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Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academyof Sciences in Prague
Über den Comenius-Publikationen im JubiläumsjahrAuthor(s): MARTIN STEINERSource: Listy filologické / Folia philologica, Vol. 121, No. 3/4 (1998), pp. 327-336Published by: Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy ofSciences in PragueStable URL: http://www.jstor.org/stable/23467397 .
Accessed: 16/06/2014 13:12
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Listy filologicke CXXI, 1998, 3-4, pp. 327-336 POLEMIKA - NÄZORY
MARTIN STEINER Über den Comenius-Publikationen
im Jubiläumsjahr
Das vierhundertste Jubiläum der Geburt von Johannes Arnos Comenius im März 1992 erinnerte die wissenschaftliche und kulturelle Öffentlichkeit an eine bedeutende Gestalt der geistigen Geschichte des tschechischen Volks. In
der Zeit der Proklamationen über das Eintreten in das sich vereinigende Euro
pa erhob sich vor uns die Persönlichkeit eines wahrhaften Europäers, der von der Vereinigung der Menschheit schon damals, weit in den Tiefen der Jahr hunderte träumte, dessen Träume nun auf einmal fast ohne jedwede Hinder
nisse mit den gegenwärtigen Gefühlen mitklingen konnten, und dessen feste
Verankerung in der christlichen Tradition schon nicht mehr als Albernheit oder
Beschränkung mit zeitlichen Limiten des "erlaubten" Denkens entschuldigt werden mußte. Das bedeutende Comenius-Jubiläum kam somit in einen neu
en gesellschaftlichen Kontext - namentlich eben in dem Teil Europas, wohin
auch Comenius' Heimat gehört - und das gab sich auch daran kund, was im Jubiläumsjahr oder im Zusammenhang mit ihm herausgegeben werden konn
te und wurde.
Ich beabsichtige nicht - und es ist wohl für einen Einzelnen gar nicht mög lich - die gesamte Jubiläumsbücherproduktion zusammenfassend zu bewer
ten; es besteht übrigens die Frage, in welchem Maß es den spezialisierten Comenius-Zeitschriften gelingen wird. Schon allein die Rezensionen der Sam
melbände von allen Jubiläumskonferenzen, die nicht nur in ganz Europa ver
anstaltet wurden, sondern auch in manchen Überseeländern, würden offenbar
fähig sein, die bezüglichen Rubriken einiger Nummern unserer periodischen comeniologischen Zeitschriften anzufüllen. Ich werde mich daher mit nur ei
nigen Publikationen begnügen, die ich für bedeutend oder einer besonderen Aufmerksamkeit wert halte, namentlich vom Gesichtspunkt verschiedener
Meinung über Johannes Arnos Comenius' Persönlichkeit und Werk. Zuerst zu den Editionen der eigenen Comenius-Texte. Im Jubiläumsjahr 1992 sind zwei weitere Bände der Gesamtausgabe der
kritischen Edition Dilo Jana Amose Komenskeho - Johannis Arnos Comenii
Opera omnia erschienen. Diese Edition wird seit 1970 herausgegeben, ist den
gegenwärtigen Voraussetzungen nach auf ungefähr sechzig Bände vorausge sehen; mit den erwähnten zwei Bänden sind bis heute insgesamt 15 herausge geben worden, d.h. ungefähr ein Viertel des zu erwartenden Umfangs. Im Jahr
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Martin Steiner: ť)ber den Comenius-Publikationen im Jubilaumsjahr
1992 erschien Band 15/III,1 der den weiteren Teil der Schriften enthált, einge reiht von Comenius in die Gesamtausgabe Opera didactica omnia (Amster
dam 1657), und zwar die wáhrend des Aufenthalts in Elblong entstandenen Arbeiten, die an das bekannte Werk Novissima lingvarum methodus (heraus gegeben im Band 15/11) ankníipften, und den ersten Teil der Schriften, die mit dem Aufenthalt von Comenius und seiner Tatigkeit im ungarischen Sarospa tak zusammenhángen. Hier wurde iiberhaupt zum erstenmal in einer moder
nen und kritischen Edition eine der Comenius' Latein-Grammatiken zugáng lich gemacht, und zwar Januae lingvarum novissimae clavis, Grammatica
Latino-vernacula, seine erste kritische Herausgabe hat hier auch das bedeu
tende didaktische Werk Schola pansophica erlebt, die als Programmbasis fiir das Gymnasium in Sarospatak gehalten werden kann, und die in Comenius'
literarischen NachlaB einigermaBen im Schatten seiner beriihmterer Werke Di dactica magna und Novissima lingvarum methodus verblieben ist. AuBerdem
wurde der Band 23 mit der erwarteten kritischen Edition einer Art vorberei
tenden Materials zu allgemein verbessernder Schrift, die es schon Comenius
nicht mehr zu verarbeiten gelang, namlich Clamores Eliae.2 Die vom Autor
gesammelten Materiale, die lateinisch sowie tschechisch konzipiert waren, verblieben in der Form eines sehr schwierig lesbaren Autographen erhalten.
Die Handschrift las, oder besser gesagt, entschifferte Julie Nováková. Auch
fiir unsere erfahrenste Editorin der Comenius' lateinischen Werke bedeutete
es einige Jahre intensiver Arbeit, deren Ergebnis zuerst eine sogenannte editio
minor (mit minimalem Editionsapparat) war.3 Nun steht also den Interessen
ten fiir eine wahrhaft tiefe Erkenntnis von Comenius' Autorwerkstátte in den
letzten Jahren seines Lebens die Ausgabe von Clamores Eliae mit einem rei
chen Text- sowie Aufklarungsapparat zur Verfiigung. Durch ein Zusammen
treffen der Umstánde ist diese zweifellos anspruchvollste Edition von Julie Nováková ihre letzte Arbeit fiir J. A. Comenii Opera omnia, nach ihrem Tod verbleibt sie also eine wiirdige Gipfelung ihrer Editionsarbeit, aber eigentlich auch der anderen comeniologischen Tatigkeit. Es kann wohl konstatiert wer den, daB beide Bánde der kritischen Gesamtausgabe, die im Jahr 1992 heraus
gegeben wurden, den Zutritt zu einigen fiir comeniologische Studien wichti
gen Schriften ermoglichten.
1 Hrsg. von Μ. Bečková, J. Beneš, D. Čapková, K. Hubka, S. Králík, M. Kyralová,
J. Matlová, M. Steiner, R. Steiner, wiss. Red. D. Martínková, Praha, Academia 1992, 384 S„ 24 S. Beilagen.
2 Hrsg. von J. Nováková, wiss. Red. J. Otáhalová-Popelová, Praha, Academia 1992,
536 S„ 28 S. Beilage, 4 111. 3
Hrsg. von J. Nováková, Kastellaun/Hunsriick, Henn Verlag 1977, 226 S. - Verof
fentlichungen der Comeniusforschungsstelle im Institut fiir Padagogik der Ruhr-Univer
sitát Bochum, Nr. 8.
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POLEMIKA - NÁZORY
Von Úbersetzungen der Comenius' Werken, die im Jubilaumsjahr heraus
gegeben wurden, ist es notig, besonders auf die tschechische Herausgabe der
kompletten Allgemeinen Beratung uber die Verbesserung der menschlichen
Dinge {De rerum humanarum emendatione consultatio catholicaY aufmerk
sam zu machen. Das Vorhaben, dieses ganze umfangreiche siebenteilige Werk
zu ubersetzen, entstand in der damaligen Abteilung der Comeniologie und der
Historie des Schulwesens und der Padagogik des Pádagogischen Instituts J. A. Comenius' der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften so
ungefahr Mitte der achtziger Jahre. Es war das Resultat der Erwagungen da
von, wie am besten zum Feiern des vierhundertsten Jubiláum der Geburt Co
menius' beizutragen. Schon damals war es klar, daB dies eine Entscheidung
ist, die keinesfalls bestimmte Risiken entbehrt. Eine ernste Klippe war selbst der groBe Umfang des Werks; es war notig, einerseits damit zu rechnen, daB
es sich um eine Mehrband-Publikation handeln wird, andererseits (trotzdem es moglich war, die nicht herausgegebene altere Handschrift-Obersetzungen mancher Teile des Werks auszuniitzen), daB mit einem Mehrmitglieder-Ober setzerteam gerechnet werden muB, und demnach mit einer anspruchsvollen
Redaktion, und nicht gerade mit einer kleinen Organisationsaufwand. Die Zu
sammenstellung des Cbersetzungs-Teams muBte man den Anspriichen von
Comenius' Latein anpassen, an dem nicht nur die MaBnahmen des klassischen
Lateins geltend gemacht werden konnen, und dessen bestimmte Hinterhalte
also nur vom Latein humanistischer sowie spaterer Autoren belehrter Úber
setzer mit Erfolg beherrschen kann, was einigermaBen den iiblichen Rahmen
des Studiums klassischer Philologie iiberragt. Mit dem sprachlichen und stili stischen Problemen des Werks hángt Comenius' wankende Terminologie zu
sammen: Comenius fordert zwar auf der theoretischen Ebene fiir die Sprache der Fachliteratur (gesagt mit heutiger Sprache) die Genauigkeit und Eindeu
tigkeit der beniitzten Sprachmittel, in seiner eigenen Praxis war es ihm jedoch immer lieber, allen Reichtum der Sprachmittel auszuniitzen, als sich mit der
kargen Genauigkeit und Eindeutigkeit des Ausdríickens zu begniigen. Den ei
gentlichen Umkreis der Probleme brachte auch der Inhalt des Werks mit sich; einerseits der Seite der Verarbeitung der Kommentare nach, andererseits na
tiirlich auch wegen der allseitig merkhaften religiosen Verankerung, die da
4 Obecná porada o nápravě věcí lidských, iibersetzt von M. Bečková, J. Beneš, D. Čapková, J. Červenka, K. Floss, P. Floss, R. Flossová, J. Hejlek, A. Holendová, Z. Horský, J. Kalivoda, M. Klosová, M. Kyralová, J. Matlová, E. Procházková, J. Přívratská, V. Přivratský, J. Skalková, V. Soudilová, S. Sousedík, M. Steiner, M. Svatoš, L. Velčovská. Beniitzt wurden die ÍJbersetzungen von J. Hendrich und
Texte von J. Patočka. Redaktion der Texte J. Matlová (Band 1, 2), J. Beneš (Band 3), der Kommentare M. Bečková, A. Holendová, Praha, Svoboda 1992; Band 1, 563 S.; Band 2, 500 S.; Band 3, 594 S.
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Martin Steiner: Ober den Comenius-Publikationen im Jubiláumsjahr
mals an ideologische Barrieren anstoBen konnte. Auch mit diesem Wissen aller
Schwierigkeiten begonnen die Mitglieder des akademischen comeniologi schen Team mit der Arbeit an der Verwirklichung ihrer Absicht, da sie keine Zweifel davon hegten, daB bei den gegebenen Bedingungen ein derart vielsei
tig anspruchsvolles Projekt nie sonst erfullt werden kann, als eben im Zusam
menhang mit einem bedeutendem Jubiláum. Als eine bestimmte Ironie des Schicksals kann gehalten werden, daB, als im Verlauf der Vorbereitungen der
Obersetzung sich die gesellschaftlichen Verháltnisse veranderten, zwar die
Befiirchtungen vor den ideologischen Barrieren vergingen, jedoch Probleme mit der finanziellen Sicherung des Projektes entstanden, da es im voraus klar
war, daB es sich um eine Verlust-Publikation handeln wird. SchlieBlich gelang es, einige Sponsore zu gewinnen, sodaB die iiberhaupt erste komplette Ober
setzung des J. A. Comenius' Hauptwerks doch nun in der Sprache und der
Heimat seines Autors herausgegeben wurde. Es wáre sicher vorteilhafter ge
wesen, wenn das Werk von einem einzigen Obersetzer iibersetzt worden ware;
selbst bei einer sorgfaltigen Redaktion ist es nicht moglich, bei einem derart
groBen Obersetzer-Kollektiv eine absolute Stil- und terminologische Einheit zu erzielen. Nichtsdestoweniger halte ich es fiir wichtig, daB es schlieBlich gelungen ist, die tschechische Obersetzung so herauszugeben, wie sie heraus
kam, und daB sie ein Werk durchwegs kompetenter Obersetzer und Redakteu
re ist. Sie wird offenbar auf eine lange Zeit einen wiirdigen Beitrag - das kann hier wohl gesagt werden - mehreren Generationen der gegenwartigen tsche
chischen Comeniologen nicht nur zur Feier des vierhundertsten Jubiláum der
Geburt Comenius', sondern auch zur Fiirsorge um seinen geistigen NachlaB in
breiteren kulturellen Zusammenhángen bedeuten. AuBerdem kam, wie ich
annehme, die Obersetzung der Allgemeinen Beratung in einen geeigneten Kontext. Selbst das Werk hat zweifellos zu dem gleichzeitigen Integrations trachten, zur Bedeutung der Erziehung und der Bildung, um vorteilhafte Le
bensbedingungen der menschlichen Gesellschaft zu erzielen, gar manches zu
sagen, wie es iibrigens auch das dauernd sich steigernde Forscherinteresse der
comeniologischen fachlichen Óffentlichkeit um dieses Werk bezeugt. Was die tschechische Herausgabe der Schriften von Comenius anbelangt,
ist eine Neuigkeit auch ein AusschuB aus den bereits erwahnten Clamores Eliae, vorbereitet zur Herausgabe von Jiří Beneš.5 Das Buch mit einer Aus
wahl von Texten, die die allgemeine Verbesserungsmeditationen von Come nius in den letzten Jahren seines Lebens dokumentieren, bietet dem tschechi schen Leser die Moglichkeit, sich eine Vorstellung von dem Charakter eines des wichtigsten Teils von Comenius' HandschriftennachlaB zu machen.
5 Komenský, Jan Amos: Clamores Eliae. Křiky Eliášovy (Výbor), hrsg. und lateini
sche Teile iibersetzt von J. Beneš, Praha, Primus 1992, 53 S.
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Von der comeniologischen Literatur erwágen wir zuerst die Biographien. Ich mache hier auf drei aufmerksam. Schon im Jahr 1991 erschien in einigen Sprache-Mutationen das Buch des Historikers Jaroslav Pánek Comenius mit
dem Untertitel Lehrer der Nationen (in deutscher Fassung).6 J. Pánek fiihrt in
einer vielmehr verdichteten Form den chronologisch gestalteten Comenius'
Lebenslauf, gemeinsam mit Informationen uber wichtige Schriften an. Come nius' Biographie ist hier in historische Zusammenhánge eingereiht, der Autor
verleugnet nicht den Sachkenner, namentlich der bohmischen Geschichte des
16. und 17. Jahrhunderts, beweist eine gute Orientierung auch iiber die come
niologische Literatur. Es fehlt auch nicht ein Kapitel von der Annahme von Comenius selbst sowie seines Werks in den Zeiten nach seinem Tod, und von der Bedeutung seines Nachlasses. Das Buch ist mit einer kurzgefaBten Úber sicht von Comenius' Lebensdaten (im Inhalt sowie im Titel ist offenbar irrtiim licherweise in der deutschen Fassung gedruckt:... bibliographischen Angaben), einer auserwáhlten Bibliographie und einer farbigen Bilderbeilage ergánzt.
Auch eine weitere Biographie, auf die ich hier aufmerksam machen moch
te, schrieb ein Historiker, und zwar Jan Kumpera: Sein (tschechisches) Buch heiBt Jan Amos Komenský und hat den Untertitel Poutník na rozhraní věků (Ein
Pilger an der Grenze der Epochen).7 Kumpera geht einigermaBen anders vor
als Pánek. Vor allem hat er im eigentlichen Comenius' Lebenslauf nur Grund
angaben iiber seine Werke, das er dann besonders im zweiten Teil seines Buchs
behandelt. AuBerdem ist Kumperas Arbeit umfangreicher, was der Autor dazu
beniitzt, um dem Leser eine Reihe Persónlichkeiten vor allem vom Gebiet des
kirchlichen, wissenschaftlichen und politischen Lebens vorzustellen, mit de
nen Comenius auf seiner Lebenspilgerung zusammentraf. Kumperas Buch ist
mit scheinbar leichter Feder geschrieben, liest sich gut, doch ist dahinter viel - man kann es so sagen
- Ameisenarbeit verborgen, beim Sammeln der noti
gen Angaben in den Quellen sowie der Literatur. An der Lesbarkeit verliert
das Buch auch nichts in seinem zweiten, dem Comeniuswerk gewidmeten Teil.
Das Kapitel mit dem Titel Malý profil díla (Kleines Profil des Werks) ist the matisch nach den Fachen verarbeitet, die Comenius' Werk beriihrt. Macht mit den literarischen Mustern bekannt, und mit den Persónlichkeiten, die Come nius' Gedankenwelt beeinfluBt haben, und geht dann darauf iiber, wie Come nius in die einzelnen Wissenschaftsfache eingriff, laBt auch seine Sprach kenntnisse nicht unerwáhnt.8 Nach diesem Kapitel folgt ein ausfiihrliches
6 Košice, Východoslovenské vydavatelstvo und Praha, Orbis 1991, 107 S., 32 S,
Beilagen. 7
Ostrava, Amosium servis und Praha, Svoboda 1992, 372 S., 40 S. Beilagen. 8 Hier sei ein Hinweis angefiihrt: es muB nicht so ganz wahr sein, daB sich Comenius
nicht griechisch ausdriickte; in Opera didactica omnia IV ist in seiner Schrift Venti
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Martin Steiner: Ober den Comenius-Publikationen im Jubilaumsjahr
Katalog von Comenius' Werken. Es ist alphabetisch geordnet, zu den lateini
schen Titeln sind die Obersetzungen in Tschechisch beigefiigt, unter jedem Titel sind Angaben vom Entstehen des Werks angefiihrt, von seiner Erhaltung, Editionen und Úbersetzungen - bis dahin konnte sich der Autor bei Verarbei
tung des Katalogs in die friiher herausgegebene Bestandaufnahmen von Co menius' Werken anlehnen. Nicht aber bei den umfangreichen Annotationen, in denen wir die genregemáBe Einreihungen der einzelnen Schriften und die
Reproduktion deren Inhalt auffinden. Auch in Kumperas Buch befindet sich ein verháltnismaBig umfangreiches Kapitel iiber die Rezeption von Comenius' Werk seit seinem Tod bis zu unserer Zeit, das eigentlich die Geschichte der
Comeniologie schildert, ferner eine iibersichtlich veranstaltete Auswahl aus der Literatur sowie den Quellen, ein Personen- und Geographie-Benennungen
Register, und eine reiche, teilweis farbig durchgefiihrte Bilderbeilage. Die beiden angefiihrten Biicher erfiillen auf solide Weise das, was der Le
ser wahrscheinlich von ihnen erwarten wird, und das ist eine Belehrung liber
die Personlichkeit von J. A. Comenius, geboten in verstandlicher Form, und
auf dem Niveau der gleichzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen seines
Lebens und Werks. Nach demselben trachtet der Autor eines anderen Buchs, eher konnte wohl gesagt werden, eines Portrats, als Comenius' Biographie, Pavel Floss. Fiir die Benennung seines Buchs beniitzte er eine Mutation des
Titels des beriihmten Comenius' Labyrinths -
Labyrint srdce a ráj světa (La
byrinth des Herzens und Paradies der Welt).9 Schon mit diesem Titel bekennt
sich der Autor zu seinen literarischen Ambitionen, der eigene Text reiht dann
das Buch zum Grenzgebiet popularwissenschaftlicher Behandlungen, und der
Literatur des Faktums. Pavel Floss trachtet nichts weniger, als in das Innere
von Comenius' Personlichkeit durchzudringen, dem Leser wie nur moglich Comenius' authentischen Blick auf die Welt und auf die Menschen, die ihn in dieser Welt umgaben, zu vermitteln, und sucht Antworten auf die Fragen nach
Comenius' Beziehungen, z.B. zu solchen zeitlichen Erscheinungen, wie die Hexenprozesse und Exekutionen. Im Fall des Buchs von Floss handelt es sich
nicht um eine konsequent chronologisch verarbeitete Biographie. Die ist hier eine Achse, von der sich Comenius' Anblicke auf die Welt abwickeln, auf den Menschen, auf die Probleme seiner Erziehung und Verbesserung, was jedoch den Autor nicht hindert, die zeitlichen Ebenen dort durchdringen zu lassen,
labrum sapientiae ein Bruchstiick eines griechischen Textes, vorbereitet nach dem Neu en Testament als Muster eines proponierten Lehrbuchs (Amsterdam 1657, Spalten 54-58; Prag 1957, phototyp., ibid.), es ist natiirlich moglich, daB Comenius hier mít ei ner Vorlage gearbeitet hat.
9 Untertitel: Obrazy doby, života a díla Jana Amose Komenského, Praha, Fénix 1992, 170 S.
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wo es die Zusammenhange fordem. Floss ist eingeweihter Kenner des Lebens
und Werks Comenius', dem es keineswegs fremd ist, neue Fragen zu stellen,
hat auch als Philosoph, Historiker der Wissenschaft und des Wissens allerhand
zu sagen. Es ist schade, daB sein verdienstvolles Buch einigermaBen durch den
fehlerhaften Vornamen auf dem Umschlagblatt und einigen weiteren Druck
fehlern im Text entstellt ist.
Die Aufmerksamkeit auf Comenius als Schriftsteller, Hohepunkterschei
nung in der Geschichte der alteren tschechischen Literatur wendet Milan
Kopeckýs Buch Komenský jako umělec slova (Comenius als Kiinstler des
Worts)10 zu. Der Autor stellte sein Buch aus einigen Studien zusammen, in
denen er insgesamt aus genauer Analyse einiger Comenius' Schriften hervor
geht (Labyrinth, dichterische Schopfung, Theaterspiel Diogenes Cynicus re divivus, Manualník, und weitere) und zeigt einerseits Comenius' literarische
Vorgange, andererseits seine literarisch-theoretische Ansichten (namentlich
aufgrund der Schriften Zpráva a naučení o kazatelství und O poezi české), wobei er Comenius in den Kontext der nationalen sowie Weltliteratur einreiht
(z.B. das Kapitel uber J. V. Andreae). Vom Rahmen der literarischen Kontex te der Comenius' Zeit entzieht sich eine Studie uber Nezvals Adaptation des
Labyrinths, wo Kopecký namentlich auf die Veranderungen der Wertakzente
in kritischer Ansicht auf die Welt bei den beiden Autoren hinweist. Den Wert von Kopeckýs Sammelbandes erblicke ich in der prazisen Arbeit mit dem Ma terial und im eingeweihten Hineinblick in Comenius' literarische Werkstatte, namentlich was seine Arbeit mit Vorlagen betrifft (bei Paraphrasen, bei Ver
arbeitung ubernommener Motive u.a.). Auf der anderen Seite entsagte sich der
Autor selbst der Moglichkeit, tiefer zu den Details von Comenius' Arbeit mit
biblischem Text bei der Verarbeitung vom Manualník (Kapitel Manualník a jeho předloha, Seite 87ff.) zu gelangen. Hier beschrankte er sich auf den Ver
gleich mit tschechischen biblischen Texten und auf die Feststellung, daB Co
menius auch den lateinischen Bibeltext beriicksichtigte; bestimmt fehlt
wenigstens ein Hinweis auf J. Novákovás Arbeiten, die sich ziemlich genau mit Comenius' Beziehung zu den einzelnen lateinischen Úbersetzungen der
Heiligen Schrift befaBt.11 Auch M. Kopecký schlieBt sein Buch mit einem
Kapitel uber die gleichzeitige Comeniologie ab, wobei es sich ihm vor allem
10 Brno, Masarykova univerzita 1992, 138 S.
11 Vergleichez.B. Nováková, J.: Jak citoval Komenský latinskou bibli, in: Studia Co
meniana et historica 16, 1986, Nr. 32, S. 77ff. Fur Interessenten erwáhne ich iiberdies, daB J. Nováková noch auf die Problematik von Comenius' Beziehung zu lateinischen
biblischen Obersetzungen in einigen Kapiteln ihres Buchs Čtvrt století nad Komenským
(Praha, Kalich 1990) zuriickkam; mit diesem Buch geht jedoch Kopeckýs Publikation
offenbar zeitlich aneinander vorbei.
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Martin Steiner: Úber den Comenius-Publikationen im Jubiláumsjahr
um das Edition- und Literaturwissenschaftsgebiet handelt. Die angefiihrten Daten galten in der Zeit des Entstehens des Buchs, inzwischen erfolgte jedoch eine wichtige Abanderung: die Editionsgruppe, die die Herausgabe einer kri tischen Sammeledition vorbereitet, wurde eine Bestandteil des Instituts der
Philosophie der heutigen Akademie der Wissenschaften der Tschechischen
Republik. In Hinsicht zu den Veránderungen in der Akademie sichert dassel be Institut auf die weitere Herausgabe der Revue Acta Comeniana. Jedenfalls
ist es notig, die Edition von Kopeckýs Buch zu bewillkommnen, schon des halb, daB der Autor konsequent von der Arbeit mit dem Material hervorgeht, auf die Zusammenhánge von Comenius' literarischer Schopfung mit der hei mischen Literaturproduktion hinweist, und schlieBlich auch deshalb, daB die im Rahmen der Comeniologie Comenius als literarischem Schopfer gewidme te Aufmerksamkeit nicht gerade groB ist.
Zum SchluB dieser kleinen Ubersicht der comeniologischen Jubilaums
publikationen habe ich mir ein Buch gelaBen, das sich zum Unterschied von M. Kopeckýs Arbeit mit dem in der Comeniologie der letzten Jahre ziemlich
frequentierten Fach befaBt, namlich mit Philosophie und Padagogik, natiirlich aber auch mit theologischen Ausgangspunkten. Dies ist Radim Paloušs Mo
nographie Komenského Boží svět {Comenius' Gottes Welt).12 Eingeweihten war es bekannt, daB die Comeniologie in Radim Palouš ihren Vertreter auch in
der inoffiziellen Sphare der tschechischen Wissenschaft und Kultur der Vor
novemberzeit hatte, und trotzdem sich nicht um die erste, schon laufend erhalt
bare, d.h. offiziell publizierte Comeniologie-Arbeit ihres Autors handelt, ist es bestimmt eine Arbeit von grundsatzlicher Bedeutung, die die vordere Stel
lung seines Autors unter nicht nur die tschechischen sondern auch Welt-Co
meniologie-Reprasentanten nur bestátigte. An Paloušs Arbeit imponiert die
tiefe Verstándnis ftir Comenius und direkt ein Einfiihlen in seine Ideenwelt, gemeinsam selbstverstandlich mit der Fáhigkeit, das alles mitzuteilen. Dabei ist Paloušs Mitteilung nicht iiberflussig kompliziert, und entbehrt nicht Ele mente einer bestimmten Spannung. Soweit er bei Comenius eine zeitliche Di mension bei seinem Blick auf die Welt betont, wenn er bei diesem Zusammen
hang von einer Geschichte der Welt spricht, kann wohl gesagt werden, daB auch sein Buch eine Art Geschichte eines komplizierten Gespinstes von Co menius' Beziehungen zur Welt, zum Universum ist. Der Autor bekennt sich in
der Einfiihrung zur Inspiration von Patočkas comeniologischen NachlaB,13
12 Praha, SPN 1992, 142 S.
13 R. Palouš gestaltete Patočkas Arbeiten iiber Comenius fiir eine illegale Edition, die
dann eine Basis fiir ihre auslándische Herausgabe in der Reihe Veroffentlichungen der
Comeniusforschungsstelle im Institut fiir Padagogik der Ruhr-Universitát Bochum, Nr. 12 (Band 1, 495 S.) und Nr. 15 (Band 2, 200 S.) wurde.
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POLEMIKA - NÁZORY
nichtsdestoweniger nehrne ich an, daB er - obwohl von Patočka beeinfluBt -
sein eigenes Bild von Comenius' Vorstellung von Gottes Welt und nament
lich seine Ansicht iiber seine Aktualitat in der heutigen Welt darstellt. Trotz dem der Titel des Buchs danach streben konnte, halt - offenbar mit Recht -
der Autor sein Werk nicht fiir theologisch, sondern eher fiir philosophisch, verlaBt aber die Bezugnahme zur Religiositat nicht; auch damit nahert er sich zu Comenius, dem eben das Abtrennen der Theologie von der Philosophie -
das kann wohl so gesagt werden - wesentlich fremd war. Noch betreffs jener erwahnten Aktualisierung, bringe ich wenigstens einen von Paloušs Schliisse in Erinnerung: die Wendung zur Verbesserungsbemiihung, doch auch nament lich die Wendung zur gemeinsamen Verantwortung fiir den Zustand der Welt ist die Antwort von Comenius auf die Krisis seiner Zeit; ist natiirlich gleich zeitig auch eine Antwort auf unsere gegenwártige Lage.
Das Jubilaumsjahr, in dem wir uns den vierhundertsten Jahrestag der Ge
burt eines der auf der ganzen Welt beriihmten Manner unseres Volks in Erin
nerung gebracht haben, brachte eine Reihe der Publikationen und wissen schaftlichen sowie kulturellen Unternehmen. Zu vielen bereits herausgegebe nen Sammelbanden von Konferenzen, die auf der ganzen Welt veranstaltet
wurden, werden mit der Zeit noch weitere hinzukommen. Zu den bedeutende
ren Publikationen, die ich in dieser Úbersicht nicht erwahne, gehort vor allem der Sammelband der Aufsátze Pocta J. A. Komenskému, vorbereitet und her
ausgegeben von Karls Universitat Prag,14 das ein breites Gebietsspektrum ein
schlieBt, das J. A. Comenius irgendwie beriihrt. Aus unserem notigerweise auswahlendem Riickblick zur Publikations-Aktivitat, die das Jubiláum hervor
gerufen hat, geht jedoch hervor, daB es der gleichzeitigen tschechischen Co
meniologie trotz allen Schwierigkeiten gelungen ist, zu dem Jubiláum wahr
haft bedeutende und wissenschaftlich sowie kulturell wertvolle Publikationen
vorzubereiten. Eine wirkliche Tat, die dieses Namens wiirdig ist, ist zweifel los die tschechische Úbersetzung des ganzen Werks De rerum humanarum
emendatione consultatio catholica\ das bedeutet namlich die Entrichtung ei
ner bedeutsamen Schuld der tschechischen Comeniologie Comenius' gegen iiber. Ohne den Wert alles anderen herabsetzen zu wollen, das zum Jubiláum vorbereitet wurde, nehrne ich an, daB das wichtigste, was verbleibt und nicht der Zeit unterliegt, eben Johannes Amos Comenius' Werk selbst ist. Falls es also gelungen ist (neben weiteren Bánden der kritischen Edition und anderen
Texten), und dies in wiirdiger Ausstattung, die komplette tschechische Fas
sung der Allgemeinen Beratung uber die Verbesserung der menschlichen Din
14 Homage to J. A. Comenius, Praha, Karolinum 1991, 363 S. - die englische Fas
sung, die nicht absolut identisch mit der gleichzeitig herausgegebenen tschechischen
Fassung ist.
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Martin Steiner: Úber den Comenius-Publikationen im Jubilaumsjahr
ge herauszugeben, ist es moglich, mit gewisser Zufriedenheit zu konstatieren,
daB die tschechische Comeniologie im entscheidenden Augenblick nicht ver
sagt hat.15
15 Der Text blieb in der Fassung, in der er von dem Verfasser im Jahre 1993 der Re daktion einer anderen, nicht erschienenen Zeitschrift iibergeben wurde.
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