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Saladin und die Kreuzfahrer - Uni Kassel

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Saladin und die Kreuzfahrer

Begleitband zu r Sonderausstellung .Saladin und die Kreuzfahrer"im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale),

im Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburgund in den

Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim

He rausgegeben von Alfried Wieczorek, Mamoun Fansa und Harald Meiler

Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen Band 17

Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch, Oldenburg, Heft 37

Begleitband zur Sonderausstellung .Saladin und die Kreuzfahrer"im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale)

~IJ Landesamt für Denkmalpflege

................ und Archäologie Sachs~n-Anhalt,. LAND ES M USE U M F U R

VORGE S C HI CH T E

Landes~f~Museum\~ ~Natur und~ ~Mensch~j ,"'Oldenburg

rem Reiss-Engelhorn-MuseenCurt-Engelhorn-Stiftung

XXIV, 518 Seiten mit 434 Farb- und 39 Schwarzweiß­abbildungen

Umschlag: La fleur des histoires de la terre d'Orient des Hayton, wohlKatalonien, Mitte des 14. Jahrhunderts, Wien, Österreich ischeNationalbibliothek, Cod. 2623, fol. 15r (s. Kat. Nr. 0.51)

Frontispiz: Arab. Kunsthandwerk, Foto: Landesamt für Denkmalpflegeund Archäologie Sachsen-Anhalt

Vorsatz vorne: Blick vom Kloster Sankt Simeon, Foto: Landesamt fürDenkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Vorsatz hinten: Ländl. Gegend in Syrien, Foto: Landesamt fürDenkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Datensind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar

© 2005 by Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim undVerlag Philipp von Zabern, Mainz am RheinISBN 3-8053-3513-X (Buchhandelsausgabe)ISBN 3-8053-3599-7 (M useumsausgabe)Gestaltung: Lothar Bache, Verlag Phi/ipp von Zabern, MainzAlle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen,vorbehalten.Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht ge­stattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege(Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendungelektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.Printed in Germany by Philipp von ZabernPrinted on fade resistant and archival quality paper(PH 7 neutral ) . tcf

A Jerusalem: Zentrum der Welt und Ziel der Pilger

Jerusalem, Nabel der Welt

Ausgangspunkt für die mittelalterliche Verortung lerusalems imZentrum der Welt war Ezechiel 5, 5:

,,50 ergeht es lerusalern. In die Mitte der Völk er setze ich es,und rings in seinen Umkreis die Länder." (/sta est te ruselem,in medio gentium posui eetn, et in circuitu eius terras).

Di eser im Frühmittelalter vor allem von Hi eronymus verbreiteteGedanke erhielt Auftrieb durch die Kreuzzüge: Der ChronistRobert von Reims, vermutlich Abt von St-Rerni, ließ in seinerHistoria Hierosolym itana, einer Chronik des Ersten Kreuzzuges,Papst Urban 11. bei seinem Aufruf zum Kreuzzug in Clerrnont imNovember 1095 den Versammelten zurufen:

" jerusalem ist der Nabel der Weil (...) die königli che Stadt, inder Mitte des Erdkreises gelegen" (Iib. I, cap. 2).

Zunehmend schlugen sich solche Vorstellungen in Reise- undPilgerberichten sowie Weltkarten nieder. Im kartographischenBild beherrschten lerusalern und der Berg Sion erstmals die umdas Jahr 1110 datierte Oxford-Karte (Ox ford, St. lohn's College,

Ms. 17, fol. 6). Trotzdem dauerte es noch lange, vielleicht sogarbis nach dem endgültigen Verlust lerusalerns 1244, bis sich einepräzise Jerusalem-Zentrierung durchsetzen konnt e. Sie kenn­zeichnet erst die kleine, als Kreis von 9,5 crn Durchmesser kon­zipierte Londoner Psalterkarte (London, Briti sh Library, Addit io­nal Ms. 2868 1, fol. 9r), die vermutlich nach 1262 in Londonentstand und ein englisches Gebet- und Liturgiebüchleinschmückt, sowie die beiden bekannten großen Weltkarten vonHereford (nach 1283) und von Ebstorf. Die Konzeption und Ver­wendung dieser Produkte lässt eine enge Beziehung zum Wall­fahrtsgedanken vermuten, denn propagandistischer hätte mandie Sehnsucht nach dem verlorenen lerusalern als Brennpunktder religiösen Welt, als Ziel friedlicher Pilger und bewaffneterWallfahrer, kaum bekunden können.

I.B.

Lit.: Baumgärtner 200 1; von den Brinken 200S.

KATALOG . 289

290 . KATALOG NR.A.1

A. I

A.l Ebstorfer W eltkart e*

Ori gina l: Vermutlich Kloster Ebstorf, Datierung sehrumstritten im Zeitraum zw ischen ca. 1208- 1373 (nachWilke vermutl ich 1288- 1314, genauer 1298-1 308)Nachbildung: 1951-1953 (Rudolf Wi eneke) im Gerb­druckverfahren auf Pergament,H. 3,58 m; Br. 3,56 m (12,74 m' Fläche)

Kloster Ebstorf

Di e in der Datierung äußerst umstri tteneEbstorfer Weltkarte gil t wegen ihrer enormenGröße von 3,58 x 3,56 m und mit ihren fast2.345 Bild - und Texteinträgen als Prototypeiner mittelalterli chen mappa mundi, obwo hlihr Or iginal 1943 bei einem Bombenangriff inHannover verbrannte. In der nach Osten aus­gerichteten T-O- Karte grenzen das M ittelmeerals Schaft, der Don und der Nil als Quer­balken eines T die drei bekannten Erdtei levoneinander ab. Asien mit letusalern und demParadies füllt die obere Hälfte des vollständigvom O zean umgebenen Erdkreises (orbis ter­rarum), während sich Europa (li nks) und Afri­ka (rechts) die untere Hälfte teilen. Solchemappae mundi waren bil dli che Allegori en

einer christiichen Kosmologie, Konstrukt ioneneines universalen Geschichts- und WeItmo­dells und Träger eines theologischen, mythi­schen und histori schen Weltbi ldes ohne real­geographischen Anspruch.

Di e Zentrierung auf lerusalern entsprachentgegen allen älteren Vermutungen keinerfesten Tradi tion, sondern war eine unm issver­ständliche ideologische Entscheidung, als dieHauptphase der Kreuzzüge abgeschlossen,Jerusalem gefal len und das rückwärtsge­wandte Verlangen nach der Heili gen Stadtden Blick auf das spirit uelle letusalern ver­stärkte. Die Ebstorfkarte zeigt ein apokalypti­sches Jerusalem mit quadratischen Stadt­mauern, nach innen gerichteten Zi nnen, vierTürmen und zwölf Toren. Di ese Konstrukti onfolgt der Beschreibung des neuen Jerusalemsin der Offenbarung des loharmes 21, 12 und16: "Sie hat eine mächtige, hohe Mauer mi tzwö lf Toren" und "D ie Stadt ist im Viereckgebaut, ihre Länge so groß w ie ihre Breite" .

Der hervorstechende goldene Farbton derBefestigung korrespondiert mit der opti schenVeranschaulichung der Auferstehung Christi

aus dem Sarg innerhalb der Stadt, die genauim Mi ttelpunkt des von einer weItumspan­nenden Christusfigur umfassten Erdk reisessituiert ist, wobei umstri tten ist, ob die dasIrdische veranschaulichende Erde als KörperChristi fungiert oder der Christuskopf in abge­hobener Di stanz den Betrachter nicht nurzum Memor isieren, sondern auch zur Kon­templation anregen soll . Jedenfall s entfaltetdie Jerusalemkonzeption, di e den Nabel­Mythos mit dem Heil igen Grab verbi ndet,gleichsam eine Sogw irkung, die durch die irri­tierende Norddrehung der Szene noch ver­stärkt w ird. D ie Bild legende lin ks neben derStadtmauer spricht von der Sehnsucht desganzen Erdkreises nach der heili gsten Metro­po le ludäas und dem auferstehenden Chris­tus, der, mit Ni mbus und einer vom Kreuzgekrönten Siegesfahne dargestellt , als Siegerüber den Tod hervorgeht. Besser wäre dieVerknüpfung von realem und geistigem, vonirdischem und himml ischem lerusalem, vonHeil sgesch ichte und Kreuzzugsideologiekaum auszudrücken gewesen. Zugleich ist dieGrabverehrung ein Verbi ndungsglied zu dendrei Märtyrergräbern im Kloster Ebstorf, dastrotz des anderen Schriftbi ldes des Eintragshäufig als Entstehungsort vermutet wi rd; beideOrte tragen ebenso w ie die Signaturen fürLüneburg, Köln, Aachen und Theben min­destens ein Kreuz, Jerusalem und Lüneburgnoch eine Fahne. Das Heili ge Land ist mitKreuzfahrerburgen, Türmchen und Legendenausgestattet, w enngleich ungewöhnli cheAbschreibfehler geringe Kenntni sse desSchreibers von den Ö rtlichkeiten bezeugen.

Di e ideologisch determinierte Jerusalem­Zentr ierung der drei bekannten Weltkartenvon Landon, Hereford und Ebstorf führte häu­fig zur irrtümli chen Meinung, dass Jerusalemin den T-O-Karten ohnehin im M ittelpunkt derkartographi sch erfassten Welt liege. Aber nurnoch wenige kartographische Produkte be­stätigen diese geläufige Auffassung, darunterdie um 1250 erstel lte, geostete Klimatenkartedes loharm von Wall ingford (Landon, BritishLibrary, Cotton Julius D. VII, fo l. 46r) und dienur in einer Fassu ng des 15. Jahrhundertserhaltene, geostete Zonenkarte des Kano­nikers Girard von Antwerpen in seiner 1272ni edergeschri ebenen Universalgesch ichte(Utrecht, Rijksuniversiteit, Ms. 737, fol. 49v).

I.B.

Lit.: Sommerbrodt 1891; M iller 1896; Hahn-Woernle1987; Kugler 1991, darin bes. Hengevoss-Dürkop1991 und Kugler 1991b: Kugler 1998, bes. S. 187-194;Wi lke 2001; Wo lf 2004a; Wo lf 2004b ; Kugler, imDruck.

A.2 Vitae et passiones sanctorum mitschematischer T-O-Weltkarte

Ottobeuren, SI. Alexander und Theodor, 12. Jahrhundert!Süddeutschland oder Schweiz, 1. Hälfte 9. JahrhundertPergament, 120 Blatt, H. 21,5 cm; Br. 13-14 cmWeltkarte: Federzeichnung auf Pergament, Dm: 10 cm

Augsburg , Universitätsbibl iot hek, Ö tt ingen-Wa lle r­stein, Cod. 1.2.40 5, fo l. 120v

Zwei extravagant ausgeschmückte Stadtsym­bole für Jerusalem und Rom, die zwei Haupt­stätten des christl ic hen Heil sgeschehens,beherrschen die schematische, aus dem 12.Jahrhund ert stammende Weltkarte, die ohneZusammenhang zu den vorausgehenden, mi tden Viten von drei frühen Trierer Erzbi schöfeneingeleiteten Lebens- und Leidensgeschi chtenvon 14 Hei ligen (Vitae et passiones sancto­rum, fol. 1-1 20r) in raschen Strichen auf dieletzte Seite eines Kodex skizz iert wurde. Di eVorderseite des Blattes (fo l. 120r) enthält imAnschluss an die Viten ein griechisch-lateini­sches Glossar mit 27 Begriffspaaren. Dasundifferenzierte Schemakärtchen verm ittel teinen Eindruck von den Versuchen der Kar­tographen zur Zeit der Kreuzzüge, die Heili geStadt auf den mitt elalterli chen mapp ae mundizu verorten. Die Zeichnung veranschaulicht,individu ell verdreht, den im Hochm ittelalterweit verbreiteten Typ der Ö kumenekarte mi teinem dreigeteil ten Erdkreis. W ährend aberüblicherweise das Mi ttelmeer als Schaft, derDon und der Ni l als Q uerbalken desT die dreibekannten Erdteil e voneinander abgrenzenund Asien die obere Hälfte des Kreises füllt,werden hier die drei Kontinente Europa, Asienund Afri ka durch das Mi ttelmeer (Me diterra­neum M are) als Qu erbalken und das RoteMeer (Rubrum M are) als Schaft des Tvoneinander getrennt und in einen Ozeanrin geingebettet (T-O-Karte). Der Zeichner ve r­tauschte zudem - sei es aus eurozentrischerSicht oder zufä llig aus schlechtem Erin­nerungsvermögen - die Lage von Asien undEuropa und vereinte das eigentl ic h amöstlichen Ende des Mi ttelm eeres gelegeneletusalern (H ierusalem) mit Rom (Roma), Jor­dan Uordanis) und Donau (Oanubium) aufdem vergrößerten europäischen Festl and,während Asien und Afrika vo ll kommen leereLandmassen bleiben. Neben Jerusalem ver­läuft vertikal der frei nach Ezechiel 5, 5konzip ierte Schriftzug " In medi o gentiumposui te" (In die Mitte der Völk er setze ichdich); deshalb ist auch das als Rotunde mitGalerien stilisierte Jerusalem stärker gegen dieMitte gerückt als das von Zinnen bekrönteRom. Di eses außergewö hnl iche, im 12.Jahrhundert einmalige Vorgehen stand ein­deutig im Widerspruch zur hochmi ttelalter­lichen Auffassung, dass Europa zwar stärker

A.2

bevölkert wä re, aber Asien die Hälfte derbewohnbaren Erde einnähme.

In der oberen Hälfte des Blattes sind dieSpuren einer geosteten, die Erde waagrechtnach bewohnten und unbewohn ten Land­und Wassergürteln einte i lenden Klimazo­nenkarte (Drn. 8 cm) zu erkennen, die imfrühen 16. Jahrhun dert ausradiert und mi tdem Inhaltsverzeichni s dieser Handschri ftüberschrieben w urde. Auf der Innenseite desmit Schafleder bezogenen hinteren Deckelszeigen sich Abklatschreste einer deutschenUrkunde des 14. Jahrhun derts.

I.B.

l.it.: Baumgärtner 1995, S. 17- 19, Abb. 1 und erwe i­terte Fassung in Baumgärtner 1997, S. 231-233 mit Fig.1; Baumgärtner 2001, S. 27 1-273, Abb. 1; zur Hand­schrift: Hilg, im Druck.

A.3 Samm elh and schr ift mitJerusalemkarte

2. Hälfte 12. JahrhundertPergament, 161 Blatt, 2 Vor- und 2 Nachblatt aus Papier,H. 31,3 crn: Br. 20 crnStadtp lan von [erusalern: braune Tinte mit roter undgrüner Farbe bemalt

Brüssel, ßibliotheque Royale de Belgique, M s. 9823-24,fol. 157r

KATALOG NR. A.2-3 . 29 1

D ie erste Einnahme Jerusalems löste dasEntstehen einer regelr echt en Sequenzregionaler HI.-L and-Karten und Jerusalem­pläne aus, die älteren Traditi onen folgend diegeometrischen Figuren Kreis und Q uadrat ver­arbeiteten sow ie die Vorstellungen von irdi ­schem und himmlischem Jerusalem vereinten.D ie überli eferten Skizzen und M iniaturen,darunter wenigstens zehn durch Straßenzügegegliederte Radpläne. drei schematische Rad­pläne und zwe i Vierecke, spiegeln trotz einergew issen Fixierung auf allgemein erkennbareikonographi sche Siglen auch eine indivi du­elle Ausgestaltung im Detail , die auf Vorstel­lungen und Beobachtungen von Pilgern undKreuzfahrern basiert. Di e meisten dieser als" Situs [eruselem" bezeichneten Entwü rfe ausHandschri ften des 12. bis 15. Jahrhund ertsvermitteln auf den ersten Blick ein relativschematisches Idealbild, das die Stadt al leinoder integriert in das Umland zeigt.

Di e vor Iiegende Hand schrift enthältw ichtige Kreuzfahrerschriften, darunter zwe iweit verbreitete histori ograph ische Zeugnissevon Augenzeugen des ersten Kreuzzugs, dieH istoria Hierosolym itana des Robert vonReims oder Robertus Monachus (fol. 3-57)und die Historia Hierosolymitana des Fulchervon Chartres (fol, 59r-123 r), zudem di eOescrip tio locorum circa Jerusalem (fo l. 127­139r) und Na mensl isten kirchl icher undweltli cher Herrschaftsträger im Heili gem Land(fol. 139v-140v). Nach kurzen Abrissen zuden Parochien Jerusalems und den Sanktua­rien des Laterans (fol. 141r-146r), M irakeln(fol. 146r-1 47r) und den sieben Weltwun dern(fol. 147r- v) fo lgen zw ischen den Genealo­gien der fränkischen Köni ge (fol. 147v-1 48v)und der Grafen von Flandern (fol. 158r-1 61v)eine Geschichte Muhammads (fol. 149r-1 56v)und der Situs (fo l. 157r).

Der geostete Stadtp lan vo n Jerusalem,vereinzelt wegen des Überl ieferungszusam­menhangs auch Fulko-Plan genannt, auchwenn Text und Bi ld nicht w irkl ich aufeinanderbezogen sind, ist ein typ ischer Situs mit kreis­förmigen Mauern. Di e Art der Sti lisierunghatte wohl der Enzyk lopädist Lambert vonSaint-O mer in seinem vor 1120 konzip iertenLiber floridus geprägt, um das mi t starkenMauern befestigte und auf einem Felsen gele­gene lerusalern inmi tten eines hügeli genLandstrichs abzubilden. Charakteristisch istvor allem der äußere Aufbau in unterteilten,konzentri schen Kreisen, formiert durch dievon Zinnen bekrönte und durch fünf Stadttoreunterbrochene Stadtmauer, deren Steinquaderden Ein dr uck von Wehrhaftigkeit undGeschlossenheit erwec ken. Di e Bi ldkomposi­ti on basiert auf mehreren von Häusernumsäumten Straßenzügen, die das Stadtgebietvierteln: der Cardo vom Stephanstor (Darnas-

292 . KATALOG NR. A.3-4

Provenienz: Ex /ibris Oratorii Collegii Trecensis,-13. Jahrhundert (nach 1227)Pergament, 233 Blatt, in zwei Spalten beschrieben,je ein Vor- und Nachb latt aus Papier,H. 28,5 cm; Br. 18,5 cm (18,3 cm-12,7 cm)Stadtplan Ierusalern: Federzeichnung

Montpell ier, ßibliotheque interuniversitaire, Sectionrnedecine, Ms. H 142, fol. 67v

A.4 Sammelhandschrift mitJerusalemkarte

tom2:uw'!ti~m_~:~..6Sm't ~,tm»t.,tt~'t~"Z'*,~~m"ht:~~"."IJ~mt-~~:J~~Lia;lmiff#'~~lÜJ~i,~~1ü5,..,m~~~~"'~~tiIbaM;1"fp~tt~~"u~m'!~qt~qJlt;·""'~. " . :~~'(i::" ".

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l.it.: Catalogue des manuscrits de la Bibl iotheque Roya­Je de Belgique, Renaix 1927, Bd. 11, Nr. 7431, S. 297;Viln ay 1963, S. [10-11J mit Abb. 15; Niehoff 1985,S. 74f.; Simek 1992; Nebenzahl1 995, S. 32, Tf. 9; Levy­Rubin 1999, S. 231-2 37; Rubin 1999, bes. S. 25-33,Fig. 8.

A.4

I.B.

kustor) im Norden zum Zionstor im Süden,der Decumanus vom westlichen DavidstorUaffator) zum Tempelberg nach Osten; dortführt eine Paral lelstraße (Via Da/arosa) zumjosaphat- oder Löwentor und das Gold ene Torbleibt ohne Zugang. Die Grundstruktur mitRadialachsen dient einer geordneten Aufstel­lung der Monumente: im Osten der kreisför­mige Felsendom hinter der übergroßen PortaSpeciasa und zw ischen der (der GeburtMariens geweihten) St. Anna Kirche und demauffä l l igen Tempel Salomos (al-Aqsa-M o­scheel, im Westen die kreisförmige Grabes­ki rche mit dem beim Hinscheiden Christi ent­standenen Felsenriss und dem in den frühenKarten als O rt der Kreuzigung ausgegliedertenGolgatha, auch Kalvarienberg genannt, rechtsdaneben der w uchtige Davidsturm (Zitadelle)und die Abtei Santa Maria Latina, bei der dasführende Hospital der johanniter lag, im Zen­trum Foren für Geldwechsel und Warenhan­del. Außerhalb der Mauern sehen w ir zeit­genössische Pilger und Kreuzfahrer die insieben kleinen Gruppen den Spuren Christifolgen, wodurch ein Gegenwartsbezug her­gestel lt wi rd. Detail reiche Berg- und Architek-'turabbreviaturen symbolisieren Stationen desLebens- und Leidensweges Christi, darunter(von links unten gegen den Uhrzeigersinn)der Berg der Freude, von dem aus die erstenKreuzfahrer lerusalern erblickten und in jubelausbrachen, Bethlehem, Raheis Grab, derBerg Sion mit der Halle des letzten Abend­mahles, der so genannte .B lutacker" Hakel­damach als Begräbnisstätte ausländischer Pil­ger, Bethanien, jericho und Nazareth. Im nord­östlichen Palästina verbindet der im Libanonen tspringende, zw ischen Bergen durch­ziehende jordan drei große Seen mit den bib ­lischen Namen Gali läisches Meer, Tiberiasseeund See Genezareth, über deren tatsächlicheIdenti tät sich der Kartenmacher nicht bewusstwar, mit dem Toten Meer. Unterhalb derQu ellen kennzeichnet eine doppelte Linie zurGrabeskirche Mariens das josaphattal, dieStätte des Jüngsten Gerichts. Danebenerheben sich der Ö lberg, der Berg der Ver­suchung und der Berg Sinai, unten die W üste,der Berg der Seligpreisung sow ie der BergTabor. Di esem Modell und seiner Raumver­teil ung entsprachen zahlreiche weitere Rota­pläne und Diagramme, oft integriert in Kreuz­fahrerschr iften, Enzyklopädien oder astrono­misch-geographi sche Zusammenstel lungen.Die Rangordnung der Gebäude folgte eherder Bedeutung als der Größe und geographi­schen Lage der Monum ente; traditi onelle Vor­gaben w urden vereinz elt mit zeitgenössi­schem W issen angereichert.

Im Mittelalter fungierten zwe i geometrischeFormen als iko nographische Siglen für dieHeili ge Stadt: der Kreis als Zeichen der Voll ­endung und das apoka lyptische Quadrat derJohannesoffenbarung. Der Situs aus Montpel­Iier, der ausnahmsweise genordet ist, ist einervon zw ei derzeit bekann ten vie reckigenjerusalem-Plänen. Der Kodex enthält u. a.eine Abschrift der Historia de Hieroso/ymi­tano itinere des Petrus Tudebodus, mit weI­eher die dort eingefügte Karte (cap. XIV,1)auch inhaltli ch verknüpft sein dürfte. DasStadtbild weicht deutli ch von den radförmi­gen Plänen ab. Kennzeichnend sind die we­nigen, unsystemati sch angeordneten Ge­bäude ohne gl iedernde Straßenzüge sow iedie fast quad ratisch geformte Stadtmauer,deren kunstvoll verzierte Steinquader von vierweit geöffneten, aber namenslosen Stadttorenund dem nach Osten ausgerichteten, ver­siegelten und deshalb geschlossenen Golde­nen Tor (Porta Clausa) unterbrochen werden.Während der zwe ite eckige Entwurf, derbekannte rautenförmige Plan von Cambrai(Centre Culturel, M s. 437, fol. 1r) aus dem12. Jahrhundert von persönlicher Anschauunggeprägt scheint, w irkt dieser Grundriss, derdie Himmelsrichtungen nennt und Kreuz­fahrerwissen verarbeitet, äußerst schematisch.Innerhalb der Stadtmauern sind zwei überdi-

mensionale christliche Gebäude, nämlich diedu rch einen G loc kenturm symbo lis ier teAbteikirche Santa Maria Latina (wohl kaumdie Zitadelle, der so genannte David sturm)und die Grabeskirche mit aufgesetztem Kreuzzu sehen. All e anderen Bauwerke undEreigni sse werden durch kurze Legendenersetzt: rechts oben der Tempelberg mit demTempel Salomos und dem Felsendom, in derMitte der Davidsturm mit einem Hin weis aufdi e Kreuzreliquie der Helena und demKalvarienberg, darunter bei der Grabeskircheeinige Stationen des Leidensweges Christi,das Zentrum der Welt und die Grabkamm erdes Herrn. Außerhalb der Stadtmauern ver­weisen ausschl ießl ich kur ze Texte aufwi chtige Heils- und Geschichtsstätten, aufden Pi1gerfriedhof Acheldemac (eigentlichsüdlich des Bergs Sion) und auf die Stephans­ki rehe im Nord en, auf das Tal losaphat mitder Grabeskirche Mariens, dem Ölberg unddem Kedrontal im Osten, auf die Fons Sy/oe(den Kanal von der Gihon-Quelle in die Stadt)und den Berg Sion mit der Marienkir che imSüden und auf das Westtor, durch das die Pil­ger gewö hnlich die Stadt betraten. Eigen­ständige Bemerkungen an Nord - und Süd­mauer weisen über die Radpläne hinaus aufdie w irk lichen Heerlager der Kreuzfahrerwährend der Belagerung des Jahres 1099. Der

KATALOG NR. AA . 293

Ob erbefehlshaber Raimund von St-Gillesüberwachte die Südmauern, wo bei er seinLager, beschri eben mit "hic Iuit castrum de/a­turn" am Westteil , wegen des ungünstigenGeländes später auf den Berg Sion verlegte,eingetragen mit "hic Iuit castrum teeturn R. St.Egidii". An der Nordmauer kommandiertehingegen sein Rivale, der niederlothringischeHerzog Gottfried von Bouill on, dessen Lageran der Westhälfte lokal isiert ist ("hic Iuit cas­trum du cis"i, während im O stteil derSchriftzug "hic Iuit datum cssttum" auf die ander Endattacke betei ligten Heerscharen Her­zog Roberts 11. von der Normandie oderTankteds von Tarent deuten dürft e. Auchwenn der inhaltliche Zusammenhang mi t denin der Sammelhandschrift enthaltenenWerken noch genauer zu überprüfen ist, bele­gen di ese Angaben die Rezeption einesKreuzzugsberichtes, wo bei der Kartenzeich­ner mangels eigener Anschauung das geo­graphische Aussehen der Stadt nur sehr be­dingt w iedergab.

I.B.

Lit. : Catalogue generale des manuscrits des bib lio­theques publiques des departcrnents. Bd. 1, Paris 1849 ,S. 339 ; Heydenreich 1965; Miller 1985, S. 63- 68 u.Abb. 18; Prawer 1985 ; Simek 1992 ; Levy-Rubin/Rubin1996; Levy-Rubin 1999, S. 233; Rubin 1999 , bes. S. 26 .