinnenund Schüler die Staaten zu einer Welt zusammen.Im anschließenden Gespräch sammeln die Jugend-lichen ihre Kenntnisse über einzelne Länder: WelcheStaaten führen einen Krieg gegeneinander oder be-drohen sich? Wo gibt es eine Hungersnot? Wo tobtein Bürgerkrieg? Wo passierten Naturkatastrophen?In welchen Ländern gibt es Diktaturen? Die jewei-ligen Teile werden markiert oder aus dem Puzzleherausgenommen. Mit der Übersicht über dieBrennpunkte 1998 (E 3) werden die bisherigen Infor-mationen vervollständigt. An der Tafel werden dieFluchtursachen Armut, Umweltzerstörung, politi-sche Verfolgung, Krieg und Hunger festgehalten.Asyl gehört zu einem der ältesten Rechte, dennFluchtgründe gibt es, seit es Menschen gibt.

Ausgehend vom Weltpuzzle lässt sich eine zweiteFragestellung erörtern:• Welche persönlichen Bezüge gibt es zu Flücht-

lingen?• Haben deine Eltern, Großeltern, Urgroßeltern

schon immer in der Gegend gelebt, in der du jetztwohnst?

• Kamen sie vom Land in die Stadt?• Lebten sie früher in den ehemals deutschen

Gebieten im Osten, die heute z.B. zu Polengehören? Oder in der ehemaligen DDR?

• Kamen sie freiwillig oder gezwungenermaßen?• Weißt du, warum sie ihre Heimat verlassen ha-

ben?

Die Diskussion macht deutlich, dass es viele Flucht-gründe gibt. Warum die Bundesrepublik ausgerech-net staatliche politische Verfolgung für schützens-wert erachtet, zeigt ein Blick in unsereVergangenheit. Deutschland ist nicht nur Lebensret-tung für Flüchtlinge, sondern war selbst ein Grund

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Artikel 16a, Abs. 2 spricht die sicheren Drittstaatenan, die in E 14 namentlich aufgeführt werden. DieEuropakarte (E 15) zeigt anschaulich, dass Deutsch-land von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Im Kontrast dazu steht die Tabelle E 16, welche die un-gleiche Verteilung der Asylbewerber auf die europäi-schen Nachbarstaaten zeigt.

Artikel 16a, Abs. 3 beinhaltet das Konzept der si-cheren Herkunftsstaaten (namentlich aufgeführt in E 14). Mit dem Beschluss der Jahresversammlungder deutschen Amnesty-international-Sektion zuSenegal lässt sich ein Rollenspiel inszenieren: DieSchulklasse ist dafür verantwortlich, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu überprüfen und gege-benenfalls zu aktualisieren. Recherchen über Inter-net, Zeitungen und Bibliothek zur Menschenrechtssi-tuation im Senegal tragen zur Meinungsbildung bei.

E 17 führt Adressen auf, bei denen man sich Infor-mationen beschaffen kann. Gleichermaßen kannauch die politische Situation der Länder untersuchtwerden, aus denen die meisten Flüchtlinge im ers-ten Halbjahr 1998 kamen (E 18). Wie berechtigtscheinen die Asylanträge auf den ersten Blick zusein? Artikel 16a, Abs. 4 widmet sich den recht-lichen Möglichkeiten im Fall einer Abschiebungs-androhung.

BeurteilungenIn E 19 wird das Urteil des Bundesverfassungs-gerichts zum neuen Asylrecht vorgestellt. WelchePunkte waren problematisch? Welche Rolle hat dasBundesverfassungsgericht, und was bedeutet dieBilligung des neuen Asylrechts?

Das Wissen um die rechtlichen Grundlagen und diepolitischen Kontroversen ist notwendig, um sich eineigenes Urteil bilden zu können. Erst wenn manweiß, wie Flüchtlinge hier geschützt sind, kann mandiesen Sachverhalt bewerfen.

Dennoch darf das Einzelbeispiel nicht den Blick aufdas Ganze verstellen. Im Gegenteil: Das BeispielAsyl dient dazu, eine Grundgesetzänderung an-schaulich und konkret zu machen. Die abschlie-ßende Diskussion sollte sich daher wieder grund-legenden Fragen öffnen:• Warum ist es notwendig, die Veränderung des

Grundgesetzes so hoch zu setzen (Zweidrittel-mehrheit im Bundestag und Bundesrat)?

• Welche Gefahren birgt eine Überfrachtung desGrundgesetzes (E 20)?

• Gibt es andere Punkte, die im Grundgesetz geän-dert werden sollten?

Schließlich soll darüber gesprochen werden, wes-halb einige Bestimmungen des Grundgesetzesüberhaupt nicht verändert werden dürfen (Art. 79,Abs. 3 GG). Auch das Grundrecht auf Asyl gehörtdazu. In Artikel 19, Abs. 2 heißt es: „In keinem Falldarf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt ange-tastet werden.“ Diese Thematik wird im Baustein Abehandelt. Auch innerhalb der Grundrechte hat Arti-kel 16a eine Besonderheit: Er ist das einzige Grund-recht, das ausschließlich Ausländern zusteht.

Literaturhinweise

Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit(Hrsg.):

• Der Staat sind wir! München 19913

• Kirchhof, Paul: Brauchen wir ein erneuertes Grundge-setz? (Zeitfragen 33) München 1992

• Recht – Rechtsentwicklung – Rechtsordnung. München19913

Behrmann, Günter C. / Schiele, Siegfried (Hrsg.): Verfas-sungspatriotismus als Ziel politischer Bildung? Schwal-bach/Ts.: Wochenschau 1993

Breit, Gotthardt (Hrsg.): Die Bedeutung des Grundgesetzesfür die politische Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau1996

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.):

• Apropos – Videos & Texte zur politischen Bildung, Video098, Das Kopftuch. Bonn 1998

• Avenarius, Hermann: Die Rechtsordnung der Bundesre-publik Deutschland (Schriftenreihe 333). Bonn 19972

• Grundgesetz für Einsteiger (Thema im Unterricht, extra),Bonn 19962

• Pötzsch, Horst: Die deutsche Demokratie. Bonn 1995

• Sutor, Bernhard: Das Grundgesetz als Herausforderung(Schriftenreihe 161). Bonn 1980

Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie, Der Staatals Angebot und Aufgabe. Eine Denkschrift der Evangeli-schen Kirche in Deutschland. Gütersloh: Mohn 1985

Fait, Barbara: Auf dem Weg zum Grundgesetz. Augsburg:Haus der Bayerischen Geschichte 1998

Fest, Joachim / Eschenburg, Theodor: Über den Umgang mitder Verfassung (ein Gespräch). Frankfurt/M.: Hess. Spar-kassen- und Giroverband 1989

Guggenberger, Bernd / Meier, Andreas (Hrsg.): Der Souveränauf der Nebenbühne. Essays und Zwischenrufe zur deut-schen Verfassungsdiskussion. Opiaden: Leske + Budrich1994

Hättich, Manfred (Hrsg.): Zum Staatsverständnis der Gegen-wart. München: Olzog 1987

Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz, Kommentar für diepolitische Bildung. Bonn/Neuwied: Luchterhand (Lizenz-ausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung)199610

Hutter, Franz-Josef / Tessmer, Garsten (Hrsg.): Menschen-rechte und Bürgergesellschaft in Deutschland. Opiaden:Leske + Budrich 1999

Lamprecht, Rolf: Vom Untertan zum Bürger. Baden-Baden:Nomos 1999

Pfeiffer, Martin (Hrsg.): Auftrag Grundgesetz, Wirklichkeit undPerspektiven. Stuttgart: Quell-Verlag 1989

Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus (Hrsg.):Nach bestem Wissen und Gewissen, Die Beratungen zumGrundgesetz im Parlamentarischen Rat 1948/49. CD-ROM, Stuttgart 1998

Sutor, Bernhard: Grundgesetz und politische Bildung. Mainz:Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz1976

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Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler 104Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Neckar-Verlag GmbH aus: Politik und Unterricht

78050 Villingen-Schwenningen Zeitschrift zur Gestaltung desKlosterring 1 politischen UnterrichtsPostfach 1820 Heft 1/1999

GG IM PROFILBaustein A Du und das GrundgesetzA 1 – A 13 Demokratie lebt vom MitmachenA 14 – A 16 Zur Entstehung des GrundgesetzesA 17 – A 23 Fundament und KernbestimmungenA 24 – A 28 Ideale gegen Unterdrückung

Baustein B GrundrechteB 1 – B 2 Ein Konflikt ums KopftuchB 3 – B 6 Die Debatte im Landtag und in der ÖffentlichkeitB 7 Der Kopftuchstreit und das GrundgesetzB 8 – B 12 Historische, internationale und rechtliche Aspekte

Baustein C RechtsstaatC 1 – C 7 Grundlagen und GrundsätzeC 8 – C 11 Vertiefung und Test

Baustein D SozialstaatD 1 – D 4 Elemente des SozialstaatsD 5 – D 7 Soziale MarktwirtschaftD 8 – D 13 Aktuelle Herausforderungen

Baustein E Grundgesetzänderung „Asyl“E 1 – E 4 ProblemaufrissE 5 – E 9 Debatten in Parlament und ÖffentlichkeitE 10 – E 11 Das alte und das neue RechtE 12 – E 18 AuswirkungenE 19 – E 20 Beurteilungen

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16 Demokratie lebt vom MitmachenA

A 1 Deine Entscheidung

A 4 Ein AnfangA 3 Kleiner Mann – was nun?

A 2 Nichts für mich

A 1 – A 28 Du und das Grundgesetz

»Der kleine Mann kannja doch nichts ändern.«

…wenn er nichts tut…

»Alle 4 Jahre ´n Kreuz malen – ist das etwaDemokratie?«

Nein, aber ein Weg dorthin.

Zeitungs Marketing Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1994Eine Aktion der Zeitungen in Deutschland. Twice AdvertisingGmbH, Wiesbaden

Das Parlament, Nr. 4445 / 24./31.10.97.(Aktion Gemeinsinn, 1964)

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Demokratie lebt vom Mitmachen 17A

A 7 Missstimmung und Verdruss

A 5 Machen oder machen lassen? A 8 Die Bürgergesellschaft

Stuttgarter Nachrichten, 11.8.1998 (dpa)

»Die da oben machen doch, was sie wollen!«

…wenn Du sie läßt…

A 3 bis A 5: © Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Aus der Reihe „10 Einwände“ (Frank Faßmer)

Eine Vision von Hildegard Hamm-Brücher

Wenn man bedenkt, dass weniger als vier Prozentunserer Wahlbevölkerung Mitglieder von politischenParteien und von diesen bestenfalls ein Viertel in-nerparteilich aktiv sind, dann sind das schon beun-ruhigend wenig Bürger. Und was ist das für eine re-präsentative Demokratie, die nur von einerhauchdünnen Parteienoligarchie bestimmt wird?

Etwa sechsmal so viele Bürger engagieren sichaußerhalb der Parteien. Das wären dann immerhinüber zwanzig Prozent aller Bürger. Dennoch, dieDiskrepanz zwischen aktiven und – aus welchenGründen auch immer – passiven Bürgern ist eklatantund für die Legitimation eines von Bürgern getra-genen demokratischen Gemeinwesens keinesfallsbefriedigend.

Wie aber ließe sich das politische Fundament desGemeinwesens festigen?

Es gibt vielfältige Ansätze, der Verdrossenheits- undZuschauerdemokratie, der oligarchischen Nur-Par-teien-Demokratie entgegenzuwirken ...

Erstens: Die Bürgergesellschaft. Obzwar ihr Wirkenim etablierten Staats- und Parteiengefüge nicht im-mer geliebt, gelegentlich gefürchtet, nur seltendankbar anerkannt wird, ist sie sichtlich im Kommenund trägt in vielen Bereichen bereits zurVitalisierungunserer Demokratie bei. Bürger gründen Initiativenmit sozialen, ökologischen, kommunalen, kulturellenZielen, ohne darum gebeten zu werden – „Nichtre-gierungsorganisationen“ im eigenen Land, jenseitsvon Parteien, Verbänden und Gewerkschaften.

Diese demokratische Bürgergesellschaft birgt einenormes Reformpotential. Ehrenamtliches Bürge-rengagement ist nämlich durch und durch konstruk-tiv. Es verharrt, auf welchem Felde, in welcher Lückeoder Nische auch immer es stattfindet, nicht im Pro-test; es ist eine Quelle sachkundiger Innovationen,

Auf dem Weg – Umwelt- u. Verkehrspolitik für die Zukunft.Hrsg.: Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württem-berg

A 6

Handeln!

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18 Demokratie lebt vom MitmachenA

A 9 Sind Sie einpolitischer Mensch?

das Talente für Organisation, Konzeption und Aktionweckt. Es vermag an sozialen Brennpunkten ersteund neuartige Hilfe zu leisten, lässt Solidarität inneuen Formen für alle Beteiligten erfahrbar werden.

Die wichtigste Wirkung ist aber diese: gemeinsamesEngagement schafft Zusammenhalt, und Zusam-menhalt begründet demokratische Identität.Die Zeit, Nr. 40, 24.9.1998

A 11 Einflussmöglichkeiten

A 10 Politogramm

© LpB Baden-Württemberg

© Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB)

Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.): DerStaat sind wir! München 1991/3, S. 53

Was braucht der ideale Aktivbürger in der Demokratie?

1 Lesen Sie regelmäßig und ja neingründlich eine Tageszeitung?

2 Diskutieren Sie gerne überaktuelle Probleme?

3 Können Sie zehn deutschePolitiker aufzählen?

4 Würden Sie bei einerBürgerinitiative mitarbeiten?

5 Halten Sie Politik für ein„schmutziges“ Geschäft?

6 Waren Sie schon einmalin Bonn?

7 Kennen Sie persönlich einenPolitiker?

8 Können Sie die Hauptstädteder Bundesländer nenne?

9 Kennen Sie den korrekten Text unserer Nationalhymne?

10 Besitzen Sie einen Text desGrundgesetzes?

11 Könnten Sie auch in einem anderen Staat leben?

12 Fallen Ihnen auf Anhieb fünfGrundrechte ein?

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Demokratie lebt vom Mitmachen 19A

A 12 Was man tun kann

A 13 Text-Puzzle

Hier ist eine Auflistung von Möglichkeiten, sich zu informieren, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen und aktiv zu werden.Überlegt euch weitere politische Handlungsformen:

Grundkurs Politik (Xaver Fiederle)© LpB Baden-Württemberg

© Bundeszentrale für politische Bildung, 53111 Bonn, Berliner Freiheit 7, Autor: Lothar Scholz, Redaktion: Iris Möckel.

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20 Zur Entstehung des GrundgesetzesA

A 14

Frankfurt – Weimar – Bonn

A 15 Die Arbeit des Parlamentarischen Rates

Am 1. September 1948 kam der ParlamentarischeRat in Bonn zusammen, um eine provisorische Ver-fassung für einen westdeutschen Teilstaat zu erar-beiten. Am 24. Mai 1949 trat das Grundgesetzschließlich in Kraft.

Von Ulrike Moser

Der Anfang war nicht ohne skurrilen Charme. Feier-lich trat der Parlamentarische Rat am 1. September1948 im Bonner Zoologischen Museum Koenig zu-sammen – eingerahmt von ausgestopften Elefanten,

Nashörnern und einer Giraffe, die über die Dekora-tion auf die Festversammlung blickte. „Unter denBären, Schimpansen, Gorillas und anderen Exem-plaren kamen wir uns etwas verloren vor“, erinnertesich später der Sozialdemokrat Carlo Schmid, einerder exponiertesten Väter des Bonner Grundgeset-zes.

Je 27 Abgeordnete stellten die Unionsparteien unddie SPD, die FDP hatte fünf Sitze, und je zwei Man-date hatten die Deutsche Partei, die Zentrumsparteiund die KPD. Zum Präsidenten wurde der CDU-Po-

1849: PaulskircheFrankfurt, NationalversammlungRevolution 1848, Zug des deutschen Parlaments (Volks-abgeordnete) zur Paulskirche in Frankfurt (Main) für dieEröffnungssitzung und Gründung eines neuen deut-schen Reiches am 18. Mai 1848.

1919: Neue VerfassungWeimar, NationalversammlungKonstantin Fehrenbach (links) nimmt dem neu gewählten Präsiden-ten Friedrich Ebert (rechts) den Eid auf die am 11.8.1919 verab-schiedete neue Reichsverfassung ab. Die Geburtsstunde der Repu-blik, der Vorgang der Staatsgründung ist abgeschlossen.

1949: GrundgesetzBonn, ParlamentseröffnungAm 7. September 1949 tagte in Bonn zum ersten Mal der DeutscheBundestag. Das Bild zeigt die feierliche Eröffnung des ersten Deut-schen Bundestages in Bonn durch den Alterspräsidenten Löbe.(Hintergrund: die Wappen der westdeutschen Länder).

Bilder: Süddeutscher Verlag, Texte: Bayerische LpB, E 5

Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
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Zur Entstehung des Grundgesetzes / Fundament und Kernbestimmungen 21A

A 17 Das Fundament

A 16 23. Mai 1949

litiker Konrad Adenauer gewählt, dessen Prestigedurch das Amt nachhaltig wuchs. Die überragendeFigur inmitten der meist unauffälligen Schar der Ab-geordneten aber war Carlo Schmid, der Vorsitzendedes Hauptausschusses, in dem die wesentliche Ar-beit des Rates geleistet wurde.

Anfang Dezember, nach der ersten Lesung imHauptausschuss, waren die Konturen des Grundge-setzes sichtbar, auch wenn man sich, oft quer durchdie Fraktionen, über die Funktion des Staatsober-hauptes etwa oder über die Verteilung der Steuernzwischen Bund und Ländern noch nicht einig war.Den Alliierten, von denen die Genehmigung abhing,missfiel vor allem die Verteilung der Gesetzge-bungskompetenzen zwischen Bund und Ländern.Am 8. Mai, dem vierten Jahrestag der Kapitulation,wurde das Grundgesetz vom Plenum verabschie-det. Mit Ausnahme von Bayern, dem die Verfassungzu zentralistisch war, wurde es von allen Landtagengenehmigt und trat am 24. Mai 1949 in Kraft.

Obwohl das Grundgesetz im Auftrag der Besat-zungsmächte erarbeitet worden ist, ist es eine ei-genständige Verfassungsleistung geworden. Orga-nisatorisch und politisch ist das Grundgesetz einevor allem im institutionellen Bereich verbesserte Ver-sion der Weimarer Verfassung. Die wesentlichenMängel wurden beseitigt. Das betraf vor allem denStatus und die Macht des Staatsoberhauptes, dieVerteilung der Kompetenzen zwischen Bund undLändern, die Stellung der zweiten Kammer und daskonstruktive Misstrauensvotum. Es waren die Leh-ren aus Weimar. Einen zweiten Anlauf zur Demokra-tie wollten die Abgeordneten wagen, aber keine Experimente. Das entsprach, so der Historiker Wolf-gang Benz, exakt der Grundstimmung in Deutsch-land nach 1945.Stuttgarter Zeitung, 1.9.1998 (gekürzt), Bild: AKG

Zeichnung: Katja Jung, Demokratie sehen und verstehen7/31, © LpB Baden-Württemberg

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wirdverkündet

Hinweisschilder an der Autobahn: Bonn als Tagungsort war1948 noch ungewöhnlich.

Saupe
Keine Rechte
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22 Fundament und KernbestimmungenA

A 18 Stoßen Sie mit uns an!

A 19 Unantastbar A 20 Der Kernbestand

Der wichtige Artikel79, Abs. 3 GG:

„Eine Änderung dieses

Grundgesetzes, durch welche

die Gliederung des Bundes in Länder …

oder die in den Artikeln 1 und 20

niedergelegten Grundsätze berührt werden,

ist unzulässig.“

Stuttgarter Zeitumg vom 25. Mai 1998 (fal), Bild: Stoppel

Zeichnung: Stefanie Weiger

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Fundament und Kernbestimmungen / Ideale gegen Unterdrückung 23A

A 21 Artikel 1 GG

A 22

A 23

Artikel 20 GG

A 25 Wir sind das Volk

A 24 Der Souverän

Briefmarke: DDR 1990©Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit

Zeichnung: F. K. Waechter

Grundkurs Politik, © LpB Baden-Württemberg

Art. 79Abs. 3 GG

DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR..

SIE ZU ACHTEN UND ZU SCHÜTZEN,.

IST VERPFLICHTUNG ALLER.

STAATLICHEN GEWALT. DAS DEUTSCHE VOLK.

BEKENNT SICH DARUM ZU.

UNVERLETZLICHEN UND UNVERÄUSSERLICHEN.

MENSCHENRECHTEN ALS GRUNDLAGE.

JEDER MENSCHLICHEN GEMEINSCHAFT, DES.

FRIEDENS UND DER GERECHTIGKEIT IN DER WELT..

DIE NACHFOLGENDEN GRUNDRECHTE.

BINDEN GESETZGEBUNG, VOLLZIEHENDE GEWALT.

UND RECHTSPRECHUNG ALS UNMITTELBAR.

GELTENDES RECHT. (ART. 1 GG).

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24 Ideale gegen UnterdrückungA

A 27 Das Sozialistengesetz

A 26

Wir tragen dieDemokratie

A 28

Das „Gesetz gegen die gemeingefährlichenBestrebungen der Sozialdemokratie“, das 1878vom Reichstag beschlossen wurde.

Zeichnung:Hoöger Appenzeller,Demokratie sehenund verstehen 1/1© LpB Baden-Württemberg

DerunterdrückteMensch

Plakat für „amnestyinternational“:Eric Shug

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Ein Konflikt ums Kopftuch 25B

B 1 Kontrahentinnen im Kopftuchstreit

B 2 Das Grundrecht

B 1 – B 12 Grundrechte

Artikel 4 [Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit]

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und welt-anschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (links) bestätigt am 3.7.1998 auf einer Pressekonferenz in Stutt-gart, daß die muslimische Lehrerin Fereshta Ludin (rechts), die im Unterricht ein Kopftuch tragen wollte, nicht in den Schuldienstübernommen wird. Bilder: dpa

Saupe
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26 Die Debatte im Landtag und in der ÖffentlichkeitB

B 3

Kopftuch-Debatteim Landtag

B 4 Wortmeldungen

Muslimische Frauen verfolgten am 15. Juli 1998 im Plenum des Stuttgarter Landtags dieDebatte über die Entscheidung im Kopftuchstreit. Vertreter von CDU und SPD begrüßtenden Beschluss, die 25jährige Lehrerin Fereshta Ludin nicht in den Staatsdienst zu über-nehmen, weil sie auf dem Tragen eines Kopftuchs im Unterricht bestanden hatte. Der Zen-tralrat der Muslime in Deutschland hat den Beschluss des Oberschulamtes Stuttgart hin-gegen schart kritisiert. Dies sei faktisch ein Berufsverbot für praktizierende Muslimas.Schwäbische Zeitung vom 16. Juli 1998 Bild: dpa

Abg. Oettinger CDU

Natürlich gibt es Argumente, die sich im Raumstoßen, und natürlich ist die Religionsfreiheit alsGrundrecht ohne Einschränkung ein hohes Verfas-sungsgebot. Aber Religionsfreiheit und Persönlich-keitsrecht stoßen sich im Raum mit den Grundrech-ten anderer und mit den Grundwerten von Staat undLand. Wir glauben, dass in dieser Kollision die Ein-zelfallentscheidung richtig getroffen worden ist, dieGrundrechte der Bewerberin fair geprüft wordensind und trotzdem die Grundwerte der Allgemeinheitund die Vorgaben unserer Landes- und Bundesver-fassungsnormen das richtige Ergebnis gebracht ha-ben.

Wer sich für diesen Staat als Staatsdiener, als Be-amter, bewirbt, hat ein Mäßigungsgebot zu beach-ten, hat dem Gebot der Neutralität zu genügen. Wirglauben, dass diese Bewerberin ihre Persönlichkeitzu stark in den Mittelpunkt gestellt hat und das Ge-bot der Mäßigung und Neutralität in einem öffentli-chen Raum, im Umgang mit Kindern, mit Sieben-,Acht-, Neun-, Zehnjährigen, in der Schule, missach-tet hat und deswegen die Bewerbung abzulehnenwar.

Wir glauben, dass das Tragen des Kopftuchs bei ei-ner Erzieherin des Staates genau die Integration er-schwert und nicht erleichtert hätte.

Abg. Maurer SPD

Wir glauben mit großer Mehrheit, dass vom Erlau-ben des Tragens dieses Symbols ein Signal für Aus-

Auszüge aus dem Protokoll der 51. Sitzung im Land-tag von Baden-Württemberg vom 15. Juli 1998

Abg. König REP

Meine Damen und Herren, wenn Musliminnen ihrKopftuch tragen, so geschieht dies nicht aus religiö-ser Überzeugung, sondern es ist eine politische De-monstration, die allen anderen ein fundamentalisti-sches Islambild öffentlich aufzwingen will.

Nicht zuletzt ist das Kopftuch ein Zeichen derAbund Ausgrenzung von der westlichen Wertege-meinschaft.

Es geht also hier nicht um die Frage der Toleranz inBezug auf unterschiedliche Glaubenssymbole, son-dern das muslimische Kopftuch ist eine rein politi-sche Angelegenheit, denn im Islam – das wissen Siealle – bilden Religion und Staat eine Einheit. Und dagibt es insbesondere bei den Fundamentalistenüberhaupt keine Kompromisse, und das Kopftuch –ich habe es ja schon ausgeführt – ist ein Symbol fürislamischen Fundamentalismus.

Meine Damen und Herren, wir müssen deshalb po-litisch entscheiden. Wir brauchen eine politischeGrundsatzentscheidung für ein Verbot des islami-schen Kopftuchs als Symbol des fanatischen undfundamentalistischen Islam in unseren Schulen undin unseren Hochschulen.

Saupe
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Die Debatte im Landtag und in der Öffentlichkeit 27B

grenzung und gegen Integration und damit genaugegen die Politik und das Verfassungsverständnis,die wir für richtig und für notwendig halten, ausge-gangen wäre. Wir glauben, es ist notwendig, dasswir bei einer solchen Entscheidung unsere Sichtdarauf richten, wie ein solches Signal in der Öffent-lichkeit unserer Bürgerinnen und Bürger, vor allemaber auch in der Öffentlichkeit der Menschen, diebeispielsweise aus der Türkei zu uns gekommensind, und ihrer Kinder verstanden wird.

Ich glaube gerade nicht, Herr Kollege Teufel, dasses in diesem Fall darauf ankommt, was in dem Kopfvor sich geht. Vielmehr kommt es darauf an, welcheSignale von dieser Kopfbedeckung ausgehen. Wirhaben sehr viele Mädchen mit türkischen Eltern inunseren Schulen. Ich glaube, dass beispielsweisediese Mädchen, von denen sich viele bezüglich dergleichberechtigten Rolle der Frau für das Verständ-nis unseres Landes und unserer Kultur entscheiden,die Unterstützung, ja geradezu die Parteinahme desdeutschen Staates und der deutschen Gesellschaftverdienen und dass wir keine Signale setzen sollten,die in die entgegengesetzte Richtung weisen. Es istuns außerordentlich wichtig, dass dies bei dieserGelegenheit klar wird.

Abg. Kleinmann FDP/DVP

Ich sage von hier aus ganz eindeutig: Ob jemand alsPfarrer oder Christ das Kreuz am Revers trägt, ob erals Jude die Kippa auf dem Haupt oder ob er einKopftuch auf dem Kopf trägt, das darf letztlich keineRolle spielen. Denn was dem Christen recht unddem Juden billig ist, darf nach unserem Grundge-setz und unserer Verfassung einer Muslimin oder ei-nem Muslimen nicht verwehrt werden.

Die Kehrseite der Medaille, meine Damen und Herren, ist die sogenannte, wiederum mit Artikel 4Abs. 1 des Grundgesetzes begründete negative Religionsfreiheit. Das heißt, ich darf niemanden zueinem bestimmten Bekenntnis oder Glauben zwin-gen. Genau hier liegt die Frage: Wie wird zwischendem einen und dem anderen entschieden? Das Kri-terium kann nur lauten: Wenn das Symbol dazu ge-tragen wird, andere missionieren zu wollen, dannmuss dieses Symbol abgenommen werden, wennim Auftrag des Staates, sprich als Lehrerin beim Unterricht, gehandelt wird. Wenn das Symbol dazuherhalten soll, um ein persönliches Bekenntnis ab-zugeben, darf man es tragen.

Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen

Meine Damen und Herren, wir wollen in der Schuleauch kein Klima der Jagd auf religiöse Symbole.Was nicht passieren darf, das ist etwa eine Hals-kontrolle, ob jemand ein Kettchen trägt, an dem einKreuz oder etwas anderes hängt.

Aber wo sich bei uns in der Fraktion die Geisterscheiden, das ist die Frage, ob der demonstrativeAkt des religiösen Bekenntnisses in der Kleidung,wie er sich auch und gerade in dem muslimischenKopftuch manifestiert, die Grenze des Tolerierbarenüberschreitet oder nicht.

Eine starke Minderheit bei uns ist der Auffassung,dass man wegen der Sorge, Persönlichkeitsrechtekönnten allgemein normiert werden, dies noch zu-lassen sollte.

Die Mehrheit hingegen hat gesagt – und das möchteich hier auch vertreten –, dass, wer als Lehrkraft einereligiöse oder politische Überzeugung hat, diese inder Schule durchaus zur Diskussion stellen sollte.Aber genau um die Diskussion, um den Diskurs gehtes. Wer durch die Kleidung, in diesem Fall das Kopf-tuch, die eigene Überzeugung plakatiert, der oderdie lädt eben gerade nicht zum Diskurs ein, sondernkonfrontiert nur und tut damit der Demokratie unddem Diskurs in der Schule gerade keinen Gefallen.

Schule ist eben kein Rathaus und kein Bankschalter,sondern für Schülerinnen und Schüler ist die Schuleeine Pflichtveranstaltung. Sie müssen hingehen, und sie können sich ihre Lehrkraft nicht aussuchen.

Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Annette Schavan

Die weltanschauliche Neutralität des Staates heißtnicht, zu verbieten, was in dieser Gesellschaft anReligion, an religiöser Praxis und an religiösen Sym-bolen präsent ist.

Das alles gilt auch, meine Damen und Herren, nichtnur für Christen und Christinnen, sondern es gilt fürdie Mitglieder aller großen Religionsgemeinschaftenund der großen monotheistischen Weltreligionen –des Islams, des Judentums und des Christentums –gleichermaßen.

Das alles kann eben nicht Grund sein. Das ist Ver-letzung von Religionsfreiheit. Das ist nicht mit demGrundgesetz vereinbar. Deshalb, lieber Herr König,wird es kein generelles Verbot für Schülerinnen undStudentinnen geben; es wird in Baden-Württembergkeine Verordnung geben, daß Baden-Württembergein kopftuchloses Land ist.

Auch nicht im Unterricht. Vielmehr ging es – und da-mit komme ich zur Begründung – damals beim Re-ferendariat wie heute um eine Abwägung von sehrverschiedenen Gütern, Werten und Erwartungen,die im Spiel sind: Güter und Werte im Blick auf dieBewerberin, Grundrechte im Blick auf die Schülerin-nen und Schüler und die Erziehungsberechtigten.

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28 Die Debatte im Landtag und in der ÖffentlichkeitB

B 5

B 6 Das Dilemma

Güter, die im Blick auf die notwendige, im Grundge-setz ebenfalls vorgeschriebene Objektivität bei derAmtsführung in einem öffentlichen Amt gelten, undschließlich die Neutralitätspflicht der öffentlichenSchulen.

Und jetzt spielt eine Rolle, dass nicht allein inDeutschland, sondern weltweit das Kopftuch ebennicht allein als religiöses Symbol gilt, das Tragen desKopftuchs nicht zu den religiösen Pflichten einermuslimischen Frau gehört, sondern dieses Kopftuchzwischenzeitlich auch – nicht nur, aber auch – zu ei-nem Zeichen für kulturelle, für zivilisatorische Ab-grenzung eingesetzt wird und damit also zwangs-läufig auch eine desintegrierende Wirkung zeigt,desintegrierend wiederum mit mehrfachen Konse-quenzen.

Die eine Konsequenz ist, dass Mädchen und Frauenvon ihren Männern und Vätern wieder gezwungenwerden, das Kopftuch zu tragen, um sich auszu-grenzen, unabhängig von der Frage, ob sie dieswünschen oder nicht. Die zweite Konsequenz ist,dass es in einer Gesellschaft, in der Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen leben, umso bedeutsamer ist, dass die, denen die Religions-freiheit wichtig ist, auch Sorge dafür tragen – das giltfür Christen, für Juden und für Muslime gleicher-maßen –, dass nicht öffentliche Signale gesetzt wer-den, mit denen Integration vermieden wird, sonderndass Signale gesetzt werden, die das Beitragen dergroßen monotheistischen Weltreligionen zum Frie-den und zum Dialog über Kulturgrenzen hinweg be-fördern.

Damit sind wir beim Punkt: Wenn dann ein Symbolnicht mehr allein als religiöses Symbol eingesetztwird, sondern eben auch als ein erzwungenes,Frauen aufgezwungenes, und wenn es nicht nur alsreligiöses Symbol, sondern auch als ein politischesZeichen eingesetzt wird, dann muss eine jungeFrau, der das Tragen des Kopftuchs wichtig ist –und wir sollten respektieren, dass dies ihre persön-liche Auffassung ist, an der wir nichts zu nörgeln haben –, auch wissen, dass in dem Moment, in demsie ein öffentliches Amt übernimmt – in der Schule,als Lehrerin mit der besonderen Beziehung, die zwischen Lehrerinnen und Lehrern einerseits undSchülerinnen und Schülern andererseits besteht –,nicht nur persönliche Motive Berücksichtigung fin-den, sondern davon auch eine öffentliche Wirkungausgehen kann und ausgeht. Das ist der springendePunkt, meine Damen und Herren. Wenn Sie so wol-len, ist es ein Punkt, der um so bedeutsamer ist – ichsage es noch einmal –, als friedliches Miteinandervon Religionen eben im Zweifelsfall nicht nur dazuberechtigt, dass die Beteiligten Toleranz von ande-ren sich selbst gegenüber erwarten, sondern auchverlangt, dass alle Beteiligten bereit sind zur Kon-zession, zur Diskretion, zur Toleranz anderen gegen-über in der eigenen Religionsgemeinschaft und imBlick auf Mitglieder anderer Religionsgemeinschaf-ten.

Landtags-Drucksache 12/2931 vom 9.6.1998

Das Kultusministerium hat entschieden, die muslimi-sche Referendarin Fereshta Ludin nicht als Lehrerineinzustellen, weil diese sich weigert, im Unterrichtihr Kopftuch abzunehmen. Der Ludwigsburger Bun-destagsabgeordnete Cem Özdemir nimmt dazuStellung. Özdemir, in Bad Urach geborener Sohntürkischer Einwanderer, ist Diplom-Sozialpädagoge.Er ist seit 1981 Mitglied der Grünen, dem Bundestaggehört er seit 1994 an.

Herr Özdemir, wie beurteilen Sie die Entscheidungder Kultusministerin?

Ich bedauere die Entscheidung, wenn ich auch ei-nige der Argumente der Gegner des Kopftuchesverstehen kann. Trotzdem bin ich zu einem anderenErgebnis gekommen. Man sollte nicht übersehen,dass sich die Lehrerin während des Referendariatsverfassungstreu verhalten hat. Das und nichts ande-res ist der Maßstab. Alles andere kommt einer ArtZensur gleich. Wenn man die Entscheidung des Kul-tusministeriums zu Ende denkt, dann müsste manzukünftig Ordensleute oder Juden, die die Kippa tra-gen, aber auch Christen, die das Kreuz um den Halstragen, aus der Schule verbannen. Eine Schule, dievöllig von Religion befreit ist, kann niemand ernst-haft wollen. Die Entscheidung wird vor Gericht wohlkaum Bestand haben.

Zu welchem Ergebnis kommen Sie beim Vergleichmit dem Kruzifix-Urteil?

Das Kruzifix an der Wand wäre ungefähr so wie einBild von Mekka an der Wand. Das Bundesverfas-sungsgericht hat die Schule zur Neutralität ver-pflichtet. Das haben wir zu achten. Was anderes istes, was eine Lehrerin mit ihrem individuellen Glau-bensbekenntnis macht. Das haben wir auszuhalten,auch wenn es uns nicht gefällt. Mir gefällt es auchnicht, wenn ich Frauen mit Kopftuch sehe. Ich kannes ihnen aber nicht herunterreißen. Damit werde ichmit Sicherheit nicht das erreichen, worum es mirgeht: der Gleichberechtigung zur Durchsetzung zuverhelfen.Südkurier vom 16. Juli 1998

Ein Kommentar

Ob Kultusministerin Schavan es zugibt oder nicht:Die Entscheidung ist ein Signal. Nachdem dasOberschulamt Stuttgart es abgelehnt hatte, die ex-aminierte Lehrerin und Muslimin Fereshta Ludin, diemit Kopftuch unterrichten wollte, in den Staats-dienst zu übernehmen, ist ein Exempel statuiert. Für

„Eine Art Zensur“Cem Özdemirs Ansicht über den Kopftuch-Streit

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Die Debatte im Landtag und in der Öffentlichkeit / Der Kopftuchstreit und das Grundgesetz 29B

B 7 Der Kopftuchstreitund das Grundgesetz

muslimische Lehrerinnen mit Kopftüchern ist keinPlatz im öffentlichen Schuldienst.

Annette Schavan argumentiert geschickt. Siespricht vom Grundrecht auf Religionsfreiheit und siespricht von Toleranz. Einer Toleranz, die Andersden-kenden, Andersgläubigen zu gewähren ist und aufGegenseitigkeit beruht. So weit, so gut. Doch wasentfernt den Fall Ludin von diesen Rechten? Sobaldsie sich ans Pult einer Schule stellt, ist Fereshta Lu-din mehr als eine 25jährige Frau, die nur sich selbstverpflichtet ist. Sie hat einen Erziehungsauftrag undgroße Verantwortung. Und auch das Tuch ist mehrals äußeres Gestaltungsmerkmal. Es hat eine politi-sche, eine kulturelle Dimension. Dies ist das Di-lemma. Darauf stützt sich Schavans Begründung.Denn tatsächlich ist diese Dimension nicht zu leug-nen.

Es bleibt jedoch die Frage, ob mit der Entscheidunggegen Ludin nicht eine Chance vertan worden ist.Wenn es sich hier um eine – wie Schavan betonte –Entscheidung mit Einzelfallcharakter handelt, dannhätte Fereshta Ludin vielleicht ein bisschen mehrVertrauen verdient gehabt. Denn die Deutsche af-ghanischer Abstammung hatte von Anfang an er-klärt, das Tuch nicht als Ausdruck ihres Glaubens zutragen.

Womöglich wäre diese Lehrerin mit Kopftuch undihre Art zu unterrichten Beweis dafür gewesen, dassIntegration und friedliches Miteinander auch viel damit zu tun hat, den Andersaussehenden zu akzeptieren.Pforzheimer Zeitung vom 14. Juli 1998 (Ulrike Trampus)

Artikel 1

[Menschenwürde; Grundrechtsbindung derstaatlichen Gewalt]

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zuachten und zu schützen ist Verpflichtung aller staat-lichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu un-verletzlichen und unveräußerlichen Menschenrech-ten als Grundlage jeder menschlichen Gemein-schaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in derWelt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetz-gebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechungals unmittelbar geltendes Recht.

Artikel 3

[Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigungvon Männern und Frauen; Diskriminierungsver-bote]

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. DerStaat fördert die tatsächliche Durchsetzung derGleichberechtigung von Frauen und Männern undwirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, sei-ner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, sei-ner religiösen oder politischen Anschauungen be-nachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darfwegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Artikel 4

[Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit]

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens unddie Freiheit des religiösen und weltanschaulichenBekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewähr-leistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegs-dienst mit der Waffe gezwungen werden. DasNähere regelt ein Bundesgesetz.

Artikel 7

[Schulwesen]

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Auf-sicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht,über die Teilnahme des Kindes am Religionsunter-richt zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichenSchulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schu-len ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatli-chen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht inÜbereinstimmung mit den Grundsätzen der Religi-onsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegenseinen Willen verpflichtet werden, Religionsunter-richt zu erteilen.

Artikel 33

[Staatsbürgerliche Gleichstellung aller Deut-schen: öffentlicher Dienst-Berufsbeamtentum]

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichenstaatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Be-fähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugangzu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicherRechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowiedie im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sindunabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Nie-mandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nicht-zugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Welt-anschauung ein Nachteil erwachsen.

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30 Historische, internationale und rechtliche AspekteB

B 9 Geschichte des Kopftuchs

B 10 Verschleierte Frauen

B 8 Konflikte in Frankreich

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse istals ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen desöffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öf-fentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis ste-hen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unterBerücksichtigung der hergebrachten Grundsätzedes Berufsbeamtentums zu regeln.

1989 wurden in der französischen Stadt Creil dreimuslimische Oberschülerinnen der Schule verwie-sen, weil sie aus religiösen Gründen den Schleiertrugen.

Seither tobt ein politischer und juristischer Streit, obin einem säkularen, westlichen Staat wie Frankreichdas Tragen des Kopftuches Teil der persönlichenFreiheit eines Menschen ist oder aber zumindest ineiner öffentlichen Einrichtung wie der Schule als un-zulässige Propagierung einer religiösen Ideologieangesehen werden muss.

Am 3. Oktober 1994 wurden in Lilie, Nordfrankreich, viermuslimische Schülerinnen daran gehindert, verschleiert ihrGymnasium zu betreten. Die Regierung hatte angeordnet,„auffällige“ religiöse Bekleidung in der Schule nicht zu dulden. Ungefähr zwanzig Mädchen und ihre Anhängerinnendemonstrierten mit Megaphon und Transparenten gegen dieses Verbot. Die Polizei hielt sie zurück. Sie konnten zwarauf dem Schulgelände demonstrieren, aber die Schülerinnendurften das Klassenzimmer nicht betreten.

Bild: Süddeutscher Verlag

Das Leben unter der Herrschaft der islamistischen Taliban-Regierung hat sich vor allem für die Frauen verändert: Einjunges Mädchen schaut aus einer Gruppe verschleierterFrauen hervor, die eine Burqa tragen. Bild: AP

Die Geschichte des Kopftuchs reicht Jahrtausendezurück. Eines der ältesten Dokumente zur sittsambedeckten Frau stammt aus Assyrien: „VerheirateteFrauen und Witwen müssen beim Aufenthalt auffreien Plätzen den Kopf verschleiern“. Bei den Grie-chen Homers gehörte der Schleier zur weiblichenKleidung. Die keuschen Vestalinnen Roms (jungfräu-liche Priesterinnen) trugen ihn gerafft mit Spange,byzantinische Damen kokettierten mit einem HauchStoff vor dem Gesicht.

Im Christentum wurde die Verhüllung beim Gebetzur Pflicht. Apostel Paulus schrieb im Ersten Brief andie Korinther: „Eine Frau entehrt ihr Haupt, wenn siebetet oder prophetisch redet und dabei ihr Hauptnicht verhüllt. Der Mann darf sein Haupt nicht ver-hüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; dieFrau aber ist Abglanz des Mannes.“

Fast sechs Jahrhunderte später auferlegte ProphetMohammed seinen Ehefrauen die Verschleierung.Diese Passage im Koran wird von vielen als Befehlan alle Frauen interpretiert. In der Türkei wird dasKopftuch in ländlichen Regionen freilich allein schonaus Tradition getragen. Das „basörtü“ gilt als einStück Volkskunst. Seit Khomeini im Iran den Frauenden Tschador verordnete, wird das Kopftuch zu-nehmend politisch instrumentalisiert. Das türkischeMilitär hat im Kampf gegen den moslemischen Fundamentalismus vor wenigen Wochen durchge-setzt, dass auch Studentinnen keine Kopftüchermehr tragen dürfen.Badische Neueste Nachrichten, vom 14. Juli 1998 (anz)

Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
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Historische, internationale und rechtliche Aspekte 31B

B 12 Die Grundrechte der Deutschen

B 11 Der Rechtsweg

Kopftuchstreit geht weiterMuslimische Lehrerin legt Widerspruch ein

Stuttgart (maw) – Der Streit um das Kopftuchverbotfür eine muslimische Lehrerin geht weiter. FereshtaLudin hat Widerspruch gegen die Entscheidung desOberschulamts Stuttgart eingelegt, sie nicht in denSchuldienst zu übernehmen. Das hat das Ober-schulamt am Freitag mitgeteilt. Die Schulbehördesei mit Ludin einig, sich während des laufenden Ver-fahrens zum Inhalt nicht öffentlich zu äußern, sagteeine Sprecherin des Oberschulamtes.

Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hatte MitteJuli der Entscheidung der Schulbehörde zuge-stimmt, Ludin nicht als Lehrerin zuzulassen. Die25jährige Deutsche afghanischer Herkunft will nurmit Kopfbedeckung unterrichten. Sie trage das

Kopftuch aus persönlicher Überzeugung und wolleniemanden zum Islam bekehren, betonte sie immerwieder. Das Kopftuch könne jedoch als Symbol fürkulturelle Abgrenzung und damit als politischesSymbol gewertet werden, argumentierte dagegendie Ministerin.

Innerhalb von drei Monaten muss das Oberschulamtnun über Ludins Widerspruch entscheiden. Solltedie Behörde den Widerspruch zurückweisen, könnteLudin innerhalb eines Monats vor dem Verwaltungs-gericht klagen. Ein solches Verfahren, das voraus-sichtlich durch mehrere Instanzen – Verwaltungsge-richtshof in Mannheim und Bundesgerichtshof inBerlin – ginge, würde mehrere Monate in Anspruchnehmen. Wenn dieser Rechtsweg ausgeschöpftwäre, könnten beide Seiten auch das Bundesverfas-sungsgericht anrufen.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE), dem Ludin angehört, hat der Lehrerin bereits früherRechtshilfe zugesagt.

Stuttgarter Nachrichten vom 15. August 1998

Zeichnung: Stefanie Weiger

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32 Grundlagen und GrundsätzeC

C 1 Der Rechtspfleger

C 3 Gewaltenteilung

C 2 Der Rechtsstaat

C 1 – C 11 Rechtsstaat

Zeichnung: Liebermann

Zeichnung: Holger Appenzeller. Demokratie sehen und ver-stehen 4/18, LpB Baden-Württemberg

Der Rechtsstaatsbegriff hat sich vor allem aus derAbgrenzung und als Gegenbegriff zum Macht- undWillkürstaat entwickelt. Im letzteren, auch Polizei-staat genannten Staatstyp, werden die Staatsinte-ressen an die Spitze gestellt und alle Lebensberei-che in totalitärer Weise, d. h. allumfassend,reglementiert und überwacht. Dabei wird eher vondem Prinzip ausgegangen, dass alles, was nicht er-laubt ist, verboten ist. Gesetze, die den Einzelnenvor der Willkür des Staates schützen, gibt es nicht.

Ganz anders geht der Rechtsstaat von der Anerken-nung der Menschenwürde und des Selbstbestim-mungsrechtes der Bürger aus. Es spielt eine großeRolle, dass jede Einschränkung der Freiheit desMenschen eine rechtliche Begründung braucht,d. h. also, dass alles erlaubt ist, was nicht aus-drücklich verboten ist.

Den Rechtsstaat kennzeichnet gegenüber dem Polizeistaat, dass der Mensch als Ausgangspunktaller Überlegungen gesehen wird. Darüberhinausgibt es auch eine Reihe formaler Merkmale, wie z. B.

die Bindung der Ausübung der Staatsgewalt an dieVerfassung, insbesondere an die Grundrechte desEinzelnen, und die Gewaltenteilung. Konkrekt be-deutet das, dass die Gesetzgebung an die Verfas-sung und dass die Verwaltung und die Justiz anRecht und Gesetz gebunden sind, Art. 20 GG. Allestaatlichen Maßnahmen müssen eine förmliche ge-setzliche Grundlage haben, man muss immer eineAntwort auf die Frage bekommen (und fragen dür-fen!): „Wo steht das, dass der Staat das darf?“ Undes muss die Möglichkeit geben, die Rechts- undVerfassungsmäßigkeit hoheitlicher Maßnahmenüberprüfen zu lassen und sein Recht auch gegenden Staat durchzusetzen. Art. 19 Abs. 4 GG be-stimmt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewaltin seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechts-weg offen.“ Die umfassende Rechtskontrolle durchden ungehinderten Zugang zu allen Gerichten ist einwichtiges Grundelement des Rechtsstaatsprinzips.Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe ist als obersterGerichtshof des Bundes in vielen Bereichen Revisi-onsinstanz. Er kann eventuell abweichende Urteileder Vorinstanzen nach seiner Ansicht abändern undso eine gewisse Gleichmäßigkeit der Rechtsanwen-dung gewährleisten. Weitere Merkmale des Rechts-staats sind die Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art.3 GG) und die Garantie der Unabhängigkeit derRichter (Art. 97 GG).Grundkurs Politik, LpB Baden-Württemberg

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Grundlagen und Grundsätze 33C

C 4 Merkmale des Rechtsstaats

C 5 Rangordnung des Rechts C 6 Recht und Gerechtigkeit

Joachim Feldmann: Recht • Rechtsentwicklung • Rechtsord-nung, hg. von d. Bayerischen LpB, E 7, München 19912,S. 61 Bayerische LpB, E 7, S. 31 (vgl. C 5)

Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.): Elementar 7, S. 24

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34 Grundlagen und Grundsätze / Vertiefung und TestC

C 7 Gewaltenvermischung im SED-Regime

C 8 ZusammenhängeIm Stile Ulbrichts strich Honecker das Wort „empfehlen“durch und ersetzte es durch: „beantragen, Einverstanden,Honecker, 21.1.73“. Staatsgewalt und Gericht folgten, dasUrteil wurde vollstreckt.

Artikel 5, Absatz 3 der Verfassung von 1968 lautet: „Zu keinerZeit und unter keinen Umständen können andere als die ver-fassungsmäßig vorgesehenen Organe staatliche Macht aus-üben.“ Wie für das Jahr 1973, so finden sich bis zum Endedes SED-Regimes Dokumente, die Festlegungen der Partei-führung für strafrechtliche Einzelentscheidungen in jedemVerfahrensstadium belegen, wenngleich nicht mehr in derÜberlieferungsdichte wie zu Zeiten Walter Ulbrichts.

Quelle: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2031/12

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Vertiefung und Test 35C

C 9 Gebote und Gesetze

C 10 Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Sicherheit

C 11 Was ist rechtsstaatlich?

Zeichnung: Pielert

Steffen Heitmann: Freiheit und Sicherheit; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.9.1998, S. 12

Bayerische LpB, E 7, S. 13 © LpB Baden-Württemberg

entspricht entsprichtrechts- nicht rechts-staatlichen staatlichenGrundsätzen Grundsätzen

Alle Leute werden vomGesetz gleich behandelt

Die Bürgerinnen undBürger können sichgerichtlich gegen staatlicheEntscheidungen wehren

Männer haben mehrRechte als Frauen

Ein Minister gibt einem Richter eine Weisung

Die Verwaltung hält sich an die Gesetze

Der Bundeskanzler musssich nicht an alle Gesetzehalten

Wer mehr Steuern zahlt,hat auch mehr Rechte

Gleiches muss gleich,Ungleiches ungleichbehandelt werden

Die Grundrechte werdenaußer Kraft gesetzt

Der Bundestag überträgtdie Gesetzgebung auf die Regierung

Es gibt Ausnahme-gerichte

Wegen ein und derselben Tat kann man zweimalbestraft werden

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36 Elemente des SozialstaatsD

D 4 Schlaraffenland ist nirgendwo

D 3 Hindernislauf

D 2 Schützendes Dach

D 1 Auf Hilfe angewiesen

D 1 – D 13 Sozialstaat

Zeichnung: Hans-Michael Scheurlen. Demokratie se-hen und verstehen 8/37. © LpB Baden-Württemberg

Bild: Alexandra Storch, Beitrag zum 23. Schüler-wettbewerb des Landtags von Baden-Württemberg

Zeichnung: Holger Appenzeller. Demokratie sehen und verstehen 8/34.© LpB Baden-Württemberg

Wir haben eine soziale Marktwirtschaft, in der gesellschaft-lich wichtige Forderungen das „freie Spiel der Kräfte“ ein-schränken. Im Wettbewerb sind gewisse Spielregeln einzu-halten. Und er darf nicht durch Monopole, Kartelle oderAbsprachen gefährdet werden. Dafür gibt es das Gesetz ge-gen den unlauteren Wettbewerb und das Kartellgesetz, Undes müssen soziale Leistungen erbracht werden: für ältereMitbürger, für Kinder und Familien, für Kranke und Arbeits-lose und nicht zuletzt für sozial Schwache. Diese Wirt-schaftsordnung, die auf den ersten Bundeswirtschaftsmini-ster Ludwig Erhard zurückgeht, hat in der Bundesrepublikeine eindrucksvolle wirtschaftliche und soziale Entwicklungermöglicht.Einfluss in die soziale Gestaltung der Gesellschaft nimmt diePolitik durch Leistungen an Schwächere. Die Mittel dafürwerden von der Allgemeinheit durch Steuern aufgebracht.Die „Soziale Marktwirtschaft“ ist der Versuch, die Wirkungs-weise des Marktes mit den Ansprüchen auf persönliche Frei-heit und soziale Gerechtigkeit zu vereinen. Nach dem Vollzugder deutschen Einigung bedarf es großer Anstrengungen, dieMenschen in der bisherigen DDR nicht nur den Markt, son-dern die soziale Marktwirtschaft erfahren zu lassen. Die Mit-tel für den „Aufschwung Ost“ sollen diesen Prozess be-schleunigen.Die Diskussion der nächsten Jahre wird vor allem durch dieFrage bestimmt sein, wie der Sozialstaat erhalten bzw. sogarausgebaut werden kann, ohne die Wettbewerbsfähigkeit derWirtschaft zu gefährden.Nach Grundkurs Politik. © LpB Baden-Württemberg

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Das System der sozialen Sicherung in Deutschland lässt sich auf drei grund-legende Gestaltungsprinzipien – das Versicherungs-, das Versorgungs- unddas Fürsorgeprinzip – zurückführen. Jedes dieser Prinzipien prägt einen Teil-bereich des Gesamtsystems im Hinblick auf seinen organisatorischen Aufbauund seine sozialpolitische Zweckbestimmung.Grundlage der Sozialversicherung ist das Versicherungsprinzip, in dessenMittelpunkt die solidarische Selbsthilfe der Versicherten nach dem Leitsatz:„Einer für alle, alle für einen“ steht. Eine Versicherung beruht darauf, dassMenschen, die bestimmten Risiken ausgesetzt sind, sich zusammen-schließen, um die möglichen Schadensfolgen für den Einzelnen zu begrenzenund die Last auf viele Schultern verteilen zu können. Durch ihre Beiträge fi-nanzieren sie gemeinsam die Versicherungsleistungen und erwerben dadurchgleichzeitig einen Leistungsanspruch für den Fall, dass sie selbst einmal zuden Betroffenen gehören. In der Sozialversicherung gelten diese Merkmale al-lerdings nur in stark abgewandelter Form. So ist die weit überwiegende Mehr-heit der Sozialversicherten durch Zwangsmitgliedschaft, nicht durch freiwilli-gen Zusammenschluss, in die soziale Grundsicherung einbezogen. Die Höheihrer (Pflicht-)Beiträge richtet sich nach dem Einkommen, das in der Renten-und Arbeitslosenversicherung auch den Maßstab für die Versicherungsleis-tung setzt. Da die Versichertenbeiträge allein nicht ausreichen, um den Fi-nanzbedarf der Sozialversicherung zu decken, muss der Staat regelmäßighohe Summen zuschießen.Die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft ist Grundlage des Versorgungs-prinzips, denn die Versorgungsleistungen, die der Staat erbringt, werden aus

Steuermitteln, also von allen Bürgern, finanziert.Ein Versorgungsanspruch wird nicht durch Bei-tragszahlungen, sondern durch andere Vorleis-tungen erworben: Die Versorgung ist eine Ent-schädigung der Gesellschaft für diejenigen, dieder Allgemeinheit besondere Dienste leisteten(z.B. als Beamte) oder die besondere Opfer aufsich nahmen und dadurch gesundheitliche oderwirtschaftliche Nachteile erlitten (z.B. Kriegsopfer,Vertriebene).Das Fürsorgeprinzip kommt vor allem dort zurGeltung, wo die anderen Prinzipien und Einrich-tungen des sozialen Sicherungssystems vor indi-viduellen Notsituationen versagen. Fürsorge inForm der Sozialhilfe wird z.B. erst dann gewährt,wenn jemand keine oder nur unzureichende Ver-sicherungs- oder Versorgungsleistungen erhältund sich auch nicht selbst aus seiner Lage be-freien kann. Anspruch auf Sozialhilfe besteht alsonur bei Bedürftigkeit; sie ist von Vorleistungen unabhängig und wird ganz aus öffentlichen Mit-teln aufgebracht. © Erich Schmidt Verlag

Zielsetzungen

Menschenbild

Bausteine

Soziale Marktwirtschaft 37D

D 6 Prinzipien der sozialen SicherungD 5

Soziale Marktwirtschaft

© Bayerische LpB, München

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Keine Rechte
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Einkommens-verteilung

PrivatesImmobilien-vermögen

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38 Soziale Marktwirtschaft / Aktuelle HerausforderungenD

D 7 Mutterschutz

D 8 Soziale Pyramide

D 9 Einkommen und Vermögen

Gefahrenschutz: Keine Arbeiten, die die Gesund-heit von Mutter und Kind gefährden

Kündigungsschutz: Während der Schwanger-schaft, bis 4 Monate nach der Entbindung undwährend des Erziehungsurlaubs

Leistungen der Krankenkassen bei Schwanger-schaft und Mutterschaft: z.B. Ärztliche Betreuung,Hebammenhilfe, häusliche Pflege, Mutterschafts-geld oder einmaliges Entbindungsgeld

Schutzfrist: 6 Wochen vor bis 8 Wochen nach derEntbindung (bzw. 12 Wochen bei Früh- und Mehr-lingsgeburten)

Erziehungsurlaub: für die Mutter oder den Vater imAnschluss an die Mutterschutzfrist, bis das Kind 36Monate alt ist (nur auf Antrag der Eltern)

Erziehungsgeld: für bis zu 24 Monate (abhängigvom Einkommen)

© Erich Schmidt Verlag, Zahlenbilder 141 213

„Bei wieviel Ungleichheit hört eigentlich der soziale Friedenauf?“

Zeichnung: Wieslaw Smetek, Die Zeit Nr. 44, 24.10.97, S. 23

Mehr als die Hälfte der Bundesbürger verfügt über keinerleiGrund und Boden.

Zeichnungen: Wolfgang Sischke, Die Zeit Nr. 44, 24.10.97, S. 25 (DIW)

Verteilungder Kapital-einkommen

Das untere Zehntel der Erwerbstätigen verdient im Schnittzuwenig, um davon sein Auskommen zu fristen.

Kaum etwas ist so ungleich verteilt wie die Zins- und DIvi-dendeneinnahmen.

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Aktuelle Herausforderungen 39D

D 10 Sozialleistungen

D 11 Das letzte Auffangnetz

1997 Mrd DM %

Ehe und Familie 169,2 13,5Kinder und Jugendliche 109,3 8,7Ehegatten 51,5 4,1Mutterschaft 8,4 0,7

Gesundheit 418,7 33,3Vorbeugung, Rehabilitation 24,7 2,0Krankheit 274,7 21,9Unfall, Berufskrankheit 25,7 2,0Invalidität 93,6 7,5

Beschäftigung 169,4 13,5Berufliche Bildung 24,8 2,0

1997 Mrd DM %

Mobilität 25,5 2,0Arbeitslosigkeit 119,1 9,5

Alter, Hinterbliebene 452,7 36,0Alter 433,3 34,5Hinterbliebene 19,4 1,5

Folgen politischer Ereignisse 9,6 0,8

Wohnen 12,8 1,0

Vermögensbildung 19,9 1,6

Allgemeine Lebenshilfen 3,8 0,3

Sozialbudget insgesamt 1256 100

Sozialbudget:

Leistungen nach Funktionen

Im System der sozialen Sicherung inDeutschland dient die Sozialhilfe als letztesAuffangnetz für all diejenigen, die in Not ge-raten sind und keine ausreichenden Sozial-versicherungs- oder Versorgungsleistungenerhalten, aber auch nicht selbst für ihren Le-bensunterhalt aufkommen können. Nachdem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) soll dieSozialhilfe ihren Empfängern ein menschen-würdiges Leben ermöglichen und sie befähi-gen, bald wieder auf eigenen Füßen zu ste-hen. Die Sozialhilfe ist also in erster Linie alsHilfe zur Selbsthilfe gedacht. Träger der So-zialhilfe auf örtlicher Ebene sind die kreis-freien Städte und die Landkreise; finanziertwird sie überwiegend von den Kommunenund den Ländern.

Mit der wachsenden Zahl alleinstehender,hilfebedürftiger Menschen, zunehmenderScheidungshäufigkeit und hoher Arbeitslo-sigkeit ist der Sozialhilfeaufwand seit densiebziger Jahren sprunghaft gestiegen. Da-mit hat sich die Sozialhilfe aber von ihrem ur-sprünglichen Zweck – der Unterstützung imeinzelnen Notfall – entfernt und sich mehrund mehr zu einer Art sozialer Grundsiche-rung entwickelt.

Saupe
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40 Aktuelle HerausforderungenD

D 13 SchwedenrätselD 12 Arbeitslosigkeit bekämpfen –aber wie? In dem unten stehenden Schwedenrätsel sind – neben ande-

ren Wörtern – 20 Begriffe versteckt, die mit Sozialpolitik zutun haben bzw. auf die sich Sozialpolitik bezieht. Viel Spaßbeim Suchen!

Grundkurs Politik, © LpB Baden-Württemberg

Deutschland Puzzle '99Ein Lernspiel für den Unterricht

Deutschland grundlegend kennenlernen oderauch völlig neu entdecken – das kann man jetztwieder mit dem neu aufgelegten Deutschland-Puzzle der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg. Das Großpuzzle für Grup-pen von zwanzig und mehr Personen eignet sich besonders für die schulische und außer-schulische Bildungsarbeit mit Menschen aller Altersgruppen ab zehn Jahren.

Es verbindet den Spass am Spiel mit der Freudeam Lernen und besteht aus 48 Teilen. Ausgelegthat es die Maße 120 × 90 cm. Auf der Vorder-seite ist eine physische Deutschlandkarte abge-bildet mit den wichtigsten geographischen Merkmalen wie Flüsse, Gebirge und größereStädte. Die Puzzleteile sind an den Grenzen derBundesländer orientiert. Ein Land besteht aus bis zur vier Puzzleteilen. Auf der Rückseite be-finden sich Bilder von wichtigen Personen undEreignissen aus der Zeit vom Kriegsende 1945bis zur deutschen Vereinigung 1990.

Das Puzzle kostet 29,90 DM plus Versand-kosten (für Interessenten außerhalb Baden-Württembergs 49,90 DM). Bestellungen bei derLandeszentrale für politische Bildung, Referat Arbeitshilfen, Haus auf der Alb, Hanner Steige 1,721574 Bad Urach, Fax (071 25) 152-100.

++ + 0 – – –

1. Die Überstunden sollten abgeschafft werden.

2. Es sollten mehr Teilzeitarbeitsstellen geschaffen werden.

3. Die Vermögenden sollten einen Teil ihres Reichtums an Arbeitslose und Bedürftige abgeben.

4. Es sollten große steuerliche Anreize für die Betriebe zur Einrichtung von Arbeitsplätzen geschaffen werden.

5. Man sollte sich auch mit weniger Lohn zufrieden geben – Hauptsache man hat Arbeit.

6. Die Unternehmer sollten auf einen Teil ihrer Gewinne ver-zichten. Von dem eingesparten Betrag sollten Arbeitsplätze geschaffen werden.

7. Wer arbeitslos wird, ist selber schuld.

8. Das Arbeitslosengeld sollte verringert werden, damit der Anreiz, sich eine Arbeit zu suchen, größer wird.

9. Solange ich Arbeit habe, interessiert mich die Arbeitslosigkeit nicht.

10. Die Politiker müssten inter-nationale Absprachen treffen, um die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohn-länder zu verhindern.

11. Die Arbeitnehmer müssten auch an den Gewinnen ihrer Unternehmen beteiligt werden.

12. Das ist halt so in der Markt-wirtschaft: Der Stärkere setzt sich durch – wen es dabei trifft – Pech gehabt!

13. Arbeitslose sollten auch unzumutbare Arbeit annehmen.

1. Wie stehst du zu diesen Aussagen? Bewerte sie:++ bedeutet: stimme uneingeschränkt zu

+ bedeutet: stimme im Wesentlichen zu 0 bedeutet: ich kann mich nicht festlegen – bedeutet: lehne ab

– – bedeutet: bin entschieden dagegen2. Setzt euch anschließend in Gruppen zusammen und dis-

kutiert eure Wertungen. Wo gibt es Übereinstimmungen,wo Unterschiede? Bestimmt zwei Sprecher, die eure Dis-kussionsergebnisse erläutern können.

© Bundeszentrale für politische Bildung, 53111 Bonn, Berli-ner Freiheit 7, Autor: Lothar Schote, Rödermark, Redaktion:Iris Möckel

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Problemaufriss 41E

E 1 – E 20 Grundgesetzänderung „Asyl“

E 1

Erschöpft?

E 2 Ängste

E 3

Die Ereignisseeines Jahres

Zeichnung:Gerhard Mester

„… das Boot ist doch wirklich noch nicht voll!“

Zeichnung: Horst Haitzinger, 1991

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Keine Rechte
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Keine Rechte
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42 Problemaufriss / Debatten in Parlament und ÖffentlichkeitE

E 4 Flucht aus Deutschland

E 5 Debatten um das Asylrecht

Die erklärte „Judenpolitik“ des Deutschen Reichs istbis weit in den Sommer 1941 hinein immer noch dieAuswanderung aller in Deutschland lebender Juden.Von den 140 000 im Jahre 1938 Geflohenen nehmenSüdamerika 20 000 und Palästina 12 000 legale undeine unbekannte, aber nicht unerhebliche Zahl ille-galer Flüchtlinge auf. Vielleicht 30 000 gelingt dieEinwanderung in die Vereinigten Staaten. Der Restbleibt in den westeuropäischen Transitländernstecken: in Frankreich, England, Holland, Belgien

und in der Schweiz. Als klar wird, dass es in Über-see zu wenige Plätze für Flüchtlinge gibt, beginnendie Transitländer ihre Grenzen zu schließen. ZuZehntausenden werden ausländische Konsulate be-lagert, doch die Wartelisten sind auf Jahre hinausgefüllt. Mitte Mai 1939 beschränkt die britische Regierung die Zahl der Einwanderinnen und Ein-wanderer nach Palästina bis 1944 auf 10 000 jähr-lich, zuzüglich 25 000 Flüchtlinge, deren Verwandtefür sie bürgen können.Erica Fischer: Aimee und Jaguar. Eine Liebesgeschichte,Berlin 1943. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 19976, S. 86

Zusammenstellung: Sabine Keitel; nach Protokollen des Parlamentarischen Rats (1948/1949) und des Deutschen Bundestags (26.5.1993)

1948/1949Parlamentarischer Rat:Verhandlungen des Hauptausschusses Bonn 1948/49

1993Deutscher Bundestag, 160. Sitzung, 26.5.1993,zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderungdes Grundgesetzes (Artikel 16)

Dr. von Mangoldt (CDU): Wir haben unsere Erfahrungen ausdem Krieg.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Unzählige Menschen mus-sten im Dritten Reich ihre Heimat verlassen und Zuflucht in fremden Ländern suchen. ... Niemand konnte sich in jenerZeit jedoch die Situation ausmalen, wie wir sie heute bei derAsylgewährung im wiedervereinigten Deutschland vorfinden.

Dr. von Mangoldt (CDU): Ich brauche nur darauf hinzuwei-sen, wenn wir irgendeine Einschränkung aufnehmen würden,wenn wir irgend etwas aufnehmen würden, um die Voraus-setzungen für die Gewährung des Asylrechts festzulegen,dann müsste an der Grenze eine Prüfung durch die Grenzor-gane vorgenommen werden. Dadurch würde die ganze Vor-schrift wertlos.

Vorsitzender Dr. Schmid: Dann beginnt das Spiel: Manschickt den Mann zurück oder man schickt ihn an die andereGrenze, und von dort geht es wieder weiter.

Dr. Jürgen Schmude (SPD): Hinsichtlich solcher Drittstaa-ten, in denen die Anwendung der Flüchtlingskonvention undder Menschenrechtskonvention sichergestellt sein muss, er-laubt der neue Art. 16a Abs. 2 nach einer entsprechendenEinreise die Zurückverweisung in den Drittstaat. ... Das künf-tig im Grundgesetz vorgesehene Verfahren gegenüber siche-ren Drittstaaten setzt freilich voraus, dass dort Zuflucht undSchutz für diejenigen gewährleistet sind, die sie wirklichbrauchen.

Vorsitzender Dr. Schmid: Die Asylrechtgewährung ist immereine Frage der Generosität, und wenn man generös sein will,muss man riskieren, sich gegebenenfalls in der Person geirrtzu haben. Das ist die andere Seite davon, und darin liegt viel-leicht auch die Würde eines solchen Aktes. Wenn man eineEinschränkung vornimmt, etwa so: Asylrecht ja, aber soweitder Mann uns politisch nahesteht oder sympathisch ist, sonimmt das zuviel weg.

Rudolf Seiters (CDU): Wenn dieses Parlament die Verfas-sung ändert, damit politisch Verfolgte schnell anerkannt wer-den und die Asylbewerber, die sich zu Unrecht auf Asyl be-rufen, rasch in ihre Heimatländer zugeführt werden, dannentspricht dieser Beschluss dem Willen der deutschen Be-völkerung. Er ist überfällig, wird seit langem erwartet und erhofft von unseren Städten und Gemeinden.

Wagner (SPD): Ich glaube, man sollte da vorsichtig sein mitdem Versuch, dieses Asylrecht einzuschränken ... Das wäredann kein unbedingtes Asylrecht mehr, das wäre ein Asyl-recht mit Voraussetzungen, mit Bedingungen, und eine sol-che Regelung wäre in meinen Augen der Beginn des Endesdes Prinzips des Asylrechts überhaupt. Entweder wir ge-währen Asylrecht, ein Recht, das glaube ich, rechtshistorischbetrachtet, uralt ist, oder aber wir schaffen es ab. ... Ichglaube, in einer so unruhigen Zeit, bei unserer politischenZerrissenheit ist es nicht angebracht, dieses Recht auch nurim geringsten irgendwie abbauen zu wollen.

Eckart Kuhlwein (SPD): Die Frage, ob wir mit der Neufas-sung des Asylrechts das Risiko eingehen, politisch Verfolgteihren Verfolgern auszuliefern, ist für viele Abgeordnete eineGewissensfrage.Dr. Wolfgang Schäuble (CDU): Wenn nur ein einziges Land,die Bundesrepublik Deutschland, in seiner verfassungsrecht-lichen Schutzgewähr über die Schutzgewähr der GenferKonvention hinausgeht – es gibt keine zweite Verfassung aufdieser Erde, die dies tut –, dann braucht man sich hinterhernicht zu wundern, wenn zwei Drittel aller Asylbewerber in Eu-ropa nach Deutschland kommen. ... Nichts anderes ist derGegenstand der heutigen Beratung und Entscheidung.

Konrad Weiß (Bündnis 90/Die Grünen): Entgegen der Vor-schrift des Art. 19 Abs. 2 des Grundgesetzes, die besagt,dass ein Grundrecht auf Asyl nicht angetastet werden darf,tastet er (der Asylkompromiss) das Grundrecht auf Asyl nichtnur an, er ruiniert es in seinem Wesen.

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Debatten in Parlament und Öffentlichkeit 43E

E 6 Flugblatt E 7 Die Städte stöhnen

E 8 Das Asylverfahren

Faltblatt der Landeszentrale für politische Bil-dung Baden-Württemberg, 1993

Deutschland besitzt das aufwendigste AsylverfahrenEuropas. Die Kosten sind hoch: Für Asylbewerberwurden in der Bundesrepublik 1993 ca. 9,7 Mrd., 1994 8,0 Mrd. und 1995 5,0 Mrd. DM (ge-schätzt) allein für Unterbringung, Versorgung und Be-treuung ausgegeben. Dem Bund entstehen ferner u.a. Kosten durch die Erledigung der Aufgaben desBundesamtes für die Anerkennung ausländischerFlüchtlinge. Die Gesamtausgaben des Bundesamtesbetrugen 1995 370 Mio. und 1996 358 Mio. DM.Außerdem entstehen dem Bund auch bei den obers-

ten Gerichten – dem Bundesverfassungsgericht unddem Bundesverwaltungsgericht, soweit diese mitAsylverfahren befasst waren – Kosten.

Die monatlichen Kosten für Asylbewerber sind in dendafür zuständigen Ländern unterschiedlich. DieMehrzahl der Länder sieht sich außerstande, die Kos-ten auch nur annähernd vollständig statistisch zu erfassen. Als durchschnittliche Kosten pro Personund Monat für Unterbringung und Verpflegung (ohneBetreuungskosten) gibt Bayern für 1995 733 DM an.Michael Griesbeck: Asyl für politisch Verfolgte und die Ein-dämmung von Asylrechtsmißbrauch. Aus Politik und Zeitge-schichte B 46/97 vom 7. November 1997 (Beilage der Wo-chenzeitung Das Parlament)

Von Rolf Böhme (SPD), Oberbürgermeister von Freiburg i. Br.

In Freiburg wuchs zwischen 1990 und 1992 die Zahl der Flücht-linge und Aussiedler von 2700 auf 4300. Der Nettoaufwand an So-zialhilfe für diese Menschen stieg im gleichen Zeitraum von 3,2Millionen D-Mark auf 7,4 Millionen an.

Die Finanzen fallen ins Gewicht, aber noch spürbarer ist der Man-gel an Wohnraum und Unterbringungsmöglichkeiten. Noch hatdie Stadt Glück, weil der Abzug der französischen Streitkräfte Ka-sernen freigemacht hat. Aber auch sie sind inzwischen voll. Überdie ganze Stadt verstreut werden jetzt Fertighäuser gebaut, Pen-sionen genutzt, freie Häuser gemietet.

Die politischen und gesellschaftlichen Gruppen und Parteien (miteiner Ausnahme), Kirchen, Gewerkschaften, Verbände und Trägerder Freien Wohlfahrtspflege stehen solidarisch zu der Stadt undihrer Aufnahmeverpflichtung. Mit dem Regierungspräsidium be-steht eine gute Zusammenarbeit.

Aber die Bevölkerung sieht die Belegung freier Wohnungen undspürt die Nähe neuer Nachbarn. Bisher wurde Unmut nur ver-deckt geäußert, doch in den Bürgerversammlungen wächst er,und die Killerblicke vieler sind nicht mehr zu übersehen. [...]

Politische Handlungsfähigkeit ist gefordert, die eine berechenbareZuwanderung erlaubt. Die scheinbar beliebig ansteigende Flücht-lingszahl macht die Leute nervös und die Kommunalverwaltungenhilflos, weil sie ohne Vorbereitung ständig improvisieren und soden Druck ungebremst an die eigene Bevölkerung weitergebenmüssen. Inzwischen ist die Diskussion so kompliziert und unüber-sichtlich geworden, daß in der Bevölkerung nur noch ankommt:Die Politik streitet, findet keine Lösung, und wir Bürger zahlen dieZeche.

In dieser Situation müssen gerade die Bürgermeister versuchen,politikfähig zu bleiben. Also werden sie in den Gemeinden für einepragmatische Lösung eintreten. Politiker, die an lähmenden Posi-tionen festhalten, die Probleme ignorieren und nicht mit der Zeitgehen, gehen mit der Zeit. Mehr als allen anderen klingt den Kom-munalpolitikern eine Mahnung in den Ohren, wie sie Willy Brandtgelegentlich mit dem Satz eines norwegischen Freundes vor-brachte: „Beeilt euch zu handeln, bevor es zu spät ist zu be-reuen.“Die Zeit, 20.11.1992 (zitiert nach dem Heft „Gegen Haß und Vorurteile“, hrsg.von der LpB Baden-Württemberg 1993)

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44 Debatten in Parlament und Öffentlichkeit / Das alte und das neue RechtE

E 9 Entscheidungen seit 1985

E 10 Asylrecht von 1949 bis 1993

E 11 Das Änderungsgesetz zum Asylrecht

Artikel 16 GG

[Staatsangehörigkeit, Auslieferung, Asylrecht]

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht ent-zogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit

darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen denWillen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn derBetroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefertwerden. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Die Übersicht gibt Auskunft über die Entscheidungen und Entscheidungsquoten seit 1985. Sie weist nur die Entscheidungen desBundesamtes aus; unberücksichtigt sind Entscheidungen aufgrund verwaltungsgerichtlicher Urteile.

Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Hrsg.): Asylpraxis. Tabellen und Diagramme mit Erläuterungen, Nürn-berg 30.6.19982, S. 21.

formelle Quote formelleEntscheidungen Aner- Anerkennungs- Ab- Ablehnungs- Entschei- Entscheidun-

Jahr gesamt kennungen quote in % lehnungen quote in % dungen gen in %

1985 38.504 11.224 29,15 17.013 44,19 10.267 26,661986 55.555 8.853 15,94 31.955 57,52 14.747 26,541987 87.539 8.231 9,40 62.000 70,83 17.308 19,771988 88.530 7.621 8,61 62.983 71,14 17.926 20,251989 120.610 5.991 4,97 89.866 74,51 24.753 20,521990 148.842 6.518 4,38 116.268 78,11 26.056 17,511991 168.023 11.597 6,90 128.820 76,67 27.606 16,431992 216.356 9.189 4,25 163.637 75,63 43.530 20,121993 513.561 16.396 3,19 347.991 67,76 149.174 29,051994 352.572 25.578 7,25 238.386 67,61 78.622 22,301995 200.188 18.100 9,04 117.939 58,91 58.781 29,361996 194.451 14.389 7,40 126.652 65,13 43.799 22,521997 170.801 8.443 4,94 101.886 59,65 50.693 29,681998 77.639 3.248 4,18 48.327 62,25 23.168 29,84

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Das alte und das neue Recht / Auswirkungen 45E

E 12 Zwei Fälle

E 13 Asylmerkmale

a) Ich bin Schriftsteller und habe in Teheran eineZeitschrift herausgegeben. Deswegen wurde ich zusechs Monaten Gefängnis und 20 Peitschenhiebenverurteilt. Die Zeitschrift wurde verboten, keinesmeiner Bücher durfte erscheinen. Ich habe Iran imFrühjahr 1996 verlassen und lebe seitdem inDeutschland.

b) Ich heiße Theresa. Seit 15 Jahren lebe ich mitmeiner Familie im Kupfergürtel von Sambia. Aber fürdas Kupfer zahlt man auf dem Weltmarkt jetzt nichtsmehr. Es gibt hier keine Arbeit mehr und ich musszusehen, wo ich mit meinen Kindern bleibe.a) Nach dem Schicksal Maroufis; dokumentiert in: FaramarzBehzad (Hrsg.): Abbas Maroufi. Die Gebetskette, Bamberg1997; b) Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V.: la-byrinth fluchtweg III. Labyrinth 4 kids. Begehbare Collageund Hörspiel, Barnstorf (Tel. 05442/991027).

Verfolgung ist ein zielgerichtetes Handeln des Staa-tes gegen den Betroffenen. Nun wird den Staatendas Gewaltenmonopol und das Recht auf Einsatzstaatlicher Machtmittel grundsätzlich nicht bestrit-ten, nach der neueren Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichtes dürfen sie dabei aber denBürger aus ihrem Friedensverband nicht existentiellausgrenzen. Der Schlüsselbegriff des Bundesver-fassungsgerichtes ist die „ausweglose Lage“, in dieder Ausländer geraten muss. Damit kann auch dienicht rechtsstaatswidrige oder völkerrechtswidrigeVerfolgung politische Verfolgung sein. Das Bundes-verfassungsgericht folgt damit einem politischenVerständnis des Asylrechts, anders als die GenferFlüchtlingskonvention und die übrigen EG-Länder.

Politische Verfolgung knüpft an die Verfolgung we-gen sog. Asylmerkmale (Rasse, Nationalität, Reli-gion, politische Überzeugung usw.) an. Dabei er-kennt das Bundesverfassungsgericht keinengeschlossenen Katalog an (anders als die GenferFlüchtlingskonvention), es unterscheidet vielmehrnach „Anderssein“ (Beispiel: Rasse, Nationalität,aber auch Homosexualität) und „Andersdenken“(Religion, politische Überzeugung). Damit kann auchVerfolgung wegen eines Staatsschutzdeliktes (sepa-ratistische Bestrebungen) politische Verfolgungsein. Es kommt also nach der Rechtsprechung desBundesverfassungsgerichtes nicht auf die Motiva-tion des Staates, sondern auf die „erkennbare Ge-richtetheit der Maßnahme“ selbst an. Auch die Ver-folgung wegen eines aus politischer Überzeugungbegangenen Delikts begründet deshalb einen Asyl-anspruch, nicht dagegen wegen kriminellen Un-rechts. Damit ist letztlich die Motivation des Verfolg-ten entscheidend.Hans-Jürgen Papier / Ernst Kutscheidt: Asyl- und Rechtsfra-gen im Spannungsfeld von Verfassungsrecht, Verwaltungs-recht und Politik, Köln: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, S. 105.Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1993, Teil l, S. 1002

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46 AuswirkungenE

E 14 Einstufungvon Staaten

E 16 Asylanträge in Europa

E 15 Sichere Drittstaaten E 17 Hilfsorganisationen

Amnesty internationalSektion der BR Deutschland e.V. Heerstraße 178, 53111 Bonn Telefon 02 28/9 83 73-0

Brot für die WeltDiakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen in Deutschland Stafflenbergstraße 76, 70184 Stuttgart Telefon 07 11/21 59-0

Deutsches Rotes Kreuz e.V.Friedrich-Ebert-Allee 71, 53113 Bonn Telefon 02 28/5 41-1

Deutsche WelthungerhilfeAdenauerallee 134, 53113 Bonn Telefon 02 28/22 88-0

Internationale Gesellschaft für Menschenrechte e.V.Borsigallee 16, 60388 Frankfurt am Main Telefon 069/23 69 71-72

Internationales Rotes KreuzKomitee des Rotes Kreuzes19, Avenue de la Paix, CH-1202 GenfTelefon 00 41 22/7 34 60 01

Sichere Drittstaaten: Mit-gliedstaaten der EU sowieNorwegen, Polen, Tschechi-sche Republik, Schweiz.

Sichere Herkunftsstaaten(Anlage II zu § 29a Asyl VfG):Bulgarien, Gambia (seit dem8.4.1995 per Gesetz ge-strichen, BGBl, l S. 430),Ghana, Polen, Rumänien,Senegal (zwischendurch ge-strichen, nun wieder gültig*),Slowakische Republik, Tsche-chische Republik, Ungarn* Die Menschenrechtsorganisa-

tion Amnesty international kriti-sierte 1998 die erneute Einstu-fung von Senegal als “sicherenHerkunftsstaat". Dort herrschteein “Klima des Terrors"; Sicher-heitskräfte seien für willkürlicheVerhaftungen und Hinrich-tungen, “Verschwindenlassen",Misshandlung und Folter verant-wortlich.

* Beschluss der Jahreshauptver-sammlung von Amnesty inter-national

Die Tabelle gibt einen Überblick über die Verteilung der Asylbewerberzugänge auf die dortgenannten europäischen Staaten in den Jahren 1992 bis 1997.

Staaten 1992 1993 1994 1995 1996 1997

Belgien 17.398 26.281 14.456 11.648 12.412 11.575

Dänemark 13.884 14.347 6.651 5.104 5.893 5.100

Deutschland 438.191 322.599 127.210 127.937 116.367 104.353

Finnland 3.634 2.023 836 854 711 973

Frankreich 28.872 28.466 25.964 20.170 17.153 19.983

Großbritannien 32.300 28.000 42.201 54.988 29.642 32.502

Italien 2.589 1.571 1.844 1.752 681 1.712

Niederlande 20,346 35.399 52.576 29.258 22.857 34.443

Norwegen 5.238 12.876 3.379 1.460 1.778 2.277

Schweden 84.018 37,581 18.640 9.047 5.774 9.619

Schweiz 17.960 24.739 16.134 17.021 18.001 23.897

Spanien 11.712 12.645 11.901 5.678 4.730 4.975

Quelle: Inter-governmental Consultations (IGC). Bundesamt für die Anerkennung ausländi-scher Flüchtlinge (vgl. E 9), S. 18

Saupe
Keine Rechte
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Auswirkungen / Beurteilungen 47E

Misereor – Not in der WeltArbeitsstelle BerlinFehrbelliner Straße 99, 10119 BerlinTelefon 0 30/4 49 05 24

Terre des Femmes e.V.Menschenrechte für die Frau, Nauklerstraße 60, 72074 Tübingen, Tel. 0 70 71/2 42 89

Terre des hommesBR Deutschland e.V. Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück Telefon 05 41/7 1010

UNICEFDeutsches Komitee für UNICEF e.V. Höninger Weg 104, 50969 Köln Telefon 02 21/9 36 50-0

E 18 Hauptherkunftsländer

E 19 Die Änderung ist verfassungskonform

Vom 01. Januar bis 30. Juni 1998. Gesamtzahl der Asylanträge: 42.569

Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (vgl. E9), S. 17, Übersicht 13

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe(BVerfG) hat alle 1993 beschlossenen Einschränkun-gen des Asylrechts für verfassungsgemäß erklärt.Der 2. Senat billigte sowohl die Drittstaatenrege-lung, die Liste sicherer Herkunftsländer als auch dieFlughafenregelung. Eingeschränkt wurde die Mög-lichkeit abgelehnter Asylbewerber, durch einen Eil-antrag vor dem BVerfG die Abschiebung zu verhin-dern. Der Gesetzgeber muss allerdings die Frist, diedem Flüchtling im Flughafenverfahren zur Erhebungeiner Klage zustehe, um vier Tage verlängern.

Die drei neuen Einzelregelungen des Asylrechts hiel-ten in Karlsruhe stand. Danach haben Flüchtlinge,

die über einen sicheren Drittstaat in die Bundesre-publik einreisen, grundsätzlich keinen Asylanspruchmehr und können an der Grenze zurückgeschicktwerden. Der Verlust des Asylanspruchs für Flücht-linge, die aus einem sogenannten sicheren Her-kunftsland kommen, wurde ebenfalls gebilligt.Behörden und Gesetzgeber müssten die Verhält-nisse in dem Land beurteilen. Nur wenn in demStaat landesweit für alle BevölkerungsgruppenSchutz vor politischer Verfolgung bestehe, könne erals sicher eingestuft werden.

Auch das verkürzte Flughafenverfahren ist verfas-sungskonform. Dem Bundesamt für die Anerken-

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48 BeurteilungenE

nung ausländischer Flüchtlinge, das die Asylbewer-ber im Flughafen zuerst anhört und über ihre An-träge entscheidet, gaben die Richter jedoch auf, dieVerständigungsschwierigkeiten der Flüchtlinge so-wie deren Belastungen zu berücksichtigen.

Gerichtspräsidentin Jutta Limbach sowie die Verfas-sungsrichter Berthold Sommer und Ernst-WolfgangBöckenförde (alle SPD) veröffentlichten hierzu eineabweichende Meinung.Christoph Brenner: Chronik der asylpolitischen Entwicklungin der Bundesrepublik Deutschland 1995/1996 anhand aus-gewählter Pressemeldungen, in: Schriftenreihe des Bundes-amtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Band1: Asylpraxis, Nürnberg 19972, S. 117

Aktenzeichen: 2 BvR 1507/93, 1508/93, 1516/93, 1938/93und 2315/93

E 20 Grundsätzliches und Details

Zwar existiert kein Verbot, Verfassungen mit Detail-regelungen anzufüllen. Wohl aber steht auf Über-frachtung ein Preis. Je mehr durch die Verfassungvorentschieden ist, desto schmaler wird der Raumfür Mehrheitsentscheidungen. Deswegen muss sichder verfassungsrechtliche Konsens aufs Grundsätz-liche beschränken, wenn demokratische Politikmöglich bleiben soll. Verengen sich die verfas-sungsrechtlichen Maschen, büßt die Politik im sel-ben Maß ihre Fähigkeit ein, Alternativen zu ent-wickeln und auf wechselnde Bedingungen zureagieren. Es gibt dann keinen Politikwechsel mehrohne vorgängige Verfassungsänderung, und selbstDetailänderungen bedürfen des aufwendigen Ver-fahrens, das aus gutem Grund Prinzipienänderun-gen vorbehalten ist.

Scheitert die Verfassungsänderung, so steht manvor der Wahl, entweder auf fällige Reformen zu ver-zichten oder sie ohne Rücksicht auf die Verfassungdurchzuführen. Beides ist gleich schädlich. Im ersten Fall kommt es zur Blockade des politischenSystems mit den bekannten wechselseitigenSchuldzuweisungen der Parteien und Frustrations-erscheinungen im Publikum. Im zweiten Fall kommtes zur Entwertung der Verfassung, die nur noch einen schönen Schein verbreitet, aber ihre Bin-dungskraft verliert. Man kann daraus ersehen, dassVerfassungen, die die Verrechtlichung der Politik zuweit treiben, die Umgehungsgefahr selbst heraufbe-schwören. Verfassungsperfektionismus schlägt inVerfassungsirrelevanz um. Ein Charakteristikum,dem die Bundesrepublik einen Großteil ihrer Legiti-mität im Innern und ihres Ansehens in der Welt ver-dankt, die Wertschätzung der Verfassung, wird da-mit verspielt.Dieter Grimm: Parteiinteressen und Punktsiege. Wie maneine Verfassung verderben kann; in: Frankfurter AllgemeineZeitung vom 12.12.1998, Bilder und Zeiten, S. II

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Der Weg zum Grundgesetz

Video, 22 Min., f + sw, 1989Adressaten: S9

Der Film gibt anhand von großenteils neu-kommentierten Originalaufnahmen einenÜberblick über die Vorgeschichte desGrundgesetzes sowie über seine Entste-hung vom Zusammentritt des Parlamentari-schen Rates am 1.9.1948 bis zur Verkün-dung der Verfassung des neuen west-deutschen Staates am 23.5.1949. 42 99747

Sprache und Gewalt

Video, 10 Min., f, 1996Adressaten: S10, SU, J16, E

Dokumentation über den Zusammenhangzwischen Sprache und Gewalt auf derGrundlage der Gesetzesneuregelung zurAsylfrage und schweren, fremdenfeindli-chen Gewalttaten von meist jugendlichenTätern. Behandelt wird die Frage, inwieweitein Zusammenhang zwischen der in der öffentlichen Diskussion verwendetenSprache und jugendlichen Gewalttaten inRostock besteht. 42 63620

Als die Sonne ihr Gesicht verbarg

Video, 35 Min.,f,1993 Adressaten: S10, 311, J16, E

In Deutschland ist es wieder möglich, sichantisemitisch, rassistisch und fremdenfeind-lich zu gebärden. Auch Behinderte, Alte undandere Minderheiten erleben Bedrohungen.Zwischen Zorn und Resignation erzählenBetroffene, wie sie diese Entwicklung er-leben und wie es sie an die Verhältnisse desDritten Reiches erinnert. 42 55972

Zehn kleine Negerlein

Video, 1 Min.,f, 1992Adressaten: S7, J12, E

Zeichentrickfilm zur Asylfrage. Geeignet alsAnspielfilm. – Die Machart des Films erinnertan die ersten Trickfilme der Filmgeschichte.Prädikat: wertvoll. 42 55707

Trott

Video, 7 Min., f, 1992Adressaten: S8, J12, E

Grau und eintönig ist das Leben eines Man-nes, der seine Tage zwischen Bett, Bad undArbeitsplatz verbringt. Die Begegnung miteinem fröhlichen Menschen könnte Farbe inseinen Alltag bringen, doch er kann die neueFreundschaft nur mit einem Besäufnis be-gießen. Im Rausch malt er sich ein neuesLeben aus – das Erwachen am nächstenMorgen ist kläglich. Da wird dem Mann klar:Er muss selbst etwas auf die Beine, stellen,wenn sein Leben sich ändern soll. 42 57472

Zwei Elefanten

Video, 3 Min.,f, 1994Adressaten: P1, E4, J6, E

Ein großer und ein kleiner Elefant treffen auf-einander. Der große prahlt mit seinem lan-gen Rüssel, der kleine wird ganz traurig obseiner Winzigkeit. Doch als Gefahr droht,wird dem großen Elefanten sein Rüssel zumHindernis. Gemeinsam mit seinen Freundenrettet der kleine Elefant den Prahler vor einem hungrigen Löwen. 42 60586

Der Traum vom rechtsfreien Raum

Video, 65 Min., f, 1993Adressaten: S8, J12, E

Im Sommer 1981 erreichte die Welle der illegalen Hausbesetzungen in Berlin-Kreuz-berg ihren Höhepunkt. Zwei Frauen und vierMänner, die jene Zeit aktiv miterlebt haben,schildern, unterstützt von Filmaufnahmenüber die damaligen Ereignisse, wie sie heutedarüber denken und was von ihren An-sprüchen geblieben ist. 4258765

Balance

Video, 8 Min.,f, 1989Adressaten: S5, S11, J10, E

Fünf Figuren auf einer schwebenden Platt-form. Jede von ihnen weiß, dass nur gleich-mäßige Verteilung das Gleichgewicht wahrt.Als eine Kiste auftaucht, gerät die Balancein Gefahr. Die Abhängigkeit der Personenvoneinander wird offenbar 42 54615

... bis zum Bundesverfassungsgericht

Grundrechte und ihre Durchsetzbarkeit imAlltagVideo, 20 Min., f, 1989Adressaten: S8, SU, J14

Eine Arbeitnehmerin verschweigt ihreSchwangerschaft bei der Einstellung. Alsder Arbeitgeber davon erfährt, wird die Arbeitnehmerin entlassen. Sie geht vor dasArbeitsgericht und vor das Bundes-verfassungsgericht. Der Film zeigt die Kon-flikte der Arbeitnehmerin innerhalb undaußerhalb des Betriebes. 42 07334

Das Freiwillige Soziale Jahr

Sehen, Hören, HelfenVideo, 20 Min.,f, 1994Adressaten: S9, J14, E

Beispielhaft für unterschiedliche Einsatz-möglichkeiten, wird eine Helferin im Freiwil-ligen Sozialen Jahr (Diakonischen Jahr) ei-nen Tag lang bei ihrer Arbeit in einer Kirchengemeinde begleitet. Sequenzen desFilms geben Einblicke in die Arbeit mit altenund behinderten Menschen. Es kommenu.a. Helferinnen im FSJ (DJ), Mitarbeiter ausder pädagogischen Begleitung und Ehema-lige, die inzwischen berufstätig sind, zuWort. 42 56733

K(l)eine Wähler

Kinder machen PolitikVideo, 38 Min., f, 1995Adressaten: S12, S, J16, E

Kinder sind Menschen und besitzen garan-tierte Rechte - warum nicht auch das Wahl-recht? Anlässlich des Kindergipfels 1995entstand dieser Film mit und über politischengagierte Kinder und Jugendliche, die ihrAnliegen bis zum BVG verfolgen. 42 67923

Mut zur kreativen Unruhe

Bildungswerkstatt im Beruflichen Schulzen-trum Wertheim

Video, 30 Min.,f, 1995Adressaten: SU, J16, E

Wie lässt sich ein positives Schulklimaschaffen, das bei Schülern und Lehrern dieBereitschaft auslöst, sich zu engagieren undVerantwortung zu übernehmen? Die Doku-mentation zeigt beispielhafte Ansätze einesProjekts im Beruflichen Schulzentrum Wert-heim. 42 60625

So funktioniert die Soziale Marktwirtschaft

Beispiel BetriebsgründungVideo, 15 Min., f, 1994Adressaten: S8, S11, B

Die Ideen und Ziele der Sozialen Marktwirt-schaft, wie sie von Ludwig Erhard im Nach-kriegsdeutschland entwickelt und politischumgesetzt wurden, gelten heute noch alsOrdnungsrahmen für wirtschaftliches Han-deln in der Bundesrepublik Deutschland. Ineiner Spielhandlung am Beispiel der Grün-dung eines kleinen Fertigungsbetriebes wirdgezeigt, wie die Rahmenbedingungen dermarktwirtschaftlichen Ordnung unterneh-merisches Handeln und Entscheiden be-stimmen. 42 70293

Wir haben doch ein Recht darauf

16-mm-Film, 26 Min., f, 1980Adressaten: S7, J12, E

Kurzspielfilm. Jugendliche eines selbstver-walteten Jugendzentrums in einer Großstadterproben die Ausübung von Grundrechten.Sie kämpfen um ihre Entfaltungsmöglich-keiten und veröffentlichen in einer selbsthergestellten Zeitung ihre ungeschminkteMeinung, kommen jedoch mit Grundrechtenund Interessen anderer in Konflikt.32 03733

Henker

Hangman16-mm-Film, 11 Min., f, 1963Adressaten: S9, S11, J14

Dieser Zeichentrickfilm ist nach dem gleich-namigen Gedicht von Maurice Ogden ent-standen und behandelt das Thema „Abbauvon Rechten" unter den Augen aller davonBetroffenen. Der Henker kommt in eineamerikanische Kleinstadt, baut seinen Gal-gen auf dem Rathausplatz auf und beginntmit der Erhängung eines Ausländers.

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AV-Medien zum ThemaZusammengestellt von Hanns-Georg Helwerth,

Landesbildstelle Württemberg

Page 52: Politik  · PDF filePolitik und Unterricht 1/1999 · 1. Quartal · 25. Jahrgang „Politik und Unterricht“ wird von der Landeszentrale für politische Bildung Baden

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Stafflenbergstraße 38, 70184 StuttgartTel. (07 11) 2371 30Fax (07 11) 2371 496Internet http://www.lpb.bwue.de

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Durchwahlnummern

Direktor: Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -385Referentin des Direktors: Sabine Keitel . . . . . . . . . . . . . . . . -387Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . . . . . -484

Abteilung I Verwaltung (Günter Georgi)FachreferateI/1 Grundsatzfragen: Günter Georgi . . . . . . . . . . . . . . -379I/2 Haushalt und Organisation: Jörg Harms . . . . . . . . . -383I/3 Personal: Gudrun Gebauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .480I/4 Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich -492I/5** Haus auf der Alb: Erika Höhne . . . . . . (07125) 152-109

Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor)FachreferateII/1 Medien: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -390II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse (07125) 152-140II/3 Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . -390II/4* Schule, Hochschule, Schülerwettbewerb:

Reinhard Gaßmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .-373Monika Greiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -394

II/5 Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . -369II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . (07125) 152-136

Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug)FachreferateIII/1* Landeskunde/Landespolitik:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . . . . . . -392III/2 Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . -487III/3** Zukunft und Entwicklung:

Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . (07125) 152-139III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . (07125) 152-146III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Konrad Pflug . . . . . . -495III/6 Deutschland und Europa:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth (Komm.) . . . . . . . . . -392III/7* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . -501

Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)FachreferateIV/1 Wissenschaftliche Publikationen

Redaktion „Der Bürger im Staat“:Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . .-371

IV/2 Redaktion „Politik und Unterricht“: Otto Bauschert . . . -388IV/3 Redaktion „Deutschland und Europa“:

Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . -391IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . -482IV/6** Arbeitshilfen: Werner Fichter . . . . . . . . (07125) 152-147

Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann)Fachreferate/AußenstellenV/1 Freiburg: Dr. Michael Wehner . . . . . . . (0761) 2077377V/2 Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann . . . . . . (06221) 607814V/3* Stuttgart: Hans-Joachim Mann . . . . . . . (0711) 2371374V/4 Tübingen: Rolf Müller . . . . . . . . . . . . (07071) 2002996

AnschriftenHauptsitz in Stuttgart (s. links)* 70178 Stuttgart, Sophienstraße 28–30,

Fax (0711) 2371498** Haus auf der Alb

72574 Bad Urach, Hanner Steige 1,Tel. (07125) 152-0, Fax (07125) 152100

Außenstelle FreiburgFriedrichring 29, 79098 Freiburg,Tel. (0761) 207730, Fax (0761) 2077399

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Außenstelle TübingenHerrenberger Straße 36, 72070 Tübingen,Tel. (07071) 2002996, Fax (07071) 2002993

Bibliothek Bad UrachBibliothek/Mediothek Haus auf der Alb, Bad UrachGordana Schumann, Tel. (07125) 152-121Dienstag 13.00–17.30 UhrMittwoch 13.00–16.00 Uhr

Publikationsausgabe StuttgartStafflenbergstraße 38Ulrike Weber, Tel. (0711) 2371384Montag 9.00–12.00 Uhr

14.00–17.00 UhrDienstag 9.00–12.00 UhrDonnerstag 9.00–12.00 Uhr

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Nachfragen

„Der Bürger im Staat“Ulrike Hirsch, Tel. (0711) 2371371

„Deutschland und Europa“Sylvia Rösch, Tel. (0711) 2371378

„Politik und Unterricht“Sylvia Rösch, Tel. (0711) 2371378

Publikationen (außer Zeitschriften)Ulrike Weber, Tel. (0711) 2371384

Bestellungenbitte schriftlich an die o.g. Sachbearbeiterinnen:Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax (0711) 2371496

Thema des nächsten Hefts:

Judenin Deutschland

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg