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Signale Neue-Zeitung-Beilage für Literatur und Kunst 22. Jahrgang, Nr. 1 16. Dezember 2005 Aus dem Inhalt Nelu B. Ebinger: Späte Liebe Seite 2 Gedichte von Béla Bayer Seite 3 Gedenken an Ingeborg Hecker Seite 4 Gedichte von Koloman Brenner Seite 5 Stefan Valentin: Ein Gyros mit Gott bitte Seite 5 Angela Korb: Erwartungen Seite 5 Josef Michaelis: Die Räder rattern Seite 6 Josef Michaelis wurde mit Villány-Preis geehrt Seite 6 Einige Gedanken zur Ausstellung von Jakob Forster Seite 6 Dem deutschen Wort ein Zuhause gegeben Seite 7-8 Josef Mikonya: Wie der Kaspar Hodap heimgefunden hat Seite 8 Eine leise Melancholie Seite 9 Misch-Gedenkausstellung Seite 10 Früchte einer Künstlerfreundschaft Seite 11-12 Ist die Gegenwart der Eklekti- zismus der Vergangenheit und der Zukunft Seite 12 Die Bilder des Ákos Matzon Seite 13-14 Eine reiche Laufbahn, die lange fortgesetzt werden soll Seite 14 Ein Abenteurer der Freiheit Seite 15 Die Kirschbäume der Branau Horst Lam- brecht, Dozent an der Univer- sität Fünfkir- chen, sprach bei der Festveran- staltung der Deutschen Min- derheitenselbst- verwaltungen der Branau und der Schomodei „10 Jahre Selbst- verwaltungen“ am 6. Mai 2005 im Sitz der Akademie der Wissen- schaften in Fünfkirchen über die ungarndeutsche Literatur. Wir veröffentlichen seinen Diskus- sionsbeitrag. Josef Mikonya aus Tarian/Tarján, einer der „Gründerväter“ der ungarn- deutschen Literatur nach 1970, erzählt die Geschichte von einem alten, gegen das Sterben kämpfenden Kirschbaum. Er schließt seine sym- bolhafte Geschichte mit folgenden Sätzen: Der neue Baumbestand, vor allem die Akazien, entwickelte sich schnell. Die kleineren Bäume, Pfir- sich und Zwetschge, gerieten bald in den Schatten. Auch die Walnußbäu- me konnten es mit dem neuen Wald nicht lange aufnehmen. Allein die Kirschbäume wollten sich nicht ergeben... In meiner Kindheit standen noch drei von ihnen. Zur Freude der Vögel und auch für uns Kinder blühten sie jeden Frühling und brachten süße Früchte. Zur Zeit steht nur mehr einer. Einen Ast hat bereits die Krankheit befallen. Doch ringt der Baum noch immer zäh um sein Leben. Mikonya trauert um den Kirsch- baum und meint damit das Schicksal der deutschen Mundart seiner Kind- heit. Die Muttersprache ist für ihn „Wegzehrung fürs Leben“. Was ist mit dem Leben, wenn die Wegzeh- rung aufgebraucht ist? Wenn wir heute über solche Kirschbäume zu reden haben, mei- nen wir die deutsche Sprache über- haupt. Stirbt sie tatsächlich aus bei den Ungarndeutschen? Wenn ja, wäre das tragisch. Denn was ist an einem Ungarndeutschen noch wirk- lich deutsch ohne die deutsche Spra- che? Die Erinnerung? Erinnerungen an die Geschichte der Besiedlung? An die Mühen der Ahnen, das anver- traute Land fruchtbar, das Leben ertragbar zu machen? Erinnerung an das schwere Schicksal der Vertrei- bung? Erinnerung an alte Lieder und Märchen? Gewiß: all das gehört zu dem von Eltern, Ahnen und Urahnen weitergegebenen deutschen Erbe. Aber Erinnerung allein wird eines Tages im Nebel der Zeiten ver- schwinden. Und was bleibt dann? Wohl nichts. Auf keinen Fall aber ein wirklich deutsches Identitätsgefühl. Und warum nicht? Weil das Identi- tätsbewußtsein eines Menschen untrennbar an seine Sprache gebun- den ist. Und die heute durchaus rich- tige Formel von der „Doppeliden- tität“ der Ungarndeutschen stimmt nur solange, wie eben beide Spra- chen – Ungarisch und Deutsch – zum Eigentum des einzelnen gehören. In der Umkehrung bedeutet das zugleich, daß der Sprachverlust des Deutschen ebenso untrennbar mit dem Verlust deutscher Identität ver- bunden ist. So ist denn das Ringen um Erhalt bzw. um die Rückgewin- nung der deutschen Sprache eine zentrale Aufgabe, wenn es darum geht, die deutsche Identität zu bewahren. – Und da sind wir bei der ungarndeutschen Literatur. Denn sie vermag beides zu leisten: Die ungarndeutsche Literatur kann die Erinnerungen bewahren und an die Nachfolgenden weitergeben, und sie kann in hohem Maße zum Überleben der deutschen Sprache beitragen. (Fortsetzung auf Seite 2) Zwischen Zukunftsperspektive und der Verankerung in der Geschichte wähnte Dr. Helmut Rudolf die ungarndeutsche Literatur bei den Werkstattgesprächen vom 15. – 18. September in Wesprim/Veszprém. Die Präsenz der jüngeren Generatio- nen prägte die Gespräche über die mitgebrachten Werke. Die neue Anthologie „Erkenntnisse 2000“ wurde im zweisprachigen Lovassy- Gymnasium von zehn beteiligten Autoren präsentiert. Am Abend wurde im Deutschen Haus in Wesprim die Ausstellung „Genera- tionen“ gezeigt mit Werken von Adam Misch – vor zehn Jahren ver- storben – und Antal Lux (70), Franz Trischler, Tibor Budahelyi und Ákos Matzon (60). Verbunden wurde die Ausstellung mit der Vor- stellung der neuen Anthologie, musikalisch untermalt vom Lovas- sy-Kammerchor. Anschließend gab es ein geselliges Beisammensein mit dem Deutschklub von Wesprim. Auf der Generalversammlung des Verbandes Ungarndeutscher Auto- ren und Künstler (Foto) wurde Ákos Matzon zum Vorsitzenden der Künstlersektion gewählt, da János Wagner, der zehn Jahre die Sektion geleitet hatte, aus Altersgründen ausschied.

Signale - VUdAKSignale Neue-Zeitung-Beilage für Literatur und Kunst 22. Jahrgang, Nr. 1 16. Dezember 2005 Aus dem Inhalt Nelu B. Ebinger: Späte Liebe Seite 2 Gedichte von Béla Bayer

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AAuuss ddeemm IInnhhaallttNelu B. Ebinger: Späte Liebe

SSeeiittee 22

Gedichte von Béla BayerSSeeiittee 33

Gedenken an Ingeborg HeckerSSeeiittee 44

Gedichte von Koloman BrennerSSeeiittee 55

Stefan Valentin: Ein Gyros mitGott bitte

SSeeiittee 55

Angela Korb: ErwartungenSSeeiittee 55

Josef Michaelis: Die Räder ratternSSeeiittee 66

Josef Michaelis wurde mit Villány-Preis geehrt

SSeeiittee 66

Einige Gedanken zur Ausstellungvon Jakob Forster

SSeeiittee 66

Dem deutschen Wort ein ZuhausegegebenSSeeiittee 77--88

Josef Mikonya: Wie der KasparHodap heimgefunden hat

SSeeiittee 88

Eine leise MelancholieSSeeiittee 99

Misch-GedenkausstellungSSeeiittee 1100

Früchte einer Künstlerfreundschaft

SSeeiittee 1111--1122

Ist die Gegenwart der Eklekti-zismus der Vergangenheit und der

ZukunftSSeeiittee 1122

Die Bilder des Ákos MatzonSSeeiittee 1133--1144

Eine reiche Laufbahn, die langefortgesetzt werden soll

SSeeiittee 1144

Ein Abenteurer der FreiheitSSeeiittee 1155

Die Kirschbäume der BranauHorst Lam-brecht, Dozentan der Univer-sität Fünfkir-chen, sprach beider Festveran-staltung derDeutschen Min-derheitenselbst-verwaltungender Branau undder Schomodei „10 Jahre Selbst-verwaltungen“ am 6. Mai 2005 imSitz der Akademie der Wissen-schaften in Fünfkirchen über dieungarndeutsche Literatur. Wirveröffentlichen seinen Diskus-sionsbeitrag.

Josef Mikonya aus Tarian/Tarján,einer der „Gründerväter“ der ungarn-deutschen Literatur nach 1970,erzählt die Geschichte von einemalten, gegen das Sterben kämpfendenKirschbaum. Er schließt seine sym-bolhafte Geschichte mit folgendenSätzen:

Der neue Baumbestand, vor allemdie Akazien, entwickelte sichschnell. Die kleineren Bäume, Pfir-sich und Zwetschge, gerieten bald inden Schatten. Auch die Walnußbäu-me konnten es mit dem neuen Waldnicht lange aufnehmen. Allein die

Kirschbäume wollten sich nichtergeben...

In meiner Kindheit standen nochdrei von ihnen. Zur Freude der Vögelund auch für uns Kinder blühten siejeden Frühling und brachten süßeFrüchte.

Zur Zeit steht nur mehr einer.Einen Ast hat bereits die Krankheitbefallen. Doch ringt der Baum nochimmer zäh um sein Leben.

Mikonya trauert um den Kirsch-baum und meint damit das Schicksalder deutschen Mundart seiner Kind-heit. Die Muttersprache ist für ihn„Wegzehrung fürs Leben“. Was istmit dem Leben, wenn die Wegzeh-rung aufgebraucht ist?

Wenn wir heute über solcheKirschbäume zu reden haben, mei-nen wir die deutsche Sprache über-haupt. Stirbt sie tatsächlich aus beiden Ungarndeutschen? Wenn ja,wäre das tragisch. Denn was ist aneinem Ungarndeutschen noch wirk-lich deutsch ohne die deutsche Spra-che? Die Erinnerung? Erinnerungenan die Geschichte der Besiedlung?An die Mühen der Ahnen, das anver-traute Land fruchtbar, das Lebenertragbar zu machen? Erinnerung andas schwere Schicksal der Vertrei-bung? Erinnerung an alte Lieder undMärchen? Gewiß: all das gehört zu

dem von Eltern, Ahnen und Urahnenweitergegebenen deutschen Erbe.Aber Erinnerung allein wird einesTages im Nebel der Zeiten ver-schwinden. Und was bleibt dann?Wohl nichts. Auf keinen Fall aber einwirklich deutsches Identitätsgefühl.

Und warum nicht? Weil das Identi-tätsbewußtsein eines Menschenuntrennbar an seine Sprache gebun-den ist. Und die heute durchaus rich-tige Formel von der „Doppeliden-tität“ der Ungarndeutschen stimmtnur solange, wie eben beide Spra-chen – Ungarisch und Deutsch – zumEigentum des einzelnen gehören. Inder Umkehrung bedeutet daszugleich, daß der Sprachverlust desDeutschen ebenso untrennbar mitdem Verlust deutscher Identität ver-bunden ist. So ist denn das Ringenum Erhalt bzw. um die Rückgewin-nung der deutschen Sprache einezentrale Aufgabe, wenn es darumgeht, die deutsche Identität zubewahren. – Und da sind wir bei derungarndeutschen Literatur. Denn sievermag beides zu leisten: Dieungarndeutsche Literatur kann dieErinnerungen bewahren und an dieNachfolgenden weitergeben, und siekann in hohem Maße zum Überlebender deutschen Sprache beitragen.

(Fortsetzung auf Seite 2)

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Und das nicht zuletzt deshalb, weilsie die Schönheit der deutschen Spra-che in sich trägt. Sie vermag dasSprachbewußtsein des Lesers zu ver-tiefen. Sie vermag es, Sprache vomKopf erst über das Herz zur Zunge zuleiten.

Im Wissen um die Bedeutung derungarndeutschen Literatur im Ringenum Sprache und Identität fand hier inFünfkirchen vor fast genau drei Jah-ren – im Mai 2002 – eine zweitägigeKonferenz statt, deren Anlaß dieWürdigung gleich mehrerer Jubiläenwar. Zu würdigen galt es 30 JahreLiteratursektion des Verbandes derUngarndeutschen, 25 Jahre Werk-stattgespräche mit ungarndeutschenAutoren und 10 Jahre des Bestehensdes Verbandes UngarndeutscherAutoren und Künstler (VUdAK).Das Thema der Konferenz war:„Identität und Sprache. Über Verant-wortung und Chancen von Literaturund Literaturvermittlung für die Aus-bildung des Identitätsbewußtseinsjunger Ungarndeutscher. KritischeStandortbestimmung und Ausblick.“

Teilnehmer und Referenten warenLehrer, Hochschullehrer, Studenten,Autoren sowie Vertreter der Medienund kultureller Einrichtungen. Eswar nicht nur eine Standortbestim-mung, sondern auch ein wichtigerErfahrungsaustausch, der Impulse fürdie weitere Arbeit geben konnte. –Der Tagungsband ist inzwischenerschienen (und im Lenau-Haus zuerhalten). Ich denke, daß die imTagungsband zu findenden Beiträgenichts an Aktualität eingebüßt haben.

Meine Sache an der UniversitätFünfkirchen ist es u. a., die ungarn-deutsche Literatur zu vermitteln undihre Entwicklung beobachtend, for-schend und beschreibend zu verfol-gen. Im Zusammenhang mit dieserTätigkeit ist es für mich immer wie-der eine Freude, wenn ich jungeUngarndeutsche bei der Erarbeitungihrer Diplomarbeit betreuen kann,die sich in ihrer ersten wissenschaft-lichen Arbeit engagiert der ungarn-deutschen Literatur und Kulturzuwenden und durch ihre For-schungsergebnisse dazu beitragen,bestimmte Phänomene dieser Litera-tur bzw. der kulturellen Prozessedeutlicher ins Bewußtsein derÖffentlichkeit zu rücken. Um diesesEngagement zu würdigen, seien andieser Stelle nur einige der Autorin-nen und ihre Themen erwähnt. Siealle konnten ihre Diplomarbeit mitdem Prädikat „Jeles“ verteidigen:

Mónika Szeifert: „Heimat“. ZuStefan Railes Anthologie „Dachträu-me“ (2000).

Mónika Ambach: Die kulturver-mittelnde Rolle des RegionalstudiosPécs/Fünfkirchen des UngarischenFernsehens und die ungarndeutscheÖffentlichkeit (2003).

Tímea Illés: Das Thema Liebe in

der ungarndeutschen Literatur. EineUntersuchung epischer Texte zwi-schen 1974 und 1990 (2004).

Rita Schwáb: DeutschsprachigesTheaterleben in Fünfkirchen im 19.Jahrhundert (2004).

Wenn ich oben davon gesprochenhabe, daß es den Diplomandinnengelungen ist, mit ihren Forschungser-gebnissen die ungarndeutsche Öf-fentlichkeit zu erreichen, so stütztsich das auf tatsächliche Aktivitätender jungen Leute. So veröffentlichtenMónika Ambach und Rita Schwábeine Zusammenfassung ihrer Ar-beitsergebnisse im „DeutschenKalender 2004“. Ich hebe das des-halb hervor, weil diese Beispiele zei-gen, wie sich jugendliches Selbstbe-wußtsein paart mit erfreulichemSachverstand und beides einmündetin das selten direkt Ausgesprochene,in das „Ja, ich bin eine Ungarin. Undich bin eine Deutsche. Und ich binstolz auf beides“.

Ich könnte hier noch eine Reiheähnlicher Beispiele anfügen, möchtejetzt aber noch ein paar Worte überdie „Produktion“ von Literatursagen. Und indem ich dabei nichtRückschau halten, sondern nach vornblicken möchte, heißt das, über denNachwuchs schreibender Ungarn-deutscher zu reden. Ist das nun eintrauriges Thema, oder gibt es Grund,optimistisch nach vorn zu schauen?Josef Mikonya sieht einen absterben-den Kirschbaum. Und er hat sounrecht nicht. Wir aber in der Branauhaben viele Kirschbäume, an denensogar wieder grüne Blätter sprießen.Ich glaube, daß der Boden in der Bra-nau eine besondere Fruchtbarkeitbesitzt, die das Wachsen, Gedeihenund Blühen ungarndeutscher Litera-tur befördert.

Denn wenn ich doch einmal zurük-kblicke, dann finde ich eine beein-druckende „Dichterversammlung“von Autoren aus der Branau, die seit1974 das Leben der Volksgruppebegleitet und mit ihren Texten berei-chert haben. Zu nennen wären RobertBecker, Georg Fath, Márton Kalász,Leo Koch, Valeria Koch, JosefMichaelis, Engelbert Rittinger undFranz Sziebert. Dabei habe ich ganzbestimmt noch längst nicht allegenannt. Zum Beispiel nicht die ver-dienstvollen Schreiber von Dorfchro-niken und Heimatbüchern. Dennauch ihre Texte gehören zur populä-ren ungarndeutschen Literatur. Oben-drein scheint es nicht wenige zugeben, die im stillen geschrieben,kaum veröffentlicht haben und des-halb (fast) vergessen sind. Erinnernwill ich nur an Valentin Pintz, der ab1928 der Gemeinde Schomberg alsPfarrer diente. 1936 schrieb er seinerstes Gedicht. Als er 1982 im geseg-neten Alter von 93 Jahren starb,waren es exakt 1000 Gedichte, die erhinterließ (daneben noch dramati-sche Texte) – genauestens numeriertund datiert, fein säuberlich mit derSchreibmaschine getippt; die Seitensind inzwischen vergilbt. Ein erfüll-ter Lebensgang voller Glück undEntsagung, voller Hoffnungen undZweifel spiegelt sich in diesen oftanrührenden Versen. – Csaba Kun,selbst aus Schomberg stammend,widmet sich jetzt in seiner Diplomar-beit dem Schaffen Valentin Pintz’.Das ist eine nicht leichte, aber dochlohnende Aufgabe, die der StudentKun zugleich als ein Stück Heimat-pflege versteht. – Auf ein gewissesProblem im Zusammenhang mit derSichtung und wissenschaftlichenAufarbeitung regionalliterarischer

Schätze sei an dieser Stelle hingewie-sen: Die Studenten beginnen in derRegel erst im letzten Abschnitt ihresStudiengangs an ihrer Diplomschriftzu arbeiten. Nach deren Verteidigunggehen sie den Weg in ihre Berufe.Eine Weiterarbeit an ihrem wissen-schaftlichen Gegenstand ist nur inseltenen Fällen möglich. Das bedeu-tet für den Bereich der Regionallite-ratur, daß bestimmte Forschungspro-jekte durch sie zwar zu einem Teilab-schluß gebracht werden konnten,diese aber oft noch nicht völlig „aus-geforscht“ sind (so kann z. B. nachLage der Dinge die jetzige Diplomar-beit über das Schaffen Pintz’ aufGrund der Stoff-Zeit-Relation nichtviel mehr als eine erste Sichtung undBewertung erbringen). Am Lehrstuhlfür deutschsprachige Literatur unse-rer Universität verlagern wir dieregionalliterarische Forschung zwarauf möglichst viele Schultern, wirwerden auch von deutschen wissen-schaftlichen Einrichtungen unter-stützt (so z. B. vom Institut für deut-sche Kultur und Geschichte Südoste-uropas in München oder vom Institutfür Donauschwäbische Geschichteund Landeskunde Tübingen), den-noch bleibt die Schwierigkeit, dieForschung zu bestimmten Schwer-punkten schnell genug voranzutrei-ben. Denn wir sind dabei ja angewie-sen auf einen vergleichsweise klei-nen Kreis in Frage kommender Stu-denten, der zudem in kurzen Abstän-den immer wieder neu zu konstituie-ren ist. Eine effiziente regionallitera-rische Forschung benötigt aber desschnellen Zugriffs, denn bei diesemForschungsfeld ist die Gefahr, daßwichtige „Quellen“ entgleiten, ehesie nutzbar gemacht werden konnten,leider immer gegeben. Ich vermagmir vorzustellen, daß eine Art„Ideenkonferenz“ mit Teilnehmernaus Kultur- und Bildungseinrichtun-gen sowie Vertretern örtlicher Selbst-verwaltungen aus unserer RegionWege entdecken und Mitarbeitergewinnen würde, auf bzw. mit denenwir zu einer konzentrierten, effekti-ven Sichtung und zu einer Verleben-digung des reichen literarischenErbes der Branau kommen könnten.Dieses kulturelle Erbe der Volks-gruppe vor dem Vergessen zu bewah-ren, sollte nicht nur dem akademi-schen Betrieb allein überlassen blei-ben!

Wie sieht es aber mit dem Nach-wuchs auf dem fruchtbaren Bodender Branau aus? Wie steht es also umdie Zukunft der ungarndeutschenLiteratur? Hier gibt es natürlich Pro-bleme, aber es gibt auch die Hoff-nung darauf, daß die BranauerKirschbäume nicht absterben. Soschlummern an den Nationalitäten-schulen und an der Universität Talen-te, die es zu entdecken und zu förderngilt. Das ist eine mühselige Arbeit,die Enttäuschungen, aber auch schö-ne Erfolge mit sich bringt. An den

G E D A N K E N2 Signale

Die Kirschbäume der Branau(Fortsetzung von Seite 1)

Nelu B. Ebinger

Späte LiebeBlätter fallen in den Winddu entblätterst dich gelind

schießt die letzte Süße in den Weinbittersüß weinen wir gemein

Chrysantemen blühen auf dem Grabtiefe Furchen graben wir ins Gehab

Hurrikane füttern den Wasserfallgefallen mir die Brüste prall

meine Hände suchen nach fremdem Landlanden aber immer wieder in dem Sand

drehen sich geschickt im Kreiskreisen ein den letzten Schweiß

verstreuen überall den Keimkeimen auf als neuer Reim

doch alles nur zum Scheinscheint es wie immer nur zu sein.

Signale 3G E D A N K E N

Béla Bayer

GleichwohlEs wintert in der Heimat,ich knöpfe meine Einsamkeit zu,insgeheim aber entspringenweiße Flocken der Hoffnungtrotz wachsendem Unverständnis.

Trotz alledemEs kostete mich geraume Zeit,bis ich die Denkweise der Jäger verstanden habe, es kostete mich etliche Rückschläge.Aber ich lebe.Obwohl ich immer mehrDorn in Augen anderer werde,bin ich gegen ihre Verdammunggewappnet.Pharisäer bedrohen meine Träume,meine Hirsch-Seele können sie dennoch nicht verletzen.Ihr Jagdhorn kann von keiner Erlegung berichten.Kerzen leuchten auf meinem Geweih und ich kann mich an klarer Quelle laben.Meine Sehnsucht treibt kein falsches Streben,da ich weiß, daß sich nur aus Kleinigkeiten das große Ganze bilden kann,nach Maß, nach Zahl und nach Gewicht. Verhältnismäßig.Der Nebel löst seinen Schleier, während in der WaldheimatSterne an Grasspitzen perlen.Auf den Zweigen der Bäumeglitzern himmlische Tränen,bis am Rande der Waldblößedie behütenden Blicke des Schöpfers aufleuchten.

Gleichzeitigkeit Der Thronfolger der Morgendämmerungenzeigt seinen Rücken.Das sich in die Dürre streckende Kreuz wurde nicht für die Erlösung gezimmert. Es spaltet sich die Stille der Umgebung,da hier Sommer und Todgleichzeitig herrschen.

VergebensEs entstand dieses Gedichtwie ein in Pein geborenes Kind,schon vorzeitig ausgebrannt,

als wäre sein Schöpfer mit verbrannt – als nähern sie sich dem Ende.

regelmäßig stattfindenden Literatur-wettbewerben beteiligen sich immerauch Schüler aus der Branau.Genannt seien hier – stellvertretendauch für andere – die mit Preisenbedachten Ildikó Buszlauer, AndreaCzövek, Melinda Doór oder LauraKolbach. Vorausschauend kann ichhier schon verraten, daß in naherZukunft eine neue Anthologieungarndeutscher Literatur in derReihe der VUdAK-Bücher erschei-nen wird („Erkenntnisse 2000“ istinzwischen erschienen und erhältlich– Anm. d. Red.). Und in diesen reprä-sentativen Band konnten auch Textevon Nachwuchsautorinnen aus derBranau aufgenommen werden. Sosind mit Gedichten und kurzenErzählungen Christina Arnold(Nadasch), Andrea Czövek(Willand), Laura Kolbach(Mohatsch), Angela Korb (Hetfehell)und Mónika Szeifert (Sásd) vertre-ten.

An der Universität habe ich jetzteine kleine Gruppe von Studentenversammelt, die regelmäßig schrei-ben: literarische Texte ebenso wiejournalistische Beiträge für die„Neue Zeitung“. Mit der Unterstüt-zung des Chefredakteurs JohannSchuth haben wir Anfang des Jahresdort eine Seite unter der Rubrik„Fünfkirchner Schreibstube“ einrich-ten können. In Kürze wird die vierteSeite erscheinen. Zu den Schreiberngehören Anett Bartonicsek, AngelaKorb, Judit Schoblocher und GáborGrob (übrigens der Enkel desungarndeutschen Autors EngelbertRittinger). Besondere Aufmerksam-keit verdient wohl die Tatsache, daßAngela Korb und Gábor Grob auchTexte in ihrer Mundart schreiben!Grüne Blätter am Kirschbaum.

Ich sprach von Förderung der jun-gen Talente. Welche Erfolge und Pro-bleme gibt es dabei?

1. Eine wichtige und unersetzbareRolle spielt hier die LiterarischeSektion des Verbandes Ungarndeut-scher Autoren und Künstler(VUdAK). Genannt seien vor allemdie alljährlich stattfindenden Werk-stattgespräche oder die – im jeweili-gen finanziellen Rahmen – gebote-nen Möglichkeiten zur Veröffentli-chung, die Organisierung vonLesungen im Lande sowie die Ver-mittlung von Lesungen im deutsch-sprachigen Ausland, die Literatur-wettbewerbe usw.

2. Obwohl die Aktivitäten desVUdAK unersetzbar sind, gibt es einAber: Mit den zentralen Fördermaß-nahmen allein ist die langwierigeArbeit der direkten Förderung jungerTalente nicht zu bewältigen. Die einevom VUdAK pro Jahr organisierteLiterarische Werkstatt kann zwar einwichtiger Ort für die Autoren sein,Erfahrungen auszutauschen und überneue Texte zu streiten, mit der Sucheaber nach Talenten, mit der immerwieder neu zu festigenden Motiva-tion der jungen Leute und vor allem

mit dem steten Prozeß aufwendigerArbeit an den Textentwürfen derNachwuchsautoren wäre eine zentra-le Instanz aber wohl überfordert.Hier bedarf es der Initiative einzelnerPersonen vor Ort und die der regio-nalen Instanzen. Auf der im März2001 durchgeführten „Staats- undvölkerrechtlichen Fachtagung inBonn aus Anlaß des 10. Jahrestagsdes deutsch-polnischen Vertragesund der Nachbarschaftsverträge mitden übrigen Staaten Ostmitteleuro-pas“ habe ich in meinem Redebeitragbehauptet (und ich hoffe, ich lagdamit nicht ganz falsch):

„Die Durchbrechung des bisheri-gen Zentralismus (sowohl den unga-rischen politischen Apparat als auchdie Strukturen der Minderheitenorga-nisationen meinend) erwies sich alsvielleicht entscheidender Durch-bruch in bezug auf die Haltung derAngehörigen der Volksgruppe zuFragen, die ihre Gruppenidentitätbetreffen und die ebenso auch ihreindividuellen Interessen unmittelbarberühren.“

Ich habe dieses Zitat hier gewis-sermaßen zur Selbstüberprüfungeingefügt. Denn wenn ich damalsmit meiner Einschätzung richtig lag,dann müßte mein heutiger Appell andie regionalen Selbstverwaltungender Branau auf fruchtbaren Bodenfallen. Ein Appell daran, daß es mitgut klingenden und ehrlich gemein-ten Bekundungen allein nicht getansein kann, daß die Förderung desliterarischen Nachwuchses nichtallein der lobenswerten Arbeit derLehrer oder Hochschullehrer über-lassen werden sollte. Vielmehr gehtes darum, daß auch die Selbstver-waltungen sich diese Sache zureigenen machen. Sicher: Es gibt vonhier aus längst Unterstützung undmancherlei Initiativen. Sicher istaber auch, daß noch mehr getanwerden könnte. Ich denke dabei –um nur wenige Beispiele zu nennen– an regelmäßig organisierte Lesun-gen für Nachwuchsautoren oder andie Finanzierung von Publikationenfür den regionalen Bereich (so z. B.auch als Material für den Unterrichtan den Nationalitätenschulen). Dasmuß nicht viel Aufwand und vielGeld kosten. Bei eventuellen Publi-kationsmöglichkeiten ist eher anschmale, in größeren Abständenerscheinende Hefte gedacht (inTemeswar erscheint z. B. regelmä-ßig die „Stafette“, ein schmalesHeftchen, in dem die Nachwuchsau-toren ihre neuesten Texte vorstellen– wenig Aufwand mit großer Wir-kung). Vielleicht erscheint einesTages auch in Fünfkirchen ein Halb-jahres- oder Jahresheft – etwa unterdem Titel „Branauer Blätter“ oder„Kirschblüten“ oder...

Ich hoffe fest, daß es mir gegebensein wird, in zehn Jahren abermals indiesem Kreis über die ungarndeut-sche Literatur sprechen zu können.Und dann zum Thema „Kirschernte

Die Kirschbäume der Branau

Signale 4G E D E N K E N

Es begann mit einer Katastrophe

Alles begann mit einer Katastrophe. Ich wollte eigentlich nach der SchulzeitGermanistik studieren, um dann später Bibliothekarin zu werden. Aber amEnde meines achten Schuljahrs, als ich eben 14 Jahre alt war, mußte mirmein Lehrer sagen, daß ich nicht zur Oberschule zugelassen werden würde,weil mein Vater kein Arbeiter sei und meine Familie damit nicht zur privile-gierten Klasse gehöre. Der Arbeiter- und Bauernstaat gab seiner eigenenKlasse in dieser entscheidenden Frage den Vorzug. Das wurde mir nunschlagartig bewußt. Vier Jahre war es her, seit der Zweite Weltkrieg zu Endewar, und wir Bürger waren noch nicht genügend darüber informiert, wohindie neue politische Richtung in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszo-ne gehen würde. Aber nun wußte ich es, und es tat sehr weh. Ich begriff dieWelt nicht mehr. Völlig aufgelöst und niedergeschlagen kam ich nach derSchule nach Hause. Ich weiß es noch wie heute, wie mich meine Mutter fas-sungslos anstarrte und sie mich in ihre Arme nahm. Bisher hatten wir allenicht an die konkrete Umsetzung der politischen Parolen geglaubt, auchmeine Eltern nicht. Daß bei der Zulassung zu einer Schule nicht Leistung undElternwille zählten, sondern der Beruf des Vaters, so etwas hatte es vorher inDeutschland nicht gegeben. Darauf waren auch meine Eltern nicht vorberei-tet. Der Schlag traf uns alle hart und ließ uns für die Zukunft noch schwieri-ge Auseinandersetzungen mit dem neuen politischen System ahnen.

Mein Berufswunsch

In mir gewann ein anderer Berufswunsch schnell Raum und als mich meineMutter danach fragte, konnte ich ihr klar antworten: „Was ich nun lernenwill? Ich will Kindergärtnerin werden!“ Meine Mutter fragte völlig über-rascht: „Wie kommst du denn darauf? Gefällt dir der Beruf?“ Da wußte ichplötzlich aus ganzer Überzeugung, daß ich das wirklich wollte und mir mitHerz und Seele wünschte, Kinder zu erziehen.

Meine Eltern waren einverstanden und unterstützten mich nach Kräften.Wir erkundigten uns bei allen möglichen Ämtern und waren fast verwundertfestzustellen, daß mir als „Bürgerlicher“ der Weg zur Ausbildung als Kin-dergärtnerin offen stand. [...]

Ich war damals ein großes, schlaksiges Madchen mit fest geflochtenenblonden Zöpfen und Mittelscheitel. Dennoch hingen die kleinen Kinder anmir und respektierten mich als Autorität. Damals kam eines der kleinen Mäd-chen zu mir und fragte: „Was macht denn da dein Mann, wenn du hier beiuns im Kindergarten bist?“ Es war zum Lachen!

Wir Vorschülerinnen wurden damals nicht geschont. Wir mußten tüchtigran, vor allem bei den Putzarbeiten. Wenn ich manchmal oben auf dem Fen-sterbrett stand und die Fenster putzte, brauchte ich bloß ein wenig den Halszu recken und konnte unsere Kirche sehen. Dann dachte ich an den letztenGottesdienst und freute mich auf die wöchentliche Jugendstunde. Das warmeine Welt, in der ich mich wohl fühlte und angenommen wußte. [...] Nunwar es endlich soweit. Nach diesem herrlichen Sommer und vielen liebenErlebnissen war alles bereit für meine Fahrt nach Weimar. [...] Das Internat,das unser Ziel war, befand sich in der Zweigstelle der Pädagogischen Hoch-schule für Kindergärtnerinnen und war in einem sehr gemütlichen ehemali-gen Herrenhaus in einem kleinen Thüringer Dorf untergebracht. [...]

Erste Konflikte im Internat

Zuerst einmal haben wir unsere Betten bezogen. Dabei legte ich meine Bibelauf meinen Nachttisch. Und schon trat meine Bettnachbarin neben mich, deu-tete auf das silberne Kreuzchen an ihrer Halskette und sagte zu mir: „Du, ichbin auch Christin.“ Das hat mich damals sehr aufgebaut. Ich freute mich rich-tig auf die kommende gemeinsame Zeit. Aber schon beim ersten Abendessenwurde diese Freude sehr gedämpft. Ich saß neben unserer Internatsleiterin. Alsich von meinem still gesprochenen Tischgebet aufschaute, spürte ich dieplötzlich abgekühlte Atmosphäre. Ohne es zu ahnen, war ich schon an diesemersten Abend in eine gefährliche Situation geraten. Wie gut, daß ich es nichtwußte!

Unsere Leiterin führte ein hartes Regiment. Wir fürchteten sie. Eine ihrerersten Ankündigungen war, daß wir erst nach vielen Wochen nach Hause fah-ren dürften. Damals waren wir alle gehorsam und konfliktscheu. Wir hörtenuns ihre Forderungen, Wünsche und Weisungen an und versuchten, uns daranzu halten. Erst viel später habe ich erfahren, daß sie eine Führerin des ehema-ligen Reichsarbeitsdienstes war, die gute Gründe hatte, politisch überdurch-schnittlich engagiert zu wirken und sozialistisch korrekt dazustehen. In Wirk-lichkeit war alles nur Tünche. Aber vielen von uns flößte sie damals richtigeAngst ein. [...]

Schon bald nach dem Beginn der Ausbildung sprach mich ein Mädchen an:„Sag mal, du bist doch auch im Internat. Was ist denn bei euch los? Wir hat-ten gestern Parteiversammlung und da wurde gesagt, daß es bei euch imperi-alistische Widerstandskräfte gäbe. Kannst du mir sagen, wer da gemeint ist?“Es dauerte sehr lange, bis mir klar wurde, daß ich selbst gemeint war und manmir eine unglaubliche Sache anhängen wollte. Ich war naiv und gutgläubigund konnte deshalb nicht erkennen, daß es für mich schon am Anfang meinerAusbildung um Kopf und Kragen ging. Heute frage ich mich, wer wohl sowirkungsvoll jegliche Angst bei mir zurückgehalten hat. Denn obwohl ich vonder Leitung mehr und mehr isoliert und „abgestempelt“ wurde, fürchtete ichmich auf merkwürdige Weise überhaupt nicht. Nach wie vor faltete ich vorden Mahlzeiten meine Hände, meine Bibel lag für jeden sichtbar auf meinemNachttisch und sonntags verlangte ich wie selbstverständlich Zeit zum Kirch-gang. Und im Unterricht? Wenn die Dozenten ihre Angriffe auf Glauben undKirche starteten, und das kam sehr häufig vor, widersprach ich ihnen deutlich.

Es kam, wie es kommen mußte. Trotz meiner interessierten Mitarbeit imUnterricht und trotz meiner Leistungen, trotz meiner Begeisterung für denBeruf und meiner Freude auf die Praxis im Kindergarten fiel die Beurteilungam Ende des Semesters so ernüchternd schlecht aus, daß mich meine Freun-dinnen darauf ansprachen. Sie konnten nicht verstehen, warum ich mir dieseUngerechtigkeit gefallen ließ: „Wahrscheinlich bist Du die Klassenbeste, aberin Deinem Zeugnis stehen lauter Dreier!“, meinten sie. [...]

Sofort nach der Prüfung und der Schulabschlußfeier fuhr ich mit unseremFakultätschor zum Landeswettbewerb nach Berlin. Wir traten wieder in FDJ-Kleidung im „Deutschen Theater“ auf und gingen nach Pankow. Der Alltagder DDR hatte wieder begonnen. Wir aßen wieder Bockwurst mit Brötchenund schwiegen in der Öffentlichkeit beklommen.

Zu Hause bekam ich gleich eine Arbeitsstelle und wenig später wurde mirauch die Leitung eines Kindergartens übertragen. FDJ-Kleidung habe ich niemehr angezogen.

Zitate aus ihrem im Jahre 1999 bei dem Verlag Christliches Verlagshaus inStuttgart erschienenen Buch „Manchmal war es fast zu schwer“.

Ingeborg Hecker ist am 15.10.1934 in Gera (Deutschland) geboren, undstarb nach einer kurzen Leidenszeit am 29.05.2004 in Budapest. IhrLebensmotto war: „Als ich den Herrn suchte, antwortete ER mir underrettete mich aus meiner Furcht. Die auf IHN sehen, werden strahlenvor Freude, und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.“ Diese gött-liche Rettung hatte sie öfters erlebt: so in Ihrer von 1949-1953 dauern-den Ausbildungszeit zur Kindergärtnerin, wo ihre christliche Überzeu-gung im Kreuzfeuer der atheistischen Kaderbildung der ehemaligenDDR geprüft wurde. Aber auch in den oft nicht einfachen Jahren, wosie ab 1962 als Pastorenehefrau an der Seite ihres Mannes FriedrichHecker bis zu ihrem Tode die Lasten und Freuden des Gemeindealltagsmit ihm teilte. Es war für sie eine große Freude und im Alltagstrudelder Erziehung von vier Kindern zugleich eine wohltuende Entspan-nung, als sie ab 1974 sich in die Literatursektion der ungarndeutschenAutoren einschalten konnte. Während dieser künstlerisch aktivenSchaffensphase, welche ihren Spannungsbogen ganz bis zum Jahre1996 zog, veröffentlichte sie sowohl lyrische, als Prosatexte.

IInnggeebboorrgg HHeecckkeerr bbeeiimm LLiitteerraattuurrsseemmiinnaarr 11998877 iinn HHaarrkkáánnyy ((mmiitt NNeelluu BBrraa--ddeeaann--EEbbiinnggeerr,, JJoohhaannnn SScchhuutthh,, RRoobbeerrtt BBeecckkeerr,, VVaattaa VVáággyyii,, GGeeoorrgg WWiitttt--mmaannnn,, JJoocchheenn HHaauuffee uunndd NNiikkoollaauuss MMáárrnnaaii)) FFoottoo:: VVaalleerriiaa KKoocchh

„Manchmal war es fast zu schwer“

Ingeborg Hecker

Signale 5L I T E R A T U R

Koloman Brenner

JungbrunnenSpringbrunnen sindgefährlichsie spritzen Gedanken hochdie niederfallen

aber wir kehren umund lächeln einander zu

(2005)

Wunderangeblich weise Personenbegegnen sich und ihr Atemzugverpestet die Luft

überall stinken Wundenund trotzdem drehen sichdie knospenhaften Schultern

(2005)

PreßburgDas Ufoüber der Donaugrinstwie die leuchtendenTricksdie vertrautlächeln

aus dem selbenStaubmit dem selbenRhythmusdurch Pfählegetrenntaus den selbenWundenin den selbenKlumpenlatschen wirallevorbei

(2004)

Stefan Valentin

Ein Gyros mit Gott bitteDie Bahnhöfe spielen im Atomzeitalter für Budapest die Rolle wie das anti-ke Forum für das altertümliche Rom. Unsere apostolischen Halbgötter imPantheon des öffentlichen Lebens erwarten wohl die Ehrerbietung der gelei-teten Staatsbürger, aber sonst kümmern sie sich nicht um die Unterhaltungder Plebs zum Beispiel auf dem Barossplatz. Doch wäre es auch für sie sehrlehrreich, wenn sie einmal von den Sphären der Macht auf die Ebene deseinfachen Volkes herabsteigen würden.

Ich bin kein „wichtiger Mensch“, kein verantwortlicher Nationsleiter,deshalb konnte ich ohne weiteres am Ostbahnhof zur Post gehen. Als ich ausdem funkelnden Ersatzmetrobus ausstieg – in dem die Klimaanlage wäh-rend der Fahrt vorläufig nicht funktionierte –, erblickte ich das erste orien-talische Restaurant, dem in der Unterführung noch weitere folgten. Manmuß nicht in die Türkei fahren, um waschechte Basarstimmung zu erleben.Alle Illusionen des Ostens sind auch im Schoß der Donaukönigin auffind-bar! Man müßte diese Vielfalt einfach schätzen! Unbefahrbare Wege gibt esüberall in Osteuropa, aber ein kleines Istanbul kann man nur im Herzen desKarpatenbeckens bewundern.

Ich versuchte hauptstädtisch zu gehen, das heißt total unauffällig, trotz-dem konnte ich meine Unsicherheit, ob ich noch zu Hause war oder michein kreativer Dschinn verzaubert haben sollte, kaum verbergen. Allein dasvom alkoholischen Hungaricum verzerrte Gesicht der Obdachlosen über-zeugte mich von der aktuellen geographischen Lage. Beim Metroausgangstanden zwei Männer mit einer Gitarre und ein dritter mit einem Mikrofonin der Hand. Ich dachte, sie würden gute Rocksongs aus den sechziger Jah-ren spielen, die das Herz der ausgelasteten Budapester Angestellten mittle-ren Alters höher schlagen lassen. Aber nein, es ging nicht darum. Als ichnäher kam, hörte ich schon die Tirade des ganz normal angezogenen Herrnmit dem Mikrofon, der eben euphorisch erzählte, wie ihn der Herr JesusChristus vom Alkoholismus befreite. Oh, diese ehemaligen Alkoholiker! Siehaben die Welt schon mehrmals erlöst, oder mindestens Kreuzzüge gegendas Böse geführt!

Auf den kleinen Betonsitzen saßen praktizierende Alkoholiker herum. Sietranken neben Wein und Schnaps auch die tröstenden Worte des religiösenKaders, der mit dem bewegenden Bekenntnis nicht aufzuhören schien. „Sosollten die ersten Christen ihre Lehrer, die Apostel, gehört haben“ – ging mirder Gedanke durch den Kopf, und ich fand die Szene plötzlich viel vertrau-ter. Die Verkäufer in den kleinen Gyrosständen hörten auch andächtig zuund stopften behende, aber geräuschlos den Rotkohl und das andere Gemü-se in die Pita. „Kann alles rein?“ fragten sie flüsternd und gaben schon denscharfen, ungarischen Paprikaguß in den türkischen Hamburger.

Es wurde still. Man hörte auch den Flügelschlag und den Streit der fre-chen Tauben, die sich um die Brösel der armen Leute rauften. Die Stadtbe-wohner kamen aus dem populären öffentlichen WC und den kleinen Unter-führungszellen hervor, sammelten sich um den Missionar und warfen sichauf einmal in Richtung Osten zu Boden. Der Himmel öffnete sich, und eserleuchtete ein großes Licht den Platz wie bei einem Atomangriff. Die Leuteblieben auf dem Boden, und es erschollen Fanfaren. Der Chor der Engelsang ein schönes Lied mit dem einfachen Text: „Selig, die arm sind vorGott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“

Ich ging fröhlich weiter und trat mit strahlendem Gesicht in die Post. „Diedrei nach Budapest und die anderen nach Deutschland bitte!“ – schob ichder netten Postangestellten lächelnd die Briefe zu. Sie bediente mich ohneNörgelei. „Gottes Welt ist doch schön!“ sagte ich zufrieden zu der Frau undküßte ihr durch das Fenstergitter die Hand.

Z. zog auf den Berg. Er wartete dortauf das Ankommen von G. Zu denTalbewohnern entwickelte er einambivalentes Verhältnis. Wichtig-ster Beweggrund für seine Entschei-dung war es, seinen künstlerischenFähigkeiten in gesteuerter, bewußtgewählter Einsamkeit freien Lauflassen zu können. Seine Abneigunggegenüber den Talansässigen grün-dete sich in deren heuchlerischerKonsumgefälligkeit und ignoranterKunstfeindlichkeit. Wobei er sichdurchaus bewußt war, daß die aske-tische Vereinsamung ja auch zumVersiegen seiner künstlerischenSchöpferkraft führen könne. Inso-

fern nämlich, daß das Fehlen einesPublikums Rezeptionsvorgängekaum ermöglicht. Ohne Rezipientenkeine Tradierung, ohne Traditionenein unerfülltes Schaffen. Deshalbinvitierte er G. zu sich. Denn dieGröße des Meisters muß ein Schülerweitervermitteln, um der Nachweltdarüber Kunde zu bringen.

Seine Tätigkeit bestand darin, vonTag zu Tag pensummäßig Gedanken-stränge aus sich herauszulocken.Philosophische Ideenkonstrukte ro-busten Charakters kreisten in seinemKopf herum, ähnlich flügellahm wiedie fettgefütterten gräßlich-grauenTauben, die sich aus dem wabernden

Bierdunst der Hochhausschluchtennur selten erheben.

Er sehnte sich danach, unter Men-schen sein zu können. Seine bunt-schillernden Visionen über eine vonNächstenliebe durchdrungenen Weltwaren zwar längst wie Seifenblasenzerplatzt, im tiefsten Innern seinesNihilismus` aber ertappte er docheine gewisse Lust darauf, bisherUngeschehenes herauszufordernund sich als Hauptdarsteller in die-sen Situationen agierend zu erleben.

Auf dem Berg nur Natur. Grü-belnd durchwanderte Nächte, keineRast nirgends. Er wartete auf G. Einwerwolfartiger Einzelgänger unter

den Talbewohnern. Ihm könnte ersich mitteilen. G. sollte eigentlichschon da sein.

Die denkerischen HöhenflügeZ’s. stießen an die Mauern seinerSchreibhemmung. G. war jenseitsder Mauer. Irgendwie mußte er ihnerreichen. Z. wäre das ausgespro-chene Wort und G. der schriftkundi-ge Transformator.

Wo bleibt er? Er muß kommen!Die Nacht wildrauh, Sterne verblu-ten. Er sollte kommen! ZerbröckelteGliedmaßen am Straßenrand ver-streut, eiskalt das Erwachen. Nochimmer wartend!Fünfkirchen, 16. 10. 2004

Angela Korb: Erwartungen

Signale 6L I T E R A T U R / K U N S T

Josef Michaeliswurde mit

Villány-Preis geehrtDer diesjährige Villány-Preis der Stadt Eislingenwurde an den Konrektor der Willander Schule JosefMichaelis verliehen. Der Preis wird seit 2004 ver-geben und würdigt Persönlichkeiten, die besondereLeistungen im Aufbau der Beziehungen zwischen den Partnerstädten Eis-lingen und Villány sowie deren Schulen vollbracht haben.

Josef Michaelis machte sich besonders durch Schüleraustauschprogram-me verdient, die er seit 1989 aktiv mitgestaltet. Trotz mancher schwierigerBedingungen trug und trägt er dafür Sorge, daß Willander Schüler die StadtEislingen besuchen können und schwäbische Gäste in Ungarn ein umfang-reiches Kulturprogramm angeboten bekommen.

Josef Michaelis zeigt aber nicht nur Talente als Pädagoge und Organisa-tor, sondern auch als Lyriker und Schriftsteller. In Eislingen ist er diesbe-züglich kein Unbekannter, schließlich hielt er dort bereits in der Stadtbi-bliothek vor großem Publikum eine Lesung aus seinen deutschsprachigenBüchern, die er 1999 auch auf der Leipziger und Frankfurter Buchmessevorstellen durfte.

Josef Michaelis, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feierte, konnteseine Auszeichnung nicht im Schwabenland entgegennehmen. Aus diesemGrund wurde sie ihm von Wolfgang Joppich, einem Lehrer des EislingerSchillergymnasiums, in Ungarn überreicht. Anläßlich dieses Ereignissesorganisierte der Rektor der Willander Schule, János Szûcs, in Zusammenar-beit mit Elisabeth Troszt, der Vorsitzenden der Deutschen Minderheiten-selbstverwaltung, einen schulischen Festabend für den Preisträger. In diesemRahmen ließen die Redner bei ungarischen Spezialitäten die Marksteine derPartnerschaft zwischen Eislingen und Willand Revue passieren und hobenhervor, daß der Villány-Preis ein Zeichen der Verbundenheit zwischen denStädten und Schulen darstelle sowie zur Völkerverständigung beitrage.

Räderratternzählt die Zeitscherbenrauchschwereabgestandene Luftim ViehwagenHinter ihnender Abschied -tiefgesenkte BlickeGewaltmarschvon Stall zu StallGüterbahnhofGeschimpfedawai! nur dawai!schrundige Lippenwortlosin der EckeRegungslosedawai! nur dawai!

Es rattern die RäderTage dann Wochendawai! nur dawai!Lager und LäuseKratzwunden LumpenBaracken Zäunedawai! nur dawai!BrotportionenSkorbut mit Seuchendawai! nur dawai!Quecksilber Quotensteinhart der Boden

Malenkij RobotHaut nur und KnochenSchwankende SchattenJahre auf JahreFelder voll Totendawai! nur dawai!

Unwirscher Wächterschreitin jeder NachtRäder ratternNamentausendmal Tausendedawai! nur dawai!der Schlepphund rolltrattert und knarrtGleise glänzengraue Schartaumelt ans Tageslichtdawai! nur dawai!in Bergen gleißtschwarzes GoldSchnee glitzertEis spiegeltim rauhen Rostrattern Rädersie knarren und ratternund rattern

2005

Der Dichter Josef Michaelissprach über die Werke von JakobForster anläßlich der Eröffnungseiner Ausstellung am 22. Okt-ober im Willander Kulturhaus.Forster konnte im Frühling dankder Hilfe der Deutschen Selbst-verwaltung einige Zeit in Willandverbringen und 14 Werke schaf-fen, die mit weiteren Gemäldenin dieser Ausstellung zu sehenwaren. Die Eröffnung wurdedurch den Rentnerchor und einJugend-Kammerensemble ausWilland musikalisch untermalt.

Gleich an erster Stelle möchte icheinen Wesenszug von dir erwähnen,ohne den solche Arbeiten, wie die,an denen wir uns jetzt erfreuen kön-nen, nicht entstehen würden. Worandenke ich dabei? An einen sympa-thischen Zug, ohne den jeder Künst-ler in einer unbekannten Umgebungein wenig uferlos würde. Nämlichan deine Unmittelbarkeit. Wenn dueinen Landstrich auswählst, wie dues jetzt auch bei Villány getan hast,hältst du es für sehr wichtig, dichzuvor mit den Menschen, die hierleben, zu treffen, mit ihnen zu spre-chen, damit du nicht nur den Lands-trich kennenlernst, sondern auch dieMentalität derer, die hier leben,ihren alltäglichen Lebensrhythmus.So gewinnst du Einblick in die See-len, die Empfindungen, in eine inne-re Welt.

Obwohl du hauptsächlich in dieLandschaft verliebt bist, interes-

sierst du dich für solche Dinge, zudenen natürlich wesentlich die Far-ben und Formen, die äußereErscheinung gehören, jedoch dieFülle, die Idee, die innere Harmoniedes Bildes ergeben sich nicht inerster Linie aus ihnen. Sie kommenvon innen, durch das menschliche,weltanschauliche Sieb, das Stim-mungs-“Sieb“ des Künstlers, undwerden auf Papier oder Leinwandzum Kunstwerk. Das Wesen liegtaber auch hier nicht in erster Linieim Äußerlichen. In diesen sichtba-ren Farbschichten, in den Wundernder Natur das Wesentliche zu fin-den, ist wirklich eine Aufgabe, dieeinem Künstler angemessen ist. Ichglaube, das ist dir – angesichts derausgestellten Bilder – oftmalsgelungen. Natürlich ist der Künst-ler, wie jeder schöpferischeMensch, wie auch der Schriftsteller,der Dichter und der Bildhauer amEnde manchmal mit sich selbstunzufrieden. Irgendwo im Prozeßgeht etwas verloren, in der Einsam-keit des Schaffens. Doch es gelingt,etwas auf eine Weise zu schaffen,wie es kein anderer gekonnt hätte.

Ich habe gesehen, wie du die ent-standenen Werke lange Zeit ge-mustert und darüber nachgegrübelthast, ob sie so geworden sind, wiedu sie haben wolltest. Diese Grübe-lei, das innere Ringen, manchmalSelbstzerfleischung, bringt denKünstler voran und entwickelt ihnweiter. Das ist in jedem Zweig derKunst so.

Die hier ausgestellten Bildergeben die für Willand und seineUmgebung charakteristische Land-schaften, Straßen, Gebäude, Farbenund Stimmungen wieder. Ebenfallsgewinnen wir Einblick in andereLandschaften des Landes und sogareinige ausländische – denn auchdort arbeitest du oft, zuletzt inFrankreich.

Deine Werke haben keinenabstrakten Charakter, sondern ent-stehen in einem Stil, welcher derWirklichkeit nahe steht und sichnicht vollkommen vom Sichtbarenlossagt. Die meisten Bilder haben,auch ohne Abstraktion, eine innereAussage. Wer hinschaut, seineEmpfindungen beflügelt, sich in dieFarben, das Wesen hineinversetzt,wird sich der Absicht ihres Schöp-fers bewußt.

Es fällt auf, daß Lebewesen,Menschen, selten auftauchen. Dasbedeutet natürlich nicht, daß dieBilder unpersönlich wären. Manspürt die Arbeit des Menschen hin-ter ihnen, Bestrebungen, die Land-schaft zu verändern, oder imGegenteil zu bewahren.

Oft tauchen Gebäude, alte, rhyth-mische Häuserreihen, Wege,Bäume, Büsche, Wälder, Brücken,Schiffe, Berge und Gewässer inimmer anderem „Licht“ auf. DerHimmel ist außergewöhnlich wich-tig, die „Vielgesichtigkeit“ derWolken. Anmutig sind die Land-schaftsstilleben, die verschiedeneJahreszeiten eines Abschnitts der

Natur zeigen, die Veränderungender Umgebung, den Lauf der Zeit,in dem sich Stimmungen verändernund auf den Betrachter zurückwir-ken. Die Wahl des malerischenStandpunktes ist individuell. Zwi-schen uns kam die düstere Farbge-bung einiger Bilder zur Sprache.Was ich damals beanstandet habe,sehe ich heute durch viele Werke inhellen Tönen widerlegt. Diese Bil-der strahlen Frohsinn und Lichtaus. Ich möchte auf die Bilder ver-weisen, die am Plattensee und indessen Umgebung entstanden sind.Sie sind ätherisch, luftig, lassen diefernen Perspektiven, die Allegorieder sich im Horizont verlierendenWasser in den Sinn kommen undbilden eine Natur ab, die insUnendliche flieht.

Es ist eine besondere Freude, daßwir nun auch unter den Bildern derWillander Landschaften seine Sig-natur sehen. Es gereicht uns zurEhre, daß er diese Landschaft ver-ewigte. Die Gegend ist ihm ansHerz gewachsen mit ihrer submedi-terranen Stimmung, ihrem Weinund der Freundschaft einiger Men-schen.

Besonders ergriff mich eineAbbildung des Berges von Szár-somlyó, der sich aus der Landschafterhebt und düster wie ein Vulkandie vor ihm sich erstreckendenWeinfelder beherrscht – doch überjedes Bild könnte man stundenlangsprechen.

JJoosseeff MMiicchhaaeelliiss

Einige Gedanken zur Ausstellung von Jakob Forster

Josef Michaelis

Die Räder rattern

Signale 7G E D A N K E N

Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner WeltL. Wittgenstein

Dem deutschen Wort ein Zuhause gegebenMit seinen Gedanken zur ungarn-deutschen Literatur gibt der überdie Grenzen Ungarns hinausbekannte Lyriker Josef Michaelisseine Ansicht auf das frei, was ihnbewegt. Indem diese Überlegungensich der Sorge um ihre Zukunft wieder Annäherung an die große Lite-ratur annehmen, setzen sie gezieltden bisherigen schöpferischenGedankenaustausch fort. Er ver-hallt nicht, denn er beeinflußt dasVorankommen bestimmend, wiedrei Jahrzehnte beflügelndes Fürund Wider zeigen. In dieser Mei-nungsreihe findet sich Zustimmen-des und Ablehnendes, Anspornen-des und Bezweifelbares. Zurückzu-weisen ist davon schon deshalbnichts, weil in der Rückschau dar-auf das Zuversichtliche mit demErreichten übereinstimmt. Selbstdie über viele Jahre zur Literaturgeäußerten einschränkenden Mei-nungen ändern das nicht, unter-scheiden sie sich doch kaum vonjenen, denen es am Literaturver-ständnis überhaupt mangelt. Übri-gens: Wären ungarndeutsche Auto-ren den Mutmaßungen über dieGründe der zu geringen Beachtungihres Wirkens gefolgt, gäbe es seitmehr als 20 Jahren kein deutschesliterarisches Wort. Und außerdem:Allen recht getan ist eine Kunst, dieniemand kann.

Dem Zustimmenden liegt ebensowie den Autoren das Gemeinsameder Hoffnung zugrunde, daß sichmit dem Wagnis zur Wende, demdeutschen Wort wieder Gedanken-freiheit zu geben, Zukünftigeserfüllen möge. Doch worin liegt es?Nur im Greifbaren? Oder auch imgedanklich Vorstellbaren? Fragenbauen sich auf Fragen.

Das Schwierige dieses Entfal-tungsweges mit seinen Erfolgs-unterschieden hebt der Rückblickauf die Generationsfolge hervor.Wird der von Josef Michaelis ver-wendete Begriff „zukunftsorien-tiert“ ausschließlich auf Künftigesgerichtet verstanden, so zeigt sichim Textverlauf dreier Jahrzehnte,wie das Gestern aus seiner Bindungan das Morgen immer wiedergestaltungswürdig ist, woraufschon der frühe Text Valeria Kochs„Ein breiter Fluß“ deutet.

„Ein breiter Fluß ist unserSchweigen, / Entlang des UfersFragezeichen. / Doch wie Goldstrahlen die Wellen, / fließen sanftauf helle Schwellen / zu. Dort quilltder Antwort / tiefe Ruh.“

Er beruht auf einer hohen bild-sprachlichen Fähigkeit, dem inne-ren Anliegen Gedankentiefe zugeben. Diese Erstbegegnung erfaßtzwar einen Text mit wenigen Zei-len, dennoch scheint er rätselhaft.Im Vergleich mit anderen leitenForm und Inhalt in ungewohnteRichtung. Hintergründiges vermit-telt sich im Verlauf nachdenklichen

Eindringens und zwingt zu einerErlebnisgemeinschaft. Beide, Lyri-kerin und Leser, sind vom Schwei-gen ergriffen und auf Antwortsu-che, zumal Schweigen Ungeklärtesanzeigt. Es fordert Suche nach Ent-gegnung, um zu erfahren, was dersprachpoetische Wortsinn verbirgt.Wer gibt die Antwort? Wie lautetsie? Was ist ermittelbar? Vieles istzu überlegen. Was liegt in den Wor-ten verborgen? Schließen sie garGesellschaftskritisches zum Un-garndeutschtum ein, oder sind siereine Naturbetrachtung? Neuartig,ja ungewohnt ist, aufgefordert zusein, Verschlüsseltes aufzulösen,Verkürztes besinnlich zu entschlüs-seln. Diese Vorgehensweise gibt dieLyrikerin wohl deshalb nicht auf,weil sie mit scheinbar einfachenGedanken beflügeln will. Zweifels-frei ergreift ihre sprachkünstleri-sche Leuchtkraft und überträgt sichauf andere Lyriker. Zugleich ist derLeser aufgerufen, über das Wortdem im Bild der Sprache Verborge-nen auf die Spur zu kommen.

Für Valeria Koch bleibt diesefrühe sprachliche Ausprägung sonachhaltig, daß sie neben dem Lyri-schen sogar in ihrer Prosa Ausdruckfindet. Sie gestattet sich keine text-lichen Ausschweifungen, sie strafftdas, was ausgesagt werden soll, undführt so zu dem von ihr gewolltenund den Leser überzeugendenErgebnis. Von Gedicht zu Gedichtist das nachvollziehbar. Liegt darindie Zukunft der Dichtkunst?

Eine ähnliche Entwicklungäußert sich in unterschiedlichenInhalten der Texte von JosefMichaelis in „Laufrichtung“ –„meine Vorfahren / waren dortgeboren / wo die Donau entspringt/ Ich kam da zur Welt / wo sie nachSüden hält / An welchem Ufer / dieWiege / meines Enkels schaukelnwird? / Jeder mächtige Strom /schwemmt aber Land / in seinenWellen mit / ergießt sich ins Meer /unseres gemeinsamen Planeten.“,von R. Becker in „Zu sagen noch“– „im Fangnetz der Worte / ver-schollene Bedeutung / – der Mor-gen ist heiser / Kaffeetassen ver-sprechen / Erwachen“, von M.Szeifert in „Schicksal“ – „Überhol-te Erinnerungen. / Verlorene Kreu-zungen. / Irrwege des Seins. / Einscheinbar endlos langer Weg. / Vol-ler Träume“.

Diese Texteinblicke weisen aufVerändertes in seiner thematischenund sprachkünstlerischen Gestal-tung. Ohne nachzuahmen werdenähnliche Wege beschritten, indemsie zu einem höheren Maß an dich-terischer Ausdruckswirksamkeitüber das Wort gelangen. Reimbin-dung oder Reimfreiheit sind dabeiunerheblich. Der knappe Wortein-satz ist auf das Wesentliche seinerVermittlung gerichtet, die sehr ver-schieden sein kann, doch getragen

von der Absicht, das Wort in seinerMerkwürdigkeit bewußt werden zulassen und womöglich denkverän-dernd zu sein. Das Wort, einst ver-einsamt und erkaltet, ist für siemehr als bloßes Sprachmaterial, esist Inbegriff der Gedanken undGefühle geworden.

Art und Weise dieser Textwir-kung auf den Leser bleiben aller-dings weiterhin unbekannt,obgleich es erstrebenswert wäre, zujenen inneren Schichten desGedanken- und Gefühlslebens vor-stoßen zu können, die sich häufigeiner Entschlüsselung entziehen.Selbst wissenschaftliche Versuche,das Tor zur reichen Gefühlswelt zuöffnen, schmälern nicht selten dieErwartungen, sich von außen demInnenleben begreiflich nähern zukönnen. Deshalb ist die Wahl desWortes und seiner Gewichtung eindenkbarer Schlüssel, die beabsich-tigte Wandlung einzuleiten. Offenbleibt der Erfolg, so lange er nichtin einer Handlung erkennbar ist.

Die Entfaltung ungarndeutscherAutoren ist nicht auf wenige Bei-spiele begrenzbar. Die Anthologiendes ersten Jahrzehnts und weitereVeröffentlichungen beweisen, daßdas Bemühen sowohl um das Wortwie um die Sprachbewandtnis über-haupt nicht vergeblich ist. Ob Lie-bes-, Natur – oder Bekenntnisge-dicht, ob sachkritischer oderlebensgeschichtlicher Text, heraus-gelesen wird, wozu er mittelbaroder unmittelbar auffordert. Nichtauszuklammern ist das erfolgreichfür Kinder Verfaßte oder eine ReiheMiniaturerzählungen bekannterAutoren, die das Vergangenheits-und Gegenwartsgeschichtliche desungarndeutschen Eigenen in berüh-render Weise und Vielfalt zu gestal-ten vermögen. Darin ähnelt es derNachkriegsliteratur insgesamt, liegtdoch auch Bekennerisches wie„Mein Deutschtum“ von C. Klotz,wie „Warum ich schreibe“ von J.Mikonya oder „Wer sind wireigentlich“ von E. Rittinger vor.

Kriegerische Ereignisse in Jugo-slawien geben Anstoß für Textewarnender Bestürzung von G. Fathund A. Manz. Sie verschließen sichnicht, sondern bekunden ihre Hal-tung.

Lyrisches gedeiht häufiger alsErzählerisches, das sich erst mit St.Railes Romanen „Die gehenktenPuppen“ und „Die Melone imBrunnen“ tatsächlich erfüllt.Augenfällig schreitet das Lyrischemit seiner Gefühls-, Erkenntnis-und Bekenntnisfächerung in Über-windung früherer Gestaltungs-schwächen zielstrebig voran undberührt mit seiner merklichenBesinnung auf das Wort bislangunerschlossene Empfindungsfelder.Das, sowie Wertevermittlung undAchtung vor und Liebe zur Sprachestärken die Erlebnisgemeinschaft

zwischen Autor und Leser. IhreAufgeschlossenheit für Wort undStimme wird als bereichernd emp-funden.

Zukunft kann Traum und Wirk-lichkeit sein, beides ist sie in ver-schiedenartiger Textgestalt, seit-dem sich ungarndeutsche Autorenihr zuwenden. Daß sie nicht immerhoffnungsvoll ist und neben Beja-hung ebenso Verneinung, Verzweif-lung und Unsicherheit wirken, kannsie mindern, doch nicht lebensfüh-rend aufheben. Dafür spricht Lite-rarisches dann, wenn es denAnschein der Zukunftslosigkeit in„Ahnerls Lied“ von C. Klotz, in„Stiefkind der Sprache“ von V.Koch, in „Rotes Gedicht“ von R.Becker oder in „Braunauer Schwä-bin“ von J. Michaelis erweckt.Gegensätzliche Gefühle lassen sichnicht gänzlich zurückdrängen undwomöglich ausgelöster Wider-spruch führt zu weiteren Erwägun-gen. Sie beziehen das von J.Michaelis in seinem Gespräch überStandort, Rolle und Annäherungungarndeutscher Literatur Gesagteein. Indem diese nach wie vor aufdas schrittweise Erreichte baut, dasnicht zu übersehen ist, muß gefragtwerden, ob und worin die kleineLiteratur der großen gegenwärtignahe ist, was sie bisher auf ihrerWegfindung leistete.

Weniger sachgerechte Meinun-gen, die der ungarndeutschen Lite-ratur Provinzenge unterstellen, ver-allgemeinern Einzelerscheinungen,ohne sie entwicklungsgerecht indas Gesamte einzufügen. Nur dannsind sie annehmbar, denn literari-sche Leistungsbewährung ist ihrnicht zu versagen. Dafür sprichtihre Entfaltung. Weder sind dieWurzeln vergessen noch Themenumgangen worden, die sich mitihrem prägenden Charakter sprach-künstlerisch vollendeten Einzel-werken den Forderungen der gro-ßen Literatur zuordnen lassen.Ihren anerkennenswert gewachse-nen Ergebnissen ist weder mit ver-weigerter Anerkennung noch mitüberheblichen und abwertendenBemerkungen zu regionalen Litera-turarbeiten geholfen, vielmehr sinddie in ihnen liegenden Werte zuerkennen und offen zu legen.Außerdem übersieht derartige Kri-tik völlig, was Franz Kafka oderErnst Bloch über Minderheitenlite-raturen festschrieben. So stellt z.B.der deutsche Autor Siegfried Lenzeindeutig fest: „... Die inspirierendeQuelle der Literatur – wie über-haupt der Kultur – ist nicht dieWelt, sondern die Region, der über-schaubare Ort, die erfahreneNähe...“

Bisher ist nicht erreicht worden,Deutschsprachiges aus der Fremdein Obhut und Aufmerksamkeit der

(Fortsetzung auf Seite 8)

Signale 8

Sprachheimat verständnisvoll auf-zunehmen, deshalb hat es neben derungarndeutschen Literatur jedeandere deutschsprachige schwer,als Partner der Spracheinheit be-und anerkannt zu werden. Nichtschamvolles Dazwischensein darfihr Dasein bestimmen, sondern dassozial- und kulturgeschichtlichGemeinsame, das ihre Erinnerungs-vielfalt generationsunterschiedlichauszeichnet. Mit ihrem Sprachbe-sitz steht sie nicht im provinziellenAbseits, sondern auf der Höhe derZeit und wirkt im lebendigen Spra-chenkontakt über sie hinaus.

Das als Möglichkeit vor dreiJahrzehnten in die Zukunft gesetzteund von Hoffnung getrageneSelbstvertrauen erfüllt sich nachund nach in der reicher gewordenenliterarischen Wirklichkeit. ImGrunde ist das von KulturkritikernÖsterreichs, Deutschlands und derSchweiz bereits vor vielen Jahrenüber diese Literatur bemerkt wor-den („Sie lebt zwischen Wanderungund Seßhaftigkeit oder zwischenProvinzialismus und Universia-lismus. Und wie einst NikolausLenau schickt sie sich heute an,Teil einer großen Literatur zu wer-den und Stimme im Chor deutsch-sprachiger Dichtung“). Doch verle-gerische Folgen blieben bislangaus, ebenso die Eingliederung indie Literaturfamilie. Von der Ent-scheidung der Verlage ist abhängig,ob Bücher den Weg zum Leser oderschweigende Ablehnung finden.Allerdings übersieht diese „Freiheitder Entscheidung“ Wertvolles undverdrängt es auf diese befremdlicheWeise in die Nebensächlichkeit –unabhängig vom Grad seinerBedeutung oder Annäherung.Obgleich ungarndeutsche Literaturdie sprachliche Marke zur Sprach-heimat schon länger überschrittenhat, steht ihrer Aufnahme in sie„nur“ noch die Anerkennung ihrerliterarischen Leistungen im Wege.

An sie denkt berechtigter WeiseJ. Michaelis, wenn er von Annähe-rung spricht. An einer Reihe seinerTexte wie der weiterer Autoren istablesbar, daß kritisches Zeitdenkenweniger Wagnis als Merkmalsei-genschaft dieser Literatur gewor-den ist, worin sich der hohe Gradder Annäherung zeigt, ohne daßEigenes verwischt oder gar Selb-ständigkeit aufgegeben wird. DieseTexte entstehen nicht als Bedin-gungsforderung, sondern als Erfah-rungs- und Erkenntnisschritt einerfreien Autorenentwicklung. Siestellen hier wie dort das vielfachÜbersehene und Übergangene insLicht, denkt man unter anderem anG. Wittmanns Erzählung „Eltern-lieb“, an „Das Zweiglein“ und„Mein Deutschtum“ von C. Klotz,an „Intermezzo anno 1944“ von J.Mikonya. In deren Sinngehalt ein-

zudringen bedeutete, ihn für daseigene Ich aufzuschlüsseln.

Annäherung schließt Gegensei-tigkeit und Förderung in sachkriti-scher Achtung des literarisch Gelei-steten ein. Bleibt sie lediglich ein-seitig, übersieht sie die Sprach- undReifestufen der Annäherungs-schritte, sind sowohl Überschät-zungen wie Vor- und Fehlurteilemöglich. Erkennt dagegen diegroße Literatur die kleinere alsPartner der Spracheinheit an, findetsie in ihr das gemeinschaftlichWertvolle im Gedanken- und Ge-staltungsfeld, sogar in ungelöstenpädagogischen Aufgaben, in derUnverzichtbarkeit, Ereignisvollesaufzunehmen und einzuordnen, wiees ein großer Teil der Arbeiten lite-rarisch zu vermitteln versteht.Sprachkünstlerisch erreichten sieeine vergleichsweise hohe Stufe,ohne das von ihnen Vorgelegte inden Schatten anderer stellen zumüssen. Thematisch Beispielhaftesragt aus ihren Texten hervor, siebauen auf beeindruckendes Kön-nen, in dem das Geschichtliche wiedas Gegenwärtige eine gereifteGestaltungseinheit bilden. Das be-deutungsvolle Erinnern, das unver-gänglich-unvergeßlich Bleibende,findet darin seine Wertachtung.Diese erschließt sich beispielsweisein N. Bradean-Ebingers „LaRhône“, „Im Schatten des Balkan-krieges I/II“ von A. Manz ebensowie in „Lugio“ und „Heimat-los“von J. Michaelis oder „Verhör“ vonK. Brenner. Erinnern kann Entfalle-nes zurückholen und es erneut bele-ben im ereignisvollen Zugegensein,wie beispielsweise im Becker-Text„Mein fremdes Land“. Im zeitun-gleichen Geschichtlichen und aufeigene Weise Geformten gewinnenTexte auf der Ebene gefühlsvollerBereicherung und sachkritischerDurchschaubarkeit. Zu richten istdie Orientierung auf dichte undaussagestarke Texte wie „Volk“,„Erinnerung“ von R. Becker, auf„Mein Europatraum“ von St.Valentin oder „Braunes Brot“ vonChr. Arnold. Ihre Klarheit undGenauigkeit bauen auf einen bewe-genden Erlebnishintergrund dieserAutorengruppe, deren währenderEinfluß auch entwicklungsbe-stimmt ist in der Folge von F. Zel-ter, E. Rittinger oder F. Sziebert.

Weder die Vermut ung noch dieHoffnung, daß nach Jahren undJahrzehnten die „Trauer um dieverlorenen Landschaften der Seele“(H. Bienek) verflache und die Lite-ratur verarme, hat sich bewahrhei-tet. Das zeichnet ungarndeutscheLiteratur in ihrer Gesamtheit annä-herungsüberzeugend aus. Ihr Wortberührt, bewegt und verändert dieGefühlsgemeinschaft, die es überdie Zeit hinaus achtet und liebt.

HH.. RRuuddoollff

Josef Mikonya

Wie der Kaspar Hodap

heimgefunden hatAls ich noch Schüler war, in den 30erJahren, stand in unserem Schulzim-mer der dritten Klasse eine Vitrine, inder die am besten gelungenen Hand-arbeiten der Schüler zur Schaugestellt waren. Darin stand ein echterBauernwagen, den ich nicht genü-gend bewundern konnte. Den Erzeu-ger dieses Prachtstückes habe ichnicht gekannt, nur gehört, daß erKaspar Hodap hieß.

Mein Vater hat mir über denKaspar Hodap eine traurigeGeschichte erzählt, die sich schonvor dem Ersten Weltkrieg abgespielthat. Der Kaspar war ein Junggeselle,nicht deswegen, weil er bei denMädeln keinen Erfolg gehabt hätte,sondern wegen seiner „unbekann-ten“ Krankheit. Der Bursche war eingeschickter Kerl, man konnte ihn beijeder Arbeit brauchen. Kaspar hatsich oft in der Schmiede meinesGroßvaters aufgehalten, in derenVorraum immer ein reger Verkehrwar. Drei Gesellen und die Brüdermeines Vaters arbeiteten in derWerkstatt. Unter den herumstehen-den Männern gab es so manchenSpottvogel, der sich gerne über hin-fällige Menschen lustig gemacht hat.Kaspar war ein geduldiger Mensch,er konnte keiner Fliege etwas zuLeide tun. Seine Krankheit äußertesich folgendermaßen: Wenn jemandihn beleidigt oder gekränkt hat, istder Kaspar in Wut geraten und hatsich selbst geohrfeigt... Es kam sogarvor, daß er sein Gesicht blutiggeschlagen hat. Diese Krankheithatte mit seinem Geisteszustandnichts zu tun. Es war allerdings gutmöglich, daß sich durch dieseKrankheit sein Geisteszustand auchverschlechtert hat, denn eine Zeit-lang war er nirgendwo zu sehen,seine Schlafstätte im Armenhaus

blieb leer.Man schrieb das Jahr 1914. Die

wehrpflichtigen Männer mußten inden Krieg. Der Kaspar wurde wegenseiner Krankheit vom Militärdienstentbunden. Da es im Dorfe immermehr Bedürftige gab, hatte sich derKaspar in den umliegenden Dörfernumgeschaut... Er wanderte solangehin und her, bis er sich bei Komornjenseits der Donau befand. ZumGlück gab es überall gute Leute. DieFestung und die Kasernen waren mitMilitär vollgestopft. Die Köchehaben sich des armen Kerls erbarmt,man hat ihn mit den Überbleibselnbewirtet. Unter den Soldaten hatteder Kaspar keinen Landsmanngefunden, aber in der Stadt ist ihmein Pferdewagen aufgefallen, vordem ein Schimmel und ein Fuchseingespannt waren. Die Pferde hat erfrüher erkannt als den Kutscher, andessen Seite dessen Frau saß. Wahr-scheinlich hat den Kaspar das Heim-weh überfallen, und so hat er denWagen in einem gewissen Abstandverfolgt. Manchmal waren die Pferdein Galopp gelaufen, folglich mußteder Kaspar seine Schritte auchbeschleunigen... Es war schon gegenAbend, die Sonne neigte sich demAbend zu. Das Dorf war noch nichtzu sehen, aber die goldenen Sonnen-strahlen beleuchteten den glänzendenKirchturm, den der Kaspar plötzlicherkannt hat. Er beschleunigte seineSchritte und überholte den Pferdewa-gen... „Jessas, Michl, schau moldoher! Tais is te Haodup Kospa, te isuns schon von Komorn an nochkum-ma“, sagte die Frau erstaunt, als sieden Kaspar erkannt hat. Über dasSchicksal von Kaspar Hodap weißich nicht viel, nur eines hab ich aus-findig gemacht, und zwar, daß er derAnfertiger des Prachtstückes in der

Generationen

UUnntteerr ddiieesseemm TTiitteell wwaarreenn eeiinnee WWoocchhee llaanngg WWeerrkkee ddeerr VVUUddAAKK--MMiittgglliieeddeerrAAddaamm MMiisscchh,, AAnnttaall LLuuxx,, JJoosseeff BBaarrttll,, ÁÁkkooss MMaattzzoonn,, FFrraannzz TTrriisscchhlleerr uunndd TTiibboorrBBuuddaahheellyyii iinn ddeerr RRuunnddggaalleerriiee ddeess PPaattaakkyy--BBiilldduunnggsszzeennttrruummss iinn SStteeiinnbbrruucchh((BBuuddaappeesstt XX..)) zzuu sseehheenn.. ZZuurr VVeerrnniissssaaggee lluudd ddiiee DDeeuuttsscchhee SSeellbbssttvveerrwwaallttuunnggSStteeiinnbbrruucchh eeiinn.. KKaattaalliinn GGéémmeessii uunndd RReezzssôô KKuuttiikk ssaannggeenn ddeeuuttsscchhee LLiieeddeerr..

Dem deutschen Wort einZuhause gegeben

(Fortsetzung von Seite 7)

Signale 9L I T E R A T U R / K U N S T

Josef Mikonya

Jägerei und Wilderei

Im Haus der Ungarndeutschen inBudapest werden Arbeiten des inFünfkirchen tätigen BildhauersFranz Trischler gezeigt. Die Aus-stellung wurde durch JohannSchuth, 1. Vorsitzenden des Ver-bandes Ungarndeutscher Auto-ren und Künstler, eröffnet.

Jeden Tag, wenn ich reinkommeoder rausgehe, begegne ich ihm ander Wand unseres Hauses. Ich sehein ihm den Wissenschaftler, denGermanisten, den Volkskundefor-scher, den Herausgeber des Sonn-tagsblatts, von wissenschaftlichenZeitschriften und Buchreihen,Ehrensenator der Universität Tübin-gen, nicht zuletzt auch Nationalitä-tenminister. Ein Mann im bestenAlter – Prof. Jakob Bleyer blicktvon der Wand unseres Hauses aufdie hier Arbeitenden und auf dieBesucher herab. Eine sehr gelunge-ne Darstellung von Franz Trischler.

Schon daher ist es unsere angeneh-me Pflicht, zum 60. Geburtstag desBildhauers eine Ausstellung in die-sem Hause zu arrangieren.

Franz Trischler fertigt bevorzugtStatuen, Büsten unserer Vorfahrenund wichtiger Persönlichkeiten ausder Geschichte Ungarns wie FranzLiszt, Sándor Petôfi, Deák, Kossuth,Munkácsy oder der in Arad hinge-richteten Generäle des Freiheits-kampfes, die Geschichte schöpfe-risch mit Gegenwart und Zukunftverbinden.

Franz Trischler wurde in Deutsch-boje/Bóly, geboren. Eine Gemeinde,heute eine Stadt, die für ihre fleißi-gen, guten und zuverlässigen Hand-werker bekannt war, eine Spezies,die heute leider selten anzutreffenist. Er wählte den soliden Beruf desZimmermalers und erst auf Drängenvon Freunden kam er mit 24 Jahrenan die Hochschule für BildendeKunst in Budapest und wurde frei-

schaffender Künstler. Fleiß und soli-des handwerkliches Können, die fürden Umgang mit Bronze besonderswichtig sind, zeichnen ihn aus.Trischler wird als pausenlos schaf-fender Bildhauer bezeichnet, der mitder Bronze ringt, sie gestaltet, aberauch zeichnet oder malt und stetsüberlegt, was er als nächstes inAngriff nehmen könnte.

Ergebnis dieser schöpferischenArbeit sind zahlreiche Werke auföffentlichen Plätzen vor allem inSüd-Transdanubien. Eine auf einerBank sitzende Frau in Alsómocso-lád, das bronzene Tor der Fünfkir-chener Janus-Pannonius-Univer-sität, das internationale Denkmal derVertreibung und Verschleppung derUngarndeutschen im Garten desFünfkirchner Lenau-Hauses, dieDreifaltigkeitsstatue in Mohatschoder der Heilige Franz von Assisi –die Reihe könnte man beliebig langefortsetzen. Er bereichert unsere

Umgebung, er bereichert jene, diean den Skulpturen vorbeigehen undinnehalten.

Trischlers Skulpturen ähneltenbisweilen den Formen der Renais-sance, behauptet der JournalistLászló Bükkösdi. Mit der Renais-sance jedoch verknüpft manLebenslust; die Werke von Trischleratmen eher Traurigkeit, leise Melan-cholie aus, die der Natur des Künst-lers zu entspringen scheinen. AufBestellung können seine Werkeallerdings auch optimistischeLebenslust ausstrahlen, von Vitalitätund Expressivität gekennzeichnetsein.

Hier sehen Sie vor allem Fotogra-fien eines Teils seiner Reliefs undPlastiken – Arbeiten des FotografenLászló Körtvélyesi. Sehr mensch-lich und wie dem harten Alltag aufdem Lande entsprungen sind Trisch-lers Kleinplastiken, von denen hierleider nur zwei zu sehen sind.

Die Umgebung des Schildgebirgesist schon seit uralten Zeiten ein all-gemein beliebtes Jagdgebiet. AmFuße des Geresch-Geißgebirgeserinnert eine Quelle, der Königs-brunnen, an den König Matthias, derhier des öfteren seinen Durst stillte.Unseren Vorfahren, die aus derUmgebung des Schwarzwaldes 1737hierher kamen, war die Jagd nichtunbekannt. Obwohl es in der ganzenUmgebung von Wildtieren wimmel-te, war das Jagen den Leibeigenenwie auch den Häuslern verboten. DieJägerei war das Privileg des Gutsher-ren und des Adelsstandes. Die Unter-tanen konnten sich während derTreibjagd des Gutsherrn als Wild-treiber vergnügen. In bezug auf dasWildern ereigneten sich so manchetraurige wie auch heitere Geschich-ten, an die sich die älteren Leutenoch erinnern...

In den 30er Jahren hatte in unse-rem Dorf ein Dutzend Männer

einen Waffenschein. Ein jeder hattedie Genehmigung, Wild in derGemarkung der Gemeinde Tarianschießen zu dürfen. Von den Waid-männern hatte ein jeder sein eige-nes Jagdrevier. Man grub sich, soungefähr hundert Meter entferntvom Waldrand, ein Loch alsAnstand, um auf das Wild zu lau-ern... Besonders im Herbst, wennder Mais reifte, waren die Wild-schweine sehr zudringlich. Dererfolgreichste Waidmann im Dorfewar der Johann Schneider, derwegen seiner Schwerhörigkeit alsder „tearische Schneider“ bekanntwar. Den Erfolg auf der Jagd ver-dankte der Mann seiner Schwerhö-rigkeit; schließlich braucht einJäger starke Nerven und großeGeduld. Mancher Jäger verliertseine Fassung, wenn er das Wilderblickt. Er läßt es nicht näherkom-men, seine Hände zittern, er schießtlos und hat dabei einen „Bock“

geschossen. Nicht so der „teari-sche“ Schneider: Er hörte dasGeräusch des Wildes nicht, er hatsein Opfer erst erkannt, als dasWild plötzlich vor ihm stand. Damußte er nur abdrücken...

Nach dem Krieg war das Jagennicht mehr so einfach. Um einenWaffenschein zu erwerben, benötig-te man schon ein gewisses Vertrauender Machthaber. Diesbezüglich hatman den Schwaben das Jagen nichterlaubt. Trotzdem ging die Wildereiweiter, sogar verdoppelt hat sich dieillegale Jägerei. Man konnte kaumglauben, wie erfindungsreich man-cher Wilderer war! Man bog einDrahtseil, an dessen Ende eineSchlinge war... Es kam vor, daß derTäter manchmal zu spät kam, wenner nachschauen wollte, ob er mit sei-ner Falle erfolgreich war, da dieSchlinge leer am Baume hing. Ja,mancher der Konkurrenten ist nochschlauer gewesen! Ein fast tragi-

sches Unglück war dem Sauhalter,den die Leute nur als Mischkavoderkannten, passiert. Der Mann gingnach einem ausgiebigen Regenfallin den Wald, um Pilze zu suchen.Wie er zwischen den Bäumen sorumstolperte, trat er unbemerkt indie Drahtschlinge, die ihn mit bei-den Füßen in die Höhe schleuderte.Der Mann hing kopfüber in der Luft,er konnte nicht um Hilfe schreien;das Blut floß ihm in den Kopf, seinSchicksal schien besiegelt zu sein...

Zum Glück war der Täter, umnachzuschauen, in der letztenMinute am Ort erschienen. Anstatteines Wildes hing der schon ohn-mächtige Mischkavoder in derSchlinge. Blitzschnell befreite ihnder Wilderer, so konnte der Mannin der letzten Minute gerettet wer-den. Wieviel Schweigegeld derRaubschütze dem Mischkavoderversprochen hat, das blieb dasGeheimnis der beiden.

Eine leise Melancholie

Signale 10K U N S T

Misch-GedenkausstellungAnläßlich des 10. Todestages desungarndeutschen Malers AdamMisch (1935 – 1995) fand in derLandes-Agrar-Bibliothek und imDokumentationszentrum in Bu-dapest (I., Attila út 93) eine Ge-denkausstellung statt. Bei derEröffnung der Misch-Lebens-werkausstellung am 5. April wür-digte Ferenc Lôrincz, Vorsitzen-der der Landwirtschaftssektiondes Vereins Ungarischer Biblio-thekare, Leben und Wirken vonMisch. Wir veröffentlichen dieEröffnungsrede.

Die Ausstellung von Adam Mischwurde am 1. Feber 1995 in der Gale-rie in der Fehérvárer Straße in Buda-pest eröffnet. Hier zeigte er seine inder ersten Hälfte der 90er Jahregeschaffenen Werke. Keiner von denVernissagegästen hat auch nur imgeringsten das Tragische ahnen kön-nen, das am nächsten Tag eintrat: derTod des Künstlers. Adam Misch, imApril 1935 geboren, hatte vomSchicksal noch nicht mal volle 60Jahre für den Aufbau seines Lebens-werkes bekommen. Diese Jahrebedeuteten die nicht eben wolkenlo-se Nachkriegszeit, sie bedeuteten diewidersprüchlichen 50er Jahre undseine Jugendzeit, und der Anfang der60er Jahre bedeutete den von den56er Ereignissen beeinflußtenAbschluß des Kunststudiums. 1965war dann das Datum des Beginns derkünstlerischen Laufbahn des AdamMisch, und in Anbetracht der dama-ligen Kultur- und Bildungspolitik,nämlich Unterstützung, Duldung,Verbot, wirft sich die schwerwiegen-de Frage auf, wie und auf welcheWeise sich das Regime in die schöp-ferische Freiheit des Künstlers ein-mischte. Fakt ist, daß Adam Mischlange Zeit keineswegs unter die zuFördernden gehörte. Der jungeMensch, der jahrelang bei den Piari-sten gelernt hat und Priester werdenwollte, konnte ganz offensichtlichnicht Begünstigter der damaligenKulturpolitik sein.

Seine Diplomarbeit an der Hoch-schule für Kunstgewerbe war einSkandal, und dann ist es auch keinZufall, daß es erst nach zehnjähri-gem aufgezwungenen Warten zu sei-ner ersten selbständigen Ausstellungkam, als nämlich das SchloßmuseumGroßteting/Nagytétény seinen Bil-dern Raum bot. Da hatte er aller-dings schon die Sektion Stahlbild-hauerei der Künstlerkolonie desRaaber Waggon- und Maschinen-bauwerkes gegründet. Und von 1973ganz bis zu seinem plötzlichen Todewar er leitender Dozent der FreienKunstschule der Csepelwerke. Unterseiner Führung gewann der Tschepe-ler Zirkel Bildender Künstler (alsdessen Leiter er u. a. das Erbe vonSándor Ék, Konstantin Buna undMenyhért Tóth übernahm) zahlrei-che Gruppenpreise und Anerken-nung, die Mitglieder wiederum vieleEinzelpreise in sämtlichen Spartender Bildenden Kunst. Und noch

wichtiger ist, daß er ein ausgezeich-neter Experte der Bildenden Kunstwurde und danach strebte, das Talentder Zirkelmitglieder voll zur Entfal-tung zu bringen. Das heißt auch, daßer sich hütete, seinen Schülern sei-nen Stil, seine Ausdrucksweise auf-zuoktroyieren. Und dem ist zu ver-danken, daß unter seinen Händenzahlreiche – natürlich begabte –Amateure, Personen, die nur ausFreude an der künstlerischen Betäti-gung in den Zirkel kamen, berufeneKünstler wurden.

Adam Misch hat erfolgreichBeziehungen ins Ausland aufgebautund gepflegt. Schon ab 1963 war erregelmäßig in Deutschland, und dankseinen Studienreisen war er auch gutinformiert über die neuen Kunst-trends und -ereignisse und hatte dieMöglichkeit erhalten, im Ausland –Tübingen und Berlin – viel früher alshier in Ungarn ausstellen zu können.Ab Ende der 70er Jahre wirkte er inBulgarien in Künstlerkolonien mit,das hatte insofern auch Auswirkun-gen auf seine Kunst, indem die spe-ziellen osteuropäischen Einwirkun-gen in seine Werke einflossen.

Wie sind die Bilder von AdamMisch? Dazu soll eingangs ein alterJugendfreund, der ebenfalls auseiner Schorokscharer Schwabenfa-milie stammt, zitiert werden. „Erging seinen Weg allein. Sein Kon-struktivismus war einmalig, lyrisch,neigte zur Valeur-Colorisation vonKlee. .... (Seine Bilder) ...übermittelndem Leser abenteuerliche Erlebnis-se. Die Korrespondenz der Farbenund Formen ergibt eine Globalität.Sie schweben auf einer Ebene“,schreibt Antal Lux in dem 1998erschienenen Album über AdamMisch. „Die Abstrahierung bedeute-te für Adam Misch vertiefte geistigeHandlung, philosophische Tätigkeit.Das heißt: Solange er die wesent-lichen Elemente der objektiven Weltbetonte, sie durch die Ordnungabstrahierter malerischer Zeichenvereinfachte, objektivierte, deuteteer gleichzeitig die wesentlichenWirklichkeitselemente, die sich inden Gegenständen nicht äußern kön-nen. Die Versinnbildlichung derZusammenhänge dieser beiden Vor-gänge, das Aufwerfen ihrer Verbin-dungsmöglichkeiten haben katharti-sche Reinigungskraft für die Persön-lichkeit.“ Diese Ansicht vertrittÁgnes M. Bakonyvári in ihrer Stu-die. Laut Tibor Wehner hat AdamMisch ein Oeuvre aufgebaut, „dasunabhängig von den Schatten desOffiziellen, der gerade aktuellenKunsterwartungen ist, das sogarunter den Verhältnissen eines disso-nanz- und spannungsreichen, mitUngereimtheiten durchwebten Zeit-raums als authentische, selbständigeKunst zustandekommt und derNachwelt hinterlassen wird. DiePosition der Partikularität und Sou-veränität war allein durch die Nei-gung zur Abstraktion, durch denGlauben an das Zeitgemäße desabstrakten Ausdrucks garantiert.“

Liebe Freunde!Ich habe nicht die Absicht, die aus-

gestellten Bilder zu analysieren, ichmeine, sie sprechen für sich. Jedochmöchte ich Ihre Aufmerksamkeit aufeinige Details lenken. Denn obzwarsich in dieser Kollektion kein einzi-ges Bild mit ausgesprochen sakralemThema befindet, begegnen wir aufeinigen dennoch dem Kreuzmotiv. Eshandelt sich nicht um simple Kreuze,um einfache geometrische Zeichen,einander in bestimmtem Verhältnisschneidende Geraden (z. B. Valpur-gisnacht). Sondern diese seineLösung gibt dem Maler die Möglich-keit, die horizontale und die vertikaleRichtung gleichzeitig zu markieren.Jetzt, nach Ostern und einige Tagenach dem Tode des Papstes, ist esvielleicht angebracht, sich den Stand-punkt von Ágnes M. Bakonyvári vorAugen zu führen: „Die kulturge-schichtliche Deutbarkeit des Kreuzes– hinsichtlich Opfer und Opferbrin-gung – erlaubt es, das Sein gleichfallsnicht nur unter materiellen Aspektenzu betrachten. Damit zeigt der Künst-ler die gleichzeitige Geltung dermateriellen und der transzendentenDetermination des Seins, dermenschlichen Mission.“ Gesprochenwerden muß aber unbedingt auchüber die Farbgebung bei AdamMisch. Er benutzt „keine reinen Far-ben, weil das auf ihren Naturzustand,auf ihre physikalische Wahrnehmbar-keit deuten würde“. Teil seinerAbstraktionsbestrebung ist das Bre-chen der Farben. Blau und Schwarzbenutzt er fast ständig, die zartenPastelltöne kontrapunktieren dieseEffekte, „wecken ein Gefühl derMateriallosigkeit“.

Dafür gibt es auf dieser Ausstel-lung zahlreiche Beispiele, besondersmöchte ich jedoch auf das Bild Öfter1. (Sokszor 1.) hinweisen. Und hier-her gehört auch noch eine sehr wich-tiges Ereignis, welches auch die Far-benwahl des Malers erklären hilft.Grün als Farbe, mit der die Natur amehesten identifiziert werden kann,fehlt in der Praxis von Misch fastgänzlich. Bis auf eine Ausnahme, beidem Bild Vor langer Zeit (Hosszúideje) konnte er die Benutzung vonGrün nicht umgehen. Sicherlich erin-nern sich noch manche an dasschreckliche HÉV-Unglück Mitte der70er Jahre auf dem Budapester Borá-ros-Platz. Nun, an diesem Abendwollte Adam Misch nach Tschepelefahren und stand in der Menge derWartenden vor dem Stationsgebäude.Etwas Unerklärbares ließ ihn dann

jedoch in Richtung Perron gehen.Und dann einige Augenblicke späterdie Toten, die Verletzten, der zer-trümmerte Zug, die zerfetzten Strom-leitungen. Dieses Furchtbare hat erkünstlerisch jahrelang nicht aufarbei-ten können; als er die Zeit für gekom-men sah, entstand eine ganze Serie,und da mußte auch die Vorortbahn inihrer Farbe, in Grün, auf den Bildernerscheinen.

Menyhért Tóth, von vielen füreinen der besten Maler Ungarnsgehalten, sagte 1976 in einemGespräch mit György Csapó: „Amallerwichtigsten ist es für mich,geben zu können. Dazu bin ichbestimmt. Den mir zufallenden Teilganz bis zum Ende zu bringen, voll-ständig ausdrücken zu können. Ichfrage mich: Bist du Maler? Und ichantworte: Vor allem bin ich Mensch,der menschlich leben will auf dieserErde. Mit der größten Vollkommen-heit. Und ich komme dann meinerRolle nach, wenn ich diesenAnspruch befriedigen kann. Mirsagte mal jemand, daß ich die Bau-ern sehr mag. Ich antwortete: Selbst-verständlich. Aber eigentlich hätteich sagen müssen: Ich liebe immerden, der Liebe entbehrt.“ Eine herrli-che Gedankenreihe, und ich meine,sie ist auch sehr bezeichnend fürAdam Misch, den Menschen, undAdam Misch, den Maler. Es schreitfast von seiner Leinwand herunter,wie sehr er geben wollte. Auf dieseWeise und in der Form, wie er gebenkonnte: über seine Bilder! Es istsicher, auch in ihm brannte derWunsch, wie in Menyhért Tóth, denihm zufallenden Teil vollständig aus-drücken zu können. Und auch dar-über gibt es keinen Zweifel, daßauch er jene sehr liebte, die Liebeentbehrten, sagen wir zum Beispieldie Gründungsmitglieder des Tsche-peler Kunstzirkels oder das zu einerZeit nicht wirklich anerkannte Scho-rokscharer Deutschtum. Ich, in des-sen Adern auch etwas schwäbischesBlut fließt, halte seine Ansicht überdie Zugehörigkeit für lehrreich undhierherpassend: „In erster Linie binich Bildender Künstler, meine Natio-nalitätenzugehörigkeit beeinflußtmich offensichtlich irgendwo imInneren, bin ich doch in eine Natio-nalitätenschule gegangen, hat manmich doch die gotische Schriftgelehrt, die mit ihrer Schönheit undHärte hin und wieder in mir hoch-bricht. Wer in einer Doppelkulturaufwächst, der muß beide anneh-men, sich zu beiden bekennen.“

Signale 11K U N S T

„Künstlerbegegnungen“ ist diegemeinsame Ausstellung vonLászló Hajdú und Gerard Krimmelbetitelt, die bis zum 19. Mai 2005im Ungarischen KulturinstitutStuttgart zu sehen war. Bei derVernissage am 14. April sprachenJohann Schuth, 1. Vorsitzenderdes Verbandes UngarndeutscherAutoren und Künstler, sowie Tex-tildesignerin Beáta Hajdú, Toch-ter des Künstlers. Nachstehenddie Eröffnungstexte.

Eröffnungsrede vonJohann Schuth:

GGeemmäällddee

Pinselstrichetragen ÄhrenuntergehenderSonnen.

Zeit ruhtan Farbengetrocknet.

Die Speichersind voll:nur Wändesind weißwie Mehl.

Das Gedicht von Robert Becker,Vorsitzender der Literatursektiondes Verbandes UngarndeutscherAutoren und Künstler, entstand beiden VUdAK-Werkstattgesprächenam 20. September 2003, inspiriertvon der Präsentation des hier anwe-senden und ausstellenden LászlóHajdú im Haus der Ungarndeut-schen in Budapest. Mit der damali-gen Ausstellung ehrten wir denKünstler, da er am 15. März dessel-ben Jahres die hohe staatliche Aner-kennung, den Munkácsy-Preis,erhalten hatte. Das Gedicht, das ausdemselben Anlaß entstand, weist aufeinen fruchtbringenden Austauschvon Gedanken und Emotionen zwi-schen Dichter und bildendemKünstler hin.

Der Verband UngarndeutscherAutoren und Künstler wird seit sei-ner Gründung im Jahre 1992 vomGedanken des künstlerischen Aus-tausches zwischen Schriftstellern,Dichtern und bildenden Künstlernuntereinander geleitet. Diesem Zieldienen die jährlichen Werkstattge-spräche, verbunden mit Gemein-schaftsausstellungen und Lesungen.Zum Zusammenschluß kam die Ideedurch Gespräche in der Künstlergil-de Esslingen, mit der unser Verbandin den 90er Jahren eine hervorragen-de Zusammenarbeit pflegte.

Bei einer Gemeinschaftsausstel-lung unseres Verbandes am 26.August 1997 in der Galerie der Pest-her Redoute sagte der deutsche Bot-schafter in Budapest Hasso Buch-rucker in seiner Eröffnungsrede:„Die Ziele des Verbandes Ungarn-deutscher Autoren und Künstler

lesen sich wie ein Programm zurFörderung der WestintegrationUngarns. Da geht es um dieZusammenarbeit ungarischerSchriftsteller und Künstler mit ihrenKollegen in Deutschland, Österreichund der Schweiz, und mit solchenKollegen, die deutschen Minderhei-ten in anderen Ländern zugehören.Da geht es auch darum, die kulturel-le Identität der Ungarndeutschenhier in Ungarn zu stärken, ihre inDeutschland liegenden Wurzeln kla-rer zu erkennen und ihre gegenwär-tigen kulturellen Leistungen als Teildes ungarischen Kulturgutes besserbekannt zu machen. Das fördertzugleich die künftige kulturelleArbeit der Ungarndeutschen, wassich wiederum zum Wohle derZusammenarbeit unserer beidenLänder und damit zur Stützung deswestlichen IntegrationsprozessesUngarns auswirkt.“

Bei dieser Gemeinschaftsausstel-lung war László Hajdú mit dabei,und seine künstlerische Tätigkeit istwohl geprägt von der Grenzenlosig-keit und der internationalenZusammenarbeit. 1938 in Léva, derheutigen Slowakei, geboren, lebtund arbeitet er seit 1970 in SanktAndrä (ungarisch Szentendre), einerHochburg der serbischen Kultur inUngarn und einer beliebten Wir-kungsstätte von Künstlern. 1963absolvierte Hajdú die Akademie derBildenden Künste in Budapest unddurfte bereits 1964 eine Studienreisenach Westeuropa machen, dank derin Deutschland lebenden Verwandt-schaft. So konnte der angehendeKünstler ausländische Erfahrungensammeln, die Strömungen der west-europäischen Kultur und Kunst ken-nenlernen.

Die Malerei von Hajdú ist dasDrama der Farbe und der Linie imRaum. Man könnte sie als einenKampf mit dem Raum, mit derFremdheit und deren Eroberungbeschreiben. Der Raum ist nachHajdús Auffassung Schau undKampfplatz von „Außen“ und„Innen“ er wird uns nur dann ver-traut, wenn wir mit Geist und Seeledafür kämpfen. Dies schreibt Kunst-historiker Csaba Sík über Hajdú.

Die Werke von Hajdú befindensich in verschiedenen öffentlichenund Privatsammlungen von Südko-rea bis Italien, von Ungarn bisDeutschland. Auch in Deutschlandhatte er schon zahlreiche Einzel-ausstellungen, die nicht zuletztdurch Kontakte zu Künstlerkollegenzustandekamen.

So ein Künstlerkollege, oder bes-ser, Künstlerfreund ist Gerard Krim-mel. Geboren wurde er 1944 inStraßburg, einem Schnittpunkt fran-zösischer und deutscher Zivilisation.Er studierte von 1966 – ´71 an derStaatlichen Akademie der bildendenKünste Stuttgart.

Die beiden Künstlerfreunde lern-ten sich 1989 anläßlich eines vom

Kunstverein Böblingen initiiertenKünstleraustausches in Sankt Andräkennen. Weitere Begegnungen folg-ten. Viele wertvolle künstlerischeund menschliche Begegnungenprägten und vertieften ihre Freund-schaft. Hajdú konnte in Stuttgartseine Arbeiten präsentieren, die Ein-führung von Gerard Krimmel wurdeins Ungarische übersetzt underschien als Artikel in der angesehe-nen Kunstzeitung Mûvészet. DieFamilien kamen sich durch Gesprä-che und gemeinsame Arbeitsaufent-halte in Sankt Andrä und am Velen-ce-See näher, dessen Stille undAbgeschiedenheit die beidenbesonders schätzen. Erfahrungen,Einschätzungen und Beobachtungenüber politische Entwicklungen undgesellschaftliche Strukturen wurdenausgetauscht, soziale Bedingungenund individuelle Verhaltensweisenbeleuchtet. Die Ausstellung vonMargit Czakó (eine herausragendeTextilkünstlerin Ungarns) und Lász-ló Hajdú sowie Linda und GerardKrimmel im Juni/Juli 2000 in dergalerie contact (auch ein bezeich-nender Name) in Böblingen bekräf-tigte auf der persönlichen Ebene denDialog künstlerischer Ausdrucks-weisen. Die Initiative wirkte auch indie Zukunft, hat Früchte getragen,wie man im Katalog zu der damali-gen Ausstellung nachlesen kann.

Eröffnungsrede von Beáta Hajdú

Ich bin in einer etwas eigenarti-gen, sowohl leichten als schwierigenLage, da einer der Künstler meinVater ist, dessen Arbeit ich seit mei-ner Kindheit kenne.

Der Künstlerfreund ist GerardKrimmel, mit ihm hält diese Freund-schaft seit über zehn Jahren an. Erhat an der Staatlichen Akademie derBildenden Künste in Stuttgart stu-diert und war dort später Kunstleh-rer, wo ich selbst auch studiert habe.

Gerard Krimmel und mein Vaterhaben sich in Sankt Andrä/Szent-endre, bei einer Ausstellung kennen-gelernt, die im Rahmen eines vomBöblinger Kunstverein initiiertenAusstellungsaustausches stattfand.Seitdem haben viele wertvollemenschliche und kulturelle Begeg-nungen ihre Freundschaft vertieft.

Ich denke, der Grund ist vielleichtein wenig das ähnliche Schicksal,das ihnen die Geschichte des 20.Jahrhunderts zugeteilt hat. Die Ähn-lichkeit eines aus einer Doppeliden-tität stammenden Daseins, die fran-zösisch-deutsche, bzw. ungarisch-deutsche Abstammung, das Erlebeneines Minderheitendaseins, diedamit verbundenen Schwierigkeitenund die daraus resultierende Öff-nung der Sichtweisen und das starkeEuropabewußtsein. Das alles istsicherlich beiden gemeinsam unddürfte wesentlich zur Entwicklungder künstlerischen Ansichten beiderbeigetragen haben.

Daneben gibt es eine weitereQuelle ihrer Sichtweisen, die zugegenseitiger Sympathie führte: esist die naturnahe Lebensweise, derWunsch nach Harmonie mit derNatur. Ich kann ihre Abenteuerlustund die Seefahrten erwähnen, dabeide, unabhängig voneinander,mehrere Segelbootfahrten auf demMittelmeer mitgemacht haben, undauch ihre gemeinsamen Angeltourensind nicht nur als Zeitvertreib zuverstehen. Hinter all diesen Unter-nehmungen steht in erster Linie dieSehnsucht nach der noch unverdor-benen Natur, die Sehnsucht nacheiner stärkeren Nähe zu unserennatürlichen Lebensgrundlagen.

Ich glaube, am Velencei-See, die-ser abenteuerlichen, mit Schilfdurchwachsenen Seenlandschaft,diesem Wasserlabyrinth, von demvier Fünftel der Fläche eines dergrößten Vogelreservate Ungarns ist,war bei ihren Angeltouren hierneben dem Fischfang für die beidendie Landschaft von großer Wichtig-keit, die Ruhe, die zu vertieftenGesprächen, zum Gedankenaus-tausch inspirierte. Für die beiden –weil sie eben Künstler sind – ist dasalles mehr als Zeitvertreib: Das hieram Velencei-See Erlebte ist berufli-ches Quellenmaterial, was sich imphilosophischen Hintergrund ihresLebenswerkes widerspiegelt.

Im Mittelpunkt dieser Kunstphi-losophie steht die mit sozialerEmpathie gewonnene Nähe zumMenschen. Unabhängig von Stilen,von kunstästhetischen Kategorien,unabhängig von jenem zweitrangi-gen Aspekt, ob etwas figürlich,abstrakt oder nonfigurativ ist –gemeinsam in der Kunst von Beidenist die Besorgtheit um den Men-schen, um die Natur! Die Gesell-schaft entfernt sich immer mehr vonihrer natürlichen Welt, die Geld-macht wirtschaftet verantwortungs-los mit den von der Erde geliehenenEnergiequellen und den Menschenernährenden Gütern.

So wird es vor diesem Hinter-grund verständlich, daß in der Kunstvon Gerard Krimmel die zahlrei-chen Bestrebungen nach der Huma-nisierung unserer Umgebung einewesentliche Rolle spielen. Projekte

Früchte einer Künstlerfreundschaft

(Fortsetzung auf Seite 12)

Signale 12K U N S T

für die Rehabilitation verschmutz-ter, ausgebrannter Landschaften, mitLandschaftsplanung zusammenhän-gende Programme, z. B. die im Rah-men der Moosbacher Landesgarten-schau angefertigte „Jugendstraße“,oder Farbkonzepte für Gebäude,Lichtkonzepte von öffentlichenPlätzen oder die Gestaltung vonMahnmalen.

Diese Weltanschauung ist imHintergrund auch der hier ausge-stellten Bilder spürbar. Auf diesenAcrylbildern und überarbeitetenMaterialdrucken thematisiert er denmenschlichen Körper. Er betont diebestimmende Rolle der individuel-len Merkmale gegenüber demSeriellen. Durch Überlagerungenund Veränderungen werden einzelneFiguren betont, individuelle Merk-male kennzeichnen ihre Erschei-nungsform. Ich kann nicht uner-wähnt lassen, wie oft man zur Zeitüber das Klonen hört und liest. Esgeht hier um nichts anderes, als um

die ständige Besorgtheit der Künst-ler wegen der fragwürdigen Erschei-nungen ihrer Zeit. Manche formulie-ren so: Die Kunst ist berufen, dasGewissen der Menschheit zu vertre-ten.

Hinter den neuesten Arbeiten vonmeinem Vater steht trotz ihrerAbstraktheit eine ähnliche Gedan-kenwelt. Er ist unbeirrt auf derSuche nach bildlichen Metaphern,die die Situation des Menschen inder Welt, den Sinn seines Daseinsdarstellen. Das in den Bildern zumAusdruck gebrachte Maß, dieZurückhaltung, das mit wenigen,aber genügend Mitteln gemalteWerk als solches ist das Ziel, dasjeder verantwortungslosen Ver-schwenderei gegenübergestelltwerden kann. Dieses bewußterklärte Programm steht der ArtePovera sehr nahe und schlägt einedeutliche Brücke zur Minimalart.

Diese neuesten Bilder sind nacheiner Rom-Studienreise entstanden,die ein Stipendium ermöglicht hat.Die Bilder bauen sich typischer-

weise aus wenigen, aber wichtigen,dominierenden Motiven auf. Dasfür Rom so charakteristischeBogenmotiv, aus seiner ursprüng-lichen Funktion in der Welt in einenAusstellungsraum versetzt, erhälteine neue Bedeutung. Es weist aufdie Grundkonstruktion der denMenschen seit 3000 Jahren beglei-tenden architektonischen Räumehin, die kennzeichnend warensowohl für höhlenartige Katakom-ben als auch für Paläste, es kannaber auch das kosmische Raumge-fühl des modernen Menschen aus-drücken.

Das Motiv der senkrechten undbogenartig geformten Linienstruk-turen verbindet das Endliche mitdem Unendlichen, die Erde mitdem Himmel. In einer anderenDimension assoziieren sie in unse-rer Vorstellung einen schützenden,Geborgenheit spendenden odereinen sich öffnenden, zur Unend-lichkeit gedehnten Raum.

Mein Vater meint, daß der Malernicht ganz das malt, was er möchte.

Das Bild wird aus einer außerhalbvom Maler existierenden Quellegespeist. Wir könnten es auch sosagen: Der Künstler ist kein Star,sondern ein Medium, durch dassich aber ein höherer Wille erklärt.Er erfüllt eine Vermittlerrolle, alsTeil eines jahrtausendealten Pro-zesses.

Die herausragenden Kunstwerkewaren in irgendeiner Bedeutungimmer sakrale Gegenstände undhaben zur Meditation, zur Selbst-analyse aufgefordert. Wenn dieseAufforderung fehlt, dann sind sienur Dekorationsgegenstände. Daszentrale Problem der Malerei ist derRaum, wo sich an der Grenze zwi-schen Endlichem und Unendlichemdas große Drama des menschlichenBewußtseins abspielt.

Ich denke, daß Gerard Krimmelund mein Vater das ähnlich sehen.Diese gemeinsame Ausstellung derbeiden hier im Ungarischen Kultur-institut zeigt auch, wie wichtig dieüber die Grenzen reichenden spiri-tuellen Kontakte sind.

Der Publizist László Fábián eröff-nete am 4. März 2005 im Hausder Ungarndeutschen in Buda-pest die Ausstellung von GézaSzily. Wir veröffentlichen dieEröffnungsrede.

Die Art Malerei, die Géza Szilypflegt, kann man aus zweierleiGrundstellungen heraus machen.Die eine ist der Zustand der heiligenUnberührtheit, der Unwissenheit,der geistigen Unverantwortlichkeit,der in allen Phasen vom Zufallbeherrscht wird: Es ergeben sichverschiedene Resultate, welche sichaber sehr schnell im Dilettantismusentlarven. Die andere setzt vorausund verlangt die vollkommene Auf-rüstung, die gründlichen Kenntnissedes Wesens des Faches sowie derbildenden Kunst, auch die Kenntnisdes Zeitgeistes, den sicherenGeschmack; in diesem Fall – selbst-verständlich – gibt es nichts zu ent-hüllen. Es versteht sich von selbst,daß Szily letztere Kategorie verkör-pert; vielleicht ist es unpassend, inseinem Lebensalter von fachlicherÜberlegenheit zu sprechen, er könn-te es als Beleidigung empfinden,etwas will ich aber trotzdem riskie-ren: Seine Eleganz verzaubert mich.

Wie ist diese Malerei?Wenn ich sie mit einem Wort

definiere, dann steckt immer nochdie Möglichkeit des Mißverständ-nisses darin, denn dieses Wort kannEklektizismus heißen. Wenn ich alsIdeenverknüpfung daneben stelle,daß die Schönheit unserer geliebtenHauptstadt durch ihren baulichenEklektizismus geprägt wird, weil

eben das ihr Stil ist, dann kann dieseQualifikation keineswegs als nega-tiv empfunden werden, weil ich voneiner überaus schweren Aufgabe,vom einheitlichen Stil mindestensdreier Annäherungen, spreche, vomeinmaligen und individuellen Szily-Stil, welcher die darstellende Tradi-tion nicht scheut (figurativ), gleich-falls nicht die abstrakten Formen(nicht einmal die Geometrie), vonseinem Interesse an Ornamentennicht zu schweigen. Diese warenzuletzt – in ihrer Geistigkeit – imreifen Mittelalter, und noch mehr andessen Ende (vorübergehend in derRenaissance) in Mode, nicht einmalso eine Größe wie Giotto hat sichdagegen gesträubt. Im Falle vonSzily könnte ich – natürlich – diesauch als die Berührung mit derPostmoderne aufwerfen, denn gera-de die Postmoderne hat den soge-nannten „Groß-Eklektizismus“ ver-kündet, welcher in gewissem Sinneauch mit der figurativen Syntheseder klassischen Avantgarde experi-mentierte – in den wenigsten Fällenmit Erfolg. Ich sehe es aber so:Unseren Maler interessiert das post-moderne Programm am wenigsten,seine abenteuerliche Natur gibt sichmit so simplen Tricks nicht zufrie-den. Wenn es einmal irgendeinen,mit der nötigen Neugierde gesegne-ten, Interessierten gibt, der wirdsicherlich anfangen – im Besitz dernötigen Kenntnisse – sich dieserMalerei in ihrem Inhalt, dochwenigstens in ihrem inhaltlichenInteresse anzunähern. Er wirdunweigerlich irgendwo in derGegend der Tiefenpsychologie

a n k o m m e n ,sogar in jenermit dem Na-men Jung ge-z e i c h n e t e nVariante, wodie Symbolikder Urbilder,der Archety-pen, die Haupt-rolle spielt. Eskönnte eigent-lich der Eklek-tizismus deroben erwähnten drei Stilrichtungendaraus abgeleitet werden, denn –ich wiederhole – wir haben einenMaler vor uns, der genau weiß, waser tut. Genau wie Jung in seinenUntersuchungen ebenfalls auf der-artige Dreiheit der Symbole trifft,begegnet Szily psychischen Auf-schichtungen, in seinem Fall arran-gieren sich aus diesen Aufschich-tungen die jederzeit sorgfältigdurchdachten, malerisch einwand-frei kultivierten Bildflächen.

Ist das also wirklich Eklekti-zismus?Ja und nein. Szilys Malerei zeigtsich zweifelsohne als Stilmischung,es ist aber viel wichtiger zu erken-nen, als ob der Schöpfer einenKampf um das neuerliche Ganzse-hen und das Ganzsehenlassen der inScherben zerbrochenen Welt (dieswären die Worte von Kafka) austra-gen würde. Wie wenn er das Ganzenicht in den Scherbensplittern such-te, sondern sich vielmehr um dasZusammenfügen der Scherbenteilebemüht. Vielleicht ist das ein etwasdonquichotteisches Unterfangen,

die Heldenhaftigkeit, die Grandezzawollen wir ihm jedoch nicht abspre-chen. Was aber noch wichtiger ist:die Großartigkeit seiner Leistung.Ich weiß genau, was es bedeutet,einsam in einem geistigen Abenteu-er zu sein, deswegen spreche ichderart befangen über Géza SzilysKunst. In einer Welt, in welcher dieVertiefung und das ethisch fachlicheDenken als lachhafte „Große Erzäh-lungen“ durch den Rost der wech-selnden Mode gefallen sind, sinddiese Werte nahezu unerkennbar.

Unzeitgemäß.Aber im Sinne von Nietzsche,

welcher von sich selber ahnte, daßer unzeitgemäß sei, doch erst danngenau formuliert hätte, wenn erungegenwartsgemäß gesagt hätte.Wir sahen nämlich, die Geschichteist offen gegenüber der Vergangen-heit, nach meinen Erwartungen min-destens genauso in RichtungZukunft. Ich muß aufgrund desGesagten die Frage aufwerfen: Ist esmöglich, daß die Gegenwart derEklektizismus der Vergangenheitund der Zukunft ist?

Ist die Gegenwart der Eklektizismus derVergangenheit und der Zukunft

Früchte einer Künstlerfreundschaft(Fortsetzung auf Seite 11)

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Eine Ausstellung mit Werken vonÁkos Matzon wurde am 23. März2005 im Technischen Park vonKarlsruhe (Deutschland)gezeigt. Wir veröffentlichen dieEinführung des Geschäftsführersder Donauschwäbischen Kultur-stiftung des Landes Baden-Würt-temberg, Eugen Christ (Foto).

Die Donauschwäbische Kulturstif-tung des Landes Baden-Württem-berg hatte vor einigen Jahrenbeschlossen, in Zusammenarbeit mitdem Verband UngarndeutscherAutoren und Künstlern und demKulturinstitut der Republik Ungarnungarndeutschen Künstler die Mög-lichkeit zu geben, sich in Deutsch-land vorzustellen. So haben wir vorzwei Jahren auch Ákos Matzon„entdeckt“.

Nicht aus der Luft gegriffen istdie rhetorische Frage, eigentlich derTitel eines Essays des Kunsthistori-kers Gábor Ébli „Budapest: Wiederkünstlerische Drehscheibe Euro-pas?“ Die Antwort ist eindeutig: JA!Denn Kunst und Künstler gehörenzur vielfältigen VisitenkarteUngarns implizit der WeltstadtBudapest. Es ist bereits ein Axiom,daß viele ungarndeutsche Künstler,unter ihnen auch Ákos Matzon, zurElite der Künstlergemeinde Ungarnsgehören. Sie haben den begründetenAnspruch, auch auf europäischerEbene bekannt und anerkannt zuwerden. Diesem Gedanken gebührtauch diese Ausstellung.

Ich hatte des öfteren die Freude,das Werk des Ákos Matzon vorzu-stellen. Ich habe mir jedes Mal vor-genommen, nicht mit dem gleichenSatz anzufangen. Doch es geht nichtanders, als ihn immer wieder zu ver-wenden. Er bietet sich dermaßen,fast ideal für die Einführung in Mat-zons Kunst an, daß ich auch heute,hier und jetzt, auf ihn nicht verzich-ten werde.

Ákos Matzon: „Ez nem festô!“,auf deutsch: „Das ist kein Maler!“Auf den ersten Blick ein ziemlichzerschmetterndes Urteil einesbekannten Zunftkollegen mit stren-gem Anspruch auf das „saubere“Metier. Es hört sich aber allein aufden ersten Blick böse und schockie-rend an. Denn es entspringt alleineinem allgemein obsoleten Vorur-teil. Das soll heißen, daß alles, wasals „Bild“ definiert, grundsätzlichals Werk eines „Malers“ betrachtetwird. Es geht aber in erster Linie umKunst, der einen Form sinnenhafterAuseinandersetzung mit irgendei-nem mehr oder weniger komplexenMedium. Allein an einer untergeord-neten Stelle stellt sich die Frage, aufwelchem Wege der künstlerischeAusdruck zustande kommt, als wasund wie sich der Künstler artikuliert.Das gilt insbesondere heute, in Zei-ten, in denen alles sein kann unddarf, in denen die intermedialen

Möglichkeiten schon lange starreRaster, das verbindliche Ein- undZuordnen bewußt, sogar absichtlichmeiden. So spielt es heute überhauptkeine Rolle, ob Ákos Matzon Malerist oder nicht. Viel wichtiger ist dieunumstrittene Tatsache, daß ÁkosMatzon eine künstlerische Persön-lichkeit ist und bleibt.

Betrachten wir die Werke vonÁkos Matzon, so hat man bereits aufden ersten Blick den Eindruck,unmittelbar mit einem Architektenzu tun zu haben. Und der erste Ein-druck täuscht nicht: Architektur isteigentlich Matzons erlernter Beruf.So hatte der Künstler als Querein-steiger schon mit einem zweitenVorurteil zu kämpfen. Das hat er,wie er selbst sagt, auch immer wie-der zu spüren bekommen. Auch dasspielt heute, hier und jetzt, über-haupt keine Rolle. Denn wir schät-zen gerade diese Fähigkeit, einge-fahrene, sogar verfahrene Bahnen zubrechen. Wir freuen uns, das Werkeines Ästheten der Perfektion mitausgeprägtem Gespür für dasWesentliche, egal ob sich dasWesentliche auf einen räumlichen,graphischen oder farblichen Aus-druck bezieht, genießen zu dürfen.

An den Architekten, der seineBerufung im künstlerischen Aus-druck gefunden hat, knüpfen seineWerke immer wieder an: Ein Reiß-

brett in zahlreichen Variationen mitZeichenwinkel, Winkellineal, Hand-reißschiene und Schablonen bzw.das Modell irgendeines Baukomple-xes in Draufsicht. Andere Bildererinnern an Querschieferstrukturenin Seitensicht. So werden die konse-quente Auseinandersetzung mit geo-metrischen Formen der Ebene undden daraus abgeleiteten Reliefstruk-turen, vor allem aber die immerwiederkehrende Schiefe zum Mar-kenzeichen des Künstlers. SeineWerke sind von „astrein“ gezoge-nen, „sauberen“ Linien, einfachen,„glasklaren“ Verhältnissen gekenn-zeichnet. Die geometrischen For-men reduzieren sich auf das Wesent-liche und lassen mit minimalemAufwand eine sehr empfindliche,nicht zu überbietende Harmonie ent-stehen. Jedes Werk spricht nicht aus,es deutet auch nicht, es deutet nuran. Oft sind es nicht mehr als „lyri-sche“ Entwürfe, eine zur Hälfte aus-gesprochene Mitteilung, schweben-de, skizzenhaft angedeutete Körperim Raum, offen und trotzdem künst-lerisch vollendet. Kein Strich zuviel, kein Punkt zu wenig. Diegeringste Änderung, der kleinsteZusatz könnten den Zusammenhaltzerstören. Alles gerade soviel, wie-viel die Essenz gerade nötig hat, umrelevant zu werden.

Betrachten wir Ákos Matzon alsMaler, so stellt sich die Frage nachder chromatischen Artikulation sei-ner Bilder. Der Künstler bleibt sichseiner ästhetischen Idee auch dies-bezüglich treu. Alles ist auf dasWesentliche und Notwendigstereduziert, eine klare Harmonie undeindeutige Botschaft. Kein Farben-rausch, keine Spekulationen, keinunnötiges Modulieren oder „Phanta-sieren“. Alles bleibt bodenständig,fast sachlich, unmißverständlich.Geordnete, weiße Reliefstrukturenermöglichen ihm ein gekonntesSpiel von Licht und Schatten inzahlreichen Modulationen vonWeiß. Der Künstler beweist sich alsMeister. Er nutzt mit Raffinesse dasRelief bzw. graphische Elemente,

um sowohl das „saubere“ Nebenein-ander von Weiß oder Schwarz undFarbe als auch den simultanenKontrast einzelner Farben bzw.Farbvariationen in genau definiertenStrukturen unauffällig zur Geltungzu bringen. Und das, ohne daß grö-ßere Weiß-, Schwarz- oder Farbflä-chen das sensible Verhältnis graphi-scher Zusammenhänge und geord-neter Strukturen übertönen. Keinsymphonischer Tumult, sondernKammermusik. So laufen MatzonsWerke auch nie Gefahr, irgendeinerLeere zu unterliegen. Denn sie tra-gen in sich Kraft und Substanz: sen-sible, ausgewogene Wahlverwandt-schaften aliquoter Elemente undchromatischer Verhältnisse, die ausihrer Beschaffenheit heraus nie dieWucht kennen können. Geordnetverspielte Flächen und Linien oderein kontrastierender „Tupfer“ leuch-tender Farbe lassen trotz graphi-scher Rigorosität Wärme und Poesieentfalten.

Und irgendwo im Verborgenenlauert der Traum des Künstlers. Esist keine Märchenwelt, sondern dieFaszination dessen, was einen Malerimmer wieder beflügelt: das Lichtund seine Möglichkeiten. Ein viel-leicht merkwürdiger Gedanke, derdem schöpferischen Künstler, wie erselbst sagt, keine Ruhe gewährt: dasLicht von hinten. So befindet sichMatzon auf der Suche, dieses Lichtzum Ausdruck zu bringen. Fein-durchsägte Flächen, oft ein Spiegelhinter den Bildern und die Hoff-nung, eines Tages es auch findenund „erfassen“ zu können.

Matzons Werke „verlieren“ sichnicht. Es ist immer so, daß jedesBild einen unmißverständlichenBezugspunkt graphischer oder chro-matischer Natur kennt. DiesemPunkt, der mit zentripetaler Kraftdas Ganze zusammenhält, es defi-niert und dem Bild seine „Persön-lichkeit“ mitverleiht, gebührt dergesamte Aufbau. Andererseits struk-turiert fast immer die bzw. eine Dia-gonale – das, was oft als „Schiefe“immer wieder im Zusammenhangmit seinen Bildern erwähnt wird –die Fläche. Es ist jedoch nichtimmer so, daß es um die eine Dia-gonale des Bildes geht. Es sind auchschräge Linien, „zufällige“ oder„rahmenfremde“ Diagonalen, diekollaterale, tangentiale oder über-lappte Rahmen bzw. Flächen sugge-rieren. Nicht selten werden diesenicht nur angedeutet, sondern auchgraphisch oder chromatisch darge-stellt und von der Hauptfläche leichthervorgehoben. Nichts wird demZufall überlassen, das Zufälligeselbst ist gekonnte Absicht. Dennder Zufall ergibt sich allein durcheine nicht unmittelbare, durch eine„abgelenkte“ oder unauffällige Kau-salität einer bestimmten Ordnung.

Der Künstler sucht und versucht.

Die Bilder des Ákos Matzon

ÁÁkkooss MMaattzzoonn iinn ddeerr AAuusssstteelllluunngg (Fortsetzung auf Seite 14)

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Ákos Matzon läuft jedoch nieGefahr, sein eigener Manierist zuwerden. Er findet immer wiederneue Wege, seine künstlerische Per-sönlichkeit als „Markenzeichen“ zupräsentieren. Großzügige Flächenbehaupten sich im graphischen undchromatischen Zusammenhang. Diesomit entstandenen Strukturen set-zen sich fließend aus dem einen insandere Bild fort. Es entstehen„Serien“ von Bildern, die entwedersequentiell linear oder nach einemrechtwinkligen Koordinatensystemzu Vierergruppen ihren Zusammen-halt finden. Sie unterliegen einerlinearen, kreis- oder spiralförmigenLogik gestalterischen Werdens undharmonischer Integration. Sie

„wachsen“ und fügen sich zu Rhyth-men graphischen oder chromati-schen Ausdrucks im abgestuftenCrescendo vom Einfachen zumKomplexen zusammen. Anderseitsdeutet der Künstler auch das Gegen-teil an, ein Decrescendo, eine stu-fenartige Entflechtung, oft einegalaxienartige Auflösung desZusammenhaltes graphischer undfarblicher Elemente. Alles geschiehtjedoch selbstverständlich, als natür-licher Prozeß ohne irgendein Zei-chen des Forcierens. Und immerwieder die räumliche Illusion: feingezogene Linien, Bahnen, graphi-sche Andeutungen und Projektio-nen. Sie erinnern an Zeitdiagramme

und Aufenthaltsmöglichkeiten, demverspielten, aber immer geordneten„Tanz“ subatomarer Teilchen, inverschiedenen, unter Umständenentgegengesetzten „Zeit- bzw.Raumzeitrichtungen“.

Diese Einführung soll nicht mehrals eine subjektive, unverbindlicheEmpfehlung zum Betrachten eini-ger Bilder aus dem Werke des ÁkosMatzon sein. Ich weiß nicht, obdiese Einführung auch dazu beitra-gen wird, daß Sie Ákos MatzonsWerk besser verstehen. „Verstehen“ist auch das falsche Wort, eine fal-sche Vorstellung, mit der man oftKunst angeht. Denn Kunst ist allein ein sinnenhaftes Angebot zur sin-

nenhaften Annahme. Und dieseAnnahme ist immer subjektiv.Genauso wie die Erwartung, dasästhetische Vorurteil, mit demKunstwerke angegangen werden.Ist es Ihnen jedoch gelungen, denschöpferischen Prozeß und seineLogik nachzuvollziehen, dannhaben meine Worte ihr Zielerreicht. Ist das künstlerischeAngebot in Resonanz mit IhrenVorstellungen gekommen und hatIhr Interesse geweckt, dann habenMatzons Bilder ihren Sinn erfüllt.Denn, wie der amerikanischeKünstler Eddy Breen irgendwannsagte, es gibt weder schlechte nochgute Kunst, es gibt allein Kunst, dieinteressiert, und Kunst, die nichtinteressiert.

Eine reiche Laufbahn, die lange fortgesetzt werden sollDas bisherige Lebenswerk desheuer 60jährigen Bildhauers TiborBudahelyi wurde in der CsepelGaléria gewürdigt. Bei der Eröff-nung am 10. März 2005 sprach dieKunsthistorikerin Brigitta Muladi.Wir veröffentlichen die Eröff-nungsrede.

Kaum ein paar Monate zuvor war ichTibor Budahelyis Arbeiten zumersten Mal begegnet. Das Wunderwar geschehen, um dessentwillen essich für einen Künstler zu arbeitenlohnt: Er löste mit seinen Werken einexzeptionelles Erlebnis aus. ImLeben eines Künstlers gibt es wenigesolcher besonderen Jubiläen, dahergestatte ich mir diesen pathetischenTon, denn ich habe durchaus dieAbsicht zu lobpreisen.

Woraus sich dieses Erlebnis imEinzelnen zusammensetzte, das istbereits eine streng fachliche Frage.Tibor Budahelyis Arbeiten sind sehrindividuell, seine Werke haben einspezifisches, augenblicklich wahr-nehmbares, ästhetisches System, wel-ches am schwierigsten zu verwirk-lichen ist. Dieses kristallklare, ästheti-sche System ist nur mit strenger, dis-ziplinierter Arbeit einzuhalten.

Vor mir haben schon mehrere zumAusdruck gebracht, unter anderenTibor Wehner, Júlia N. Mészáros,Gábor Kozák, wie Budahelyis Arbei-ten die klare Logik des Konstrukti-vismus, seine harten Linien, seinegleichmäßigen Oberflächen mit denorganischen Formen, mit der groben,natürlich wirkenden Stofflichkeitverschmelzen. Wie seine Objekte,seine Medaillen anthropologisieren.Wie sie sich nämlich zu etwas ver-wandeln, das menschliche Beziehun-gen ausdrückt. Wie sie „lebendig“werden. Wie kalte Metalle und fein-geschliffene Holzoberflächen Gefüh-le auslösen.

In Schriften ist dargelegt, wieTibor Budahelyi zum Bildhauerwurde: Durch die Freundschaft mitTibor Csiky, später durch den Ein-fluß von István Nádler und ImreBak, wie er dann seinen individuel-len, mehrere Kunstrichtungen über-greifenden Stil entwickelte, er zuerstin Gestalt von Zeichnungen, Kupfer-stichen und Lithographien seineursprünglichen Vorstellungen ver-wirklichte. In seinen graphischenFrühwerken drückte er Gesell-schaftskritik dadurch aus, daß er diein seinem ehemaligen Beruf benutz-

ten Maschinenteile, Schrauben,Kugellager und Zahnräder dieHauptrolle spielen ließ. Für michdrückt sich in der beschränktenDynamik der Maschinenelementedie handlungsbehinderte Philosophiedes Staatsbürgers aus. Die verboge-nen Zahnräder schaffen schon dienächste Drehung nicht mehr, derApparat bleibt stehen, ist in dieserKonstruktion nicht funktionsfähig,seine Bewegung gerät ins Stocken.Das Kennzeichen eines guten Kunst-werks, die Spannung, welche dieAufmerksamkeit des Betrachtersfesselt, verwirklicht sich maximal indiesen graphischen Blättern, in sei-nen Objekten. Ich möchte anmerken,daß seine Aussage leider auch heutenoch Gültigkeit besitzt.

Budahelyi formte mit seinenAnsichten nicht nur die traditionellenbildhauerischen Kunstgattungen um,sondern brachte neue hervor. Ichdenke hier an die Medaillen, um dieDimension der Musik bereichert,welche die Musikalität des Künstlersund seine Energien in der gegen-ständlichen Gestaltung vereinen.

Seine außergewöhnliche Kreati-vität aktivierte er auch in seinenAktionen und Performanzen, den-

noch verwirklichte er sie am präg-nantesten in seinen Methoden derMaterialbearbeitung. Wie neben derextrem fein geschliffenen und polier-ten Oberfläche das verletzte, ange-fressene, grobe Innere erscheint, dasdie Aussage seiner Werke in philoso-phische Höhen erhebt.

Es lohnt sich, diesen fast unmög-lich scheinenden Wirkungsmecha-nismus bewußt zu erfahren, seineweiche Lyrik, die seine anthropomor-phen Kleinplastiken auf den Betrach-ter ausstrahlen, entgegen ihrer kalten,metallischen Beschaffenheit undihrer hart bearbeiteten Kanten.

Auch der Transformation der Tra-dition in ihrem Formsystem nahm ersich an, denn die gewohnte weiche,runde Form der Medaillen ersetztevoll und ganz das Dreieck. Damitschuf er seine eigene künstlerischeVisitenkarte, jegliches Pathos undEigenreklame beiseite lassend.

Diese Ausstellung wird vervoll-ständigt durch Dokumente und einBuch über die Medaillen, das zu die-sem Anlaß erschienen ist. Es gibteinen Querschnitt durch Tibor Buda-helyis bisherige, reiche Laufbahn, dienicht zu Ende gehen, sondern nochlange fortgesetzt werden soll.

(Fortsetzung von Seite 13) Die Bilder des Ákos Matzon

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Ein Abenteurer der FreiheitKurz nach seinem 70.Geburtstag stellte der inSchorokschar geboreneund in Berlin lebendeKünstler Antal Lux seineWerke unter dem Titel„Identität“ im BudapesterHaus der Ungarndeutschenaus. In die Ausstellungführte László Fábián ein.

Dieser Titel scheint einenleicht pejorativen Beige-schmack zu haben, und die-sen Eindruck versuche ich imfolgenden aufzulösen, jageradezu ins Gegenteil umzu-wandeln. Ich möchte gleichklarstellen, daß von den mirbekannten ungarischen bil-denden Künstlern michhauptsächlich das Lebens-werk, das Vorbild von AntalLux dazu veranlaßt, die Ant-wort auf die ungemein kom-plizierte Frage „Was istKunst?“ so zu formulieren, daß sieirgendeinen schöpferischen Frei-heitsgrad darstellt, welcher imSelbstausdruck die allgemeinen(menschlichen?) Aussagen auf soeine Art zusammenschmiedet, daßer die letzteren nicht nur legalisiert,sondern auch persönlich garantiert.Wenn aber dies eine der möglichenDefinitionen der Kunst ist, dann istdie jeweilige Sicherung deserwähnten Freiheitsgrades aufhöchstem Niveau die logischeFolge davon: Freiheit von allen sol-chen Fakten, die das kleinste Hin-dernis bedeuten könnten; Ideolo-gien, externe Aufträge, Klientel,Moden, Kunsthandel (und wie!),die alle würden – aus diesem Aspekt– die Beeinträchtigung des künstle-rischen Stils bedeuten, noch mehr,auch die gegebenenfalls entstande-nen eigenen Dogmen, und wirwären bereits bei der Frage desmöglichen Abenteuertums gelandet:Ist es gebührend, schon erreichte,herauskristallisierte Erfolge zu ver-lassen und sich auf neue Abenteuereinzulassen, um etwaige neueGebiete zu erobern? Meine Antwortdarauf ist – zusammen mit Antal

Lux: Es ist seine zwingende Pflicht,weil er sonst im Akademismus stek-kenbleibt, auch wenn es ein noch soprivater Akademismus ist. Dasheißt: im Gebrauch des WortesAbenteurer weiche ich diesmal vomGewohnten ab. Ich qualifizieredamit den viel riskierenden, for-schenden Künstler, welcher sichunmöglich auf seinen Lorbeerenausruhen kann – ihren verwelken-den Charakter spürend: das Immer-grün der Lorbeeren ist nicht mehrals abgenützte Metapher. UnserMaler (und schon mit dieser Quali-fikation hat man Probleme, dennLux ist mindestens ebenso Graphi-ker, Bildhauer, Filmemacher, Foto-graf, Video-Künstler, Computer-Anwender, Performance-Künstlerwie Maler) kann also in die lockereKategorie der experimentierendenKünstler eingereiht werden, was inWirklichkeit keine große Ehre ist,denn von einem wirklichen Künst-ler kann die Empfänglichkeit fürExperimente als Minimum erwartetwerden. Viel wichtiger ist es, daß erausgereifte Resultate für neue Mög-lichkeiten hinterläßt, was so etwaswie das Depot bei gewissen Formen

des Kredites ist: es kann leicht ver-lorengehen, wenn die Tilgung nichterfolgt. Falls ich diesen überausprosaischen Vergleich fortsetze,muß ich wieder logisch (vom Kre-dit) zum Problem der Kreditwürdig-keit kommen, denn das wäre derSchlüssel zur Garantie; nun be-trachten wir den Abenteurer im all-gemeinen als unglaubwürdig, undwir könnten den Abenteurer derFreiheit eigentlich als Ritter derUngebundenheit abschreiben. Aberich muß erneut betonen, den Aus-druck habe ich bis jetzt auch nichtin diesem Sinne gebraucht; schondeswegen nicht, weil Lux sogarzweierlei Glaubwürdigkeiten nebenseinem erwähnten „Abenteuertum“aufführt: einerseits die Glaubwür-digkeit seines persönlichen Lebens-weges, andererseits die Glaubwür-digkeit der künstlerischen Laufbahninnerhalb des gewissen Freiheits-grades. Und es soll mir – obwohlwir im Mode-trend der kunst-t h e o r e t i s c h e nBestrebungen mitVorliebe denLebensweg vonder schöpferi-schen Leistungtrennen – erlaubtsein, in seinemFall so zu formu-lieren, daß beidesich aufeinanderkopieren, odernoch augenfälli-ger ist seinBestreben, sieselbst immermehr aufeinanderzu kopieren.

Woran denkeich?

An die Frageder Identität,welche – neben-bei – auch dieGrundfrage aller-lei Abenteuer-tums ist. Daßheißt, wie sichder oben erwähn-te Lebensweg und die künstlerischeLaufbahn entsprechen. Oder einfa-cher: Wer bin ich (als Mensch inder Geschichte mit meiner einmali-gen Anwesenheit), was ist meinekünstlerische Leistung (in dergeschichtlich-gesellschaftlichenSituation, in der sie zustandekam,ob sie für mich eine Verlängerungin Richtung Ewigkeit bedeutet)?Aber ich wiederhole, jetzt kannsogar der Raster von beidem auf-einander gelegt werden, damit sieeine gewisse Form (Formation)markant aufzeigen.

Das Wort Identität gebrauche ichauch nicht zufällig; denn sie ist diesichtbare Reflexion zahlreicherLux-Werke, vielleicht könnte sieexpressis verbis erscheinen; dieJugenderlebnisse haben ihn einLeben lang beschäftigt: die 1956er

Ereignisse und deren für ihn einzigmögliche Folge: das Verlassen derHeimat; so die Teilnahme an denKämpfen wie auch der Vorgang derFlucht, die wiederkehrenden The-men der (weichen oder harten) Dik-tatur des kommunistischen Regimes– primär – in seinen Filmen, Video-arbeiten, aber auch in anderenKunstgattungen. Ich behaupte,besessen vom Aspekt der Freiheitkönnen die Abenteuer der immerneueren Reflexionen, der Konzep-tionen, des Neuüberdenkens alle-samt darauf zurückgeführt werden.Deswegen konnte und wollte ernicht Wurzeln schlagen – ungeach-tet des dazu wirklich viel Anregungbietenden Berlins, wo er seit Jahr-zehnten lebt –, in kein einziger Stil-richtung: Pop, Geometrie, Konzept,Trance-Avantgarde, alles, was ihnauch berührte (nicht zu sprechenvon Wandlung der Technik). Vonallem nahm er das heraus, was für

AAnnttoonn LLuuxx:: JJuuttttaabbeerrgg iinn ddeenn 11994400eerr JJaahhrreenn,, 11999999

AAnnttoonn LLuuxx:: IIddyyllll,, 11999999

ihn aktualisierend war, damit erdann alles mit Zinsen zurückgibt(nicht wahr, Glaubwürdigkeit?) inder Form der persönlichen Modula-tion, welche wir in ihrer Gesamt-heit das Lebenswerk von Lux nen-nen, und deren Summe wir im Falleeines 70jährigen Schaffenden mitruhigem Gewissen, ohne Risikoannehmen können.

Es ist möglich, daß ich voreiligwar. Dieser gewisse Freiheitsgradist nämlich bis heute das Wesentli-che der künstlerischen Haltung, esist kein Unglück, vielmehr ist eserfreulich, daß wir in der Rundheitseines Lebenswerkes nicht sichersein können, denn er ist jederzeitbereit, „sich zu schütteln“ und zuneuen Abenteuern aufzubrechen –die Natur meines Abenteurers istnun mal so...

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Herausgegeben von Johann Schuth

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Band 1: Josef Michaelis: Sturmvolle Zeiten. Gedichte 1976-1990. Budapest1992. 119 S. ISBN 963-04-2032-5 Preis: 500 Ft

Band 2: Valeria Koch: Wandlung. Gedichte. Budapest 1993. 75 S. ISBN 963-04-2338-3 ISSN 1216-6324 Preis: 200 Ft (Vergriffen)

Band 3: Josef Mikonya: Krähen auf dem Essigbaum. Erzählungen, Gedich-te. Budapest 1994. 223 S. ISBN 963 04 3238 2 ISSN 1216-6324 (vergrif-fen)

Band 4: Stefan Raile: Dachträume. Erzählungen. Budapest 1996. 232 S.ISBN 963-8333-00-6 ISSN 1216-6324 Preis: 350 Ft

Band 5: Robert Becker: Faltertanz. Gedichte. Budapest 1997. 112 S. ISBN 963-8333-01-4 ISSN 1216-6324 Preis: 350 Ft

Band 6: Valeria Koch: Stiefkind der Sprache. Ausgewählte Werke. Buda-pest 1999. 232 S. ISBN 963-8333-04-9 ISSN 1216-6324 Preis: 500 Ft (ver-griffen)

Band 7: Engelbert Rittinger: Verschiedene Verhältnisse. AusgewählteWerke. Budapest 2001. 240 S. ISBN 963-8333-05-7 ISSN 1216-6324Preis: 940 Ft

Band 8: Josef Michaelis: Treibsand. Ausgewählte Texte. 1976 - 2001. Buda-pest 2004. 205 S. ISBN 963-8333-08-1 ISSN 1216-6324 Preis: 900 Ft

Band 9: Erkenntnisse 2000. Ungarndeutsche Anthologie. Budapest 2005.214 S. ISBN 963-8333-11-1 ISSN 1216-6324 Preis: 980 Ft

Band 10: Literatur Literaturvermittlung Identität. Tagungsband. Budapest2004. 143 S. ISBN 963-8333-12-X ISSN 1216-6324 Preis: 940 Ft

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Band 1: „Dort drunt an der Donau“. 22 Graphiken von Robert König undTexte zur Geschichte der Ungarndeutschen. Budapest 1996 Preis: 9000 Ft

Band 2: Josef Bartl: Zeichnungen. Mit einer Einführung von Eugen Christ.Budapest 2003 ISBN 963 206 174 8 Preis: 800 Ft

Band 3: János Wagner: Arbeiten 1996 - 2002. Mit einer Einführung vonEugen Christ. Budapest 2003 ISBN 963 206 283 3 Preis: 940 Ft

Band 4: Matzon Ákos NET (deutsch-ungarisch-englisch). Budapest 2005ISBN 963 8333 09X ISSN 1216-6324 Preis 2000 Ft

Band 5: Antal Dechandt Katalog. Budapest 2005 ISBN 963 8333 10 3 HU-ISSN 1785-7465 Preis 800 Ft

VUdAK. Künstlersektion des Verbandes Ungarndeutscher Autoren undKünstler. Budapest o. J. Preis: 500 Ft

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Misch Ádám. Ein Künstlerportrait. 2480 FtMárnai-Mann: Hometskschichten. 300 FtFranz Sziebert: Unzuverlässig? 1500 Ft

Ins Ausland Preise auf Anfrage!

*VUdAK - Verlag des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und KünstlerBudapest, Lendvay u. 22 II. H-1062Tel.: +36 1) 302 67 84, +36 1) 302 68 77Fax: +36 1) 354 06 93E-Mail: [email protected]

Generationswechsel bei derKünstlergilde Esslingen

Die Künstlergilde mit ihrem Stammsitz in Esslingen ist den meisten Kunst-schaffenden in Deutschland und darüber hinaus ein Begriff. Sie gilt bundes-weit mit rund 550 Mitgliedern als die größte Künstlervereinigung und führtKreative aus Literatur, Musik, Fotografie, Publizistik sowie BildenderKunst zusammen.

Gegründet wurde die Künstlergilde nach dem Ende des Zweiten Welt-kriegs von KünstlerInnen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. IhrZiel ist es, als kultureller Schrittmacher der Versöhnung zu dienen. DieserGrundgedanke wurde mittlerweile in eine gesamteuropäische Perspektiveübersetzt und somit hat sich die Künstlergilde als starke FürsprecherinEuropas etabliert.

Nach der bereits erfolgten EU-Osterweiterung lenkt die Vereinigung ihrAugenmerk von nun an besonders auf die südeuropäischen Staaten und bie-tet ihnen Unterstützung in den Bereichen Kunst und Kultur an. Folglich über-rascht es wenig, daß heuer die alljährliche Versammlung der KünstlergildeEsslingen Anfang Mai in ihrem kulturellen Rahmenprogramm besonders dieKunstszene Kroatiens in den Mittelpunkt des Interesses rückte.

Der Blick der Künstlergilde nach vorn wird nicht nur von den deutschenMedien gewürdigt. Schließlich liegen beschwerliche Zeiten hinter der Ver-einigung, nachdem ihr die Bundesregierung im Jahr 2000 sämtliche För-dermittel gestrichen hat. Das finanzielle Überleben verdankt die Künstler-gemeinschaft, die ehemals elf Mitarbeiter beschäftigte, ihrem seit einerDekade amtierenden Vorsitzenden Franz Peter Künzel und seiner engstenMitarbeiterin, der Geschäftsführerin Sigrid Lude. Sie hielten mit dem Wahl-spruch „Die Künstlergilde für die Mitglieder – die Mitglieder für die Künst-lergilde“ Kurs und führten die vielfältige Arbeit der Künstlergilde sowie dasanspruchsvolle Programm ihrer Galerie am Esslinger Markt standhaft fort.

Nachdem sich die hohen Wogen erstmals wieder geglättet haben, leitetedas „Tandem Künzel/Lude“ bei der diesjährigen Hauptversammlung einenGenerationswechsel ein. Ihr Schritt wurde von den Mitgliedern einmütigbedauert, jedoch mit Rücksicht auf das fortgeschrittene Alter des 80jährigenKünzel und der 70jährigen Lude letztendlich respektiert.

Als neuer Vorsitzender wurde Dr. Wolfgang Schulz einstimmig gewählt.Über eine Nachfolgerin für Frau Lude soll erst 2006 entschieden werden.Für das Jahr 2005 wird die Schatzmeisterin Frau Christa Steiner dieGeschäftsstelle in Personalunion provisorisch leiten. Auf den neuen Vor-stand kommen turbulente Zeiten zu; denn im vergangenen Jahr verlor dieKünstlergilde insgesamt 170 Mitglieder. Diese signifikante Zahl führt zumeinen auf 60 Todesfälle zurück, zum anderen wurden die meisten Kündi-gungen mit Hinweis auf verschiedene Altersgebrechen begründet. DieGewinnung von neuen Mitgliedern dürfte von nun an ganz oben auf derPrioritätenliste stehen.

Zudem machten Frau Steiner und der ehemalige Vorsitzende Künzel dar-auf aufmerksam, daß die finanzielle Situation weiterhin als prekär bezeich-net werden müsse. Sie riefen die Mitglieder zu Spenden und zur regelmäßi-gen Begleichung ihrer Beiträge auf.