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Ravensburg spielt Spielplatz Computer
Jugendschutz & Altersfreigaben
Cord Dette
Vorbemerkung: Werdegang Referent
Seit 1990 in diversen Bands (Punk- Rock) aktiv, weit über 100 Konzerte im ganzen süddeutschen Raum
Zwischen 1990 und 2000 aktiver Besucher des Juha Herrenberg
2000 – 2006 Studium Soziologie und Neuere Deutsche Literatur
Seit März 2007 in der Jugendarbeit der Mariaberger Ausbildung und Service gGmbH tätig (OJA und SSA)
Seit 2011 Referent für Medienpädagogik für die AJS
Arbeitsschwerpunkte: Medienpädagogik, Sexualpädagogik, Jugendkulturarbeit
Vorbemerkung: Sozialtheoretische Verortung
Schwerpunkt in Soziologie: Arbeits- und Industriesoziologie & Qualitative Sozialforschung (Grounded Theory)
Symbolischer Interaktionismus
Amerikanischer Pragmatismus
Prozessuales Realitätsverständnis, Verneinung von Objektivität
Systemischer Arbeitsansatz
Verstehen der Situation des Gegenübers; keine Bewertung; kein vorgezeichneter, richtiger Weg
Vorbemerkung: Grundverständnis
Wer sich auf die Realität einlässt, muss
die beruhigende Eindeutigkeit
aufgeben.Archiv der Jugendkulturen e.V.
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Vorbemerkung
Der Mensch spielt nur, wo er in Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.ganz Mensch, wo er spielt.
Friedrich Schiller
Über die ästhetische Erziehung des Menschen
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Spielegenres I
• Sportspiele (FIFA 2011 etc.)
• Wirtschaftsspiele (zu Themen wie z.B. Eisenbahn oder Fußballmanager)
• Strategiespiele
• Fahrspiele
• Adventures (Zelda)
• Jump-and-Run-Spiele (z.B. Super Mario)
• Umsetzung traditioneller Spielmittel (Skat, Schach usw.)
• Beat‘em‘up bzw. Duel-Fighter
• Ego-Shooter, First-Person-Shooter, Killerspiele
• Massively Multiplayer Online Role-Playing-Games = MMORPG (z.B. World of Warcraft aber auch Spiele ohne Netzwerk)
• Online-Spiele, Browsergames
• Simulation (Die Sims, Second Life)
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Spielegenres II (Softwarekategorien)
Schulbezogene Lernsoftware
Werkzeuge (Tools)
Edutainment (wächst derzeit stark)
Infotainment
Simulationssoftware
Mischformen
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Daten zu verschiedenen Spielen: Second Life
• Das seit 2003 verfügbare System hat 21 Millionen registrierte Benutzerkonten, rund um die Uhr sind meist rund 35.000 bis 60.000 Nutzer gleichzeitig in das System eingeloggt.
• Second Life hat verschiedene Mitgliedstarife:Basic – kostenlos,Additional Basic – derzeit ebenfalls kostenlos (früher 9,95 US$ pro zusätzlichem Avatar),Premium – Es gibt drei Optionen für Premium-Tarife: – monatlich – 9,95 US$,– vierteljährlich – 22,50 US$ (7,50 US$ pro Monat),– jährlich – 72 US$ (6 US$ pro Monat.)
• Virtuelle Währung SL-$ kann mit realem $ transferiert werden. Somit ist SL auch in den realen Wirtschaftskreislauf eingebunden
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Daten zu verschiedenen Spielen: Die Sims
Seit Februar 2000 auf dem Markt.
Laut Angaben von EA-Games in der Jubiläums- Edition von Die Sims 3 Traumkarrieren (2010) wurde das Spiel insgesamt 125 Millionen mal verkauft.
Windows, Mac OS, Playstation 2, Xbox, GameCube, iPhone, iPod touch
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Daten zu verschiedenen Spielen: FarmVille
• Das Spiel wurde am 19. Juli 2009 von der Firma Zynga veröffentlicht; bereits Anfang September 2009 verzeichnete es rund 35 Mio. Nutzer pro Monat und war damit die beliebteste Facebook-App. Nach Angaben des Tracking-Service Appdata waren es Ende Februar 2010 bereits mehr als 80 Mio., Anfang Juni 2010 nach Inside Social Games etwa 70 Mio. aktive Spieler. Nach weiteren Verlusten lag die Zahl der aktiven Nutzer im April 2011 bei rund 47 Millionen.
• Kosten: eigentliche keine. Geld verdient Zynga in dem Moment, wenn die meist jungen Spieler zu ungeduldig werden: Wer sich das Farmhaus nicht mühsam durch das Ernten immer neuer Früchte verdienen will, kann auch mit echten Geld nachhelfen
• Geschätzter Wert laut Firmenangaben: 4,6 Mrd. Dollar (Quelle: Wall Street Journal)
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Daten zu verschiedenen Spielen: World of Warcraft
• Das Spiel erschien am 23. November 2004 zunächst in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. In Europa ist das Spiel seit dem 11. Februar 2005 im Handel erhältlich
• Das Spiel von Blizzard Entertainment ist mit mehr als einer Milliarde Dollar Umsatz jährlich eines der lukrativsten Unterhaltungsmedien. Wie bei manchen MMORPGs üblich, muss für World of Warcraft ein monatliches Entgelt entrichtet werden und einmalig die Kosten für das Spiel.
• Das Spiel zählte Oktober 2010 mehr als 12 Millionen Abonnenten.
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Konstruktionsprinzipien virtueller Spielewelten
Grundvoraussetzung:Damit sich im Spiel eine Welt für den Spieler entfalten kann bzw. der
Spieler Spaß hat, muss die Spielwelt gegen seine Versuche Widerstände
entwickeln.
Die „Widerstände der Welt“, die Schwierigkeiten, Verwicklungen und
Herausforderungen, sind es, die die Fähigkeiten des Spielers fordern (und
fördern).
Hierdurch entsteht auch ein Teil der Faszination, da der Spieler ebenso
wie in der realen Welt mit Problem konfrontiert ist. Löst er diese entsteht
eine ähnliche Befriedigung und ein Glücksgefühl wie in der realen Welt.
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Konstruktionsprinzipien virtueller Spielewelten
Geschichte
Denken Action
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Exkurs USK
Exkurs USK Die Alterskennzeichnungen
Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §
14 JuSchG.
Spiele mit diesem Siegel sind aus der Sicht des Jugendschutzes für Kinder jeden Alters unbedenklich. Sie sind aber nicht zwangsläufig schon für jüngere Kinder verständlich oder gar komplex beherrschbar.
http://www.usk.de/90_Die_Alterskennzeichen.htm (7.10.08)
Exkurs USK Die Alterskennzeichnungen
Freigegeben ab 6 Jahren gemäß §
14 JuSchG.
Die Spiele wirken abstrakt-symbolisch, comicartig oder in anderer Weise unwirklich. Spielangebote versetzen den Spieler möglicherweise in etwas unheimliche Spielräume oder scheinen durch Aufgabenstellung oder Geschwindigkeit zu belastend für Kinder unter sechs Jahren.
http://www.usk.de/90_Die_Alterskennzeichen.htm (7.10.08)
Exkurs USK Die Alterskennzeichnungen
Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §
14 JuSchG.
Kampfbetonte Grundmuster in der Lösung von Spielaufgaben. Zum Beispiel setzen die Spielkonzepte auf Technikfaszination (historische Militärgerätschaft oder Science-Fiction-Welt) oder auch auf die Motivation, tapfere Rollen in komplexen Sagen und Mythenwelten zu spielen. Gewalt ist nicht in alltagsrelevante Szenarien eingebunden.
http://www.usk.de/90_Die_Alterskennzeichen.htm (7.10.08)
Exkurs USK Die Alterskennzeichnungen
Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §
14 JuSchG.
Rasante bewaffnete Action, mitunter gegen menschenähnliche Spielfiguren, sowie Spielkonzepte, die fiktive oder historische kriegerische Auseinandersetzungen atmosphärisch nachvollziehen lassen. Die Inhalte lassen eine bestimmte Reife des sozialen Urteilsvermögens und die Fähigkeit zur kritischen Reflektion der interaktiven Beteiligung am Spiel erforderlich erscheinen.
http://www.usk.de/90_Die_Alterskennzeichen.htm (7.10.08)
Exkurs USK Die Alterskennzeichnungen
Keine Jugendfreigabe gemäß §
14 JuSchG.
In allen Spielelementen reine Erwachsenen- produkte. Der Titel darf nur an Erwachsene abgegeben werden. Bei Verstoß drohen Ordnungsstrafen bis 50.000 Euro. Der Inhalt ist geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Voraussetzung für die Kennzeichnung ist, dass §14JuSchG Abs.4 und §15 JuSchG Abs.2 und 3 (»Jugendgefährdung«) nicht erfüllt sind.
http://www.usk.de/90_Die_Alterskennzeichen.htm (7.10.08)
PEGI = Pan European Game Information
Spricht Altersempfehlungen aus
Exkurs PEGI - Kennzeichnungen
Exkurs PEGI - Kennzeichnungen
empfohlenab 3 Jahren
empfohlenab 12 Jahren
empfohlenab 18 Jahren
empfohlenAb 6 Jahren
empfohlenab 16 Jahren
empfohlenab 4 Jahren
empfohlenab 7 Jahren
Exkurs PEGI - Kennzeichnungen
Spiel verwendet Schimpfwörter
Spiel bezieht sich auf Drogenkonsum oder zeigt diesen
Spiel bereitet kleinen Kindern Angst oder ist gruselig
Spiel zeigt Diskriminierung oder Spielinhalt fördert Diskriminierung
Das Spiel enthält Gewaltdarstellungen oder verherrlicht/verharmlost Gewalt
Spiel fordert zum Glücksspiel auf oder gibt Anleitung dazu
Exkurs PEGI - Kennzeichnungen
Spiel kann online gespielt werden
Online/Browsergames geeignet für alle Altersklassen
Spiel enthält sexuelle Anspielungen oder Darstellungen
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Faszination Computerspiel -ein Erklärungsversuch -
• Die virtuelle Welt ist eine eigenständige Welt• Zwischen unserer realen Welt und der virtuellen Welt gibt es durch uns
einen Austausch (Transfer und Rahmungskompetenz)• Die virtuelle Welt bietet mir die Möglichkeit mich neu zu erleben• Ich kann mir Erfolgserlebnisse schaffen• Ich kann in Wettstreit mit anderen treten• Ich kann in Wettstreit mit mir selbst treten (Highscore)• Ich kann Dinge erleben und tun, die ich real nicht tun würde (sozial
unerwünscht) oder nicht kann (Kämpfen, Zaubern)• Intensive Computerspielnutzung geht mit erhöhter
Dopaminausschüttung (Glückshormon) einher • Stressbewältigung/Abschalten• Zeitvertreib
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Was macht Computerspiele problematisch?
Die Sogwirkung, die gewisse Spiele auf Spieler ausüben können, wie Onlineshooter, Egoshooter und MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing-Games z.B. WoW) => Die damit angesprochene Problematik bezieht sich darauf, dass MMORPGs weniger durch ihre Brutalität o.ä. problematisch sind, sondern wegen ihres enormen Zeitaufwandes, der für das Erreichen des Spielzieles notwendig ist. Der Zeitfaktor ist bisher kein Kriterium der USK, genau dies fordert die Studie des KFN.
MMORPGs werden mit Leuten auf der ganzen Welt gespielt. => Daher kann es sein, dass man in einer Gruppe (Gilde) spielt, die z.B. zu einer Zeit sich mit einer anderen Gruppe zum Kampf trifft, zu der man z.B. Schule hat oder arbeiten muss. Der Gruppendruck kann dabei enorm sein.
MMORPGs sind eine Parallelwelt. D.h. ich erschaffe mir ein Alter Ego und durchlebe Sozialisation. Es passiert Identitätsbildung mit allen Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten.
Belohnungssystem der Spiele (Level geschafft z.B. neue Fertigkeiten oder Ausrüstungsgegenstände)
Die offene Gewaltdarstellung und Kampfhandlungen als Spielinhalt (Egoshooter)
Der mögliche Verlust des Realitätsbezuges bzw. das aufweichen der Grenzen zwischen Realität und Virtualität
Hohe Mediennutzungszeiten korrelieren mit unterdurchschnittlichen schulischen Leistungen
Kostenfalle bei Browsergames
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Positive Aspekte der Computerspiele
MMORPGs sind Spiele, die die Sozialkompetenz in sofern fördern, als dass sie nur im Team zu spielen sind, ebenso wie Egoshooter. (Sozialisation)
Viele Spieler berichten, dass sie durch MMORPGs die Notwendigkeit des Sprechens der englischen Sprache in der globalisierten Welt direkt erlebt haben. Die meisten Spiele sind auf Englisch und ebenso die Kommunikation der Spieler untereinander.
Gewalt und Aggression sind Aspekte des menschlichen Lebens (entgegen berechtigtem Wunschdenken). Computerspiele können ein Ventil sein, Aggressionen abzubauen (bei vorhandener Medien- und Rahmungskompetenz sowie einer Lebensperspektive) Katharsisthese
Computerspiele können Jugendliche fit im Umgang mit dem PC und dem Internet machen. Beides sind wichtige zukünftige Kompetenzen.
Cyber-Zombies sind ein Klischee, vielmehr sind z.B. Lan-Partys Treffpunkte und Face-to-Face-Interaktion finden nachwievor statt. Computerspiele dienen hier dem Zeitvertreib und dem Vergnügen.
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Medienpädagogische Interventionsstrategien
Restriktive Maßnahmen können allenfalls den Kontakt mit problematischen Inhalten zeitweise unterbinden
Auch Coviewing, also die reine kommentarlose Anwesenheit während des Medienkonsums der Kinder und Jugendlichen ist kontraproduktiv, da dies leicht als Billigung gedeutet werde kann.
Empfehlenswert sind aktive Interventionsstrategien:1. violentes Verhalten (in den Medien) eindeutig negative kommentieren und dies auch begründen
2. für die Perspektive des Gewaltopfers sensibilisieren
3. Hinweis auf den fiktiven Charakter von Medieninhalten könne zwar Angstreaktionen entgegenwirken, haben sich bei der Prävention von Aggressionswirkungen aber als wenig effektiv erwiesen
4. Ältere Kinder und Jugendliche sollten angeleitet werden, die gewünschten Schlussfolgerungen selbst zu ziehen
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Medien und Gewalt, Befunde der Forschung 2004-2009
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Medienpädagogische Interventionsstrategien nach Singer & Dette
Gemeinsam Nutzungszeiten vereinbaren
Spielverhalten begleiten bzw. beobachten
Sich die Gründe für das Spielen und die Faszination durch die Kinder- und Jugendliche zeigen lassen
Über Gefahren sprechen
Auf die Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen vertrauen
Computerspielen nicht verteufeln und verdammen (Forbidden-Fruit- Effekt)
Ruhe und Gelassenheit bewahren bei gleichzeitigem echten Interesse für das Leben, die Wünsche und die Lebenssituation der Jugendlichen
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„Erst wenn die letzte LAN-Party verboten und der letzte PC
abgeschaltet ist und das letzte Gewaltspiel auf dem Index steht,
werdet ihr feststellen, dass ihr uns doch erziehen müsst.“
Ein Schüler in einer E-Mail an eine Bundestagsabgeordnete
13.05.2011
Abschlussbemerkung