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43 TRANSPORT 2·2011 FAHRZEUG & TECHNIK Testphase: Bevor der neue Schwer- last-Bohrer für Geothermie-Tiefen- bohrungen eingesetzt wird, testet ihn Handke Brunnenbau mit vergleichs- weise unkritischen Brunnenbohrungen Im Tiefenrausch Mit 350 kW in die Erde: Das pfälzische Brunnenbau-Unternehmen Handke setzt verstärkt auf Geothermie und arbeitet mit einem neuen Nordmeyer-Bohrgerät auf dem Fahrgestell eines Actros 4448 8x8. Weil bei diesem Lkw auch der Nebenantrieb bei Bedarf die volle Motorleistung erhält, kann Handke bis zu 1,5 Kilometer tief in die Erde bohren. „Transport“ war bei einem ersten Testeinsatz dabei u Text: Eberhard Buhl Fotos: Alexander Fischer TRDE0211_08_Nordmeyer_lk_at_Layout 1 19.01.11 16:49 Seite 42

TRANSPORT 2·2011 FAHRZEUG & TECHNIK 43

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43TRANSPORT 2·2011 FAHRZEUG & TECHNIK

Testphase: Bevor der neue Schwer-last-Bohrer für Geothermie-Tiefen-bohrungen eingesetzt wird, testet ihnHandke Brunnenbau mit vergleichs-weise unkritischen Brunnenbohrungen Im Tiefenrausch

Mit 350 kW in die Erde: Das pfälzische Brunnenbau-Unternehmen Handke setzt verstärkt auf

Geothermie und arbeitet mit einem neuen Nordmeyer-Bohrgerät auf dem Fahrgestell eines

Actros 4448 8x8. Weil bei diesem Lkw auch der Nebenantrieb bei Bedarf die volle Motorleistung

erhält, kann Handke bis zu 1,5 Kilometer tief in die Erde bohren. „Transport“ war bei einem ersten

Testeinsatz dabei u

Text: Eberhard Buhl Fotos: Alexander Fischer

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SONDERFAHRZEUGE___Kurz vor acht Uhr in derRheinebene westlich von Darmstadt. Blasser Mor-gendunst liegt über den Rübenfeldern. Ein eisigerWind zieht über die Äcker, doch die Männer in ih-ren dicken Arbeitsjacken scheinen die Kälte nichtzu spüren. Viele Worte werden hier nicht gewech-selt, jeder Handgriff sitzt. Ein Kran hebt erst eineReihe schwerer Holzbohlen, dann einen stähler-nen Rahmen von der Ladefläche eines Actros. Exaktplatziert er sie um einen schlichten Holzpflock aufdem Ackerboden.

„Hier bohren wir im Auftrag des Beregnungs-verbands Lippstadt insgesamt 25 Bewässerungs-brunnen für die landwirtschaftliche Nutzung“, sagtHeiko Handke, der Chef der gleichnamigen Bohr-und Brunnenbaufirma, und schwingt sich auf denFahrersitz seines Actros 4448 mit Bohrgeräteauf-bau – ein offensichtlich nagelneues Fahrzeug mitVierachs-Allradantrieb. „Täglich erschließen wireinen Brunnen mit 20 bis 25 Meter Tiefe, fassen dasBohrloch mit Kunststoffrohren ein und verschlie-ßen es mit einem Deckel – bereit für die Montageder Pumpe.“ Konzentriert peilt Handke die höl-zerne Plattform an und rangiert den Actros genauvor die Bohrstelle. Die hydraulischen Stützen aus-fahren, das Fahrzeug waagerecht ausrichten, denBohrmast stellen – das ist für ihn Routine.

Metall windet sich und Stahltrossen knacken,als die Hydraulik den gut zwölf Meter langen

Stahlmast über dem Heck des Trägerfahrzeugs auf-richtet. Immerhin wiegen allein die Aggregate undder Mast gut 16 Tonnen. „Wir arbeiten hier mit demderzeit größten Bohrgerät von Nordmeyer“, erklärtHeiko Handke. „Das Gerät erlaubt Bohrungen mitbis zu 1,20 Meter Durchmesser und 1.500 MeterTiefe.“ Oft werden Bohrer dieser Leistungsklassemit einem Deck-Motor, also einem separatem An-trieb für die Bohreinheit ausgerüstet. Doch Handke

bestand auf einem geländegängigen Actros als Ge-räteträger und einem Spezialgetriebe, das den zu-sätzlichen Motor überflüssig macht: „Die meistenGetriebe liefern nur an der Kupplung die volle Mo-torleistung“, so der Bohrprofi. „Mercedes-Benz bie-tet aber ein spezielles Getriebe, das auch am Neben-antrieb die gesamte Leistung zur Verfügung stellt.“

Dort werden die 350 kW des Actros auch drin-gend gebraucht. Vier leistungsstarke Hydraulik-

pumpen werden über das Verteilergetriebeder Bohranlage angetrieben, ebenso der Bohr-kopf, Arbeits- und Hilfswinden mit bis zu500 Kilonewton Zugkraft, ein Kompressor fürLufthebe-Bohrungen und vier Pumpen zumAusspülen des Bohrlochs mit Wasser. „Beiweniger tiefen Brunnen und unkritischenBodenformationen – so wie heute – arbeitenwir trocken, ganz ohne Spülung“, sagt Handkeund ergänzt: „Sicher könnten wir hier aucheines unserer fünf kleineren Geräte einset-zen. Wir nutzen die Gelegenheit aber, diesesneue und sehr komplexe Bohrsystem richtigkennenzulernen, bevor wir es bei einem Mil-lionen-Projekt einsetzen.“ Denn das eigentli-che Einsatzgebiet dieses Bohrer-Boliden istdie Geothermie, die Nutzung natürlicher Erd-wärme mithilfe von Wärmepumpen.

Geothermie gilt längst als umweltfreund-liche Alternative zum Heizen und Kühlenmit fossilen Energieträgern – unabhängigvon Jahreszeiten, Sonneneinstrahlung undWind. Um die thermische Energie nutzen zukönnen, reichen oft schon oberflächennaheVerfahren aus: Flach im Garten verlegte Kol-lektoren, den Heizschlangen einer Fußboden-heizung ähnlich, oder spiralförmig in Grubeneingebaute „Energiekörbe“ nehmen dann dieErdwärme auf. Für die ergiebigeren Verfahren

Bohren, einfassen, verschließen20 bis 25 Meter sind die Brunnen tief,die Handke Brunnenbau für denBeregnungsverband Lippstadt anlegt

Stabile Plattform: Vor der Bohrung werden Holzbohlenund ein Stahlgerüst platziert

Schwere Kombination: 350 kW kann der Actros 4448 8x8 auch am Nebenantrieb bereitstellen.Bis zu 1.500 Meter Tiefe schafft der Nordmeyer-Bohrer

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Setzt auf LeistungHeiko Handke, Geschäftsführer Handke Brunnenbau

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der sogenannten Tiefen-Geothermie muss dagegengebohrt werden: Hydrothermale Systeme nutzenim Untergrund vorhandenes Thermalwasser. FürHFR-Systeme (Hot-Fractured-Rock) werden im Un-tergrund Risse und Klüfte erzeugt, in denen sichnach unten gepumptes kaltes Wasser erhitzt undüber eine zweite Bohrung nach oben steigt. Undbei Erdwärmesonden, wie sie das Handke-Team be-vorzugt einbaut, zirkuliert eine Trägerflüssigkeitin einem geschlossenen Rohrsystem.

Dafür werden oft zwischen 40 und 400 Metertief reichende sogenannte Koaxialsonden verbaut:In einem äußeren Ringraum sinkt die kalte Flüs-sigkeit wegen ihrer höheren Dichte nach untenund erwärmt sich dabei, weil die Temperatur desumgebenden Gesteins mit zunehmender Tiefe an-steigt – in Deutschland rechnet man mit drei GradCelsius pro 100 Tiefenmeter. Am tiefsten Punktangekommen steigt die erwärmte, nun wenigerdichte und damit leichtere Flüssigkeit durch eininnen liegendes Rohr wieder auf. Oben gibt sieüber einen Wärmetauscher Energie ab, erkaltetdadurch und sinkt durch den Außenring wiedernach unten.

Weil das System die physikalischen Effekte sogeschickt nutzt, arbeitet es enorm effizient, weißHeiko Handke: „Um diesen Kreislauf aufrechtzuer-halten, genügt eine relativ kleine, sehr verbrauchs-arme Pumpe.“ Schon mit einer 150 Meter tiefen

n HANDKE BRUNNENBAU

Im rheinland-pfälzischen Dirmstein gründete Brunnenbaumeister Heiko Handke sein Unternehmen im Jahr2000 und führt mit einem heute 28 Mitarbeiter starken Team Brunnen- und Geothermiebohrungen vor allemin Südwestdeutschland, aber auch international durch. Zertifiziert durch das International Well ControlForum (IWCF), darf das Unternehmen auch Bohrungen durch Gas- und Öllagerstätten abteufen. DerMercedes-Benz Fuhrpark des Unternehmens umfasst neben dem neuen Actros 4448 8x8 mit NordmeyerDSB 5/50 Bohrgerät für bis zu 1.500 Meter Bohrtiefe mehrere zwei- und dreiachsige Nutzfahrzeuge.Sechs verschiedene Bohrgeräte sind teils auf Lkw-Fahrgestellen, teils auf selbstfahrenden Lafetten aufKetten montiert.www.handke-brunnenbau.de

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Robuste TechnikEin massiver Spannkopf nimmt Bohrkroneund Verlängerungsstücke auf

Spartanisch, funktional, informativDas Freiluft-Bedienpult zeigt auf einen Blick allewesentlichen Betriebsdaten der Aggregate

Sonde lassen sich rund sieben bis zehn Kilowattthermische Leistung erzielen – das genügt für eindurchschnittliches Einfamilienhaus. „Wir habenaußerdem ein Patent auf Geothermiebohrungenbis 1.500 Meter, mit denen wir hier aus dem Ober-rheingraben bis zu einem Megawatt herausholen“,sagt Handke. „Das System ist sehr kompakt undkann als dezentrale Wärmeversorgung in Gemein-den, für Wohnanlagen oder Industriebetriebe ein-gesetzt werden.“

Die Bedeutung der Geothermie für die Wärme-und Stromerzeugung steigt. Weltweit waren Ende2009 schon mehr als 50 Gigawatt thermische Leis-tung und fast elf Gigawatt Kapazität zur Stromer-zeugung installiert. „In Deutschland ist der Markteher verhalten, weil die Bevölkerung zunehmendBedenken wegen möglicher Erdbeben hat“, so

Handke. „Bei offenen HFT-Verfahren zum Beispielkann es durchaus mal rumpeln. Bei unserem ge-schlossenen System ist das allerdings nicht zu er-warten. Und auch das Grundwasser wird nicht inMitleidenschaft gezogen.“ Auf dem internationalenMarkt jedenfalls scheinen die Leistungen des pfäl-zischen Bohrunternehmens besonders gefragt zusein, wie Anfragen etwa aus Asien zeigen.

„Umso wichtiger ist mir ein Fahrgestell vonMercedes-Benz“, sagt Handke. „Weil die Ersatzteil-versorgung selbst in der letzten Ecke der Welt per-fekt funktioniert und – ganz ernsthaft – der Ser-vice unschlagbar ist. Fällt während einer Bohrungtatsächlich mal der Antriebs-Lkw aus, kostet unsdas ja richtig viel Geld. Aber ich weiß: Innerhalbkurzer Zeit steht ein Servicewagen hier auf demAcker und macht das Fahrzeug wieder flott.“ n

n GEOTHERMIE

Wärmesonden werden meist bis in eineTiefe von bis zu 100 Meter abgesenkt.Das genügt, um Ein- und Mehrfamilien-häuser mit Niedrigtemperatursystemenausreichend zu beheizen. Als Kreislauf-flüssigkeit dient in der Regel Wasser mitFrostschutzmittelzusatz. Das Bohrlochwird mit Ton oder Tongemischen verfüllt.So besteht ausreichender Kontakt zumErdreich, ohne dass Grundwasserleiterbeeinflusst werden.

Wärmetauscherplus Pumpe

Wärmesonde

Handke Brunnen-bau nutzt einenActros 4448 alsTrägerfahrzeug.

MaximaleLeistung am

Nebengetriebe:350 kW

Pro 100Meter

Bohrungsteigt die

Temperaturum drei

Grad Celsius

20 m10 °C

100 m13 °C

200 m16 °C

MaximaleBohrtiefe:1,5 km

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