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Zeynep Aygen
QUO VADIS ISTANBUL?
Ein Rückblick in die Zukunft
In den letzten zehn Jahren wurden in den ehemaligen Industriegebieten Istanbuls nach und nach
Fabrikgebäude und Werkstätten geschlossen, verkauft und abgerissen, damit an ihrer Stelle neue
Geschäftszentren, Bankgebäude und Supermärkte gebaut werden konnten. Dabei verschwanden
auch die meisten der kleinen Läden, allerdings mit einer großen Ausnahme: Die winzigen
„Devisen- buffets", wie man die Exchange-Stellen bezeichnet, florieren wie nie zuvor. Diese
Erscheinung, von der viele Städte der Welt betroffen sind, hat in jedem Einzelfall spezifische
Auswirkungen. Sie führt zu Gewichtsverlagerungen, die die traditionellen Beziehungen
zwischen den einzelnen Stadtsektoren zerstören, die aber in jeder Stadt je nach Topographie,
Tradition und Kultur andere Folgen haben. Erst die Geschichte der jeweiligen Stadt gibt
Aufschlüsse über die Einwirkungen der Globalisierung auf sie. Das einheitliche
Erscheinungsbild kann nämlich zu Trugschlüssen führen: Der türkische Soziologieprofessor
Sencer Ayata weist darauf hin, daß es zum Beispiel nicht ausreichend ist, die Mc
Donald's-Ketten mit ihren „ready-made“-Konzepten als Prototypen der Globalisierung der
Urbanen Szene zu verallgemeinern1. Werden sie in Los Angeles, Peking und Istanbul auf
gleichwertigem Stadtareal gebaut, und geht es um den gleichen Sektor der Gesellschaft, der sie
frequentiert? Während zum Beispiel in LA Big Mac etwas Preiswertes ist, das schnell gegessen
wird, ist er in Istanbul im Vergleich zu den traditionellen Imbißmöglichkeiten ziemlich teuer.
Die Mc Donald's Läden sind hier Orte, wo sich junge Leute aus der mittleren und oberen
Mittelschicht treffen, um länger zusammen zu sitzen. Viele leere Erscheinungen, die als global
oder transnational bezeichnet werden, kriegen auf diese Weise lokale Inhalte und werden erst
durch sie definiert.
Um sich darüber klar zu werden, wie weit diese These zutrifft, muß man über die Lage der
Mc Donald's Läden in Istanbul einen Überblick gewinnen. Die meisten von ihnen liegen in den
neuen Shopping-Mails, die hauptsächlich von der oberen Mittelschicht frequentiert werden.
Andererseits wurde der erste Mc Donald's Laden in Istanbul am Taksim-Platz gebaut, und das
hat einen bestimmten Grund. Um ihn zu verstehen, muß man die besondere Stellung des
Taksim-Platzes innerhalb des Istanbuler Stadtbildes kennen, und dies wird erst dann möglich,
wenn man einen Einblick in die Geschichte der Stadt gewinnt.
Als Konstantin I. den Schwerpunkt seines Reiches nach Osten verlegte, wählte er eine
Lage, die den klassischen sieben Hügeln Roms entsprach. Die Hauptstraße begann am Milion,
dem neuen Meilenstein: Jetzt sollten alle Wege zum zweiten Rom führen. Nicht Rom selbst,
aber die Idee, die es repräsentierte, wurde weitergetragen, so daß die neue Hauptstadt des
1 Sencer Ayata, Toplumbilim Acisindan Küreselleşme. In: Isik Kansu (Hrsg.), Küreselleşme. imge Kitabevi,
Ankara 1997, S. 72-73.
römischen Reiches im Osten schon bei ihrer Gründung im Zentrum des
Globalisierungsdiskurses der römischen Welt stand. Denn Rom war in der Antike „die
Hauptstadt der Welt", einer Welt, die von Rom aus definiert wurde. Diese Welt war einer
Ordnung zugeordnet, die schon vor den Römern entstanden war und von den Kolonialisten aller
Zeiten immer wieder kopiert worden ist. Sie war geregelt, uniform und verbindlich. Es gab eine
einzige Ausnahme, die sich dieser Ordnung nicht anpaßte: Rom selbst. Die Hauptstadt der Welt
durfte und mußte es sich leisten, alle Einflüsse aus den reichen Traditionen und Kulturen seiner
Untertanen zu absorbieren. Dasselbe galt für Konstantinopel, das im Jahre 330 als kaiserliche
Residenz eingeweiht wurde. Es brauchte sich nicht dem einheitlichen, römischen Plan un-
terzuordnen. Die Hauptstraßen in Längsrichtung des dreieckförmigen Stadtareals ergaben sich
vielmehr aus der Topographie, die schon die vorrömische Stadt strukturiert hatte. Wie damals
Augustus Alt-Rom, teilte aber auch Konstantin Neu-Rom in 14 Bezirke auf und errichtete,
entsprechend dem Palatin in Rom, auf dem ersten Hügel seinen Kaiserspalast. Die Entstehung
neuer Wohnquartiere wurde durch den Verlauf der Erschließungsstraßen, deren
Querverbindungen sowie die Anlage neuer Foren, Ehrenmale und Kirchen gesteuert.
Die Hauptachse, die entlang dem ersten und zweiten Hügel die Spitze der Halbinsel in
Längsrichtung halbierte, erstreckte sich paralell zum Tal des Lykos-Baches, in dem er sich in
der Mitte der Stadt, beim Hallenplatz Forum Tauri, in zwei Stränge teilte. Der eine Strang lief
paralell zur Apostelkirche, um sich dann außerhalb der Stadtmauer mit der Straße nach
Adrianopolis zu treffen; der zweite Strang teilte sich am Stadtplatz Bus wieder, um mit dem
einen Arm das Arkadios-Forum am Osthang des siebten Hügels zu erreichen, während der an-
dere Arm zum Eleutherios-Hafen am Marmara-Meer lief und somit einen Teil der wichtigen
Querverbindung zwischen dem Meer und dem Goldenen Horn bildete.
Die neue Weltstadt, deren Einwohnerzahl über das Mittelalter hinaus um eine halbe
Million lag2 und somit an Größenordnung alle zeitgenössischen Städte übetraf, hat sich von der
Regierungszeit Theodosios II. (408-450) bis zum 19. Jahrhundert wenig verändert. Mit Iustinian
I. (527-565), dem ein Volksaufstand fast seinen Thron gekostet hätte, begann eine kontrollierte
Wachstumspolitik, die durch seine Nachfolger verschärft wurde, so daß die Bevölkerungszahl
bis zur türkischen Eroberung ziemlich konstant blieb. Zwar mußte Leon VI. (886- 912) neue
Gesetze zur Verhinderung der Grünlandbebauung erlassen3, aber alle städtischen Eingriffe
ereigneten sich dennoch innerhalb der theodosianischen Stadtmauer. Lewis Mumford
beschreibt dieses restriktive Gebilde als „eine Schale, in der der lebendige Anteil seines Wesens
Jahrhundert fürs Jahrhundert abnahm und seine Bewegungen immer mehr abgelenkt wurden"4.
Nach der Plünderung der Kreuzfahrer im Jahre 1204 wurde das Innere dieser Schale so
sehr zerstört, daß viele Monumente und sogar ganze Stadtviertel verschwanden. Ruy Gonzales
2 Marccel Restle, Istanbul. Reclam's Kunstführer, Stuttgart 1976, S. 19 hat diese Zahl nach den
Getreidelieferungen berechnet. Dagegen meint Ilber Ortayli, Osmanli Istanbul. In: Istanbul'un Dört Cagi, Yapi
Kredi Yayinlari, Istanbul 1996, S. 47, daß diese Zahl höchstens um 30C000 gelegen haben kann. Wenn man sich
allerdings das Bevölkerungswachstum Roms in der Antike vorstellt, ist denkbar, daß eine Weltstadt wie
Konstantinopel auch im Mittelalter eine halbe Million von Menschen beherbergen konnte und eine viel höhere
Einwohnerzahl als die zeitgenössischen, europäischen Städte hatte. 3 Marcel Restle, op. cit. S. 27. 4 Lewis Mumford, The City in History. Harvest/HBJ Books, U.S.A. 1961, S. 241.
de Clavijo, der am Anfang des 15. Jahrhundens die Stadt besuchte, schreibt, daß „die in ihrer
Jugend höchst gefeierte Stadt der Welt jetzt in Trümmern lag-5.
Als Sultan Fatih Mehmed im Jahre 1453 die Stadt in diesem Zustand eroberte, nahm er
sich gleich vor, sie zu rekonstruieren. Das vorhandene System mit den sich nicht einem
geometrischen Gesamtplan einordnenden, sondern sich nach den topographischen
Begebenheiten ausrichtenden Stadtvierteln war sehr vorteilhaft für den Übergang zum
osmanischem Konzept, das hauptsächlich auf der semi-autonomen Quartierstruktur der
islamischen Tradition beruhte. Während der Wiederbevölkerung wurde darauf geachtet, daß
ihre ethnische Vielfalt erhalten blieb. Der Sultan lud alle Kommunitäten ein, die während der
türkischen Belagerung die Stadt verlassen hatten, zurückzukommen und versprach, daß sie hier
gemäß ihrer eigenen Religion und Tradition weiterleben könnten6. So entstanden an den Ufern
des Marmara-Meeres armenisch-gregorianische und griechisch-orthodoxe Stadtviertel, ein Teil
der Griechen und die meisten Juden ließen sich am Goldenen Horn nieder, und die Muslime
lebten hauptsächlich im Inneren der historischen Halbinsel. Der achte Hügel Galata auf der
gegenüberliegenden Seite des Goldenen Horns war ab dem 13. Jahrhundert der Sitz einer
genuesischen Handelskolonie und wurde somit zum Wohnquartier der römisch- katholischen
Gemeinde. Die Quartiere waren also nach der religiösen Zugehörigkeit eingeteilt, um die freie
Ausübung der jeweiligen Religion innerhalb des Quartiers zu ermöglichen, was im Hinblick auf
die ganze Stadt zu einer architektonischen Vielfalt führte, die von der Zentralverwaltung nicht
vorausbestimmt werden konnte. Obwohl die osmanische Verwaltungseinstellung zentrali-
stischer war als die der anderen islamischen Staaten, war der Konsens zwischen den einzelnen
Kommunitäten und dem Staat ausschlaggebend für die Struktur der Stadt.
Den Treffpunkt aller städtischen Gruppen bildeten die großen Handelsbauten und Märkte.
Istanbul besaß in der osmanischen Zeit zwei große Handelszentren: Eines war das genuesiche
Stadtviertel Galata, dessen italienische Händler nach der Eroberung vom Sultan mit
Sonderrechten versehen wurden, damit die Handelstätigkeit ohne Verzögerung fortgesetzt
werden konnte. Als zweites Handelszentrum entwickelte sich auf der gegenüberliegenden Seite
des Goldenen Horns der traditionelle Bazar. Mit seinem Bau wurde schon in der Zeit des Sultans
Fatih Mehmed begonnen. Das Hauptmarktviertel wuchs nach und nach um einen Kern aus der
Fatih-Zeit zu einem großen, mit überwölbten und offenen Ladenstraßen versehenen Areal
zwischen der Hauptachse der Halbinsel und dem Goldenen Horn. Nach und nach wurde es mit
mehreren „Han" genannten Handelsbauten samt Innenhöfen und Werkstätten versehen. Solche
Bazare, die meisten von ihnen durch Osmanen erbaut, waren von Persien bis Nordafrika in der
ganzen islamischen Welt verbreitet. Es gibt viele Autoren, die heute die Shopping Malis als
verbaulichte Globalisierung interpretieren7. Bildeten dann die Bazare, die im Hinblick auf die
baulichen Eigenschaften wie das Wareangebot durchaus mit ihnen verglichen werden können,
5 Ruy Gonzales de Clavijo, To the Court of Timur at Samarcand A.D. 1403-6. C. R. Markham (Hrsg.), R R.
S. G., Burt Franklin, New York, S. 46. 6 Vgl. dazu Zeynep Aygen, Moscheen, Kirchen und Synagogen in der Türkei - Eine kleine
Architekturgeschichte des Glaubens. In: Das Altertum, Band 45, 1993, Harwood Academic Publishers, GB 1999,
S. 179-238. 7 Ein Beispiel aus Berlin: Jody K. Biehl, „Kampf um Tante Emma - Angriff der Shopping Mails". In: Zitty
22/1999, S. 14-19.
nicht auch eine Form der Globalisierung ? Wenn das stimmen sollte, wäre die Globalisierung
nicht erst ein Produkt des zwanzigten oder neunzehnten Jahrhunderts, sondern lediglich eine
industrialisierte und den zeitgenössischen Medien angepaßte Form. Umgekehrt: Wenn das nicht
stimmen sollte, weil die städtische Definition der Globalisierung nicht von dieser Erscheinung
allein abhängt, dann wären auch die Shopping Mails nicht unbedingt ein Markenzeichen der
Globalisierung.
Die Lage der erwähnten beiden großen Handelszentren wurde durch ihre Beziehungen zu
den Hauptarterien und zu den Häfen bestimmt und hat sich deshalb lange Zeit nicht geändert.
Die Häfen gehörten seit jeher zu den wichtigsten Bestandteilen der Stadt. Die beiden
ältesten, Prosphorianus und Neorion, befanden sich im Gebiet zwischen dem heutigen
Sirkeci-Bahnhof und der Moschee Yeni Cami, während der größte Hafen am Marmara-Meer,
der schon erwähnte Eleutherios, an der Mündung des Lykos-Baches lag, hauptsächlich zur
Getreidelieferung diente und infolgedessen mit zwei großen Getreidespeichern versehen
war8.Ab dem 13. Jahrhundert wurden hier die Gerber angesiedelt, die bis 1453 blieben. Der
Hafen wurde in der osmanischen Zeit zugeschüttet und unter dem Namen „Langa Bostanlari"
als Gemüsegärten benutzt, allerdings entstand dabei unweit von diesem Gelände wieder eine
Gerbersiedlung, aus der ab dem 19. Jahrhundert die Industrieachse an der Uferzone hervorgehen
sollte. Die byzantinische Werft am auch als Iulianos- oder Sophienhafen bekannten
Kontoskalion, wo sich heute das Stadtviertel Kadırga (Galeree) befindet, funktionierte bis zum
16. Jahrhundert als Schiffsbaustelle weiter, wie ihr Name noch heute andeutet. Die eigentlich
osmanische Werft wurde aus Gallipolli erst im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts nach
Istanbul verlegt und ließ sich in Kasimpascha am Goldenen Horn nieder, wo sie heute trotz der
Diskussion über ihre Privatisierung mit halber Kapazität immer noch als staatliche Institution
arbeitet.
Das Verwaltungszentrum befand sich bis zum 19. Jahrhundert unweit von Konstantias
Palastareal an der Spitze der historischen Peninsula. Auf den ehemaligen Foren entstanden die
großen Baukomplexe der islamischen Stiftungen: Auf dem Forum Konstantias wurde die Nur-u
Osmaniye Moschee, auf dem Theodosios-Forum der Beyazid-Komplex, am Philadelphion
Schehzade sowie um das Arkadios-Forum die Komplexe von Haseki und Cerrahpascha gebaut.
Sowohl die Foren als auch die Moscheekomplexe dienten als öffentliche Versammlungsplätze,
aber die Konzepte stimmten nicht überein. Dogan Kuban meint, daß „während das Forum in der
byzantinischen Stadt ein extrovertiertes Stadtleben repräsentiert, repräsentiert der
Moscheekomplex in der türkischislamischen Stadt ein introvertieres Stadtleben“9. Trotz dieses
Unterschiedes deutet die Benutzung der Foren sowie die Plazierung mancher wichtiger Bau-
komplexe an den repräsentativen Punkten der byzantinischen Stadt, wie im Falle des
Fatih-Ensembles an der Stelle der ehemaligen Apostelkirche, auf die Suche nach einer
Symbolik, die sich mit der Vergangenheit der Weltstadt identifiziert. Besonders das
8 Semavi Eyice, Tarih Icinde Istanbul ve Sehrin Gelismesi. In: Atatürk Konferamslari, Türk Tarih Kurumu
Basimevi, Ankara 1975, S. 97 ff. Auch Wolfgang Müller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbul's. Emst
Wasmuth Verlag, Tübingen 1977, S. 57-63.
9 Dogan Kuban, istanbul'un Tarihi Yapisinin Genel Özellikleri. In: Şehircilik Enstitüsü Dergisi 1/1971.,
İTÜ, istanbul 1971, S. 21.
multi-kulturelle und multi-ethnische, nach Europa hin orientierte Konzept von Mehmed Fatih,
das in seinen verschiedenen politischen Tätigkeiten zum Ausdruck kommt, machte sich auch in
der Gestaltung seiner Hauptstadt bemerkbar und beeinflußte sogar die Politik seiner Nachfolger,
ja generell des osmanischen Reiches.
Die Schale, in der die Stadt durch die byzantinische Periode hindurch gefangen war,
zersplitterte zwar in der osmanischen Zeit, wurde aber bis zum 19. Jahrhundert nicht ganz
zerstört. Die Einwohnerzahl im 16. Jahrhundert lag analog zu den Einschätzungen für die
byzantinische Periode zwischen 300 000 und 700 00010. Die Vororte oder Sattelitenstädte
Galata, Üsküdar (Skutari) und Kadiköy (Chalkedon) bewahrten lange ihren unabhängigen
Charakter. Zum Beispiel bezeichnet Evliya Celebi im 17. Jahrhundert Üsküdar und Galata als
„Städte“, also für selbstständig gegenüber Istanbul11. Eine in der osmanischen Zeit entstandene
Sattelitenstadt war Eyüp: Nach der Eroberung Istanbuls wurde dem
Scheich Akschemseddin im Traum die Stelle des Grabes des Prophetengefährten Abu Eyub
al-Ansari offenbart, an dieser Stelle außerhalb der Stadtmauer wurden im Jahre 1458 ein
Mausoleum und eine Moschee errichtet, die bald von Häusern umringt wurden. Die
Erschließung aller Sattelitenstädte geschah hauptsächlich durch den Wasserweg, wo die Küste
für Landestellen ungünstig war, gab es lange Zeit keine städtische Entwicklung oder, wie im
Falle des Bosporus dienten solche Gebiete lediglich der Sommerfrische.
Die neue Macht Verteilung in Europa machte sich ab dem 18. Jahrhundert auch in der
Hauptstadt des osmanischen Reiches bemerkbar. Celebi Mehmed Efendi, der osmanische
Botschafter im Paris des Jahres 1720, brachte bei seiner Rückkehr die Zeichnungen der Paläste
und Gärten von Versailles und Fontaineblau mit. Die Kioske und die Wasserspiele, die er so
lebhaft darstellte, wurden in Kagithane, ausserhalb der Stadtmauer, in der Nähe des Goldenen
Horns nachgebaut. Das Gespräch zwischen dem osmanischen Großwesir Ibrahim Pascha und
dem französischen Botschafter Marquise de Villeneuve im Jahre 1728, in dem der Großwesir
den Botschafter stolz auf die Ähnlichkeit seiner Kagithane-Gärten mit den Versailles-Gärten
aufmerksam machte12, deutet darauf hin, daß im Gegensatz zu ihren Vorgängern die neue Elite
der sogenannten „Tulpenperiode" Europa langsam als Vorbild zu sehen begann. Nach Maurice
M. Cerasi wurden die neuen, aus Europa importierten Barock- und Rokokoformen von den
zeitgenössischen osmanischen Intelektuellen als Zeichen der Modernisierung, aber auch als
Verwahrlosung der traditionellen Kultur des Islams interpretiert 13 . Dabei muß freilich
hinzugefügt werden, daß es hier sich um zwei verschiedene Gruppen handelte: Während die
Traditionalisten, die Gelehrten aus den klassischen Me- drese-Hochschulkreisen, die
Europäisierung verpönten, standen zuerst einige aus dem Militäradel und später im 19.
Jahrhundert die neuen Intelektuellen, die in Europa Studien hatten, auf der Seite der
Europäisierung, die sie mit der Modernisierung assoziierten. Die ersten Ansätze, Europa
offiziell als fortschrittlich zu interpretieren und daraus Nutzen zu ziehen, gehen auf die Zeit des
10 Suraiya Faroqhi, Osmanili' da Kentler ve Kentliler. Tarih Vakfi. istanbul, 1994, S. 56. 11 Mehmed Zilli Oğlu Evliya Celebi, Seyahatname, Vol. II. Zuhuri Danisman Yayinevi, istanbul 1969, S. 169
und S. 171. 12 Mustafa Cezar, Sanatta Batiya Acilis ve Osman Hamdi. Türkiye Is Bankasi Kültür Yayinlari, Istanbul
1971, S. 4. 13 Maurice M. Cerasi, Osmanlilar.In: Cogito 19/99, Istanbul 1999, S. 208-209.
Sultans Mahmud I. (1730-1754) zurück, der den französischen Offizier Comte de Bonneval für
die Modernisierung der osmanischen Armee einsetzte. Die traditionalistischen Gruppen der
Janitscharen reagierten darauf mit städtischen Aufständen, so daß sich Istanbul vom Jahre 1720
bis zur Abschaffung der Janitscharen im Jahre 1826 zwischen dem für die neuen Intellektuellen
den Fortschritt repräsentierenden Okzident und dem für die religiösen Gelehrten die Tradition
repräsentierenden Orient eine neue Identität suchte. Dabei kann hinzugefügt werden, daß eine
ähnliche Tendenz und eine ähnliche gesellschaftliche Konstellation auch in der heutigen Stadt
zu konstatieren sind.
1826 markiert den Beginn einer neuen Ära für das osmanische Reich, deren reformerische
Ansätze vor allem auch das Gesicht seiner Hauptstadt veränder- ten. Im Gegensatz zu den
Interpretationen, die den Anfang des »längsten Jahrhunderts des Reiches", wie es von Ilber
Ortayli vortrefflicherweise bezeichnet wird14, im türkisch-englischen Handelsvertrag von 1838
oder im Jahre des Reformerlasses „Tanzimat" sehen, liegt meineserachtens der Ausgangspunkt
der „Europäisierung" von Istanbul in den Militärreformen, die 1826 in Gang kamen. Es ist
sicher kein Zufall, daß der Verfasser des ersten Flächennutzungsplanes von 1839 der zukünftige
preußische Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke war, der im Jahre 1835 von Friedrich
Wilhelm III. als Militärexperte nach Istanbul entsandt wurde, um dann neben seiner Tätigkeit
als Armeeinstrukteur mit topographischen Aufnahmen und der Reorganisation der Stadt
beauftragt zu werden. Es kam nicht nur in Istanbul vor, daß Militärtechniker oder auch
Polizisten für die Stadtplanung zuständig wurden. Am Anfang des 19. Jahrhunderts war der
Polizeipräsident an den Planungen für die bauliche Entwicklung Berlins zu unterschiedlichen
Zeiten im unterschiedlichen Umfang beteiligt, wie H. Piz u. a. es im Detail beschreiben15. Schon
die Polizeiberichte im Frankreich des 18. Jahrhundens beschäftigen sich in beträchtlichem
Umfang mit Städtebau und Architektur'16. Im Vergleich mit der Polizei erscheint das Militär auf
der städtebaulichen Szene Europas seltener, dennoch wurden die Entwürfe für den Wiederauf-
bau mancher Städte, wie Ratzeburg in Deutschland, von Militärtechnikern verwirklicht17.
Zu dieser Zeit gab es in der osmanischen Verwaltungsstruktur kein Äquivalent für die
Polizei in Europa. Für die städtebaulichen Belange, die in anderen islamischen Ländern zur
Kompetenz des „Muhtesib"s gehörten, dessen Aufgaben mit denen der zeitgenössischen Polizei
in Europa vergleichbar waren, war in osmanischen Städten zuerst der Richter (Kadi) zuständig,
der in den muslimischen Stadtvierteln durch den Imam und in den nicht-muslimischen
Stadtvierteln durch die Priester und Rabbis vertreten wurde; später wurde zusätzlich das Amt
des „Stadtarchitekten" eingeführt. Dazu muß angemerkt werden, daß sowohl die Muhtesibs in
den anderen islamischen Ländern, als auch die Stadtarchitekten im osmanischen Reich, die
dessen Oberarchitekten unterstellt waren, wie auch die Kadis nur für die Bauqualität und für die
Kontrolle der Zunft der Bauleute verantwortlich waren18. Die autonome Struktur der einzelnen
14 Ilber Ortayli, imparatorluğun En Uzun Yüzyili. Hil Yayin, Istanbul 1983. 15 Helge Pitz, Wolfgang Hofmann, Jürgen Tomisch, Berlin W. - Geschichte und Schiksal einer Stadtmitte,
Band I. Siedler Verlag, Berlin 1984, S. 57ff. 16 Paul Rabinow, Interview mit Michel Foucault. Skyline, März 1986. 17 Planstädie der Neuzeit, Ausstellungskatalog. Badisches Landesmuseum, Karlsruhe 1990, S. 356. 18 Cengiz Orhonlu, Osmanli imparatorluğunda Şehircilik ve Ulasim Üzerine Arastirmalar. Ege Üniversitesi
Edebiyat Fakültesi, izmir 1984.
Quartiere erlaubte keine Gesamtplanung oder Eingriffe in die selbstständigen Stadtviertel, und
als der Sultan nach seinem Sieg über die Aufständischen seine Hauptstadt neu gestalten wollte,
suchte er seinen Ansprechspartner sicher nicht in seinem in dieser Hinsicht unerfahrenen
Oberarchitekten, sondern in einem europäischen Offizier, der sich mit einem strategischen
Eingriff in die Stadt auskannte. Einerseits ist die Neuplanung der traditionellen Stadtviertel in
Istanbul als ein Vorreiter der späteren Eingriffe in die städtebauliche Struktur der europäischen
Städte anzusehen. Andererseits muß man im Falle von Istanbul in Betracht ziehen, daß die so-
ziale Konstellation hier sowohl die in Europa dominierende Privatinitiative als auch die
städtischen Revolutionäre entbehrte. Die aufständischen Gruppen in Istanbul bestanden
hauptsächlich aus den Angehörigen der Janitscharen-Truppen und einem Teil der
traditionalistischen Gelehrten, die sich von den modernistischen Entwicklungen bedroht fühlten
und ihre Position verteidigen wollten. Die selbstständigen Stadtviertel mit ihren engen
Sackgassen konnten ihnen gute Zu- fluchtsmöglichkeien bieten, so daß von Moltke die
Sackgassen in seinem Plan total abschaffte. Wie er sich in seinen Briefen selbst dazu äußert,
dachte er dabei zwar auch an die fehlende Infrastruktur, hygenische Verhältnisse und ständige
Brandgefahr, aber die eigentliche, nämlich strategische Motivation der Haussmanisierung, die
ab 1850 die Struktur der europäischen Städte verändern würde, wurde zwanzig Jahre vor
Hausman schon von von Moltke eingestanden:
„Die äußeren Glieder des einst so mächtigen Staatskörpers sind abgestorben, das ganze
Leben hat sich auf das Herz zurückgezogen, und ein Aufruhr in den Straßen der Hauptstadt kann
das Leichengefolge der osmanischen Monarchie werden. Die Zukunft wird zeigen, ob ein Staat
mitten in seinem Sturz einhalten und sich organisch erneuern kann oder ob dem
mohammedanisch- osmanischen Reiche wie dem christlich-byzantinischen das Schiksal
bestimmt ist, an seiner fiskalischen Verwaltung zu Grunde zu gehen.“19
Diese Einschätzung fand auch bei den osmanischen Behörden Anklang, so daß in einem
Bericht des nach 1855 gegründeten Stadtrats die folgende Kritik geäußert wurde: „In Istanbul
den Polizeidienst verwirklichen zu wollen ist ähnlich dem Vorhaben, über einen großen Wald
die Kontrolle zu gewinnen.“20
Von Moltke's Hauptarterien, die mit dem Verlauf der Hauptschlagadern der
byzantinischen Stadt übereinstimmten, sollten eine Breite von 15,2 m betragen, alle anderen
Straßen sollten entweder 11,5 m oder 9,2 m breit sein21'. Die traditionelle Mindestbreite im
Islam, für die zwei beladenen Tiere maßgebend waren, betrug ungefähr 5,3 m22, aber in
Wirklichkeit wurden sie mit der Zeit in den meisten islamischen Städten, wie auch in Istanbul,
verbaut, und dadurch waren sie noch enger geworden. Solange einer der Bezirksbewohner
keinen Einwand erhob, gab es keinen Grund für den Kadi oder seinen Vertreter, den Imam, sich
einzumischen. So betrug sogar die Breite der Hauptachse Divanyolu zur Zeit der Planung der
städtischen Maßnahmen nach dem neuen Konzept höchstens 6 m, während die Verordnung von
19 Helmuth von Moltke, Unter dem Halbmond - Erlebnisse in der alten Türkei 1835- 1839. Edition Erdmann,
2. Auflage, Tübingen 1981, S. 96. Belediyesi, Istanbul 1995, S. 202 beträgt diese Breite nach dem traditionellen
Maßsystem 7 arsin, was ungefähr 5,3 m ausmacht. 20 Zeynep Celik, Degisen Istanbul. Tarih Vakfi, Istanbul 1996, S. 47. 21 ibd S. 85. 22 Nach Osman Nun Ergin, Mecelle-i Umur-i Belediyye, Band I, Istanbul Büyüksehir
1848 als Mindestbreite für Gassen 7,6 m vorsah23. Eine umfangreiche Reorganisation der
Straßenstruktur, wie sie von Moltke vorschlug, fand bald Echo in der neuen Gesetzgebung, die
ab 1840 eine Reihe von Verwaltungmaßnahmen für städtebauliche Angelegenheiten nach
europäischen Prinzipien schuf, zu denen auch die oben genannte Verordnung von 1848 gehört.
Allerdings entstanden dadurch kulturell bedingte Konfliktsituationen mit der überwiegend
muslimischen Bevölkerung der Stadt, die sich besonders mit den vorgesehenen Enteignungen
nicht abfinden konnte, weil Enteignungen ohne die Zustimmung der Betroffenen nach der
islamischen Sharia verboten waren. Die Ausnahme bildeten nur die öffentlichen
Versammlungsplätze, selbst da war es aber gar nicht einfach zu enteignen. Obwohl die
osmanische Gesetzgebung im Vergleich zu den arabischen Verwaltungskonzepten
zentralistischer war und es bei repräsentativen Zentren wie der Blauen Moschee zu
Zwangsenteignungen kommen konnte, mischte sie sich in den Privatbereich der Wohnquartiere
möglichst nicht ein. So wurden die städtebaulichen Reformen der Tanzimat-Periode von den
Anhängern der islamischen Traditionalisten über das ganze 19. Jahrhundert hinweg stark
kritisiert, und ihre Kritik war an der Schwelle des 20. Jahrhundert immer noch nicht verstummt,
so daß z. B. der Architekt Mazhar bey meinte: „Die von Paris insprierte Neuplanung des
Stadtviertels Aksaray mit geradlinigen Arterien ist eine Folge der heuchlerischen,
vaterlandslosen Tanzimat- Seele...«.24
Das Jahr 1839, in dem von Moltke seinen Flächennutzungsplan präsentierte, war zugleich
das Jahr des Erlasses „Gülhane Hatti Hümayunu", in dem Sultan Abdülmecit die Reformen
seines Vorgängers Mahmud II. mit Hilfe des Reformers Mustafa Reschid Pascha in Kraft setzte.
Die ersten offiziellen Reformen sind unter dem Namen „Tanzimat" bekannt geworden, die
Redewendung kommt von „Tanzim-Organisation" und gab dieser Periode in der türkischen
Geschichte, die der oben erwähnte Mazhar Bey ein halbes Jahrhundert später noch kritisierte,
ihren Namen. Diese Reformen umfaßten ganze Bereiche von Wirtschaft, Ackerbau,
Militärwesen und Politik. Auf ihrem Gebiet kam es u. a. zur Veränderung der
Verwaltungsstrukturen in den Städten, was sich zuerst in der Hauptstadt Istanbul bemerkbar
machte. So wurde zunächst im Jahre 1855 analog zur französichen „Prifecture de la Ville" die
Stadtbehörde „Schehremaneti" gegründet, wodurch das dezentralisierte System unter der
Verantwortung der religiösen Gemeindeführer in den einzelnen Stadtvierteln zentralisiert und
der Obhut der Schehremaneti anvertraut wurde. Kurz danach wurde eine Kommision mit der
Sanierung der Stadt beauftragt, die aus den in Istanbul lebenden Europäern und aus den »mit der
europäischen Lebensweise vertrauten Osmanen“ zusammengestellt wurde. Ein Jahr davor hatte
ein Brand das Stadtviertel Aksaray zerstört, was der neuen Stadtbehörde die Konflikte wegen
einer eventuellen Enteignung ersparte, so daß der italienische Ingenieur Luigi Storiari mit der
geradlinigen Neuplanung von Aksaray beauftragt wurde. In Istanbul, in der die Wohngebiete
überwiegend aus Holzhäuser bestanden, fehlte es nicht an Bränden, so daß nach ihnen, wie es
zum Beispiel bei dem großen Brand von 1865 der Fall war, die neuen Bebauungspläne für die
23 Stefan Yerasimos, Tanzimat'in Kent Reformlari Üzerine. Paul Dumont, Francois Georgeon (Hrsg.),
Modernleşme Sürecinde Osmanli Kentleri, Tarih Vakfi, Istanbul 1996, S. 1. 24 Zeynep Çelik, op.cit., S. 46. 1997, S. 34.
betroffenen Wohnquartiere enstanden. Dabei waren die wichstigten Kriterien die Benutzung
eines geradlinigen Rastersystems sowie die Einführung der Zigelbauweise anstelle der
traditionellen Holzhäuser, um neue Brände zu verhindern. Es war gar nicht einfach, die
Betroffenen, die jahrhundertelang über die Struktur ihrer Stadtviertel selbst bestimmt hatten,
von den von einer zentralistischen Stadtverwaltung diktierten Parzellen zu überzeugen. Der
Staat mußte sich rechtfertigen und begründete die neuen Maßnahmen durch eine Neudefinition
der Aufgaben des Staates aufgrund einiger uminterpretierter islamischer Prinzipien25.
Die Reformen bewirkten auch die Auflösung der staatlichen Stiftungsgüter aus der
islamischen Tradition. Durch ihren Verkauf an Privatpersonen enstanden am Stadtrand große
Bauernhöfe, die im nächsten Jahrhundert das freie Gelände für die zukünftigen Wohnsiedlungen
anbieten sollten. Hiermit gingen auch die sozialen Dienstleistungen wie der Bau der
Krankenhäuser, Armenküchen, Schulen und Studentenherbergen, die bisher von den religiösen
Stiftungen der Gemeinden in den einzelnen Quartieren betrieben wurden, nach und nach an die
staatlichen Behörden der Stadt über. Die ersten städtischen Krankenhäuser entstanden im
Viertel Pera-Galata, das schon im Jahre 1857 zum Pilotviertel erklärt worden war. In diesem
Jahr wurde Istanbul in 14 Verwaltungseinheiten aufgeteilt, allerdings existierten sie mit der
Ausnahme von Pera-Galata lediglich auf dem Papier, weil ihnen sowohl die
Eigenfinanzierungsmöglichkeiten als auch die Erfahrung fehlte. Erst nach der Einführung der
Steuereinnahmen für kommunale Behörden und der Gründung der städtischen Infrastruktur
durch öffentliche Mittel begannen die Verwaltungseinheiten effektiver zu arbeiten. Parallel zu
Paris wurde ihre Zahl im Jahr 1877 von 14 auf 20 erhöht. Bis zu diesem Jahr bewahrte Per seine
Sonderstellung als Musterquartier.
Per war die nördliche Erweiterung des ehemaligen genuesischen Handelsviertels Galata.
Nach der Einfuhr ausländischen Kapitals ins osmanische Reich wuchs das mit europäischen
Sprachen und Sitten vertraute Galata zum Finanz- und Handelszentrum Istanbuls, voll mit
Banken, internationalen Firmenvertretungen und Versicherungsgesellschaften. Die neuen
Bankiers und Vertreter der europäischen Firmen, die dieses Kapital mitkontrollierten, bauten
nördlich von Galata ihre Villen und Etagenwohnungen nach europäischem, besonders
französichern Vorbild. Bald öffnete das Kaufhaus Bon-Marché an der Hauptachse dieses neu
entstandenen Nobelviertels Pera seine Türen für die ersten Konsumenten, und es dauerte nicht
lange, bis der Hügel von Pera durch eine Seilbahn mit dem Hafen Karaköy verbunden wurde.
Die Seilbahn wurde in Privatinitiative überwiegend durch englisches Kapital finanziert, die
Firma hieß „The Metropolitan Railway of Constantinople from Galata to Pera". Nach der
englischsprachigen Istanbuler Zeitung „The Levant Herald" spielte die Kapelle bei der Eröff-
nunszeremonie im Januar des Jahres 1875 sowohl die türkische Nationalhymnee als auch „God
save the Queen", und der Firmenvertreter hob sein Glas zur Ehre aller europäsicher Monarchen,
25 Stefan Yerasimos zitiert nach Ergin die Feuerbekampfungsverordnung vom 14 September 1826: „Obwohl
es klar und deutlich heißt, daß das von dem Allermächtigsten Bestimmte ohne jegliche Verzögerung stattfindet, ist
es eine menschliche Gewohnheit, in dieser Welt der Notwendigkeiten nach manchen lindernden Lösungen zu
suchen..."; op. eil. S. 16.
„die sich im Namen der Zivilisation und des Fortschrittes für die Verwirklichung dieses Projekts
eingesetzt hatten"26.
Die Große Straße (Cadde-i Kebir) von Pera endete am Taksim-Platz. Dadurch wurde
dieses Gelände zu einem strategischen Schwerpunkt der Stadt. Die Kaserne der neuen Armee,
die Wasserverteilungsstation als eine der ersten infrastrukturellen Leistungen der Stadt, die auch
dem Platz ihren Namen gab, und der erste öffentliche Park, der hier entstand, verliehen Taksim
seinen Charakter als ein neues städtisches Zentrum. Bis in die 1860er Jahre befanden sich hier
die christlichen Friedhöfe, die mit dem Bau des Boulevards nach Pangalti in den Bezirk
Schischli verlegt wurden. Pangalti entwickelte sich zum wichtigen Erschließungsgebiet, weil
der Umzug des Palastes von der historischen Halbinsel nach Dolmabahce in der Nähe des
kosmopolitischen Stadtviertels Pera zur Folge hatte, daß der Adel, der in der Nähe des Sultans
sein wollte, sich an den Hängen hinter dem Palast niederließ. Es enstand dadurch ein
prominentes Dreieck zwischen dem Taksim-Platz, dem Dolmabahce-Palast und
Pangalti-Harbiye, das zum Inbegriff des Traums der Moderne wurde, wie ihn der Autor Peyami
Safa in seinem Roman „Fatih-Harbiye" darstellt. „Fatih-Harbiye" ist die Straßenbahnlinie
zwischen dem traditionellen Stadtviertel Fatih auf der historischen Halbinsel mit seinen
verwahrlosten Holzhäusern und den Kasernen in Harbiye und Machka, umringt von den
Luxusvillen von Nisantaschi: Die Straßenbahn pendelt zwischen zwei Welten.27
Die Kasernen und Ingenieurschulen, die die neue, moderne Armee verkörperten, waren
die Symbole der Europäisierung. Sie symbolisierten das Ende einer Ära, die wegen der
städtischen Unruhen, aufständischen Janitscharen und dem ihnen folgenden Pöbel für den Staat
wie das Kapital ständige Drohung und Unruhe bedeutet hatte.
So wurden die Luxushäuser des neuen Dreiecks gerne von den Militärbauten umringt. Die
modernisierte Armee bedeutete ihnen nicht nur Sicherheit, sondern stellte ihren Bezug zum
Westen, zum fortschrittlichen Europa her. Das europäisierte Militär repräsentierte den Import
westlichen Wissens: Im osmanischen Reich, das einmal so renommierte Kartographen wie Piri
Reis besessen hatte, wurde das erste Buch über die Grundlagen der Geographie nach einer Pause
von zweihundert Jahren in der Druckerei der Militärschule für Ingenieurwesen gedruckt28. In
allen Bereichen der Wissenschaft wie Medizin, Maschinenbau und Naturwissenschaften
wurden die jungen Experten durch ausländische, hauptsächlich französische Offiziere in den
Militärschulen ausgebildet. Zu den Unterrichtsbereichen gehörten auch Städtebau und
Architektur. Traditionell wurden die staatlichen Bauafträge innerhalb des osmanischen Reiches,
einschließlich der für das Militärwesen nötigen Brücken und Straßen, von den königlichen
„hassa" Architekten durchgeführt. Zu den ersten Modernisierungsversuchen ab der Mitte des
18. Jahrhunderts gehörte auch die Reorganisierung dieser Institution, so daß die Ausbildung der
Architekten mit einem Erlaß von 1801 der im Jahre 1795 für die Ausbildung der
Militärtechniker gegründeten Ingenieurschule anvertraut wurde. Das ganze 19. Jahrhunden
hindurch gab es an dieser Hochschule zwar Vorlesungen über Architektur, aber nie eine eigene
Abteilung; es wurden eigentlich Bauingenieure ausgebildet. Die erste Architekturschule im
26 The Levant Herald, 18 Januar 1875, nach Oberling, The Istanbul Tünel, Archivum Ottomanicum 4, 1972,
S. 217-63, op. cit. Z. Celik. 27 Peyami Safa, Fatih-Harbiye. Ötüken Yayinevi, Istanbul 1968. 28 Roderick H. Davison, Osmanli Imparatorlugu'nda Reform, Band I. Papirüs, Istanbul
westlichen Sinne entstand erst mit der Gründung der Akademie der Schönen Künste „Sanayi-i
Nefise Mektebi" im Jahre 188329.
In der Architektur herrschte eine pluralistische Sprache: Unter den neuen Intellektuellen
entwickelte sich eine ästhetische Diskussion über die Frage, aufgrund welcher Stilelemente die
osmanische Architektur definiert werden sollte. Während die Mitglieder der armenischen
Hofarchitektenfamilie Balyan die Lösung in einer Mischung von neoklassischen und
klassischen Elementen sahen, fanden manche Intellektuelle in der gleichfalls aus Europa
importierten „orientalistischen" Architektur den Ausdruck des Osmanismus. Bald füllte sich
Istanbul mit Bauten, die diese Richtungen und manchmal beide zusammen vertraten. Zu ihnen
gesellte sich am Ende des Jahrhunderts der Jugendstil, der besonders in den neuen
Sommerresidenzen am Bosporus und auf der asiatischen Seite sehr populär wurde.
Der Begriff der Sommerfrische existierte in Istanbul zwar ab dem 16. Jahrhundert, aber
mit den durch die Einfuhr des ausländischen Kapitals entstandenen neuen sozialen Klassen
veränderte sich sein Konzept. Während in der traditionellen, vom Islam bestimmten Einteilung
Arm und Reich im selben Stadtviertel zusammenlebten, entstand im Verlauf des 19.
Jahrhundens eine Hierarchie zwischen den einzelnen Quartieren. Die Elite zwischen
Nischantaschi und Pera baute jetzt Sommerhäuser auf den Prinzeninseln, auf den Hügeln der
asiatischen Seite wie Camlica und Kisikli und an bestimmten Knotenpunkten der historischen
Chausee nach Bagdad sowie in Yesilköy am Marmara-Meer. Die reichen Gelehrten der
islamischen Elite zogen einer nach dem anderen zum Bosporus um und bauten dort große
Häuser, die sie über das ganze Jahr zu benutzen begannen. Bald gesellten sich zu ihnen auch die
reichen christlichen Händler, die sich vor allem in den griechischen Dörfern an der europäischen
Seite des Wasserpasses niederließen. Der Bosporus verwandelte sich von der Sommerfrische
zum permanenten Wohnsitz derer, die die Vorteile der frischen Luft und des Grüns genießen
wollten, im Gegensatz zu denen, die in der überfüllten Stadt lebten. Die Kriterien des Umzugs
waren vergleichbar mit den Werbeslogans vom Leben im Grünen am Ende des 20. Jahrhunderts.
Die Entwicklung der neuen Wohngegenden wurde durch die neuen Verkehr-
serschließungen unterstützt. Schon die ab 1860 eingeführte Straßenbahn machte viel aus, aber
mit den Eisenbahnverbindungen ab 1874-1875 florierten zuerst am Marmara-Meer Yeschilköy
und Makriköy und später auf der asiatischen Seite Göztepe, Erenköy und Bostanci. Die
Eisenbahngesellschaft war im Privatbesitz von Baron Hirsch, und es gab nicht nur
innenstädtische Verbindungen, sondern man konnte mit der Eisenbahn von Istanbul bis nach
Sofia reisen. Mit der Idee des Orient-Expresses wurde auch ein größeres, repräsentatives
Bahnhofsgebäude nötig, das von dem deutschen Architekten Jachmund im Jahre 1889 vollendet
wurde. Der Stil war „orientalistisch", überwiegend aus marokkanischen Elementen bestehend,
und paßte im Kopf Jachmunds sicher gut als Endstation des Orient-Expresses.
Bald folgte auch ein repräsentatives Bahnhofsgebäude auf der asiatisischen Seite; nach
dem Abriß des alten Bahnhofs in Haydarpascha bauten hier Otto Richter und Helmuth Cuno ein
preußisches Bahnhofsgebäude, sehr ähnlich dem Eisenbahnsdirektionsgebäude in Berlin. Die
29 Mustafa Cezar, op. cit. S. 25-66.
Bagdad-Bahn war im Gespräch, und das deutsche Kapital trat in Istanbul nicht nur hinter
geschlossenen Türen auf, sondern auch öffentlich.
Die Eisenbahnlinie am Marmara-Meer brachte die Erholungsorte näher an die Stadt heran,
schuf aber auch eine Transportmöglichkeit für die neuen Industriviertel außerhalb der
Stadtmauer. Die ersten Fabrikgebäuden entstanden in dem traditionellen Gcrberviertel, zum
Westen hin wurden der Reihe nach eine Maschinenfabrik, eine Tuchmanufaktur und weiter
westlich zum Makriköy hin eine Pulvermühle gebaut. Harald Standl schreibt in seinem Werk
„Der Industrieraum Istanbul", daß diese Uferzone, obwohl damals recht unbedeutend, eine
wichtige Keimzelle für jenen industrieräumlichen Verdichtungsprozeß darstellt, der nach dem
zweiten Weltkrieg einsetzte 30 . Bereits überzogen mit industriellen Anlagen waren die
Uferzonen des Goldnenen Horns. An seiner Mündung zum Marmara-Meer hin steht noch heute
die Werft Camialti, die hier seit fast 500 Jahren ihren Platz verteidigt. Weiter erstreckten sich
zum Nordwesten hin Mühlen und Gießereien, zu denen sich nach einer Weile das Schlachthaus
in Sütlüce gesellte. Auf der gegenüberliegenden Küste, am heiligen Zentrum Eyüp hatten sich
die Töpfer niedergelassen. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde im benachbarten Defterdar eine
Fez-31 und Garnfabrik gegründet. Kurz danach wurde in Cibali, gegenüber der Werft eine
Zigarettenfabrik gebaut. Beiderseits war die Meerenge auch mit neuen Kasernen und mit einer
Ingenieurschule versehen, aber es waren nicht sie, die zum Prestigeverlust beigetragen haben,
wie manche Autoren meinen. Wenn das der Fall wäre, hätte sich das
Taksim-Harbiye-Nischantaschi- Dreieck nicht zum neuen Luxusviertel entwickelt. Der
Prestigeverlust der Gegend am Goldenen Horn hatte andere Gründe: Die erste Ursache ist der
Umzug der reichen Bewohner der traditionellen, christlichen und jüdischen Wohnviertel, wie
Fener oder Balat, die infolge der neu entstandenen Dualität in der Stadtstruktur in die
Prestigegebiete umsiedelten. Hinzu kam die Verdichtung der Industrie, so daß die verwahrlosten
Herrschaftsbauten in diesen Vierteln sich über die Zeit in Mietshäuser für Arbeiter
verwandelten. Diese Periode in der Geschichte des osmanischen Reiches wird nicht nur durch
Reformen und Europäisierung, sondern auch durch große Territorialverluste und
außenpolitische Probleme gekennzeichnet. Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts kamen nach
Istanbul fast jeden Tag Hunderte von Immigranten aus den Balkanländern, und Anatolien litt
unter einer der größten Hungersnöte in seiner Geschichte. Im Jahre 1875 hatte sich die
osmanische Staatskasse, die ihre Schulden an Europa nicht mehr zurückzahlen konnte, offiziell
bankrott erklärt. Diese Entwicklung endete mit der Gründung der „Duyun-u Umumiye", einer
Vollstreckungsinstitution, um europäische Investitionen zu retten, so daß alle staatlichen
Einnahmen des osmanischen Reiches ihrer Kontrolle oblagen. In Anbetracht dieser Umstände
ist es nicht schwer, sich die Armut in den neuen Armenvierteln am Goldenen Horn wie Balat
und Hasköy vorzustellen. Mit dem Balkankrieg und dem Ersten Weltkrieg verschlimmerte sich
die Lage zusätzlich, und der Verfall erstreckte sich bis zu den traditonellen Wohngebieten der
historischen Halbinsel sowie zu den neuen Wohnvierteln der Mittelklasse wie zum Beispiel
30 Harald Standl, Der Industrieraum Istanbul. Bamberger Geographische Schriften, Fach Geographie an der
Universität Bamberg im Selbstverlag, Bamberg 1994, S. 12. 31 Eine traditionelle Kopfbedeckung des späten 19. bis frühen 20. Jahrhunderts.
Kurtulusch in der Nähe des prominenten Dreiecks. Diese städtische Armut in den 1920'er Jahren
wird in der Studie einer amerikanischen Forschungsruppe unter der Leitung von C. R. Johnson
ausführlich beschrieben32.
In dieser Zeit wuchs die Stadt weiter zum Norden hin. Die Erweiterung der
Taksim-Pangalti-Achse schuf Schischli. Am Hang westlich von ihr entstand im Umkreis der im
Jahre 1891 gegründeten Bierbrauerei Bomonti der Keim einer der wichtigsten Industriezonen
der 50er Jahre. Da Muslime in einer Fabrik, die ein alkoholisches Getränk erzeugte, nicht
arbeiten wollten, waren die Arbeiter alle Christen, vor allem Armenier, die infolge des Ersten
Weltkrieges und der darauffolgenden Revolution in Rußland nach Istanbul flüchteten. Sie ließen
sich in der Nähe der Fabrik nieder, wodurch Kurtulusch sich entwickelte und das Quartier
Feriköy entstand, das heute noch mit seinen vielen Kirchen und Gemeindeschulen an die
traditionelle, nach religiösen Gesichtspunkten unterteilte Stadt erinnert.
Zwischen den Jahren 1920-1950 ist in der Stadt Istanbul kein beträchtliches Wachstum
erkennbar. Die Verlegung des Regierungssitzes nach Ankara seit der Gründung der Republik
und die Förderung der Industrie in Anatolien hatten zur Folge, daß in Istanbul keine staatlichen
Investitionen mehr vorgenommen wurden; der Stadt fehlten verwalterische wie industrielle
Funktionen. Sowohl aus diesem Grund als auch wegen des Fehlens der Erschließungsstraßen
zum Umland kam Istanbuls Entwicklung zum Stillstand, der noch von der Stagnation infolge
des Zweiten Weltkrieges unterstützt wurde. Außer den Fabrikanlagen des späten 19.
Jahrhunderts waren die Innenstadt auf der historischen Halbinsel und die beiden Ufer des
Goldnenen Horns dicht besiedelt mit kleinen und mittleren Werkstätten, die noch mit
traditionellen Methoden, zum Teil aber auch mit modernen Maschinen Konsumartikel wie
Kleidung oder Haushaltsartikel herstellten. Die traditionellen Wohngebiete um sie waren noch
dicht besiedelt. Am Goldenen Horn konzentrierte sich die Industrie an der Uferzone, und es gab
auch größere Betriebe wie Möbel- oder Chemikalienhersteller. Um ein Beispiel von 1950 zu
geben, kann man folgende Betriebe am Ufer von Balat nennen: Textil- und Garnfabriken;
zwischen der Ziegelwerkstatt und der Fabrik für die Herstellung von Holzspanplatten lag noch
eine Militärschule, weiter der Chemikalienhersteller Kosta Zofranos, die Textilfabrik von
Chikvachvili; auf sie folgten Margarine-, Reifen-, Möbel- und Ölfarbenhersteller33. Die Arbeiter
wohnten in den benachbarten Wohnvierteln wie dem inneren Teil von Balat oder Eyüp. So war
die Situation auf der europäischen Seite in dieser Periode. Was die asiatische Seite angeht, wies
sie bis zu den 1950er Jahren eine sehr lose Struktur mit ein paar Konzentrationspunkten auf. Das
Bosporus-Ufer hatte mit den verwahrlosten Herrschaftshäusern der Vorkriegszeit und mit den
einzelnen Dörfern zwischen ihnen einen ziemlich ländlichen Charakter bewahrt, mit der
Ausnahme der beiden Fabrikzonen am Beykoz und Paschabahche zum Schwarzen Meer hin,
Üsküdar war ein Wohnviertel der Mittelklasse, und an der Küste entlang dem Marmara-Meer
entstanden als Erweiterung der Sommerfrische der Jahrhundertwende Sommervillen im
amerikanischen Stil der 40er Jahre.
32 C. R.Johnson, Istanbul 1920. Tarih Vakfi, Istanbul 1995.
33 Ilber Ortayli, Eyüp-Dün Bugün. Tarih Vakfi, Istanbul 1994, S. 128-129.
Ab 1930 wurden verschiedene europäische Planer wie der Franzose Henri Prost oder
später der Deutsche Hans Högg und der Italiener Luigi Piccinato beauftragt, Entwürfe für
Istanbul vorzulegen. Der erste Bebauungsplan wurde von Prost im Jahre 1938 entwickelt, in
dem die schon bestehende Industrie am Goldenen Horn gefördert wurde, sie sollte sich zum
Norden, zum oberen Teil hin entwickeln. Als zweite Industriezone wurde der Gürtel außerhalb
der Landmauer vorgesehen Als die Planung in den späten 40er Jahren so weit war, daß sie in
Kraft gesetzt werden konnte, war sie schon seit langem überholt. Die Entwicklung am Goldenen
Horn blieb nicht am oberen Ende stehen, sondern hatte sich zu den einstigen, nach
französischem Vorbild gebauten Kagithane-Gärten ausgedehnt, wo sich hauptsächlich die
Chemie-Industrie an den beiden, zum Goldenen Horn fließenden Bächen Kagithane und
Alibeyköy niederließ. Das Land zwischen dieser neuen Industriezone und Schischli wies bereits
Arbeiterwohngebiete mit illegal gebauten Häusern auf. Die Gürtelzone außerhalb der Mauer
wurde schon besiedelt und zwar nicht mit dem von Prost vorgesehenen Mindestabstand von 500
m vom historischen Denkmal, sondern dicht daran. Trotz der Verbote entwickelte sich die
Industrie und der illegale Wohnbau am Marmara-Meer, ausgehend von dem Gerberviertel. Die
Behörden versuchten, mit Bebauungsplänen und vor allem mit dem Flächennutzungsplan von
195534 diese rapide Entwicklung zu kontrollieren, aber unter diesen Umständen konnten sie
unmöglich Erfolg haben: In den 50er Jahren fand eine politische Umstrukturierung statt, die
Industrie wurde von Anatolien in die Großstädte, vor allem nach Istanbul verlagert, die Stadt
wurde zum Hauptziel der Innenimmigration, die vor allem ein außerordentlich räumliches
Wachstum verursachte. Die Industrialisierung förderte die Entwicklung der Mittelschicht aus
der Jahrhundertwende, was die räumlich-soziale Differenzierung verstärkte. Dabei muß
beachtet werden, daß die allgemeine These für die zweite Phase der Verstädterung, daß die
Zuwanderer sich am Stadtrand niederlassen, während die sozial höher gestellte, altstädtische
Bevölkerung in der Innenstadt verbleibt, für Istanbul nicht gültig ist. Die Ursache dafür ist die
Veränderung der sozialen Stadtstruktur aufgrund der Europäisierung, was die Oberklassen
schon in der ersten Phase zu den Neubaugebieten am Stadtrand trieb. Infolgedessen wurde die
halbleere Innenstadt schon am Anfang der Industrialisierung, aber zunehmend ab den 50er
Jahren von den Zuwanderern besiedelt. Auch am Stadtrand, wie in der Nähe der in der Stadt
gebliebenen Industriegebiete, gab es Zuwandererkonzentrationen, so daß die Immigranten zu
dieser Zeit eine eher punktuelle Verteilung im Gesamtstadtbild aufwiesen.
Ab den 50er Jahren ist eine rapide Zunahme der Industriebetriebe zu beobachten. Während
zwischen 1941-1950 in Istanbul 88 neue Betriebe eröffnet wurden, stieg diese Zahl zwischen
1951-1960 auf 279, und zwischen 1961-1968 kamen 163 weitere Betriebe hinzu35 . Der
Industrieflächenplan von 1966 versuchte dieses Wachstum zu kontrollieren und hatte vor, die
Innenstadt und das Goldene Horn mit Ausnahme des Werftareals von der Industrie zu befreien
und in Wohngebiete umzuwandeln. Dieses unrealistische Vorhaben wurde nie realisiert, die
genannten Gebiete waren zu diesem Zeitpunkt bereits zu dicht industrialisiert; im Jahre 1969
betrug die Anzahl der Betriebe am Goldenen Horn, die mindestens zehn Arbeitskräfte
34 Sanayi Bölgeleri Nazim Plani 1:10 000. Istanbul Belediyesi. Istanbul 1955.
35 Erol Tümertekin, Istanbul-insan ve Mekan. Tarih Vakfi, istanbul 1997, S. 41.
beschäftigten, 130 36 . Der Plan sah weiter vor, daß die Anzahl der Betriebe in
Kagithane-Alibeyköy konstant gehalten werden sollte, was gleichfalls unmöglich war. Diese
beiden Täler, die den Status autonomer Gemeinden am Stadtrand besaßen, kombinierten die
Vorteile des preiswerten Baugeländes mit der Nähe zur Stadt. Die Autonomie gewährte ihnen
Schutz vor den Massnahmen der Stadtbehörde Istanbuls. Nach einer Umfrage bei 171 Betrieben
in Kagithane wurden 39 von ihnen vor 1950 gegründet, zwischen 1961- 1969 kamen 61 weitere
Betriebe hinzu37. Auch das Areal um die Bierbrauerei Bomonti sowie die Gebiete außerhalb der
Landmauer waren zu diesem Zeitpunkt stark industrialisiert. Ähnlich günstige Bedingungen
galten für die neuen Industriegebiete in Güngören, Kücükcekmece und Halkali. In der Nähe der
Industrieanlagen wurden ab den 50er Jahren ungenehmigte Wohnungsbauten errichtet, ein
Hauptgebiet solch informeller Stadtentwicklung war das Viertel Zeytin- burnu-Osmaniye, das
von der Pferderennbahn am ehemaligen Makriköy - jetzt Bakirköy - zur Stadtmauer hin wuchs
und im Süden durch die neue Autostraße, im Norden von der Maltepe-Kaserne und im Osten
durch die Landmauer begrenzt wurde. Das Hauptkriterium des städtischen Wachstums zu dieser
Zeit war die Erschließungsmöglichkeit. Durch die staatliche Förderung der Automobilindustrie
und durch den Import ausländischen Kapitals in diesen Sektor gingen die Investitionen vom
Eisenbahnnetz auf den Bau von Autostraßen über, die den traditionellenWasserweg in Istanbul
ersetzten. So begannen sich auch auf der asiatischen Seite bei dem Stadtviertel Kartal, südlich
der neuen Straße nach der Hauptstadt Ankara, die ersten Ansätze der späteren industriellen
Verdichtung zu bilden. Auf der europäischen Seite wuchs die Taksim-Schischli-Achse zum
Norden hin, und in Levent und Etiler entstanden die ersten Villen, die wiederum von
informellen Siedlungen wie Kuschtepe und Gültepe umringt wurden, die an die neuen
Industrieanlagen angrenzten. Zu dieser Zeit entstand gleichfalls nach dem Entwurf Piccinato's
die Wohnsiedlung Ataköy am Marmara-Meer, konzipiert für die Mittelklasse, die ihre
Wohnungen durch die Subventionen der staatlichen Bausparkasse finanzieren sollte.
Harald Standl weist darauf hin, daß die Raumkategorien in den Karten des
Industrieflächenplans und des Bebauungsplans sich nicht decken. Das Problem der
insbesondere in den Außenbereichen sehr unterschiedlichen Abgrenzung von Stadtdistrikten
und Provinzbezirken rührt nach Standl daher, daß sich die Stadt - aufgrund ihres permanenten
Wachstums - innerhalb von festgelegten Provinz- bzw. Distriktgrenzen ausgeweitet hat38.
Istanbul ist heute noch mit dem Problem konfrontiert, daß die Bebauungspläne lediglich dazu
dienen, die schon vorhandenen Strukturen zu legalisieren. Dabei muß beachtet werden, daß es in
den 50er und 60er Jahren nicht nur um das schnelle Wachstum ging, sondern auch eine Rolle
spielte, daß die Gemeinden nach einer autonomen Tradition von 500 Jahren an eine
zentralistische Verwaltung sich immer noch nicht richtig gewöhnen konnten.
In den 70er Jahren intensivierte sich die Entwicklung der 60er Jahre. Die Industriebetriebe
dehnten sich mehr und mehr an die Peripherie aus. Es entstanden neue Kerne in den ehemaligen
Dörfern wie Mahmutbey auf der europäischen Seite oder Dudullu auf der asiatischen Seite.
Beim Dorf Cerkezköy ungefähr 80 km westlich von Istanbul wurde ein „organisiertes
Industriegebiet" erschlossen. Dieses Konzept wird noch heute von vielen, türkischen Städten
36 ibd S. 175. 37 ibd S. 161. 38 Harald Standl, op. cit., S. 23.
benutzt. Auch die schon von Piccinato vorgeschlagene Umsiedlung der Industrie auf der asiati-
schen Seite in östlicher Richtung zu den Städten Izmit, Gemlik, Adapazari hin wurde erst in
dieser Zeit realisiert, wobei die Schnellstraße nach Ankara als positiver Wachstumfaktor galt39.
Die Idee einer Deregulierung und Privatisierung der staatlichen Betriebe wurde der Türkei
am Ende der 70er Jahre besonders durch Experten implantiert, die ihr Studium im
anglo-amerikanischen Raum abgeschlossen hatten. Mit dem Regierungswechsel im Jahre 1983
wurde diese Idee nach und nach in die Tat umgesetzt. Parallel dazu begann in Istanbul ein
internationales, allerdings im Vergleich zu den Metropolen in Europa, Amerika oder Asien eher
auf den Bedarf der Region eingestelltes Finanzzentrum zu entstehen. Nach Reinhard Stewig gab
es vor 1980 nur vier ausländische Banken in der Türkei, während danach im Zuge der
neo-liberalen Wirtschaftspolitik eine ganze Reihe von ausländischen Banken in der Türkei sich
niderließ. Was die räumliche Verteilung der Banken in der Türkei anging, so lag der
Schwerpunkt in Istanbul 40 . Während die meisten ausländischen Banken sich auf der
Pera-Taksim-Nischantaschi-Achse der Jahrhundertwende konzentrierten, wo einmal ihre
Vorfahren wie Banco Commerciale Italiano standen, wählten die türkischen Banken für ihre
Zentralverwaltungseinheiten die neuere Achse Schischli-Levent-Maslak. Dazu muß allerdings
gesagt werden, daß diese Niederlassungen nicht den Charakter der Offshore-Bank-zentren ha-
ben, sondern lediglich als Vertretungen der internationalen Großbanken fungieren.
Gleichzeitig mit der oben beschriebenen Entwicklung des ausländischen Banksektors
wurden nach den Wahlen von der neuen Stadtbehörde für bisherige Naturschutzgebiete und
Parkanlagen Baugenehmigungen erteilt, so daß auf solchen, bisher nicht bebauten, wertvollen
Grundstücken in der Innenstadt internationale Hotels aufgerichtet worden sind. Eine andere
Entwicklung in dieser Periode waren die größeren Flächensanierungsprojekte am Pera, am
Goldenen Horn und am traditionellen Gerberviertel Kazlicesme. Während die Sanierung in Pera
die Öffnung einer Schneise erzielte, welche den Taksim-Platz zum Goldenen Horn verband, war
das Ziel der beiden anderen Maßnahmen die Verlagerung der innerstädtischen Gewerbeviertel
an die Peripherie. Zu diesem Zweck wurde das amerikanische Konzept des „industrial estates"
eingeführt41. Dabei entstanden Konfliktsituationen zwischen der Stadtverwaltung und den
Kleingewerbebesitzern, deren Grundstücke zwangsweise enteignet wurden. Die Betroffenen
brachten vor, daß ihre Kundschaft, die diese Geschäfte wegen der räumlichen Nähe bevorzugte,
an der Peripherie verlorengehen würde und außerdem den so genannten „organisierten
Kleinindustriezonen" noch die Infrastruktur fehlte. Am Anfang der 90er Jahre bekamen sie
weitere Probleme, weil sich am Stadtrand internationale Großladenketten wie Mr. Bricolage,
Bauhaus oder Macro niederließen, wodurch sie einen weiteren Teil ihrer Kundschaft verloren.
Die 90er Jahre stellen auch den Zeitraum dar, in der das Konzept der „Shopping-Mails- in die
Türkei eingeführt wurde, die sich besonders im Norden um Levent konzentrieren, allerdings
werden die meisten Villen von Levent längst nicht mehr als Wohnungen benutzt, in ihnen haben
39 Nach diesem Kriterium wurde zum Beispiel das organisierte Industriegebiet in Gebze eingerichtet,
zwischen Istanbul und Izmit der nächsten Stadt nach Osten hin. 40 Vgl. dazu Reinhard Stewig, Entstehung der Industriegesellschaft in der Türkei, Teil 2 Entwicklung
1950-1980. Kieler Geographische Schriften, im Selbstverlag des geographischen Instituts der Universität Kiel, Kiel
1999, S. 141. 41 Wolf-Dieter Hütteroth, Türkei. Wissenschaftliche Länderkunden, Band 21. Darmstadt 1982, S. 476 f.
sich Werbeagenturen und Wohnungsmakler sowie Restaurants und Cafes niedergelassen,
umringt von hohen Bürogebäuden. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich auf der asiatischen
Seite im Gebiet der ehemaligen Sommerfrische um die Bagdat-Straße.
Die erste Shopping Mall in diesem Sinne wurde schon in den 80er Jahren in Ataköy
gebaut. Das von Piccinato als Mittelstandsviertel geplante Wohnquartier war in der
Zwischenzeit zum Luxuswohnviertel der oberen Einkommensklassen mutiert. Je mehr man in
die Gegenwart rückt, desto höher werden die Blöcke im Vergleich zu Piccinatos's vierstöckigen
Bauten, wobei die Qualität zur Gegenwart hin gleichzeitig abnimmt, weil den Blöcken die
nötigen Grünflächen und Parkplätze fehlen. Die Bank, die den kommerziellen Erfolg solcher
Neubauprojekte erkannte, baute weitere, staatlich subventionierte Wohnungen in der Peripherie
Istanbul's. Sie waren nach wie vor für die verschiedenen Schichten der Mittelklasse geplant,
allerdings verlor diese infolge der Finanzkrise, die in der ganzen Welt zu spüren war, Ende der
80er Jahre ihre Kaufkraft. Was Saskia Sassen in ihrer Studie „Metropolen des Weltmarkts" für
Amerika beschrieb, daß man seit den achtziger Jahren beobachten kann, daß „bestimmte Teile
der Mittelschicht immer reicher werden, während andere in Armut versinken"42, trifft auch auf
die Situation in der Türkei zu. Durch die Krise wurden am stärksten die Gruppen mit festem
Einkommen getroffen, die Bausparverträge auf Dollarbasis unterschrieben hatten. Als die
türkische Währung gegenüber dem Dollar ständig an Wert verlor, konnten in vielen Fällen
halbbezahlter Wohnungen keine Weiterzahlungen mehr erfolgen. Durch diese wirtschaftliche
Veränderung enstand auch eine Umschichtung in der Gesellschaft, was sich am meisten in
Istanbul bemerkbar machte: Während bis zu den 80er Jahren Beamte und Mitarbeiter der Indu-
strie über ein hohes soziales Ansehen verfügten, wurden danach die meistbegehrten
Arbeitsstellen in Istanbul die des Dienstleistungssektors. Die Dienstleistungszentren
segmentierten sich zunehmend seit dem Beginn der 90er Jahre, und die Viertel, wo sie sich
niederließen, rückten in den meisten Fällen zu städtischen Statussymbolen auf. Die asiatische
Seite der Stadt beherbergt heute eher die großen Einkaufszentren und nicht die
Hauptverwaltungsgebäude der Banken, die sich auf der europäischen Seite konzentrieren.
Neben den klassischen Zentren wie Taksim-Nischantaschi oder Levent-Etiler wandeln sich die
Fabrikgebäude der ehemaligen Industriegebiete wie Topkapi an der historischen Stadtmauer zu
post-modernen Bürohäusern. Manche Fabriken machen zu, manche verlagern sich zu den neuen
regionalen Industriezentren wie Cerkezköy im Westen oder den Städten Izmit-Adapazari im
Osten, die vor kurzem von einem Erdbeben betroffen worden sind.
Es ist auch eine Verlagerung bestimmter Wohnzentren zu beobachten. Es entstehen
umzäunte, von großen Gartengeländen umrahmte Luxussiedlungen außerhalb der Stadt, deren
Verkaufpreise auf US-Dollar-Basis inseriert werden. Dies gilt allerdings auch für eine Wohnung
am Bosporus oder eine Hochhausetage mit Meeresblick auf der asiatischen Seite. Freilich muß
hinzugefügt werden, daß es bei den umzäunten Siedlungen in Istanbul nicht um eine „Ökologie
der Angst" im Sinne des amerikanischen Stadtsoziologen Mike Davis geht, wie er sie für Los
Angeles beschreibt43. Begriffe wie „Ökologie der Angst" oder „Architektur der Angst"44 sind
42 Saskia Sassen, Metropolen des Weltmarkts. Campus Verlag GmbH, 1996 Frankfurt/ Main, 2. Auflage, S.
159. 43 Mike Davis, Ökologie der Angst. Verlag Antje Kunstmann, München 1999.
besonders im nordamerikanischen Raum inzwischen sehr populär geworden. Im Gegensatz zu
vielen anderen Metropolen der Welt ist Istanbul mit der städtischen Gewalt (noch?) nicht
konfrontiert, die Zäune sind eher gegen Einzelverbrecher gerichtet und sind nicht aus
Stacheldraht. Die Istanbuler Segmente leben in einer Symbiose. Während die alteingesessenen
informellen Siedlungen in der Nähe der innerstädtischen Dienstleistungzentren für diese
arbeiten - denn „Dienstleitungen müssen produziert und die Gebäude, in denen die
Beschäftigten tätig sind, müssen gebaut und gereinigt werden", um wieder Sassen zu zitieren45,
arbeiten die Bewohner der nahegelegenen Dörfer für die umzäunten Siedlungen außerhalb der
Stadt. In vielen Fällen profitieren sie von diesen Siedlungen zusätzlich, indem sie von ihnen eine
neue Schule oder eine ambulante Krankenstation geschenkt bekommen. In Istanbul gibt es aus
historisch-traditionellen Gründen keine Flächenscgmentierung, sondern in gewissem Sinne
schreibt die Stadt ihre zellenartige Struktur der osmanischen Zeit aus; informell liegt dicht
neben formell, wartet auf die Legalisierung bei den nächsten Wahlen und hofft, daß dadurch die
Grundstückspreise sofort ansteigen.
So ist es auch verständlich, warum der erste Mc Donald's am Taksim-Platz entstanden ist:
„Taksim-Verteilung". Nicht mehr geht es um die Verteilung des Wassers, sondern der
Menschenmengen in der riesigen Stadt. Hier konzentrieren sich die Busse, die aus allen
möglichen Stadtvierteln der europäischen und asiatischen Seite kommen, hier sind die
Kulturinstutionen, die Banken von Nischanta- schi, Macka und Gümüssuyu, die Hotels, aber
auch die dunklen Hinterstraßen von Pera mit ihren billigen Kneipen oder das Quartier
Talimhane, das die Branche der Autoersatzteile beherbergt; von hier aus kann man
Verbindungen zu allen Segmenten kriegen. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verbindet
Taksim Alt mit Neu, Arm mit Reich, Modern mit Klassisch. Jeder darf sich hier ein Bic Mac mit
Cola leisten, zumindest einmal: zum Ausprobieren; so warb Mc Donald's am Anfang: „Lernen
Sie einen neuen Geschmack kennen". Der Geschmack ist heute nicht mehr unbekannt, und in
vielen Stadtvierteln gibt es zahlreiche Mc Donald's, die Frage ist, in welchen Stadtvierteln? Eine
vergleichende Studie darüber würde wohl nicht nur ein Licht darauf werfen, wie weit die
Globalisierungsthese mit den lokalen Gegebenheiten übereinstimmt, sondern auch darauf, ob
Globalisierung tatsächlich vereinheitlicht oder eher polarisiert, im Sinne einer neuen
Machtverteilung zwischen Nord und Süd, so wie sie von Zygmunt Bauman46 definiert wird.
Quo vadis Istanbul?
44 Architecture of Fear, Nan Elin (Hrsg.). Princeton Architectural Press, New York 1997. 45 Saskia Sassen, op. cic., S. 22. 46 Zygmunt Bauman, Küresellesme, Ayrinti Yayinlari, Istanbul 1999, S. 26-27.