Stagnation, Entwicklung

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    Stagnation im Trend - Leben mit gesttigten Mrkten,stagnierenden konomien und verkrzten Arbeitszeiten

    Norbert Reuter

    konomischem Wachstum kommt in Wirtschaftstheorie und -politik nach wie vorzentrale Bedeutung zu. Auch in der jngsten Wirtschafts- und Finanzmarktkrise istes allgemein erklrtes Ziel, auf einen mglichst hohen Wachstumspfad zurckzu-kehren. bersehen wird dabei, dass in allen entwickelten Industrielndern ein de-kadenbergreifender Trend zurckgehender Wachstumsraten zu beobachten ist.Zugleich bleibt die tatschliche Wirtschaftsleistung hinter der mglichen zurck,was als stagnativer Trend zu verstehen ist. Diese Entwicklung kann mit endogenenWachstumsgrenzen, ausgelst durch zunehmende Sttigungstendenzen und Prfe-renzvernderungen, begrndet werden. Kurzfristig knnen Wachstumsreservendurch Umverteilung von oben nach unten zur Sttzung der noch weitgehend un-gesttigten Massennachfrage und einen deutlichen Anstieg ffentlicher Ausgabenmobilisiert werden. Langfristig wird man Arbeitslosigkeit aber mit einer sukzessivenArbeitszeitverkrzung begegnen mssen. Mehr Wohlstand geht dann nicht mehrmit zunehmendem Konsum, sondern mit mehr Freizeit einher.

    Die gegenwrtige Krise ist durch einen dramatischen Rckgang des wirtschaftli-chen Wachstums gekennzeichnet. Japan und Deutschland fhren die weltweite Ska-la mit einer Schrumpfung des Bruttoinlandsproduktes von sechs und mehr Prozentan. Allerdings ist diese jngste Entwicklung nur hinsichtlich ihres Ausmaes, nichtaber in ihrer grundlegenden Richtung bemerkenswert. Bereits seit den 1950er Jah-ren weisen die Wachstumsraten aller entwickelten Industrielnder einen Trend nachunten auf trotz aller proklamierten Wachstumspolitik (siehe u.a. Band-holz/Flaig/Mayr 2005).

    Abb. 1: Reales Bruttoinlandsprodukt

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    Die BIP-Wachstumswerte sind in Prozent angegeben und entsprechen jeweils einem 10-Jahres-Durchschnitt.Quelle: Sachverstndigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutach-ten, laufende Ausgaben.

    Der aktuelle weltweite Wachstumseinbruch sorgt lediglich dafr, dass sich derWachstumstrend noch weiter verlangsamt. Die meisten Industrielnder wiesen in-klusive der aktuellen Wachstumseinbrche in den ersten Jahren des neuen Jahrtau-sends im Durchschnitt sogar ein jhrliches Wachstum von Null oder nahe bei Nullauf. Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung steht hierfr symptomatisch (vgl.Abb. 2).

    Abb. 2: Rcklufiger WachstumstrendQuelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, eigene Berechnungen

    Vor allem neoliberale konomen sehen die derzeitigen weltweiten wirtschaftlichen

    Einbrche primr als Folge der anhaltenden Niedrigzinspolitik in den USA seit denZeiten von Notenbankprsident Alan Greenspan. Sie gehen davon aus, dass die in-dustrialisierte Welt eher frher als spter wieder auf einen Wachstumspfad ein-schwenken wird. Bis dahin seien lediglich Brcken ber die Krise zu bauen, wie esdie deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel plakativ formuliert hat. Dabei wird je-doch vllig bersehen, dass die gesamte weltwirtschaftliche Entwicklung in denletzten Jahren mit einem Anstieg globaler Ungleichgewichte verbunden war. Insbe-sondere das Wachstum der groen Exportnationen Deutschland, China und Japanwar nur mglich, weil andere Lnder insbesondere die USA sich massiv ver-schuldet haben. Diese Entwicklung war alles andere als nachhaltig und wird sichnach berwindung der derzeitigen Krise nicht fortsetzen lassen.

    Hinzu kommt, dass die umfassenden Deregulierungen, die unter dem weltweitenSchlachtruf Mehr Markt weniger Staat! in den letzten Jahren nahezu in allenLndern durchgefhrt wurden (Bofinger 2009, S. 85 f.), nichts am Trend eines sich

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    langfristig abflachenden Wachstums gendert haben. Dieser Befund, zusammen mitden sich zuspitzenden kologischen Problemen und dem aktuell noch einmal welt-weit dramatisch einbrechenden Wachstum, sollte Anlass genug sein, das herkmm-liche Wachstumsdenken zu hinterfragen und nach den Ursachen der langfristig ab-nehmenden Wachstumsraten in reifen Industrielndern zu fragen.

    Vom Mangel zum berflussDie Selbstverstndlichkeit, mit der von der Mglichkeit einer Wiederherstellung ho-her Wachstumsraten nach berwindung der derzeitigen Krise ausgegangen wird, isterstaunlich vor allem auch deshalb, weil eine fundierte Begrndung fr die be-hauptete Mglichkeit dauerhaft hoher und in der Tendenz sogar wieder steigenderWachstumsraten, also laufend steigender absoluter Zuwchse, gnzlich fehlt. Hierunterscheiden sich neoliberale oder neoklassische Anstze erstaunlicherweise kaumvon alternativen oder linken. Sofern dieses Desiderat berhaupt als solches emp-funden wird, erfolgt in der Regel lediglich der Hinweis auf zwei Annahmen, die ausangebots- wie nachfrageseitiger Sicht eine weitere Beschftigung mit endogenen

    Wachstumsgrenzen scheinbar obsolet machen:1. Nachfrageseite: Aus unbegrenzten Bedrfnissen folge zwangslufig und unab-hngig von der individuellen Einkommenshhe eine ebenso unbegrenzte Nachfrage,was ein laufend steigendes Bruttoinlandsprodukt sowohl ntig wie auch mglichmache. Aus dieser Sicht erzwingt die menschliche Natur gewissermaen dauerhaf-tes Wachstum.

    2. Angebotsseite: Die Mglichkeiten zu Erfindungen (Inventionen) und deren Um-setzung in marktfhige Produkte (Innovationen) seien zu allen Zeiten gleich undgrundstzlich unbegrenzt. Expansionsgrenzen sind somit auch angebotsseitig aus-

    zuschlieen.Diese Axiome untermauern die unbegrenzte Wachstumsvermutung nur auf den ers-ten Blick. Sie passen zu einer Zeit, als der Mangel noch allgegenwrtig war. Hierhatten sie zweifellos auch ihre Gltigkeit. Fortgeschrittene Industriegesellschaftenstellen jedoch keine Mangelgesellschaften mehr da. Insofern knnen diese Prmis-sen keine berhistorische Gltigkeit beanspruchen. Hierauf weist schon die unber-sehbare Tatsache hin, dass in fortgeschrittenen (reifen) Industriegesellschaftenauf der Angebotsseite ein immer grerer finanzieller, institutioneller, technischerund organisatorischer Aufwand betrieben werden muss, um neue (oder was mandafr hlt) und zustzliche Produkte erfolgreich vermarkten zu knnen.

    Ungeachtet dessen weist wirtschaftliches Wachstum im Verstndnis der Wachs-tumsprotagonisten prinzipiell keinen sinkenden Grenznutzen auf. Wachstum hatdemnach in Mangel- wie in berflussgesellschaften gleich hohe Bedeutung. Es sei inentwickelten Industriegesellschaften genauso notwendig, dringend und mglich, wiees vor der Industriellen Revolution war. Diese Position wurde schon frh von demamerikanischen konomen John Kenneth Galbraith kritisiert (Galbraith 1970). Vonder Nachfrageseite her bestnden somit grundstzlich keine Wachstumsrestriktio-nen. Niedriges Wachstum bei gleichzeitig bestehender Arbeitslosigkeit ist jener Lo-gik zufolge immer entweder Folge zu starker oder zu schwacher oder auch falscherEingriffe des Staates je nach wirtschaftspolitischem Verstndnis. Diese Sichtweisehat in der konomik eine lange Tradition (vgl. Brentano 1924, S. 172 f.; Imo-bersteg 1967, S. 147; Mauner/Klump 1996, S. 22; Siegenthaler 2000, S. 106;Flassbeck/Spiecker 2007, S. 39 f.). Bereits vor einigen Jahren hat der sterreichi-sche konom Helmut Steiner die Kritik an dieser Auffassung wie folgt auf den Punkt

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    reales Bruttoinlandsprodukt(Westdeutschland, in Preisen von 1995)

    reales Bruttoinlandsprodukt bei einem jhrlichen Wachstum von 4% ab 1960

    Quelle: S tatistisches Bundesamt : Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und eigene Berechnungen

    Erwartete und tatschliche Entwicklung des realen BIP 1960-2008 in Westdeutschland

    gebracht: Die atavistischen Verhaltensmuster der Not wirken im berflu fort(Steiner 1999, S. 112). hnlich hatte der Politikwissenschaftler Elmar Altvater kriti-siert: Man will nicht wahrhaben, dass das konomische Wachstum nicht geomet-risch, sondern linear ist und sich mit der Zeit dem Grenzwert Null naturgesetzlichnhert (Altvater 2006, S. 175).

    Ohnehin steht die Annahme eines grundstzlich ebenso mglichen wie ntigen an-

    haltend exponentiellen Wachstums im Widerspruch zur skizzierten empirischenEntwicklung. Angesichts mehr oder weniger hoher Arbeitslosigkeit und tendenziellreduzierter Arbeitszeiten in der Vergangenheit besteht sogar eine wachsende Kluftzwischen dem tatschlichen und dem potentiellen Inlandsprodukt, das sich bei Voll-beschftigung aller Produktionsfaktoren ergeben wrde. Diese Situation kann alsrelative Stagnation verstanden werden: Das tatschliche Inlandsprodukt bleibt hin-ter dem potentiell mglichen zurck. Abb. 3 verdeutlicht diese Konstellation; alspotentielles wird hier zur Veranschaulichung ein exponentielles Wachstum von vierProzent angenommen. Setzt man diesen Expansionspfad, den man bis in die1970er Jahre noch als ebenso normal wie notwendig angesehen hat (Biedenkopf2009, S. 70), ins Verhltnis zum tatschlichen Wachstum, wird die vorherrschende

    Stagnationstendenz deutlich. Nullwachstum stellt dieser Auffassung zufolge lediglicheine extreme Form von Stagnation dar, ist aber keineswegs ein Synonym fr Stag-nation. Wachstum und Stagnation schlieen sich also nicht aus. Entscheidend ist,dass das System tendenziell unter seinen Produktionsmglichkeiten bleibt.

    Abb. 3: Erwartete und tatschliche Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts 19602008 in WestdeutschlandQuelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, eigene Berechnungen

    Warum aber lsst sich eine derartige Stagnationstendenz trotz unterschiedlichsterPolitikanstze in allen fortgeschrittenen Industriegesellschaften mehr oder wenigerausgeprgt beobachten? Bereits in einem 1943 verffentlichten Memorandum hatteder gegenwrtig (freilich mit Blick auf andere Aspekte) zu neuem Ruhm kommende

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    englische konom John Maynard Keynes eine Langfristprognose vorgelegt, die denempirischen Verlauf der Wirtschaftsentwicklung ziemlich exakt vorhergesehen hat(Keynes 1943). Die von Keynes angefhrten Grnde sollten daher gerade heutevon besonderem Interesse sein, um einer Erklrung der beobachteten Entwicklungnher zu kommen.

    Keynes drei Phasen der kapitalistischen Entwicklung

    Whrend des Krieges waren auf Initiative des englischen Finanzministeriums Exper-tenrunden ber konomische Probleme der Nachkriegsentwicklung organisiert wor-den. Mit einem Memorandum, das dem Problem der Arbeitslosigkeit in der Zukunftgewidmet ist, reagierte Keynes auf Diskussionsbeitrge, die aus seiner Sicht nurunzureichend zwischen kurz- und langfristigen wirtschaftspolitischen Anforderungenunterschieden hatten. In diesem drei Jahre vor seinem Tod entstandenen Doku-ment findet sich gewissermaen die Quintessenz seiner langjhrigen wirtschafts-theoretischen und -politischen Erkenntnisse. In kondensierter Form dokumentiertes seine Auffassung grundstzlicher Entwicklungsphasen des Kapitalismus. Fr dieZeit nach dem Krieg sah Keynes drei voneinander abgrenzbare Phasen:

    1. Phase: Hier besteht ein erheblicher Bedarf an Investitionen, um die hohe Nach-frage decken zu knnen, die sich vor allem durch Wiederaufbau, Nachholbedarf undMangel an Grundbedarfsgtern ergibt. Das notwendige Investitionsvolumen liegt indieser Phase deutlich ber dem Sparniveau. Gewinne werden kontinuierlich in neueProduktionsanlagen investiert, sei es, um vorhandene Kapazitten zu erweitern, seies, um neue Produkte auf den Markt zu bringen, fr die hohe Aufnahmebereitschaftbesteht, weil die Haushalte nur unzureichend mit Gtern ausgestattet sind. Die op-timistischen Absatz- und die damit verbundenen Renditeerwartungen (hohe Grenz-leistungsfhigkeit des Kapitals) werden aufgrund der dynamischen Nachfrage ten-denziell erfllt, sodass Gewinne auch wieder kapazittswirksam investiert werden.Das Akkumulationskarussell, also die Abfolge von Gewinnerwartung, Investitionenund Gewinnen, kommt, marktendogen initiiert, in Fahrt und fhrt dazu, dass konti-nuierlich Kapazitten aufgebaut werden. Die hohen Wachstumsraten ermglichenden Unternehmern hohe Gewinne und lassen die Beschftigung steigen. HhereRealeinkommen bescheren dem Staat wachsendes Steueraufkommen, das wieder-um zur Steigerung der kollektiven Wohlfahrt, zum Ausbau der Infrastruktur, zurAbsicherung und Erweiterung der sozialen Sicherungssysteme und so weiter ver-wendet werden kann.

    Um inflationre Tendenzen zu unterdrcken, bedarf es nach Keynes in dieser Phaseeiner Wirtschaftspolitik, die einerseits die Hhe des Investitionsvolumens mittelsgeeigneter Kontrollen reguliert und andererseits auch nicht vor Bewirtschaftungs-manahmen zurckschreckt, um den Konsum zu dmpfen und damit Ersparnisbil-dung und Investition zu frdern. Vordringlichste Aufgabe der Wirtschaftspolitik die-ser Phase ist es, dazu beizutragen, dass der hohe Kapitalbedarf fr Investitionengedeckt werden kann. Dieser Zeitabschnitt lsst sich als die Investitions- undWachstumsphase des (Nachkriegs-)Kapitalismus bezeichnen.

    2. Phase: Sie markiert den bergang in ein grundstzlich verndertes Investitions-regime. Das notwendige Investitionsvolumen entspricht weitestgehend der ge-samtwirtschaftlichen Sparquote. Einerseits nimmt mit dem Rckgang renditetrch-tiger Investitionsgelegenheiten die Investitionsbereitschaft ab, so dass es zu einem

    nachlassenden privatwirtschaftlichen Kapitalbedarf kommt, andererseits sind diedrngendsten Bedrfnisse zunehmend befriedigt, was eine hhere Ersparnisbildungnach sich zieht.

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    Da der relativ abnehmenden konsumtiven Nachfrage ein relativer Rckgang derprivatwirtschaftlichen Investitionsttigkeit entspricht, geht Keynes davon aus, dassbereits in dieser Phase zur Aufrechterhaltung eines hohen Beschftigungsstandesein nicht unbetrchtlicher Teil aller Investitionen von ffentlichen Stellen entwederselbst gettigt oder zumindest von ihnen beeinflusst werden muss. Als positivenNebeneffekt eines solchen sukzessiven bergangs von einem privatwirtschaftlichen

    zu einem gesamtgesellschaftlich ausgerichteten ffentlichen Investitionsregimesieht Keynes die Glttung von strkeren Wirtschaftsschwankungen: Wenn zweiDrittel oder drei Viertel aller Investitionen gettigt sind oder von ffentlichen oderhalbffentlichen Krperschaften beeinflusst werden knnen, sollte ein langfristigesund solides Programm in der Lage sein, den mglichen Schwankungsbereich vonwirtschaftlichen Fluktuationen in wesentlich engeren Grenzen zu halten als frher,als ein kleinerer Teil der Investitionen unter ffentlicher Kontrolle stand und sogardieser Teil die Tendenz hatte, den Schwankungen im strikt privaten Sektor derWirtschaft zu folgen, statt sie zu korrigieren (Keynes 1943, S. 161 f.). Dieser Zeit-abschnitt lsst sich als bergangsphase vom Wachstums- in das Stagnationsstadi-um bezeichnen.

    3. Phase: Dieser Abschnitt ist von einem im Vergleich zum Investitionsvolumen (aufVollbeschftigungsniveau) hheren Sparniveau als Ausdruck einer sinkenden Att-raktivitt des Konsums infolge einer zwischenzeitlich erreichten hohen Gteraus-stattung der Haushalte geprgt. Sttigungstendenzen auf einer grer werdendenZahl von Mrkten lassen bislang eindeutige Nachfragesignale immer undeutlicherund uneinheitlicher werden, sodass fr Investoren die sichere Kalkulationsgrundla-ge frherer Zeiten fehlt. Fr den einzelnen Unternehmer steigt die Unsicherheit -ber Mglichkeiten und Richtungen zuknftigen Absatzes, sodass privatwirtschaftli-che Investitionen an Dynamik verlieren.

    Die Wirtschaftspolitik auf dieser Stufe muss im Gegensatz zur ersten Stufe zunchstfr einen hohen und wie Keynes ausdrcklich betont sinnvollen Konsum sor-gen und so einer tendenziell zu hohen Ersparnis entgegenwirken. Allerdings siehtKeynes hierfr nur begrenzte Mglichkeiten. Viel eher sei davon auszugehen, dassdie Investitionsttigkeit vom Volumen her so weit abnehmen werde, dass sie ir-gendwann allein aus den Abschreibungen finanziert werden knne. Keynes greifthier das Bild einer Gesellschaft auf, die in zunehmendem Mae endogen hinter ih-ren Produktionsmglichkeiten zurckbleibt, also weniger akkumuliert und produ-ziert, als sie akkumulieren und produzieren knnte. Dies macht vor allem vor demHintergrund des gleichzeitig voranschreitenden Produktivittsfortschritts eine suk-zessive Verkrzung der Arbeitszeit unumgnglich und ermglicht mehr Freizeit. Aufdieser Entwicklungsprognose grndet sich auch die Charakterisierung dieser Phaseals goldenes Zeitalters (Keynes 1943, S. 162). Am Horizont sah Keynes deutlichdie Umrisse einer Gesellschaft ohne weiteres Wachstum hervortreten.

    Damit wird auch klar, dass es eine schwerwiegende Fehleinschtzung ist, den Key-nesianismus auf eine Technik der antizyklischen Fiskalpolitik zu reduzieren, wie esin konomischen Lehrbchern an der Tagesordnung ist. Einer solchen Politik kommtlediglich in einer frheren Entwicklungsphase Bedeutung zu. Langfristig stellt derKeynesianismus eine Stagnationstheorie der langen Frist dar (Zinn 1994, S. 63ff.; Reuter 2000, S. 151162, Reuter 2004).

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    Stagnation als Wende zum Genug

    So weitsichtig diese Perspektive aus heutiger Sicht erscheint, so vage bleiben den-noch die genaueren Grnde, die Keynes zu seiner langfristigen Stagnationsprogno-se bewogen haben. Wie an anderer Stelle deutlich wird, geht Keynes von einer Un-terscheidung zwischen absoluten (oder unbedingten) und relativen (oder beding-ten) Bedrfnissen aus. Erstere wie das Bedrfnis nach Nahrung unterliegenzweifellos der Sttigung. Relative Bedrfnisse dagegen wie das Bedrfnis nachGeltung und Luxus sind nicht zu sttigen. Mit Blick auf Letztere unterstellt Keynesnun aber, dass diese im Zuge der sich entwickelnden berflussgesellschaft eineimmer geringere Rolle spielen werden. Die zunehmende Sttigung der absolutenBedrfnisse wird immer weniger durch die Befriedigung relativer Bedrfnisse kom-pensiert werden knnen. Im Ergebnis wird das Wachstum zunehmend gedmpft: Es

    mag bald ein Punkt erreicht sein, vielleicht viel eher, als wir uns alle bewusst sind,dass wir es vorziehen, unsere weiteren Krfte nicht-wirtschaftlichen Zwecken zuwidmen (Keynes 1930, S. 140).

    Eine derartige normative Begrndung langfristig zurckgehender Nachfrage undeines daraus folgenden zurckgehenden Wachstums ist allerdings nicht frei vonProblemen. Deshalb wird im Folgenden in Ergnzung der Keynesschen Argumenta-tion zu zeigen versucht, dass es keine notwendige Voraussetzung ist, Bedrfnissefr ganz oder teilweise begrenzt zu halten, um soziokonomische Grenzen desWachstums, abnehmende Wachstumsraten oder wirtschaftliche Stagnation in ent-wickelten Industriegesellschaften begrnden zu knnen. Unbegrenzte Bedrfnisseund endogene Grenzen des Wachstums stellen entgegen weitverbreiteter Meinungkeinen Widerspruch dar. Die wichtigsten Aspekte einer endogen erfolgenden Wen-de zum Genug lassen sich knapp wie folgt umreien (vgl. hierzu ausfhrlich Reuter

    2000, S. 376419)1. Nicht jedes Bedrfnis fhrt automatisch zu einem konomischen Bedarf. So ziehtetwa das Bedrfnis nach Schlaf keinen konomischen Bedarf nach sich. Auch kannein und dasselbe Bedrfnis wie etwa das nach Erholung und Entspannung aufverschiedenste Art und Weise befriedigt werden durch Miggehen ebenso wiedurch aufwendige Urlaubsreisen. Der erste Fall der Bedrfnisbefriedigung bedarf imGegensatz zum zweiten keiner oder allenfalls einer geringen Inanspruchnahme vonProduktionsfaktoren, hat demnach wie auch die Befriedigung des Vorsorgebedrf-nisses durch Ersparnisbildung auch keine oder nur marginale Auswirkungen aufdas Sozialprodukt. Aus unbegrenzten Bedrfnissen resultiert also nicht automatischund notwendigerweise eine immer hhere Nachfrage nach wirtschaftlicher Leistung.Entscheidend ist, wie sich Bedrfnisse im historischen Verlauf in konkreten Bedar-fen artikulieren. Dies kann zu einer hheren Nachfrage nach wirtschaftlichen Gternfhren, muss aber nicht (Maslow 1954/1978, S. 59).

    2. Menschliches Handeln ist institutionell rckgebunden. Ein als normal angesehe-nes Wachstum von drei oder vier Prozent pro Jahr also ein exponentieller Wachs-tumsverlauf wrde binnen weniger Jahrzehnte aufgrund der enormen Steigerungder absoluten Zuwchse eine rasante Vernderung der Konsum- und Lebensge-wohnheiten erforderlich machen. Ein dreiprozentiges (vierprozentiges) Wachstumeines Sozialproduktes in Hhe von einer Billion Euro bedeutet eine Zunahme um 30(40) Milliarden Euro im ersten Jahr. Nach nur zehn Jahren erfordert dasselbe pro-zentuale Wachstum eine Steigerung des Sozialprodukts von einem Jahr auf dasnchste um rund 39 (57) Milliarden Euro, nach zwanzig Jahren bereits um rund 53(84) Milliarden Euro, nach 50 Jahren bereits um 128 (273) Milliarden Euro. Damit

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    wrde sich die paradoxe Situation ergeben, dass das einzig Bestndige gewisser-maen die immer schnellere Vernderung sein wrde.

    Weil Institutionen fr den Menschen eine lebensnotwendige Entlastungsfunktionhaben, die ihn in einer immer komplexer werdenden Welt zum Handeln befhigen(Gehlen 1956/1986), dies aber auf der anderen Seite bedeutet, dass institutionali-sierte Verhaltensweisen, also auch Konsumgewohnheiten, eine groe Trgheit und

    Beharrungskraft an den Tag legen, muss exponentielles Wachstum frher oder sp-ter an dieser Conditio humana scheitern (Scitovsky 1977). In einer alternden Ge-sellschaft, die die Realitt aller entwickelten Industriegesellschaft darstellt, stelltsich dieses Problem sogar mit besonderem Nachdruck. Es ist ein bekanntes Phno-men, dass technische Neuerungen von der lteren Generation deutlich weniger zurKenntnis genommen werden, geradezu eine Technikaversion vieler lterer Men-schen (Kaapke u.a. 2005, S. 108) zu beobachten ist. Damit knnen sich neueTechnologien in alternden Gesellschaften allenfalls langsam, im Extremfall nur ge-nerationenbergreifend durchsetzen.

    Die Tatsache, dass fr entwickelte Industrielnder statt erwarteter exponentieller

    nur weitgehend lineare Wachstumsverlufe also jhrlich gleichbleibende absoluteZuwchse charakteristisch sind (Afheldt 1994), korrespondiert mit den beschrie-benen institutionellen Grenzen des Wachstums. Vor dem Hintergrund dieser institu-tionentheoretischen Deutung von Wachstumsprozessen knnen die im empirischenTrend generell abnehmenden Wachstumsraten nicht auf Wachstumsschwche,

    mangelnde Innovationsfhigkeit, zu hohe Kostenbelastung der Wirtschaft oderhnliches zurckgefhrt werden. Vielmehr scheinen sich hierin lediglich institutio-nell rckgebundene Verhaltensmaximen widerzuspiegeln, die nicht oder nur in en-gen Grenzen der wirtschafts-, werbe- und innovationspolitischen Steuerbarkeit un-terliegen.

    3. Die Unterscheidung von Bedrfnissen auf der einen und historisch und rumlichrckgebundenem Bedarf auf der anderen Seite erffnet einen relativistischen Blickauf die Wachstumswirkung von Innovationen im Zuge des technischen Fortschritts.Vor dem Hintergrund, dass ein Bedrfnis auf verschiedene Art und Weise befriedigtwerden kann, verndert sich der Blick auf technologische Innovationen, dem an-geblich unerschpflichen Wachstumsmotor. hnlich wie bei den Bedrfnissen lsstsich zeigen, dass aus der Vorstellung, die technische Entwicklung kenne keineGrenzen, nicht zwangslufig eine Wachstumsnotwendigkeit folgt (Schaaff 1990).Sobald nmlich neue Produkte alte substituieren, also vorhandene Bedrfnisse le-diglich besser oder zumindest anders befriedigen als bisher, reduziert sich dieWachstumswirkung auf den Saldo des Aufwands von alter und neuer Produktion.Kann die Produktinnovation einen konkreten Bedarf mit geringerem Aufwand anProduktionsfaktoren (Arbeit und Natur) befriedigen, ist die Wachstumswirkunglangfristig sogar negativ. Sobald ein neues Produkt ein altes vollkommen substitu-iert (z.B. Schellack- und Vinyl-Schallplatten durch Compact Disks und gegenwrtigdiese wiederum durch verschiedene Formen rein elektronischer Speicherung, etwaim MP3-Format), kommt es ber kurz oder lang zu einem umfassenden Produkti-ons- und Beschftigungsabbau in dem alten Produktionsbereich, dem aber kein imUmfang gleichwertiger Produktions- und Beschftigungsaufbau in dem innovativenProduktionsbereich gegenbersteht, jedenfalls nicht gegenberstehen muss.

    Daher sind Produktinnovationen nicht notwendigerweise eine Kompensation fr denlangfristig wachstumsdmpfende Effekte von Prozessinnovationen. Eine langfristigeSteigerung der Produktion und damit des Wachstums wre nur denkbar, wenn indem Mae, in dem durch Substitutions- und Rationalisierungseffekte Einsparungenentstehen, die nicht dauerhaft durch Absatzsteigerungen aufgefangen werden kn-

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    nen, an anderer Stelle grundstzlich neue Gebrauchsgter geschaffen und abge-setzt werden knnen, die keine Verdrngung bestehender Produkte nach sich zie-hen.

    Die Geschichte der Technik deutet allerdings darauf hin, dass es derartige, als re-volutionr zu bezeichnende Innovationen immer weniger gibt. Es fllt sogarschwer, berhaupt Produkte zu identifizieren, die in der jngeren Vergangenheit

    grundstzlich neue Gebrauchswerte geschaffen haben. Vielmehr scheint die Ent-wicklung von Produktinnovationen auf hohem Versorgungsniveau die Einschtzungvon Gertrud Neuhauser zu besttigen, dass jeweils nur alte Bedrfnisse auf neueArt und oftmals mit geringerem Einsatz von Produktionsfaktoren (wie ein Ver-gleich von Grammophon und MP3-Player zeigt) befriedigt werden (Neuhauser1964).

    4. Offensichtlich sind der Entwicklung grundstzlich neuer Produkte, die den sekt-oralen Sttigungs- wie globalen Einspareffekten adquat entgegenwirken knnen,nicht nur von der Angebotsseite her Grenzen gesetzt. Hierauf macht insbesonderedie Konsumforschung aufmerksam. Mit abnehmender Dringlichkeit des Konsums

    und dem Anstieg der disponiblen Einkommen nimmt die Heterogenitt des Verbrau-cherverhaltens zu. Selbst umfangreiche Marktstudien vermgen die ausufernde He-terogenitt des Verhaltens der Konsumenten nicht mehr zu fassen (Wiswede 1990),sodass die Einfhrung neuer Produkte zum konomischen Glcksspiel wird und dieFlop-Rate ins Unermeliche (Eggert 1997, S. 163) steigt. Man stelle sich in demZusammenhang nur allein vor, welche Auswirkungen es auf die Wirtschaftsleistunghaben wrde, wenn keinerlei Werbemanahmen mehr unternommen wrden: NachAngaben der Werbewirtschaft liegen die Ausgaben fr Werbung (Personal- und Ma-terialaufwand inklusive Schaltkosten) in Deutschland bei rund 30 Milliarden Euro imJahr 2008 und damit in der Grenordnung des jhrlichen realen Zuwachses desdeutschen Bruttoinlandsprodukts (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft

    (ZAW) 2008).Die in reifen Industriegesellschaften zu beobachtende Verschlechterung der Akku-mulationsbedingungen des Kapitals infolge nachfrage- wie angebotsseitig bedingtwachsender Unsicherheiten ist als unumkehrbare Beeintrchtigung unternehmeri-schen Handelns zu werten, die Unternehmern und Investoren frherer Epochengnzlich unbekannt war. Hieraus kann auf eine weitere Wachstumshrde geschlos-sen werden, die immer schwerer zu berwinden ist. Auch Keynes (1983, S. 266)hatte das Moment der Unsicherheit infolge zunehmender Bedrfnissttigung und -differenzierung zu einer Grundlage seiner Investitionstheorie gemacht und hiermitseine Stagnationsprognose untermauert (Zinn 1994, Reuter 2004).

    5. Der stndigen Erweiterung des Konsumgterangebots als notwendige Bedingungdes Wachstums steht als definitiv limitierender Faktor die nur begrenzt verfgbareZeit entgegen.Obwohl Bedrfnisse nie an ein Ende gelangen, sind sie mit Blick auf den Faktor Zeitimmer begrenzt . So ist das Bedrfnis nach Nahrung beispielsweise zwar grundstz-lich unbegrenzt, dennoch hat der Bedarf nach Nahrungsmitteln eine natrliche O-bergrenze je Zeiteinheit. Auch kostet Konsum Zeit und verursacht Opportunitts-kosten. Der Nutzen einer zustzlichen Einheit Konsum kann ab einem bestimmtenPunkt die Opportunittskosten der Erwerbsarbeit, die der Kauf dieser Einheit vor-aussetzt, nicht mehr kompensieren, sodass bei tatschlicher, empfundener oderdrohender Zeitnot (Eggert 1997, S. 194) Freizeit zur Steigerung der individuellenWohlfahrt an Attraktivitt gewinnt.

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    Auch gibt es innerhalb der Konsumsphre bei stndiger Vermehrung des Konsum-gterangebots zeitbedingte Grenzen der Konsumtionsfhigkeit. Opportunittskostensind auch bei der Entscheidung zu bercksichtigen, ob die begrenzte Zeit konsum-intensiv verbracht werden soll oder nicht (Guggenberger 1989). Jede Entscheidungfr den Erwerb und die Nutzung eines Produkts geht darber hinaus zeitlich zu Las-ten von Kauf und Nutzung anderer Konsumgter.

    Als Summe dieser berlegungen zeigt sich: Auch wenn durch die Einbeziehung be-drfnistheoretischer Fragestellungen nicht im Sinne eines strengen Beweises nach-gewiesen werden kann, dass die Entwicklung von Bedrfnissen, Bedarf und Nach-frage im historischen Zeitablauf notwendigerweise zu wirtschaftlicher Stagnationfhrt, erscheint doch die Feststellung gerechtfertigt, dass unbegrenzte Bedrfnissenicht notwendigerweise einen Antrieb fr unbegrenztes wirtschaftliches Wachstumdarstellen. Mehr noch: Die vielschichtige Diskussion der Bedrfnisproblematik fr-dert endogene Entwicklungstendenzen zutage, die auf wachstumsdmpfende odereben stagnative Konsequenzen fr Volkswirtschaften auf hohem Produktions- undProduktivittsniveau schlieen lassen. Vor diesem Hintergrund lassen sich niedrigeoder zurckgehende Wachstumsraten in entwickelten Industrielndern anders be-

    werten: nicht als Versagen wirtschaftlicher Leistungsfhigkeit, sondern umgekehrtals Resultat vorangegangener erfolgreicher wirtschaftlicher Expansion (Zinn 1994).

    Die spezifische kapitalistische Entwicklung weist allerdings noch eine weitere, sys-temspezifische Wachstumsbremse auf: Die Voraussetzung dafr, dass konomi-scher Bedarf in kommerzielle Nachfrage mndet, ist finanzielle Kaufkraft. In dermarktwirtschaftlichen Dynamik liegt aber die Tendenz einer sich zunehmend polari-sierenden Einkommens- und Vermgensverteilung. Diese bringt das Phnomen re-lativer Sttigung bei gleichzeitig unerfllten Bedarfen in ein und derselben Gesell-schaft hervor (Zinn 2006). Sttigungstendenzen und steigende Ersparnisbildung inden oberen Einkommensschichten fhren zu sinkender gesamtwirtschaftlicher

    Nachfrage und verursachen einen Mangel an Kaufkraft in den unteren Einkommens-schichten, was zusammengenommen zu einer unter den produktionstechnischenMglichkeiten zurckbleibenden, also gewissermaen vorzeitig stagnierenden wirt-schaftlichen Entwicklung beitrgt. Auch hierauf hatte bereits Keynes hingewiesenund in diesem Zusammenhang den Begriff der ruberischen Ersparnis (predatorysaving) geprgt (Keynes 1933).

    Durch konsequente Umverteilungspolitik lsst sich daher je nach Ausma der er-folgten Umverteilung und der Konzentration von Einkommen und Vermgen durch eine Strkung der privaten Nachfrage fr einen bergangszeitraum hheresWachstum erzielen. Die Trendlinie in Abbildung 2 wrde so nach oben verschoben.Durch eine Umverteilungspolitik von den Schichten, die ber eine hohe Kaufkraft,aber niedrigen Bedarf verfgen, zu den Schichten, die noch ber einen hohen Be-darf, aber kaum Kaufkraft verfgen, knnen auf diese Weise Stagnationstendenzenhinausgeschoben werden. Dauerhaft aufgehoben werden knnen sie jedoch nicht.

    konomische Zeitenwende notwendig

    Der Befund, dass der skulare Wachstumsrckgang nicht als Betriebsunfall alsFolge falscher konjunktureller Steuerung, fehlerhafter wirtschaftspolitischer Wei-chenstellungen, eines berbordenden (Sozial-)Staats, zu umfassender Regulie-rung und dergleichen , sondern als Folge der Entwicklung privatwirtschaftlicherKonsumtions- und Investitionsprozesse zu verstehen ist, erfordert eine konomi-sche Zeitenwende (Steiner 1999, S. 64) in Wirtschaftstheorie und Wirtschafts-politik.

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    Auf theoretischer Ebene folgt hieraus an oberster Stelle die Konsequenz, grundstz-lich zwischen (Smithschen) Mangel- und (keynesianischen) berflussgesellschaftenzu unterscheiden. In Lndern, in denen Menschen aufgrund der Entwicklung derProduktivkrfte (noch) nicht in der Lage sind, ihren berlebensbedarf zu erwirt-schaften, kommt dem wirtschaftlichen Wachstum eine zentrale Bedeutung zu. MitBlick auf diese Gesellschaften muss die Frage der frhen (klassischen) Nationalko-

    nomie im Vordergrund stehen, wie das Wachstum der Wirtschaft, die Effizienzmenschlicher Aktivitten durch technologische, institutionelle und organisatorischeVernderungen maximal gesteigert werden kann, wie also das Stadium des takeoff (Walt W. Rostow) mit nachfolgender wirtschaftlicher Expansion erreicht werdenkann. Wirtschaftspolitik in diesen Gesellschaften muss vorrangig Wachstumspolitiksein, die auf die Befriedigung der Grundbedrfnisse gerichtet ist. An die Qualittdieser Wachstumspolitik mssen jedoch anders als zu Zeiten Adam Smiths heu-te vergleichsweise hohe Anforderungen hinsichtlich der Umweltvertrglichkeit desWachstumspfades gestellt werden, sollen eintretende Wachstumserfolge nichtschnell in eine globale Umwelt- und Klimakatastrophe mnden (Galtung 1985,Stern 2006).

    Eine dezidierte Wachstumspolitik hat mit Blick auf Mangelgesellschaften also eineherausragende Bedeutung, whrend sich in reifen Industriegesellschaften die sozio-konomischen Grundlagen zunehmend wandeln. In der bergangsphase vomWachstums- in das Stagnationsstadium muss Wachstumspolitik eine ganz andereQualitt erhalten. Ob Wachstum generiert werden kann, hngt in dieser Phase zu-nehmend davon ab, einkommensschwache Schichten mit Kaufkraft auszustatten,da diese noch umfassend unbefriedigte Bedarfe und damit eine hohe Konsumquotehaben. Ebenso ist es von groer Bedeutung, einen hohen Versorgungsgrad mit f-fentlichen Gtern sicherzustellen, wie es auch Keynes fr das Ende der zweitenPhase gefordert hat. Im ersten Fall muss durch eine erfolgreiche Umverteilungspoli-

    tik der private Konsum belebt werden, im zweiten Fall sind ffentliche Konjunktur-und Investitionsprogramme notwendig. Herkmmliche neoliberale Wachstumspoli-tik, die sich mangels Erfolgen in eine immer strkere Spirale aus Deregulierung,Flexibilisierung und Entstaatlichung begibt, wird dagegen zunehmend kontrapro-duktive Effekte zeitigen (berproduktionskrisen) oder vermehrt zu Lasten des kol-lektiven Wohlstands (Umweltverschmutzung) und der menschlichen Entwicklunggehen (Mishan 1967).

    Auf lngere Sicht kann in reifen Industriegesellschaften die Lsung konomischerProbleme jedoch immer weniger allein von der Herstellung dauerhaft hoher Zu-wchse der rein quantitativen Gre Bruttoinlandsprodukt abhngig gemacht wer-den. Dies gilt insbesondere fr die Bekmpfung der Massenerwerbslosigkeit. Dasich der dekadenbergreifende Trend abnehmender Wachstumsraten aus den ge-nannten Grnden durch eine erfolgreiche Umverteilungspolitik und eine massiveAusweitung ffentlicher Ausgaben zwar bremsen, nicht aber wird umkehren lassen,kann Arbeitslosigkeit als Geiel der Menscheit langfristig nur mit Instrumentenbekmpft werden, die Beschftigungseffekte auch ohne oder bei geringem Wachs-tum hervorbringen. Solche Manahmen betreffen alle Mglichkeiten einer anderenVerteilung des vorhandenen Arbeitsvolumens, also wchentliche Arbeitszeitverkr-zungen, Sabbaticals, niedrigere Renteneintrittsalter und so weiter. Bis in die1980er-Jahre hinein wurden solche Strategien noch verfolgt, und es bestand einbreiter gesellschaftlicher Konsens, dass ber eine bessere Verteilung der vorhande-nen Arbeit dem Phnomen der Massenarbeitslosigkeit wirksam entgegengewirktwerden kann. Interessanterweise gab und gibt es offensichtlich mehr Anhnger derNotwendigkeit von Arbeitszeitverkrzung als Anhnger der Sttigungsthese, obwohlbeides unmittelbar miteinander zusammenhngt: Wer Arbeitszeitverkrzung als

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    Lsung zur Bekmpfung der Arbeitslosigkeit fordert, vertritt automatisch wennauch vielfach uneingestanden die Sttigungsthese. Hierauf haben krzlich HeinerFlassbeck und Friederike Spiecker hingewiesen: Den meisten Befrwortern der Ar-beitszeitverkrzung als Mittel zur Bekmpfung der Arbeitslosigkeit ist zwar nichtklar, dass sie eigentlich Anhnger dieses Wachstumspessimismus sind, das hindertuns aber nicht daran, auf diese logische Konsequenz hinzuweisen (Flass-beck/Spiecker 2007, S. 38). Dieser bislang in Wirtschaftstheorie wie -politik kaum

    gesehene, geschweige denn thematisierte Widerspruch zeigt, dass es noch erhebli-chen Diskussionsbedarf hinsichtlich notwendiger wirtschaftspolitischen Handlungs-mglichkeiten in reifen Industriegesellschaften gibt.

    Mittlerweile ist es dem Mainstream in Politik und konomik aber ohnehin gelungen,eine vllige Wende in der Beurteilung von Arbeitszeitverkrzung herbeizufhren.Paradoxerweise gilt heute selbst bis in Beschftigtenkreise hinein Arbeitszeit verln-gerung als Beitrag zur Lsung der Arbeitsmarktkrise und wird vermutlich im Kon-text der aktuellen Krise weiter an Bedeutung gewinnen.

    Vollbeschftigung ohne Wachstum?Da die Wachstumsoption als einfache Lsung zunehmend ausfllt, mssen alterna-tive Lsungsmglichkeiten strker gegen den konomische Mainstream in den Fo-kus gerckt werden. Die zugrunde liegende Leitfrage muss lauten: Wie lsst sich

    Vollbeschftigung und damit Einkommen fr die Erwerbsbevlkerung in entwickel-ten Industriegesellschaften langfristig ohne die Notwendigkeit einer exponentiellenSteigerung des jhrlichen Sozialprodukts beziehungsweise mit nur geringemWachstum herstellen?

    Eine weitere wichtige Konsequenz der geschilderten Wachstumsgrenzen liegt darin

    anzuerkennen, dass gerade eine neoliberale Angebotsstrategie etwa durch Entlas-tung der Unternehmen von Lohn(neben)kosten und Steuern, also durch eine Um-verteilung von Staatshaushalt und Arbeitseinkommen zu den Unternehmensgewin-nen das ungeeignetste Mittel darstellt, mehr Wachstum und weniger Arbeitslosig-keit zu erreichen. Aufgrund der hiermit verbundenen Schwchung der Massenein-kommen und damit des privaten Konsums wrde die wirtschaftliche Entwicklungsogar zustzlich gebremst.

    Solange die Rckkehr zu hohen Wachstumsraten auch unter den Bedingungen rei-fer Industriegesellschaften als prinzipiell machbar gilt, besteht die Gefahr, dassniedrige oder sogar weiter zurckgehende Wachstumsraten als Ausweis einer zu

    starken Belastung der Wirtschaft mit Steuern, Abgaben und staatlichen Regulie-rungen interpretiert werden, was unternehmerische Initiative verhindere, zumindestaber behindere. Mit anderen Worten: Solange das Wachstum des Bruttoinlandspro-dukts nicht wieder auf hhere Niveaus steigt, wird weiter Druck in Richtung Entlas-tung, Flexibilisierung und Deregulierung gemacht. Auf diese Weise droht die Entlas-tungsspirale von Steuer-, Arbeitskosten- und Abgabensenkungen weiter beschleu-nigt zu werden, was einerseits die Binnennachfrage, andererseits die Steuerbasisund damit die Handlungsfhigkeit des Staates nachhaltig schwcht (Eicker-Wolf/Truger 2006) ohne dass sich kompensierende dauerhafte Wachstumserfolgeeinstellen. Frher oder spter trifft dies auch die Produktionsbedingungen der priva-ten Wirtschaft negativ etwa aufgrund fehlender oder erodierender Infrastruktur,schlechter Bildungsstandards, sich weiter verschlechternder Absatzbedingungen ,sodass der gesamtgesellschaftliche Effekt selbst aus Sicht der Unternehmen lang-fristig kontraproduktiv ist.

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    Zeitwohlstand als Zukunftsdividende

    Stagnation wurde im Vorangegangenen als endogener Prozess entwickelter Indust-riegesellschaften definiert und begrndet. Dabei wurde zwischen der langfristigenGrundtendenz und der darber hinausgehenden gewissermaen vorzeitigen Herbei-fhrung von Stagnation unterschieden. Letzterer ist durch eine Strkung der Mas-

    senkaufkraft mittels Umverteilung und hheren Staatsausgaben zu begegnen.Langfristig wird sich aber aufgrund der geschilderten Grundtendenz der Stagnati-onstrend nicht brechen lassen. Dies hat ausdrcklich nichts mit einer Propagierungeiner Wende zum Weniger zu tun, sondern stellt eine Diagnose einer sukzessivsich vollziehenden Wende zum Genug dar.

    Grundstzlich steht die konomik damit vor der Aufgabe, die Ziele wirtschaftlichenHandelns in der berflussgesellschaft neu zu definieren. Wird Immer mehr alsletzter Sinn solchen Handelns und als natrliche Konsequenz menschlicher Bedrf-nisbefriedigung legitimiert, werden nicht nur die damit verbundenen kologischenProbleme negiert, sondern auch ein Zusammenhang zwischen Bedrfnisbefriedi-

    gung und wirtschaftlichem Wachstum konstruiert, der so nicht existiert. Produktivi-ttsfortschritte fhren bei zunehmenden relativen Sttigungstendenzen immer we-niger zu Wachstumseffekten und damit zu Wohlstandsgewinnen. Im Gegenteil: Pro-duktivittsfortschritte schlagen sich dann vor allem in wachsender Arbeitslosigkeitnieder. In Zukunft muss es daher gelingen, den Produktivittsfortschritt vermehrtfr unterschiedliche Formen von Arbeitszeitverkrzung zu nutzen und somit freine neue Wohlstandsdimension, den Zeitwohlstand. Genau dies hatte Keynes imBlick, als er 1943 schrieb (Keynes 1943, S. 162): Es wird notwendig sein, sinnvol-len Konsum zu frdern, Sparen zu missbilligen und einen Teil des unerwnschtenberangebots durch vermehrte Freizeit zu absorbieren, mehr Urlaub (welches einwunderbar angenehmer Weg ist, Geld loszuwerden) und krzere Arbeitszeiten.

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    Diese Studie von Dr. Norbert Reuter erschien zuerst in: Wissenschaft & Umwelt interdisziplinr Nr. 13 / 2009, S. 176-188.