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Verhältnismässigkeit, Treu und Glauben Proportionality and Good Faith Grundzüge des Rechts für Bauwissenschaften und Architektur An Introduction to Law Herbst 2011 Gérard Hertig (ETH Zurich)

Verhältnismässigkeit, Treu und Glauben Proportionality and Good Faith Grundzüge des Rechts für Bauwissenschaften und Architektur An Introduction to Law

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Verhältnismässigkeit,Treu und Glauben

Proportionality and Good Faith

Grundzüge des Rechts für Bauwissenschaften und ArchitekturAn Introduction to Law

Herbst 2011

Gérard Hertig (ETH Zurich)

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InhaltsverzeichnisCourse Outline

1. Zusammenfassungen

2. Grundsatz der Verhältnismässigkeit

3. Grundsatz des Vertrauensschutzes

‚Skript‘ : Häfelin/Müller/Uhlmann §§ 10, 11

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Zusammenfassung (14. November)

Gesetzmässigkeit Rechtsgleichheit, öffentliches Interesse• Gesetzmässigkeit– Rechtsstaatliche und demokratische Funktion– Unbestimmtheit, Gesetzdelegation und Ermessen

• Rechtsgleichheit– Gleiches gleich, ungleiches ungleich behandeln– Praxisänderung und Gleichbehandlung in Unrecht

• Öffentliches Interesse– Fall zu Fall bestimmt– Materieller sowie ideeller Natur– Abwägung zwischen Interessen

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Zusammenfassung(21. November)

Verhältnismässigkeit, Treu und Glauben

1. Verhältnismässigkeita) Eignung der Massnahmeb) Erforderlichkeit der Massnahmec) Zumutbarkeit der Massnahme

2. Treu und Glauben– Staat : Verhalten + Bekannt– Privatperson : Erwartung + Tätigkeit– Abwägung der Interessen

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1. VerhältnismässigkeitProportionality Principle

• Maßnahmen → öffentliches Interesse +Administrative measures

– Geeignet ≈ Zwecktauglich / Adequacy

– Erforderlich ≈ Notwendig / Necessity

– Zumutbar = Vernünftiges Verhältnis Ziel/PrivatbelastungReasonable public benefits – private costs ratio

• Sämtliche Bereiche des öffentlichen RechtsAll domains of public law– Rechtsetzung sowie Rechtsanwendung

Lawmaking as well as executive implementation– Eingriffs- sowie Leistungsverwaltung

Restrictive as well as promotional interventions– Zentrale sowie dezentralisierte Verwaltung

Centralized and decentralized administration

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a. Eignung der MassnahmenAdequacy

• Zwecktauglichkeit / Aims at objective– Ja: Massnahme erlaubt das Erreichen des Zieles

Yes: Measure permits to reach objective

– Nein: Massnahme schiesst am Ziel vorbeiNo: Measure does not permit to reach objective

– Nein: Massnahme erschwert das erreichen des ZielesNo: Measure makes it more difficult to reach objective

• Verhalten des Betroffenen / Adressee‘s behavior– Kooperation wird erwartet / Cooperation is expected

– Resistenz als Beweis der Tauglichkeit oder Untauglichkeit? Opposition as evidence of adequacy or inadequacy?

Beispiel: Verlängerung der Durchsetzungshaft in einem Ausweisungs-verfahren (Migrationsamt Basel)(↑Zweck der Haft: Änderung des Verhaltens von jemand der sein Heimatland nicht beweisen will obwohl er es könnte)

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Beispiele: Zwecktauglichkeit

• Beispiel 1 : Gastwirtschaftspatent (Zürich)Wird nicht erteilt weil Missverhältnis Mietzins Erwartete Rendite (↓ Kein Zusammenhang mit Gewähr ordentliche Wirtschaftsführung)

• Beispiel 2 : Heliports (Bern)Beschränkung der Einsatzgebieten aus Lärmschutz-gründen (↓ Kürzere Anflugwege aber keine Exklusivität = keine effektive Lärmbekämpfung)

• Beispiel 3 : ParkverboteWerden durch die Polizei nicht durchgesetzt (↓ Freihaltung von Verkehrsfläche wird nicht erreicht = ungeeignete Beschränkung)

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b) Erforderlichkeit der MassnahmenNecessity

• Sachlich: rechtmässiger Zustand kann nicht anders erreicht werdenMaterial: lawful result cannot be achieved in another way

• Räumlich: adäquate Beschränkung der GebieteTerritorial: adequate domain delineation

• Zeitlich: dauert nicht länger als notwendigTemporal: does not last longer than necessary

• Persönlich: es betrifft nicht mehr Personen als notwendigPersonal: no more people are affected than necessary

• Adressaten und Kosten der MassnahmenAddressees and costs

– Störer (polizeiliche Massnahmen), diejenige die Anlass geben Perpetrator (police intervention), originators

– Verursacher Prinzip (Umweltschutz) / Causation principle (Environment)

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Beispiele: Sachliche Erforderlichkeit

• Beispiel 1: Verkauf von Brillen (Basel)Verweigerung der Bewilligung da kein Augenoptik-Meisterdiplom (↓ Heute genügt für den blossen Verkauf von Brillen ein Fähigkeitszeugnis)

• Beispiel 2: Belieferung von Arzneimitteln aus D (Thurgau)CH Firma muss CH Lager benützen (↓ CH Behörde können grenznahe D-Lager ohne grossen Aufwand kontrollieren)

• Beispiel 3: DemonstrationWird aus Ordnung und Sicherheitsgründen verboten(↓ Auflagen betreffend Marschroute und Zeit würden genügen)

• Beispiel 4: Lotterie (Zurich)Monopolisierung (↓ ↑ Spielsuchtprävention kann auch durch Bewilligungspflicht erreicht werden)

• Fall 1a : Wasserpfeifen (Bern)

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Fall 1a: Wasserpfeifen (siehe BGE 136 I 91 – 2009)

• Im Kanton Bern ist das Rauchen in öffentlich zugänglichen Innenräumen von Betrieben verboten, die eine Betriebs- oder Einzelbewilligung gemäss Gastgewerbegesetz benötigen

• Frau A, bietet im Rahmen einer klassischen Barkultur ein ausgewähltes Angebot an alkoholischen und alkoholfreien Getränken, das durch Wasserpfeifen (Shisha) in verschiedenen Aromen ergänzt wird.

• Sie macht geltend, die Gesetzesordnung führe bei ihr zu einem Betriebsverbot, weil der Konsum von Wasserpfeifen unverzichtbarer Bestandteil ihres Angebotes darstelle.

• Frau A. stellt die Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung für das Rauchen klassischer Tabakwaren wie Zigaretten, Pfeifen oder Zigarren ausdrücklich nicht in Frage.

• Eine andere Einschätzung bei Wasserpfeifen erscheint nur zulässig, wenn sich das Rauchen bzw. die Auswirkungen des Passivrauchens von solchen maßgeblich von klassischen Tabakwaren unterscheiden würden. Unterschiedliche Rauchertechniken für sich allein begründen allerdings keine erhebliche Differenz.

• Das Rauchen von Wasserpfeifen in Fachkreisen ist genauso schädlich wie dasjenige anderer Raucherwaren. Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, eine Sonderlösung für Gaststätten mit einem Angebot von Wasserpfeifen zu treffen.

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Beispiele: Räumliche/Zeitliche Erforderlichkeit• Beispiel 1: Naturschutz Eigental (Zürich)

Verbot anderer als landwirtschaftliche Gebäude (↑ harmonische + ansprechende Landschaft, kein Kanalisationsnetz)

• Beispiel 2: Uferweg (Zug)Bau eines Uferwegs entlang eines Sees (↑ Einzelne Stichwege genügen nicht um Zugang zu verwirklichen)

• Beispiel 3 : Bahnhof (Basel)Aufnahme des Badischen Bahnhofs ins Denkmalverzeichnis (↓ Nur Schutz des Gebäuderäussere wenn das Innere nicht schutzwürdig ist)

• Beispiel 3: Anwalt (Bern) Patententziehung (↓ Befristete Einstellung im Beruf kann ein standesgemässes Verhalten bewirken)

• Beispiel 4: Tanzveranstaltung (Appenzell IR)Verbot während der gesamten Advents- und Fastenzeit (↓ Kein Bedürfnis der Bevölkerung nach Ruhe und Besinnung während dieser ganzen Zeit)

• Beispiel 5: Ausschaffungshaft (Zug) 6 Monate Verlängerung (↓ 3 Monate sollten für die Beschaffung der notwendigen Papiere genügen)

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Beispiele Persönliche Erforderlichkeit

• Beispiel 1: Film (Zürich)Verbot der Vorführung (↓ Altersgrenze genügt)

• Beispiel 2: Bergführer (Graubünden)Dienstverweigerung schliesst Zulassung zu Bergführerkurs aus (↓ Nicht wegen körperlichem oder geistigem Gebrechen vom Militärdienst befreit)

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c) Zumutbarkeit der MassnahmenImpact Justified by Objective

Vernünftiges Verhältnis Ziel – Eingriff → Öffentliches Interesse überwiegt private InteressenReasonable relation objective – invasiveness → Public interest dominates private interest

• Beispiel 1: Zonenplan (Zürich)Verkleinerung des ausserdimensionierten Bauzone (↓Ausmass und konkrete Lage der Parzellen sprechen gegen Auszonung)

• Beispiel 2: Naturschutz EigentalAllgemeines Bauverbot (↓ Rand der Schutzzone + überbaute Grundstücke daneben)

• Beispiel 3: Gleichgeschlechtlich CH/Nicht CH PartnerschaftVerweigerung der Aufenthaltsbewilligung (↑ Partnerinnen können ihre Beziehung ausserhalb der Schweiz führen)

• Beispiel 4: Invalidenversicherung (Zürich)Kein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen (↓ Oberschenkel-Prothese erlaubt berufliche Tätigkeit in gewohnter Weise)

• Fall 1b : Wasserpfeife (Bern)21.11.2011

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Fall 1b: Wasserpfeife (siehe BGE 136 I 91 – 2009)

• In Fumoirs (abgeschlossene Räume mit einer eigenen Lüftung) bleibt das Rauchen gestattet.

• Frau A. will durch Anpassungen das Angebot von Getränken mit demjenigen von Wasserpfeifen in einem Raucherraum kombinieren. Das belegt, dass die angefochtene Regelung auch für den Konsum von Wasserpfeifen in zumutbarer Weise umsetzbar ist.

• Dass der Umsatz wegen der neuen gesetzlichen Einschränkungen erheblich schrumpft, ist nicht belegt.

• Im Übrigen wäre dies mit Blick auf das legitime Ziel des Gesundheitsschutzes auch für sich allein nicht wesentlich. Frau A. kann sich entweder auf einen reinen Gaststättenbetrieb ohne Raucherangebot beschränken oder tauglichere Räumlichkeiten suchen.

• Ihre Situation unterscheidet sich nicht von derjenigen anderer Gastronomieanbieter, die ihren bisherigen Betrieb in ähnlichen Kellerräumlichkeiten in Bern eingerichtet haben und denen es nicht möglich ist, einen Raucherraum auszuscheiden.

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2. Vertrauensschutz / Protecting Good Faith

a) Loyales und vertrauenswürdiges VerhaltenLoyal and trustworthy behavior– Berechtigtes Vertrauen in behördliche Zusicherungen

Justified reliance upon administrative assurances– Verbot von widersprüchlichem Verhalten sowie Rechtsmissbrauch

Contradictory and abusive behavior is prohibited

b) VoraussetzungenPreconditions– Verhalten von staatlichem Organ löst Erwartungen aus

Behavior by state agent creates expectations– Kenntnis davon / Behavior is known– Tätigkeit / Activity is undertaken– Öffentliches Interesse steht nicht dagegen

No public interest objections

c) Anwendungsfall und RechtswirkungenApplication and regulatory effects

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a) VertrauenstatbestandReliance framework

• Potential aller StaatsgewaltenAll state act

• Rechtsanwendungsakte / Implementation activity– Verfügungen und Entscheide / Decisions and judgments– Verwaltungsrechtliche Verträge / Administrative contracts– Verwaltungs- und Gerichtspraxis

Administrative and judicial practice

• Rechtssetzungsakte / Lawmaking• Raumpläne / Zoning• Duldung eines rechtswidrigen Zustandes

Tolerating an illegal situation21.11.2011

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b) Vertrauen in staatliches VerhaltenTrusting State Behavior

• Kenntnis der VertrauensgrundlageKnowledge of state act– Gesetze, Verordnungen, Praxis

Law, ordinance, practice

– Verfügungen, Auskünfte und Zusagen Decision, information and promises

• Fehlen der Kenntnis der Fehlerhaftigkeit Ignoring deficiencies– Gehörige Sorgfalt / Due diligence

– Eigentliche Nachforschung nicht erwartet Active research not expected

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Vertrauensbestätigung + InteressenabwägungActive Reliance and Balancing Interests

• Disposition kann nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werdenAct cannot be reversed without disadvantage

• Kausalzusammenhang Vertrauen – DispositionTrust is at origin of act

• Interesse am Vertrauensschutz ↔ entgegenstehende öffentliche InteressenReliance interest Affected public interests

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c) Anwendungsfall: Unrichtige AuskunftApplication: Erroneous Information

1. Eignung der Auskunft zur Begründung von VertrauenInformation can reasonably be relied upon

2. Zuständigkeit der auskunftserteilenden BehördeSource of information has required powers

3. Vorbehaltlosigkeit der AuskunftInformation is without conditions

4. Urichtigkeit der Auskunft nicht erkennbar Invalidity of information is not recognizable

5. Nachteilige Disposition auf Grund der Auskunft Information results in disadvantageous act

6. Keine Änderung des Sachverhaltes oder der GesetzgebungLaw or facts have not changed since information

7. Überwiegen des Interesses am Schutz des VertrauenDominance of interest to protect trust

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Beispiele Unrichtige Auskunft1. Beispiel Eignung: Versteuerung Liegenschaftertrag (Aargau)

Pauschalabzug Verweigerung (↓ Merkblatt gibt Wahl Pauschal – Abrechnung)

2. Beispiel Zuständigkeit: Erleichterte Einbürgerung (Basel-Stadt)10 Jahre Wohnsitz durch Englandaufenthalt unterbrochen ((↓ Kann annehmen, dass Kontrollbüro der Fremdenpolizei Zuständig für Infos ist)

3. Beispiel Vorbehaltlosigkeit: Wohnsitz im Kanton (Winterthur)Lehrer kann nicht nach Thurgau umziehen (↑ Sachbearbeiter hat Auskunft unter Vorbehalt Gesamtregierungsrat zuständig ist)

4. Beispiel nicht erkennbar: Erstreckung einer Frist (Genf)Zusicherung ist ungültig (↓ Unternehmer weisst nicht besser als 2 Beamte)

5. Beispiel nachteilige Disposition: AHV-Rentenanspruch (CH)Witwe im Ausland, < als 1 Jahr Beitrage (↓ Hätte Arbeit finden können)

6. Beispiel keine Änderung: Grundstück Überbaubarkeit (Aargau)Zusicherung ist über 15 Jahre alt (↑ Wiederholte Gesetzänderung, Zeitablauf)

7. Beispiel Schutzinteresse: Baubewilligung (Genf)Verweigert da schon zu viele Gebäude (↓ Öffentliches Interesse < Privatinteresse ) 21.11.2011

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Rechtswirkungen des VertrauensschutzesRemedies

• Bestandesschutz / Maintaining the status quo– Verfügung wird nicht wiederrufen

Decision is not repelled– Praxis- oder Planänderung muss unterbleiben

Modification of practice or plan remains without effect– Auskünfte sind trotz Unrichtigkeit verbindlich (Waldrodung)

Information is binding even though incorrect

• Wiederherstellung von Fristen / Postponing deadlines– Falsche Rechtsmittelbelehrung / Procedural mistake– Verpasste materiell-rechtliche Fristen / Substantive error

• Übergangsregelungen / Transition period (Neue Amtsbesoldung)

• Entschädigungsanspruch / Damage claim– Bindung kommt nicht in Frage / State cannot remain bound– Zurückhaltend zugesprochen / Restrictive approach

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Prüfungsfrage Januar 2011

AUFGABEN DES STAATES: VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

Eine Verwaltungsmassnahme:

a) muss geeignet sein, das anvisierte Ziel zu erreichen,b) muss nicht geeignet sein, den angestrebten Erfolg zu erzielen,c) ist immer unverhältnismässig,

wobei:

aa) es keine Rolle spielt ob ein milderes Mittel zur Verfügung steht, um das Ziel zu erreichen.

bb) deren Eingriff in sachlicher, personeller, räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht weiter gehen darf als notwendig.

cc) es nicht möglich ist, eine Tätigkeit mit Auflagen zu bewilligen.

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Prüfungsfrage August 2011

TREU UND GLAUBENPrivate haben Anspruch darauf, dass sie behördlichen Zusicherungen vertrauen können. In der Regel kann ein Privater jedoch Vertrauensschutz nur geltend machen, wenn er

a) gestützt auf sein Vertrauen eine Disposition getätigt hat.b) gestützt auf sein Vertrauen eine Disposition getätigt hat, die ohne

Nachteil nicht wieder rückgängig gemacht werden kann.c) die Disposition auch ohne behördliche Zusicherungen vorgenommen

hätte.Private sind auch gegen unrichtige Auskünfte der Behörden geschützt, wobei nur gutgläubige Private geschützt werden. Jemand kann sich auf sein Vertrauen nicht berufen, wenn die Auskunft unrichtig ist und

aa) ein extrem sorgfältiger Fachmann die Unrichtigkeit vielleicht erkannt hätte.

bb) die Unrichtigkeit der Auskunft im Voraus erkennbar war.cc) die Unrichtigkeit der Auskunft nur im Nachhinein erkennbar ist.

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