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Das Selbst als interkulturelles

Kompetenzzentrum

Ein zeitdiagnostischer Blick auf die wuchernde

Diskursivierung einer ›Schlüsselqualifikation‹ 

JÜRGEN STRAUB 

»Ach, die anderen! Sie reden über nichts sonst. Die

Differenz, die Alterität, das Multikulturelle. Das ist

ihr Dada. […] Diese ganze kulturelle Geschäftema-

cherei, die Kolloquien, die Interviews, die Seminare,

warum? Nur um sich gegenseitig zu versichern, daß

man über dieselbe Sache spricht. Worüber nämlich?

Über das Anderssein. Einstimmigkeit über den

Grundsatz, daß Einstimmigkeit suspekt ist. […] Was

der kulturelle Kapitalismus entdeckt hat, ist der Marktder Singularitäten« (Jean-François Lyotard 1998:

15f.).

1. ZEITDIAGNOSTISCHE AMBITIONEN 

Zeitdiagnosen haben häufig einen etwas merkwürdigen Tenor. In allerRegel pflegen sie, unabhängig von ihren weltanschaulichen Bindun-gen, normativen Positionen und politischen Perspektiven, einen kriti-

 schen Ton, und manchmal strotzen sie regelrecht vor Selbstgewissheit.Sie vindizieren die Überlegenheit ihrer Autorin oder ihres Autors undladen die Leserschaft zur Identifikation mit dem Adlerblick aus hoher

Warte ein. In Zeitdiagnosen meldet sich stets eine Stimme zu Wort,die es besser zu wissen meint und den Anspruch erhebt, zutreffender

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 3

zu sagen, wie es um die gegenwärtige Lage bestimmter Leute, um eine

Gesellschaft und Kultur oder sogar die Welt im Allgemeinen bestellt

ist. Die analogische Verwendung des aus der Medizin stammendenBegriffs der Diagnose legt es nahe, dass überwiegend Missstände

festgestellt werden, etwa in der Gestalt von (psychologisch, soziolo-gisch oder philosophisch artikulierten) Sozialpathologien oder dernotorischen Verletzung von kulturellen Werten wie Freiheit, Würde

und Ehre, Gleichheit, Gerechtigkeit oder Verantwortung, wodurchgeschätzte Lebensformen ebenso zerbrechen können wie durch die

Gefährdung habitualisierter ästhetischer Prinzipien der Lebensführung.Wenn es nicht grundlegende und totale Miseren sind, für die  pars pro

toto die in der Anamnese und Diagnose fokussierten Phänomene ste-hen, so werden zumindest einige veritable Herausforderungen oder

eminente Probleme identifiziert, die die betroffenen Menschen inneuer Weise in Anspruch nehmen. Mitunter versammelt der Zeitdiag-nostiker zu diesem Zweck nicht nur verfügbares (wissenschaftliches

und anderes) Wissen, sondern demonstriert auch eine ›seismographi-sche‹ Sensibilität, spekulative Phantasie und individuelle Urteilskraft,die ihn oder sie (angeblich) weit über den Tellerrand normaler Leute

hinausschauen lassen.1 Mindestens ebenso wichtig wie die Interesse weckende, detaillierte

 Beschreibung  und die plausible theoretische Erklärung  der diagnosti-

zierten Lage ist der  Blick in die Zukunft und eine therapeutische Re-

 zeptur : Aus der (nur manchmal methodisch seriösen) empirischen

Bestandsaufnahme wird in aller Regel ›extrapoliert‹ und sodann prog-nostiziert, wo das alles noch hinführen wird und wo es fortan langgehen sollte, wenn man tatsächlich aus der festgestellten Misere her-ausfinden möchte. Zeitdiagnosen sind komplexe performative Akte mit

 Appellstruktur : Sie ermahnen die Adressaten zur Besinnung und Um-kehr und weisen sogleich den Weg zur Besserung, vielleicht mehrere begehbare Routen. Selbst dort, wo Unübersichtlichkeit ausgemacht

wird, gibt es also wenigstens die eine oder den anderen, die noch

1 Zum Genre der wissenschaftlichen Zeitdiagnose vgl. die Einführung in ein

einschlägiges Themenheft, wo  –   vor allem unter Bezugnahme auf Uwe

Schimank und Ute Volkmann (Schimank/Volkmann 2000; Volk-

mann/Schimank 2002) sowie Walter Reese-Schäfer (1996)  –  einige struk-

turelle und funktionale Merkmale dieser eigentümlichen Textgattung re-

sümiert werden (Straub 2004a).

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4 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

durchblicken und Auswege zu erspähen vermögen, sich vielleicht

sogar als Vorbild andienen und beherzt voranschreiten. Zeitdiagnosti-

ker gleichen ein wenig auktorialen Erzählern.2 Wie diese kennen siedie Geschichte, die sie ausbreiten, vermeintlich wie niemand sonst.

Ihre Sicht der Dinge verknüpft  Innen- und Außenperspektiven  mehroder weniger virtuos und ist, jedenfalls dem erhobenen Anspruchnach, umfassender und zugleich schärfer als andere. Dabei sind Zeitdi-

agnosen in ihren methodischen Wegen und sprachlichen Formen kaumfestgelegt: Quantitative Forschungen, statistische Daten, nüchterne

Berichte oder mikroskopische ›qualitative‹  Analysen aus den Sozial-und Kulturwissenschaften stehen neben literarisch ansprechendenErzählungen und Essays, die von Tropen aller Art, nicht zuletzt vondramatisierenden poetisch-rhetorischen Strategien, Gebrauch machen.

Gegenwartsdiagnosen sollen ein provozierendes Wissen und neuesBewusstsein vermitteln. Meistens identifizieren sie zu diesem Zweckein  grundlegendes, zentrales Prinzip, das es erlaubt, ihre Zeit in Ge-

danken zu fassen und dem ›objektiven Geist‹ auf die Sprünge zu hel-fen. Fast immer wissen sie Rat . Nur schon vollends resignierte Geister passen an dieser Stelle und laben sich an der Vision des unausweichli-

chen Untergangs dieser oder jener Gruppe, einer Nation, ganz Europasoder der okzidentalen Welt, vielleicht der sich abschaffenden Mensch-heit. Zeitdiagnosen sind, alles in allem, ein eigenartiges Genre. Sie

taugen bestens als Steckenpferd (vielleicht bloß selbsternannter) kriti-scher Geister, die es manchmal zwar im Einzelnen nicht ganz so genau

nehmen, dafür aber das Allgemeine  –   wesentliche Phänomene unddominierende Tendenzen zumindest  –   besonders tief zu erkennen,scharfsinnig zu sezieren und überzeugend zu beurteilen glauben undgerade durch diese (vermeintliche) außergewöhnliche Begabung ihre

kognitive, emotionale und moralische Überlegenheit unter Beweis zustellen meinen.Manchmal gelingt diese Beweisführung, die Zeitdiagnose findet Gehör

in aller Öffentlichkeit, ihre Autorin oder ihr Autor versammelt Gefolg-schaft um sich. Bisweilen versandet sie flugs als Gerede geschwätzigerPropheten, denen es eher um sich selbst als um ihre Zeit, eher ums

Geld als um allgemeine Lebensfragen oder die Zukunft der Mensch-

 2 Zum allwissenden Erzähler vgl. einschlägige Darstellungen im Rahmen

zeitgenössischer Erzähltheorien (etwa von Gérard Genette oder Franz K.

Stanzel), z.B. von Mieke Bal (1997).

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 5

heit geht. In vielen Fällen stellen sie darauf ab, ihre Verfasserin oder

ihren Verfasser ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu rücken. Sie

mobilisieren nicht selten eher Gefühle, als dass sie sich an den Ver-stand richten, affizieren eher die Herzen der Menschen, als dass sie

deren Vernunft in Anspruch nehmen. Das Genre der Zeitdiagnose hatwie kaum ein anderes wissenschaftliches oder wissenschaftsaffinesGenre das Zeug dazu, narzisstische Begehren, Identifikationen und

Aversionen, eigennützige Motive und Machtstreben auf Seiten aller inden Diskurs Involvierten zu bedienen. Im ewigen Zeitalter der Mas-

senmedien zieht es zwangsläufig Aufmerksamkeiten auf sich. Wer inspektakulären Thesen diffuse Ängste oder konkrete Befürchtungen zuwecken vermag, findet Zugang zu Menschen  –   erst Recht, wenn an-geblich patente Lösungen im Tornister sind. Auch deswegen stimmen

so viele so gerne in zeitdiagnostische Diskurse ein. Das gilt seit eini-gen Jahren für kaum einen Diskurs so sehr wie für jenen, welcher vonder Notwendigkeit interkultureller Kompetenz spricht.

Bevor ich darauf eingehe und einen ›bösen Blick‘ auf die allge-

genwärtigen Lobgesänge werfe, deren Schöpfer häufig kaum mehr zu bieten haben als warenförmige Offerten für den florierenden  Kompe-

tenzmarkt , sei festgehalten: Der Forderung nach sowie der Förderungvon interkultureller Kompetenz liegt eine weithin anerkannte Gegen-

wartsdiagnose  zugrunde. Diese sieht, vage genug, ein wesentliches

Prinzip der Strukturierung und Dynamisierung moderner Gesellschaf-ten in kultureller Pluralisierung und kulturellem Austausch, kurz: in

konflikt- und krisenanfälliger interkultureller Kommunikation, Koope-ration, Koexistenz. Es sind, so heißt es allenthalben, die vielfältigenkulturellen Unterschiede, die das Leben in immer mehr Weltengegen-den zutiefst prägen und alle Zeitgenossen des 20. und 21. Jahrhunderts

auf Gedeih und Verderb dazu nötigen, Experten im Umgang mit kultu-reller Differenz und Heterogenität zu werden. Interkulturelle Kompe-tenz steht just für diese Expertise, für ein praktisches Wissen, das eher

einem Können gleicht als bloßen Kenntnissen. Sie gewährleistet, sosagt man, dass Unterschiede in zwischenmenschlichen Begegnungen› produktiv‹  werden und ›Synergieeffekte‹  freisetzen können, nicht

Blockaden und destruktive Tendenzen dieser oder jener Art heraufbe-schwören. Sie gilt mithin als Auflösung eines Problemknäuels, dassich globaler kultureller Diversität und dynamischen Vorgängen kultu-

rellen Austauschs verdankt. Wer auf multi- und interkulturelle Arbeits-und Lebensformen angewiesen ist, muss, so heißt es unisono, in der

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6 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

Lage sein bzw. dazu befähigt werden, interkulturell kompetent zu

handeln. Nicht allein kulturelle Differenz ist, wie Jean-François

Lyotard (nicht zuletzt sein eigenes öffentliches Wirken) resümiert, das Dada  und auch das  Manna  unserer Tage (Lyotard 1998). Das vom

Himmel der modernen Welt fallende Wunderbrot mundete nämlichohne interkulturelle Kompetenz nur halb so gut. Erst letztere setzt dieGespeisten instand, den Weg aus der Wüste zu gehen und zu neuen

Ufern aufzubrechen.

Interkulturelle Kompetenz ist die (pädagogische, therapeutische, poli-tische) Losung unserer Zeit. Sie ist, so schallt es heute aus jeder Ecke,die allgemeine Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts,3 eine durchund durch notwendige sowie angemessene Antwort auf eine Anamne-

se, Diagnose und Prognose, in denen  potentielle Probleme menschli-

chen Zusammenlebens als zentrales Signum interkultureller Konstella-

tionen gelten –  vom Spiel im Kindergarten und Privatleben eines Ehe-

 paars, dem Mit- und Nebeneinander in Mietshäusern oder Wohnvier-teln über Geschäftsverhandlungen zwischen  global players bis hin zuinternationalen politischen Prozessen.  Intercultural competence mat-

ters: Zumindest das scheint evident! Allein, es stellt sich die Frage:Stimmt das denn wirklich, ist dieser Befund, derartig pauschal formu-liert, triftig, und vor allem:  Ist das pädagogisch-therapeutisch-

 politische Programm  –  wenigstens in seinen begrifflichen, konzeptuel-

len Grundlagen  –   so klar und vielversprechend, wie es zu sein vorgibt ?

Wissen wir denn überhaupt, was wir fordern und fördern, wenn wirnach interkultureller Kompetenz rufen und sie zu stärken meinen? Undwissen wir, was wir tun, wenn wir in diesem diskursiven und prakti-schen Feld mitmischen?

Wer wissenschaftliche Ansprüche und Kriterien anlegt, wird dieseFragen nicht rundherum positiv beantworten können. Er oder sie stößt

vielmehr auf ein wucherndes Gerede, das skeptisch macht und neueFragen aufwirft, vor allem Fragen nach möglichen Funktionen, nachHerkunft, Sinn und Zweck des Diskurses über interkulturelle Kompe-

 3 Ich verweise hier  pars pro toto  auf ein »Thesenpapier der Bertelsmann

Stiftung auf Basis der Interkulturelle-Kompetenz-Modelle von Dr. Darla

K. Deardorff« (Bertelsmann Stiftung 2007; Deardorff 2007), wo sich ein-

schlägige Überzeugungen, Appelle und Aktivitäten dargestellt finden.

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 7

tenz. Dieses Gerede wird im Folgenden in eine erweiterte Gegen-

wartsdiagnose einbezogen, die nicht einfach feststellt, dass interkultu-

relle Kompetenz ein zunehmendes Desiderat in allen möglichen Le- bens- und Handlungsbereichen darstellt,4  sondern ebenso zu einer

oftmals gedankenlos gebrauchten Worthülse geworden ist, in die manfast alles, was uns Heutigen gut und teuer scheint, hineinpacken kann.Wer die vermeintliche Wundertüte ausleert und ihren Inhalt inspiziert,

hält demnach keineswegs einfach nur einen funkelnden Schatz in denHänden, sondern hat unversehens auch einige konsternierende Unge-

reimtheiten vor Augen. Diesen Anblick nicht zu scheuen, sondern dasWahrgenommene zu analysieren, gehört zu den unabdingbaren Aufga- ben einer zeitdiagnostisch ambitionierten Wissenschaft –  egal, welcherDisziplin sie sich zurechnen mag (oder ob sie von solchen Zuordnun-

gen absieht). Solche Analysen stellen eine genuin wissenschaftlicheVerpflichtung dar, die zu ignorieren einer Kapitulation des Denkensvor dem geschäftigen Betrieb einer Praxis gleichkäme, in der der Ab-

satz von Waren (auch in Form von Dienstleistungen) sowie die Selbst-darstellung machthungriger Händler oft vordringlicher erscheinen alsdie Lösung von allgemeinen Lebensproblemen.

2. DER RUF NACH INTERKULTURELLER

KOMPETENZ

Interkulturelle Kompetenz wird, wie gesagt, seit etwa zwei Jahrzehn-ten als eine Art Wundermittel gegen die Malaise einer Welt angeprie-

sen, die durch das Faktum zunehmender kultureller Differenzierungund wachsenden kulturellen Austausch in neuer Weise herausgefordertwird (Straub 2007a). Gewiss, diesen Austausch gibt es seit Menschen-

gedenken (Burke 2000). Neu ist allerdings das quantitative Ausmaß,die Intensität, Ubiquität und Normalität einschlägiger Phänomene. Neu

4 Es geht hier nicht darum, dies kurzerhand in Abrede zu stellen. Das wäre,

wie zahllose Untersuchungen zeigen, einfach lächerlich (vgl. dazu den

Überblick, den das Handbuch für interkulturelle Kommunikation und

Kompetenz gibt: Straub/Weidemann/Weidemann 2007; weiter z.B. Asan-

te/Gudykunst 1989, Gudykunst/Mody 2002, Lüsebrink 2005, Nick-

las/Müller/Kordes 2006, Thomas/Kinast/Schroll-Machl 2003, Thomas/

Kammhuber/Schroll-Machl 2003).

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8 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

ist auch jenes begleitende Bewusstsein, welches solche Phänomene für

eine wachsende Mehrheit von Menschen zum Objekt einer beständi-

gen Reflexion macht. Solche allgemeinen Redeweisen verdeckennatürlich erhebliche regionale Unterschiede und Ungleichzeitigkeiten

in der Entwicklung von Gemeinschaften, Gesellschaften und Kulturen.Richtig ist gleichwohl: Fast überall, wo erhebliche kulturelle Unter-schiede virulent werden  –  wo sie praktisch und diskursiv als relevant

markiert werden  von Menschen, die Gründe für diese Markierungenhaben  – , überall dort werden sie auch  problematisiert . Sie werden,

ungeachtet ihres womöglich faszinierenden, anziehenden  Appeals, fastimmer auch als Quelle möglicher Schwierigkeiten zwischen Menschen betrachtet.

In der folgenden Passage eines Textes, in dem Jürgen Streeck (hier

nicht interessierende) theoretische Erklärungen »kommunikativerFehlschläge« speziell in der interkulturellen Verständigung erörtert,wird just diese heikle, unangenehme Erfahrung als allgemein aner-

kannte Tatsache präsentiert:

»Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Kommunikationsprozesse zwischen

Angehörigen fremder ethnischer oder kultureller Gruppen leichter scheitern als

solche zwischen Mitgliedern derselben Kultur. Selbst dort, wo den Parteien

eine gemeinsame Sprache oder verschiedene, aber wechselseitig verständliche

Dialekte einer Standardsprache als Verständigungsmittel zur Verfügung stehen

 –   wie schwarzen und weißen Bürgern der USA, Indern und Engländern im

Vereinigten Königreich oder Eingeborenen und Franzosen in Polynesien  –  nehmen interethnische [bzw. interkulturelle, J.S.] Kommunikationskontakte

immer wieder einen Verlauf, der beiden Seiten Unbehagen verursacht. Dort,

wo institutionelle Funktionsträger, die der (dominanten) Mehrheit angehören,

mit Klienten einer Minorität interagieren, ziehen sie für letztere zudem oft

schwerwiegende Einbußen an einer (zumeist konstitutionell garantierten)

Chancengleichheit nach sich. Es hat den Anschein, als gäbe es unsichtbare

kulturelle Quellen der Fehlkommunikation, die das Zusammenleben der Grup- pen beeinträchtigen (und staatliche Integrationsprogramme schon im Ansatz

zunichtemachen« (Streeck 1985: 103).

Wie das Zitat andeutet, sind die besagten Quellen durchaus vielfältig(vgl. z.B. Rehbein 1985). Wie insbesondere die Soziolingusitik gezeigt

hat, entzünden sich Missverständnisse und andere Kommunikations-

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 9

 barrieren beispielsweise an der vielen Sprechern normalerweise gar

nicht oder allenfalls teilweise bewussten Kulturspezifik

•  des Vokabulars einer Sprache, der Lexik und ganzer Sprachspiele

(z.B. zum Zweck der Artikulation von Gefühlen),•  der Grammatik und Syntax einer Sprache,•  der sog. kommunikativen Apparate,

•  der Existenz von besonderen und der individuellen Verwendungverbreiteter kommunikativer Gattungen,

•  der Modi nonverbaler Kommunikation (Gestik, Mimik, Proxemik),•  der Art und Weise paraverbaler Kommunikation (also aller Be-

gleiterscheinungen des Sprechens wie Intonation, Melodik,Rhythmik oder Lautstärke),

•  der Verwendung von Kontextualisierungshinweisen,•  von Diskurs und Text (inkl. ihrer Interferenz),•  der gebräuchlichen Formen institutioneller Kommunikation (die

sprachliche Besonderheiten einschließen  –  man denke an Verwal-tungssprachen oder juristische Terminologien  – , aber weit darüberhinaus gehen und sich auf komplexe Regeln nicht-sprachlicher In-

teraktion erstrecken).

Die »interkulturelle Pragmatik mit ihren heute hochsophistizierten

Verfahren der Gesprächsanalyse« fokussiert, wie Ernest Hess-Lüttich(2003:78) bilanziert,

»auf Diskrepanzen in der Handhabung kulturspezifischer Mechanismen der

Verständigungssicherung, auf Differenzen zwischen Intention und Interpretati-

on bestimmter Gesten und Gebärden, k ionemischer und proxemischer Konven-

tionen, die den Beteiligten in aller Regel nicht bewusst sind. Die kulturspezifi-

schen Unterschiede zeigen sich aber auch in der alltagstr hetoretr ischen Präsen-

tation von Diskursformen des Erzählens, Berichtens, Beschreibens, Gratulie-

rens, Kondolierens, Argumentierens. Hier werden die Grenzen zwischen ein-zelnen Diskursarten je nach Situation in anderen Sprachgemeinschaften unter-

schiedlich gezogen, was zu Irritationen bezüglich der wechselseitigen Situa-

tionseinschätzung oder Beziehungsdefinition führen kann«

Als Quellen für Kommunikationsstörungen, Kooperationsbarrieren

und existenzielle Konflikte im Zusammenleben mindestens ebensowichtig, aber außerhalb der Reichweite rein linguistischer Untersu-

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 11

•  übergeordnete, zeitlich ausgreifende (individuelle und kollektive)

 Lebens- und Entwicklungsziele,

•  (individuelle und kollektive)  Identifikationen, Bindungen, Leiden- schaften, Wünsche  und  Projekte, Ängste und Aversionen  sowie

damit verwobene unbewusste Sehnsüchte und Motive.

Es ist leicht zu sehen, dass es in interkulturellen Begegnungen häufig

weniger um mangelndes Wissen, defizitäre Sprachkompetenz oder umkognitive Probleme des Verstehens und der Verständigung geht, son-

dern um zutiefst affektiv-emotionale Seiten unseres Handelns undLebens, um oftmals kaum bewusste Orientierungen und Gewohnhei-ten, die Menschen lieb und teuer geworden sind, an denen sie hängenund von denen sie abhängen, häufig ohne es zu wissen. Kommunikati-

on wird auf solchen Ebenen flugs zu einer Herausforderung, dieethisch-moralische, ästhetische, politische und psychische Dimensio-nen unserer Lebensführung berührt. Interkulturelle Kommunikation

konfrontiert die Beteiligten nicht bloß mit den Grenzen ihrer sprachli-chen Ausdrucks- und Verständigungsmöglichkeiten, sondern mit iden-titätsrelevanten Grenzen erfahrener Beachtung, Achtung und Anerken-

nung . Soziale Beziehungen sind stets auch Anerkennungsverhältnisse.In interkulturellen Begegnungen drängt sich dieser Aspekt häufig inden Vordergrund, weil kulturelle Zugehörigkeiten in einer (potentiell)

für alle Beteiligten leicht wahrnehmbaren Weise an Macht- und Herr-schaftsverhältnisse, mithin an hierarchische Konstellationen, gebunden

sind, in denen sich keineswegs Gleiche auf derselben Augenhöhe be- gegnen.

Kulturelle Differenzen implizieren meistens auch Positions- undStatusunterschiede, soziale Ungleichheiten der einen oder anderen Art.

Sobald solche Aspekte tangiert sind, sind Menschen in psychosozialeHerausforderungen verstrickt, in denen Empfindlichkeiten, Sympa-thien und Antipathien den Ton angeben, das „Gesicht“ und der Stolz

der Beteiligten auf dem Spiel stehen und Verletzungen aller Art wahr-scheinlich sind. Kulturelle Differenz, Alterität und Alienität sind emb-lematische Bezeichnungen für Verletzungsrisiken, die Menschen,

insofern sie sich selbst davon bedroht fühlen, fürchten und ungerneingehen, gegen die sie sich wappnen (oder zu wappnen meinen, so-weit dies möglich erscheint). Jeder interkulturelle Dialog und jede

interkulturelle Praxis hat auch eine agonale  Struktur und Dynamik.Dieses Faktum macht interkulturelle Beziehungen und Begegnungen

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12 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

anfällig   für Skepsis und Streit, für den Aufbau von Aversionen und

Aggressionspotentialen in (oft schleichenden) Prozessen der paradox-

erweise bereits in Annäherungen sich anbahnenden oder sich vollzie-henden Abschottung und Abwendung. Selbst Vorgänge der Verfein-

dung gelten hier als durchaus üblich (auch wenn sie meistens erstgeschürt werden müssen, was häufig genug geschieht in xenophobenDiskursen). Interkulturalität birgt  –  wie übrigens jede Art von Diffe-

renz, die in der sozialen Praxis relevant gesetzt   werden kann  –   ein polemogenes, Aversionen und Aggressionen evozierendes Potential .5 

Zusammengefasst: Zahllose Menschen aus verschiedenen Kulturentreffen innerhalb und außerhalb ihrer Gesellschaften und Gemein-schaften immer öfter aufeinander, spontan oder geplant. Sie müssen

sich irgendwie miteinander verständigen, informell oder institutionali-siert und reglementiert, vielleicht längerfristig zusammenarbeiten odersogar auf unabsehbare Zeit zusammenleben. Das gelingt oft erstaun-

lich gut und bereitet den Betroffenen gar nicht so selten kaum mehr  Probleme als das in jedem Fall  mühsame, auf gegenseitige Anerken-nung angewiesene Abenteuer des menschlichen Zusammenlebens

 sonst auch  (Todorov 1996; dazu Straub 1999). In anderen, ebenfallszahlreichen Fällen werden interkulturelle Begegnungen jedoch, wieausgeführt, als schwierig erlebt, die Kommunikation als besonders

störungsanfällig, die Kooperation als äußerst aufwendig und dieKoexistenz (vor allem in auswegloser räumlicher Nähe) als schiere

Zumutung. Es sind vor allem diese  –   oft spektakulären  –   Fälle, die

5 Dafür gibt es in der Geschichte der Menschen unzählige Beispiele, auch

solche, die bezeugen, dass kulturelle Unterschiede aus ideologisch-

strategischen Gründen biologisiert   und in pseudowissenschaftlichen

Pamphlets als Bestandteil eines vermeintlichen Plans der auf Konkurrenz-

und Überlebenskämpfe eingestellten Natur ausgegeben werden können.

Bis heute finden sich solche prekären Versuche, deren soziale Folgen in

Stigmatisierungen und Diskriminierungen sowie anderen Formen der

(symbolischen, psychischen, physischen) Gewalt bestehen. In solchen Fäl-

len werden wahrgenommene (also aktiv konstruierte) Differenzen hierar-

chisierend und abwertend angelegt, indem sie einige als negativ geltende

Merkmale ungleich auf ›Kulturen‹  und deren Angehörige verteilen, um

diese Ungleichheit sodann naturalistisch aufzufassen, dadurch  festzu-

 schreiben und kollektive Identitäten zu stabilisieren.

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 13

interkulturelle Kompetenz auf den Plan rufen und den Eindruck ver-

mitteln, sie sei, vielleicht ganz im Stillen und kaum bemerkt, überall

dort am Werke, wo die Dinge einigermaßen gut laufen, sich kulturellFremde also mit Wohlwollen und Interesse, Achtung und Anerken-

nung begegnen, Aufgaben gemeinsam meistern und sich als Bereiche-rung des eigenen Daseins genießen.6 

6 Bekanntlich gibt es auch Versuche der Meidung oder Nihilierung  kulturel-

ler Differenz-, Alteritäts- oder Alienitätserfahrungen. Wenn Menschen

voneinander abgesondert werden in Lagern und Ghettos, wenn sie sich,

nebeneinander lebend, selbst voneinander abschotten oder sich aus freien

Stücken in Parallelgesellschaften einrichten, dann sind das alles Beispiele

für das Umgehen kultureller Unterschiede, für ihren Ausschluss aus der

Erfahrung. Ebenso bekannt ist, dass aus erwartbaren und verständlichen

Schwierigkeiten des Zusammenlebens in kulturell pluralisierten Gemein-

schaften und Gesellschaften angeblich unüberwindliche Hürden gemacht,

Schreckensgespenste kultureller ›Kämpfe bis aufs Messer ‹  an die Wandgemalt und die jeweils Anderen und Fremden (oder mehr oder minder

mutwillig selektierte Gruppen aus dieser sozialen Kategorie) stigmatisiert,

diskriminiert und verletzt werden. Dies geschieht oft auf der Basis hartnä-

ckiger Stereotype, vielleicht unbewusster Vorurteile, manchmal bewusst

verfolgter ideologisch-politischer Absichten und kalkulierter Inszenierun-

gen, unter Aufbietung aller erdenklichen Mittel symbolischer, psychischer

und physischer Gewalt. Trotz aller Aufklärungsarbeit, die die modernePsychologie und andere Wissenschaften anhand eines unendlichen An-

schauungsmaterials aus der Gewaltgeschichte der Menschheit, gerade aus

 jüngerer Zeit, geleistet haben, hat sich an feindseligen, gegen Andere und

Fremde gerichteten Dispositiven sowie den entsprechenden Dispositionen

zahlloser Einzelner weniger geändert als erhofft. Die am Anfang subtile,

kaum merkliche Abwertung des und der Anderen und Fremden, die sich in

der Regel ebenso unmerklich in Aversität und Aggressivität wandelt und

festsetzt im Seelenleben der abwertenden Menschen, ist wohl niemals aus

der Welt zu schaffen. Das ist der erste und vielleicht wichtigste Grundsatz

einer durch psychologischen Realismus geschärften politischen Vernunft,

die den Menschen nicht idealisierend-überhöhend als bloßes Vernunftwe-

sen anspricht, sondern ihn mitsamt seinen keineswegs immer schmeichel-

haften Instinkten und Trieben, Begehren und Wünschen, Affekten und Ge-

fühlen ernst nimmt und schätzt . Dass Ängste ebenso wie Sehnsüchte, tief

sitzende Befürchtungen ebenso wie hoch fliegende Hoffnungen, Geltungs-

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 15

3. EIN TYPISCHES MODELL INTERKULTURELLER

KOMPETENZ  – UND SEINE SCHWÄCHEN 

Alle heute geläufigen Begriffe und Modelle »interkultureller Kompe-tenz« gehen davon aus, dass dieses theoretische Konstrukt  verschiede-

ne, teilweise sogar schwer miteinander vereinbare Wissensbestände,Fähigkeiten und Fertigkeiten ›integriert‹.8 Der Erwerb interkulturellerKompetenz kann demgemäß stets nur  sukzessiv  erfolgen und auf be-

 stimmte Aspekte  gerichtet sein, also auf einzelne  Komponenten  oder

 Konstituenten. Analoges gilt für deren Aktualisierung in konkretenHandlungen: Immer werden nur situativ erforderliche Bestandteile

 bedeutsam. Das alle Gesichtspunkte interkultureller Kompetenz ver- bindende Moment ist allerdings, dass sie ausnahmslos einem »ange-messenen“ und »effektiven«, produktiven Umgang mit (erlebten,

wahrgenommenen) kulturellen Unterschieden in direkten oder indirek-ten sozialen Interaktionen zugutekommen (sollen). Interkulturell kom-

 petente Personen sind offenkundig idealisierte Virtuosen  in einerkulturell pluralisierten Welt. Sie verfügen über eher technisches Wis-sen und bereichsspezifische Kenntnisse, sprechen Fremdsprachen, besitzen ein ausgeprägtes ethisch-moralisches Sensorium und Empa-

thievermögen, das Anderen und Fremden gerecht zu werden gestattet,haben Selbstvertrauen, einen guten Willen und gehen einigermaßenselbstbewusst und gelassen durchs Leben. Ich komme auf ausgewählte

Einzelheiten zurück. Zunächst gebe ich zur Veranschaulichung das

angekündigte typische Modell wieder, das die bisher angedeutetenMerkmale vervollständigt und in dreierlei Rubriken oder Dimensionen

sortiert:

8 Detaillierte Ausführungen zum Kompetenzbegriff und speziell zu ›inter-

kultureller Kompetenz‹  finden sich bei Straub (2007b), wo auch Aspekte

der Begriffsgeschichte berücksichtigt und zahlreiche Literaturhinweise ge-

geben werden; weiterführende Literaturangaben finden sich außerdem bei

Bolten (2001), Rathje (2006), Thomas (2003) sowie Straub (2009, woraus

ein paar der folgenden Formulierungen entnommen werden). Neben den

Komponenten- und Konstituentenmodellen sei hier auf Stufenmodelle in-

terkulturellen Lernens (im Sinne der Entwicklung interkultureller Kompe-

tenz oder Sensibilität) wenigstens hingewiesen (z.B. Bennett 1993; kritisch

dazu D. Weidemann 2007; auch Straub 2010a).

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16 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

Tabelle 1: Komponentenmodell interkultureller Kompetenz (nach

 Bolten 2006: 63)

Affektive/

emotionale

Dimension

Kognitive

Dimension

Verhaltensbezo-

gene/konative/

praxische

Dimension

Ambiguitätstoleranz

FrustrationstoleranzFähigkeit zurStressbewältigung

und Komplexitäts-reduktionSelbstvertrauen

FlexibilitätEmpathie, Rollen-distanz

Vorurteilsfreiheit,Offenheit, ToleranzGeringer Ethnozen-

trismusAkzeptanz von/Respekt gegenüber

anderen Kulturen

Interkulturelle Lern- bereitschaft

Verständnis des

Kulturphänomens inBezug auf Wahr-nehmung, Denken,

Einstellungen sowieVerhaltens- undHandlungsweisen

Verständnis fremd-kultureller Hand-lungszusammen-

hängeVerständnis eigen-kultureller Hand-

lungszusammen-hängeVerständnis der

Kulturunterschiede

der Interaktions- partner

Verständnis derBesonderheiteninterkultureller

Kommuni-kationsprozesseMetakommunikati-

onsfähigkeit

Kommunikations-

wille und - bereitschaft i.S. derinitiierenden Praxis

der Teilmerkmaleder affektiven Di-mension

Kommunikationsfä-higkeitSoziale Kompetenz

(Beziehungen undVertrauen zu fremd-kulturellen Inter-

aktionspartnernaufbauen können)

Obwohl die verschiedenen Aspekte übersichtlich angeordnet sind und

sich einigermaßen klar auf eine ›klassische‹  psychologische Trias(Affekt/Emotion, Kognition, Volition/Verhalten/Handeln) verteilen,wirkt das ›Modell‹ in semantischer und pragmatischer Hinsicht ziem-

lich komplex, kurz: einigermaßen unhandlich. Irgendwie scheint alles

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 17

 Mögliche  zu »interkultureller Kompetenz« zu gehören, insgesamt so

Vieles und so viel Verschiedenes, dass man nach Kenntnisnahme des

exemplarischen Modells eigentlich immer noch nicht genau anzugebenvermag, was denn diese wissensbasierte Fähigkeit und Fertigkeit ge-

nau ausmacht und von anderen (verwandten) Kompetenzen unter-scheidet (von praktikablen Operationalisierungen einmal ganz abgese-hen). Auch wenn man andere Modelle zur Kenntnis nimmt, bleibt es

 beim Eindruck, dass man es ausnahmslos eher mit einem etwas vagenSammelsurium  als mit einem wissenschaftlichen Begriff zu tun hat,

mit einer bunten Menge schöner und guter Attribute, die sich in einerPerson ein willkommenes, rundum erfreuliches Stelldichein geben.Diese typisierte Person wird ganz offensichtlich als neuer Mensch mit

den guten Eigenschaften idealisiert. Dabei wirkt nicht alles brandneu,

denkt man an seit langem geläufige theoretische Konstrukte wie all-gemeine Interaktionskompetenz oder soziale Kompetenz.

Modelle wie das oben dargestellte geben auch Auskunft darüber,

wozu die vorgenommene Kompilation und erwünschte Konglomerati-on positiver Eigenschaften im Wesentlichen gut ist. Das wird inKommentaren und auch in vielen Definitionen zusammengefasst. Sie

stellen ebenso häufig funktionale Bestimmungen dar, die spezifizieren,wozu interkulturelle Kompetenz dient, wie sie qualitative Explikatio-

nen  des theoretischen Konstrukts liefern, die klar zu machen versu-

chen, worin diese Kompetenz genau besteht . Ein gutes Beispiel bietetdie folgende Definition:

»Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen

und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei

sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen

und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von

Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergie-

trächtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungs-

wirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltge-staltung« (Thomas, 2003, § 39).9 

9 Alle diese Bestimmungsstücke tauchen in Thomas‘ (2003) interessanter

Skizze eines handlungs- und lerntheoretischen Modells interkultureller

Kompetenz, auf das ich hier nicht näher eingehe, wieder auf.

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18 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

Komponenten- oder Konstituentenmodelle wie das oben wiedergege-

 bene spezifizieren solche kompakten Definitionen. Sie ergänzen sie

offensichtlich auch um einige Aspekte, die in knappen Begriffsbe-stimmungen keinen Platz finden. Aber sagen sie uns tatsächlich, was

genau ›interkulturelle Kompetenz‹ ist (und wodurch sie sich von ande-ren, wissensbasierten Kompetenzen unterscheidet, abgesehen von demUmstand, dass sie auf Handlungs- bzw. Interaktionsanforderungen

 speziell in interkulturellen Konstellationen  zugeschnitten ist)? Ehernicht. Im Übrigen haben wir es noch nicht einmal mit theoretischen

Modellen im engeren Sinne zu tun.Solche Modelle sind nämlich, nüchtern betrachtet, lediglich geord-

nete Listen, in denen einige als wichtig erachtete Eigenschaften inter-kulturell kompetenter Personen zusammengestellt sind (in Form von

Dispositionsprädikaten; vgl. auch die gleich als Listen präsentiertenAufzählungen bei Hatzer/Layes 2003: 141). Gewiss gibt es in man-chen Fällen gute Gründe dafür, die betreffenden Wissensbestände,

Fähigkeiten oder Fertigkeiten als Teilmerkmale interkultureller Kom- petenz aufzunehmen. Von einer auch nur einigermaßen ausgearbeite-ten Theorie interkultureller Kompetenz sollte man dennoch nicht spre-

chen, zumal viele dieser Listen eher nach intuitiven Plausibilitätsge-

 sichtspunkten  und nach Maßgabe des (vermeintlich) allgemein Er-

wünschten zusammengestellt werden, als dass sie theoretisch hinrei-

chend durchdacht oder empirisch sorgfältig genug begründet wären.10 Das zeigt etwa auch Darla Deardorffs (2007) Modell, das einige As-

 10 Es ist ohnehin auffällig, dass die Erforschung interkultureller Kompetenz

(Kommunikation, Kooperation, Koexistenz) unter einem beträchtlichen

Theoriedefizit leidet (und in vielen Bereichen auch methodisch sorgfältige

empirische Studien Mangelware sind). Dieses Defizit mag in verschiede-

nen Disziplinen unterschiedlich groß sein  –  am kleinsten ist es wohl in der

Linguistik, wo z.B. ausgefeilte sprachpragmatische Ansätze verfügbar

sind, deutlich größer bereits in der Psychologie oder Ethnologie, überaus

auffällig in den Erziehungswissenschaften und vielen ›interdisziplinären‹ 

Ansätzen, die in theoretischer und methodischer Hinsicht oft sehr unbe-

darft daherkommen. Theoriedefizite sind nicht allein bei der Bestimmung

von Begriffen und der Konstruktion von Modellen interkultureller Kompe-

tenz vorhanden, sondern auch in anderen Feldern wie etwa der Lern- und

Entwicklungsforschung oder der Didaktik (vgl. dazu Weidemann/

Straub/Nothnagel 2010).

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 19

 pekte berücksichtigt, die ExpertInnen  –  angesehene Wissenschaftler/-

innen ausschließlich aus Nordamerika –  für wichtig oder unverzichtbar

halten. Die jeweilige Grundlage dafür bleibt teilweise im Dunkeln, sodass interkulturelle Kompetenz in diesem Modell letztlich bestimmt

wird auf Basis der Mehrheitsmeinung   ausgewählter Leute. In dieseMeinungen mögen zwar wissenschaftliche Wissensbestände (theoreti-scher oder empirischer Art) einfließen. Da dies jedoch eher unsystema-

tisch und unkontrolliert geschieht (und normative Kriterien wiederumeine wichtige Rolle für die Auswahl der Teilmerkmale spielen), sollte

von einer durch und durch wissenschaftlichen, rationalen Konstruktioninterkultureller Kompetenz auch in diesem Fall nicht die Rede sein.Das gilt, mutatis mutandis, bis heute generell.

Der insbesondere praktische Wert und Nutzen solcher Modelle

wird damit keineswegs verkannt. Die mit ihnen verfolgte Strategie istevident: man möchte den interessierenden Begriff zumindest grob plausibilisieren, indem man angibt, was er nach eigenem Dafürhalten

 bzw. bislang vorliegenden Erkenntnissen alles enthält und voraussetzt.Das ist gut und recht –  vor allem dann, wenn man sich der Genese unddes davon abhängigen Status solcher ›Listen-Modelle‹  (und ihrer

 performativen, suggestiven Kraft) bewusst bleibt. Das grobe Bild, dashier von interkultureller Kompetenz gezeichnet wird, taugt durchausals Grundlage für alle möglichen ›Anschlusshandlungen‹  (z.B. in der

Pädagogik). Nach wissenschaftlichen Maßstäben sind sie jedoch nochnicht der Weisheit letzter Schluss. Das belegen auch die im Folgenden

zusammengestellten, die bisherigen Darlegungen ergänzenden Beden-ken und Einwände. Sie markieren allesamt erhebliche Wissens- undArgumentationslücken und fordern uns dazu auf, die womöglich auch prinzipiellen Grenzen von ›Modellen‹ wie den erwähnten zu bedenken

(s.a. Straub 2007b):

1.  Unabhängig von der  Anzahl und  Art   der  –   von Einzelnen oder

Gruppen (wie etwa einer  scientific community) anhand von mehroder weniger transparenten und rationalen Kriterien  –  ausgewähl-ten Teilmerkmale (Komponenten, Konstituenten) bleibt es bei demoben angeführten Befund, dass es sich bei dem ‚wissenschaftli-

chen‘ Konstrukt bislang um eine diffuse Sammelkategorie handelt,in die theoretische Vorstellungen, empirische Forschungsergebnis-

se und das Alltagswissen des oder der verantwortlichen Wissen-schaftler ebenso einfließen wie normative Ideen und Werte. Mitun-

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20 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

ter werden alles in allem eher Wünsche  zum Ausdruck gebracht,

als realistische Vorstellungen von Personen vermittelt, die in inter-

kulturellen Konstellationen aller Art   (s.u.) kompetent zu handelnvermögen.

2.  Die Kriterien für die Auswahl und die resultierende Anzahl derkombinierten Elemente der Menge sind offenkundig ziemlich va-

riabel . Vergleicht man verschiedene Definitionen und Modelle,

erweist sich die interkulturell kompetente Person demgemäß alsdurchaus ›wandlungsfähig‹. Man beachte beispielsweise  folgende

Auffälligkeit: Fremdsprachenkompetenz wird im oben wiederge-gebenen Modell gar nicht eigens angeführt. Das entspricht einerdurchaus verbreiteten Missachtung oder Geringschätzung. Psycho-loginnen oder Pädagogen finden sich hier ›naturgemäß‹  eher als

Linguisten (oder andere Sprachwissenschaftlerinnen), so dass dieBegriffsbestimmung offenbar auch von disziplinären Perspektiven und Interessen abhängig ist. Wer Fremdsprachenkenntnisse beisei-

telässt, zeigt eben, woran er (oder sie) aus partikularen Gründen bei der Begriffs- und Modellbildung denkt und woran nicht   (sosehr). Häufiger geht es z.B. gar nicht (vorrangig) um die wissens-

 basierte Fähigkeit und Fertigkeit von Personen, möglichst differen-

 ziert verstehen, beschreiben und erklären zu können, wie kulturell

 Fremde ticken und warum das der Fall ist . Die Bewältigung dieser

(höchst komplexen Übersetzungs-) Aufgabe  –  die in manchen  in-terkulturellen Begegnungen zweifellos überaus wichtig ist  –   setzt

 ja ganz offensichtlich auch Fremdsprachkompetenz voraus (wieüberhaupt ein ausgeprägtes sprachliches Artikulationsvermögensowie die auch  sprachbasierte Fähigkeit, zumindest virtuell an ei-ner Lebensform teilhaben  zu können). Wie sprachpragmatische

Ansätze (von Johann Gottfried Herder über Wilhelm von Hum- boldt und Ludwig Wittgenstein bis hin zu aktuellen Konzeptionen)vielfach gezeigt haben, ist die Möglichkeit der Partizipation an ei-

ner (fremd-) kulturellen Lebensform oft ganz direkt von der Fähig-keit abhängig, Sprachspiele  ›mitspielen‹  zu können. Lebensfor-men, Weltbilder oder Weltansichten bleiben  ohne Fremdspra-

chenkompetenz häufig fremd (unverständlich, unsinnig, unheim-lich, verschroben, etc.). (Trans-) Migrantinnen und andere Leute,für die Mehrsprachigkeit und Übersetzungskompetenz ein existen-

ziell notwendiges Merkmal ihrer kulturell komplexen, ›hybriden‹ 

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 21

oder ›transitorischen‹ personalen Identität ist, wissen ein Lied da-

von zu singen.

3.   Entscheidend   für das resultierende Begriffsverständnis sind, wieoben ausgeführt, letztlich die (dimensional geordneten) Teilmerk-

male, Konstituenten oder Komponenten. Es hängt in allen ›Listen-Modellen‘ also zunächst einmal alles davon ab, wie genau die im

 Einzelnen angeführten Komponenten (und ihr Status, ihre Bezie-

hungen zueinander; s.u.) geklärt sind . Wo sie sich nicht ohnehinvon selbst verstehen, helfen da häufig, aber nicht immer, (psycho-

logische) Fachwörterbücher weiter. Manchmal reichen auch Fach-lexika nicht aus, da gar keine allgemein akzeptierten und gebräuch-lichen Begriffsbestimmungen existieren (man denke etwa an Be-griffe wie die neuerdings wieder viel beachtete Empathie; vgl.

Breithaupt 2009).4.  Die üblichen ›Listen-Modelle‹  machen keineswegs klar, welche

exakte theoretische und praktische Bedeutung, speziell auch wel-

ches Gewicht (im Rahmen einer Hierarchie) bzw. welcher Status den angeführten Teilmerkmalen interkultureller Kompetenz zu-kommt. Sind diese jeweils notwendig , und zwar prinzipiell und ge-

nerell (also in allen denkbaren interkulturellen Situationen; s.u.)?Sind sie in ihrer Gesamtheit oder in bestimmten Kombinationen  –  in welchen?  –   notwendig und hinreichend , um in interkulturellen

Situationen angemessen und erfolgreich handeln zu können? Undwie spielen die aufgelisteten Teilmerkmale eigentlich zusammen,

welche (Art von) Beziehungen unterhalten sie zueinander (s.u.),wie ›interagieren‹  sie, wie beeinflussen, verstärken oder hemmensie sich womöglich wechselseitig? All diese Fragen sind offen,manche noch kaum gestellt.

5.  Zu den besonders drängenden wissenschaftlichen Fragen gehörtdiejenige nach der theoretisch unterstellten Art der Beziehung  zwi-schen den Komponenten interkultureller Kompetenz. Diesbezüg-

lich gibt es insbesondere zwei Möglichkeiten, nämlich:a)  empirische, mithin kontingente  Beziehungen zwischen Kom-

 ponenten, die allesamt als logisch bzw. semantisch voneinander

unabhängige  Variablen  gelten. Als solche können sie bezüg-lich der personalen Disposition »interkulturelle Kompetenz«zur Aufklärung von inter- und intraindividueller Varianz bei-

tragen, wobei dann auch sog. Interaktionseffekte zwischen die-sen (in ihrem Einfluss unterschiedlich zu gewichtenden) Vari-

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22 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

ablen berücksichtigt werden müssten. Diese Modellvariante

überfordert angesichts der Vielzahl von ›integrierten‹  (eigent-

lich bloß: gelisteten) Variablen und denkbaren Interaktionsef-fekten alle heute verfügbaren statistischen Möglichkeiten er-

heblich. Entsprechend viele Lücken weist die empirische For-schung auf, in der hypothetisch unterstellte Beziehungen diesesTyps behauptet werden und geprüft werden müssten, nicht zu-

letzt um einzelne Prädiktoren identifizieren, also neben demErklärungswert auch den Vorhersagewert einzelner Variablen

 bestimmen zu können. Im Übrigen steht die in diesem Ansatzunabdingbare Annahme der logischen bzw. semantischen Un-abhängigkeit der Teilmerkmale sehr in Frage; in den ›Listen-Modellen‹  finden sich häufig Merkmale, für die das offenbar

nicht zutrifft (z.B. »geringer Ethnozentrismus« und »Respektvor anderen Kulturen«: Es wäre schlicht unverständlich, voneiner Person zu sagen, sie sei sehr ethnozentrisch und bezeuge

anderen Kulturen stets großen Respekt); b)  logische oder pragma-semantische Beziehungen, die mit Mit-

teln der Sprachanalyse und Hermeneutik aufzuklären sind, die

also auf (Verweisungs-) Zusammenhänge abheben, die in der›Logik ‹  unseres sprachlichen Handelns verwurzelt sind und  –  ob wir uns darüber im Klaren sind oder nicht –  begründen, wa-

rum bestimmte Aspekte interkultureller Kompetenz  ganz

 selbstverständlich  als wichtige oder sogar konstitutive Teil-

merkmale gelten und in Komponenten- oder Konstituentenmo-dellen auftauchen; einige der Teilmerkmale sind offenkundiglogische bzw. pragma-semantische Implikate »interkulturellerKompetenz«. Es wäre einfach unsinnig, interkulturelle Kompe-

tenz Personen zuzuschreiben, denen es völlig an der Fähigkeitzu Perspektivenübernahme oder Empathie gebricht oder diekognitiv, affektiv und praktisch einen extremen Ethnozentris-

mus pflegen.Mit der unter den Punkten a. und b. getroffenen Unterschei-

dung ist die Differenzierung verschiedener (meta-) theoreti-

scher Perspektiven und Forschungsansätze verbunden, die Wi-seman (2002) zumindest ansatzweise diskutiert. Er grenzt dieempiristische »covering laws perspective« sowohl von system-

theoretischen als auch von handlungstheoretischen Ansätzen ab(vgl. auch Collier 1989). Diese Alternativen sind im hier inte-

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 23

ressierenden Forschungsgebiet bis heute weder ›ausgereizt‹ 

noch hinreichend erörtert. In keinem der möglichen Theorie-

rahmen wurde der fragliche Begriff hinreichend genau be-stimmt und systematisch begründet, wie  man zur vorgenom-

menen Bestimmung  gekommen ist   und was man damit genaubezweckt . All das wäre aber nötig, stellte man wissenschaftli-che Ansprüche an die Begriffsbildung und -verwendung (die

 bekanntlich von übergeordneten wissenschaftlichen und prakti-schen Zielen abhängig ist. Begriffsbildungen sind niemals an

sich wahr oder falsch, sondern stets nur relativ zu bestimmtenZwecken funktional oder dysfunktional, nützlich oder un- brauchbar).

6.  Auch die oben gestellte Frage, ob die fraglichen Begriffe und

Modelle eigentlich  generell , also völlig kontextunabhängig,  ver-wendbar sind, ist nicht nur für sich genommen interessant. Aus dendenkbaren unterschiedlichen Antworten auf die Frage, ob Begriffe

und Modelle interkultureller Kompetenz mit begründeten allge-

meinen Geltungsansprüchen verbunden sind und demgemäß tat-sächlich auf alle  denkbaren kulturellen Überschneidungssituatio-

nen  gleichermaßen zugeschnitten sind, folgt ganz Verschiedenes.Wenn sich allgemeine Geltungsansprüche empirisch als unbegrün-det erwiesen, weil nämlich in verschiedenen Lebens- und Hand-

lungsbereichen bestimmte  Teilmerkmale eher gefordert sind alsandere (und manche vielleicht überhaupt nicht   gebraucht werden

können, weil sie sogar kontraproduktiv sind), dann würde sich än-dern, was wir hier oder dort mit »interkultureller Kompetenz« ver-nünftigerweise meinen. Für die Annahme einer solchen domänen-

 spezifischen Struktur   und inhaltlichen Kontur   interkultureller

Kompetenz gibt es gute Gründe. Das sagt uns bereits die alltägli-che Erfahrung bzw. das Alltagsbewusstsein zahlloser Menschen.Man frage sich doch nur einmal, ob denn interkulturelle Kompe-

tenz in strategisch geführten Verhandlungen zwischen Managernin internationalen Wirtschaftskooperationen exakt dasselbe ist undsein kann wie jenes Bündel an Wissensbeständen, Fähigkeiten und

Fertigkeiten, die aus einer bikulturellen Ehe ein gelingendes, eini-germaßen befriedigendes, vielleicht sogar glückliches Abenteuermenschlichen Zusammenlebens machen? Offenbar nicht, es sei

denn, man verstünde den Ehevertrag als rechtlichen Rahmen fürdie Austragung einer lebenslangen Konkurrenz, in der sich die

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24 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

›Partner ‹ vielleicht vordergründig ganz nett und einigermaßen höf-

lich behandeln (und dabei vielleicht sogar explizite ethische Prin-

zipien und moralische Regeln einhalten, streckenweise zumindest),sich im Grunde genommen aber dennoch mit strategischem Kalkül

ins Visier nehmen und auf Gedeih und Verderb übervorteilen wol-len (vielfach müssen, um ihre Interessen verfolgen und Ziele errei-chen zu können), etc.. Analoges gilt, mutatis mutandis, für Polizei-

einsätze und Freundschaften, für die Entwicklungszusammenar- beit, die religiöse Mission und für touristische Unternehmungen

oder für die interkulturelle psychosoziale Beratung oder Psycho-therapie  –  ad infinitum, wobei zu bedenken ist, dass keiner dieserTätigkeitsbereiche in sich homogen ist (Missionen oder Tourismusgibt es in vielerlei Varianten). Interkulturelle Kompetenz ist dem-

nach eher ein domänenspezifisches, obendrein  situationsspezifisch zu konkretisierendes und performativ zu aktualisierendes Vermö-gen als eine allgemeine  wissensbasierte Fähigkeit und Fertigkeit,

die in interkulturellen Konstellationen stets in genau der gleichenWeise in Anspruch genommen wird. Das müsste man in verglei-chenden Untersuchungen viel genauer klären, als es bislang ge-

schehen ist. Erst danach könnte man über womöglich tatsächlichallgemeine Aspekte interkultureller Kompetenz stichhaltige Aus-künfte geben; oder man müsste die Idee bzw. den Anspruch einer

allgemeinen Schlüsselqualifikation aufgeben bzw. revidieren. Aufdiesem Weg vollzöge man sukzessive eine empirisch fundierte Be-

griffs- und Modellbildung, die an einem differentiellen und zu-gleich in seinen verallgemeinerbaren Aspekten geprüften theoreti-schen Konstrukt arbeitete.

7.  Auch der oft proklamierte universale Status interkultureller Kom-

 petenz ist zu hinterfragen. Wie angedeutet ist es zweifelhaft, ob diegeläufigen Begriffe und Modelle tatsächlich allgemein gültig sind(und allen Interessierten dasselbe sagen und nützen), wo sie doch

ganz offenkundig vornehmlich von einem kleinen Häufchen west-licher, vor allem US-amerikanischer und europäischer Wissen-schaftler/innen entworfen, entwickelt und unter die Leute gebracht

wurden? Fachleute aus nicht-westlichen Kulturen waren zwar hieund da beteiligt, aber fast immer als in westlichen wissenschaftli-chen Institutionen sozialisierte Kolleginnen und Kollegen, sodass

dadurch meistens keine ›abweichenden‹ Erfahrungen und Erkennt-nisse ins Spiel kamen –  insbesondere etwa keine indigene folk psy-

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 25

chology  (Bruner 1990), wie sie in kulturellen Lebensformen und

Sprachspielen verwurzelt ist. Das ist schon eine etwas paradoxe

Lage, beinahe sogar eine Art Ironie der Geschichte: ›Wir ‹ sprechen bislang in hohem Maße über Definitionen, Modelle und Theorien

interkultureller Kompetenz, ohne mit den viel beschworenen An-deren oder Fremden allzu ausgiebig gesprochen zu haben. Das istnur ein ganz klein wenig übertrieben: Ein wirkliches Gespräch im

Sinne eines interkulturellen Dialoges  über das, was wir in ver-schiedenen Wissenschaften tun und weiterhin zu tun vorhaben, um

das fragliche Konzept zu analysieren und zu reflektieren (auch inseinen politischen Dimensionen), ist allenfalls in ersten Ansätzenzustande gekommen. Indigenes Wissen sogenannter nicht-westlicher Kulturen liegt auch in diesem Feld weitgehend brach

(vgl. Chakkarath 2007, im Druck). Das merkt man den Begriffenund Modellen stark an. Man denke etwa an die stillschweigendenBezugnahmen auf psychologische Unterscheidungen, die offen-

kundig der westlich-europäischen Tradition entstammen. Ein west-licher Einschlag lässt sich im Übrigen bereits an der Selbstver-ständlichkeit ablesen, in der ›wir ‹  die Frage nach interkultureller

Kompetenz als ein heute weltweit angeblich  gleichermaßen inte-

ressierendes, wichtiges und vermeintlich ziemlich ›neues‹  Themaauffassen und verbreiten. Ob das alles wirklich so ist, fragen nur

wenige. Womöglich haben andere gar kein vordringliches Interessedaran, uns zu verstehen und freundlich zu behandeln (in postkolo-

nialen Zeiten, die den Kolonialismus keineswegs vergessen ma-chen können). Oder : Vielleicht verstehen sie ›uns‹ längst viel bes-ser als ›wir ‹ sie, sind vertraut mit westlicher Philosophie, Literaturund Dichtung, mit europäischer und nordamerikanischer Musik,

mit ›unseren‹ Bildern und Skulpturen und Gebäuden, mit Instituti-onen des Rechts und der Bildung und Ausbildung, usw. usf.  –  nurhaben wir das nicht alle schon in gebührendem Umfang bemerkt,

während wir neue Formen interkultureller Verständigung und An-erkennung predigen und dennoch unsere redliche Mühe damit ha- ben, es den Anderen und Fremden in ihrem Bemühen um Fremd-

verstehen auch nur einigermaßen gleich zu tun. Noch immer zitie-ren sie uns, kaum einmal wir sie. Mitunter bemänteln wir diese Ig-noranz sogar durch eine vorpreschende Überheblichkeit, die das

eigene Selbst prophylaktisch schützen soll: »Hätten sie, die kultu-rell Anderen und Fremden, doch nur einen Tolstoi hervorgebracht,

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26 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

so würden wir ihn schon lesen!« Das gilt selbstredend auch für ei-

nen Kant oder eine de Beauvoir. ›Wir ‹ ignorieren dabei hochnäsig

all jene Leistungen, die in anderen, fremden Kulturen hervorge- bracht wurden. Oder: Vielleicht bevorzugen sie (aus nachvollzieh-

 baren Gründen) auch untereinander einen anderen Umgang, als esunser Ideal »interkultureller Kompetenz« nahelegt.

8.  Wie dargelegt, wird interkulturelle Kompetenz als komplexe  Dis-

 position  begriffen, als Persönlichkeitsmerkmal, das neben andereEigenschaften wie etwa die in der Psychologie viel beachteten Per-

sönlichkeitsfaktoren gestellt werden kann (mit denen es sich oftauch ›überschneidet‹; das ist etwa bei den sog. big five  der Fall,von denen lediglich der erste Faktor, nämlich Neurotizismus, in-terkultureller Kompetenz klar entgegengesetzt und abträglich ist.

Dagegen tauchen zumindest Bedeutungsaspekte von Extraversion,Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit [i.S. von Altruismus, Ko-operationsbereitschaft, Nachgiebigkeit] oder Gewissenhaftigkeit

[i.S. von Zuverlässigkeit u.a.] in allen Modellen interkulturellerKompetenz auf.) Es geht bei »interkultureller Kompetenz« also vorallem um persönliche Voraussetzungen, um Aspekte des Erlebnis-

und Handlungspotentials von Individuen, die in interkulturellenKonstellationen eben wichtig sind (vermeintlich oder tatsächlich).Unbestritten –  aber selten genauer bedacht und theoretisch berück-

sichtigt –  ist dabei, dass das Gelingen interkultureller Kommunika-tion, Kooperation und Koexistenz nicht allein von personalen Fak-

toren abhängt, sondern auch von den jeweils gegebenen Kontext-und Situationsbedingungen. Damit sind politische und institutio-nelle Rahmenbedingungen sowie spezielle Merkmale der Interak-tionssituation gemeint, einschließlich der jeweiligen Interaktions-

 partner. Auch im Hinblick auf interkulturelle Kompetenz gilt, dassdas Tun des einen das Tun des anderen bestimmt (Stierlin 1971).Wie das vor sich geht und was das für ein genaues Verständnis des

theoretischen Konstrukts bedeutet, ist durchaus unklar.9.  Allgemein anerkannt, aber erneut genaueren Nachdenkens wert ist

die Tatsache, dass das viel beschworene theoretische Konstrukt

kein lediglich deskriptiver, analytischer und explanativer Begriffist. Er fungiert stets auch als normative Kategorie und symbolisiertmitunter einen hohen Wert , ein  –  keineswegs ganz klares  –   Ideal .

»Interkulturelle Kompetenz« ist einer der bereits gewohnheitsmä-ßig verwendeten Leitbegriffe unserer Zeit. Er gehört zur Signatur

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 27

unserer Gegenwart und artikuliert in  symbolisch verdichteter   und

zugleich diffuser   Weise valorative bzw. normative Grundlagen 

›unseres‹  Lebens sowie  Ziele  ›unserer ‹  Lebensführung. Er reprä-sentiert, so scheint es jedenfalls vielen von ›uns‹, eine Art Grund-

konsens und ist Bestandteil zahlreicher politischer Konzepte und psychologisch-pädagogischer Direktiven in der globalisierten bzw.glokalisierten Welt. Er ist mit einem manchmal energischen Opti-

mierungswillen verbunden (s.u.), mitunter auch mit überzogenenHeilsideen  –   als ließen sich das kompliziert gewordene Leben in

extrem dynamischen, kulturell pluralisierten Gesellschaften sowiedie kontingenten Konflikte in und zwischen ihnen durch eine all-seits verbreitete interkulturelle Kompetenz bändigen und befrie-den. Das ist vielleicht doch eine etwas allzu naive Hoffnung, die

obendrein diffus bleibt, insofern die implizierten Werte und Nor-men, Fähigkeiten und Fertigkeiten teilweise selbst nebulös sind.

10. Zu einem besonders irritierenden Punkt führt eine genauere Analy-

se des valorativ-normativen Gehalts »interkultureller Kompetenz«.Es ist kein Zufall, dass gängige Bestimmungen des Konstrukts fastimmer Dinge in einen Topf werfen, die nicht recht zueinander pas-

sen. Das fällt allerdings kaum mehr auf, so dass das theoretischeKonstrukt zu einer höchst eigentümlichen  Affirmation von effizi-

enzorientierten Kalkülen und Strategien einerseits, einer kulturelle

 Differenzen sensibel wahrnehmenden und ihnen gerecht werden-

den Ethik und Moral  andererseits führt. Diese in alle mir bekann-

ten Begriffe (Konzepte, Modelle) interkultureller Kompetenz re-gelrecht eingeschweißte  Liaison von instrumenteller Vernunft und  kommunikativer Ethik und Moral (im Sinne einer um Anerken-nungs- und Gerechtigkeitsfragen sich drehenden Diapraxis, die

dem Prinzip des unvoreingenommenen Dialogs folgt), ist, genauer besehen, verblüffend. Die wissenschaftlichen Bemühungen um dietheoretische Bestimmung »interkultureller Kompetenz« hebt, wie

man in Anlehnung an eine allgemeiner gehaltene Analyse desKompetenz-Diskurses sagen kann, »die Dichotomie zwischen Stra-tegie und Moral vielleicht nicht gerade auf, aber schwächt sie doch

sehr ab« (Reichenbach 2009: 50).11 Man mag das »als moralisch

11 Dagegen hängt der (heute neoaristotelisch dominierte) Tugenddiskurs, den

Reichenbach mit dem Kompetenzdiskurs vergleicht, geradezu von dieser

Dichotomie ab und reproduziert sie unentwegt.

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28 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

und politisch naiv bezeichnen, man kann aber auch argumentieren,

dass hier die Verzahnung von Strategie und Moral affirmiert wird.

Erfolgsversprechende interpersonale Interaktionsstrategien verhel-fen nicht nur den partiellen und partikulären Interessen sich zu

verwirklichen, sondern können auch den gemeinsamen Interessendienen. Im soft skills-talk [und dazu gehört auch der wissenschaft-liche Diskurs über interkulturelle Kompetenz; J.S.] gibt es so auch

[…] keinen prinzipiellen Gegensatz zwischen individuellem und

kollektivem Nutzen« (ebd.). Seine Devise entstammt der Trickkis-

te einer durch und durch »positiven Psychologie«, sie vermeidetTiefgang und schafft so (vermeintlich) die Quadratur des Kreises:»tu Gutes, jammere nicht und denk an Dich!« (ebd.: 50). Auf keineKompetenz trifft dies wohl mehr zu als auf die interkulturelle. Wie

hier radikal-adaptives Erfolgsdenken, strategisches Kalkül und dieindividuelle Vorteilnahme von kompetitiven Kompetenten mit ei-ner Ethik und Moral der Offenheit und Toleranz, der Achtung und

Anerkennung von Anderen und Fremden verschmelzen, ist einzig-artig. Das Glück des Selbst und das Glück der Welt fallen angeb-lich geradezu in eins, wo interkulturelle Kompetenz das Regime

übernommen hat. Wer sich jedoch bei der wissenschaftlichen und philosophischen Betrachtung der valorativ-normativen Pragma-Semantik »interkultureller Kompetenz« auf analytische Vernunft

stützt, wird gerade im skizzierten Sachverhalt eine irritierende Un-gereimtheit sehen. Die besagte Irritation erstreckt sich im Übrigen

auch auf einzelne Komponenten, die häufig als an sich  wertvollgelten (das wird zumindest suggeriert). Man denke z.B. an Per-spektivenübernahme oder Empathie  –   gleichermaßen Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten, die in ethisch-moralischer Hinsicht keineswegs

einen von vorneherein › positiven‹ Glanz ausstrahlen. Sie sind dies- bezüglich vielmehr absolut neutral . Nur wer zu Perspektivenüber-nahme und Empathie in der Lage ist, kann anderen unvergleichlich

Gutes widerfahren lassen  –  oder aber sie  ins Visier nehmen, ihreGedanken und Gefühle ins Kalkül stellen, um sie sodann mit be-rechnender Kaltschnäuzigkeit zu übervorteilen, zu beleidigen, zu

demütigen, kurz: als individuelle, verletzliche Menschen in ihrerBesonderheit und Befindlichkeit  zu verstehen und zu treffen  (vgl.die Ausführungen zur keineswegs so unüblichen »Perversion« der

narrativen Empathie von Breithaupt 2009: 175ff.).

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 29

 Nimmt man alle formulierten Fragen, Bedenken und Einwände zu-

sammen, erscheint es mehr als zweifelhaft, dass wir heute bereits eine

hinreichend klare Vorstellung davon haben, was »interkulturelle Kom- petenz« eigentlich ist und ausmacht, auf welchen Voraussetzungen sie

aufbaut, welche nachgewiesenen Wirkungen wir ihr zuschreiben undwelche begründeten Hoffnungen wir mit ihr verbinden dürfen. Man braucht die wissenschaftlichen Bemühungen und Errungenschaften

weder verkennen noch gering schätzen, um den Eindruck zu bekom-men, dass der Diskurs über interkulturelle Kompetenz keine uneinge-

schränkt seriöse Angelegenheit ist, in der Vernunft und Augenmaß denTon angeben. Vielmehr haben wir es dabei über beträchtliche Streckenmit einem modischen Marktgeschrei zu tun, das die Leute eher einlulltals aufklärt und das dem Verkauf einer Ware dient wie andere Lobge-

sänge auf materielle, soziale oder ideelle ›Güter ‹ auch –  ohne dass klarwäre, ob das Angepriesene den damit beglückten Menschen wirklichimmer gut tut. Interkulturalität ist, mit anderen Worten, eine der be-

gehrtesten Münzen im wuchernden  Kompetenzdiskurs unserer Gegen-wart. Sie signalisiert dabei ein Gut, das die allgemeine Attraktivität,die der Kompetenzbegriff seit ungefähr einem halben Jahrhundert

 besitzt,12 noch überstrahlt und überbietet. Keine Fähigkeit und Fertig-keit scheint heute wertvoller und  nützlicher als interkulturelle Kompe-tenz. Nicht alle jedoch stimmen dieser Einschätzung uneingeschränkt

zu. Manche wittern darin vielmehr eine Art Propaganda des ›Gutmen-schen‹.

Sie sehen im vielstimmigen Diskurs über interkulturelle Kompe-tenz, Michel Foucaults › bösen Blick ‹ variierend, lediglich eine weitereWelle der humanwissenschaftlichen Zurichtung des Menschen, an

12 Vgl. hierzu Reichenbachs (2009: 43f.) Kommentar zu dem bereits von

Basil Bernstein (1996) attestierten »Kompetenzidealismus«, der dem Be-

griff längst höhere Weihen verliehen und ihn fast unlösbar mit einigen an-

gesehenen und anziehenden Gütern verwoben hat, darunter die »universel-

le Demokratie“ (kompetent werden können alle!) sowie die Vorstellung

eines aktiven und konstruktiven, zukunftsorientierten, bedeutungsvolle

Wirklichkeiten schaffenden und dabei sich selbst regulierenden Subjekts,

welches individuelle und kollektive Emanzipationsprozesse befördert.

Auch die »interkulturelle Kompetenz« zehrt  –  wie schon der von Claude

Lévi-Strauss‘ eingeführte Vorläufer »kulturelle Kompetenz« –  von dieser

Aura des Kompetenzbegriffs.

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30 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

dessen Ende neue Disziplinar- und Kontrolldispositive winken, durch

die Menschen in gewaltsamen Machtprozessen auf die neuen Verhält-

nisse eingeschworen und eingestellt werden.13  Die Tatsache, dass eszum Cultural Quotient   (CQ), der an die Seite der betagteren Intelli-

genzquotienten IQ und EQ gerückt ist, nicht mehr weit ist und entspre-chende Tests zur flächendeckenden Vermessung der Schlüsselqualifi-kation bereits vorliegen (vgl. etwa Deller/Albrecht 2007, Kühlmann

2005), ist unübersehbar. Andreas Urs Sommer (2002: 54) hat das ineinem zugleich ernsten und amüsanten Eintrag in seinem philosophi-

schen Dictionnaire festgehalten:

»CQ  –  Cultural Quotient. Als dritte Gewalt im Machtgefüge von IQ und EQ

(letzterer beziffert emotionale Intelligenz) ein Quotient, der nicht nur Kompe-

tenz in den Bereichen der traditionellen Kultur ermittelt, sondern gleichzeitig

den latenten Avantgardismus [dabei darf man wohl auch an interkulturelle

Kompetenz denken; J. S.]. Zu viel und zu dick aufgetragener Avantgardismus

läßt indessen den CQ-Wert wieder sinken. Die noch junge CQ-Forschung ist

vornehmlich damit beschäftigt, praktikable Meßverfahren zu entwickeln. Sie

steht im Dienst des Fortschritts und der Erziehung des Menschengeschlechts.

(→ Alteuropa; Bildung).« 

13 Ich beanspruche hier nicht, auf Foucault in hinreichend geklärter Weise

Bezug zu nehmen (zur Genealogie findet sich vieles in gesammelten

Schriften wie etwa bei Foucault 2001-2005; vgl. dazu die Hinweise vonVogl 2008). Es ist offenkundig, dass auch die Kulturpsychologie, die ich

vertrete, erheblich von seinen Arbeiten profitieren und sich von ihnen an-

regen lassen kann. Das zeigen schon die heute verfügbaren Einführungen

und Übersichtsdarstellungen (z.B. Keller 2008, Kögler 2004), die nicht zu-

letzt auf die produktive Anverwandlung der Diskursanalyse und Machtkri-

tik in verschiedenen Disziplinen zu sprechen kommen. Wer dieses Anre-

gungspotential nutzt, also einen instrumentellen Gebrauch von Foucaults

Schriften macht und diese sogar ziemlich selektiv und räuberisch liest,

müsste sich freilich die Frage gefallen lassen, in welchem Sinne die Resul-

tate dieses Raubzugs denn überhaupt noch den Geist des Originals atmen?

Es ist mehrfach bezweifelt worden, dass sich Foucaults philosophisches

Konzept einer in spezifischer Weise machtkritischen Diskursanalyse 

 bruchlos in ein theoretisches und vor allem methodisches Forschungspro-

gramm der (interdisziplinären) Sozial- und Kulturwissenschaften ummün-

zen lässt (Gehring 2007).

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 31

Dieser Tatbestand kann natürlich auch anders interpretiert werden, als

es Foucaults Genealogie und Machtanalytik des modernen Subjekts

nahe legen. Diese Sicht der Dinge und verwandte Betrachtungsweisensind aber dennoch aufschlussreich. Sie finden in einigen Untersuchun-

gen zurecht ihren Ort.

4. INTERKULTURELLE KOMPETENZ ALS BARE

MÜNZE IM SOFT SKILLS-TALK 

Es ist mit Händen zu greifen, dass die allgemeine Aufwertung und

hymnische Beschwörung interkultureller Kompetenz Bestandteil eines soft skills-talk  ist, der vor Gedankenlosigkeit und anderen Zugeständ-nissen an die Werbebranche und Konsumsphäre ebenso wenig zurück-

schreckt wie vor den oftmals in vorauseilendem Gehorsam übernom-menen ökonomischen Imperativen. Das ist schon häufiger beanstandet

worden, mit besonderer Verve etwa von Roland Reichenbach (dessenkritische Invektiven dann auch gleich mehrfach gleichlautend publi-ziert wurden, z.B. 2006, 2009). Reichenbachs Urteil klingt hart, einwenig ungerecht und ist dennoch zutreffend und bitter notwendig. Der

 polemische Analytiker weiß, dass es leicht ist, sich über die »internati-onale Geschmeidigkeit« eines immer hohler werdenden Geredes lustigzu machen, das zwar meistens ziemlich unbestimmte (oder allenfalls

vage umrissene), aber stets fesch verpackte, rhetorisch aufgerüstete

und dabei keineswegs unnütz erscheinende »Kompetenzen« fordertund zu fördern vorgibt, einklagt und anpreist, feilbietet und vermark-

tet. Er trifft ins Schwarze mit seinem unbarmherzigen Urteil: DerKompetenzdiskurs ist unschwer als »Amalgam von politischer Kor-rektheit, froher Botschaft und Markttauglichkeit zu verstehen« (ebd.:

36). Nicht selten verblüffen »groteske empirische Behauptungen, indenen die ›weichen Fähigkeiten‹ und der Erfolg in Berufs- und Privat-

leben maximal positiv korrelieren. Der  soft skills-talk   ist dem Bil-dungsdenken vielleicht deshalb ein Ärgernis, weil er ganz ohne tief-schürfende Analysen auskommt, ohne jede intellektuelle Lust aufAmbivalenz, Widerspruch und Paradoxie, er ist, mit anderen Worten,

radikal optimistisch, und das ist natürlich schwer zu ertragen« (ebd.).

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32 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

Im Vergleich mit dem, was man beim Blick in den  soft skills-talk   so

alles zu sehen bekommt,14 gehört das Loblied auf interkulturelle Kom-

 petenz übrigens noch zu den seriöseren Kandidaten (wie etwa auch dieeinfacher gestrickte Führungs- oder Teamfähigkeit). Dafür gibt es

zahllose Beispiele wie die folgenden. Deutlich seichtere Antworten aufweniger drängendere Probleme und obendrein noch sehr viel zweifel-haftere ›theoretische Konstrukte‹  (wenn man davon überhaupt noch

sprechen mag) stellen  soft skills  wie etwa »Socratic Selling Skills«(auch Konfuzius ist als Marketingstratege stark im Kommen), »dating

skills« oder jene Fähigkeiten und Fertigkeiten dar, welche Personen indie Lage versetzen, im Restaurant gewandt aufzutreten oder zu Hausestilvolle Feste zu feiern (ebd.: 36), sich effektiv selbst zu inszenierenund zum Aufmerksamkeit erheischenden Attraktor hochzustilisieren,

also sich einigermaßen elegant (oder auf andere Weise markant) zukleiden, vornehm aufzutreten und auch beim Reden oder in den Regis-tern non- und paraverbaler Kommunikation Duftnoten des Exquisiten,

Exzellenten und Anziehenden zu setzen (nach dem marktförmigenVorbild › prominenter VIPs‹ und anderer ›Superstars‹ aus der sog. Weltder Reichen und Schönen, denen es an einer Zurückhaltung gebieten-

den ›Intelligenz‹ oft ebenso gebricht wie an anderen Aspekten dieserklassischen Persönlichkeitseigenschaft).

Auch die folgenden Hinweise sind keineswegs Abschweifungen

vom Thema des interkulturelle Kompetenz einschließenden  soft skills-

talk : Zur Ausstattung kompetenter ManagerInnen des eigenen Daseins

und globaler (zwischenmenschlicher) Probleme gehört, folgt man denkursierenden Appellen, zunehmend auch die Fähigkeit zur sentimenta-len, oft gnadenlos kitschigen Inszenierung und Evokation von (Mit-)Gefühlen (die bekanntlich ohnehin längst kommerzialisiert sind:

Hochschild 1990; Illouz 2006). Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn

14 Wie weit  dieser Rahmen mittlerweile ist, zeigen beliebige Zusammenstel-

lungen von angeblich außerordentlich wichtigen  soft skills. Reichenbach

(2009: 38) präsentiert auf einer vollgestopften Druckseite über einhundert

davon, darunter (gemischt wie Kraut und Rüben): Selbstakzeptanz, Prob-

lemlösefähigkeit, respektvoller Umgang mit der Vergangenheit, Gesund-

heit, Balancefähigkeit, Verantwortung, Wertschätzung, Dialogfähigkeit,

Gemütsfähigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Fleiß, Selbstdarstellung, Informa-

tionskompetenz, Kontaktstärke, Kreativität, Flexibilität, Optimismus, Hu-

mor, usw. usf.

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 33

Schläge und Wendungen des eigenen Schicksals oder Freud und Leid

anderer Leute vermarktet werden wollen. Der Kälte im stahlharten

Gehäuse funktional differenzierter und auf Funktionstüchtigkeit ge-eichter Gesellschaften korrespondiert heute eine zügellose Emotionali-

tät, die Wärme vorgaukelt, spontane Berührbarkeit durch kalkulierteRührung ersetzt und die Sensibilität urteilsfähiger Personen durch dieBereitwilligkeit kompensiert, sich als Figur in einem abgekarteten

›Spiel‹  Gefühle abtrotzen oder sie sich aufzwingen, sich von ihnen bewegen, überwältigen und leiten zu lassen. All das und unzähliges

mehr gilt vielen Apologeten weicher Schlüsselqualifikationen  alsGarant eines erfolgreichen Selbst und seiner unausweichlichen Kom-munikations- und Interaktionspflichten in einer globalisierten, nichtzuletzt kulturell differenzierten Welt. Man tut gut daran, in Erinnerung

zu behalten, dass der Diskurs über interkulturelle Kompetenz auch indiesem Rahmen blüht und gedeiht, ihn zugleich reproduziert, stabili-siert und ausdehnt. In diesem Diskurs ›denken‹  und ›fühlen‹ die Ak-

teure mit  den Anderen und Fremden und  für sie, sie nehmen sie sorg-sam wahr, beachten und achten sie  –  heute diese, morgen jene, ganznach den medial gesteuerten, zügig wechselnden Aufmerksamkeiten

auf diese oder jene Region im In- und Ausland. Es ist nicht zu überse-hen: Gerade auch in diesem Feld sind gefühlige Bekenntnisse zu denAnderen und Fremden im Zeichen politischer Korrektheit wichtig (und

manchmal schon alles). Sie sind zu Markenzeichen nicht zuletzt desinterkulturell kompetenten Gutmenschen und seiner alle beruhigenden

 Ausdauer und Zuversicht  geworden.Wie gesagt schließt der dem heutigen Kompetenzdiskurs innewoh-

nende Optimismus, der von den frohen Botschaften einer allzu fröhli-chen ›Wissenschaft‹  kündet, die von wissenschaftlicher Forschung

 bisweilen gar nicht viel wissen will, negative Prognosen bis hin zurApokalypse der modernen Welt nicht aus, sondern stützt sich oftmalsdarauf und zehrt davon. Nur wer heute hören will, muss morgen nicht

fühlen. Denen, die sich nicht umpolen und trainieren, optimieren undnormieren, perfektionieren lassen im Sinne der neuesten  soft skills-Ideologie, denen wird das Leben eben mehr oder minder übel mitspie-

len, heißt es. Sie werden über kurz oder lang aus selbst verschuldetemMangel an Flexibilität, Mobilität und trainability  zu den vergleichs-weise inkompetenten Exemplaren der Gattung und deswegen zu den

 bedauernswerten loosern gehören; abgehängt, und zwar zurecht, dennsie beschädigen ja, indem sie sich selbst hängen lassen, auch die Ande-

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34 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

ren und behindern die Bewältigung gemeinsamer Aufgaben und öf-

fentlicher Angelegenheiten.

Es liegt auf der Hand, dass es gute Gründe nicht nur dafür gibt,über die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz (und anderer sog.

Schlüsselqualifikationen) zu sprechen und alles Menschenmöglichedafür zu tun, dass dieser Notwendigkeit Abhilfe geschaffen wird,sondern auch über dieses Sprechen und Tun selbst . Der Diskurs über

interkulturelle Kompetenz ist an sich eine bemerkenswerte Praxis undmit allen möglichen Aktivitäten verknüpft, die unsere Aufmerksamkeit

verdienen. All das hat eine ,zumal kulturpsychologische, Zeitdiagnosezu interessieren. Worum geht es in diesem Diskurs und dieser Praxis?Was findet dort eigentlich statt? Was soll gemacht werden mit jenenMenschen, für welche man sich interessiert? Was wird aus ihnen,

wenn sie ihre immer weiter ausdifferenzierten Kompetenzen vermes-sen und trainieren (lassen), in Gruppenveranstaltungen oder individu-ellen Coachings, wenn sie also die Idee einer sukzessiven Perfektionie-

rung oder Optimierung des eigenen Selbst  als eines intern differenzier-

ten Kompetenzzentrums übernehmen und sich öffnen für lebenslangeKompetenzförderungsmaßnahmen? Was, und das ist eine durchaus

wichtige Frage, wird aus ihnen und ist schon aus ihnen geworden,lange bevor sie sich im Vollzug der für geeignet gehaltenen Maßnah-men herrichten (lassen) und faktisch verändern im Sinne der vorgese-

henen Kompetenzsteigerung? Es ist alles andere als selbstverständlichund auch nicht einfach nur recht und billig, dass sich Personen aus

freien Stücken bzw. in vorauseilendem Gehorsam als »hochtourigeLerner« (Meyer-Drawe 2008) verstehen und (re-)produzieren.

Wer sich bereit dafür macht, interkulturelle Kompetenz zu erwer- ben oder zu erweitern  – in Prozessen des sog. »aktiven, offenen und

ganzheitlichen Lernens« (Reichenbach 2004)  – , wurde bereits model-liert in einem Diskurs, dessen Sprache oft weniger sagt und aussagt alsvage andeutet und suggeriert.15  Alles beginnt vielleicht damit, dass

15 Das gilt auch für die zitierten »Überredungsbegriffe«, die Reichenbach

(2004) als »treue Partner des pädagogischen Besserwissens« geißelt. Auch

diesbezüglich sind seine Argumente kaum zu widerlegen. Das »aktive, of-

fene, ganzheitliche und gemeinschaftliche Lernen« ist, der allgemeinen

Ideologie einer politisch korrekten Pädagogik (und manchmal sogar der

Erziehungswissenschaft) zufolge, das unhinterfragte Nonplusultra. Das gilt

selbst dann, wenn niemand genau anzugeben wüsste, was dies denn eigent-

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36 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

glokalisierten Welt unserer Tage hingestellt wird (etwa als Ursache

von Gewalt),

•  sowie die hypertrophe Distinktion zwischen ›guten‹ (interkulturellkompetenten) und › bösen‹ (inkompetenten) Leuten.

Wichtig ist, dass der Appell an Menschen, interkulturelle Kompetenzzu entwickeln, nur teilweise auf Argumente setzt, die überzeugend klar

machen, warum und wozu dies für die angesprochenen Personen (oderGruppen und die Menschheit im Allgemeinen) tatsächlich attraktiv

und hilfreich ist. Häufig operiert man in diesem Feld vielmehr mit den bereits bemühten Überredungsdefinitionen und anderen Mitteln persu-asiver Rede, die die Adressaten herumkriegen  sollen. Dazu taugenemotionalisierte und Gefühle manipulierende Wörter und Bilder bes-

tens. Zu den von Reichenbach (2009: 39ff.) herausgestellten Merkma-len des fragwürdigen  soft skills-talk , die offenbar auch bestens zumDiskurs über interkulturelle Kompetenz passen, gehören außerdem die

folgenden:

•  die Transformation einer Sprache der Moral in eine psychologische

Sprache: Das psychologische Vokabular, durch das das interkultu-rell kompetente Subjekt vornehmlich charakterisiert wird, enthältallerdings auch offene und vor allem verdeckte moralische Unter-

scheidungen, so dass diesbezüglich von einer, die kommunikativenAbsichten und diskursiven Effekte des Kompetenzdiskurses ver-

 schleiernden, Kryptonormativität  gesprochen werden kann; die be-sagte Transformation beseitigt die Moral also häufig nicht, sondernverwandelt und verschleiert die moralische Kommunikation durch Psychologisierung  (Pathologisierung, etc.);

•  die Betonung der Bedeutung der  Persönlichkeit   ist auch im hierinteressierenden Fall evident: Dadurch sorgt man stets für einenregelrechten Schub in der Erziehungs- und Bildungsbranche (vom

Kindergarten über die Erwachsenenbildung jeder Spielart bis hinzur Gerontopädagogik im Seniorenheim); derzeit gibt es wohl nurwenige, ähnlich lukrative Kompetenzvermarktungsmöglichkeiten

wie im bunten Feld der Interkulturalität;•  die Instrumentalisierung von  Komplexität   als Pseudo-Argument:

Dadurch lässt sich nicht nur erklären, warum man mit der Bestim-

mung des theoretischen Konstrukts (und bei der Bearbeitung allersonstigen wissenschaftlichen und praktischen Aufgaben) eben

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 37

noch nicht so weit ist, wie es wünschenswert wäre. Der Hinweis

auf die außerordentliche Komplexität des Gegenstandes dient dar-

über hinaus der Erzeugung synästhetischer Saturiertheit und einemFreibrief zum Eklektizismus, der alle mitreden, mitmachen, etwas

 beisteuern und ein wenig Recht haben lässt;•  die Zerlegung  des jeweils interessierenden Konstrukts in Teil kom-

 petenzen, Dimensionen und dergleichen, wobei sich diesbezüglich,

wie oben ausgeführt, häufig keine klaren Metrisierungen und Hie-rarchisierungen vornehmen lassen, noch nicht einmal grobe Eintei-

lungen verschiedener Niveaus;•  die bloße Suggestion der Messbarkeit  von soft skills ist typisch und

charakterisiert den Diskurs über interkulturelle Kompetenz schonwegen der extremen pragmatischen und semantischen Vieldeutig-

keit des Konstrukts, aber auch wegen der Disparatheit vorliegenderDefinitionen und Konzeptualisierungen; all das ist natürlich für dieLehre, für Trainings und sonstige Bildungs- und Ausbildungsmaß-

nahmen ein erhebliches, oft verschleiertes Problem (und bereits fürden lerntheoretischen Zugang eine Hürde; Straub 2010a);

•  die  Exklusion des Nicht-Messbaren: Vieles, was interkulturelle

Kompetenz oder sonstige  soft skills  ausmacht (und erst recht dienicht allein auf personale Dispositionen zurückführbare, geglückteinterkulturelle Kommunikation, Kooperation und Koexistenz), ist

aus prinzipiellen Gründen gar nicht messbar; diese keineswegsunwesentlichen Aspekte fallen dann einfach heraus aus der (Effi-

zienzdiagnosen sowie -prognosen verpflichteten) Kompetenzfor-schung und ihren anwendungsorientierten Ausläufern; im Rahmendes Diskurses über interkulturelle Kompetenz wird über solche,sich der Optimierungs- und Vermarktungsfähigkeit entziehende,

Aspekte kaum mehr nachgedacht.

5. DIE MACHT SELBST-OPTIMIERENDERKOMPETENZSTEIGERUNGSKOMPETENZ 

Es ist bereits überdeutlich: Diskurse und Praxen, die sich um das Kon-

zept interkulturelle Kompetenz herum ›anlagern‹, sind selbst bemer-kenswerte kulturelle Phänomene. Sie bilden ein wucherndes Netz ausaufeinander verweisenden, auseinander hervorgehenden, einander

ergänzenden praxischen Handlungen und Sprechakten (mit illokutio-

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38 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

nären Sinngehalten und performativen Effekten, vielfach nicht inten-

dierter Art). Es ist nicht allein so, dass wir über etwas reden, wenn wir

interkulturelle Kompetenz thematisieren (analysieren, lehren, fördern,etc.). Vielmehr machen  wir durch unser Sprechen und das darauf

 bezogene Handeln etwas mit Menschen und aus Menschen, revidieren

und gestalten deren Welt . Dieses Machen beginnt, bevor wir Men-schen gezielten praktischen (psychologischen, pädagogischen) Maß-

nahmen unterziehen, sie durch bedachte Instruktionen und geplanteInterventionen in eine bestimmte Richtung lenken, kurz:  zu ändern

versuchen.Die Diskursivierung interkultureller Kompetenz ist –  wie eben jede

competence speech, jeder  soft skills-talk  –   ein  Zugriff   auf den Men-schen und ein Eingriff  in dessen kognitives Selbstverständnis, in seine

emotionale Selbstbeziehung und sein praktisches Selbstverhältnis. Wer»Kompetenz« sagt, führt etwas im Schilde, will etwas anderes, er odersie will auf der Grundlage ›wissenschaftlicher ‹ Erkenntnisse und psy-

chologisch-pädagogischen  Knowhows  mehr und Besseres aus Men-schen machen. Zu diesem Zweck müssen sich die Adressaten ersteinmal als verbesserungsbedürftig fühlen und begreifen. Insofern hier

(pseudo-) wissenschaftliche ›Autorität‹  im Spiel ist, handelt es sichzweifellos um eine Art Kolonialisierung der Lebenswelt (Habermas1981).

Auch die Debatte über interkulturelle Kompetenz zielt in ihrem in-nersten Kern auf  Kompetenzsteigerungskompetenz  (Disponibilität,

Lernbereitschaft, trainability  und dergleichen sind Voraussetzungen,Bestandteile und Ziele des Programms). Darauf kommt es heute an,wenn man nicht zu den übrig bleibenden und unversehens ausrangier-ten »peinlichen Dilettanten« (Reichenbach 2009: 46) gehören will.

Das heutzutage schon kaum mehr hinterfragte Kompetenz- und Steige-rungsethos braucht Leute, die Lust darauf haben und Gefallen daranfinden, von wohlgesonnenen Facilitatoren unentwegt an sich herum

modeln zu lassen und sich selbst nach dem neuesten Kompetenzmo-dell zu modellieren. Bemühungen um interkulturelle Kompetenz be-zeugen das heute geradezu prototypisch. Interkulturell kompetente

Personen sind mit wissenschaftlicher Akribie gestaltete und sich per-manent selbst (um-) gestaltende Subjekte, die bald schon nicht mehrgenau unterscheiden können, was von ihnen gewollt wird und was sie

selbst wollen, die also auch nicht mehr zu beurteilen vermögen, ob das

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D AS SELBST ALS INTERKULTURELLES KOMPETENZZENTRUM | 39

eigene Streben dem eigenen oder einem fremden, anonymen Willen

entsprungen ist.

Wichtig ist, dass sie als kompetenzsteigerungswillige Akteure An- passungsleistungen vollbringen, die dem Leben seine drohende Tragik

rauben und schon bloße Pannen, leidvolle Stockungen und mühsameUmwege des geschmeidigen Lebensflusses vermeiden helfen. Diehyperaktive Kompetenzsteigerungskompetenz erscheint als Garant von

Erfolg und ›Glück ‹ (das in diesem Fall dem Selbstwirksamkeitserlebenkompetenter Akteure entspringt und als »emotionales Kapital« recht

treffend erfasst ist)  –  und sie ist paradoxerweise zugleich die Gewährdafür, dass Kultur und Gesellschaft in ihren (Macht- und Herrschafts-)Strukturen unberührt bleiben. Kompetenztheorien sind, ungeachtet der(vielleicht ›kritischen‹,›emanzipatorischen‹, etc.) Intentionen ihrer

Schöpfer, »politisch zahnlos« (ebd.: 47). Sie befördern die Individuali-sierung und Psychologisierung sozialer Probleme. Sie richten denBlick auf Subjekte, die vor allem, mitunter ausschließlich, nach Funk-

tionalitäts- und Effizienzkriterien vermessen, kontrolliert und trainiertwerden –  und die dazu angehalten sind, diese Vermessungen, Kontrol-len und Trainings selbst durchzuführen bzw. aus freien Stücken und

im eigenen Interesse zuzulassen, aktiv einzuleiten und endlos fortzu-setzen. Die Optimierung und Normierung macht aus Menschen Mo-dels  –  auch dort, wo es nicht mehr um den Körper und die Figur, um

Haltung und Gang und andere Aspekte der äußeren Erscheinung geht,sondern um die Seele, mithin um alles, was Menschen so denken,

fühlen, wollen und tun.Das auf Kompetenzsteigerung gerichtete  Menschen-Machen strebt

im Zeichen der Optimierung und Normierung auf einen  partiell neuen Menschen mit erweitertem Wissen und gesteigerten Fähigkeiten und

Fertigkeiten. Das sagen jedenfalls die ›Modelle‹. Der kompetentereMensch besitzt neue Erlebnis- und Handlungspotenziale  –   im Sinneinstrumentell-strategischer Verfügungsmacht  sowie  einer ethisch-

moralisch hoch stehenden hermeneutischen Kunst, die unvoreinge-nommene Dialoge fördert und das Zusammenleben bereichert, indemsie Menschen füreinander aufschließt, ihre Offenheit und Verände-

rungsbereitschaft unterstützt. Speziell die interkulturell kompetentePerson vermag so zu einer Welt beizutragen, in der, wie der idealisie-

rende Tenor  lautet, Menschen effektiver kommunizieren und kooperie-

ren, zugleich verständnis- und respektvoller, empathischer, rücksichts-voller miteinander umgehen und voneinander lernen. Sie begegnen

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40 | KULTURPSYCHOLOGISCHE GEGENWARTSDIAGNOSEN 

einander zumal als fremde Andere mit großherziger Toleranz und

aufrichtiger Achtung  –   wenn sie die besagte Kompetenz erst einmal

hinreichend ausgebildet haben. Selbst wenn diesen »guten Menschen«nicht alles gelingen mag und sie nicht immer angemessen und effektiv

handeln mögen, so wissen und vermögen sie doch mehr (und anderes)als ihre um kulturelle Differenzen wenig besorgten Mitmenschen. ImUnterschied zu diesen sind sie um wirkliche Anerkennung bemüht und

täuschen Interesse nicht bloß vor. Und sie üben sich darin, den über-nommenen Ansprüchen gerecht zu werden und arbeiten zu diesem

 Zweck permanent an sich.Quod erat demonstrandum: Wo sich das im Zeichen der Optimie-

rung und Normierung stehende Menschen-Machen vollzieht, geschiehtnoch anderes als das Vorgesehene und Vorgezeigte (Sabisch/Sie-

 ben/Straub 2011). Wo Menschen sich verändern sollen und vielleichtverändern wollen, sind sie so gut wie immer in einem doppelten Sinneals Subjekte im Spiel. Zum einen sind sie als aktive und autonome

Personen tätig, die ihr Erlebnis- und Handlungspotential, die jeweilsgegebenen Anregungen aufgreifend und mäeutische Anleitungen (vonTrainern, Coaches und anderen »Facilitatoren«) kreativ umsetzend,

vielleicht vertiefen und ausweiten. Zum anderen erscheinen sie als justdiesen machtvollen Anregungen und Anleitungen unterworfene bzw.sich unterwerfende Subjekte, die diskursive Vorgaben und praktische

Vorhaben übernehmen und sich ihnen gemäß herrichten  (lassen).Competence speeches  –  Diskurse über Kompetenz  –  dürfen als Para-

debeispiele für das diffuse Wuchern von Kontroll- und Disziplinardis- positiven aufgefasst werden, die Menschen internalisieren können, umihnen in ihrem Handeln fortan ›freiwillig‹ zu folgen. Auf diese Weisewerden und machen sich Menschen zu jenen Sub-jekten, welche Illusi-

onen von Autonomie aufbauen und sich zugleich einer anonymen undheteronomen, undurchschauten Macht unter-stellen. Sie handelndurchaus auch als interkulturell kompetente Akteure in anonymem

Auftrag.Kompetenzerwerb erscheint in dieser machtkritischen Perspektive

auch als Anpassungs- und Unterwerfungsprozess, in der vermeintlich

autonome Personen das Heft aus der Hand geben und sich einem all-gemeinen Machtgeschehen eingliedern (nolens volens, eher unbewusstals bewusst). Im Extremfall richten sich Menschen bekanntlich regel-

recht zu, um der Norm sukzessiver Optimierung dieser oder jenerFähigkeit und Fertigkeit oder einer sonstigen personalen Eigenschaft

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Folge zu leisten. Man sollte diesen Aspekt auch dann nicht aus dem

Auge verlieren, wenn es sich bei den Lehr- und Lernzielen um so

nobel und allgemein konsensfähig erscheinende Attribute wie interkul-turelle Kompetenz handelt. Auch diese wissensbasierte Fähigkeit und

Fertigkeit entwickeln Menschen gemeinhin nicht ganz aus freien Stü-cken und eigenem Antrieb. Interkulturelle Kompetenz: Das ist ersteinmal nicht die originäre und originelle Idee und das Ideal eines ein-

zelnen Menschen, sondern ein in unserer Gegenwart immer lauter andie gesamte Menschheit gerichteter  Imperativ. Einen exakt identifi-

zierbaren Absender braucht dieser Befehl nicht. Die neue Ordnung,auf die diese Anordnung zielt, scheint so gut wie allen unumgänglichund auch gut und schön. Von allen Seiten verkündet man Fragmenteeiner neuen Ethik und Ästhetik der Interkulturalität. Darauf sollen sich

Menschen einlassen. Sie  sollen  interkulturell kompetent werden wol-len. Dazu werden sie angewiesen und angehalten. Sie machen sodannmehr oder weniger mit, wozu sie ohnehin abgerichtet   würden und

tatsächlich werden.Was bedeutet das nun alles, was folgt daraus? Dass man sich den

anonymen Imperativen kompromisslos verweigern und dem okroyier-

ten Optimierungs- und Normierungsgeschehen gänzlich entziehensollte? Nicht unbedingt. Die Alternative trotziger »interkulturellerInkompetenz« ist gewiss keine attraktive und vernünftige Lösung, sie

entspränge einem seltsam › pubertären‹  Widerstand und zeitigte wohlihrerseits nicht nur erfreuliche Folgen. Was dann? Wenn es um heute

derartig weit verbreitete, weithin akzeptierte Werte und Normen gehtwie diejenigen, welche in das Konstrukt »interkulturelle Kompetenz«eingehen und seine Pragma-Semantik mitbestimmen, scheint trotzigeGegenwehr unvernünftig und ohnehin zwecklos. Das ändert jedoch

nichts daran, dass interkulturelle Kompetenz der Effekt eines Kontroll-und Disziplinardispositivs ist, das Menschen vorgibt, was sie wollenund sein, tun und lassen sollen. Der breite Konsens, der interkulturelle

Kompetenz als ein hohes Gut und sogar als eine Art notwendige Tu- gend  in der glokalisierten Welt ausweist, ändert nicht das Mindeste ander Tatsache, dass keineswegs in jedem Paket mit der Aufschrift »in-

terkulturelle Kompetenz« wirklich etwas Tolles drin ist. Etiketten-schwindel ist heute gerade auch in diesem Feld gang und gäbe.

Dessen  sollte man sich bewusst  bleiben. Dieses Bewusstsein um-

fasst idealiter die oben ausführlich entwickelte Einsicht, dass heuteeigentlich niemand genau weiß, was sich unter der Bezeichnung »in-

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terkulturelle Kompetenz« verbirgt oder was man nach bestem wissen-

schaftlichen Wissen und Gewissen darunter verstehen sollte. Diese

Einsicht und die damit verwobene Skepsis gegenüber dem  soft skills-talk  und speziell dem marktförmigen und verkaufsfördernden Gerede

über interkulturelle Kompetenz sind nicht wenig. Sie sind ein Resultataufklärerischer Begriffskritik und Machtanalyse, das zu ernsthaftenBildungsbemühungen und dem althergebrachten, keineswegs ausge-

dienten Ideal der partiellen Autonomie einer Person gar nicht soschlecht passt.

 Neben den Zurichtungen und Enttäuschungen, vor denen niemandgefeit ist, wenn er (oder sie) sich den verführerischen Offerten »inter-kultureller Kompetenz« nähert und sich auf sie einlässt, ist ein weitererGesichtspunkt bemerkenswert. Die Funktion des Diskurses über inter-

kulturelle Kompetenz kann nämlich gerade darin bestehen,  jenen

 Mangel zu verschleiern und zu verdecken, den zu beseitigen man

überall und immerfort vorgibt . Vielleicht redet man auch deswegen

unentwegt von Toleranz und Anerkennung sowie den anderen Sonnen-seiten interkultureller Kompetenz, weil sie faktisch Mangelware undobendrein oft gar nicht wirklich angesagt sind . Es drängt sich nicht

nur in Politik und Wirtschaft mitunter der Eindruck auf, als seienToleranz und Anerkennung einfordernde »Diskurse interkulturellerKompetenz« rhetorische Manöver, die davon ablenken, dass es Kom-

munikations- und Interaktionspartnern oft nach wie vor darum geht,den anderen zu überreden und zu übervorteilen, um eigene Macht zu

gewinnen, zu stabilisieren oder auszubauen und sogar Herrschaft zuerlangen. Persuasive Kommunikations- und strategische Interaktions-modi, Gewalt androhende, subtilen Druck ausübende sowie andere,indirekt oder unmittelbar gewaltsame Umgangsformen sind womög-

lich dann besonders aussichtsreich und effektiv, wenn sie von Loblie-dern auf interkulturelle Kompetenz und ihre implizierten Komponen-ten (wie Perspektivenübernahme und Empathie, Ethnorelativismus und

Toleranz, Achtung und Anerkennung) begleitet  werden.Die allgegenwärtigen Hymnen auf interkulturelle Kompetenz be-

mänteln manchmal nicht nur die veritablen Schwierigkeiten, dem

gepriesenen Ideal tatsächlich gerecht zu werden, sondern auch den(eigenen und vielleicht verbreiteten) Unwillen, dies überhaupt anzu-streben und wirklich zu versuchen (praktisch, politisch). Spätestens

dann, wenn eigene Nachteile in Kauf genommen und Ziele aufgegebenwerden müssen, schwinden der gute Wille und das Interesse an Diffe-

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renz, Alterität und Alienität in der Regel ganz schnell. Das in hellen

Farben flimmernde Gerede über interkulturelle Kompetenz passt

durchaus zur apokalyptisch-ideologischen Rede vom »Kampf derKulturen«, insofern es diesen Kampf in Verborgenheit   zu führen ge-

stattet  –   als wolle niemand Streit um der eigenen Überlegenheit unddes individuellen oder kollektiven Vorteils willen. Die valorative undnormative Pragma-Semantik, die interkulturelle Kompetenz als ein

hohes Gut und eine geschätzte Tugend nobilitiert, breitet sich mitunterwie ein Deckmantel über die harte Realität konkurrierender Individuen

und Gruppen aus und verwischt die Spuren eines Kampfes, die denkompetenten Menschen klammheimlich dem Kombatanten angleichen(ganz im Sinne einer Begriffsgeschichte, die an den kompetitiven Sinn von »Kompetenz« erinnert; Straub 2007b). Der oder die Kompetente

ist nicht selten ein Konkurrent, der auch vor persuasiver Kommunika-tion, strategischer Interaktion und rüden Formen der Gewaltsamkeitund Gewalttätigkeit nicht zurückscheut  –   auch wenn die subtileren

Modi bevorzugt werden und lieber im Nebulösen oder Unsichtbarenoperiert wird. Diesen Raum des schwer Durchschaubaren, zumindestetwas Schleierhaften,  schafft der Diskurs über interkulturelle Kompe-

tenz mit . Will jemand den Verdacht zerstreuen, eigennützig die Über-legenheit und Privilegiertheit des Selbst und der eigenen Bezugsgrup- pe über kulturell Andere und Fremde zu sichern, ist er oder sie gut

 beraten, das Bemühen um interkulturelle Kompetenz herauszustrei-chen. Das gilt im Privatleben ebenso wie in der Politik.16

Der Diskurs über interkulturelle Kompetenz erscheint in der skiz-zierten Perspektive wie ein gigantisches Ablenkungsmanöver. Er dientmitunter durchaus etwas zwiespältigen, zwielichtigen Zielen. Es mag ja sein, dass die theoretischen Debatten und praktischen Bemühungen

um interkulturelle Kompetenz insgesamt eine ziemlich schöne, guteSache sind, die den Frieden befördert und der Liebe dient und alleBetroffenen über kurz oder lang bereichern wird. Von Foucault und

anderen haben wir jedoch gelernt, nach den Bedingungen der Mög-lichkeit von Wissen (Diskursen, Praktiken) zu fragen und zugleich jede Wissensakkumulation sowie -distribution nicht kurzerhand (und

naiv) als Fortschritt oder Zeichen der Emanzipation und rundum er-

 16 Es ist leicht zu sehen, dass es auf politischer und geostrategischer Ebene

auch heute wieder  –  wie schon zu Herodots oder Herders Zeiten  –  um ei-

nen Wettstreit geht, in dem »Europa« sich formiert und wappnet.

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freulichen Menschheitsentwicklung aufzufassen. Eine zurückhaltende,

skeptischere Sicht der Dinge ist insbesondere dann angebracht, wenn

Wissen relativ plötzlich en masse produziert und unter die Leute ge- bracht wird, mit performativen Effekten und praktischen Folgen viel-

facher Art. Nimmt man diese Empfehlung ernst, animiert der allzuunablässige und aufgeregte Kompetenzdiskurs zum Einhalten, zu Nachdenklichkeit im Zeichen der Vorsicht  –  gegenüber zwielichtigen

Machenschaften, in die keineswegs bloß gutmütige und gutgläubigeLeute verwickelt sind.

6. ZUM SCHLUSS: EINE WOHLWOLLENDE LESART

IN DER VERSÖHNLICHEN PERSPEKTIVE EINER

VERHALTEN-OPTIMISTISCHEN

FORTSCHRITTSGESCHICHTE 

 Natürlich hätte eine sorgfältige diskursanalytische Untersuchung diePflicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Es gibt im Diskurs über

interkulturelle Kompetenz ebenso seriöse Bemühungen von engagier-ten Zeitgenossen wie fahrlässigen  Bullshit   von Blendern (ganz imSinne von Harry Frankfurt 2006). Letztere schwafeln daher und wollen

schleunigst irgendetwas gewinnträchtig unter die Leute bringen (oderauf andere Weise in eigener Sache handeln). In der ersten Kategoriefinden sich etwa wissenschaftliche und philosophische Arbeiten, die

u.a. darauf aus sind, dem theoretischen Konstrukt einen einigermaßenklaren Sinn abzugewinnen, aus dem auch die praktische Bedeutunginterkultureller Kompetenz hervorgeht. Ich will den Faden hier nicht

noch einmal von vorne aufrollen, sondern mit einem kurzen Hinweisschließen, der für das Verständnis unserer Gegenwart bedeutsam zusein scheint. Was immer »interkulturelle Kompetenz« im Einzelnen

 besagen mag, so gehört die ganze darauf bezogene Debatte nach der

hier vorgeschlagenen ›Lesart‹  in einen theoretischen und praktischenZusammenhang, in dem die Sozial- und Kulturwissenschaften seit gut

einem Jahrhundert intensiv daran arbeiten, die Konturen einer Trans-

 formation (spät-/post) moderner Subjektivität  nachzuzeichnen und aufden Begriff zu bringen. Dieser Strukturwandel zielt auf eine radikale

 Dezentrierung des Subjekts und jener Bezugsgruppe, die die jeweils

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zentrale Quelle seiner sozialen Identität ist (vielleicht auch mehrerer

solcher Bezugsgruppen).17 

All das wurde und wird in der Psychologie, Psychoanalyse sowieanderen Sozial- und Kulturwissenschaften eben unter dem Titel »Iden-

tität« erörtert. Die Identität einer Person bezeichnet eine spezifischeStruktur (oder  Form) des kommunikativen Selbstverhältnisses vonSubjekten. Solche Subjekte sind  zugänglich  für die Stimmen der An-

deren und Fremden, sie lassen sich von ihnen affizieren und ihr Den-ken und Handeln von ihnen anregen. Differenzsensibilität, Alteritäts-

und Alienitätsbewusstsein im Zeichen wechselseitiger Beachtung,Achtung und Anerkennung sind pragma-semantische Implikate perso-naler Identität. Nicht zufällig sind diese Merkmale auch wichtigeKonstituenten oder Komponenten interkultureller Kompetenz.

Diese Kompetenz ist im Kern eine Fähigkeit und Fertigkeit, sichselbst angesichts vielfältiger Anderer und Fremder zurückzuhalten undzurückzunehmen, eben offen  zu sein für das Erleben eigener (Identi-

täts-) Grenzen sowie für Erfahrungen der Selbsttranszendenz, die

17 Die soziale Identität kann dabei als Aspekt der personalen Identität begrif-

fen werden (ganz im Sinne der Theorie von Taijfel 1978). Zum Identitäts-

 begriff und dem hier nur angedeuteten Strukturwandel vgl. ausführlicher

Rosa (2007), Straub (1991, 2004b, 2010b), Straub/Chakkarath (2010b) und

Straub/Renn (2002), wo sich zahlreiche Literaturhinweise finden. Das in

den genannten Arbeiten entfaltete Konzept knüpft insbesondere an theore-tisch anspruchsvolle Ansätze in den Traditionen des Pragmatismus und

symbolischen Interaktionismus, der Psychoanalyse und neuerer Hand-

lungstheorien an. Zentral ist dabei die sehr häufig übersehene triadische 

semantische Struktur des Identitätsbegriffs. Demnach ist »Identität« in der

Mitte eines Kontinuums angesiedelt , dessen Extreme durch die »Totalität«

einerseits, den Persönlichkeitszerfall andererseits repräsentiert wird. Letze-

rer vollzieht sich über meist sukzessive, das Erlebnis- und Handlungspo-

tential der Betroffenen zersetzende Identitätsdiffusionen und  – 

fragmentierungen. Ein mögliches Resultat ist z.B. die sog. »multiple Per-

sönlichkeit«, die eigentlich keine Persönlichkeit mehr ›hat‹  oder ›ist‹).

Zweifellos finden sich seit vielen Jahrzehnten fahrlässige ideologische Be-

setzungen des Identitätsbegriffs (sowohl hinsichtlich der Bestimmung

»personaler« als auch »kollektiver« Identität), die theoretisch in aller Regel

überaus dürftig ausfallen. Davon ist der hier in Anspruch genommene Be-

griff dezidiert abgegrenzt.

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andere, fremde Kulturen und deren Angehörige ermöglichen (anstoßen

können, vielleicht sogar evozieren und erwarten mögen). Interkulturel-

le Kompetenz ist ein begrifflicher Verwandter  personaler Identität: In beiden theoretischen Konstrukten geht es um die eminent aktuelle

Einsicht, dass eine zeitgemäße, ›überlebensfähige‹ und ›schätzenswer-te‹  Struktur des kommunikativen Selbst- und Weltverhältnisses einerPerson ›durchlässig‹  zu sein hat. In der Perspektive einer historisch

reflektierten Kulturpsychologie (Boesch/Straub 2007; Straub 2007c;Straub/Chakkarath 2010a)) ist dieser Zusammenhang evident. Diese

Perspektive gestattet es, die unter bestimmten geschichtlichen undsozio-kulturellen Bedingungen entstehende doppelte  Bedeutung   der besagten Begriffe zu erkennen. Sie erfassen nämlich beide empirisch-kontingente, in (spät-/post-) modernen Verhältnissen  sowohl funktio-

nale als auch normativ ausgezeichnete Attribute einer »Person«. IhrePragmatik und Semantik geben Auskunft darüber, was es faktischheißt und im Lichte reflektierter Werte und Normen bedeuten sollte, in

vielfältig differenzierten, komplexen Gesellschaften eine erlebnis- undhandlungsfähige Person zu sein.

Obwohl die Entwicklung von Identität keine Gabe, sondern eine

 Aufgabe  darstellt, die von Personen übernommen  und mit mannigfa-cher sozialer Unterstützung angegangen werden muss, entspringt dieIdentität einer Person weder deren völlig freiem Entschluss und Willen

noch ihrem rundum autonomen Handeln. Identität ist eine unter be-

 stimmten Lebensbedingungen funktionale und viable Struktur des

kommunikativen Selbstverhältnisses einer Person, in gewisser Weisealso eine Notwendigkeit. Menschen müssen sie ausbilden, wenn sieunter Verhältnissen der späten Moderne einigermaßen zurechtkommenwollen. Freilich gilt das nicht für alle in gleichem Maße. Einige kön-

nen es sich durchaus leisten, sich den Zumutungen der Identitätsbil-dung und -bewahrung zu entziehen. Sie halten sich dann etwa an dieüberkommene »Totalität«. Wieder andere zerbrechen an den besagten

Zumutungen. Die große Mehrheit muss die Herausforderungen jedochannehmen und das unendliche, nicht immer aufregende Abenteuereiner transitorischen Identität  einigermaßen bestehen.

Der offenen Gesellschaft entspricht das offene Individuum, es istihr Komplement. Beide sind aufeinander angewiesen und erhalten sichwechselseitig. Wie der Feind der offenen Gesellschaft totalitäre Sys-

teme sind, so ist die Person, der wir Identität zuschreiben, nicht nurvon jener unterschieden, die an einer Diffusion, Fragmentierung und

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schließlich am Zerfall des Selbst leidet, sondern auch gegen jene ab-

gegrenzt, deren strukturell geschlossenes Selbstverhältnis auf den von

Erik Erikson geprägten Namen »Totalität« hört (vgl. Straub 1991,2004b, 2010b). Das theoretische Konstrukt »interkulturelle Kompe-

tenz« passt nun bestens zum Begriff personaler Identität. Was im Namen dieses Konstrukts gedacht und getan wird, ließe sich, wasimmer man im Einzelnen darunter versteht, im Kern als Ausformung

der Identität von Personen unter Bedingungen erheblicher kulturellerPluralität verstehen, mithin als radikale  Dezentrierung des Selbst von

spät- oder postmodernen Subjekten, die dadurch  –  paradoxerweise  –  eine Stabilisierung und Ausweitung  ihres Erlebnis- und Handlungspo-tentials erlangen. Interkulturelle Kompetenz steht in diesem Sinn fürdie sich verbreitende, zukunftsweisende Einsicht, dass Schwächungen

Stärkungen sein und mit sich bringen können.Offenbar wandelt sich mit dem seit längerem sich vollziehenden,

sehr allmählichen und keineswegs ganz geradlinigen kulturellen Über-

gang von der Totalität zur Identität nicht nur die Struktur des kommu-nikativen Selbstverhältnisses von Personen, sondern auch unsere Vor-stellung von »menschlicher Stärke«. Diese scheint heute weniger vom

Willen, der Fähigkeit und Fertigkeit zur Selbstbehauptung   abzuhän-gen, sondern eher (oder ebenso sehr) von der Bereitschaft und demVermögen zur temporären Selbstaufgabe, wodurch neue Chancen und

Potentiale der Selbstbestimmung   entdeckt und freigesetzt werdenkönnen (vgl. zu diesen Begriffen Tugendhat 1979) Dabei braucht sich

niemand völlig zu verlieren und in alle Winde zu zerstreuen. DieseAngst, die gegenwärtig noch immer viele umtreibt, ist nicht notwen-dig, ja: Sie ist ein schlechter Ratgeber.

Interkulturelle Kompetenz ist, wohlwollend betrachtet, im Kern ei-

ne theoretische Bezeichnung für eine Art  Entspannungsübung , durchdie sich moderne Subjekte neu entdecken können, weil sie Andere undFremde wahrzunehmen und anzunehmen in der Lage sind, weil sie sie

›an sich heranlassen‹  und sich mit ihnen unvoreingenommen ausei-nandersetzen  können. Den Weg, auf dem solche Übungen obligato-

risch  sind, haben moderne Theorien personaler Identität sorgfältig

erkundet. Die Sorte von Leuten, die diesen Weg eingeschlagen habenund weiterhin gehen werden, genießt heute nicht zu Unrecht vielerortseine gewisse ›Sympathie‹. Diese Zuneigung schlägt ihnen überall dort

entgegen, wo Unvoreingenommenheit und eine gewisse Selbstlosig-keit, kurz: Wo Offenheit   und Veränderungsbereitschaft   als willkom-

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mene Errungenschaft, ja als Fortschritt im Bereich des gesellschaftli-

chen und sozialen Lebens betrachtet wird –  ebenso wie im Seelenleben

der Einzelnen. Die Thematisierung interkultureller Kompetenz ist, sogesehen, eine Begleitmelodie zum Aufstieg des  soggetto debole  im

späten 20. und angebrochenen 21. Jahrhundert. Sie verleiht diesemAufstieg Schwung und lenkt ihn in die Richtung einer Dezentrierungkultureller  Zugehörigkeiten und Bindungen.

Jede derartige Dezentrierungsbewegung führt das Subjekt wegvom absoluten Bezugspunkt des Eigenen und steigert das  Kontingenz-

bewusstsein. Wie die Eltern rein zufällig  die eigenen, nicht vom Kindgewählten Eltern sind, so ist auch die Kultur, in der jemand aufwächstund von der er oder sie geprägt wird, zuvorderst ein kontingentesWiderfahrnis. Niemand sucht sie sich aus, auch wenn sich halbwegs

eigenständig gewordene Personen später zu ihrer kulturellen Herkunftverhalten, sie (zumindest in den bewusst werdenden Aspekten) an-nehmen oder ablehnen können. Das reflexive Bewusstsein einer durch

und durch kontingenten Mitgift der Kultur  steigert das Wirklichkeits-und insbesondere das  Möglichkeitsbewusstsein von Subjekten, die justdadurch unweigerlich eine Dezentrierung ihres Selbst erfahren (und

aktiv betreiben). »Interkulturelle Kompetenz« spielt in diesem Vor-gang eine wichtige Rolle. Als Bestandteil einer Dezentrierungsbewe-gung löst sie die eigenen (überkommenen) Wertbindungen zwar nicht

gleich auf, lockert aber ihre bislang vielleicht ganz unhinterfragteGültigkeit. Dasselbe gilt für alle sonstigen kulturellen Bindungen,

denen interkulturelle Kompetenz den Status des schlicht Gegebenenund Hinzunehmenden raubt.

Aus all dem kann man den (bislang noch kaum bedachten) Schlussziehen: Interkulturelle Kompetenz betrifft auch den Umgang mit inter-

nalisierten kulturellen Differenzen. Sie ist, wie dargelegt, im Hinblickauf das kommunikative Selbstverhältnis bzw. die Identität einer Personvon Bedeutung. Sie ist mithin ein Aspekt des selbstbezogenen Erleb-

nis- und Handlungspotentials einer Person, ihres Umgangs mit sich selbst . Eine Person ist die dynamische, transitorische Einheit ihrerkontingenten kulturellen (und sonstigen) Differenzen. Diese Einheit ist

nicht ein für allemal gegeben, sondern muss geschaffen werden in permanenten  –   symbolisch, kulturell und sozial vermittelten  –  Aktender Bildung und Umbildung des Selbst. Identität als Verhältnis inte-

grierter Differenzen ist eine unendliche Aufgabe. Die psychische›Verarbeitung‹ dieser Differenzen kann gelingen oder scheitern. Eine

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Person kann an interner kultureller Heterogenität leiden, ja: Sie kann 

an den damit möglicherweise verwobenen Konflikten zerbrechen.

Gewiss, in vielen Fällen mögen Spannungen auch dieser Art das Le- ben spannend machen. Sie mögen als Quelle eigener Vitalität und

Lebenslust erlebt werden, gut und gerne ausgehalten, immer wiederneu ausbalanciert, integriert und für die Selbstentwicklung fruchtbargemacht werden können. Sie sind jedoch stets auch eine Herausforde-

rung und Zumutung für das Subjekt, sie fordern dem kulturell komple-xen Selbst psychisch und sozial vieles ab.

Personale Identität und interkulturelle Kompetenz sind stets vor-läufige Resultate einer massenhaften Anpassungsleistung an höchstdynamische Strukturen der modernen Welt. Sie sind ein wichtigerAusdruck davon, dass  Differenzierung   nicht nur ein zu wachsender

Komplexität führendes Prinzip der Gesellschaftsentwicklung , sondernuno actu auch ein Prinzip des Strukturwandels des Selbst   zahlloserMenschen ist. Kulturell komplexe Personen leben in ihrer inneren und

äußeren Welt  zwischen den Kulturen sowie im unaufhörlichen Über-

 gang von einer (wandlungsanfälligen) Kultur zur anderen. Der ›exter-nen‹ Differenzierung der Gesellschaft (in relativ autonome Funktions-

 bereiche, etc.) entspricht eine ›interne‹ Differenzierung der menschli-chen Seele und des Selbst. Kontingenz- und Komplexitätssteigerungensind wesentliche Kennzeichen beider eng miteinander verflochtenen

Vorgänge. Sie sind als mühsamer, sukzessiver und keineswegs irrever-sibler Wandel von der Totalität   hin zur  Identität   gut auf den Begriff

gebracht. Abgeschlossen ist dieser Wandel nicht. Er ist vielmehr nochimmer in vollem Gang, bezieht seit ein paar Jahrzehnten beide Ge-schlechter gleichermaßen ein und umfasst eine immer breiter werden-de Schicht der Bevölkerungen moderner Gesellschaften. Er gehört zu

den Phänomenen, denen wir eine longue durée attestieren müssen.

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