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bot. Nach und nach kamen Erlebnismöglich- keiten hinzu. «Wir sind nicht innovativ, wir probieren aus», beschreibt Martin Jucker die Unternehmensphilosophie. «Ideen gibt es ge- nug, sei es von Mitarbeitenden oder von Gäs- ten. Wenn etwas nicht funktioniert, muss halt etwas Neues her.» So ist aus dem ursprüngli- chen Obstbaubetrieb oberhalb des Pfäffiker- sees ein attraktiver Erlebnisbauernhof geworden. Auf dem Weg zur Selbstversorgung «Nachhaltigkeit ist für uns ein Grundprinzip, nach welchem wir heute in allen Bereichen des Unternehmens arbeiten. Es ist ein Pro- zess, der niemals aufhört und der bei uns lau- fend umgesetzt wird», führt Martin Jucker aus. «Uns so weit wie möglich selbst zu ver- sorgen, ist unser Ziel. Ein Beispiel: Schon lan- ge bieten wir Wähen mit eigenen Früchten an. In unserer neuen Hofbäckerei bereiten wir nun auch den Wähenteig zu. Natürlich mit hofeigenem Getreide. Was wir nicht produzie- ren, beziehen wir aus der Region.» In den Hof- läden bezeugen Etiketten diese Philosophie. Der Juckerhof in Seegräben am Pfäffikersee verschwand 1997 schier unter den Kürbissen, die aus Platzmangel überall auf dem Hof gestapelt wurden. Die 8000 Besucher anläss- lich der Neueröffnung des Hofladens dachten, es handle sich um eine Ausstellung und waren begeistert. Grund genug für die Juckers, Kür- bisanbau und -ausstellung zügig auszubauen – mit dem Resultat, dass das Geld ausging. Der Betrieb war zu schnell gewachsen und eine Sanierung war nötig. Ausprobieren statt viel studieren Nach der Sanierung sah sich der Juckerhof mit behördlichen Auflagen konfrontiert: Ein kantonaler Gestaltungsplan mit strengen Bauvorschriften und ein Verkehrskonzept, das keine Zufahrt zum Betrieb mehr vorsah, bremsten den Juckerschen Enthusiasmus kurzzeitig. Denn die wenigsten Kunden wür- den die 200 Meter Weg vom Parkplatz zum Hofladen in Kauf nehmen, um dort Früchte und Gemüse zu kaufen. Umdenken war nötig, wollte man nicht erneut in finanzielle Not geraten. So wurde der Fokus weg vom Detail- handel auf die Gastronomie gelegt, für welche der Gestaltungsplan bessere Möglichkeiten Unerfahren, aber voller Tatendrang versuchten sich Martin und Beat Jucker im Kürbisanbau. Das Resultat waren 50 Tonnen Ernte, eine unfreiwillige Kürbisausstellung und der Beginn der Unternehmung «Erlebnisbauernhof». Von Annika Hug «Was nachhaltig ist, funktioniert» 26

Saviva-Fachmagazin Nr. 18 – Autorin Textwerkstatt

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bot. Nach und nach kamen Erlebnismöglich-keiten hinzu. «Wir sind nicht innovativ, wir probieren aus», beschreibt Martin Jucker die Unternehmensphilosophie. «Ideen gibt es ge-nug, sei es von Mitarbeitenden oder von Gäs-ten. Wenn etwas nicht funktioniert, muss halt etwas Neues her.» So ist aus dem ursprüngli-chen Obstbaubetrieb oberhalb des Pfäffiker-sees ein attraktiver Erlebnisbauernhof geworden.

Auf dem Weg zur Selbstversorgung«Nachhaltigkeit ist für uns ein Grundprinzip, nach welchem wir heute in allen Bereichen des Unternehmens arbeiten. Es ist ein Pro-zess, der niemals aufhört und der bei uns lau-fend umgesetzt wird», führt Martin Jucker aus. «Uns so weit wie möglich selbst zu ver-sorgen, ist unser Ziel. Ein Beispiel: Schon lan-ge bieten wir Wähen mit eigenen Früchten an. In unserer neuen Hofbäckerei bereiten wir nun auch den Wähenteig zu. Natürlich mit hofeigenem Getreide. Was wir nicht produzie-ren, beziehen wir aus der Region.» In den Hof-läden bezeugen Etiketten diese Philosophie.

Der Juckerhof in Seegräben am Pfäffikersee verschwand 1997 schier unter den Kürbissen, die aus Platzmangel überall auf dem Hof gestapelt wurden. Die 8000 Besucher anläss-lich der Neueröffnung des Hofladens dachten, es handle sich um eine Ausstellung und waren begeistert. Grund genug für die Juckers, Kür-bisanbau und -ausstellung zügig auszubauen – mit dem Resultat, dass das Geld ausging. Der Betrieb war zu schnell gewachsen und eine Sanierung war nötig.

Ausprobieren statt viel studierenNach der Sanierung sah sich der Juckerhof mit behördlichen Auflagen konfrontiert: Ein kantonaler Gestaltungsplan mit strengen Bauvorschriften und ein Verkehrskonzept, das keine Zufahrt zum Betrieb mehr vorsah, bremsten den Juckerschen Enthusiasmus kurzzeitig. Denn die wenigsten Kunden wür-den die 200 Meter Weg vom Parkplatz zum Hofladen in Kauf nehmen, um dort Früchte und Gemüse zu kaufen. Umdenken war nötig, wollte man nicht erneut in finanzielle Not geraten. So wurde der Fokus weg vom Detail-handel auf die Gastronomie gelegt, für welche der Gestaltungsplan bessere Möglichkeiten

Unerfahren, aber voller Tatendrang versuchten sich Martin und Beat Jucker im Kürbisanbau. Das Resultat waren 50 Tonnen Ernte, eine unfreiwillige Kürbisausstellung und der Beginn der Unternehmung «Erlebnisbauernhof».

Von Annika Hug

«Was nachhaltig ist, funktioniert»

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27Trends

Erzeugnisse aus Eigenproduktion sind als solche gekennzeichnet. Alle anderen Lebens-mittel informieren über ihre Herkunft. Ver-blüffend sind die Kilometerangaben, die auf den meisten Produkten zu finden sind. Auf dem Schild zu einer Kiste Tomaten steht beispielsweise: «Ramato, Hinwil, 7 km». Eine kreative Idee und ein weiterer Beweis für nachhaltiges Denken.

Auch bei der Mitarbeiterführung ansetzenNachhaltiges Denken ist auch bei der Mitarbeiterpolitik ein Muss. «Unsere Mitar-beitenden müssen über sehr viel Bescheid wissen: Produktion, Erzeugnisse, Veranstal-tungsmöglichkeiten usw. Es dauert ein bis zwei Jahre, bis ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eingearbeitet ist», betont Martin Jucker. «Eine hohe Fluktuation kön-nen wir uns deshalb nicht leisten.» Flache Hierarchien,Home-Office-Gelegenheiten, Gleitzeiten, die flexible Einteilung der Arbeits-zeit, Weiterbildungsmöglichkeiten und vor allem gegenseitige Wertschätzung sorgen unter anderem dafür, dass sich die Mitarbei-tenden im Unternehmen wohlfühlen. Dank der flexiblen Strukturen können zudem viele Mütter in Teilzeitpensen beschäftigt werden, auch in Führungspositionen.

Fortsetzung auf Seite 29

29Trends

Moderne Technik hinter alten HolzwändenDass Nachhaltigkeit nicht nur durch kreative Ideen oder die Mitarbeiterpolitik garantiert ist, versteht sich von selbst. Auch die Technik trägt ihren Teil zur nachhaltigen Unterneh-mensführung bei. So ist denn hinter den altehrwürdigen Holzwänden der Jucker-Farm-Höfe nicht nur Heu und Stroh zu finden. Unter dem Dach der neuen Bäckerei auf dem Juckerhof in Seegräben verstecken sich hoch-moderne Maschinen zur Wärmerückgewin-nung. Besteck wird nicht mit Wasser, sondern mit heissem, keimfreien Granulat gesäubert. Auf dem Bächlihof in Jona verschafft eine Holzpellets-Heizung wohlige Wärme. Diverse Gebäude auf dem Juckerhof sind nach Miner-gie-Standard um- oder neu gebaut worden. Die EDV wurde auf einen energiesparenden Terminalserver umgerüstet, seine Abwärme dient der Beheizung des Büros. Die Anschaf-fung von modernen Maschinen lohne sich, meint Martin Jucker, auch wenn der «Return on Investment» erst zehn Jahre später eintrete.

Aus ihren Fehlern in früheren Jahren haben die Juckers gelernt: «Nur was nachhaltig ist, funktioniert.» Heute führen sie ein erfolgrei-ches Unternehmen mit vier Betrieben, 150 Mitarbeitenden und der weltweit grössten Kürbisausstellung in Ludwisburg (Deutsch-land). Ausprobiert wird noch immer ...

Saisonal, regional und nachhaltigNach diesem Grundprinzip lebend, hat die Familie Jucker mit unbändigem Tatendrang aus einem Obstbaubetrieb ein Unternehmen mit 150 Mitarbeitenden geschaffen. Die Jucker Farm AG in Kürze:

«Wir wollten schon immer unabhängig und selbstständig sein, unseren Weg selber gehen und selber bestimmen, was läuft.» Martin Jucker, Jucker Farm AG.

BetriebeJuckerhof in Seegräben: Produktion, Hofladen, Hofrestaurant, Hofbäckerei, Erlebnis, EventsBächlihof in Jona: Produktion, Hofladen, Erlebnis, EventsSpargelhof in Rafz: Produktion, HofladenLudwigsburg (D): weltweit grösste Kürbisausstellung

AnbauÄpfel, Birnen, Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Kirschen, Kürbisse, Spargeln

EventsÜber 500 Anlässe jährlich: Seminare, Hochzeiten, Geburtstage, Firmenevents, Teambuilding, ...

ErlebnisKürbisausstellung, Apfelbaumlabyrinth und -irrgärten, selber pflücken, Strohhüpfburg, Geisslipark, Strohfiguren-ausstellung etc.

www.juckerfarm.ch