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# 230 17. Februar 2012

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Magazin für Medienmacher

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Das kann kein Zufall sein. Erst kapert di Lorenzo die ZEIT, dann Mascolo den SPIE-GEL, und jetzt übernimmt der Südtiroler Lanz auch noch „Wetten, dass ...?“ Drei Italiener an der Spitze der drei deutschen Leitmedien, das riecht nach Unterwande-rung. Wer in den letzten Jahren kritisch über die Zunahme von Führungskräften mit italienischem Hintergrund (Achilles:

Ölige Strandtarzane, Fußball-WM 2006, Fleischhauer: Kapitäne, neulich) aufmerk-sam machte, wurde gnadenlos niederge-schrieben. Selbstkritisch muss sich der urdeutsche Mann allerdings auch fragen, ob er diesen besorgniserregenden Trend durch freiwillige Verweicheiung nicht befördert habe. Jedenfalls höchste Zeit für einen neuen Sarrazin.

Liebling der Woche

Die Woche 3

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Am 7. März soll das neue iPad mit hoch-auflösendem Bildschirm erscheinen – zumindest einigen sich die Gerüchte-händler auf diesen Termin.

Freitag 10.2.2012

Sam- stag 11.2.2012

Ivy Quainoo gewinnt die erste Staffel der Casting-Show „The Voice of Germany“ (SAT.1/Pro7).

Samstag 11.1.2012

Gegen Rupert Murdochs SUN wird in Lon-don wegen Korruption ermittelt. Bei einer Verur-teilung könn-te die News Corp auch in Amerika be-langt werden – das gesam-

te Murchoch-Imperium und damit der deutsche Pay-TV-Sender SKY könnten gefährdet sein.

Gewinner der Woche

Verlierer der Woche

Joko & Klaasweil die beiden Nach-

wuchs-Chaoten es nicht geschafft haben, das ZDF zu etwas mehr Mut zu bewegen. Immerhin kön-nen sie jetzt ihren Enkeln erzählen: „2012

hätten wir fast mal ‚Wetten, dass ...?‘

gemacht.“ Egal, das wird noch mal was mit denen. Top, die Watte quillt.

Jeremy Linweil den 23-jährigen Nachwuchs-Basket-baller von den New York Knicks vor drei Wochen noch niemand kannte – bis er in seinen ersten fünf Auftritten in der Startaufstellung insgesamt 136 Punkte macht. Neuer NBA-Rekord. Fans und Medien drehen komplett durch, inzwi-schen auch in Deutschland.

Die Woche4

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Dienstag 14.2.2012

Komiker Oliver Kalkofe, dessen „Kalk-hofes Mattscheibe“ nicht mehr im Fern-sehen zu sehen ist, veröffentlicht ein in gewohnt albern-brachialer Form nachge-spieltes Wulff-Interview im Internet, drei weitere Folgen folgen. Die Aufmerksam-keit ist riesig.

Zitat der Woche

Zahl der Woche

„Every 1 who can please turn to OWN es-pecially if u have a Neilsen box“ Mit diesem Tweet forderte Oprah Winfrey ihre Follower mit Quoten-messgerät auf, einzuschalten – was ihr Ärger mit den Quotenmessern von Nielsen einbrachte (den Namen hatte sie auch falsch geschrieben).

800Millionen Euro muss die Deutsche Bank den Erben von Leo Kirch zahlen, sollte der Vorstand dem ausgehandelten Ver-gleich zustimmen.

Montag 13.2.2012

Donnerstag 16.2.2012

„Shitstorm“ wird zum „Anglizismus des Jahres 2011“ gekürt, der die „öffentliche Entrüstung im Netz“ bezeichnet, „bei der sich Argumente mit Beleidigungen und Bedrohungen mischen“.

Der Plan war: Thomas Gottschalks Enga-gement rentiert sich für die ARD durch zusätzliche Werbeinnahmen. So soll WDR-Intendantin Monika Piel argumen-tiert haben. Nun werden die Werbeprei-se der Sendung um ein Drittel gesenkt.

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RDie Woche 5

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Gernot Lehr, der Rechtsanwalt des Bun-despräsidenten, hat sich zwar noch nicht mit einer Stellungnahme zu-rückgemeldet. So wagen wir ganz ohne Beleg aus dem Bellevue die Ver-öffentlichung eines weiteres Wulff-Skandals. Vor einigen Jahren soll der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff bei mehreren öffentlich-rechtlichen Sendern, unter anderem ZDF und NDR, eine wirklich innovative TV-Serie angeregt haben. Thema: Die

Polizeipferdestaffel Hannover. Inhalt: Pferde (Tiere gehen immer), Polizei (Recht und Ordnung), Hannover (Me-dienstandort), viele Staffeln. Vorbild: Kommissar Rex, Affen-Charly, Fury. Mög-liche Darstellerinnen: nein, keinerlei Gehässigkeiten über Ortsansässige. Möglicher Produzent jedenfalls: David Groenewold. Übereinstimmend bestäti-gen zuständige Machthaber der Sender, dass sie das Thema mutig, aber begrün-det ablehnten.

Warum wir gern Rundfunk-Gebühren zahlen

Die Woche6

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„Bitte behalten Sie das für sich. Aber während der Werbepausen schläft Herr Gottschalk immer. “

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Markus Lanz (1), moderiert ab Herbst „Wetten, dass ...?“, wahrscheinlich. Wenn diese Worte vor zehn Jahren jemand geschrieben hätte, als Lanz nicht ohne erheblich scheinheilige Boulevard-Schlei-migkeit durch das RTL-Trash-Magazin „Exclusiv“ führte, und als das ZDF zwar schon Kerner eingekauft, aber sich sonst noch einen gewissen Selbstrespekt erhalten hatte, wenn man also damals einen so absurden Gedanken geäußert hätte, dann hätten alle laut gelacht. So weit ist es gekommen mit dem deutschen Fernsehen.

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Aber nicht alles ist heute schlechter, es gibt zum Beispiel ZDF NEO. Sarah Kuttner (2) darf dort ab März unter Mitwirkung von Johanna Maria Knothe mit ihrer Sendung „Bambule“ (was soll die RAF-Reminiszenz?) in Serie gehen. Ein monothematisches Presenter-Reportagemagazin soll es werden, oder so. Wir freuen uns trotzdem drauf.

Waldemar „Weißbier“ Hartmann (3), aus-sortierter ARD-Fußball-Veteran wohnhaft in Chur, wird für das Schweizer Fernse-hen (SF) einige EM-Spiele analysieren.

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Michaela Mielke (4), Entwicklerin des Burda-Magazins COVER, darf damit ab August monatlich am Kiosk erscheinen und sucht sich in München eine kleine Redaktion zusammen.

Gaby Höger (5), wird Chefredakteurin der Burda-Zeitschrift MEINE FAMILIE UND ICH. Bisher war sie Stellvertrete-rin der Kochzeitschrift, gleich hinter Birgitt Micha, die nach 26 Jahren nun kürzer tritt und als Herausgeberin fungieren wird.

Ähnlich läuft die Sache mit Anke Krohmer (6), die von Frau Micha das Magazin LUST AUF GENUSS übernimmt.

Christina Desler (7) geht von SCHÖNER WOHNEN zu MYSELF und wird Leiterin der Ressorts „Zuhause“ und „Entdecken“. Da geht‘s um Wohnen und Reisen. Vor-gängerin Simone Knauss ist nun Textche-fin bei LIVING AT HOME.

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Nicht schwarz genug

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Es gehört zu den seltsamen Obsessio-nen des Pop-Feuilletons, sich unermüd-l i ch a m schwarzen Mann und der schwarzen Frau im Musikgeschäft abzuarbeiten. Die weißen Pop-Professo-ren treten dabei bevorzugt als bürgerli-che Malcolm-X-Adepten auf, die gern die reine „black power“-Lehre verteidi-gen und sich schwärzer geben als die Black Panthers. Es ist ja nichts Neues: Weiße Kritiker warfen Schwarzen s c h o n i m m e r v o r, d a s s s i e n i c h t schwarz genug sind, dass sie den Soul, den Jazz, den Funk „verraten“ hätten, ihr schwarzes Talent verschleudert, geopfert auf dem Altar des „Kommer-zes“. So war das schon beim Tod von Michael Jackson.

Un d s o w a r d a s j e t z t a u c h w i e d e r anlässlich des Todes von Whitney Houston.

Hätte Whitney Houston jemals vorge-habt, ihre Hautfarbe zu ignorieren – das weiße Pop-Feuilleton hätte sie

immer weiter daran erinnert. Natürlich ganz im Geiste der Emanzipation. Aber Schwarze sind nun mal schwarz und sollen vor allem eins: „black music“ machen – und das heißt widerständige, am besten politische, gegen weiße Dis-kriminierung gerichtete Musik.

In diesem Sinne argumentierte auch der FAZ-Nachruf, der die „Letzte Diva“ ordentlich mit Häme überschüttete. Ihren Erfolg habe sie vor allem der Tat-sache zu verdanken, dass „sie statt auf sozialkritische Aggressivität auf unver-fängliche Jedermann-Liebesthemen setzte, eher eine Tochter Bill Cosbys als James Browns“. Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass ihm James Brown als Orientierung lieber gewesen wäre. Und er offenbart ein Amerikabild, das Amerika selbst längst überwunden hat: Schwarze, die übermäßig Erfolg haben, scheinen dem Autor irgendwie ver-dächtig. Da ist wohl Anpassung an Weiße im Spiel, und das mag man in den Höhen des Feuilletons nicht.

Unser Kolumnist ärgert sich über die Nachrufe auf Whitney Houston. Warum arbeiten sich die Medien unermüdlich am schwarzen Mann und der schwarzen Frau im Musikgeschäft ab?

Text: Jost Kaiser

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12 Kolumne

Im TAGESSPIEGEL wird das Thema dann ins Märchenhafte gewendet – wäre Whitney, statt in den Kommerz abzuglei-ten, doch nur bei ihren Leisten geblie-b e n : d e r K i r c h e n m u s i k . „W h i t n e y Houston, wenige Jahre vor den Rassen-unruhen im Schwarzenviertel von Newark (New Jersey) geboren, hatte ihre ersten Auftritte in der dortigen New Hope Baptist Church. Ein Gospel war nun ihre letzte Verbeugung. Der Auftritt lebt als Handy-Video im Internet weiter. Da steht Whitney Houston neben Kelly Price, ihre Stimme am Anfang schwan-kend und rau, auf dem Höhepunkt des Songs aber klar und rein.“

Klar und rein – die Sängerin, die ihre Stimme durch Drogen- und Alkoholex-

zesse verloren hat, findet im Gospel zu sich selbst zurück. Was für ein Wunder! Und was für ein Kitsch.

Wie es im Kopf einen Feuilleton-Redak-teurs des DEUTSCHLANDFUNKS aus-sieht – nicht gut – und welches Amerika-bild in diesem Milieu gültig ist – im Wesentlichen das, aus dem sich seit 200 Jahren der deutsche Antiamerikanismus speist – offenbarte sich am Montag nach Whitneys Tod. In den wenigen Sätzen, die der Mann in der Sendung „Corso“ von sich gab, war viel von dem drin, was den deutschen Kulturdünkel auszeichnet: Naserümpfen über den dummen, kriegs-geilen Ami, Überlegenheitsgefühl ange-sichts der Plastikkultur und das Ganze gewürzt mit einer Prise Rassismus in der

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13Kolumne

Form einer Rollenzuschreibung, was Schwarze zu tun haben und was nicht.

Whitney habe sich, schwadronierte der Mann, zu einer Art Aushängeschild der Reagan/Bush-Jahre machen und sich „vereinnahmen“ lassen. Wahrscheinlich meint er: statt sich, wie es sich für Schwarze gehört, den Kriegstreibern und Cowboys im weißen Haus entgegenzu-stellen. Der Höhepunkt sei gewesen, dass Whitney 1991 am Vorabend des Irakkrie-ges die Hymne beim Superbowl gesun-gen habe – der Höhepunkt der „Verein-nahmung“.

Dass es vielleicht umgekehrt gewesen ist – dass Whitney Houston die Hymne für sich „vereinnahmt“ haben könnte, als

selbst entscheidende Herrin über die eigenen Angelegenheiten, darauf kommt so ein Kulturmensch nicht. Denn der Ami, der die Hymne absingt, um dann in den Krieg zu ziehen, das kann nur ein entfremdeter Mensch sein, der die Höhen der geistigen Erleuchtung, wie sie in Deutschland gang und gäbe sind, noch nicht erreicht hat.

Und so waren die Tage, als Whitney von uns ging, mit ihren kleinen, gemeinen Nachruf-Sätzen wieder mal die Quelle großer Erkenntnisse über den aktuellen Zustand des deutschen Lieblingshobbys, des Antiamerikanismus.

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V.i.S.d.P. – Magazin für MedienmacherRedaktion: Sebastian EsserHerausgeber: Dr. Hajo SchumacherBeratung: Markus NowakLektorat: Carla MönigAdresse: Lietzenburger Straße 51, 10789 BerlinTelefon: 030 2196 27287E-Mail: [email protected]

Der Spanier Samuel Aranda hat für die NEW YORK TIMES das Pressefoto des Jahres 2011 aufgenommen. Er gewann mit sei-nem Bild einer verschleierten Frau, die in einer Moschee im Jemen einen verwundeten Verwandten im Arm hält, beim renommierten Wettbewerb “World Press Photo”.