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VDI ISBN 3-931384-33-0 VDI „Für Unternehmen der Wirtschaft ist eine professionell durchgeführte Risiko- kommunikation ein unverzichtbares Mittel für die Prävention und die Be- wältigung von möglichen Krisenfällen.” Prof. Dr. Herwig Hulpke Leiter des Konzernstabes Qualitäts-, Umwelt-, und Sicherheitspolitik der Bayer AG Vorsitzender des VDI-Bereiches „Technikbewertung” Peter M. Wiedemann Rainer Carius Carsten Henschel Hans Kastenholz Werner Nothdurft Frank Ruff Hans Joachim Uth Risikokommunikation für Unternehmen für Unternehmen Risikokommunikation

RZ Titel Riskokom - peter wiedemann · Carsten Henschel Hans Kastenholz Werner Nothdurft Frank Ruff Hans Joachim Uth Risiko kommunikation für Unternehmen für Unternehmen Risikokommunikation

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VDIISBN 3-931384-33-0 VDI

„Für Unternehmen der Wirtschaft ist eine professionell durchgeführte Risiko-kommunikation ein unverzichtbaresMittel für die Prävention und die Be-wältigung von möglichen Krisenfällen.”

Prof. Dr. Herwig HulpkeLeiter des Konzernstabes Qualitäts-,Umwelt-, und Sicherheitspolitik derBayer AGVorsitzender des VDI-Bereiches „Technikbewertung”

Peter M. WiedemannRainer CariusCarsten HenschelHans Kastenholz Werner NothdurftFrank RuffHans Joachim Uth

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für UnternehmenRisikokommunikation

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HAUPTGRUPPEVDI VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE

Im Auftrage des VDI herausgegeben von:

Gestaltung und Fotografie:

Dr. Peter M. WiedemannVorsitzender des VDI-Ausschusses „Technik-Risiko-Kommunikation”

Ursel MaxischGrafik-DesignDüsseldorf

VDI VEREIN DEUTSCHER INGENIEUREDüsseldorf 2000

Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdrucks,der auszugsweisen fotomechanischen Wiedergabe (Fotokopie) und das der Übersetzung vorbehalten.Inhalt gedruckt auf chlorfrei-gebleichtem umweltfreund-lichem Papier.

Die Abgabe erfolgt zum Selbstkostenpreis von DM 30,-einschl. gesetzlicher Mehrwertsteuer (Preis für VDI-Mitglieder: DM 27.--)

ISBN 3-931384-33-0

©

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I

Vorwort

VORWORT

Wissenschaft und Technik sind in den letzten Jahren inzunehmendem Maße der „Risiko-Debatte“ ausgesetzt.Dem Thema „Risiko-Kommunikation“ kommt somit eine zentrale Bedeutung zu. Klärungen und Entschei-dungen im Rahmen von „Risiko-Fragen“ sind jedochfächerübergreifend und interdisziplinär anzugehendeFragestellungen, die über technischen und natur-wissenschaftlichen Sachverstand hinausgehen undgrundlegende Wertfragen tangieren, wie sie von der Entscheidungstheorie, den Rechts- und Gesellschafts-Wissenschaften bis hin zur Philosophie bearbeitetwerden.

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II III

VorwortVorwort

Entsprechend dem Common Sense der „Risikogesell-schaft“, dass Chancen ohne Risiken nicht zu habensind, werden allerorten Strategien des Risikomanage-ments entwickelt. Getragen von einem gewissermaßentechnokratischen Optimismus wird Experten undSicherheitsingenieuren die Aufgabe zugeteilt, die Bilanz von Nutzenserwartung und Schadenserwar-tung zu optimieren. Doch wie kommen diese Erwartungen zustande? Können wir eine „neutraleKalkulationsbasis“ abtrennen von „subjektiver“ Risiko-wahrnehmung und „subjektiver“ Einschätzung derAuswirkung von Schadensfällen und – insbesondere –den Möglichkeiten, mit solchen Ereignissen umzu-gehen (sie aufzufangen, sie zu kompensieren etc.)?Die Einsicht gewinnt Raum, dass solche „subjektiven“Verhältnisse Bestandteil der Risikomodellierung unddes Risikomanagements werden müssen, denn, so pa-radox es klingt: „Subjektive“ Risiken werden „objektiv“, sofern sie manifeste Auswirkungen habenim Marktverhalten und in der Akzeptanz von Unter-nehmensstrategien, Verfahren und Produkten.

Wie lassen sich nun unterschiedliche Einschätzungenvon Risiken, Risikoverläufen und notwendigen Re-aktionen im Krisenfall abgleichen und koordinieren?Durch eine geplante und gut gestaltete „Risiko-kommunikation“ der Risikoträger und der Betroffenenuntereinander. Eine solche Risikokommunikation be-fördert sowohl die Prävention als auch das konkreteKrisenmanagement im Schadensfall. Insofern gehörteine seitens der Unternehmen gut gestaltete Risiko-kommunikation ebenso zum „Risikoinventar“ wie Versicherungen, Reparaturmechanismen und andereAuffang- und Präventionsmaßnahmen.

Im vorliegenden Leitfaden wird die Notwendigkeit von Risikokommunikation aufgezeigt, und es werdeneinschlägige Lösungen vorgestellt für die zu gestalten-den Kommunikationsbeziehungen sowohl zwischendem Unternehmen und seinem Umfeld als auch für dieGestaltung der unternehmensinternen Kommunika-tion. In Gestalt eines übersichtlichen Manuals werdenProblemfelder und notwendige Maßnahmen analy-siert; praxisnahe Lösungswege werden empfohlen.

Ein solches Projekt kann nur im Rahmen interdiszipli-närer Zusammenarbeit realisiert werden. Resultat einer solcher Kooperation ist der vorliegende Leitfaden,der sich der intensiven Arbeit des VDI-Ausschusses„Technik-Risiko-Kommunikation“ unter dem Vorsitzvon Peter Wiedemann verdankt.

Prof. Dr. Christoph Hubig

Vorsitzender des VDI-Bereiches „Mensch und Tech-nik“Professor für Wissenschaftstheorie und Technikphilo-sophie an der Universität Stuttgart

In Anbetracht dieses Sachverhaltes kann es nicht erstaunen, dass ein intensiver Gedankenaustauschund ein ebensolcher Meinungsabgleich erforderlichist, um die erforderliche Klarheit für das Verständnisder Zusammenhänge und den daraus abzuleitendensowie mitzutragenden Entscheidungen und Hand-lungen zu gewinnen. Die Kommunikation zwischenden verschiedenen Akteuren, die sich in den einzelnen„Fachgebieten“ des weiten Themas „Risiko“ enga-gieren, ist ebenso erforderlich, wie die Kommunika-tion zwischen Fachleuten und Laien oder zwischenden Handelnden sowie den Betroffenen.

Für Unternehmen der Wirtschaft ist eine professionelldurchgeführte „Risiko-Kommunikation“ ein unver-zichtbares Mittel für die Prävention und die Bewälti-gung von möglichen Krisenfällen. Die eigentliche Bedeutung von „Risiko-Kommunikation“ liegt dabei inder konstruktiven Handhabung und Überwindung vonrisikobezogenen Konflikten zwischen Stakeholdernund Shareholdern des Unternehmens. Diese Kommu-nikation dient daher letztlich auch dem Ziel, eine mög-lichst breite Akzeptanz für das eigene Risikoma-nagement auszuloten und ggf. zu bewirken.

Die vorliegende VDI-Broschüre hilft in vielfältigerWeise bei dem erforderlichen „Brückenbau“ zwischenden verschiedenen Aspekten und Positionen von Beteiligten und Betroffenen. Die Broschüre bietet didaktisch sinnvoll aufbereitete Zugänge zum Ver-ständnis der anliegenden Kommunikationsaufgaben.Sie zeigt, wie Risiken von unterschiedlichen gesell-schaftlichen Gruppen bewertet werden. Breiter Raumwird der Darstellung der einzelnen Schritte bei der Risikokommunikation gewidmet. Dabei gehen die

Autoren auch auf die notwendigen organisatorischenVoraussetzungen seitens der Unternehmen ein undskizzieren die Hemmnisse, die dabei im Unternehmenzu überwinden sind.

Dass es sich hierbei um nicht triviale Prozesse handelt,liegt leicht erkennbar auf der Hand. So ist die „Risiko-Kommunikation“ nicht das Feld von Public Relation-Strategien oder ein Almanach für „Zauberkünstler aufdem Gebiet von Überzeugungen“. Die VDI-Broschürelegt aber überzeugend dar, dass es für die „Risiko-Kommunikation“ praktikable Strategien gibt. Deshalbbietet die vorliegende Broschüre wertvolle Hilfen für al-le Unternehmen, für die die Beschäftigung mit demGebiet der „Risiko-Kommunikation“ eine Aufgabe ist.

Prof. Dr. Herwig Hulpke

Vorsitzender des VDI-Bereiches „Technikbewertung“Leiter des Konzernstabes Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheitspolitik der Bayer AG

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INHALT

V

Inhalt

IV

Einleitung und Überblick

Was ist und was soll Risikokommunikation?

1.1 Vom Risiko zur Risikokommunikation1.2 Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken1.3 Folgerungen für die Risikokommunikation für Unternehmen: Was ist wichtig?1.4 Risikokommunikations-Audit

Bausteine der Risikokommunikation

2.1 Bausteine der Risikokommunikation in der Übersicht2.2 Baustein 1: Beziehungsqualität2.3 Baustein 2: Informationsdesign2.4 Baustein 3: Dialoggestaltung

Schritte der Risikokommunikation

3.1 Das vorliegende Risikoproblem analysieren3.2 Verfahren der Dialoggestaltung entwickeln3.3 Vertrauens-Audit durchführen3.4 Zentrale Themen für die Risikokommunikation ansprechen3.5 Risiken beschreiben3.6 Risiken vergleichen

Kommunikation in der Krise

4.1 Bausteine der Krisenkommunikation in der Übersicht4.2 Krisenkommunikation in der Vorphase4.3 Krisenkommunikation in der heißen Phase4.4 Krisenmanagement in der Nachphase

Organisation der Risikokommunikation im Unternehmen

5.1 Strategischer Rahmen der unternehmerischen Risikokommunikation5.2 Organisationsformen der Risikokommunikation5.3 Implementationsprobleme der Risikokommunikation im Unternehmen

Die Zukunft der Risikokommunikation: Ein Ausblick

Literatur

Glossar

Ansprechpartner

Die Autoren dieses Leitfadens

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ÜBERBLICK

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Einleitung und Überblick

Das Manual „Risikokommunikation für Unternehmen“ hat zwei Ziele: Es soll zumeinen über Zweck und Inhalte der Risikokommunikation aufklären und zum andereneine Anleitung zur Organisation der Risikokommunikation im eigenen Unternehmengeben. Dabei werden auch die Belange von kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigt.

Elemente des Leitfadens können auch von öffentlichen Körperschaften und Ver-waltungseinrichtungen übernommen werden, die in die Auseinandersetzungenüber Risiken einbezogen sind.

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Im ersten Kapitel geht es um den Bedarf an Risikokommunikation. Wer muss undwer sollte aus welchen Gründen Risikokommunikation betreiben? Das Kapitel enthält ein Risikokommunikations-Audit, mit dem der eigene Bedarf festgestellt werden kann.

Das zweite Kapitel stellt die drei Bausteine der Risikokommunikation vor: Es gehtum „Beziehungsqualität“, „Informationsdesign“ und „Dialoggestaltung“. Nur in die-sem Verbund ist Risikokommunikation effizient.

Im dritten Kapitel werden die notwendigen Schritte beim Aufbau erfolgreicher Risikokommunikation vorgestellt. Es geht dabei um die Analyse des Risikoproblems,die Auswahl eines geeigneten Kommunikationsverfahrens, die Durchführung einesVertrauens-Audits und um die Bestimmung der Kernbotschaften für die qualitativeund quantitative Risikobeschreibung.

Im vierten Kapitel finden sich zusätzliche Hinweise auf Krisenmanagement und -kommunikation. Hier werden die einzelnen Bausteine der Krisenkommunikation unddie Aufgaben in den verschiedenen Krisenphasen vorgestellt.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Organisation der Risikokommunikationim Unternehmen. Behandelt werden strategische Aspekte, mögliche Organi-sationsformen und Lösungen für auftretende Umsetzungsprobleme.

Das sechste Kapitel bietet schließlich einen Ausblick auf die Zukunft der Risiko-kommunikation.

Einleitung und ÜberblickEinleitung und Überblick

Die Ausführungen zur Risikokommunikation beruhen auf folgenden Erkenntnissen: 1. Laien nehmen Risiken anders wahr als Experten. Während Experten vorwiegend

Risiken als Ursache-Wirkungs-Ketten unter Unsicherheit ansehen, betrachten LaienRisiken vorzugsweise in sozialen Zusammenhängen. Sie konzentrieren sich auf Opfer und Täter.

2. Aus der Expertensicht ergeben sich fünf grundlegende Risikoprobleme mit jeweilsspezifischen Schwerpunkten für die Risikokommunikation: Störfallmöglichkeit, Verdacht auf einen Schadstoff, Exposition mit einem Schadstoff, Schadensauffäl-ligkeit und Eintritt eines Störfalls.

3. Aus Sicht der Laien lassen sich ebenfalls grundlegende Risikosichten unterschei-den, die von dem Risikoproblem – wie es die Experten sehen - abweichen können.

4. Das Aufgaben- und Spannungsfeld der Risikokommunikation ergibt sich aus derDifferenz zwischen dem durch Experten definierten Risikoproblem und der Risiko-sicht der Laien.

5. Die Überwindung der Differenz erfordert vor allem eine qualitative Risikokom-munikation, die sowohl bezug nimmt auf mögliche vorliegende Vertrauensproble-me als auch versucht, eine angemessene Zwei-Wege-Kommunikation aufzubauen.

6. Die Organisation der Risikokommunikation im Unternehmen hängt sowohl von der Unternehmensgröße als auch von der Stärke der Risikobetroffenheit ab.Dabei sind immer auch Umsetzungsprobleme einzurechnen.

7. Risikokommunikation bietet Schutz vor möglichen Krisenentwicklungen. Trotzdemsind Unternehmenskrisen nie 100% auszuschließen. Deshalb muss auch für solcheKrisen vorgesorgt werden.

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1.

UM WAS ES GEHT

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1.Um was es geht

An Risiken entzünden sich Konflikte. Solche Konflikte können, wenn zu spät erkanntund schlecht bewältigt, ein Unternehmen schädigen. Nicht nur das Image, sondernauch Marktanteile, Gewinne und Gewinnpotentiale stehen auf dem Spiel.

Deshalb können sich Unternehmen nicht nur auf das Urteil von Experten verlassen,ob ein Risiko akzeptabel ist oder nicht. Sie haben auch auf die Meinungsbildungin der Öffentlichkeit zu achten und müssen sich mit dieser rechtzeitig und angemessen auseinandersetzen.

Zunehmend wird durch staatliche Vorschriften und Regelungen von Unternehmeneffiziente Risikokommunikation verlangt.

Was ist und was soll Risikokommunikation?

1.1 Vom Risiko zur Risikokommunikation

1.2 Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken

1.3 Folgerungen für die Risikokommunikation für Unternehmen: Was ist wichtig?

1.4 Risikokommunikations-Audit

Was ist Risikokommunikation?

Wieso ist es ratsam, Risikokommunikation zu betreiben?

Wie sehen Risikoexperten Risiken?

Wie sehen Laien Risiken?

Welche Folgerungen ergeben sich daraus für Unternehmen?

Wie lässt sich feststellen, ob ein Unternehmen Risikokommunikation braucht?

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Es ist selbstverständlich, dass Unternehmen ihre Risikenidentifizieren, bewerten und durch geeignete Maß-nahmen reduzieren. Sie sind aber auch gut beraten,die Öffentlichkeit über ihre Risikoeinschätzungen zuunterrichten und sich mit den in der Öffentlichkeit vorhandenen Risiko-Befürchtungen aktiv auseinander-zusetzen. Das gilt besonders für die großen, aberauch für kleine und mittlere Unternehmen. Risikokom-munikation lässt sich nicht ohne Folgen ausklammern.Denn kommunikative Versäumnisse und Fehler könnensich zu einer Krise für das Unternehmen entwickeln.

Außerdem ist Risikokommunikation in manchen Fällenein „Muss“. So schreibt der § 11a der Störfallverord-nung den Betreibern von Anlagen vor, über Risiken zu informieren, wenn ihre Anlagen unter diese Verordnung fallen.

Für börsennotierte Unternehmen verlangt das Gesetzfür Kontrolle und Transparenz die Installation einesFrühwarnsystems, um rechtzeitig über existenzbe-drohende Risiken informieren zu können.

Darüber hinaus finden sich eine Reihe von inter-nationalen Richtlinien. So wurde bereits 1987 im 4. Aktionsprogramm der EU Kommission die Bedeu-tung der Information über Risiken und die Beteiligungder Betroffenen an ihrer Kontrolle eingefordert. DieseForderung wurde seither in den verschiedenstenRechtsakten der Kommission umgesetzt. Die Empfeh-lungen zur Agenda 21 (1992) zielen ebenfalls in dieseRichtung. Im Schwerpunktprogramm des Bundes-umweltministeriums „Nachhaltige Entwicklung inDeutschland“ von 1998 werden umweltbedingte Risi-ken als bedeutende Gefährdung für die menschlicheGesundheit genannt und der verantwortungsbewussteUmgang mit Risiken betont.

Warum Risikokommunikation 1.1

Kommunikationsbedarf für Unternehmen

6

Warum Risikokommunikation1.1

Viele Kontroversen um Technik, Umwelt und Gesund-heit gehen von Risikofragen aus. Hier gilt: Man kannnicht nicht kommunizieren. Denn wer schweigt, der überlässt das Feld anderen, die möglicherweiseweniger informiert sind.

Es gilt also Stellung zu beziehen. Die Kunst dabei ist,auf Risikofragen richtige und zugleich klare Antwortenzu geben. Aber noch immer wird zuweilen ange-nommen, dass Risikokommunikation nichts anderessei, als die Vermittlung von Fakten und Daten. Das istjedoch falsch, es geht um weit mehr.

Risikofragen sind Streitfragen. Risikofragen sind immer durch mehr oder weniger große Unsicherheitengeprägt. Wissenschaftliche Kontroversen sind nichtselten. Verbunden mit den Fragen, ob ein Risiko besteht, wie groß dieses ist und was zum Schutz vonGesundheit und Umwelt getan werden muss, sind immer auch ethische, wirtschaftliche und oft sogar politische Angelegenheiten. Es geht um Fragen derGerechtigkeit, Kosten/ Nutzen des richtigen Umgangsmit der Technik sowie um Vertrauen und Glaub-würdigkeit.

1.1 Vom Risiko zur Risikokommunikation

Beispiele für Risikofragen in der Öffentlichkeit • Ist die Verbrennung von Plastik in Müllverbrennungsanlagen gefährlich?• Haben gentechnisch veränderte Lebensmittel für den Verbraucher

nachteilige Wirkungen?• Wie problematisch ist die im Boden vorhandene Altlast?• Geht von Hochspannungsleitungen eine Gesundheitsgefahr aus?• Schützen bestehende Grenzwerte? • Ist es gefährlich, in der Nachbarschaft einer Chemieanlage zu leben?• Was ist mit Dioxinen in Lebensmitteln?

Warum Risikokommunikation? • Für Unternehmen ist Risikokommunikation eine Verpflichtung. Sie resultiert ausihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Diese Verpflichtung ist rechtlich verankertim Vorsorgeprinzip, im Besorgnisgrundsatz und in der Produkthaftung.

• Unternehmen sind aber allein schon aus wirtschaftlichen Interessen heraus gutberaten, Risikokommunikation zu betreiben, um möglichen Akzeptanzproblemenund Krisen vorzubeugen.

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Konflikte um Risiken entstehen, wenn unterschiedlichegesellschaftliche Gruppen unterschiedlicher Auf-fassung darüber sind, ob ein Risiko besteht, wie großes ist und ob die vorhandenen Sicherheitsmaßnahmenausreichen.

Risiko aus Expertensicht

Experten betrachten Risiken als Kennzahlen für Gefahrenpotentiale. Um zu einer Risikobewertung zukommen, müssen vier Fragen beantwortet werden:

• Ist anzunehmen, dass ein Risiko existiert und worinbesteht es?

• Welche Dosis macht den schädlichen Effekt?• Wer ist welcher Dosis ausgesetzt?• Wie erheblich ist das Risiko?

Abbildung 1 zeigt, welche Probleme bei der Bewer-tung von Risiken bestehen und was dabei – aus derSicht von Experten – zu bedenken ist.

Für die Experten spielt eine entscheidende Rolle, ob und wie gut das Risiko abzuschätzen ist. Es gehtum die wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine toxische, d.h. schädliche Wirkung existiert. Denn Risikovermutungen sind leicht auszusprechen.

Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken 1.2Warum Risikokommunikation1.1

Auswahl von Rechtsvorschriften mit Bezug zur Risikokommunikation 1.2 Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken

Rechtsvorschrift Anforderungen

Tabelle 1: Auswahl von Rechtsvorschriften mit Bezug zur Risikokommunikation

Seveso II Richtlinie (96/82/EG)

Umweltverträglichkeitsprüfung (85/337/EWG)x

IVU-Richtlinie (96/61/EG)

Übereinkommen über die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Industrieunfällen (E/ECE/1268)

Öko-Audit-Verordnung (VO Nr. 1836/93)

Müllverbrennungs-Richtlinie (89/369/EWG)

Chemikalien-Richtlinie (67/548/EWG)

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

Bundes-Immissionsschutzgesetz

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)

Raumordnungsgesetz (ROG)

Störfall-Verordnung (12. BlmSchV)

Verordnung über Verbrennungsanlagen (17. BImSchV)

Wasserrahmenrichtlinie (LAWA)

DIN 33922 Umweltmanagement

DIN 33927 Umweltmanagement

Information der Öffentlichkeit über die Sicherheitsmaßnahmen, Beteiligung der Öffentlichkeit an der Erstellung von Notfallplänen

Anhörung und Information im Rahmen des Genehmigungsverfahrens

Zugang zu Informationen und Beteiligung der Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren

Beteiligung an der Gefahrenabwehrplanung

Information der Öffentlichkeit über das Unternehmen

Unterrichtung der Öffentlichkeit über Müllverbrennungsanlagen

Aufklärung und Information des Verbrauchers durch z.B. Kennzeichnung von Gefahrstoffen

Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Stand bei der Vermeidung und Verwertung von Abfällen

Beteiligung der Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren

Einbeziehung der Öffentlichkeit

Raumordnungsverfahren, Optimale Einbeziehung der Öffentlichkeit in das RO-Verfahren

Information der Öffentlichkeit über Sicherheitsmaßnahmen und Verhalten im Störfall

Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Emissionsmessung

Öffentlichkeitsbeteiligung, Unterrichtung der Öffentlichkeit über Wasserqualität

Umweltberichte für die Öffentlichkeit

Verwendung von Produkt - Ökobilanzen in Marketing, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit

Dabei interessiert der Typ des Risikos. Handelt es sichum schleichende Risiken aus dem Normalbetrieb einer Anlage oder um Störfälle? Bei Störfällen interes-siert die Häufigkeit mit der ein solcher Fall auftretenkann. Bei schleichenden Risiken ist ebenfalls zu ermit-teln, wie hoch die Emission des Schadstoffes ist undwie er an die Schutzobjekte kommt.

Experten fragen, ob sich der Schadstoff in der Umweltanreichern kann und wie lange er seine schädlicheWirkung behält. Dann geht es um die Exposition: Wer kommt über welche Aufnahmepfade mit demSchadstoff in Kontakt und kann es im Körper zu einerSchadstoffanreicherung kommen?

Schließlich geht es um die Frage, welche gesundheit-lichen Auswirkungen damit verbunden sein können.Anhand dieser Aspekte lassen sich Typen von Risiko-problemen unterscheiden, auf die wir in Kapitel 3.1genauer eingehen.

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Risiko aus Laiensicht

Laien gehen anders an Risikofragen heran als Ex-perten. Zwar fragen auch sie nach möglichen Folgen.Sie nehmen Risiken aber vorzugsweise in sozialen,sinnhaften Zusammenhängen wahr. Risikozahlen wiez.B. Wahrscheinlichkeitsangaben spielen hier nur eine untergeordnete oder eine ganz andere Rolle. Laien inkorporieren Risikofragen in ihre alltagswelt-liche Sichtweise auf Ereignisse des täglichen Lebens.Diese sind angelehnt an gängige, wesentlich durch dieMedien geprägte Darstellungsmuster wie z.B. Skan-dalgeschichte, Enthüllungsstory, Tragödie und Ka-tastrophenerzählung. Zu solchen Mustern gehört

• die Identifizierung beteiligter Personen - vorzugs-weise in den Rollen von Täter und Opfer, Held oderSchurke, etc. (Agenten),

• die Zuschreibung von Absichten und Motiven (Intentionen),

• der Aufbau eines Spannungsbogens für das Ereignis(Dramaturgie) und die Angabe einer Ereignislogik,

• die Angabe von Folgen (Schaden), die Formulie-rung einer Quintessenz oder Lehre, die aus dem Ereigniszusammenhang gezogen wird (Moral) und

• die Benennung exemplarischer Geschichten, in denen die Kontur des Ereignisses oder die Moral besonders deutlich sichtbar werden (Präzedenzfall).

Laien fragen somit nach Aspekten, die für eine naturwissenschaftliche Risikoabschätzung keine Rolle spielen, ja die dort sogar als völlig unsachge-mäß betrachtet würden, die aber aus Laien-perspektive für die Wahrnehmung und das Verständnis von Risiken von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken 1.2

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Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken1.2

Dabei ist zu beachten, ob eine Wirkungsschwelle vor-liegt oder nicht. Bei Existenz einer Wirkungsschwellekönnen Grenzwerte abgeleitet werden. Existieren keine Wirkungsschwellen, gilt ein Minimierungsgebot.

Abbildung 1: Risiko aus Expertensicht

Risiko des Austritts von Schadstoffen

Risiko der Erkrankung

Risiko

Risikoquelle

Emission

Anreicherung in der Umwelt

Exposition

Schadstoffaufnahme

Schadstoffkonzentration

Gesundheitliche Beeinträchtigung

Ist X ein Schadstoff?

Mit welcher Wahrschein-lichkeit kann der Störfalleintreten?

In welcher Konzentrationliegt der Schadstoff vor?

Wer kommt mit demSchadstoff in Kontakt?

In welchem Umfang wird der Schadstoff aufgenommen?

Reichert sich der Schad-stoff im Körper an?

Welche Auswirkungen hat der Schadstoff?

Risikosicht von Laien

Abbildung 2: Risikosicht von Laien

Moralverstoß Opfer

Empörung

SchadenTäter

Intention

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Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken 1.2

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Experten und Laien: Zwei Sichtweisen auf Risiken1.2

Diese Komponenten bilden die Grundbestandteile vonLaien-Sichtweisen auf Risikofragen, sie bilden typischeMuster, in denen Risikofragen aus Laiensicht verstan-den und diskutiert werden. Einige dieser Sichtweisensind so verbreitet und prägnant, dass sie durch einesprachliche Formel charakterisiert werden können,

• „Wie schnell ist was passiert“• „Wer weiß denn, ob nicht…?“• „Wir sind doch alle schon Opfer“• „Haltet den Täter!“• „Das musste ja kommen“

z.B.

„Wie schnell ist was passiert“

„Wer weiß denn, ob nicht ...?“

Bei diesem Muster bildet die Störanfälligkeit oder der mögliche Schadensfall, z.B.einer Anlage oder eines Transports, das Thema der Darstellung. Die Darstellung istgeprägt von der Ereignislogik des „Es könnte doch passieren, dass…“ bzw. „Aber was, wenn…“. Im Rahmen dieser Ereignislogik werden auch Wahrschein-lichkeitsangaben interpretiert. Von großer Bedeutung sind Präzedenzfälle. Relevant sind Akteurseigenschaften wieZuverlässigkeit, Sorgfaltspflicht, Verantwortungsbewusstsein, „menschliche Fehler“etc. einerseits und Vertrauensseligkeit, Gleichmut, aber auch Angst und Besorgnisandererseits.

Bei diesem Muster steht der Verdacht auf Vorhandensein eines Risikos im Mittelpunktder Darstellung. Es gibt zwar keinen sicheren Beweis, aber Vermutungen bzw. Hin-weise darauf, dass ein Risiko vorhanden sein könnte. „Macht X nicht doch krank?“- so lautet die Frage. Ein aktuelles Beispiel für dieses Muster ist die Diskussion ummögliche schädigende Effekte des Elektrosmogs auf die Gesundheit des Menschen.Die Darstellung ist als Verdachtsgeschichte angelegt mit einer entsprechenden Ereignislogik („Es könnte doch sein,…“), Zitieren von Präzedenzfällen („Bei Asbesthat man ja auch erst ...“), Anführen von Verdachtsmomenten bzw. Indikatorge-schichten („Hast Du Dich nie gefragt, warum…?“) und der Zuschreibung beglei-tender Akteurseigenschaften („Denen geht’s doch nur um die schnelle Mark“).

Dieses Darstellungsmuster geht davon aus, dass ein gefährlicher Stoff in der Umweltvorhanden ist und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Schäden auftreten. EinBeispiel für dieses Muster ist die Diskussion um Amalgam. Es wird angenommen,dass die Opfer einem Schadstoff ausgesetzt sind. Die Schäden sind aber noch nichterkannt bzw. treten erst zeitverzögert auf. Die Darstellung folgt der Logik des „nochnicht, aber bald“.

Bei diesem Muster gilt nicht nur ein Schaden als gegeben, darüber hinaus steht auchdie Ursache für den Schaden fest. Dieses Muster ist damit als Skandalgeschichte angelegt: Obwohl die Schadensursache bekannt ist, ist sie noch nicht abgestellt. Beispiele für dieses Muster sind Elektrosensible, die EMF als Ursache ihrer Leidenanprangern, oder MCS-Patienten, die chemische Stoffe als Ursache ihrer Beschwer-den ansehen. Als Akteurscharakterisierungen kommen v.a. Moralisierungen zumEinsatz (unverantwortlich, rücksichtslos, wider besseren Wissens, etc.). Das Musterist insgesamt deutlich vom Gestus der Empörung und des Appells zum Handeln gekennzeichnet.

Bei diesem Muster ist eine Katastrophe, ein Unglück oder ein Schadensfall das Thema. Die Darstellung folgt der Ereignislogik der Tragödie, d.h. die Zusammen-hänge werden so dargestellt, dass die Katastrophe unausweichlich folgen musste.Schwerpunkte sind dabei Schilderungen der Leiden der Opfer sowie der Motiveder Täter, die entweder wissentlich und willentlich oder aber fahrlässig die Tragödieverursacht haben. Prägnantes Beispiel für dieses Muster ist die Tschernobyl-Katastrophe.

„Wir sind doch alle schon Opfer“

„Haltet den Täter!“

„Das musste ja kommen“

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Das Mobilisierungspotential für die Problement-wicklung wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst(siehe Tabelle 2). Sie bestimmen, inwieweit ein Risiko-thema öffentliche Aufmerksamkeit findet und inwie-weit es politisiert wird. Wesentlich ist, dass dies mehrvon der Laienperspektive abhängt als von den Risiko-eigenschaften, die Experten bedenken.

Mit fortschreitender Entwicklung kann das Problemimmer weniger vom Unternehmen beeinflusst werden.Aussichtsreich ist Kommunikation, wenn sie bereits in der Emergenzphase versucht, das Risikothema zu beeinflussen.

Verschiedene gesellschaftliche Gruppen können andieser Entwicklung beteiligt sein. Als wichtigste Grup-pen, die für Unternehmen bei Risikodiskussionen vonBedeutung sind, kommen in Frage:

• Politik und Verwaltung• Mitarbeiter im eigenen Unternehmen• Betroffene Personen, z.B. Anwohner• Medien (regional und überregional)• Fachpresse• Interessierte Öffentlichkeit und Bürgerinitiativen• Umwelt- und Verbraucherverbände• Kunden und Zulieferer eines Unternehmens• Versicherungen.

Folgerungen für die Risikokommunikation 1.3

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Folgerungen für die Risikokommunikation1.3

Für die Risikokommunikation sind sowohl Experten-als auch Laiengesichtspunkte zur Charakterisierungvon Risiken wichtig. Denn es geht vor allem darum, in welchem Ausmaß das Risiko für das Unternehmenkritisch werden kann. Aus Risikothemen können sichProbleme für das Unternehmen und sogar Unterneh-menskrisen entwickeln.

Beispiele für solche Lebensläufe sind vielfältig, dieNichtakzeptanz der Kerntechnik ist das prominenteste.Für Unternehmen geht es um das Mobilisierungs-potential, d.h. um die Frage, wie schnell, in welchemAusmaß und bei welchen gesellschaftlichen Gruppensich das Risikothema zu einem Problem entwickelnkann. Dabei stellen sich u.a. folgende Fragen: Werbzw. was ist in welchem Umfang betroffen bzw. könntebetroffen sein? Liegt bereits ein Schadensfall vor undhat das Unternehmen diesen verschuldet? WelcheMöglichkeiten bestehen für das Unternehmen, dieWahrnehmung und Bewertung des Risikoproblems beiden beteiligten Akteuren noch zu beeinflussen? Wie legitim ist eine solche Beeinflussung?

In Abb. 3 ist eine idealtypische Entwicklung darge-stellt, die in vier Phasen eingeteilt ist. In der Latenz-phase wird das Risiko noch nicht öffentlich diskutiert,es gibt kein Problembewusstsein. In der Emergenz-phase taucht das Risiko in der öffentlichen Diskussionauf, eben als Problem. Ein kritisches Ereignis (z.B. einStörfall) kann das Problem krisenhaft zuspitzen. Dann erreicht die öffentliche Aufmerksamkeit ihr Maximum.In der sich anschließenden Regulationsphase wird dasRisiko Gegenstand von Vereinbarungen, z.B. vonstaatlichen Regelungen.

1.3 Folgerungen für die Risikokommunikation für Unternehmen: Was ist wichtig?

Risikothemen sind Anliegen von gesellschaftlichen Gruppen, die sich über die öf-fentliche Meinung bis hin zu Krisen für ein Unternehmen entwickeln und dessenHandlungsfähigkeit einschränken können.

Lebenslauf eines Risikothemas

Öffentliche Aufmerksamkeit

groß Latenz Emergenz Krise Regulation

gering

Zeit

?

Abbildung 3: Lebenslauf eines Risikothemas

Risikothe-ma

sie verständlich und anschlussfähig anbestehende Überzeugungen sind;

sie dramatische Qualitäten haben;

Betroffene identifizierbar sind;

sie nah sind;

Täter gefunden werden können;

es eine starke Unterstützergruppe gibt;

risikoarme Optionen vorhanden sind;

Eltern und Meinungsführer die Problemsicht unterstützen;

Medieninteresse vorliegt;

Das Risiko politisierbar ist.

Slogans und Metapher sind geprägt wie z.B. „Atomkraft - nein Danke“;

Es findet sich ein Skandal oder Störfall;

Opfer sind vorhanden - z.B. Leukämie-Fälle;

Auswirkungen in der Nachbarschaft;

Unternehmen werden angeklagt;

Umweltverbände nehmen sich des Risikos an;

z.B. regenerative Energien anstatt Kernkraft

Lehrer, Ärzte, Pfarrer;

„Der Spiegel“ berichtet;

Politische Parteien nehmen sich des Risikos an.

Tabelle 2: Bedingungen der Risikoproblem-Entwicklung

Risiken entwickeln sich zu einem Problem, wenn… Beispiel:

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17

Jedes Unternehmen sollte überprüfen, in welchemAusmaß es Risikokommunikation zu betreiben hat.Die hier vorgeschlagene Auditierung bezieht sich auf:

• die Bewertung der vorhandenen Risikopotentiale mit Tabelle 3,

• die Bestimmung der Risikosensibilität im Umfeld desUnternehmens mit Tabelle 4 und

• die Überprüfung der im Unternehmen vorhandenenRisikokultur mit Tabelle 5.

Die hier vorgeschlagenen Bewertungskriterien gebeneine Orientierung, sie sind keinesfalls als vollständigund abschließend aufzufassen. Die Auswertung solltequalitativ erfolgen. Denn erst in der Zusammenschauergibt sich das Gesamtbild der „Risiko-Betroffenheit“.Über eine Stärken-Schwächen- und Chancen-Bedro-hungen-Analyse können dann entsprechende Maß-nahmen erkundet werden.

Je häufiger in Tabelle 3 Fragen mit „ja“ beantwortetwerden, desto mehr muss das Unternehmen mit demAuftreten von Risikodebatten rechnen. Denn der Um-fang der Risikopotentiale im Unternehmen bestimmtdie Wahrscheinlichkeit, dass diese in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Und desto größer ist die Notwendigkeit – auf der Basis eines wirksamen Risiko-managements – sich auch um eine angemessene Kommunikation zu kümmern.

Risikokommunikations-Audit 1.4

1.4 Risikokommunikations-Audit

16

Folgerungen für die Risikokommunikation1.3

Dreh- und Angelpunkt der Problementwicklung ist dasAuftreten eines Störfalls oder anderer kritischer Ereig-nisse, die Mensch und Umwelt Schaden zufügen bzw.so wahrgenommen werden.

Die öffentliche Reaktion auf solche kritische Ereignisseund damit die Auswirkungen auf das Unternehmenhängen davon ab, wie dieser Vorfall gedeutet wird.Auch hier gilt, dass die öffentliche Wahrnehmung aus-schlaggebend ist. Abb. 4 zeigt auf der linken Seiteunterschiedliche „Ursachendeutungen“ von Schadens-fällen. Die Kernfrage ist, was bzw. wer für den Scha-den verantwortlich war. Muss es dem Unternehmen zugerechnet werden oder sind externe Faktorenverantwortlich, die sich der Kontrolle des Unterneh-mens entziehen? Auf der rechten Seite zeigt sie die entsprechenden Reaktionen, die in Abhängigkeit vonder Problemdeutung in der Öffentlichkeit auftreten.

Unternehmen müssen dann mit schwerwiegenden Folgen bis hin zur Krise rechnen, wenn sie als Ver-ursacher wahrgenommen werden und wenn sie willentlich das Risiko eingegangen sind und dieses,obwohl es nicht tolerabel ist, dulden. Dagegen werdensie anders wahrgenommen, wenn sie selbst als Opfereines Anschlags oder einer Naturkatastrophe wahr-genommen werden. Einzelheiten zeigt Abb. 4. Im Kapitel 4 gehen wir genauer darauf ein, wie die Krisenkommunikation aufgebaut werden muss.

Wenn sich das Problem zuspitzt: Vom Risiko zur Krise

Abbildung 4: Problemdeutung und öffentliche Reaktion

Problemdeutung in Krisen und Reaktion der Öffentlichkeit

Externe Verursachung(z.B. Naturkatastrophe)

Mangelndes Wissen(z.B. unvorhergesehene Folge)

Fahrlässigkeit(Unachtsamkeit)

Systembedingtheit(Profitlogik)

Bewusste Inkaufnahme(z.B. Unterdrückung von Information)

Mitleid/Bedauern

Nachsicht, wenn alles getan wurde

Unverständnis und Forderung nach Verbesserung

Protest und Zorn, Forderung nach strikter Regulation

Empörung, Forderung nach Überwachung

Problemdeutung Reaktion

Tabelle 3: Risikopotentiale des Unternehmens

Muss mit Störfällen gerechnet werden?

Sind die von Zulieferern übernommenen Risiken bekannt?

Sind Umwelt- und Gesund-heitsauswirkungen im Nor-malbetrieb zu befürchten?

Sind Risiken beim Gebrauch & Entsorgung von Produkten vorhanden?

Werden Anwohner durch Emissionen belästigt?

Sind Kontaminationen des Erdreichs aufgrund früherer Produktionen am Standort zu befürchten?

Sind Auswirkungen auf landwirtschaftliche Betriebe anzunehmen?

Ist die Beeinträchtigung fremdenEigentums zu befürchten?

Ist eine Vorschädigung der Um-welt am Standort vorhanden?

Produktion und Umgang mit Gefahrenstoffen in erheblichemAusmaß

Dioxine in Futtermitteln

Emissionen und Rückstände der Produktion

Persistente Stoffe

Staub, Lärm, Gerüche

Altlasten

Auswirkungen auf die Pflanzen-produktion/ oder Tierhaltung

Schäden oder Beeinträchtigungenan Bausubstanz

Altlasten, Landschaftsverbrauch,Standort von anderen “Risiko-erzeugern”

Fragen Beispiel Bewertung

Zusammenfassende Bewertung

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18 19

Die letzte Checkliste bezieht sich auf die Unter-nehmenskultur: Genauer, auf die Einstellung zu Risi-ken sowie auf den Umgang mit der Öffentlichkeit. Von diesen Faktoren hängt ab, welche Hindernisse einerUmsetzung von Risikokommunikation im Unter-nehmen entgegen stehen.

Je mehr Fragen in Tabelle 5 mit „ja“ beantwortet werden, desto verbesserungsbedürftiger ist die Kom-munikation des Unternehmens.

Risikokommunikations-Audit 1.4Risikokommunikations-Audit1.4

Die folgende Checkliste bezieht sich auf die Risiko-sensibilität im Umfeld des Unternehmens. Denn bei einer hohen Sensibilität können sich selbst kleinere Risikopotentiale zu gewichtigen Problemen entwickeln.

Je häufiger in Tabelle 4 eine Frage mit „ja“ beant-wortet wird, desto mehr muss das Unternehmen davonausgehen, dass selbst kleine Risiken zu Problemenwerden können. Das Ausmaß der Risikosensibilität bestimmt die Wahrscheinlichkeit mit der eine Risiko-debatte auf das Unternehmen zukommt. Und um soerheblicher ist der Bedarf an Risikokommunikation.

Tabelle 4: Risikosensibilität im Umfeld des Unternehmens

Ist das Unternehmen in einer risikosensiblen Branche tätig?

Werden Stoffe bei der Produktionverwendet, die in der Öffentlich-keit gefürchtet werden?

Gibt es Debatten über Risiken, die auf das Unternehmen „über-springen“ können?

Wird das Risikopotential amStandort insgesamt als zu hocheingeschätzt?

Wird der Standort als vorgeschädigt eingeschätzt?

Chemie

Radioaktive Materialien

Elektrosmog-Debatten, wenn mit elektrolytischen Verfahren gearbeitet wird

Viele Risikoerzeuger am Standort

Altlasten und Landschafts-zerstörung

Fragen Beispiel Bewertung

Zusammenfassende Bewertung

Tabelle 5: Risikokultur im Unternehmen

Sieht sich das Unternehmen als„unverletzbar“ an, wie immer esauch in der öffentlichen Meinungangesehen wird?

Sieht man im Unternehmen Kom-munikation als Nebensache an?

Glaubt man, dass das Unterneh-men viel zu klein ist, um in eineöffentliche Debatte zu geraten?

Geht man im Unternehmen davon aus, dass Störfälle 100%ausgeschlossen sind?

Hat das Unternehmen keinenKontakt zur Presse?

Hat das Unternehmen keinenKontakt zu Umwelt- und Verbraucherverbänden oder Bürgerinitiativen?

Hat das Unternehmen kaum Kontakte zur ortsansässigen Bevölkerung?

Mangelnde Unterstützung des Unternehmens durch die Mitarbeiter

„Wir sind zu groß/ zu klein – unskann nichts passieren“-Einstellung

Kommunikation ist überflüssigerLuxus – wir haben uns auf dieechten Probleme zu konzentrieren

Krisen treffen nur die großenUnternehmen, die im Lichte derÖffentlichkeit stehen

„Kein Störfall denkbar“-Einstellung

Noch nie eine Pressekonferenzgehalten

Noch nie Treffen mit einem Umweltverband

Keinen Tag der offenen Tür

Ängste/Befürchtungen gegen-über Produkten und Produktions-prozessen bei den Mitarbeitern

Fragen Beispiel Bewertung

Zusammenfassende Bewertung

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21

Beispielsfall: SWOT-Analyse:

Merksätze 1.

Merksätze:

20

Risikokommunikations-Audit1.4

Die Ergebnisse aus Tabelle 3 bis 5 können in einerSWOT 1-Analyse zusammengefasst werden. Dazuwird (siehe Abb. 5) eine entsprechende Matrix kon-struiert.

Die externen Bedrohungen sowie Chancen werdenden Stärken bzw. Schwächen gegenübergestellt undes wird überlegt, was getan werden kann, um:

• die Bedrohungen zu vermeiden, indem man auf die Stärken baut,

• die Chancen zu vergrößern, indem man die Stärken konsequent nutzt,

• die Bedrohungen zu vermeiden, indem man die eigenen Schwächen ausmerzt,

• die Chancen zu verbessern, indem man die eigenen Schwächen verringert.

Abbildung 5: SWOT Analyse

StärkenZähle die 5 wichtigsten Stärken auf

Unternehmen:

SchwächenZähle die 5 wichtigsten Schwächen auf

Um

wel

t

BedrohungenZähle die 5 wichtigsten

Bedrohungen auf

ChancenZähle die 5 wichtigsten

Chancen auf

Wie können die Stärken ausgenutzt werden, um die Bedrohungen zu bewältigen?

Wie können die Stärken genutzt werden, um die Chancen zu ergreifen?

Wie können die Schwächen über-wunden werden, um die Chancen zu ergreifen?

Wie können die Schwächen ausge-glichen werden, um besser auf die Bedrohungen reagieren zu können?

1 SWOT: steht für Strength, Weakness, Opportunity & Threat, d.h. Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen

Stärken/Bedrohungen:

Stärken/Chancen:

Schwächen/Bedrohungen:

Schwächen/Chancen:

Die vorhandenen guten Beziehungen zur lokalen Presse ausbauen, um im Falle eines Störfalls rasch die nötigen Informationen weitergeben zu können.

Ausbau des Risikomanagement-Systems zur Erreichung einer Spitzenposition imUmweltschutz.

Verbesserung des Erreichbarkeitsmanagements, um im Falle eines Störfalls in kürzester Frist Informationen an die Presse weiterzugeben, damit Spekulationen vermieden werden können.

Nutzen der bisher nicht ausgeschöpften Möglichkeiten, eigene Umweltschutz- undRisikomanagement-Aktivitäten aktiv der Öffentlichkeit zu vermitteln.

1

2

3

4

Die Risikowahrnehmung von Experten und Laien unterscheidet sich. Experten sehen Risikenals mögliche Ursache-Wirkungsketten. Dabei spielen Wahrscheinlichkeitsschätzungen von Schadensereignissen eine tragende Rolle. Laien sehen dagegen Risiken in sozialen Zusammen-hängen.

Die Sichtweise der Laien bestimmt, wie das Risiko mit dem Unternehmen verbunden wird und welches Image das Unternehmen in der öffentlichen Meinung hat.

Unternehmen sollten die jeweiligen Risikosichtenbeachten und bei ihrer Risikokommunikation berücksichtigen.

Die Notwendigkeit, seitens der Unternehmen auch über Risiken zu kommunizieren, nimmt zu. Im konkreten Fall ist aber immer der eigene Bedarf zu überprüfen und der Umfang festzu-legen.

Trotz aller vorbeugenden Risikomanagement- und Risikokommunikationsmaßnahmen können Störfälleoder Produktfehler vorkommen. Auf solche und anderekrisenauslösende Ereignisse muss das Unternehmenvorbereitet sein.

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22

2.1 Bausteine der Risikokommunikation in der Übersicht

2.2 Baustein 1: Beziehungsqualität

2.3 Baustein 2: Informationsdesign

2.4 Baustein 3: Dialoggestaltung

2.

UM WAS ES GEHT

23

2.Um was es geht

Risikokommunikation ist mehr als nur die verständliche Vermittlung von Ergebnissender Risikoabschätzung, denn es hängt von der Beziehungsqualität zwischen den Beteiligten ab, wie solche Ergebnisse wahrgenommen und verstanden werden. Ohne hinreichende Grundlage stößt jede Risikoinformation ins Leere. Deshalbkommt es darauf an, diese Grundlage zu schaffen.

Die Information und die Wissensvermittlung über Risiken muss auf die Bedürfnisse,Fragen und das Verständnis der Empfänger zugeschnitten sein. Es ist notwendig,an die Sichtweisen der Empfänger, d.h. an deren Risikosichten anzuknüpfen. Erstin diesem Zusammenhang machen quantitative Risikoinformationen Sinn.

Risikokommunikation ist keine Einbahnstraße. Risikokommunikation findet statt alsDialog mit unterschiedlichen Akteuren mit unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen. Dieser Dialog ist von keiner Seite vollständig kontrollierbar. Er ist aber gestaltbar. Um dieses Potential an Gestaltbarkeit geht es.

Bausteine der Risikokommunikation

Überblick: Bausteine der Risikokommunikation

Baustein 1: Beziehungsqualität

Baustein 2: Informationsdesign

Baustein 3: Dialoggestaltung

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In sozialer Hinsicht geht es darum, die Qualität der Beziehung zwischen den Kommunikationsbeteiligtenzu verbessern, d.h. die sozialen Rahmenbedingungenfür das Miteinanderreden zu entwickeln. Dazu gehört,dass sich Wahrnehmungsmuster, Fremd- und Selbst-bilder so entwickeln, dass überhaupt eine Grundlagefür angemessenes Verstehen und produktive Ausein-andersetzung geschaffen werden können. Solangedie Kommunikation nämlich auf der Basis von Miss-trauen und Feindbildern abläuft, kann eine inhaltlicheAuseinandersetzung erst gar nicht erfolgen.

Sachlich stehen Informations- und Wissensvermitt-lungsaufgaben an. Es gilt, über den Typ des Risiko-problems zu informieren – mögliche Differenzen inden Sichtweisen auf das Risiko zu minimieren, Be-wertungshilfen zu vermitteln, Fragen zu beantwortenund sich mit Einwänden auseinanderzusetzen. Unver-zichtbare Voraussetzung ist allerdings immer das Vertrauen in das Unternehmen. Erst unter dieser Voraussetzung ist Aufklärung möglich. Welche Infor-mationen dabei im Mittelpunkt stehen, hängt von demjeweiligen Risikoproblem und der Risikowahrneh-mung ab.

Bausteine der Risikokommunikation 2.1

24

Bausteine der Risikokommunikation2.1

Risikokommunikation dient der Erörterung von Risiken,der sachorientierten und fairen Auseinandersetzungüber Differenzen bei der Risikobewertung sowie derFindung von Lösungen bei Konflikten über Risiken. Zu glauben, dass dies allein mit der Information über Risiken erreicht werden kann, ist jedoch falsch. Eskommt vielmehr auf drei Bausteine an:

• die Beziehungsqualität zwischen den Beteiligten, • das Informationsdesign und • die Dialoggestaltung. Risikokommunikation bleibt

Stückwerk, wenn es dieses Fundament nicht hat.

2.1 Bausteine der Risikokommunikation in der Übersicht

Abbildung 6: Fundament der Risikokommunikation

Risikokommunikation

Bez

iehungsq

ualit

ät

Info

rmationsd

esig

n

Dia

logges

taltung

Schließlich geht es darum, den Risikodialog aktiv zu gestalten und geeignete Organisationsformen fürseine Durchführung zu entwickeln bzw. bereitzu-stellen. Dafür gibt es eine Reihe von Beteiligungsver-fahren. Das bedeutet, eine Zwei-Wege-Kommunika-tion zu führen. Das Minimum besteht darin, dass denAdressaten der Risikokommunikation die Möglichkeiteingeräumt wird, ihre Sichtweisen darzustellen undFragen zu stellen. Das Maximum besteht in der Mit-wirkung von Betroffenen an der Entscheidungsfin-dung.

Ob bei der Risikokommunikation der Weg der Beteiligung der Öffentlichkeit gewählt wird, hängt vonder Problemstellung, der Kompetenz der Betroffenensowie von dem Vertrauen in sie ab. Vertrauen ist demnach wechselseitig nötig: Der Kommunikator benötigt das Vertrauen der Betroffenen, um seinenBotschaften Gehör zu verschaffen. Die Betroffenen benötigen andererseits das Vertrauen der Entscheider,um an der Entscheidung beteiligt zu werden.

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Bei der Risikokommunikation geht es um Vertrauen indie Richtigkeit von Daten und Fakten. Es geht weiter-hin um das Vertrauen, dass das Unternehmen nebenseinen eigenen Interessen auch das Allgemeinwohlberücksichtigt und fair mit anderen Gruppen umgeht.Mit anderen Worten: Kompetenz, Fairness und so-ziale Verantwortung stehen auf dem Prüfstand.

Bausteine der Risikokommunikation 2.2

26

Bausteine der Risikokommunikation2.2

Die Wirkung von Risikokommunikation hängt wesent-lich von der Qualität der Sozialbeziehung zwischenden Kommunikationsbeteiligten ab. Dabei spielen eigene Interessen, angenommene Absichten, bishermiteinander gemachte Erfahrungen sowie grundsätz-liche Einstellungen und Weltbilder (Sichtweisen, s. Kapitel 1) eine Rolle. Man kann sich die Wichtigkeitder Sozialbeziehung für die Risikokommunikation infolgendem Bild vor Augen führen: Die Sozialbe-ziehung bildet den Humus, auf dem sich die Inhalte der Kommunikation entwickeln können – oder die Beziehung ist eben ein unfruchtbarer Boden, auf demdie Inhalte „eingehen“. Auf der Beziehungsebene entwickeln sich die zentralen Interpretationsmuster, auf deren Grundlage Risikoinformationen wahrge-nommen und verstanden werden. Auf dieser Ebenefindet die Weichenstellung für den Verlauf der Risiko-kommunikation statt. Die Beziehungsqualität ergibtsich aus der Antwort auf Fragen wie:

• Wird die Kommunikation von den Beteiligten als offen erlebt,

• erfolgt der Informationsfluss transparent,• sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommuni-

kation für die Beteiligten fair,• wird die eigene Position vom Kommunikationspartner

als seriös, glaubwürdig, zuverlässig eingeschätzt?

2.2 Baustein 1: Beziehungsqualität

Zielgröße für die Gestaltung der Beziehungsqualität istder Aufbau eines Verhältnisses wechselseitigen Ver-trauens zwischen den Beteiligten. Denn ohne Vertrauenist Risikokommunikation wirkungslos. Misstrauen –gleichgültig, ob berechtigt oder nicht – ist ein Filter, der alles ausblendet, was der eigenen Auffassungwiderspricht. Bemühungen um Aufklärung und jederVersuch, einen Dialog zu führen, sind dann vergebens.

Zwei Formen von Vertrauen lassen sich unterscheiden:Eine Person vertraut einer anderen Person, z.B. etwaim Hinblick auf die Unterstützung im Notfall. Vertrauenkann aber auch in den rechten Lauf der Dinge gesetztwerden. Beispiele dafür sind das Vertrauen in poli-tische Parteien, in die Stabilität einer Währung oderin die Wissenschaft.

Personen

Verfahren

Es geht dabei um persönliches Vertrauen in Bezug auf deren verantwortungsvolles Handeln.

Es handelt sich dabei um Vertrauen in die Qualität und Richtigkeit von Risikoanalysen und Diskursen (Runde Tische etc.).

Vertrauen heißt Verlassen-Können auf:

Abbildung 7: Komponenten von Vertrauen

Ver

trauen

FachwissenKönnenBest Practice

Kompetenz

Fairness

SozialeVerantwortung

ChancengleichheitOffenheit

gegenüber:KundenMitarbeiternNachbarschaftAllgemeinheit

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Einen Überblick über die einsetzbaren Verfahren zurDialoggestaltung gibt Abbildung 8. Die aufgeführtenVerfahren unterscheiden sich im Hinblick auf die Rechte, die sie Bürgern bzw. Interessengruppen ein-räumen. Diese Rechte reichen von der Gewährungvon Information bis hin zur Mitentscheidung.

In der ersten Stufe wird der Öffentlichkeit das Recht auf Information eingeräumt. Beispielsweise werdendie Bürger frühzeitig über Vorhaben informiert und können entsprechende Unterlagen einsehen. Dabeisollte aktiv informiert werden, nicht nur auf Nachfrage(Stufe 1). Eine umfassendere Form der Kommunikationerkundet die Anliegen der Betroffenen und informiert sich über deren Wünsche, Bedenken undVorstellungen, beispielsweise über die Eignung einesStandortes für die geplante Anlage (Stufe 2). Schließ-lich kann das Verfahren Möglichkeiten der Mitwirkungan Entscheidungen aufweisen (Stufe 3).

Bausteine der Risikokommunikation 2.4

2.4 Baustein 3: Dialoggestaltung

28

Bausteine der Risikokommunikation2.3

Information und Wissensvermittlung über Risiken istder inhaltliche Kern der Risikokommunikation. Aufga-ben dabei sind:

• die Erfassung der Schlüsselthemen des jeweiligen Risikoproblems (Was muss vermittelt werden?),

• die Berücksichtigung der jeweiligen Risikosicht (Auf welche Fragen muss man sich einstellen?),

• die darauf bezogene qualitative und quantitative Beschreibung des Risikos (Wie soll was vermittelt bzw. beantwortet werden?) und

• den Einsatz geeigneter Risikovergleiche zum besse-ren Verständnis quantitativer Risikobeschreibungen (Welche Vergleiche können helfen, Risiken deutlicherzu machen?).

Risikokommunikation als Informations- und Wissens-vermittlung hat zwei Zielstellungen. Zum einen ist einebessere Risikoabschätzung zu ermöglichen. Dazu sind Informationen zu vermitteln, Missverständnissezu korrigieren und Bewertungshilfen zu geben. Zum anderen müssen die Sichtweisen der Öffentlichkeit auf das Risiko beachtet und die in diesem Zusammen-hang gestellten Fragen beantwortet werden. Einzel-heiten dazu sind im Kapitel 3.5 zu finden.

Risikokommunikation setzt dabei auf die Praxis guterKommunikation, wie sie auch für andere Kommuni-kationsangelegenheiten gilt: Sei relevant, klar und verständlich.

Neben der maßgeschneiderten Abfassung von Risi-kobotschaften geht es außerdem um die Auswahl ge-eigneter Informationskanäle und die rechtzeitige Vermittlung von Information.

2.3 Baustein 2: Informationsdesign

Abbildung 8: Verfahren der Dialoggestaltung

Information Dialog Beteiligung

Recht auf Information

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3

Anliegen erheben

Abgabe von Empfehlungen

Mitwirkung an Entscheidungen

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3130

Bausteine der Risikokommunikation2.4

Verfahren zur aktiven Information der Öffentlichkeit

Verfahren zur Erhebung von Anliegen der Bürger

Fokusgruppen

Umfragen

Bausteine der Risikokommunikation 2.4

Die aktive Information und die Schaffung einer ausreichenden Informationsgrund-lage wird in der Regel durch Einsicht in Planungs- und Betriebsunterlagen gewährt.Allerdings sind technische Informationen meist schwer zu verstehen. Und der Laiebraucht viel Zeit, um auf die ihn interessierenden Punkte oder Probleme zu kom-men. Weitere Maßnahmen sind deshalb nötig. Hierzu bieten sich Informations-broschüren, Experten-Vorträge, Expertenbefragungen durch Bürger, Informations-stellen vor Ort oder Besichtigungstouren an.

Ein wichtiger Schritt bei der Kommunikation ist die Erhebung der Sichtweisen, Einstellungen sowie Anliegen und Bedenken der Öffentlichkeit. Die Kenntnis dieserUmstände hilft, die Risikokommunikation an die Belange der Öffentlichkeit anzu-passen. Sie dient im weiteren der Konfliktminderung bzw. -vermeidung, wenn dasRisikothema sich noch in einem frühen Stadium seines Lebenslaufes befindet. ZurErhebung der Anliegen lassen sich verschiedene Verfahren einsetzen.

Fokusgruppen sind Diskussionsgruppen, die von einem Moderator geleitet werden.Anhand eines Leitfadens wird ein Gespräch zu dem interessierenden Risikothemaangeregt. Die Teilnehmer sind dabei nicht eingeengt. Sie können zu den jeweiligenPunkten ihre Meinungen und Auffassungen ausführlich darstellen. So lässt sich einBild von der Risikowahrnehmung gewinnen und es können Schwerpunkte für dieRisikokommunikation abgeleitet werden.

Umfragen beruhen zumeist auf standardisierten Fragebögen. Diese werden entweder durch einen Interviewer im direkten Kontakt mit dem Befragten eingesetzt.Sie können aber auch per Post zugeschickt werden oder in einer Telefonbefragungeingesetzt werden.

Verfahren zur Erarbeitung von Optionen und zur Abgabe von Empfehlungen

Bürger-Jury

Beirat

Ein weitere Möglichkeit der Dialoggestaltung ist die Teilhabe an der Bewertung vonEntscheidungsalternativen und der Abgabe von Empfehlungen. Hier geht es nichtmehr nur um Information, sondern um aktive Auseinandersetzung mit unterschied-lichen Sichtweisen.

Solche Verfahren sind danach zu beurteilen, inwieweit sie Fairness und den Erwerbvon Sachkenntnis ermöglichen. Fairness bedeutet das gleiche Rechte aller auf Teilhabe am Verfahren, gleiche Informationsrechte und gleiche Rechte bei der Erörterung und Bewertung von Entscheidungsalternativen. Sachkenntnis beziehtsich auf das erforderliche Beurteilungswissen.

Bei einer Bürger-Jury werden ausgewählte Bürger damit beauftragt, Empfehlungenabzugeben. Etwa 15-25 Bürgervertreter werden zumeist wie Geschworene nachdem Zufallsprinzip ausgewählt. Ziel der Jury ist die Abfassung eines Bürgergut-achtens zum vorliegenden Problemkreis. Die Juroren erhalten eine Aufwandsent-schädigung für ihre Arbeit. Weitere Kosten entstehen, wenn die Jury Anhörungenvon Experten veranstaltet, um sich sachkundig zu machen. Auf diese Weise lässtsich der Sachverstand der Bürger-Jury verbessern.

Ein Beirat setzt sich in der Regel aus Vertretern gesellschaftlicher Interessengruppenzusammen. Jede Gruppe, die betroffen ist, oder die am Verfahren interessiert ist,kann beteiligt werden. Das Fairnesskriterium kann auf diese Weise umgesetzt werden. Sachverstand ist in der Regel vorhanden. Auch hier kann durch die Hinzu-ziehung von Experten die Sachkompetenz verbessert werden.

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33

Merksätze 2.

Merksätze:

32

Bausteine der Risikokommunikation2.4

Verfahren zur Mitwirkung an Entscheidungen

Anforderungen an einen neutralen Dritten:

Solche Verfahren gehen über einen Dialog hinaus, sie zielen auf eine Entschei-dungsbeteiligung ab. Sie setzen voraus, dass die Beteiligten ausreichend informiertsind, um kompetent an einer Entscheidung mitwirken zu können. Daher ist es erforderlich, die vorhandenen Informationsdefizite auszugleichen. Alle Fakten, dierelevant sind, müssen auf den Tisch. Zuweilen kann es außerdem erforderlich sein,Anhörungen mit Experten zu veranstalten, damit sich alle Teilnehmer eine kompe-tente Meinung bilden können.

Weiterhin spielt der Austausch von Standpunkten und Ansichten eine wichtige Rolle. Es geht dann um die Erkundung der Themen, Argumente und Interessen der beteiligten Parteien. In solcher Situation ist es die Aufgabe, den Beteiligten gleichen Raum zur Darlegung ihrer Standpunkte zu geben, die Interessen, die hinter den Standpunkten stehen zu erkunden und sich zu bemühen, Gemeinsam-keiten zu erkunden.

Im Kern geht es bei solchen Verfahren um Verhandlungslösungen. Dazu sind eineReihe von Verfahren denkbar: Von Runden Tischen bis hin zur Unterstützung vonErörterungen und Verhandlungen durch einen neutralen Dritten.

• Überparteilichkeit• Akzeptanzfähigkeit bei allen Beteiligten• Ausreichende Sachkenntnis• Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen

Schließlich sind in manchen Fällen Vorkehrungen zu treffen, die die Vertraulichkeitder Verhandlungen mit der notwendigen Information der Öffentlichkeit aus-balancieren. Das trifft besonders auf Konfliktfälle zu, die ein hohes öffentliches Interesse haben.

1

2

3

4

Risikokommunikation basiert auf drei Baustei-nen, die gemeinsam geschaffen werden müssen: die Qualität der Sozialbeziehung, das Design der Information und die Gestaltung des Dialogs zwischen den Beteiligten.

Risikokommunikation basiert auf der positiven Bewertung von Kompetenz, Fairness und sozia-

ler Verantwortung der Kommunikationspart-ner und

mündet in wechselseitiges Vertrauen. Ohne diesepositive Einschätzung scheitert Risikokommuni-kation.

Information und Wissensvermittlung zielen darauf, die Differenz zwischen Risikoproblem und Risikosicht zu verringern. Dazu sind zum einen die Inhalte zu vermitteln, die für das Verständnis des Risikos wichtig sind. Zum ande-ren müssen die Fragen beantwortet werden, die die Öffentlichkeit stellt.

Risikokommunikation erfordert die Gestaltung eines Dialogs zwischen den Beteiligten: Einsei-tige Information ohne Berücksichtigung der Anliegen der Betroffenen bildet keine Basis für

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34

3.

UM WAS ES GEHT

35

3.Um was es geht

Ein planmäßiges Herangehen an Risikokommunikation umfasst sechs Schritte. Dieersten drei Schritte dienen der Vorbereitung. Zuerst geht es um die grundsätzlicheOrientierung: Welches Risikoproblem liegt vor und über welche Schlüsselproblememuss man informieren? In einem weiteren Schritt sind die Adressaten der Risiko-kommunikation, einschließlich deren Positionen und Interessen zu ermitteln: Mitwem müssen wir warum kommunizieren? Wichtig ist dabei auch das „Wie“: Welche Form des Dialogs sollte gewählt werden?

Sind diese Fragen geklärt, so gilt es, die zentralen Themen für die Risikokommuni-kation festzulegen. Es müssen die Informationen gegeben werden, die zum Ver-ständnis und zur Bewertung des Risikos wichtig sind. Dabei spielen die sozialen Zusammenhänge, in denen das Risiko wahrgenommen wird, eine wichtige Rolle.Ziel ist es, die Differenz zwischen Risikoproblem und Risikosicht zu minimieren. Erstdann können quantitative Risikoinformationen vermittelt werden. Schließlich müssenRisikovergleiche ausgewählt werden, um diese quantitativen Risikoinformationen zuverdeutlichen.

3.1 Das vorliegende Risikoproblem analysieren

3.2 Verfahren der Dialoggestaltung entwickeln

3.3 Vertrauens-Audit durchführen

3.4 Zentrale Themen für die Risikokommunikation ansprechen

3.5 Risiken beschreiben

3.6 Risiken vergleichen

Schritte der Risikokommunikation

Das vorliegende Risikoproblem analysieren

Verfahren der Dialoggestaltung entwickeln

Vertrauens-Audit durchführen

Zentrale Themen für die Risikokommunikation festlegen

Risiken qualitativ und quantitativ beschreiben

Risiken vergleichen

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37

Das vorliegende Risikoproblem analysieren 3.1

36

Das vorliegende Risikoproblem analysieren3.1

Zunächst ist zu klären, welche Risikoprobleme ausSicht des Unternehmens mit der vorliegenden Situa-tion, zum Beispiel bei der Errichtung einer Anlage, verbunden sind oder sein können. Hier werden fünfgrundlegende Risikoprobleme unterschieden.

Möglichkeit eines Störfalls

3.1 Das vorliegende Risikoproblem analysieren

Abbildung 9: Risikoprobleme

Spezifische Information je nach Risikoproblem

Störfall-möglichkeit

Exposition mit einem Schadstoff

StörfallSchadstoff-verdacht

Schadens-auffälligkeit

Die Möglichkeit eines Störfalls, etwa in einem chemischen Betrieb oder bei einerMüllverbrennungsanlage, ist das erste der fünf Risikoprobleme. Es tritt zum Beispiel auf, wenn ein Standort für eine neue Anlage gesucht wird. Im Mittelpunktsteht dabei die Frage, wie wahrscheinlich ein Störfall ist und welche Auswirkungener haben kann. Je nach Größe der Wahrscheinlichkeit, dem Ausmaß des möglichenSchadens und abhängig von der jeweiligen Risikosicht ist mit unterschiedlichen Reaktionen der Öffentlichkeit zu rechnen.

Es geht hier um die Frage, ob es sich um ein rein denkbares Risiko handelt oder obhinreichende Gründe für eine Risikovermutung vorliegen. Ein Schadstoffverdachtliegt vor, wenn angenommen wird, dass ein Stoff schädliche Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt hat. Ein Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung um dieWirkung von Umweltchemikalien auf den Hormonhaushalt. Hier wird angenommen,dass selbst geringste Mengen beträchtliche Einflüsse auf die geschlechtsspezifischeEntwicklung haben können. Verglichen mit der Möglichkeit eines Störfalls kann einsolcher Verdacht schon zu heftigeren Reaktionen in der Öffentlichkeit führen.

Die Exposition mit einem Schadstoff (Exposition = In-Berührung-kommen) stellt einweiteres Risikoproblem dar. Ein Beispiel ist die Entdeckung von schadstoffhaltigenParkettklebern in den ehemaligen Wohnarealen der US-Armee in Frankfurt/Main.Hier wurden Stoffe gefunden, die krebserregend sind. Im Unterschied zum Schad-stoffverdacht, bestehen hier keine Zweifel, dass ein Schadstoff vorliegt. Die entscheidende Frage betrifft die Exposition. Denn ein Gesundheitsrisiko liegt nurdann vor, wenn der Mensch mit dem Schadstoff in Kontakt kommt. Dieses Risikohängt außerdem vom Ausmaß der Exposition ab. Es geht hier dann darum, zu verdeutlichen, welche Exposition vorliegt und welches Risiko damit verknüpft ist. Zuklären ist weiterhin, ob in Bezug auf den betreffenden Schadstoff eine Wirkungs-schwelle existiert, unterhalb derer keine Gefährdung anzunehmen ist.

Im Falle der Schadensauffälligkeiten liegen die Dinge anders. Hier liegt ein tatsäch-liches Gesundheitsproblem vor. Die Ursache ist aber unklar. Ein Beispiel sind beobachtete Häufungen von bestimmten Erkrankungen in der Nähe einer Anlage,wobei die Frage ist, ob diese Erkrankungen von der Anlage verursacht werden. Risikokommunikation richtet sich hier auf die Klärung dieser vermutlichen Ursache.Es geht also um Belege und Begründungen für die angenommene Ursache-Wirkungs-Beziehung. Das Konfliktpotential für das betreffende Unternehmen ist hieram größten.

Der Eintritt eines Störfalls dokumentiert einen weiteren Fall. Ein Beispiel dafür ist das ICE-Unglück von Eschede, ein anderes die Störfälle bei Hoechst von 1993. Inmanchen Fällen entwickelt sich das eingetretene Risiko zur Krise (vergl. Kapitel 4).Einmal abgesehen von akuten Schäden, z.B. durch Explosionen oder Vergiftungen,besteht das Problem in der Abschätzung und Verdeutlichung der längerfristigen Risiken, die mit der Emission von Gefahrenstoffen verbunden sind. Weiterhin gehtes immer um die Schuldfrage: Wer und was hat den Störfall verursacht?

Exposition mit einem Schadstoff

Schadensauffälligkeiten

Eintritt eines Störfalls

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39

Risikokommunikation muss gründlich vorbereitet wer-den. Dazu gehört eine genaue Identifikation der Be-troffenen/Interessierten, ihrer Fragen und Probleme,der möglichen Konflikte und deren Auswirkungen. Erst dann kann die Auswahl eines geeigneten Verfah-rens erfolgen. Dabei spielt das Vertrauen eine entscheidende Rolle. Deswegen ist eine Überprüfungder Vertrauenslage notwendig.

Ermittlung der Beteiligten und ihrer Anliegen

Zuerst sind die Konfliktparteien zu identifizieren. In den meisten Fällen scheint dies einfach zu sein. Gerade aber bei größeren Projekten, die infrastruk-turelle und/ oder umweltpolitische Belange berühren,wächst die Zahl der Betroffenen rasch an. Dennoch istes hinsichtlich der Akzeptanz und des Verfahrens undseiner Ergebnisse wichtig, alle wesentlichen Parteienzu berücksichtigen.

Dialog gestalten 3.2

3.2 Verfahren der Dialoggestaltung entwickeln

38

Das vorliegende Risikoproblem analysieren3.1

Die fünf Risikoprobleme sind mit unterschiedlichenThemen verknüpft. Sie besitzen außerdem ein unter-schiedliches Mobilisierungspotential und stellen so unterschiedliche Anforderungen an die Risikokom-munikation von Unternehmen (siehe Tabelle 6).

Störfallmöglichkeit

Schadstoffverdacht

Exposition mit einem Schadstoff

Störfall

Zuschreibung von Schäden zu einermöglichen Risikoquelle

Schaden und Wahrscheinlichkeit, Vermeidung des Störfalls

Risikopotential, Vorsorgemaßnahmen

Wirkungsschwelle, Grenzwert, Vorsorge- und Schutzmaßnahmen

Auswirkungen und Notfallverhalten, Spätfolgen, Ursachen und Verantwortung

Kausalität, Beweislast

Tabelle 6: Risikoprobleme und ihre Schlüsselthemen

Risikoproblem Schlüsselthemen

Mögliche interessierte Parteien • Nachbarn• Konsumenten und Zulieferer• Bürgerinitiativen, Umwelt- und

Verbraucherverbände• Allgemeine Öffentlichkeit• Verwaltung• Politik• Medien• Versicherer

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41

Verfahrensauswahl

Im Anschluss wird das Ausmaß der Beteiligung derInteressengruppen /Öffentlichkeit festgelegt und einVerfahren ausgewählt.

Kriterien zur Auswahl eines Verfahrens der Dialogge-staltung:

Zu beurteilen sind:

Verbreitung:

Verständlichkeit:

Fairness:

Geordnetheit:

Zielerreichung:

Dialog gestalten 3.2

40

Dialog gestalten3.2

Die weitere Analyse beschäftigt sich mit den Positionenund Argumenten der Konfliktparteien zu dem vor-liegenden Konfliktfall. Hier sollte eine erste Bestands-aufnahme erfolgen. Dabei ist es ratsam, neben denPositionen und Interessen auch die Argumente der beteiligten Parteien zu erfassen und zumindest eineÜbersicht zu gewinnen. Positionen lassen sich zumeistin Für/Wider/Unentschieden differenzieren. Um eine Übersicht zu gewinnen, sollten folgende Fragenbedacht werden:

• Welche Vorgeschichte hat das Risikothema?• Wie weit ist das Thema eskaliert?

• Welche besonderen Empfindlichkeiten haben die Konfliktparteien?

• Stimmt der Zeitpunkt für eine Mitwirkung an der Entscheidung? Inwieweit sind die Konfliktthemen bereits ausgeufert?

• Haben die Parteien ein Interesse an einer Lösung?

Dabei kann die in Tabelle 7 dargestellte Vorgehens-weise genutzt werden, um systematisch die erforder-lichen Informationen zu den Positionen, Interessen undArgumenten der beteiligten Gruppen zu erfassen.

Anwohner

Kommunalverwaltung

Allgemeine Auflagen/Planungen

Bürgerinitiative X

Medien (regional/überregional)

Tabelle 7: Schema der Interessen- und Konfliktanalyse

Interessengruppen Position zum „Risiko“ Interesse Argumente

Interessen- und Konfliktanalyse

Wie viele Personen sollen erreicht werden? Werden die wesentlichen Interessen-gruppen erreicht/einbezogen?

Kann die Information für die Interessengruppen auf dem angestrebten Wege verständlich vermittelt werden?

Haben die Interessengruppen die Möglichkeit, ihre Sichtweisen darzustellen?

Ist vorgesorgt, dass der Dialog in geordneten Bahnen ablaufen kann und komplexeSachverhalte angemessen behandelt werden können?

Können die angestrebten Ziele erreicht werden (Klärung von Sachfragen, Ver-mittlung von Bewertungsmaßstäben, Abgabe von Empfehlungen, Erarbeitung vonKonsensen) ?

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42 43

Vertrauen in das Unternehmen überprüfen

Mit den nachfolgenden Testfragen lässt sich erfassen,wie das Unternehmen von den Gruppen bewertetwird, die sich bei der Interessenanalyse als bedeutsamerwiesen haben. In vereinfachter Weise kann derFragebogen stellvertretend – aus der anzunehmendenSicht der jeweiligen Gruppe – beantwortet werden.

Vertrauens-Audit durchführen 3.3Dialog gestalten3.2

Ressourcenplanung

Die Gestaltung des Kommunikationsprozesses erfor-dert die Bereitstellung von sachlichen und personellenRessourcen. Es empfiehlt sich, diese projektgebundenin eine Hand zu legen, so dass Kompetenzwirrwarrund lange Abstimmungswege vermieden werden.

3.3 Vertrauens-Audit durchführen

Anwohner

Kommunalverwaltung

Allgemeine Auflagen/Planungen

Bürgerinitiative X

Medien (regional/überregional)

Tabelle 8: Ermittlung von Handlungsmöglichkeiten für die Zwei-Wege-Kommunikation

Relevante Akteure/Interessengruppen

Möglichkeit zur Zwei-Wege-Kommunikation

Fristen/Zeitplan Kostenplanung Außenwirkung (Image, Krisen-potential etc.)

Vertreter des Unternehmens argumentieren wahrheitsgemäß.

Vertreter des Unternehmens halten sich an Übereinkünfte und Abmachungen.

Vertreter des Unternehmens sind zuverlässige Verhandlungspartner.

Vertreter des Unternehmens berücksichtigen auch die Interessen der Allgemeinheit.

Vertreter des Unternehmens verhandeln ehrlich.

Vertreter des Unternehmens halten Wort.

Vertreter des Unternehmens täuschen andere Gruppen nicht.

Vertreter des Unternehmens gehen fair mit anderen Gruppen um.

Tabelle 9: Einschätzung des Unternehmens durch Interessengruppen

Wie werden wir von „außen“ gesehen? Bewertung

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Umgang mit Vertrauens-Problemen

Misstrauen - einmal vorhanden - ist nur sehr schwerzu überwinden. Prinzipiell bieten sich vier Strategienan, die in Abhängigkeit vom Ausmaß des Misstrauens angewandt werden sollten.

Das Stärken von Vertrauen in Verfahren:

Die Umwandlung in personales Vertrauen:

Das Hinzuziehen von glaubwürdigen Personen / Institutionen:

Betonung von Beteiligung und Mitsprache:

Vertrauens-Audit durchführen 3.3

44

Vertrauens-Audit durchführen3.3

Ursachen der Stärken/Schwächen in Bezug auf Vertrauen erkunden

(1) Soziale VerantwortungWelche Leistungen/welchen Nutzen erbringen wir für:

(2) RisikoWie gehen wir mit Risiken um:

(3) FremdbildGab es in der Vergangenheit Vorwürfe in Bezug auf:

• unsere Kunden,• unsere Mitarbeiter,• unsere Nachbarn am Standort und• die Allgemeinheit?

• Welche Managementprinzipien werden wie umgesetzt?• Ist das „Beste Praxis“?• Welche Vorfälle/Probleme gab es in der Vergangenheit?• Wurden/werden Ängste laut? Wie gehen wir damit um?

• Störfälle,• Produktfehler,• Zurückhalten von Informationen,• Gesprächsverweigerung?

Im Fall eines diffusen und nicht zu starken Misstrauens, empfiehlt es sich, das Vertrauen in Verfahren über die explizite Angabe der Gründe, warum diese vertrauenswürdig sind, zu stärken. Dabei geht es z.B. um:• Vermittlung der Prinzipien der wissenschaftlichen Risikobewertung als Beleg

ihrer Vertrauenswürdigkeit • Vermittlung von Prinzipien, nach denen das Risikomanagement umgesetzt wird

als Beleg für die Umsicht des Unternehmens

Falls das Misstrauen größer ist, empfiehlt es sich, den Verfahren und Prinzipien, aufdie man sich beruft, „Gesichter“ zu geben:• Welche Personen lenken das Unternehmen? Welchen Werten folgen diese? • Wer ist für den Umweltschutz und das Risikomanagement verantwortlich?• Wer prüft, dass die vorgesehenen Schutzmaßnahmen auch umgesetzt werden?• Auf welche Experten stützt sich das Unternehmen?

Bei schweren Vertrauensproblemen muss versucht werden, Personen bzw. Institu-tionen zu gewinnen, die in der Öffentlichkeit hohes Vertrauen genießen. Dies erfordert aber auch, ihnen bestimmte Rechte einzuräumen.

Wenn nichts mehr hilft, hat das Unternehmen nur die Möglichkeit, Vertrauen durchKontrolle zu ersetzen. Diejenigen, um deren Vertrauen man wirbt, bekommen Einsichts- und Mitspracherechte eingeräumt.

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Risikosichten: Wie schnell ist was passiert

Wer weiß denn, ob nicht....?

Wir sind doch alle schon Opfer

Zentrale Themen ansprechen 3.4

46

Zentrale Themen ansprechen3.4

Risikokommunikation muss sich an den Sichtweisenund Fragen der Adressaten orientieren. Das jeweiligeRisikoproblem muss genau erfasst und die damit verbundenen Schlüsselthemen müssen erkannt und berücksichtigt werden.

Neben der Analyse des vorliegenden Risikoproblems(siehe dazu Kapitel 3.1) ist zu ermitteln, ob das Problem in der Öffentlichkeit bereits in einem stabilenMuster (s. Kap. 1) wahrgenommen wird und um welches Muster es sich handelt.

Im Idealfall korrespondiert jedes dieser Risikopro-bleme aus Sicht der Experten mit einer Risikosicht vonLaien, wie sie bereits in Kapitel 1.2 dargestellt wordenist (siehe auch Abb. 10). So entspricht die Störfall-möglichkeit dem Muster „Wie schnell ist was passiert“und die Exposition mit einem Schadstoff dem Muster„Wir sind doch alle schon Opfer“. Allerdings führt diese Laiensicht, die die sozialen Zusammenhängedes Risikos betont, zumeist bereits zu einer Verstär-kung der Risikowahrnehmung. Das Problem der Risi-kokommunikation nimmt jedoch noch zu, wenn dasRisikoproblem von der Öffentlichkeit in einer anderenSicht wahrgenommen wird. Um auch hier ein Beispielzu geben: So kann der Verdacht auf einen Schadstoff

3.4 Zentrale Themen für die Risikokommunikation ansprechen

Abbildung 10: Risikosichten von Experten und Laien

Störfall-möglichkeit

Exposition mit einem Schadstoff

Störfall

Wie schnell istwas passiert

Wir sind doch alle schon Opfer

Das musste jakommen

Wer weiß denn,ob nicht…?

Haltet den Täter

Schadstoff-verdacht

Schadens-auffälligkeit

Expertensicht

Laiensicht

in der Öffentlichkeit bereits als Beweis angesehen wer-den und in der Sicht „Wir sind doch alle schon Opfer“oder gar als „Das musste ja kommen“ aufgefasst wer-den. Es ist einsichtig, dass das jeweilige Muster der Risiko-sicht und die damit verknüpften Überzeugungen undAnsichten der Laien bei der Risikokommunikation beachtet werden müssen.Im Weiteren stehen deshalb - bezogen auf die Wahr-nehmungsmuster - die Fragen im Mittelpunkt, mit denen sich Risikokommunikation auseinandersetzenmuss. Ohne hierauf zu antworten, sind alle eigenenBotschaften zur Risikobewertung wenig erfolgver-sprechend.

Wenn die Störfallmöglichkeit das entscheidende Risikoproblem ist, muss mit folgenden Fragen gerechnet werden:

• Was kann passieren?• Wie schlimm ist das?• Wer sind die potentiellen Opfer?• Ist der potentielle Schaden zumutbar?• Gibt es risikoärmere Alternativen?• Wieso wird das Risiko in Kauf genommen und uns zugemutet?

Gibt es dafür gute Gründe?• Steht dem Risiko ein Nutzen gegenüber und wie ist dieser verteilt?

Der Verdacht, das man einem Risiko ausgesetzt ist, führt zu diffusen Ängsten undBefürchtungen: Dabei tauchen oft Fragen auf, wie sie nachstehend zu finden sind:

• Was kann passieren? Sind die Schäden 100% auszuschließen?• Wieso wurden noch keine Studien/Untersuchungen durchgeführt,

um zu ermitteln, ob Personen oder die Umwelt bereits geschädigt sind?• Werden Informationen über den Schadstoff zurückgehalten? Und wenn,

aus welchen Gründen? Gibt es ein Komplott von Industrie und Verwaltung?• Wer vertritt unsere Interessen gegenüber der Industrie?

Wenn davon ausgegangen wird, dass Bürger und Bürgerinnen einem Schadstoffausgesetzt sind, muss mit einer Gemengelage von Angst und Empörung gerechnetwerden. Das Unternehmen hat dann mit den folgenden Fragen zu rechnen:

• Wer ist exponiert? Was kann passieren?• Seit wann ist die Exposition mit dem Schadstoff bekannt?• Seit wann weiß das Unternehmen davon? • Was hat das Unternehmen seitdem getan? Warum hat es bislang nichts getan?• Welche Schutzmaßnahmen sind notwendig?

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48 49

Über die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Risi-kosichten hinaus hat die Vermittlung der Informatio-nen zu erfolgen, die zum Verständnis und zur Bewer-tung des Risikos notwendig sind.Hierbei wird zwischen qualitativer und quantitativerBeschreibung des Risikos unterschieden.

Die Grundregel bei der Beschreibung der Risikolagelautet:

Eine qualitative Beschreibung von Risiken ist be-sonders wichtig, wenn Risikoproblem und Risikosichtvoneinander abweichen. Zum Beispiel, wenn es strittig ist, ob überhaupt ein Risiko vorliegt, z.B. beiSchadstoffverdacht, aber in der Öffentlichkeit ange-nommen wird, dass man bereits Opfer eines Schad-stoffes geworden ist. Zu informieren ist also darüber,was für ein Risikoproblem vorliegt und welche Belegedafür sprechen.

Eine quantitative Beschreibung von Risiken ist erstdann sinnvoll, wenn Einigung darüber erreicht ist,welches Risikoproblem vorliegt.

Risikobeschreibung 3.5Zentrale Themen ansprechen3.4

3.5 Risiken beschreiben

Haltet den Täter!

Das musste ja kommen

Wenn Beschwerden und Erkrankungen einer möglichen Risikoquelle zugeschriebenwerden, ist mit den folgenden Fragen umzugehen:

• Wieso wird geleugnet, dass die Beschwerden von der Risikoquelle stammen?• Warum werden die Experten, auf die ich mich stütze, nicht gehört?• Wieso unternehmen die Behörden nichts?• Wieso werden Betroffene als „psychosomatischer“ Fall abgestempelt?

Nach Eintreten eines Störfalls oder eines anderen Schadens werden die weiter unten aufgeführten Fragen laut:

• Was ist passiert? Wer ist zu Schaden gekommen?• Wie ist das passiert? Wer trägt die Verantwortung? • Wer trägt die Schuld?• Hätte der Störfall verhindert werden können? Wenn ja, wieso wurden

diese Maßnahmen nicht ergriffen?• Mit welchen Folgeschäden ist zu rechnen?• Kann der Störfall wieder passieren?• Was wird getan, um eine Wiederholung des Störfalls zu verhindern?

Abbildung 11: Qualitative und quantitative Risikobeschreibungen

Qualitative Risikobeschreibung

Risikobeschreibung

Unfallstatistik, EpidemiologieTierversuche, Versuche an ZellkulturenGedankenexperimente

Quantitative Risikobeschreibung

Wissen über und Einschätzung des Risikos

Für wen?In welchem Maße?

Schadenspotential

Kritischer Parameter fürden Schädigungseffekt

Wissenschaftliche Grundlagen

Schädigungsmechanismus

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Risikobeschreibung 3.5

50

Risikobeschreibung3.5

Qualitative Beschreibung

Die qualitative Risikobeschreibung sollte über den Typdes Risikoproblems informieren und entsprechendeBelege bringen. Wesentlich ist hier der Bezug auf diewissenschaftlichen Grundlagen der Risikocharakteri-sierung.

Ziel ist es, die vorliegende Risikosicht und das ange-nommene Risikoproblem einander anzunähern. Dennsolange die Risikosicht von dem Risikoproblem wesentlich abweicht, ist die Vermittlung von Risiko-zahlen sinnlos. Sie werden nicht zur Kenntnis ge-nommen.

Die Vorgehensweise kann dabei unterschiedlich sein.Beispielsweise geht es bei der Exposition mit einemSchadstoff um die Erklärung, durch welche Vorgängebzw. Übertragungspfade ein Gesundheitsschaden bewirkt werden kann. Oder es ist das Ausmaß der Ex-position zu kennzeichnen: Wer ist in welchem Ausmaßbetroffen?

Und bei einem Schadstoffverdacht sollte die Ausein-andersetzung darüber, ob etwas ein Risiko ist odernicht, mittels der Erörterung der wissenschaftlichenGrundlagen der Risikoanalyse geführt werden.

Die folgenden Fragen geben eine Orientierung, welche Themen bei der qualitativen Risikobeschrei-bung von Bedeutung sein könnten:

• Wie gut sind die wissenschaftlichen Modelle, aufdie sich die Risikobewertung stützt?• Welche Qualität haben die Daten, auf die sich die

Risikobewertung stützt?• In welchem Ausmaß stimmen verschiedene Studien

überein? Kommen sie zu verschiedenen oder zur gleichen Aussage?

• Lässt sich die Exposition zuverlässig feststellen?• Gibt es eine Dosis-Wirkungs-Beziehung, d.h. nimmt

bei stärkerer Exposition das Risiko zu?• Ist der Einfluss von Nebenrisikofaktoren kontrolliert?• Sind Verfahrens- und Messfehler ausgeschlossen?• Welche Unterstützung findet die Risikobewertung

unter Wissenschaftlern? Wie stehen die Fachexperten dazu?

Quantitative Beschreibung

Eine quantitative Beschreibung des Risikos kann sichauf verschiedene Aspekte beziehen. Grundsätzlichlassen sich Angaben zur technischen Risikoquelle, zur Freisetzung bzw. Emission, zur Immission/Expositionund zu den möglichen Folgen machen.

Ohne Angaben zur Risikobewältigung bzw. zum Risikomanagement sind solche Maße aber eher problematisch. Außerdem sollte eine quantitative Risikobewertung nie ohne Erläuterung der Zahlen erfolgen. Zu beachten ist weiterhin, dass durch dieWahl von Einheiten und Maßen die Risikowahr-nehmung beeinflusst werden kann.

Risiken können nach unterschiedlichen Gesichts-punkten beschrieben werden. Abb. 12 gibt dazu eineÜbersicht. Dabei werden vier grundsätzliche Beschrei-bungsmöglichkeiten unterschieden:

• Merkmale der risikobehafteten Technik• Merkmale der Freisetzung der Schadstoffe• Merkmale der Exposition

(des In-Kontakt-Kommens mit den Schadstoffen)• Merkmale des Schadens

Beispielsweise kann man ein technologisches Risikomit der Anzahl der vorhandenen Anlagen, von denendieses Risiko ausgeht, angeben. Alternativ dazu kannman die Betriebsdauer (etwa: wir haben 2000 JahreBetriebserfahrung, wenn man alle Anlagen betrachtet)heranziehen.

Abbildung 12: Quantitative Risikobeschreibungsmöglichkeiten

Quantitative Risikobeschreibungsmöglichkeiten

Technologie Freisetzung Exposition Wirkung

Betriebsdauerin (h)

Schädliches Inventar in (t)

Wahrscheinlichkeit Schadstoffemission in(kg pro Jahr)

Schadstoffkonzen-tration in (mg/m3)Ausbreitung in (km2)

Betroffene (Anzahl) Fläche verseuchten Bodens/Gewässers in (km2)

Anreicherung von Schadstoffen in Nahrungskette in (% pro Jahr)

Tote und Verletzte (Anzahl pro Jahr)

Gesundheitsschäden (Anzahl pro Jahr)

Veränderung Naturbestand in (%)

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52 53

Eine wesentliche Hilfe zur Verbesserung des Informa-tionswertes von quantitativen Risikobeschreibungensind Risikovergleiche. Tabelle 11 gibt über die verschie-denen Typen von Risikovergleichen eine Übersicht.

Vergleiche können Risiken und Schäden verständ-licher machen und können helfen, die Bedeutsamkeiteines Risikos besser zu vermitteln. Bei Risikoverglei-chen ist jedoch besondere Vorsicht notwendig: Zuleicht kommt der Verdacht der Manipulation auf. Auchverstoßen manche Vergleiche gegen die Risikowahr-nehmung von Laien. Beispielsweise ist es unsinnig, eintechnisch bedingtes Zusatzrisiko mit dem Risiko desAutofahrens zu vergleichen, da es sich im ersten Fallum ein unfreiwilliges und im zweiten um ein freiwilli-ges Risiko handelt.

Risikovergleiche 3.6Risikobeschreibung3.5

Weiterhin kann die Wahrscheinlichkeit angegebenwerden, mit der Schadstoffe durch einen Störfall frei-gesetzt werden. Risikobeschreibungen können sichauch auf die Schadstoffe beziehen. Hier werden in derRegel Mengen-, Konzentrations- oder Intensitätsan-gaben gemacht. In diesem Zusammenhang kann auchdie Ausbreitung (welche Fläche ist von Schadstoffenbetroffen?) charakterisiert werden. Schließlich kannman auch die Persistenz – wie lange bleibt der Schad-stoff ein Schadstoff – in Zeitmaßen (z.B. Halbwertzeit)angeben.

Bezüglich der Exposition lässt sich beschreiben, wieviele Menschen betroffen sind. Hier kann weiterhin dieAkkumulation über die Zeit dargestellt werden: In welchem Maß reichert sich der Schadstoff im Körperoder der Umwelt – bezogen auf eine bestimmte Zeit-spanne – an?

Auch die schädlichen Effekte können unterschiedlichbeschrieben werden. Es können Angaben zu akutenoder chronischen Effekten, zur Erkrankungshäufigkeitund zur Art des möglichen Gesundheitsschadens, zuEffekten auf künftige Generationen oder zu Umwelt-schäden gemacht werden.

Natürlich hängt die Auswahl davon ab, ob sich das je-weilige Risiko danach überhaupt sinnvoll beschreibenlässt und ob dazu Daten vorliegen.

Welche Risikobeschreibungen man wählt, kann Einfluss auf die Wahrnehmung der Größe des Risikosbesitzen. Einige Einflüsse sind in Tabelle 10 dargestellt.

3.6 Risiken vergleichen

Mengen- und KonzentrationsangabenEmission in ProzentAbsolute Menge per Jahr

WahrscheinlichkeitLifetime RiskMittleres Individualrisiko per Jahr

KonsequenzenSchrecklichkeits-Faktor (Krebs)Hohe Anzahl von BetroffenenKeine Wahrscheinlichkeitsangaben

BezugsgruppeHochexponierteAllgemeinbevölkerung

VerursacherWenn “von Menschen gemacht”Wenn “natürlich”

Schwächt eher abVerstärkt eher

Verstärkt eherSchwächt eher ab

VerstärktVerstärktVerstärkt eher

VerstärktSchwächt eher ab

Verstärkt eherSchwächt eher ab

Tabelle 10: Effekte von Risikobeschreibungen auf die Risikowahrnehmung

Risikobeschreibung Effekt auf die Risikowahrnehmung

Zuverlässigkeit der Abschätzung des Risikos

Vergleich des Risikos zur Verbesserungder Vorstellungskraft

Vergleich zur Verdeutlichung des Gefahrenausmaßes

Vergleich zur Verdeutlichung der relativen Bedeutsamkeit

Vergleich verschiedener und unabhängiger Schätzungen

Beispiele für kleine Wahrscheinlichkei-ten geben (Strecken, Mengen, Volumen)

Vergleich mit einem Grenzwert

Vergleich mit Risiken, die risikoreduzie-rende Maßnahmen erforderlich machenVergleich mit anderen Risikoquellen, diedie gleichen Auswirkungen haben

Tabelle 11: Risikovergleiche

Ziel des Risikovergleichs Verfahren

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Risikokommunikation muss sich zum einen an den Fragen ausrichten, die in der Risikodebatte gestellt werden. Sie muss zum anderen aber auch die Informationen und die Wissens-grundlagen vermitteln, die zum Verständnis der Risiken nötig sind.

Der erste Schritt beim Aufbau der Risikokommu-nikation ist die Einordnung des Risikoproblems: Auf welches Risikoproblem ist die Kommuni-kation zu beziehen?

Im zweiten Schritt ist die Auswahl einer geeigne-ten Zwei-Wege-Kommunikation vorzunehmen.

Der dritte Schritt betrifft die Sicherung von Vertrauen.

Mit dem vierten Schritt sind die Risikosichten zu berücksichtigen, die in der Öffentlichkeit vorliegen. Darauf bezogen müssen die Themen festgelegt werden, über die kommuniziert wer-den muss.

Im fünften Schritt geht es um die Annäherung von Risikoproblem und Risikosicht. Dazu dient die qualitative Risikobeschreibung.

Im sechsten Schritt gilt es dazu entsprechende Indikatoren und Risikovergleiche für die quanti-tative Risikobeschreibung auszuwählen.

Merksätze 3.

Merksätze

54

Risikovergleiche3.6

Auch findet der oft in der Literatur vorgenommene Vergleich von umweltbedingten und vom Menschengemachten Risiken mit „natürlichen“ Risiken kaum Akzeptanz. Der Hinweis darauf, dass der Mensch imDurchschnitt wesentlich mehr natürliche Pestizide auf-nimmt als synthetische, führt nicht dazu, dass letzteretoleriert werden. Allerdings gibt es bislang keine ausreichenden empirischen Untersuchungen, die den Experten eine klare Orientierung bei der Auswahl vonRisikovergleichen geben können.

Fragen für die Auswahl von Risikovergleichen

Hinweise für den Einsatz von Risikovergleichen

• In welcher Hinsicht sind sich die Risiken ähnlich, die verglichen werden? Und in welcher Hinsicht nicht?

• Worin besteht die Funktion des Risikovergleichs?• Basieren die Vergleiche auf Risikodaten, deren wissenschaftliche Basis

vergleichbar ist?

• sind nur sinnvoll, wenn kein Misstrauen vorhanden ist,• sind nur angemessen, wenn sie nicht als Akzeptanzargument eingesetzt werden,• sollten vorab getestet werden (Wie wird der Vergleich verstanden?) und• sollten nie die zentrale Botschaft sein.

1

2

3

4

5

6

7

Störfallmöglichkeit

Verdacht auf einen Schadstoff

Exposition mit einem Schadstoff

Störfall

Schadensauffälligkeiten

• Wahrscheinlichkeit des Störfalls• Ausmaß des möglichen Schadens

• Wissenschaftliche Evidenz für die Risikobewertung

• Unsicherheit der Risikoabschätzung

• Exposition• Wirkungsschwelle• Grenzwerte

• Unmittelbare Schäden• richtiges Störfallverhalten• Wahrscheinlichkeit von Folgeschäden

• Kausalität• Ursache-Wirkungs-Modell

• Offenheit, Fairness, Transparenz und Vollständigkeit der Information

• Prompte Reaktion

• Hinzuziehen vertrauenswürdiger Personen

• Information

• Dialog

• Beteiligung

Tabelle 12: Risikoprobleme und Risikokommunikation

Risikoproblem Vertrauen Aufklärung Zwei-Wege-Kommunikation

Bausteine der Risikokommunikation

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56

4.

UM WAS ES GEHT

57

4.Um was es geht

Trotz aller Vorbereitung – einschließlich vorbeugender Risikokommunikation – lassen sich Krisen nicht ausschließen, die das Unternehmen schädigen können.

Deswegen ist es wichtig, sich auf Krisen vorzubereiten und einen Krisenplan für solche Ereignisse zu besitzen. Aber auch der beste Plan ist wirkungslos, wenn erein Schubladenplan bleibt. Der Umgang mit Krisen muss geübt sein.

Zu beachten ist weiterhin, dass eine Krise andauern und sogar zu einem perma-nenten Problem werden kann. Um das zu vermeiden, ist die Kommunikation in derNachphase wichtig.

4.1 Bausteine der Krisenkommunikation in der Übersicht

4.2 Krisenkommunikation in der Vorphase

4.3 Krisenkommunikation in der heißen Phase

4.4 Krisenkommunikation in der Nachphase

Kommunikation in der Krise

Krisenkommunikation in der Vorphase

Krisenkommunikation in der heißen Phase

Krisenkommunikation in der Nachphase

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Der Krisenmanagement-Plan umfasst alle Leistungenund Koordinationen, die nötig sind, um:• ein schnelles Alarmieren des Krisenteams zu

ermöglichen,• legt die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der

Mitglieder des Krisenteams fest, • beschreibt die einzelnen Aufgaben im Detail,

definiert einen Zeitplan und gibt Qualitätsstandardsfür die Abarbeitung der Aufgaben vor.

Das Krisenteam besteht aus:

Je nach Typ der Krise und Größe des Unternehmenskann die Zusammensetzung des Krisen-Teams verschieden sein. Es empfiehlt sich, dass Mitgliederder Geschäftsleitung einbezogen werden. Bei kleine-ren Unternehmen besteht das Krisenteam in der Regelnur aus dem Geschäftsführer und – wenn verfügbar – einem Experten. Hier ist es sinnvoll, sich Hilfe von Außen zu holen.Das Krisenzentrum ist das zentrale Lagezentrum während einer Krise. Je nach Krisentyp und Grad derKrise kann es entweder am Sitz der Unternehmenslei-tung oder am Ort der Krise eingerichtet werden. ZurAusstattung des Krisenzentrums gehören:• Telefone, Mobiltelefone, Faxe und Pager,• Videorecorder und Anlage zum Abspielen

und Kopieren,• Videokonferenzanlage, • Diktier- und Audioaufnahmegeräte,• PC´s mit Anschluss an Datenbanken und Intranet,• Stellwände und Flipcharts.

Krisenkommunikation in der Übersicht 4.1

58

Krisenkommunikation in der Übersicht4.1

Krisenmanagement ist das Management von Krisen-anlässen und -ereignissen. Es umfasst Aufgaben in derVorphase, der eigentlichen Krisenphase und derNachphase einer Krise. Kommunikation ist dabei eine wesentliche Managementaufgabe.Eine Krise ist ein Verlust von Kontrolle über Geschäfts-prozesse aufgrund von öffentlichen Reaktionen aufdas Unternehmen. Dabei können die Ertragsgrund-lagen bzw. die Wettbewerbsfähigkeit eines Unter-nehmens wesentlich beeinträchtigt werden.

Aufgaben des Krisenmanagements:

Auf was es bei der Krisenkommunikation ankommt

Im Falle einer Krise kommt es darauf an, die Faktenrasch zu klären, die Verantwortungsfrage zu beant-worten, um negative Auswirkungen auf das Unter-nehmen zu vermeiden und einer Chronifizierung derKrisen entgegenzuwirken.

Jedes Krisenmanagement erfordert:

4.1 Bausteine der Krisenkommunikation in der Übersicht

• Erkennen von möglichen Krisenanlässen: Was zeichnet sich ab?• Prognose von denkbaren „Worst-Case2“-Entwicklungen: Was wäre, wenn...?• Abstimmen von Krisenplänen: Was kann vorbereitet werden,

um die Krisen besser zu bewältigen? • Handeln im Fall einer Krise: Was ist zu tun? Was ist in welcher Zeit zu leisten?• Rückgewinnung von Kontrolle: Wie kann die Initiative wieder erlangt werden?

Wie lässt sich das Geschäftsfeld absichern?• Lernen aus dem Krisenfall: Wie gut war das Management?

Was lässt sich verbessern?

• das Erstellen eines Krisenmanagement-Planes, • die Bildung eines Krisen-Teams, • die Bereitstellung der logistischen und technischen Ressourcen, die für die

Bewältigung von Krisen nötig sind innerhalb eines Krisen-Zentrums und • das Durchführen von Übungen und Krisensimulationen, um Abläufe des

Krisenmanagements zu erlernen.

2 Worst-Case = schlimmster Fall

• einem Krisensprecher, der an die Öffentlichkeit tritt,• einem Fachexperten, der wissenschaftliche und Sachfragen bewertet,• einem juristischen Experten, der bei juristischen Sachfragen berät,• einem PR-Experten, der für die Beobachtung der Medien und für die

Medienstrategie zuständig ist.

Weiterhin sind Räume für Pressekonferenzen undInterviews vorzuhalten. Das Krisentraining kann aus Planspielen, Übungenoder Krisensimulationen bestehen. Durch das Trainingsoll gelernt werden, im Team besser zusammenzuar-beiten, sich auf unterschiedliche Anforderungen rascheinstellen zu können und auch unter Stress richtig zureagieren. Krisentrainings sollten einmal jährlichdurchgeführt werden. Auch kleinere und mittlere Unternehmen können ohne größere Probleme solche Krisenübungen durch-führen.

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Identifikation der KrisenpotentialeDiese Analyse möglicher Krisen hat natürlich Bezug zu der Planung und dem Aufbau der Risikokommuni-kation. Sie überschneidet sich z.T. mit der Analyse derRisikopotentiale des Unternehmens, der Risikosensi-bilität im Unternehmensumfeld und der Risikokultur imUnternehmen (siehe dazu Kapitel 1.4).

Krisen können sich aus den verschiedensten Anlässenheraus entwickeln. Beispielhaft sind die folgenden An-lässe aufgeführt:

Beispielanlässe:

In jedem Fall ist es ratsam, sich ein eigenes Krisenprofilzu erarbeiten und die Vorfälle zu bestimmen, die sich zu Krisen entwickeln können. Aus praktischen Gründen sollten nicht mehr als die 5 - 7 wichtigsten Krisenpotentiale weiter verfolgt werden.

Krisenkommunikation in der Vorphase 4.2

60

Krisenkommunikation in der Vorphase4.2

Ziele:Es geht um die Verhinderung des Eintritts von Krisensowie um die Verbesserung der Fähigkeit, im Ernstfallrasch und effizient handeln zu können. Die Krisenvorbeugung deckt sich weitgehend mit denbereits geschilderten Schritten beim Aufbau von Risi-kokommunikation. Trotzdem sind nachfolgend nocheinmal – aus der spezifischen Sicht der Krisenkommu-nikation – die verschiedenen Aufgaben aufgeführt.

Aufgaben:Im einzelnen stehen die folgenden Aufgaben an:• Ressourcen- und Personalplanung• Festlegen der Verantwortlichkeiten für das

Krisenmanagement• Identifikation von Krisenpotentialen• Bewertung und Priorisierung der Krisenpotentiale• Beobachten der Entwicklung von Krisenpotentialen• Ausarbeitung von vorbeugenden Kommunikations-

strategien durch Sprachregelungen• Handanleitung für das Verhalten in wichtigen

Kommunikationssituationen• Kommunikationstraining für Mitarbeiter

Bei der Erledigung dieser Aufgaben stößt man auf diegleichen Probleme, die bei der Organisation und Um-setzung der Risikokommunikation im Unternehmen beschrieben worden sind. Die dort (siehe Kapitel 5.3)vorgeschlagenen Problemlösungen sind auch bei derKrisenkommunikation zu berücksichtigen.

4.2 Krisenkommunikation in der Vorphase

• Ressourcenplanung• Krisenzentrum

• Personalplanung• Krisenteam Sprecher

• Krisenfrüherkennung

• Kommunikations- und Organisationsplanung

• Alarmierungskette• Interne Kommunikation• Externe Kommunikation

• Training und Übungen• Notfallübungen• Kommunikationsübung• Medien-Training

Tabelle 13: Krisenkommunikationsplanung

Was Wer Verantwortlich

• Störfälle mit Verletzten/ Todesfolgen / gravierenden Auswirkungen auf die Umwelt

• Krebscluster in der Nachbarschaft von Werken und Anlagen• Spektakuläre Berichte über einzelne (Krebs)Erkrankungen im Fernsehen• Neue wissenschaftliche Studien, die die Gefährlichkeit nachweisen• Produktrückrufe• Anschläge/Terrorismus/Sabotage• Neue, einschneidende Regelungen (Grenzwerte) in anderen Ländern,

die in den deutschen Medien als wichtige Forderung plaziert werden• Überregionale Kampagnen und Aktionen mit hohem Medienwert

(z.B. Besetzungen etc.)• Prestigeträchtige Klagen, hohe Schadensersatzforderungen

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Mit welchen Folgen?• Welche Schäden (Gesundheit, Umwelt, Eigentum)

liegen vor?

Was hat das Unternehmen bislang in Bezug auf dasKrisenereignis getan, was beabsichtigt es zu tun?• eingeleitete Sofortmaßnahmen (Benachrichtigungen,

Sofortmaßnahmen und Hilfen)• Beabsichtigte Maßnahmen

Die Maßnahmen können technischer, organisatorischerund kommunikativer Natur sein. Die Abarbeitung der erforderlichen Aufgaben nacheinem Pflichtenheft kann helfen, nichts zu übersehen.

62

Krisenkommunikation in der heißen Phase4.3

Trotz aller vorbeugenden Maßnahmen können Kriseneintreten. Es gilt dann rasch und angemessen zu reagieren, trotz des vorhandenen Stresses.

Ziele:Die wesentlichsten Ziele nach Eintritt eines krisenhaftenEreignisses sind: • rasche Alarmierung ermöglichen, • prompte Reaktionen sicherstellen, • klare und sachlich richtige Kommunikation aufbauen.

Aufgaben:Im Einzelnen stehen die folgenden Aufgaben bei Eintritt eines Krisenereignisses an:• Bewertung des Krisenereignisses nach Grad

der Ernsthaftigkeit• Alarmierung des Krisenteams• Lagebeurteilung: Analyse der Krisensymptome

und -entwicklungen• Begrenzung der Auswirkungen von Schäden auf

Gesundheit, Versorgungssicherheit, Image, Arbeits-plätze und Ertragsfähigkeit des Unternehmens

• Kommunikationsinhalte und Zielgruppen festlegen sowie rasche Information

• Monitoring und Dokumentation des Krisenverlaufs

Vordringlich ist die Analyse des krisenhaften Ereig-nisses. Zu folgenden Fragen müssen Informationen er-mittelt und für die Kommunikation aufbereitet werden:

Was ist passiert?• Wann und wo?• Welche Ursachen hat das Krisenereignis?• Gab es Vorzeichen für das Ereignis und seit

wann ist das dem Unternehmen bekannt?

4.3 Krisenkommunikation in der heißen Phase

Krisenkommunikation in der heißen Phase 4.3

• Eingehende Information bewerten• Entscheiden, ob Krisenalarm ausgelöst werden soll• Bei Bedarf Alarmierungskette auslösen• Krisenzentrum aufsuchen• Kommunikationsverbindung mit Notfallmanagement

vor Ort aufbauen, wenn erforderlich

• Differenzierte Lagebeurteilung• Information und Verhaltensregeln für die

Bevölkerung geben, wenn erforderlich• Information an Behörden• Interne Information an Mitarbeiter

• Hotline für Medien einrichten• Hotline für Betroffene einrichten• Information an Presse

• Vorbereitung des Sprechers auf Pressekonferenz• Information für Medien bereithalten• Pressekonferenz abhalten• Hilfe für Betroffene regeln

Tabelle 14: Pflichten bei der Krisenkommunikation

Pflichten innerhalb der ersten zwanzig Minuten

Pflichten innerhalb der ersten Stunde

Pflichten innerhalb der ersten zwei Stunden

Pflichten innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden

20 min.

1 h

2 h

24h

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Krisenkommunikation ist Risikokommunikation unter erschwerten Bedingungen: Der Schaden

ist eingetreten.

Bausteine des Krisenmanagements sind: • der Krisenmanagementplan, • das Krisenteam, • das Krisenzentrum und • das Krisentraining. Erst in diesem Verbund

kann die Vorbereitung auf Krisen greifen.

Krisenkommunikation erfordert den Aufbau eines Frühwarnsystems, um mögliche Krisen zu entdecken. Dabei kann auch das Risikokommu-nikations-Audit genutzt werden.

Die Routineaufgaben der Krisenkommunikation in der heißen Phase können sich an einem Plan orientieren. Dabei ist aber immer einzurechnen,dass schnell und flexibel gehandelt werden muss.

In der Nachphase sind die Anstrengungen dar-auf zu richten, dass aus den Krisen kein perma-nenter

Schaden für das Unternehmen entsteht.

65

Merksätze

64

Krisenkommunikation in der Nachphase4.4

Ziele:In der Nachphase geht es vordringlich um die Ver-hinderung der Entwicklung neuer/weiterer Krisenpo-tentiale. Die Chronifizierung der Krise soll vermiedenwerden. Darüber hinaus müssen die Lehren aus derKrise gezogen werden. Es geht um die Verbesserungvon Krisenmanagement und -kommunikation auf derBasis der gemachten Erfahrungen.

Aufgaben:• Nachbetreuung von Opfern und deren Angehörigen• Interne Analyse der Ursachen und Umstände

der Krise und des Ablaufs der Kommunikation • Konsequenzen ziehen in Bezug auf Personal,

Organisation, Standort, Produktion, Produkt und Umsetzung der erforderlichen Verbesserungen

• Information über Verbesserungen

Für die rasche Einleitung von Maßnahmen zur Über-windung der Krisenfolgen ist außerdem eine genaueBestandsaufnahme der Krisenschäden nötig. • Verlust von Vertrauen• Schäden an Anlagen• Zusätzliche Aufwendungen und Verbindlichkeiten• Gewinneinbußen• Verlust von Marktanteilen• Schwächung von Wettbewerbspositionen

4.4 Krisenkommunikation in der Nachphase

Merksätze 4.

1

2

3

4

5

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66

5.

UM WAS ES GEHT

67

5.Um was es geht

Risikokommunikation ist in vielen Fällen Chefsache. Sie muss mit der strategischenPlanung eines Unternehmens verbunden werden, um die Aufmerksamkeit zu fin-den, die sie haben muss. Ansonsten bleibt Risikokommunikation eine Leerformel.

Das bedeutet vor allen Dingen, dass Risikokommunikation von der Unternehmenslei-tung ernst genommen wird, dass die entsprechenden Verantwortlichkeiten geregeltsind und dass sie mit bereits bestehenden Kommunikationsformen verknüpft wird.

Weiterhin müssen immer auch Umsetzungsprobleme, die in der „Mikropolitik“ desUnternehmens liegen, erkannt und bewältigt werden.

5.1 Strategischer Rahmen der unternehmerischen Risikokommunikation

5.2 Organisationsformen der Risikokommunikation

5.3 Implementationsprobleme der Risikokommunikation im Unternehmen

Organisation der Risikokommunikation im Unternehmen

Strategischer Rahmen der unternehmerischen Risikokommunikation

Organisationsformen im Unternehmen für die Risikokommunikation

Einführungsprobleme der Risikokommunikation im Unternehmen

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Risikokommunikation kann im Unternehmen unter-schiedlich organisiert werden. Hierbei lassen sich –unter Berücksichtigung der Größe des Unternehmensund des vorhandenen Problemdrucks – vier Modelleunterscheiden.

Modell 1:

Beispiel:

Organisationsformen der Risikokommunikation 5.2

5.2 Organisationsformen der Risikokommunikation

68

Strategischer Rahmen5.1

Eine zukunftsorientierte unternehmerische Risikopolitikist an drei Bedingungen gebunden:

• Unerlässliche Voraussetzung für erfolgreiche Risiko-kommunikation ist das gründliche Wissen um die Risiken, die vom eigenen Unternehmen ausgehen. Die Identifikation, Bewertung und das Management der Risiken ist der Entwicklung von angemessenen Kommunikationsstrategien vorgeordnet.

• Unternehmen müssen eine neue Kultur der Kommuni-kation mit dem gesellschaftlichen Umfeld entwickeln. Kernstück dieser Kultur ist eine frühzeitige Identifi-kation unternehmensrelevanter Risikoprobleme und die aktive und dialogorientierte Gestaltung der Beziehungen zu den verschiedenen Interessen- und Anspruchsgruppen. Dabei ist insbesondere die soziale und gesellschaftspolitische Verantwortung des Unternehmens zu berücksichtigen.

• Vorbedingung für eine erfolgreiche Risikokommuni-kation mit dem gesellschaftlichen Umfeld ist eine wirksame unternehmensinterne Kommunikation über Risiken.

5.1 Strategischer Rahmen der unternehmerischen Risikokommunikation

Abbildung 13: Umsetzungsoptionen für die Risikokommunikation

Risiko-

kommunikation

durch Umweltschutzbeauftragten

als Stabsfunktion

in einem Holdingnetzwerk

als Bestandteil einer integrierten Unternehmenskommunikation

Risikokommunikation als Zusatzfunktion für einen Sicherheits- oder UmweltschutzbeauftragtenEine einfache organisatorische Lösung ist, die im Unternehmen für Sicherheits- oderUmweltfragen verantwortliche Person (z.B. Umweltschutzbeauftragter) zusätzlichmit Aufgaben der Risikokommunikation zu betrauen. Dies ist ein Modell, das fürkleine Unternehmen oder mittelständische Unternehmen mit geringem Krisenpo-tential in Frage kommt. Hier wird die fachliche Zuständigkeit für Umwelt- und Sicherheitsfragen um Kommunikationsaufgaben erweitert, in enger Anbindung andie Geschäftsführung des Unternehmens.

Ein Beispiel für einen solchen Lösungsansatz ist ein kleiner Lackierbetrieb, in demder Sicherheitsbeauftragte zusammen mit der Geschäftsführung einen mehrstufigenAktions- und Kommunikationsplan für die Information der Behörden und Anwohnerin der Nachbarschaft entwickelt hat (z.B. zum Umgang mit Geruchsbelästigungendurch die Lackiererei).

Vorteile Nachteile

• Keine zusätzlichen Ressourcen• Direkter Zugang zur Unternehmensleitung

• Oft mangelnde Kenntnisse in Sachen Risikokommunikation

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71

Organisationsformen der Risikokommunikation 5.2

70

Organisationsformen der Risikokommunikation5.2

Modell 2:

Beispiel:

Stabsfunktion für RisikokommunikationsaufgabenEinen organisatorischen Lösungsansatz mittlerer Komplexität findet man in mittel-großen und großen Unternehmen mit einem begrenzten Spektrum von Themen, dieAnlass für Risikokommunikation werden könnten. Darunter fallen z.B. Unterneh-men, die zwar potentiell risikobehaftete Produkte herstellen und vertreiben, jedochkeine anlagenbezogenen Standortrisiken haben. In solchen Fällen wird häufig ei-ne kleine Stabsabteilung mit einigen Mitarbeitern gebildet, die entweder der Unter-nehmensleitung, der Unternehmenskommunikation oder einer zentralen Forschungzugeordnet ist. Bezogen auf mögliche Risikothemen werden Querschnitts- und Koordinierungsaufgaben wahrgenommen. Dazu gehören beispielsweise:

• Beobachtung und Mitgestaltung der Diskussion in Fachgremien (z.B. Verband der Chemischen Industrie, Zentralverband der Elektroindustrie);

• Koordinierung und Vermittlung von Informationen zwischen technischen Fachabteilungen und der Unternehmenskommunikation;

• Verfolgung der wissenschaftlichen Diskussion über Risikofragen;• Fachliche Beratung für die Unternehmenskommunikation und die

Unternehmensleitung.

Ein Beispiel für ein solches Organisationsmodell ist ein Mobilfunkbetreiber, der einen speziellen Stab für Fragen der elektromagnetischen Verträglichkeit des Mobilfunks einrichtet.

Vorteile Nachteile

• Fachlich kompetente und professionelle Behand-lung der Risikokommunikationsaufgaben möglich

• Evtl. isolierte Position der Stabsabteilung im Gesamtunternehmen

• begrenzte Wirksamkeit

Modell 3:

Beispiel:

Risikokommunikation als Bestandteil einer integrierten UnternehmenskommunikationGroßunternehmen mit ausgeprägten strategischen Risiken und hoher Krisenan-fälligkeit (wie z.B. internationale Chemiekonzerne) müssen wegen der hohen Anforderungen an alle Kommunikationsaufgaben ein stark differenziertes und zu-gleich hoch integriertes Organisationskonzept entwickeln. Einerseits ist eine starkeDifferenzierung – und damit Arbeitsteiligkeit – erforderlich, um mit verschiedenenZielgruppen umzugehen und in unterschiedlichen fachlichen Zusammenhängenschnell und fachgerecht kommunizieren zu können. Andererseits ist eine hohe Integration notwendig, um über die verschiedenen Unternehmensteile ein einheit-liches Handeln zu gewährleisten. Ein Organisationsmodell, das beiden Anforderungen gerecht wird, besteht aus einer in der Unternehmenszentrale verankerten Unternehmenskommunikation mitRichtlinienkompetenz für die dezentral zu leistenden Kommunikationsaufgaben.Voraussetzung für den Erfolg dieses Modells ist eine starke kommunikative Ver-netzung zwischen der Zentrale und den Unternehmensbereichen. Die erforderlichefunktionale Differenzierung kann beispielsweise über die Einrichtung folgender Abteilungen/- Funktionen innerhalb der Unternehmenskommunikation realisiertwerden:• Grundsatzfragen der Kommunikation• Mitarbeiterkommunikation• Presse- und Öffentlichkeitsarbeit• Image und Unternehmenswerbung• Investor RelationsUnterstützt wird eine solche integrierte Unternehmenskommunikation in der Regeldurch weitere zentrale Servicedienste wie z.B. Wirtschafts- und Marktanalyse,Marktkommunikation oder Publikationen-Service.

Ein Beispiel für einen solchen Organisationstyp ist ein Automobilhersteller mit einer in der Unternehmenszentrale angesiedelten Unternehmenskommunikation,die die meisten Kommunikationsaufgaben zentral koordiniert und wahrnimmt.

Vorteile Nachteile

• differenziertes, präventives und zielgruppen-orientiertes Kommunikationskonzept möglich

• hoher personeller und Ressourcen-Aufwand• evtl. Reaktionsverzögerung bei kritischen Ereig-

nissen in dezentralen Unternehmensbereichen

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72 73

Die bisher dargestellten Konzepte und Instrumente derRisikokommunikation sind idealtypisch. Ihre wissens-mäßige Verfügbarkeit im Unternehmen ist noch keinehinreichende Bedingung für das Gelingen von Risiko-kommunikation. Denn Unternehmen hinken - wie andere Organisatio-nen auch - beim Umsetzen ihrer Strategien und Kon-zepte ihrem Idealbild und strategischen Konzeptenimmer mehr oder weniger hinterher. Deshalb muss beider Implementierung von Risikokommunikation imUnternehmen beachtet werden, daß organisationsbe-dingte Hindernisse die Effektivität bzw. Effizienz vonRisikokommunikationsmaßnahmen beeinträchtigenbzw. aufheben könnten. Mit anderen Worten: es reichtnicht aus, das Richtige zu tun, das Richtige muss auchrichtig getan werden.Viele dieser Hindernisse bei der Umsetzung von Risi-kokommunikation im Unternehmen gehen zurück aufPhänomene, die in der neueren Organisationslehreals „Mikropolitik“ bezeichnet werden. Im Mittelpunktstehen hier Widersprüche im Unternehmen, die ihreUrsachen in Interessenunterschieden haben. Ein gemeinsames proaktives, rechtzeitiges und abge-stimmtes Handeln findet nur dann erfolgreich statt,wenn den Interessen aller Beteiligter Rechnung getra-gen wird.Die im Einzelfall bei einem Unternehmen auftretendenHindernisse bei der Umsetzung von Risikokommuni-kation können nur in einer unternehmensspezifischenOrganisationsanalyse aufgedeckt werden. Im Weiteren werden von den in der Unternehmens-praxis anzutreffenden vielfältigen Stolpersteinen bei der Umsetzung von Risikokommunikation imUnternehmen einige häufig auftretende Probleme dargestellt.

Implementationsprobleme der Risikokommunikation 5.3Organisationsformen der Risikokommunikation5.2

5.3 Implementationsprobleme der Risikokommunikation im Unternehmen

Modell 4: Risikokommunikation in einer HoldingEinige Unternehmen haben den Schritt von der Konzern- zur Holdingstruktur unter-nommen, um flexibler und marktnäher zu agieren und ökonomisch transparenterzu sein. Die Holdingleitung zieht sich i.d.R. aus der operativen Verantwortung zurück und beschränkt sich auf die strategische Portfolioplanung, Unternehmens-entwicklung und auf die Definition von Rahmenbedingungen. Die Verantwortungfür das Geschäft liegt dagegen bei den selbständigen Konzerngesellschaften. In einer Holdingstruktur sind damit die Konzerngesellschaften verantwortlich für dieRisikokommunikation. Wenn sich aber eine Krise zur Holdingkrise ausweitet, mussdie Holding selbst kommunizieren. Im Vorfeld versucht die Holding über Leitlinienund Unterstützungsangebote einen einheitlichen (Mindest-)Standard der Risiko-kommunikation über die ganze Gruppe zu etablieren. Dies muss im wesentlichenauf freiwilliger Basis geschehen, da die unmittelbaren Einflussmöglichkeiten auf dasGeschäft begrenzt sind.

Vorteile Nachteile

• Dezentrale, reaktionsschnelle und lokal ausge-richtete Risikokommunikation

• Richtlinienkompetenz der Holding wird evtl. von den Konzerngesellschaften „ausgehöhlt” bzw. unterlaufen

• Evtl. lokal unterschiedliches Image bzw. Erscheinungsbild des Unternehmens

Abbildung 14: Hindernisse bei der Umsetzung von Risikokommunikation im Unternehmen

Mikropolitik

Voraussetzungen effektiver Risikokommunikation:• Früherkennung• Umfeldsensibilität• Reaktionsfähigkeit• Dialogbereitschaft

Ziele:• Proaktives,

rechtzeitiges und abgestimmtes Handeln des Unternehmens

Organisationale Spiele

Ressortegoismus

Konfliktvermeidung

Festhalten an Bewährtem

Informationsfilterung

Wegdelegieren

Identifikation einesSchuldigen

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NASA dieses Organisationsspiel „Konfliktvermei-dung“ eine wesentliche Rolle spielte.Als Lösungen für solche unternehmensinternen Pro-bleme des Informationsaustausches bieten sich an:

• eine Sensibilisierung der Mitarbeiter für die Problematik,

• die relative Entscheidungsfreiheit und Absicherunggegen Sanktionen für den Verantwortlichen für Risikokommunikation (z.B. durch direkte Unterstel-lung an die Geschäfts- bzw. Werksleitung) oder

• der Einbezug von externen Beratern als quasi-neutrale Instanz.

Festhalten an Bewährtem

Risikokommunikation ist eine Aufgabe, die von derkontinuierlichen Ausrichtung auf situationsspezifischeAnforderungen aus dem Unternehmensumfeld lebt –und deshalb ständig verändert werden muss. Gleich-wohl ist es unabdingbar, diese Aufgabe mit bestimm-ten Konzepten und Instrumenten in die Routinen derOrganisation zu integrieren. Routinen unterliegen jedoch der ständigen Gefahr, dass Abläufe erhaltenbleiben, obwohl der Zweck hierfür bereits entfallen ist.Routinen regelmäßig kritisch zu hinterfragen und zurevidieren, gilt auch und gerade für Risikokommuni-kation. Eine selbstkritische Überprüfung der in einemUnternehmen etablierten Routinen für (Risiko-)Kom-munikation kann beispielsweise im Rahmen eines Audits erfolgen (vgl. hierzu Kapitel 1.4).

Implementationsprobleme der Risikokommunikation 5.3

74

Implementationsprobleme der Risikokommunikation5.3

Ressortegoismus und Rivalität

Die nachträgliche Analyse zahlreicher Fälle der Risi-kokommunikation zeigt, dass trotz evtl. vorhandenerprofessioneller Konzepte, Instrumente und guter Absichten Unternehmen ihr Potential zur Risikokom-munikation nicht entfalten konnten, weil organisa-tionsinterne Rivalitäten und Querelen rechtzeitige, abgestimmte und situationsadäquate Antworten be-oder verhinderten.Ein klassisches Beispiel hierfür bietet die Unterneh-menskrise des Mineralölkonzerns Shell anlässlich dergeplanten Versenkung der Ölbohrplattform BrentSpar. Dieses Unternehmen gilt seit den Ölkrisen dersiebziger Jahre als Musterbeispiel für strategische Früh-aufklärung von Chancen und Risiken (mit Hilfe einerin der Unternehmenszentrale angesiedelten „ScenarioPlanning Unit“). Es scheiterte in diesem Falle nicht anmangelnder Vorausschau, sondern an den Rivalitätenund (unternehmens-) kulturellen Kommunikations-störungen zwischen der britischen und der deutschenUnternehmenszentrale. Die Zentrale in London setztesich in der Anfangsphase durch – mit den bekanntenKonsequenzen der Eskalation der Krise.Eine weitere bekannte Spielart dieses Typs eines inner-organisatorischen Konflikts ist das chronische Miss-trauen zwischen Stabs- und Linienabteilungen. Linien-Manager beklagen sich häufig darüber, dass Stabs-abteilungen die Einzelheiten ihres Tagesgeschäftesnicht verstehen. Umgekehrt beklagen sich Vertretervon Stäben über mangelnde Akzeptanz und Einflussin den Linienfunktionen.Für die Lösung solcher organisationsinterner Konfliktegibt es keine Patentlösung. Erfahrungen in Unterneh-men mit erfolgreicher Krisenbewältigung zeigen

jedoch, dass dies mit enger Kooperation, hohem Ver-trauen und intensiver Kommunikation zwischen allenEbenen erreicht wurde. Krisenmanagement muss sowohl in der Unternehmenszentrale und den dezen-tralen Einheiten, auf der Stabs- wie auch der Linien-ebene koordiniert werden.

Informationsfilterung und Konfliktvermeidung

Insbesondere in großen, hierarchisch und funktionalstark differenzierten Unternehmen ist die schnelle unddirekte Information über Risiken und Krisen schwierig.Da es in der Risikokommunikation häufig um negativbesetzte Themen geht, kann Wesentliches verlorenge-hen, wenn sich Organisationseinheiten bzw. Mitglie-der scheuen, die Rolle des Überbringers der kritischenBotschaften zu spielen (getreu dem Motto: „der ersteÜberbringer der schlechten Nachricht wird geköpft,der zweite befördert“). Die Mehrdeutigkeit und Unge-wissheit vieler Krisen zieht auch ein hohes Risiko fürdenjenigen mit sich, der entscheiden muss, ob wirklicheine Gefährdung bzw. ein Störfall vorliegt. Es möchteniemand gerne in die Position kommen, einen kost-spieligen „falschen Alarm“ ausgelöst zu haben.Ursache solcher Informationsfilterung ist häufig eineTendenz zur Vermeidung von Konflikten. Untersuchun-gen in Unternehmen zeigen, dass viele Führungskräf-te nicht fähig oder bereit sind, Konflikte mit ihren Kol-legen oder Mitarbeitern anzugehen oder auszutragen.In der Praxis bedeutet dies, dass Manager häufig ver-meiden, über die wirkliche Situation zu berichten undauch über das Potential zukünftiger Krisen eherschweigen. So zeigte beispielsweise die Analyse derKatastrophe der Challenger Raumfähre, dass bei der

Identifikation eines Schuldigen

Unternehmen, die sich unerwartet in einer Krisensitu-ation wiederfinden, neigen dazu, die Verantwortungfür die Krise oder den „Störfall“ zu verleugnen undsich selbst und andere davon zu überzeugen, dass imGrunde nichts verändert werden muss. Dazu suchtman häufig einen Schuldigen, der die Organisationvon ihrer Verantwortung entlastet.Ein Beispiel hierfür bietet das Verhalten der Chemie-firma Union Carbide, die bei der Giftgaskatastropheim indischen Bhopal zunächst ”Sabotage” als Ursachedes Unglücks behauptete.Auch die isolierte Zuweisung von Verantwortung oderSchuld an eine einzelne Person (wie im Falle des Ka-pitäns bei der Öltankerkatastrophe der Exxon Valdez)oder an einen technischen Defekt gehört zu den organisatorischen ”Spielen”, mit denen versucht wird,komplexere Fragen der Verantwortung und der selbst-kritischen Prüfung von Sicherheits- und Vorsorge-maßnahmen abzuwenden.Als Korrektiv für solche Muster der Schuldzuweisungbieten sich an:

• Zurückstellen von Schuldfragen bis eingehende Untersuchungen zu den Ursachen einer Krise vorliegen, die auch durch externe Gutachter attestiert werden;

• Grundsätzliche Skepsis gegenüber monokausalen Erklärungen. Störfälle entstehen immer im Zusammenwirken mehrerer Faktoren (Mensch und Technik, vernetzte Systeme).

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Merksätze 5.

Merksätze

76

Implementationsprobleme der Risikokommunikation5.3

Funktionales Wegdelegieren der Verantwortung fürdie Kommunikation

Aus der Sicht mancher leitender Führungskräfte ist Risikokommunikation eine lästige und unbequemeAufgabe. Sie verlangt Grundhaltungen und Fähigkei-ten, die vielen Führungskräften, die gerne souveränpositive Geschäftsergebnisse verkünden und immerdie „Kontrolle“ behalten, zuwider sind:

• dem grünen Industriekritiker zuhören, auf seine Argumente eingehen (Stichwort ”Dialogfähigkeit”)

• der Öffentlichkeit beim Fernsehinterview zu erläutern, wie es zu dem Störfall kam usw. (Stich-wort ”Offenheit und Transparenz”).

Aus diesem Grund erliegen viele Topmanager - meistnach ersten Frühwarnsignalen wie kleineren Unter-nehmenskrisen - in Sachen Risikokommunikation derVersuchung, in ihrem Unternehmen etwas zu verän-dern, ohne etwas zu verändern. Eine Option, die die-sem Bewältigungsmuster sehr entgegenkommt, ist dieEinrichtung einer Stabsfunktion für Risiko- und Krisen-kommunikation, die imageträchtig als zukunftswei-send innerhalb und außerhalb des Unternehmens„verkauft” werden kann, aber mangels wirksamer Integration in die Organisation und evtl. auch mangelswirklicher Unterstützung durch das Top-Managementim besten Fall selbst kein Risiko darstellt, also keinen"Schaden” anrichtet, ergo wirkungslos bleibt. Dienächste Unternehmenskrise kann dann ggf. zum Anlass genommen werden, das Versagen dieser Mit-arbeiter zu konstatieren und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Wesentlich für die Umsetzung von Risikokommuni-kation im Unternehmen ist also die uneingeschränkteIdentifikation des Top-Managements mit dessen Leitli-nien und das Vorleben einer neuen Kommunikations-kultur wie auch einer breiten- und tiefenwirksamenUmsetzung von (Risiko-)Kommunikationsfunktionen.

1

2

3

4

Je nach Größe und Problemdruck des Unter-nehmens sind unterschiedliche Organisations-formen der Risikokommunikation im Unternehmenzu wählen.

Voraussetzung erfolgreicher unternehmerischer Risikokommunikation ist eine gründliche Kenntnisder Risiken, die von Unternehmen ausgehen, und der sachgerechte Umgang mit ihnen.

Risikokommunikation muss dabei in bestehende Kommunikationsformen eingebunden werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei die interne Kommunikation.

Bei der Umsetzung von Risikokommunikation im Unternehmen sind die unternehmensinternen („mikropolitischen“) Hindernisse zu beachten, die eine Umsetzung effektiver Risikokommuni-kation behindern können. Hierzu sind Lösungen zu erarbeiten.

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78

6.

EIN AUSBLICK

79

6.Ein Ausblick

Das Risikoprofil von Unternehmen ändert sich mit der Zeit. Alte Risiken verlieren anBedeutung, neue treten hinzu. An diese Dynamik ist die Risikokommunikation anzupassen. So stellt sich die Frage, welche Erfahrungen und Erfolge Unternehmenmit ihren Ansätzen zur Risikokommunikation vorzuweisen haben und welche Defi-zite offensichtlich sind und es kommt darüber hinaus darauf an zu erkennen, aufwelche neuen Risikoprobleme sich Unternehmen einzustellen haben.

In Anbetracht der unterschiedlichen Situationen großer und kleiner Unternehmensowie der verschiedenen Branchen sind pauschale Einschätzungen immer gewagt.Dennoch lassen sich Angaben über Entwicklungen machen.

Die Zukunft der Risikokommunikation: Ein Ausblick

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Technologieorientierte Risiken stellen insbesondere fürUnternehmen, die mit neuen Basistechnologien wieder Bio- und Gentechnologie umgehen, eine großeHerausforderung dar. Dies gilt vor allem dann, wenndie Technologien weitreichende Folgen für Gesell-schaften und Märkte haben und zu neuen Risikopo-tentialen führen. Die Risikokommunikation darf nichtnur die diskutierten Chancen und Risiken der Techno-logien ansprechen, sondern muss auch die betroffenenWeltbilder und Wertesysteme berücksichtigen. Die Diskussion um grundlegende, technologieinduzierteVeränderungen im Alltagsleben, in der Arbeitsweltoder im Umgang mit Krankheit und Leben muss gesellschaftlich geführt werden. Politik, Staat und ge-sellschaftliche Akteure haben hier eine große Verant-wortung. Dennoch müssen sich auch die Unternehmenam Diskurs beteiligen und diesen befördern. Schließ-lich gehören sie zu den Entwicklern, Treibern undNutznießern neuer Technologien.

Hoch sind Komplexität und Beratungsbedarf bei öko-nomischen und Marktrisiken. So ändern sich Märkteund Verbraucherwünsche deutlich schneller als Regeln und Organisationen. Diese ökonomischen undMarktrisiken sind nur wenig verstanden. Die Han-delsprobleme zwischen der EU und den U.S.A. sinddafür ein Beispiel. Bislang gibt es noch keineausgearbeiteten Problemlösungen, die neben den ju-ristischen Aspekten auch die politischen und gesellschaftlichenAnforderungen an Märkte und Handelsbeziehungenumfassen. Unternehmen müssen sich stärker als bisherden sich rasch wandelnden Anforderungen bei Ent-

Die Zukunft der Risikokommunikation 6.

80

Die Zukunft der Risikokommunikation6.

Risikokommunikation muss langfristig über die Kom-munikation anlagen- und produktbezogener Risikenhinausgehen. Bei technologieinduzierten Risiken, öko-nomischen oder gesellschaftlichen Risiken ist aller-dings die Komplexität so hoch, dass neue Wege derKommunikation entwickelt und umgesetzt werdenmüssen.

Unternehmen haben die meisten Erfahrungen im Umgang mit Risiken im Anlagenbereich. Feste Bezie-hungen zu Nachbarn, Politikern und Behörden, Angebote wie Bürgertelefone, Broschüren, Tage deroffenen Tür oder Gesprächskreise sind bei vielenUnternehmen etabliert. Von daher weisen anlagenbe-zogene Risiken die geringste Komplexität und mithinden geringsten Beratungsbedarf auf.

Bei produktbezogenen Risiken haben Unternehmen inAbhängigkeit von der Branche zwar Erfahrungen gesammelt, aber aufgrund der großen Vielfalt und derunterschiedlichen Anforderungen an Produkte und ihre Nutzung ist die Komplexität deutlich höher als beianlagenbezogenen Risiken. Im zunehmenden Maßeentdeckt auch die Politik Produkte als ein Instrument,um Verbraucherschutz, Umweltschutz und Ressour-censchonung zu verankern. Die Anforderungen anProdukte nehmen deshalb zu, was den Beratungs-bedarf der Unternehmen erhöht.

Die Zukunft der Risikokommunikation: Ein Ausblick

Abb. 15

wicklung und Vermarktung ihrer Produkte stellen,wenn sie erfolgreich bleiben wollen. Dabei sind nebenden technologischen Eigenschaften von Produkten"weiche Faktoren" zu berücksichtigen, wie das Auf-treten bzw. Image des Unternehmens.

Bei gesellschaftlichen Risiken sind Komplexität und Beratungsbedarf sogar noch höher. Es gibt noch kei-ne Wegweiser für den Umgang mit gesellschaftlichenRisiken. Trotz der fehlenden Erfahrungen werden abervon Unternehmen zunehmend die Mitverantwortungfür gesellschaftliche Prozesse erwartet. Das gilt fürdas regionale Umfeld ebenso wie für internationaleNetzwerke und Aufgaben, in denen die national aus-gerichtete Politik nur wenig bewirkt.

Viele der hier skizzierten drängenden Themen undKrisenpotentiale müssen von den Unternehmen nochaufgegriffen werden. Die Entwicklung von der Reak-tion zur Gestaltung läuft hierbei über die Identifikationrelevanter Themen und Risiken, die eigene Ortsbe-stimmung und die strategische Planung der Kommu-nikation. Die gewissenhafte Befassung mit Risikokom-munikation kann den Unternehmen dabei in vielerleiHinsicht helfen – weit über den Krisenfall hinaus.

Abbildung 15: Erfahrungen und Unsicherheiten der Unternehmen

Beratungsbedarf

Kom

plex

ität

Anlagenbezogene Risiken

Produktbezogene Risiken

Risiken neuer Technologien

Ökonomische und Marktrisiken

Gesellschaftliche Risiken

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LITERATUR

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Literatur

Akademie der Wissenschaften (1992). Umweltstandards. Berlin: DeGruyter.

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AkzeptabilitätBei der Beurteilung der Akzeptabilität eines Risikoshandelt sich um ein normatives Urteil über die Zumutbarkeit eines Risikos, also um eine Aussage, obund unter welchen Bedingungen ein Risiko für akzeptabel eingestuft wird. Diese Aussage beruht im-mer auf subjektiven Wertungen, auch dann, wenn for-male Entscheidungsverfahren angewendet werden.Dabei sind es nicht nur die Verknüpfung vonSchadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit, son-dern auch insbesondere die individuellen, sozialenund politisch-kulturellen Rahmenbedingungen, die ei-ne Akzeptabilität von Risiken bestimmen. Bei der Be-urteilung der Akzeptabilität können mindestens diedrei Aspekte - normativer Aspekt: ob ein Risiko über-haupt akzeptiert werden soll, Effizienzaspekt: in wel-chem Umfang gesellschaftliche Ressourcen zur Risiko-minderung aufgewendet werden sollen und operativerAspekt: welche Instrumente zur Reduzierung, Steue-rung oder Regulierung von Risiken eingesetzt werdensollen - unterschieden werden.

ChanceUnter Chance lässt sich die Möglichkeit des Eintritts eines Nutzens verstehen. Ob man von Risiko oderChance spricht, hängt nicht von der Eintrittswahr-scheinlichkeit eines Ereignisses sondern von der per-sönlichen Einschätzung ab, wie man die Folgen desEreignisses bewertet, ob eher negativ (Risiko) odereher positiv (Chance). Risiko

DiskursDiskurse sind Formen einer verständnisorientiertenKommunikation, in denen mit Blick auf eine gemein-same Entscheidungsfindung, Aussagen von Argu-

menten nach festgelegten Regeln auf ihre Gültigkeithin und ohne Ansehen der Person und ihres Statusuntersucht werden.

EintrittswahrscheinlichkeitDie Eintrittswahrscheinlichkeit bezeichnet die Wahr-scheinlichkeit mit der ein Schaden eintritt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit bewegt sich im Raum zwi-schen Unkenntnis, oder Ahnungslosigkeit auf der einen und Erkenntnis-Sicherheit auf der anderen Seite. Erkenntnis-Sicherheit bezeichnet einen Zustand,in dem man Gewissheit über den Eintritt eines Ereig-nisses hat, also zyklisch wiederkehrende Ereignisse,z.B. den Sonnenuntergang, den Frühlingsanfangoder die Gezeiten.

Erkenntnis-SicherheitEintrittswahrscheinlichkeit

ExpositionStoffmenge oder Dosis, der ein Organismus ausge-setzt ist.

GefahrVorgang, Umstand oder Zustand einer objektiven Bedrohung durch ein zukünftiges Schadensereignis.

KrebsclusterUngewöhnliche Häufung von Krebsfällen in einem Gebiet.

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RisikosichtMit Risikosicht wird Wahrnehmung von Risiken in sozialen Zusammenhängen bezeichnet. Kennzeichensind Orientierung zur Ausgangssituation, das Vor-kommen beteiligter oder betroffener Personen, einendas Ereignis charakterisierenden Spannungsbogenund eine moralische Aussage.

RisikothemaAus Risikothemen können sich Risikoprobleme für dasUnternehmen entwickeln (z.B. Nichtakzeptanz vonKerntechnik). Das Problem entsteht aus den Anliegenvon gesellschaftlichen Gruppen, die sich über die öffentliche Meinung bis hin zu Krisen für ein Unter-nehmen entwickeln und so dessen Handlungsfähigkeiteinschränken können.

RisikowahrnehmungMit Risikowahrnehmung bezeichnet man die Ein-schätzung einer Risikosituation aufgrund intuitiver Beurteilung, persönlicher Erfahrung und aufgenom-mener Informationen (z.B. durch Medien).

SchadenUnerwünschte Folgen einer Handlung oder eines Ereignisses. "Schaden ist ein Nachteil durch Verlet-zung von Rechtsgütern aufgrund eines bestimmtentechnischen Vorganges oder Zustandes" (DIN VDE31000-2).

SicherheitSicherheit kennzeichnet einen Zustand, in dem dasverbleibende Risiko als akzeptabel eingestuft wird. Es besteht also auch bei Sicherheit noch die Möglich-keit, dass ein Schaden eintreten kann. Ein Sicherheits-

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KriseEine Krise ist ein Verlust oder Einbuße von Kontrolleüber Geschäftsprozesse, der - verursacht durch öffent-liche Reaktionen auf das Unternehmen - die Ertrags-grundlagen bzw. die Wettbewerbsfähigkeit einesUnternehmens gravierend und dauerhaft beeinträch-tigen kann.

Objektives RisikoVon einem objektiven Risiko spricht man, wenn imNachhinein (ex post) eine Häufigkeitsverteilung vonSchadensereignissen ermittelt werden kann und dieGefahrenquelle nicht mehr besteht. Ein Risiko kannaber aufgrund der Ungewissheit über zukünftige Er-eignisse immer nur eine Annäherung an eine objekti-ve Bedrohung sein, weshalb der Begriff eines objekti-ven Risikos im Zustand einer drohenden Gefahr (exante) irreführend ist.

RisikoDer Begriff Risiko meint die Möglichkeit des Eintritts ei-nes Schadens. Ob man von Risiko oder Chancespricht, hängt nicht von der Eintrittswahrscheinlichkeiteines Ereignisses, sondern von der persönlichen Ein-schätzung ab, wie man die Folgen des Ereignisses be-wertet, ob eher negativ (Risiko) oder eher positiv(Chance). Chance

RisikoanalyseEine Risikoanalyse ist der Versuch mit Hilfe wissen-schaftlicher Methoden die Eintrittswahrscheinlichkeitenvon konkreten Schadensfällen oder die Wahrschein-lichkeitsfunktion von Schadensereignissen qualitativund möglichst quantitativ so realitätsgetreu wie mög-lich zu ermitteln. Idealerweise liegt eine Risikoanalyseso nah wie möglich am objektiven Risiko.

RisikoabschätzungEine Risikoabschätzung ist die Identifizierung, Quan-tifizierung und Bewertung von Risiken. Sie hat einebestmögliche Prognose nach dem Stand des gegen-wärtigen Wissens von Schäden im Hinblick auf dieWahrscheinlichkeit und das Ausmaß ihres Eintreffenszum Ziel.

RisikobewertungRisikobewertung ist die Beurteilung der Akzeptabilitäteines Risikos mittels rationaler Urteilsfindung unterVerwendung der Erkenntnisse aus Risikoanalyse undRisikowahrnehmung.

RisikokommunikationRisikokommunikation meint einen zielgerichteten Aus-tausch von Information über die möglichen Auswir-kungen von Ereignissen, Handlungen oder Technik aufdie menschliche Gesundheit, die Funktionsfähigkeitökologischer Systeme oder den materiellen bzw. immateriellen Wert kultureller Errungenschaften. DieFunktionen von Risikokommunikation können von derVerbesserung des Wissens über Risiken (z.B. Pharma-zeutika), über Einstellungs- und Verhaltensänderungen(z.B. Notfallverhalten) bis zur Konfliktlösung (z.B. Betrieb von Kernenergieanlagen) gehen. WesentlicheBausteine dabei sind Schaffung von Vertrauen undGlaubwürdigkeit, Information und Wissensvermitt-lung, Zwei-Wege-Kommunikation.

RisikomanagementUnter Risikomanagement werden alle Maßnahmenzur Reduzierung, Steuerung und Regulierung von Risiken verstanden.

begriff im Sinne eines Zustands der Gefahrlosigkeit ( Gefahr) ergibt in Zusammenhang der behandeltenThematik keinen Sinn. Nicht zu verwechseln mit Erkenntnis-Sicherheit.

SWOT-AnalyseDie SWOT-Analyse (Stärken-Schwächen-Chancen-Bedrohungen) stellt ein unternehmerisches Instrumentzur strukturierten Erarbeitung von Handlungsoptionenbei Konfrontation mit externen Bedrohungen und zurNutzung von Chancen dar.

UngewissheitUngewissheit meint die grundsätzliche Unfähigkeit zudeterministischer Prognose.

VertrauenVertrauen im Rahmen der Risikokommunikation meintein „sich-Verlassen-Können” auf das Vorhandenseinvon Kompetenz (Wissen, Können), Wahrung von Fair-ness (Offenheit, Chancengleichheit) und die Wahr-nehmung sozialer Verantwortung (z.B. gegenüber Mit-arbeitern, Kunden, Nachbarn, Allgemeinheit).

Zwei-Wege-KommunikationIn Erweiterung der Ein-Weg-Kommunikation von Sen-der zu Empfänger, bezeichnet die Zwei-Wege-Kom-munikation eine Vielzahl von Rückkopplungsmöglich-keiten durch die Adressaten von Risikokommunikation.Das Spektrum reicht dabei vom Einräumen der Möglichkeit zur Darstellung der Sichtweisen derAdressaten, bis hin zur aktiven Teilhabe von Betroffe-nen an der Entscheidungsfindung.

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ANSPRECHPARTNER

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Ansprechpartner

Nach der Lektüre dieses Manuals sind sicherlich nochnicht alle Fragen und Probleme geklärt, die im Zu-sammenhang mit dem Aufbau und der Organisationvon Risikokommunikation bestehen.

Weitere Hilfestellungen sowie Informationen übermögliche Beratungen sind von den nachstehenden Ansprechpartnern zu erlangen.

Dr. Volker M. BrenneckeVerein Deutscher IngenieureVDI-HauptgruppeBereich Mensch und TechnikPostfach 10 11 3940002 DüsseldorfTelefon: 0211 6214 474Telefax: 0211 6214 148E-Mail: [email protected]

Dr. Peter M. WiedemannForschungszentrum Jülich GmbHProgrammgruppe Mensch, Umwelt, Technik52425 JülichTelefon: 02461 61 4806Telefax: 02461 61 2950E-Mail: [email protected]

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DIE AUTOREN

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Die Autoren dieses Leitfadens

Der Leitfaden wurde von den folgenden Mitgliederndes VDI-Ausschusses „Technik - Risiko - Kommunikation”erarbeitet:

Dipl.-Ing. Rainer Carius, Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, Stuttgart. Arbeitsschwerpunkte: Partizi-pative Technikbewertung, Konfliktforschung, Nach-haltige Entwicklung.

Dr. Carsten Henschel,Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation bei derCelanese AG, dem aus der Hoechst AG hervorge-gangenen Chemieunternehmen. Arbeitsschwerpunkte:Public Affairs, Umwelt- und Technologiekommunika-tion, Krisenkommunikation.

Dr. Hans G. Kastenholz, Stellvertretender Leiter des Bereichs „Technik, Gesell-schaft, Umweltökonomie“ der Akademie für Tech-nikfolgenabschätzung in Baden-Würtemberg undLehrbeauftragter an der Eidgenössischen TechnischenHochschule Zürich. Arbeitsschwerpunkte: Risiko-kommunikation, kooperatives Konfliktmanagement,partizipative Technikfolgenabschätzung, Beding-ungen einer nachhaltigen Entwicklung.

Prof. Dr. Werner Nothdurft,Professur für Theorie und Praxis sozialer Kommuni-kation am FB Sozial- und Kulturwissenschaften der FHFulda. Kommunikationswissenschaftler und Diplom-Psychologe. Arbeitsschwerpunkte: Kommunikations-theorie, Konfliktkommunikation, Kommunikation überUmweltthemen.

Dr. Frank Ruff, Leiter sozialwissenschaftliche Umfeld- und Trend-forschung im Bereich „Gesellschaft und Technik“ der DaimlerChrysler AG, Berlin und Palo Alto. Arbeitsschwerpunkte: Internationale Umfeld- und Zukunftsforschung, Umwelt- und Risikokommunikation,Technik- und Produktfolgenabschätzung.

Dr. Hans Joachim Uth,Diplom-Chemiker. Arbeitsgebiete: Anlagensicherheitund Störfallvorsorge in der chemischen Industrie, Mitglied in nationalen und internationalen Experten-gremien.

Dr. Peter M. Wiedemann, Leiter der Programmgruppe Mensch, Umwelt, Technikam Forschungszentrum Jülich GmbH, Lehrbeauftrag-ter an der Universität Innsbruck, Arbeitsschwerpunkte:Risiko-Wahrnehmung und Risikokommunikation, Krisen-und Issue-Management, kooperatives Konfliktma-nagement.