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ISSN 1019-2379 RETROSPEKTIVEN IN SACHEN BILDUNG R. 2 (STUDIEN) NR. 86 Strukturierte Schulgeschichte Ein Beitrag zur Didaktik der Historischen Pädagogik Von ELMAR LECHNER Klagenfurt 2015

R. 2 (STUDIEN) NR. 86

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RETROSPEKTIVEN IN SACHEN BILDUNG | Strukturierte Schulgeschichte. Ein Beitrag zur Didaktik der Historischen Pädagogik.

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ISSN 1019-2379

RETROSPEKTIVEN

IN SACHEN BILDUNG

R. 2 (STUDIEN) NR. 86

Strukturierte Schulgeschichte

Ein Beitrag zur Didaktik der Historischen Pädagogik

Von

ELMAR LECHNER

Klagenfurt 2015

Inhaltsverzeichnis

Fünf Punkte ......................................................................................... 1

Pädagogischer Liberalismus (1870) ................................................................... 2

Pädagogischer Militarismus (1940) ................................................................... 3

Pädagogischer Demokratismus (2010) .............................................................. 4

Literatur............................................................................................... 4

Edition:

J. Brandl (1870) .................................................................................. I

J. Greuter (1869) .............................................................................. VI

H. Braumüller (1940)....................................................................... XI

„Beiträge zur wehrgeistigen Erziehung

durch die Schule“ [1940] .............................................................. XIV

R. Pototschnig (1945) .................................................................... XXI

G. Benke / S. Strauß / G. Khan-Svik (2012) ............................ XXVII

K.P. Liessmann (2014) ............................................................ XXXIII

Strukturierte Schulgeschichte

Ein Beitrag zur Didaktik der Historischen Pädagogik

Von

ELMAR LECHNER

Veranschaulichen und Vergleichen

Verhindert Vergessen

Fünf Punkte

1.

An die Stelle der wenig erfolgreichen bzw. nachhaltigen „Vermittlung

einer Schulgeschichte als Institutionen- und Persönlichkeitsgeschich-

te“ (HIERDEIS 1985, S. 43 f.) hat eine Schul- und Bildungsgeschichte

zu treten, die betroffen macht oder jedenfalls berührt und deshalb er-

folgversprechend ist.

2.

Dies ist zum einen durch die Bearbeitung des Themas „Das Schulge-

bäude als bildungsgeschichtliches Panorama“ (LECHNER 2014) zu er-

reichen: Es ist angesichts des Hauses der Lehrer- und Lehrerinnenbil-

dung zu untersuchen, was warum und wie dort gelehrt wurde, und die

Übereinstimmung und der Unterschied hinsichtlich des Inhalts und der

Form der heutigen Lehre zu interpretieren.

3.

Zum andern ist dies durch eine „Strukturierte Schulgeschichte“ zu er-

reichen: Hier wird auf epische Breite, wie sie etwa in Helmut Engelb-

rechts – freilich als Gegenstand systematischer Lektüre gedachte –

2

„Geschichte des österreichischen Bildungswesens“ (ENGELBRECHT

1982-88) vorliegt, verzichtet zugunsten didaktischer Tiefe. Untersucht

werden anhand von widersprüchlichem und zugleich repräsentativem

sowie anschaulichem und einprägsamem Quellenmaterial Schlüssel-

stellen der jüngeren Schulgeschichte, wobei den Studierenden die Rol-

le eines Schiedsrichters zukommt, der sich die betreffenden Pro- und

Contrastimmen bzw. die Argumente der „Anklage“ und der „Vertei-

digung“ anhört (synchroner Aspekt) und die historische Situation mit

der heutigen vergleicht (diachroner Aspekt) und ein begründetes Ur-

teil abzugeben hat. Dabei ist, was insbesondere den diachronen As-

pekt angeht, die Verkündigung einer „Post-festum-Weisheit“ (BENDA

1945, S. 4) zu vermeiden, also besseres Wissen aufgrund der vergan-

genen Zeit nicht gegen den Wissensstand der damaligen Zeit auszu-

spielen. (Ebenfalls im Spiel dabei ist die Rolle des Konstrukteurs der

Brücke, der durch Kreativität und Kombinationsgabe die – in der Se-

lektivität des Materials begründete – Lücke zu schließen hat.)

4.

Auf diesem Weg (Attraktivität aufgrund des Verfahrens, der Aktivität,

und des Interessenhorizonts, der Aktualität) sollte das übergeordnete

Ziel, die Abrundung der akademischen Bildung der Lehrer/innen

durch die Befähigung zu historisch begründeter prinzipieller und per-

manenter Kritik an der normativen Kraft des Faktischen, zu erreichen

sein.

5.

Als bildungsgeschichtliche Schlüsselstellen sind die folgenden, das

Land Kärnten als prominenten und markanten Schauplatz ausweisen-

den Jahre auszumachen:

5.a) 1870 (Kronland Kärnten)

Zum politischen Umfeld: Dazu der Autor des Werks „Kornblume und

Doppeladler (…)“ (HÖBELT 1993): „Zum Unterschied von anderen

Bundesländern war das national-freiheitliche Lager hier“, also in

Kärnten, „den Kräften, die sich aus dem politischen Katholizismus

3

speisten, zumeist überlegen – ein Befund, der oft zu Unrecht auf die

spezielle Grenzlandproblematik zurückgeführt worden ist. (…) Spä-

testens seit damals bildete Kärnten den exponierten alpinen Vorposten

eines Politikmodells, wie man es sonst nur einige hundert Kilometer

weiter nördlich antraf.“ (HÖBELT 2001, S. 433). Im Jahr 1870 legt der

„Verantwortliche Redakteur“ des „Kärntischen Schulblatts“, Dr. Josef

Brandl, in geraffter, gemeinverständlicher Form das Programm eines

antiklerikal-deutschnational ausgerichteten „Pädagogischen Libera-

lismus“ vor. (Hier S. I-III; Reproduktion S. IV f.) Als oppositionelle

Position ist die im Jahr zuvor gemachte, katholisch-konservativ ausge-

richtete parlamentarische Wortmeldung des Tiroler Klerikers, Gymna-

sialprofessors und Politikers (Reichratsabgeordneten) Josef Greuter

(Österr. Biogr. Lexikon 1815-1950, Bd. 2, 1957, S. 58 f.), anzusehen.

(Hier S. VI-VIII; Reproduktion S. IX f.)

5.b) 1940 (Reichsgau Kärnten)

Zum politischen Umfeld: Kärnten wies (mit der Steiermark) „die

höchste Illegalenrate in Österreich“ auf (WALZL 1992, S. 15), und

Kärnten ist „das erste Bundesland (oder der erste Gau) gewesen“, der

die Machtübernahme der Nationalsozialisten nach Wien gemeldet hat

(ebd., S. 60; ELSTE 1997, S. 330), im „Februar 1942 war jeder zehnte

Kärntner auch NSDAP-Mitglied, man hatte (…) die bei Weitem meis-

ten SS-Mitglieder in Österreich (13 333)“ (KARNER 2012, S. 35). Im

Jahr 1940, also 70 Jahre später, umreißt namens des „NS Lehrerbun-

des“ der „Gauwaltung Kärnten“ Hermann Braumüller, karenzierter

Professor an der Klagenfurter Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt

(zu diesem NEUMANN 1978, LECHNER 2000), anlässlich der Behand-

lung bzw. Propagierung des Themas „Wehrgeistige Erziehung“ den

Charakter eines nationalsozialistisch ausgerichteten „Pädagogischen

Militarismus“. (Hier S. XI f.; Reproduktion S. XIII; Reproduktion von

Teilen der dort zitierten „Beiträge zur wehrgeistigen Erziehung durch

die Schule“ hier S. XIV-XX) Als Widerpart kann Dr. Rudolf Potot-

schnig, Bezirksschulinspektor in St. Veit an der Glan, angesehen wer-

den; er versendet am 23. Oktober 1945 „Richtlinien“, die den Charak-

ter der Pädagogik der ersten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Ös-

terreich skizzieren. (Hier S. XXI-XXIV; Reproduktion S. XXV-XVII)

5.c) 2010 (Bundesland Kärnten)

4

Zum politischen Umfeld: Eingebettet in dieses, ist die Universität (für

Bildungswissenschaften) Klagenfurt seit 1979 Sitz des Interuniversitä-

ren Forschungsinstituts für Fernstudien (IFF) (HÖDL 1980, S. 162),

und das Projekt „IMST“ ist, in dieses eingebettet, seit 2000 darum

bemüht, im schulischen Bereich „aktive und selbstbestimmte Entwick-

lungsinitiativen vor Ort zu setzen.“ (KRAINER 2002, S. 1) Im Jahr

2010, also wiederum 70 Jahre später, wird (offensichtlich im Kla-

genfurter Stadtteil Wölfnitz) das Projekt „Schule als selbstbestimmter

Lernort“ realisiert, das als Versuch der Verwirklichung eines „Päda-

gogischen ‚Demokratismus’“ anzusehen ist. (Resultierende Publikati-

on: BENKE / STRAUß / KHAN-SVIK 2012). („Einleitung“ bzw. S. 91-93,

und „Resümee“ bzw. S. 105 f. hier S. XXVIII-XXXII) Als oppositio-

nelles Gegenüber ist, jedenfalls zum Teil, Konrad Paul Liessmanns

„Praxis der Unbildung“ (LIESSMANN 2014) anzusehen; hier wird der

Neo-Reformpädagogik ein didaktischer Ansatz entgegengestellt, der

die Faktoren (wissenschaftsorientierter) Lehrer und Wissenschaftsdis-

ziplin betont. (Ebd., S. 38-42, 125-127; hier S. XXXIII-XXXVII)

(Anmerkung: Hervorhebungen werden in der Edition kursiv gesetzt.)

Literatur

Oskar BENDA: Die Bildung des Dritten Reiches. Randbemerkungen

zum gesellschaftsgeschichtlichen Sinnwandel des deutschen Hu-

manismus, 2. Aufl., Wien / Leipzig 1945

Gertraud BENKE / Sabine STRAUß / Gabriele KHAN-SVIK: Schule als

selbstbestimmter Lernort. In: Ilse Schrittesser / Andrea Fraundorfer

/ Marlis Krainz-Dürr (Hrsg.): Innovative Learning Environments.

Fallstudien zu pädagogischen Innovationsprozessen, Wien 2012, S.

91-107

Alfred ELSTE: Die illegale NSDAP. In: Auf dem Weg zur Macht. Bei-

träge zur Geschichte der NSDAP in Kärnten von 1918 bis 1938

(Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideenge-

schichte der Neuzeit, Bd. 8), hrsg. von Anton Pelinka und Helmut

Reinalter, Wien 1997, S. 209-344

5

Helmut ENGELBRECHT: Geschichte des österreichischen Bildungswe-

sens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs, 5 Bde.,

Wien 1982/83/84/86/88

Helmwart HIERDEIS: Überlegungen vor der Errichtung eines Schul-

museums in Tirol. Erstveröffentlichung in: Perspektiven der For-

schung an der Universität Innsbruck, hrsg. v. d. Universität Inns-

bruck. Innsbruck 1984, S. 47-56 (=Veröffentlichungen der Univer-

sität Innsbruck Bd. 147). In: Mitteilungen & Materialien der Ar-

beitsgruppe Pädagogisches Museum, Nr. 20, Berlin 1985, S. 34-48

Lothar HÖBELT: Kornblume und Doppeladler. Die deutschfreiheitli-

chen Parteien Altösterreichs 1882-1918, Wien 1993

Lothar HÖBELT: Die Stellung der Kärntner in der Politik der liberalen

Ära (1861-1879). In: Kärntner Landesgeschichte und Archivwis-

senschaft. Festschrift für Alfred Ogris zum 60. Geburtstag (Archiv

für vaterländische Geschichte und Topographie, 84. Bd.), hrsg. von

Wilhelm Wadl, Klagenfurt 2001, S. 433-452

Günther HÖDL (Schriftleitung): Zehn Jahre Universität Klagenfurt.

Geschichte und Dokumentation, Klagenfurt 1980

Stefan KARNER: Kärnten im „Dritten Reich“ (1938-1945). In: Ein

Kärnten. Die Lösung, Redaktion: Nicole Beclin u.a., Klagenfurt

2012, S. 35-41

Konrad KRAINER: Editorial. In: IMST2. Innovations in Mathematics,

Science and Technology Teaching. Newsletter 1 (2002), Ausg. 1,

S. 1

Elmar LECHNER: Hermann Braumüller als Historiograph des Kärntner

Bildungswesens. In: Brennpunkt Mitteleuropa. Festschrift für Hel-

mut Rumpler zum 65. Geburtstag, hrsg. von Ulfried Burz, Michael

Derndarsky und Werner Drobesch, Klagenfurt 2000, S. 117-128

Elmar LECHNER: Das Schulgebäude als bildungsgeschichtliches Pano-

rama. Ein Beitrag zur Didaktik der Historischen Pädagogik (Retro-

spektiven in Sachen Bildung, R. 2, Nr. 83), Klagenfurt 2014

Konrad Paul LIESSMANN: Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung.

Eine Streitschrift, Wien 2014

Wilhelm NEUMANN: Hermann Braumüller (1886-1977). In: Carinthia

I 168 (1978), S. 338-339

August WALZL: „Als erster Gau…“. Entwicklungen und Strukturen

des Nationalsozialismus in Kärnten, Klagenfurt 1992

I

An unsere Leser!*)

Licht! mehr Licht!

Göthe’s letzte Worte.

Als von Seiten des Ausschusses der kärntischen Lehrervereins die

Einladung an mich ergieng, die Redakzion dieser Blätter zu überneh-

men, folgte ich freudig diesem Rufe, weil ich mein Leben mit Liebe

und Hingebung der Bildung und Erziehung der Jugend geweiht habe.

Aber nicht ohne Bangen gehe ich ans Werk, denn ich bin noch ein

Neuling auf dem Gebiete des Volksschulwesens; ob mir die nöthige

Kraft innewohne – der Erfolg wird es lehren. Vielleicht geling es mir,

mich hineinzuarbeiten in dieses endlose Feld, denn es giebt nichts hö-

heres auf Erden, als den unbegränzten Menschengeist zu bilden, und

den Menschen, diese wunderbare Einheit von geistigem und materiel-

lem, der Vollkommenheit näher zu bringen. Ich bitte daher die geehr-

ten Leser im Voraus, mir mit Nachsicht entgegen zu kommen und

Schwächen als menschlich zu entschuldigen; denn schon ein altes

deutsches Sprichwort sagt: „Wer die Laterne trägt, stolpert leichter als

derjenige, der ihm folgt.“

Das Blatt soll in neuer Form und in neuem Geiste erscheinen und

deshalb halte ich es für meine Pflicht, die Lehrer mit den Grundsätzen

bekannt zu machen, welche mich bei der Führung desselben leiten

werden.

Licht! Mehr Licht! hat der große Meister auf seinem Strebebette

gerufen; das was er im Leben geschaut, was nur wenigen Sterblichen

vergönnt war, war ihm noch zu gering; seine letzten Worte haben der

ganzen Menschheit ein donnerndes „vorwärts!“ zugerufen, sie sollen

ihr ein unvergänglicher Leitstern sein, um ein neues Geschlecht her-

anzuziehen, dessen Losung ist: Kraft im Arme, Muth im Herzen, Licht

im Kopfe! Die Jugend ist ja der Stolz des Vaterlandes, in ihr ruht un-

sere Hoffnung, unsere Zukunft. Was kann es noch edleres geben für

unsere Thätigkeit? Um aber auf sie wirken zu können in echtem und

redlichem Sinne, müssen wir selber vorwärts schreiten auf der Bahn

des Wissens, auf dem Pfade wahrer Tugend und edler Menschlichkeit.

Seit dem segens- und verhängnisvollen Jahre 1848 ist in Österreich –

wir könnens nicht läugnen – viel auf dem Gebiete des Unterrichtes ge-

*)

In: Kärntisches Schulblatt, Klagenfurt, 3 (1870), Nr. 1, S. 1 f.

II

schehen; vieles ist Wort geblieben, manches ist Fleisch geworden. Das

erstere hat leider den Grundstein alles Unterrichtes, das Volksschul-

wesen getroffen, man hat von oben angefangen, statt von unten, und

hat die höheren Lehranstalten verbessert, die Volksschule aber als

Aschenbrödel, als Magd der Kirche belassen. Nach den ewigen Geset-

zen der Natur ist der Stillstand ein Rückschritt, und noch heute müs-

sen wir bitter büßen, was unselige Herrschsucht an den Menschen-

rechten verbrochen. Aber jetzt weht ein frischer Hauch durch alle

Lande, die Schule ist frei von den beengenden Fesseln, die ihr brüten-

de Finsterlinge geschlagen, welche kein Herz haben für das warme

Menschenleben, weil es ihnen selber versagt ist. Wenige Staaten kön-

nen sich rühmen, dass in ihrem Schulwesen in so kurzer Frist so vieles

geschehen ist, wie bei uns; wir haben darin eine Art Selbstregierung

errungen, und „jene Regierung“, sagt Göthe, „ist die beste, welche die

Bürger lehrt, sich selbst zu regieren.“ Der Staat und das Volk haben

ein inneres und ein äußeres Leben; aber ersteres zeugt mehr von deren

Kraft und Lebensfähigkeit als das letztere, und im inneren Leben ha-

ben wieder die jeweiligen Bildungsgrundsätze eine höhere Beweis-

kraft, als die politischen Bestrebungen und Thaten. Volkserziehung ist

Volkskraft; das Volk aber ist der Inbegriff aller Menschen im Staate

oder in einer Nazion ohne Unterschied der sogenannten Stände. Bil-

dung und Intelligenz sind daher kein Vorrecht der Reichen und Ho-

hen, wie es leider bis auf unsere Tage der Fall war. Deshalb ist die

große Masse früher eine Beute der Mächtigen gewesen, deshalb hat

sie in dumpfer Starrheit, ohne Leben und Bewegung, ohne Bewußt-

sein der Gemeinsamkeit ihr Dasein dahingefristet. Bildung und Intel-

ligenz sind nach dem Rechte der Natur ein Gemeingut aller Glieder

des Staates; ohne ein gewisses Maß von Einsicht und Kenntnissen,

ohne selbstgeschaffene Zucht kann ein Volk nicht vorwärts schreiten

und nicht frei bleiben. Vom Zustande des Volksschulwesens – sagt ein

trefflicher Pädagoge – läßt sich ein richtiger Schluß machen auf die

Kulturstufe eines Volkes, auf seine innere Solidität, auf die Würde der

Regierenden. Die Geschichte der Menschheit predigt einen Fortschritt

in der Kultur, in der Gestaltung der sozialen Verhältnisse, in Wissen-

schaft, Religion und Sitte. Alles Menschliche ist der Veränderung un-

terworfen und der Verbesserung fähig. Vieles, was Jahrhunderte lang

als gut gegolten, wurde niedergerissen und hat dem Besseren Platz

gemacht, und wo die Bildung vorwärts schreitet, da werden die Men-

III

schen besser, weil Wahrheit, Sittlichkeit und Rechtlichkeit immer

mehr ins Bewußtsein des Volkes, in immer weitere Kreise dringen.

Deshalb müssen wir Menschen erziehen, welche Thätigkeit und Frei-

heit hoch in Ehren halten, Lug und Schein verachten und ihren hohen

Beruf stets vor Augen haben. Dieß kann aber nur geschehen, wenn

diejenigen sich selber fortbilden, denen die Jugend, das heiligste, das

der Mensch hat, anvertraut ist. Heutzutage, wo alles, was Kraft in sich

fühlt und dieselbe auch ausnutzen will, sich regt und webt und schafft,

da darf der Lehrer nicht zurückbleiben. Wer stille steht, wird von der

Zeit niedergeworfen, und sie schreitet über ihn hinweg und läßt ihn

liegen als erbärmliches Geschöpf. Wer täglich mit den jugendfrischen

Geistern arbeitet, der bedarf selber der geistigen Speise. Das Schwert

rostet im Winkel, die Pflanze verkümmert im Dunkel, ohne Uebung

wird selbst der Menschengeist schlaff, die Thätigkeit des Lehrers

kraftlos und schwankend. Niemandem wird es beifallen, den Volks-

schullehrer zum Gelehrten heranzubilden, aber ein gewisses Maß all-

gemeiner Bildung muß er sich erwerben, damit er taugliche Weltbür-

ger heranziehe, damit er die Achtung seiner Gemeindegenossen ver-

diene und ihr Berather wird ein vielen Dingen. – So wollen wir denn

ruhig fortbauen an dem erhabenen Werke, das einsichtsvolle Männer

begonnen; wir wollen Schritt halten mit den Forderungen der Zeit und

die wahren Interessen des Lehrstandes vertreten. Der Grundstein zum

neuen Gebäude ist erst gelegt, wir wollen nicht das alte in blinder Zer-

störungswuth niederreißen, sondern stets des Spruches eingedenk sein:

Prüfet alles und das beste behaltet. Wir scheuen aber auch den Kampf

nicht gegen die Dummheit, den Zopf, das Vorurtheil und gegen den

gefährlichsten aller Feinde der Freiheit, die Selbstsucht. Und so mö-

gen diese Blätter hinauswandern zu den Lehrern und den Freunden der

Schule, die beste Absicht wird mich leiten, denn eine Hoffnung lebt in

mir, daß der Volksschule noch schönere und bessere Zeiten tagen

werden.

Dr. Jos. Brandl.

IV

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Dr. goi. Eronbl.

5te [IlPttP[aqen.Son @arhul $reiferrn ron 3alumtgg.

üet je rnii einigen 6lnne iür !?otur 6egcbt, in'6 Sxeie ix01, unb ii4 grtolungiu{ie cn ber 6aben, lie lie einem ilü0nberex no{ len 6ebirgen bcr6ietet, ieü ili gelliits

VI

Abgeordneter Greuter (Tirol)*)

: […] Bei uns hat man geglaubt – ganz

gewiß aus guten Absichten, und ich will diese bei allen den Herren

voraussetzen, sowie ich auch ersuche, daß Sie auch meine Ansichten

achten, die ich habe und vorbringe – man könne die Pflicht des Unter-

richtes und der Jugenderziehung nur durch die sogenannte „moderne

Schule“ dem Volke gegenüber erfüllen.

Was versteht man denn aber unter der modernen Schule, welche ih-

re Verwirklichung auch in dem vorliegenden Gesetzentwurfe mehr

oder weniger findet?

Diejenigen, welche die moderne Schule verlangen, fordern vom

Staate drei Dinge: Erstens die Festsetzung und die Beaufsichtigung

über das, was und wie gelehrte werden soll;

zweitens die endgiltige Bildung und Anstellung der Lehrer und

endlich

drittens solche Gesetze, durch welche es eine Verbindlichkeit für

die Eltern ist, entweder ihre Kinder die Volksschule besuchen zu las-

sen, oder daß sie einen äquivalenten Unterricht erhalten.

Wenn ich also die Forderungen der modernen Volksschule, wie

man sie gewöhnlich nennt, zusammenfasse, so bestehen sie in folgen-

den drei Dingen:

Erstens Leitung der Schule durch den Staat, zweitens Schulmono-

pol und drittens Schulzwang.

Diese drei Einrichtungen miteinander nennt man gewöhnlich die

Staatsregie des öffentlichen Unterrichtes.

Da nun die moderne Schule nach dem vorliegenden Gesetze eben

auch uns beantragt, und da von ihr das Heil der Zukunft Oesterreichs

erwartet wird, so fühle ich mich wohl verpflichtet, in mancher Bezie-

hung meine Bedenken dagegen auszusprechen.

Ich habe Bedenken insofern, als die moderne Volksschule eines der

natürlichsten Rechte der Eltern nicht achtet. Ich habe das Bedenken,

daß sie selbst gegen jene Principien der Freiheit verstößt, welche auch

die Majorität dieses Hauses sonst anerkennt.

Ich habe Bedenken vom rechtlichen und noch mehr vom pädagogi-

schen Standpuncte aus. Daß ich auch die Bedenken vom verfassungs-

mäßigen Standpuncte aus theile, werde ich mit kurzen Worten gleich-

falls darlegen.

*)

Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten

des Reichsrathes, IV. Session, 6. Bd., Wien 1869, S. 5746, 5750.

VII

[…]

Ich sage noch kurz, daß mir der vorliegende Gesetzentwurf auch

nach der pädagogischen Seite hin sehr viele Bedenken einflößt.

Ich spreche hier aus eigener Erfahrung, denn ich habe mein ganzes

Leben entweder auf der Schulbank oder vor derselben zugebracht. 25

Jahre bin ich nun Lehrer theils in der Volksschule, theils in der Mittel-

schule.

Ich sage nun, daß der vorliegende Gesetzentwurf gerade in päda-

gogischer Beziehung mir vielfach bedenklich erscheint.

Zu einer jeden Erziehung, meine Herren, gehört ein festes Ziel und

eine feste Grundlage, die man sich vorstellt.

Die confessionelle Schule hat ein solches festes Ziel. Eine jede

Confession gibt an, was die Menschen, die Kinder für eine Bestim-

mung haben für die Welt und für die Ewigkeit, und nach diesem un-

verrückbar festen Ziele wird dann die ganze Erziehung geordnet und

geleitet.

Trennen Sie den Unterricht von der Confession, so haben Sie mit

dieser Trennung dem ganzen Unterricht die feste Basis unter den Fü-

ßen weggenommen. Fragen Sie: Was ist außerhalb der Confession die

Bestimmung eines Kindes, zu was soll er erzogen werden? Und Sie

werden so viele Antworten erhalten, als es eben Menschen auf der

Welt gibt, die sich losgelöst denken vom religiösen Standpuncte. „Er-

ziehen“ heißt „bilden“, und zwar ist die Erziehung selbst nach dem

Ausspruch der Heiden das herrlichste Kunstwerk der Welt. Wo finden

Sie nun einen Künstler, der Holz oder Stein in die Hand nimmt, um

sie zu bearbeiten, und der nicht vom ersten bis zum letzten Hammer-

streich den Stein nach einem bestimmten Ideale bearbeitet, das er sich

zum Vorbilde genommen? Die confessionslose Schule aber als solche

hat kein solches Ideal, sie erzieht nur nach den allgemeinen Begriffen

der allgemeinen Menschenrechte und Sie wissen, wie diese Men-

schenrechte auf der Welt verschieden gedeutet werden.

Ich fürchte das Gesetz, weil in unserer Zeit das Bestehen tiefge-

hender und durchgreifender Gegensätze nicht geleugnet werden kann.

Es gibt Menschen, welche die Religion als Basis der Erziehung aner-

kennen und Andere, welche gerade die Religion als Hemmniß jeder

wahren Bildung ansehen. Von diesem Einflusse werden auch die Leh-

rer und die Behörden unmöglich frei sein können.

VIII

Es ist also ohne die feste Basis einer confessionellen Erziehung der

einheitliche und leitende Gedanke bei dem Unterrichte unmöglich.

Ich frage blos, wie geht es in einer Familie, wo Vater und Mutter

verschiedene Erziehungsgrundsätze haben? Und was hier von der Fa-

milie gilt, das gilt auch von der Schule, die ihre Grundsätze mit den

politischen Principien wechselt.

Und was hat denn der Staat, wenn er sozusagen die religiösen Ga-

rantien in der religionslosen Schule entfernt, für ein Mittel, auch wenn

er in der obersten Behörde einen einheitlichen Erziehungsgedanken

hätte, etwa die Lehrer zu controliren?

Er hat eben gar kein Mittel, außer er stellt an die Seite jedes Leh-

rers einen Inspector und übt so eine fortwährende Inquisition, die doch

auch nicht die freiheitliche ist.

XI

NS Lehrerbund

Gauwaltung Kärnten.

Abt. Erziehung und Unterricht.*)

Klagenfurt, am 7.5.40

An alle Schulleitungen in Kärnten.

In der Anlage übersenden wir Ihnen die Beiträge zur wehrgeistigen

Erziehung durch die Schule, die an alle Schulen zusammen mit dem

Vorwort der Kärntner Abteilung für Erziehung und Unterricht über-

mittelt werden.

Zum Geleit.

Die letzten beiden Jahre haben die Lehrerarbeit in der Schule nicht

leicht gemacht. Alles, was früher gesicherter Bestand jeden Unter-

richts gewesen ist, wurde durch die Gewalt des großen Geschehens,

das Großdeutschland schuf, verändert. Neue Gesichtspunkte der gan-

zen Auffassung, der Schultätigkeit, neuer Stoff und neue Formen

wurden die Forderung des Tages. Den Weg zu all dem Neuen zu su-

chen aber blieb vorerst jedem selbst überlassen. Eine gewisse Unsi-

cherheit gerade bei jenen Lehrern, die von der Wichtigkeit ihrer Er-

zieherarbeit für Volk und Staat durchdrungen sind, war die unaus-

bleibliche Folge. Dankbar wurde daher von diesen das Erscheinen des

neuen Lehrplanes im Anfang des heurigen Jahres begrüßt. [Daß] Der

Stoff der Kinderseele nahegebracht werden soll, bleibt nach wie vor

die große Aufgabe des Erziehers. Klar ist, zeitnahe und bodenständig

verbunden, muß Erziehung und Unterricht bleiben. Was aber ist jetzt

zeitnäher als die Wehrerziehung?

Die Wehrerziehung, wie wir sie sehen, ist kein weiterer Gegenstand

zu der Fülle der anderen. Nein. Aber unsere ganze Erziehertätigkeit

muß durchsetzt sein vom Geist der Wehrhaftigkeit, von tapferem und

heldenmütigem Denken. Nicht exerzieren soll der Lehrer mit seinen

Jungen, sondern die Verehrung allen Heldentums bei Kampf und Ar-

*)

Archiv der Österreichischen Gesellschaft für Historische Pädagogik und

Schulgeschichte, Klagenfurt, Sig. A 354.

XII

beit in die junge Seele pflanzen, damit die Erwachsenen einst für ihr

Volk und dadurch für sich selbst schaffen.

Die Folgen solcher Erziehung werden umso nachhaltiger sein, je bo-

denständiger die Beispiele der Erziehung gewählt werden können, je

verbundener sie mit dem Leben und der Umwelt des Kindes sind.

Nicht schwungvolle Reden sind das Wirkungsvollste, sondern die un-

gezwungenen Möglichkeiten, die in jedem Gegenstande gelegentlich

auftauchen, wenn sie richtig verwertet und richtig erfaßt werden. Die

fertige Stoffsammlung kann lückenlos keinem Lehrer geboten werden.

Die bodenständigen Beispiele muß jeder in heißem Bemühen selbst

suchen. Aber es wird allen willkommen sein, wenn sie die Richtlinien

für jeden Gegenstand in einer Arbeit zusammengetragen finden, wenn

sie an den Gedanken anderer ihre eigenen prüfen können. Das ist nun

für die Wehrerziehung an der Hand der von der Salzburger Gauwal-

tung der NSLB herausgegebenen Beiträge zur wehrgeistigen Erzie-

hung durch die Schule möglich. Die Richtlinien treten aus den einzel-

nen Aufsätzen klar zu tage. Sie gelten für jeden Erzieher, wo immer er

in Großdeutschland wirkt. Die Kärntner Gauwaltung übergibt sie den

Berufskameraden mit dem Wunsch, die Arbeit gründlich durchzuden-

ken und in der Schule zu verwerten. Gerade weil das Bodenständige

von jedem selbst gesucht werden muß, kann die Salzburger Leistung

unverändert übernommen werden. Sie wird umso bessere Früchte tra-

gen, je selbständiger der Benützer mit ihr umgeht. Die Fülle der Anre-

gungen aber verdient die Verbreitung der Beiträge in Kärnten.

Wehrhaft waren die Kärntner immer. Sie haben es vor anderen Gauen

voraus, daß sie auch in Zeiten der völkischen Erniedrigung durch ih-

ren Abwehrkampf des Jahres 1919/20 ihr heldenhaftes Denken erwie-

sen haben. Bodenständiger Stoff wird dem Kärntnerlehrer nicht feh-

len. Den Weg aber zeigen die Beiträge.

Heil Hitler!

Hermann Braumüller eh.

XXI

Bezirksschulrat St. Veit a.d.Glan*)

am 23. Oktober 1945.

Zl.: 16 R-26/1.

Richtlinien.

An alle Schulleitungen!

Die österreichische Schule muß wieder hergestellt werden und den

Stand vor 1938 erreichen.

Hiebei ist zu beachten:

1. Die Achtung vor dem Alter, den Eltern, der Schule und dem Lehrer

muß wieder hergestellt werden.

2. Die Würde im Kinde darf nicht verletzt werden, daher gibt es keine

Prügelstrafe mehr.

3. Die Schule ist getragen vom Geiste der Demokratie. Um diesen zu

wecken, sind Schüler-Gemeinschaften zu bilden. (Weitere Weisungen

folgen.)

4. Die Schulverwaltung ist nicht mehr autoritär, sondern demokra-

tisch-kollegial.

5. Der Gruß in der Schule wie vor 1938 und wie ortsüblich.

6. Der Krieg, noch mehr aber die Methoden der

nationalsozialistischen Erziehung haben ein Sinken und Schwinden

des moralischen Bewußtseins, ja eine völlige Auflösung aller sittli-

chen und rechtlichen Begriffe hervorgebracht. Der Volksgedanke

wurde unserer Jugend durch die Verbindung mit der Rassenfrage zu

einer Quelle der Selbstüberhebung, der Volkskörper zu einem Produkt

rein tierischer Aufzucht, der Menschheitsgedanke zu einem Gebilde

einander feindlich gegenüber stehender Nationen.

Statt der völkerverbindenden Humanität wurde der Jugend Haß bis

zur Vernichtung Andersdenkender gepredigt.

Als Recht galt, was dem eigenen Volke Nutzen brachte, von der

eigenen Nation wurde der Jugend ein übersteigertes Bild unerreichba-

rer Selbstherrlichkeit vor Augen gestellt, statt durch Vergleich des ei-

genen Volkes mit anderen Völkern ein gerechtes Urteil über die Vor-

züge und Mängel der eigenen Nation zu ermöglichen.

Es ist klar: das gesunde Empfinden und Denken des Volkes wurde

durch den Machtapparat des preußischen Militarismus unterbunden,

*)

Archiv der Österreichischen Gesellschaft für Historische Pädagogik und

Schulgeschichte, Klagenfurt, Sig. A 355.

XXII

durch die Parteidiktion völlig verwirrt. Mit der militärischen Kapitula-

tion wurde der gesamte Parteiapparat samt seiner Weltanschauung

hinweggefegt.

Aus dem furchtbaren Zusammenbruch des Deutschen Volkes

ergibt sich nun als sittliche Forderung eine der höchsten Aufgaben der

Jugenderziehung: der Gedanke, den Kant 1795 als Ziel bezeichnet hat,

der Bund der Völker.

Die Irrlehre, dass Macht vor Recht gehe, muß aus den Schulen ver-

schwinden.

Für die Tugenden menschlicher Selbstaufopferung, edler Vater-

landsliebe, strenger Zucht und eisernen Gehorsams gibt es andere Be-

tätigungsmöglichkeiten als den Krieg.

Schwierig wird es sein, dem Volke eine neue Staatsidee zu veran-

kern und zwar den Staat als Verkörperung des Gesamtwillens des

Volkes, nicht eines einzelnen machthungrigen Individuums oder einer

kleinen sogenannten Herrenschicht.

Unser Kulturbesitz und unsere ganze Lebenshaltung werden durch

den furchtbaren Sturz, zu dem uns der nationalsoz. Staat geführt hat,

in Frage gestellt.

Nur ernste Zusammenarbeit aller führenden Geister in Schule, Kir-

che, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft kann unser österr. Volk zu

einer neuen Höhe des Lebens führen.

Diese Arbeit muß aber mit der Läuterung des inneren Menschen

einsetzen.

Selbstverständlich ist die Schule allein nicht imstande, die Erzie-

hung des Kindes ausschlaggebend zu gestalten. Die Erziehung obliegt

in erster Linie den Eltern u. dem Elternhaus.

Dies hat der Nationalsozialismus klar erkannt u. hat daher die Kin-

der dem Einfluß der Eltern ganz entrissen vom Kindergarten bis zum

militärischen Alter, um ihnen keine eigenen Gedankengänge einzu-

impfen.

Dem Zusammenwirken von Elternhaus und Schule werden künftig

wieder die Elternvereinigungen dienen.

Auch Presse, Rundfunk, Theater und Film werden sich in den

Dienst dieser Aufgabe stellen.

Die eigentliche Beseelung erfährt die Tätigkeit der Schule durch

die Erziehungsarbeit. Eine Schule mit bloßer Unterrichtsarbeit ist un-

denkbar.

XXIII

Die Schule erblickt in der Erziehung zur sittlichen Persönlichkeit

ihre höchste Aufgabe und sucht diese durch das gesamte Schulleben

zu pflegen.

Die religiöse Erziehung wird wieder neben die staatliche humane

treten.

Die hohe Einschätzung des pädagogischen Wertes der Religion für

den Staat liegt darin, daß der konfessionelle Religionsunterricht eine

übersinnliche Begründung der Moral vermittelt.

Wir kehren in unserer Erziehungs- und Unterrichtsarbeit zurück zu

den Grundsätzen, Organisationsformen und Lehrstufen der österrei-

chischen Volksschule zurück, wie sie der Lehrplan des Jahres 1926

und der definitive Lehrplan von 1930 verordnet haben.

Die Grundlage bildet das Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai

1869.

Sowohl nach dem Gesetz, als auch nach den Lehrplänen wird eine

Doppelaufgabe erstrebt; einerseits die Entwicklung der Kräfte des

Körpers und der Seele, anderseits die Vermittlung eines bestimmten

Bildungsgutes.

Hinsichtlich der Durchführung des Lehrplanes ist zu beachten:

1. Die Bodenständigkeit des Unterrichtes, dies bedingt nicht, dass

dieser an den Grenzen der Heimat haltmacht.

2. Gesamtunterricht und Wechselbeziehung der Lehrfächer.

1. bis 3. Schulstufe hat Gesamtunterricht; seine Wurzeln hat er im

heimatlichen Sachunterricht.

Auf der 4. Schulstufe vollzieht sich langsam der Übergang zum ge-

fächerten Unterricht, der auf der 5. Schulstufe voll durchgeführt

wird.

Hiebei ist die engste Wechselbeziehung der Fächer geboten.

Deshalb ist es Pflicht des Lehrkörpers jeder Schule, für jede Klasse

und Abteilung eine, die örtlichen Verhältnisse berücksichtigende

Lehrstoffverteilung zu erstellen.

Auf der 1. bis 3. Schulstufe beschränkt sich der Stundenplan auf die

Angabe von Beginn und Ende der täglichen Unterrichtszeit, sowie der

Angabe der Unterrichtsstunden, die nicht vom Klassenlehrer erteilt

werden.

Auf der 4. Schulstufe setzt der gefächerte, jedoch elastische Stun-

denplan ein; vom 2. Halbjahr der 4. Schulstufe an ist der Unterricht

nach einem gefächerten Stundenplan zu erteilen.

XXIV

3. Selbsttätigkeit der Schüler (Arbeitsgrundsatz). Selbsttätige Ar-

beit, Darbietung durchden Lehrer und Übung müssen zusammenwir-

ken. Hiezu treten nach Bedarf Schul- und Hausübung, gedächtnismä-

ßiges Behalten (Merkhefte, größere Wiederholungen).

4. Rücksicht auf die Eigenart der Schüler und auf ihre Entwick-

lungsstufe.

Anmerkung.

1. Es wird nochmals auf den Erl. d. Militärregierung hingewiesen,

wonach die Schulbücher, die ab 1938 erschienen sind, einzuziehen

und bei den Gemeinden abzuführen waren.

2. Es wird aufmerksam gemacht, daß die Schulgesetze und Ver-

ordnungen genauestens zu beachten sind. Angebliche Unkenntnis

schützt nicht vor Folgen.

3. Namen der Schulaufsichtsbehörden sind:

a) Ortsschulrat

b) Bezirksschulrat

c) Landesschulrat

d) Es gibt weiterhin einen Bezirksschulinspektor und einen Lan-

desschulinspektor.

Die Namen des dritten Reiches wie: Landrat, Schulamt, Schulrat

etc. sind nicht mehr zu gebrauchen.

4. Zur Beseitigung bestehender Zweifel wird festgestellt: Die dem-

nächst erscheinende Fibel gebraucht die Steinschrift. Mit dieser ist zu

beginnen und dann in die Lateinschrift überzuleiten.

Beglaubigt: Der Vorsitzende-Stellvertreter:

Dr. Pototschnig e.h.

3e zirks sehufr., t St77. I L6._\-29/_1-.. _Richt].i-aien.

XXV

An alle Sehulleitulgen!

.Veit a. d. Gfan rn 23, oktober 1945.

Iie österreichische schule !4uß ,'rieder hergesteLit üerderr uJld den

Statd vor 1978 e rre ic hen.Hiebei ist zu beachten: 'i:-Di; ,,';ü;; ;;;--d;;.;,1ter, de'r Eltern, der srhulo und' ilelo lebtet

nuß uiedei hergesiellt wetden'2. nie ,ürde in Kinde aäir" "iäi;' ""t1etzt

werdeEillqher€Üü €t'keiJe PTi€el,strafe nehr. '1 .

l. lie jcrrurä i"t gutruÄen-"on Gelste de! Decckri'tie' Uto dieseD'" Z" "ÄitÄ", ,-ina-scni,ijJr o'ti" it*tatrte.u- zu bl1den' ( +cltereWeisur€en folgen).

4. Die Schuivcrwaltu-ng ist nicht nehr autqrltdf, scn4grn draqkr€.ütlcltrko1leEia1,

5. ;;;-r;;;-i" der .ich''fe wie Yor 1918 urd wie rrtsüblich'6. lu" xti"g, 4och nehr aler lie ]tqihoden der natioaslsoziaustl--'

""n"n i"Ti"ftung haben ein Sinken ulnd Schwi4deIl des nor|llschen

*.tÄI"äin"l jä'"itt" "tllriä- iunl"'"g- arrer sittlichen urld rcbt-

iictren -ge;ritie nervrreebricht Der vö}}sgedsltke wulde JaiB€lcr Ju-;;ä-ä*;;fi ;r;-värülnoine nir der :i .rsenfisge zu einer luelre der3iiü=itii""rtäluns, - ÄJt voir."tetper zu einem lrodukt rein tior{scheri;i;;;;;;'ä;;fE;";ü."i;ü;ä;;iä-," uGÄ' o{bi+da üi aa''|dlr rejlä-'lich re sänüberst ehend er ltrttionen-- -'ät ji?-,,iä"-ii;ü"ti""ti"o""0e! Ilunanität 'nurde der Ju€€nd Eaß biszR:r verniclt!ur.a Aldersdenkend:r gcpredigt-"*Ai;'i:;;;;;S1;'-;;;-Aa; eigenän-vortö üutzen brscrte' von der

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iip ii"io t roÄ- *urae de"-gu"utiE ?arteispparat sant seiner {elt"rt-achauung !-inwegge.fegt.

Aus den fuJqhtbrreE. Zusanineltbrrch deg Eeutschtn Volkes ergibtsich nulg als sittlicr.e i""*"""-g eine der h-öchslen iuJsalen üerJ use nd erziehrüg, a"t c"äi"t" ,1'3"":''a" t r is I oi" zi"r beteichnlt bat.

. ,der Bu.nd der völker.---li" -irlrf "hre , dass ilacbt vLrr Recht gelre ' ouß aus ä'a'!t Slllllet' Yer-

s c hYr in'l en "Iir die f-rgeEden menschlich'r 5e lbs t'ruf clfert2IrE ' edler Vät€rlonös-1iebc. strenser Zucnt üo--!isärnen Gehorsaraä glbt"äe alldore 3.tgt1-guJ-gsäögl. icb [eite n rrs 4er I(rieg'

.r^ha'ioFi' wi..l ps ""itt. lÄn Volke eine leue Staatsidee zlr Yor-

,,"k;;ü'" rrä - i";i' ä""" si ""i' i., v'r { ö rle?uns des

. Ge 6u$rxi}f ens ile s

üäir.ä'r' iiär.i "irrlu " r"ääioun-Mactrttu.i.srlgän lr{.ividiurns oder qi.ne r

;i;i;;"-;;;;".nnten Herrens ihictrt'T16er (ultuf.besitz unO

-u!sere g'rnz€ lre b eüslialt uag erqrden durshden fur.h+baren Sturzrfi a"or-oo*"a"" nationalsozrsia rt gefülxrt l1a*..

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- ääie irs cirart , päritik und lirtsehaft kal1l1 w1set' österr:rvolk

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XXVI

Elatt 2

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Sc',,,oj:l]. ri:cb den Gese'tz Jl: .r_c4 _r--n de.n iehrplänet wi.ra eiae iäo_!... ff :; ? e:. !: :L L. <_,-erc: - t- o, r:i-.^. "uu,qg-ä"i-Tiäii"-aÄ" ioi_'pers Lid,1 1er Uee,te j onderselJs di,: Verüitt1,J.rlg eines beg'tlnmtelr BiL_r rlrg 5Ar,t tcHirsl,citil.h aer lur..h-'i'rujt: des lehrpl.rnes ist zu beachte!.t1. )lo 8"1"-.',r.nil;eit ,:es rrr-,-rrichtes, dies Ue:ingt ntehi]

d.ass -lieser eil dei.l alrcrlze:i der Hei[at haltnacht.2, eesar'riir:terrlcht u-]iLi l'e chs efbe zie hung der lehrfächir,1 ., L: s j . Schul jj..i.tlL h:ri Ge oant,"lI:t eriicht I seine i.{urzeln l'atcI 1r heillatliahell :,tr.hrrnter.richt -.c !u .ier 4. S.i_rfsrir! vollzaeht sich lan€isan der übergang zuagef"lche1.ten üib.r;ich"lr, der auf der 5. Söh,.llstufe voll eirch-. ee...-'r' 1i.d::: u... . -, 1.. . r., I ^-ll,eriehung der tr,äcler seboten.,-, . t. . r r. ,.. : - L r^s -

ji,TTliiiEFF- j eo eFTEIä für j;deI{lasse .*r.tr -{'.-,r: r l *.€ ei4 , ..1ae

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i, -r-.i.ar aui cii3 .l,r:-,t,rt Ce.i: Sch,iler und auf ihre Entwioklungs_

XXVIII

Steckbrief*)

Schule bzw. Schulstandort Volksschule Klagenfurt

Schulart Volksschule

Einwohnerzahl des Schulortes

Klagenfurt/Stadt 94 039 Personen

4949 Personen (Bezirk von Kla-

genfurt/Stadt)

Schülerinnen und Schüler

innerhalb der ILE

166

Beteiligte Lehrpersonen 14

Strukturelle Besonderheiten /

Kennzeichen der Schule

Verleihung des österreichischen

Umweltzeichens 20071

Pädagogische Innovations-

schwerpunkte

EVEU, Berücksichtigung von

Legasthenie und Dyskalkulie

Laufende Schulversuche im

Innovationsschwerpunkt

Direkte Leistungsvorlage: Kinder

präsentieren am Ende des Semes-

ters ihre Leistungen vor der Klas-

se, den Eltern und Lehrerinnen

und Lehrern.

Nationale Projekte IMST, ÖKOLOG1

Internationale Projekte Comenius (Green-Point)

Schule als selbstbestimmter Lernort2

Gertraud Benke, Sabine Strauß und Gabriele Khan-Svik

*)

In: Gertraud BENKE / Sabine STRAUß / Gabriele KHAN-SVIK: Schule als selbst-

bestimmter Lernort. In: Ilse Schrittesser / Andrea Fraundorfer / Marlis Krainz-

Dürr (Hrsg.): Innovative Learning Environments. Fallstudien zu pädagogischen

Innovationsprozessen, Wien 2012, S. 91-93, 105 f. 1 Das österreichische Umweltzeichen erhalten Schulen, die bei einem Audit

mindestens 60 % eines Kriterienkatalogs mit zehn Punkten zum Thema Um-

weltbildung erfüllen. Bis zu einem weiteren Audit vier Jahre später sollen die

fehlenden Bereiche zusätzlich umgesetzt werden. Die Volksschule erfüllte beim

ersten Audit bereits 80 %. 2 Der Artikel basiert auf den Arbeiten der als Autorinnen dieses Artikels genann-

ten Projektteammitglieder. Neben den Autorinnen des Artikels war auch Marlies

Krainz-Dürr (Pädagogische Hochschule Kärnten) an der Studie beteiligt.

XXIX

Einleitung

In den letzten 30 Jahren hat die moderne kognitive Psychologie das

Bild des Lernens und der Bedingungen, unter denen effektives Lernen

stattfinden kann, nachhaltig verändert. Was dies konkret für den Un-

terricht, seine „didaktische Inszenierung“ in einer komplexen Situati-

on mit vielen Beteiligten bedeutet, ist jedoch ein offenes Entwick-

lungsfeld. Dennoch, mehr und mehr rücken die Lernenden in den Mit-

telpunkt. Damit Lernen stattfinden kann, müssen die individuellen

Präferenzen, Interessen und Entwicklungsgeschwindigkeiten ihren

Platz bekommen; Schülerinnen und Schüler sollen dabei mehr und

mehr Verantwortung für ihren eigenen, individuellen Lernprozess

übernehmen. Dies in einer strukturierten Lernumgebung mit bis zu 25

Schülerinnen und Schülern in einer Klasse umzusetzen, ist eine gewal-

tige Herausforderung.

Eine Schule, die sich dieser Herausforderung positiv angenommen

hat, ist die im Focus stehende Volksschule im Klagenfurter Raum. Als

„Erstschule“ formt sie noch wesentlich das Bild davon, was Schule

und Lernen bedeutet und wie sich die Schülerinnen und Schüler als

Lernende verstehen können. Die Schule bemüht sich um eine konse-

quente Einbindung der Schülerinnen und Schüler, vom gemeinsamen

Erstellen der sozialen Regeln im Klassenverband bis hin zu eigenver-

antwortlichem Lernen mittels Planarbeit. Ein wesentliches Anliegen

der Schule ist es, möglichst allen Schülerinnen und Schülern die Ba-

siskompetenzen in Deutsch und Mathematik zu vermitteln, wobei hier

darauf geachtet wird, dass die „neueren Erkenntnisse der Diskalkulie-

forschung3 und der Lese-Rechtschreibschwächenforschung“ (Schul-

homepage zu „zeitgemäßem Unterricht“) Beachtung finden. In der

Umsetzung dieses Anliegens mit Planarbeit und Prinzipien der Mont-

essori-Pädagogik (ebd.) wurde eine Lernumgebung geschaffen, die

3 Diskalkulieforschung beschäftigt sich mit Ursachen von Rechenschwäche.

Aufbauend darauf werden unter anderem Modelle der Elementardidaktik der

Mathematik entwickelt, die Kinder dazu anleiten sollen, zählendes Rechnen zu

überwinden und damit für die weitere Entwicklung adäquate Zahlenvorstellun-

gen aufzubauen (z. B. Schulz 2009). [Schulz, Andrea (2009): Entwicklungen

effektiver Zahlvorstellungen und sicherer Rechenstrategien zum Verhindern von

Rechenschwäche. In: Fischer, Christian / Westphal, Ursel / Fischer-Ontrup,

Christiane (Hrsg.): Individuelle Förderung: Lernschwierigkeiten als schulische

Herausforderung. Berlin; Lit Verlag, S. 112.]

XXX

allen Schülerinnen und Schülern Raum gibt und wo vielfältige Lern-

und Bildungsprozesse stattfinden können.

Im Schuljahr 2009/10 besuchten insgesamt 160 Schülerinnen und

Schüler, davon 91 Knaben und 69 Mädchen, die Schule. Nur fünf der

Lernenden hatten eine andere Erstsprache als Deutsch (3,13 %). Ver-

glichen mit dem durchschnittlichen Wert in den anderen Volksschulen

Klagenfurts (23,82 %) ist dies ein sehr geringer Anteil. Vier Schüle-

rinnen und Schüler (2,5 %) hatten sonderpädagogischen Förderbedarf,

ein Kind (0,63 %) den Status „außerordentlich4“. Zusammenfassend

lässt sich sagen, dass diese Volksschule in Hinblick auf den sozialen

und sprachlichen Hintergrund im Vergleich zu anderen städtischen

Schulen eine weniger heterogene Schülerschaft hat.

Der Übertritt in die Sekundarstufe I verläuft ähnlich wie im gesam-

ten Schulbezirk: In Klagenfurt/Stadt traten 2009/10 51,3 % der Volks-

schulabsolventinnen und -absolventen in ein Gymnasium und 48,7 %

in eine Neue Mittelschule5 über, in der vorliegenden Schule waren es

für die beiden Sekundarschultypen jeweils 50 %.

[…]

Resümee

Die untersuchte Schule zeichnet sich durch eine sichtlich funktionie-

rende Praxis der Individualisierung und Differenzierung im Leis-

4 Außerordentliche Schülerinnen und Schüler können den Unterricht besuchen,

ohne beurteilt zu werden. Schulpflichtige mit mangelnden Deutschkenntnissen,

die anfangs nicht die Voraussetzungen erfüllen, dem Unterricht hinreichend fol-

gen zu können, dürfen so für maximal ein Jahr am regulären Unterricht teilneh-

men, bevor sie eine Einstufungsprüfung ablegen müssen. Auf Antrag kann aber

auch früher eine Leistungsbeurteilung erfolgen. 5 Ein Modellversuch des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht,

Kunst und Kultur (bm:ukk). Die Neue Mittelschule wird als Pilotprojekt parallel

zum in Österreich üblichen gegliederten Schulwesen in (akademisch ausgerich-

tete) Gymnasien und eher auf Berufsreife orientierte Hauptschulen geführt und

sieht den gemeinsamen Unterricht aller 10- bis 14-Jährigen vor. Den unter-

schiedlichen Lernzugängen der Schülerinnen und Schüler wird durch erhöhte

innere Differenzierung Rechnung getragen. Gymnasial- und Hauptschullehrer

und -lehrerinnen erteilen im Rahmen dieses Projekts gemeinsam Unterricht.

XXXI

tungsbereich aus. Grundlage dafür sind das Vertrauen in die Schüle-

rinnen und Schüler, ihr Lernen selbst in die Hand nehmen zu können,

sowie die konsequente Beteiligung der Lernenden am Schulleben. Die

Schülerinnen und Schüler werden zu Gestaltenden ihres eigenen

Lernprozesses, sie suchen sich innerhalb von vorgegebenen Räumen

aus, was sie in welcher Reihenfolge mit wem und wo (in welcher Hal-

tung) bearbeiten. Sie gestalten die Regeln und auch teilweise die

Räume mit, in denen sie leben und arbeiten. Während der Beobach-

tung stellten sich immer wieder die Fragen: Könnte das ILE auch ohne

die konsequente Demokratisierung des gesamten Lernumfeldes funk-

tionieren? Wird von den Kindern Verantwortung für ihr Lernen über-

nommen, wenn sie nicht die Verantwortung für die Regeln des Zu-

sammenlebens und Entscheidungsmöglichkeiten und Mitsprache prak-

tisch in allen Aspekten des Schullebens, die sie betreffen, bekommen?

Diese Fragen können hier nicht mit einem Fall beantwortet werden,

das Beispiel der Schule mit der für Österreich eher ungewöhnlich ho-

hen Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an Schulentscheidun-

gen macht aber darauf aufmerksam, dass in der Normalität vieler an-

derer Schulen ein Bruch auftritt zwischen dem Wunsch, dass Schüle-

rinnen und Schüler zu Gestaltern ihres Unterrichtsprozesses werden,

und der Realität: nämlich einem gegebenen Rahmen, der für sie von

anderen (den Lehrenden, der Schulleitung) ohne ihre Mitsprache ge-

staltet wird. Theoretisch gesehen kann es auch in so einem Umfeld

(ohne Demokratisierung des Lernumfeldes) innovatives Lernen geben,

es wird aber schwieriger, da die Bruchstelle – wann darf ich mich als

Schülerin oder Schüler einbringen, wann darf ich nicht? – zusätzlich

konstruktiv bewältigt werden muss.

Als innovativ für Österreich kann in der hier beschriebenen Volks-

schule insbesondere das Demokratielernen und -leben sowie die Um-

setzung der Planarbeit in den Erarbeitungsphasen von neuen Lernin-

halten beschrieben werden.

Möglich wurde dies durch vielfältige positive Rahmenbedingun-

gen. Der Umbau/Neubau der Schule unter Beteiligung der Lehrenden

eröffnete gestalterische Möglichkeiten, die die pädagogische Arbeit

der Lehrerinnen und Lehrer unterstützen. Die Beteiligung bei

Comenius-Projekten ermöglichte es, Unterricht aus einem anderen

Blickwinkel zu betrachten, einen Schritt aus der eigenen Schulbiogra-

fie herauszutreten und radikal andere Möglichkeiten der Unterrichts-

XXXII

gestaltung zu erfahren. Die Arbeit in nationalen Projekten eröffnete

neue Möglichkeiten durch Ressourcen und Personen, die zur Unter-

stützung herangezogen werden konnten. Zentral waren auch die be-

wusste, motivierte Leitung, die ebenfalls durch ihre Biografie einen

Blick von außen mitbrachte im Zusammenspiel mit einem Kollegium,

welches teilweise ähnliche Visionen verfolgte wie die Schulleiterin

(Hammerness 2006) [Hammerness, Karen (2006): Seeing Through

Teacher’s Eyes: Professional Ideals and Classroom Practices. New

York: Teachers College Press], sowie die grundsätzliche Unterstüt-

zung der Schulaufsicht.

XXXIII

Konrad Paul Liessmann

Der Bildungsexperte. Zur Psychopathologie eines Sozialcharakters*)

Das Leben also. Die Erfahrung. Nur durch diese lernen wir, be-

hauptet der Bildungsexperte, und er hat dafür immerhin bedeutende

Gewährsmänner: „Eine Unze Erfahrung, hat Benjamin Franklin, einer

der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika, gesagt, ist so

viel wert wie eine Tonne Theorie.“23

Wieder wird das Lied von der

grauen Theorie und dem grünenden Baum des Lebens angestimmt und

dabei übersehen, dass die moderne Lebenswelt, die solch eine Revolu-

tionierung des Bildungssystems hin zur Lebensnähe angeblich not-

wendig macht, in hohem Maße das Ergebnis grauer Theorie ist. Der

Erfolg und die Attraktivität der Bildung, von der auch der Bildungs-

experte zehrt, hat seine Wurzel in der Distanz der Bildung zum Leben,

nicht in ihrer Nähe zu diesem. Der Bildungsexperte hat eine einfache,

aber zentrale Einsicht vergessen: „Wäre Bildung Leben im Sinne des

unmittelbaren Lebensvorganges, so könnte sie dem Leben überlassen

bleiben.“24

Wenn es nichts mehr zu vermitteln gibt, weil nur noch solche Fra-

gen interessieren, die sich dem jungen Leben unmittelbar stellen, dann

wird auch der Lehrer überflüssig. Er hat nichts mehr zu lehren, denn

das Leben lernt sich ja ohnehin von selbst. Nein, nicht ganz von

selbst, ein bisschen Betreuung kann doch nicht schaden. Der Lehrer

wird zum Coach, zum „Lernbegleiter“, der Schüler wird zum „Lern-

partner“. Man begegnet sich auf Augenhöhe, der Lernbegleiter bietet

nur dann Hilfe an, wenn der Lernpartner sie einfordert. Im Prinzip

aber lernt der Lernende von sich aus, autonom, selbstbestimmt, und er

kontrolliert auch selbst seinen Lernfortschritt. Aus dieser Position ver-

stehen sich auch die berüchtigten „pädagogischen Urbitten“ des Peter

Fratton: Erziehe mich nicht! (sondern mach mich vertraut und begleite

mich); Bring mir nichts bei! (aber lass mich teilhaben); Erkläre mir

nicht! (doch gib mir Zeit zu erfahren); Motiviere mich nicht! (aber

dich).25

Keine Frage, hier entfaltet sich eine Idylle – doch diese ist wie jede

Idylle trügerisch. Das alte Problem, wie junge Menschen zur Mündig-

*)

In: Konrad Paul LIESSMANN: Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine

Streitschrift, Wien 2014, S. 30-44, hier S. 38-42.

XXXIV

keit geführt werden können, wird gelöst, indem durch einen Feder-

strich diese schon von Anfang an für mündig erklärt werden. Dass

dort, wo solche Konzepte autonomen Lernens ausprobiert werden, vor

allem die Kinder, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft wenige Vo-

raussetzungen dafür mitbringen, hoffnungslos überfordert sind, muss

geflissentlich ausgeblendet werden. Entscheidender aber ist, dass auf

das Grundprinzip aller Kultur, nach dem die nachfolgenden Generati-

onen auf den Errungenschaften und Erkenntnissen der vorangehenden

aufbauen können, demonstrativ verzichtet wird. Generell wird die

fundamentale Einsicht ignoriert, dass Lernen „nur zu einem geringen

Teil darin besteht, dass Menschen sogenannte ‚eigene’ Erfahrungen

machen. Es geht wesentlich auch darum, Fremderfahrungen, insbe-

sondere natürlich die Erfahrungen der früheren Generationen in Form

von Kulturgütern […] zu übernehmen.“26

Natürlich kann man jeden alles noch einmal entdecken lassen, und

es klingt gut, wenn die solcherart in Projekte verstrickten Pubertieren-

den rasch zu „Jungforschern“ mutieren. Es ist sicher auch sinnvoll, hin

und wieder exemplarisch zu erfahren, was es heißt, eine Frage oder

ein Problem von Grund auf und unter verschiedenen Aspekten zu be-

arbeiten. Aber, auch wenn es den Bildungsexperten im Herzen weh

tun mag, der Sinn der modernen Schule – neben den ökonomischen

Notwendigkeiten, die etwa zu Alphabetisierungsprogrammen geführt

haben – bestand und besteht darin, die zentralen Erkenntnisse und Er-

gebnisse von einigen Jahrtausenden menschlichen Strebens nach Wis-

sen zu bündeln, zu systematisieren und zu vermitteln, um überhaupt

erst Grundlagen zu schaffen, auf denen sich jene Kreativität und Ori-

ginalität entfalten können, von denen alle schwärmen. Jungen Men-

schen viel Zeit einzuräumen, damit sie das Rad noch einmal erfinden,

mag gut klingen, in Wirklichkeit wird ihnen damit Lebenszeit gestoh-

len. Das Rad muss erst dann noch einmal erfunden werden, wenn ver-

gessen wurde, was es damit auf sich hat.

Tatsächlich befördert das Konzept des lebensnahen Lernens das

kulturelle Vergessen. Vieles muss dann noch einmal entdeckt werden,

und nicht zuletzt der Bildungsexperte ist ein gutes Beispiel dafür. Das

meiste, was er uns als revolutionäre Erkenntnis mitteilt, findet sich in

den Klassikern der Pädagogik von Comenius bis Humboldt ebenso

wie in der Reformpädagogik des frühen zwanzigsten Jahrhunderts.

Und gerade die Glorifizierung des Lebens als eigentlicher Ort des

XXXV

Lernens hat nicht nur zu einer veritablen Geist- und Wissenschafts-

feindlichkeit geführt, sondern die Schule auch jener Funktion beraubt,

um derentwillen sie überhaupt in der modernen Gesellschaft eine Das-

einberechtigung beanspruchen kann: ein Ort der Muße und des Ler-

nens zu sein, der tendenziell befreit ist von den Zumutungen und

Notwendigkeiten des Lebens. Wer sich nur dem widmet, was er un-

mittelbar benötigt, wer sich immer nur an Brauchbarkeit und Ver-

wendbarkeit orientiert, wird letztlich beschränkt bleiben.

Bei aller Ambivalenz und bei aller notwendigen Kritik an den in-

humanen Seiten von Bildungssystemen besteht deren Leistung – von

der platonischen Akademie über die mittelalterlichen Klosterschulen

und Universitäten bis zu neuzeitlichen und modernen Bildungsanstal-

ten – darin, institutionell abgesicherte Orte zu etablieren, die es erlau-

ben, jenseits der Dringlichkeit des Tages Kenntnisse zu erwerben und

die Geheimnisse der Welt zu erforschen. Die Freiheit, die Freude, die

Lust, die daran liegen kann, sich mit Fragen, Geschichten, logischen

Operationen, Sprachen, Kunstwerken, Naturphänomenen zu beschäf-

tigen, ohne sich immer schon Rechenschaft darüber ablegen zu müs-

sen, ob man damit imstande sei, aktuelle oder zukünftige Probleme zu

lösen, wird den jungen Menschen durch eine falsch verstandene Le-

bensnähe im großen Stil ausgetrieben. Damit wird ihnen aber die

Chance genommen, genau jenen weiten Horizont zu entwickeln, der

theoretisch immer eingefordert wird. So wichtig Erfahrungen sind –

wir machen sie ohnehin; ein Bildungssystem erhält seinen Wert

dadurch, dass es Möglichkeiten des Kennenlernens und Erkennen von

Dingen eröffnet, die in der Welt der jugendlichen Erfahrungen unmit-

telbar nicht vorgesehen sind. Unsere selbsternannten Bildungsexper-

ten gehen deshalb, ohne dass ihnen Besorgnis und Wille zum Guten

abgesprochen werden sollen, in die Irre.

Aber immerhin, der Bildungsexperte und seine Adepten in der Po-

litik und der Öffentlichkeit haben es geschafft, dass es einige pädago-

gische Glaubenssätze gibt, denen nur mehr um den Preis, als hoff-

nungslos reaktionär zu gelten, widersprochen werden könnte. Dazu

gehören die beliebten Thesen, dass es nichts Schlimmeres als Frontal-

unterricht und nichts Besseres als Projektarbeit gebe, dazu gehört die

Vorstellung, dass sich alles in Wohlgefallen auflöse, löste man erst

einmal die Jahrgangsklassen auf, dazu gehört der Hinweis, dass sche-

matisierte Unterrichtsstunden eigentlich ein Übel seien, dazu gehört

XXXVI

der Glaube, dass zwar der Unterricht individualisiert, das Unterrichten

aber in Form des „Teamteachings“ kollektiviert werden müsse, dazu

gehört die feste Überzeugung, dass Ziffernnoten ungerecht, verbale

Beurteilungen, die sich dem Zeitgeist, den Erwartungen der Eltern und

der Phraseologie der Empathie beugen, gerecht seien, und dazu zählt

auch die Vorstellung, dass traditionelle Fächer und Disziplinen zu-

gunsten von problemorientierten Vernetzungen, Clustern und Bündeln

aufgelöst werden müssten. In Wahrheit bilden diese Glaubenssätze die

Knotenpunkte der grassierenden Praxis der Unbildung.27

Philosophie der Schule. Anmerkung zu einer Anmerkung Humboldts*)

Die Lehrer! Lange galten sie als quantité négigleable in einem Re-

formprozess, der sein Heil in der Veränderung von Strukturen, der

Revolutionierung von Lehr -und Studienplänen, der Forcierung von

Integrations- und Inklusionsprozessen und der Implementierung re-

formpädagogischer Glaubenssätze suchte. Erst in letzter Zeit besinnt

man sich wieder darauf, dass Schule und Unterricht ohne Lehrer nicht

stattfinden können. Ein Auslöser für die Renaissance des Lehrers war

zweifellos die „Hattie-Studie“, eine großangelegte Metastudie des

australischen Erziehungswissenschaftlers John Hattie, die zeigte, dass

neben allen Faktoren, die Unterricht beeinflussen, die Aktivitäten des

Lehrers von besonderer Bedeutung sind: „Lehrpersonen gehören zu

den wirkungsvollsten Einflüssen beim Lernen.“5 Seitdem wird laut-

stark darüber räsoniert, was einen guten Lehrer ausmache, wie dieser

zu agieren habe, wie sich das Lehrerbild in den vergangenen Jahren

gewandelt habe, was erforderlich sei, um das desaströse Image des

Lehrerstandes wieder zu verbessern. Unterbrochen werden diese zu-

kunftsweisenden Räsonnements allerdings immer wieder durch die

Klagen über die bittere Realität: Deutschland, deine Lehrer! Überfor-

derte, hilflose, ausgebrannte und ungepflegte Lehrer, die alte Rollen-

bilder vor sich hertragen, welche sie nicht mehr erfüllen können oder

dürfen: Sklaven, Mönche, Dorfschulmeister; Lehrer, die verzweifelt

um Autorität ringen, die Zeichen der Zeit nicht erkennen und daran

scheitern; Lehrer, die als junge Idealisten an die Schulen kommen,

*)

In: Konrad Paul LIESSMANN: Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine

Streitschrift, Wien 2014, S. 118-130, hier S. 125-127.

XXXVII

doch an der zynischen Kollegenschaft zerbrechen. Doch eine rosige

Zukunft zeichnet sich ab: Notwendig sei eine „offensive Beziehungs-

kultur“, und der moderne Lehrer muss sich als „Spieler, Multitasker,

Teamplayer“ verstehen, dann werde alles gut.6 Na ja!

Es geht auch anders. Man kann das neue Interesse an der Lehrper-

son auch dazu nützen, grundlegend über das Wesen des Lehrens nach-

zudenken.7 Dabei zeigt sich, dass Lehren in durchaus unterschiedli-

cher Weise aufgefasst werden kann, dass es ein Lehren gibt, das wie

Sokrates ein Wissen des Nichtwissens provozieren will, ein Lehren,

das eher einem klassischen Meister-Schüler-Verhältnis gleicht, ein

Lehren, das Expertenwissen vermittelt, ein Lehren, das die Lust auf

Neues befördert, ein Lehren, das in einem moralischen Sinn erziehen

will, aber auch ein Lehren, das blenden und verführen kann. Möglich,

dass es sich dabei um Varianten eines „spirituellen Trainerwesens“

handelt, dem es letztlich um die „Trennung der Geeigneten von den

Ungeeigneten“ gehen muss.8 Davon will heute allerdings niemand

mehr etwas wissen. Der modischen Reformrhetorik geht es um ein

Lehren, das nicht mehr lehren will, um Lehrer, die schlechthin nicht

mehr Lehrer sein wollen. Dies gilt als die eigentliche Zukunft des

Lehrers: Ein Partner und Begleiter, der nur noch zur Verfügung steht,

selbst aber nichts mehr verfügt. Dass sich dieser Typus im Zuge der

Reform der Lehrerbildung durchsetzen wird, steht außer Frage; dass

sich dadurch die Krise der Schule und damit auch die Krise des Leh-

rers nicht nur prolongieren, sondern verschärfen wird, darf ohne gro-

ßes Risiko prognostiziert werden.

23

Hüther / Hauser, Jedes Kind ist hoch begabt, S. 58 [Gerald Hüther / Uli Hauser: Jedes Kind

ist hoch begabt. Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen,

München 2012] 24

Heinz Joachim Heydorn: Zur Aktualität der klassischen Bildung, in: H.J.H.: Bildungstheo-

retische Schriften, Bd. 1, Frankfurt/Main 1980, S. 308 25

Fratton, Lass mir die Welt, Pos. 984ff. [Peter Fratton: Lass mir die Welt, verschule sie

nicht. Warum Leben und Lernen unzertrennlich sind, Weinheim und Basel 2014, Kindle E-

Book] 26

Roland Reichenbach: Für die Schule lernen wir. Plädoyer für eine gewöhnliche Institution,

Seelze 2013, S. 130 27

Vgl. dazu die Titelgeschichte „So schadet Schule unseren Kindern“ im österreichischen

Wirtschaftsmagazin Format vom 26.6.2014, die blauäugig alle diese Klischees reproduziert:

http://www.format.at/articles/1426/581/376277/so-schule-karriere-kinder, abgerufen am

9.7.2014

XXXVIII

5 John Hattie: Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von „Visible

Learning“ von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer, Baltmannsweiler 2013, S. 280 6 Christine Eichel: Deutschland, deine Lehrer. Warum sich die Zukunft unserer Kinder im

Klassenzimmer entscheidet, München 2014, Kindle E-Book, Pos. 5448ff. 7 Andreas Gruschka: Lehren, Stuttgart 2014, Kindle E-Book, Pos. 1324ff.

8 Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik. Frankfurt / Main 2009,

S. 432