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Kontakt und weitere InformationenSpringer-Verlag GmbHFachzeitschriften Medizin / PsychologieCME-Helpdesk, Tiergartenstraße 1769121 HeidelbergE-Mail: [email protected]
medgen 2011 · 23:505–517DOI 10.1007/s11825-011-0307-7Online publiziert: 12. Dezember 2011© Springer-Verlag 2011
A. Küchler · D. WieczorekInstitut für Humangenetik, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen
Syndrome mit dem Leitsymptom GroßwuchsZusammenfassungSyndromale Krankheitsbilder mit dem Leitsymptom Großwuchs stellen eine häufige Fragestellung in der humangenetischen und pädiatrischen Sprechstunde dar. Definiert ist ein Großwuchs durch eine Körperlänge, die mehr als 2 Standardabweichungen oberhalb des Mittelwerts liegt. Dies entspricht einer Körperlänge oberhalb der 97. Perzentile. Dargestellt werden in diesem Artikel häufigere Großwuchssyndrome, die Relevanz haben für die tägliche Arbeit des klinischen Genetikers bzw. des Pädiaters: das Marfan, BeckwithWiedemann, Sotos, Weaver, SimpsonGolabiBehmel und das ProteusSyndrom. Es werden die jeweiligen charakteristischen klinischen Zeichen, die diagnostischen Kriterien, die molekularen Ursachen, einschließlich zugrunde liegendem Erbgang, und – falls notwendig – Vorsorgeprogramme sowie mögliche Differenzialdiagnosen dargestellt.
SchlüsselwörterGroßwuchs · Syndrome · Malignomrisiko · Vorsorgeprogramme
Syndromes with overgrowth as the cardinal symptom
AbstractSyndromic conditions with overgrowth as the cardinal clinical sign are a relevant problem in human genetics and pediatrics. Overgrowth is defined as a length/height of more than two standard deviations above the mean, i.e. a body length above the 97th centile. Overgrowth syndromes relevant in the clinical daily routine of the geneticist or pediatrician are described here: Marfan, BeckwithWiedemann, Sotos, Weaver, SimpsonGolabiBehmel and Proteus syndromes. The characteristic clinical signs, diagnostic criteria, molecular bases, modes of inheritance, prevention programs—where necessary—as well as differential diagnoses are presented here.
KeywordsOvergrowth · Syndromes · Tumor risk · Prevention programs
CME Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung
505Medizinische Genetik 4 · 2011 |
Die Lektüre dieses Beitrags wird dem Leser helfen,– Großwuchssyndrome einzuschätzen,– sie von möglichen Differenzialdiagnosen abzugrenzen sowie – ggf. Vorsorgeprogramme einzuleiten.
Großwuchssyndrome, die durch hohe Körpermaße als gemeinsames Merkmal charakterisiert sind, sind heterogen. Die zugrunde liegenden Ursachen sind vielfältig. Neben genetischen Faktoren spielen u. a. endokrinologische, metabolische und exogene Einflüsse eine Rolle (z. B. Gestationsdiabetes bei kongenitalem Großwuchs, Adipositas bei postnatalem Großwuchs). Die WinterBaraitser Dysmorphology Database (Version 1.0.21, [8]) listet unter dem Suchbegriff „overgrowth“ 52 Syndrome auf, unter „tall stature“ 106 Syndrome. Dieses verdeutlicht, dass im vorliegenden Übersichtsartikel nur eine Auswahl genetischer Großwuchssyndrome dargestellt werden kann, die aufgrund ihrer Häufigkeit Relevanz für die tägliche Arbeit haben: Dies sind im Einzelnen das Marfan, das BeckwithWiedemann, das Sotos, das Weaver, das SimpsonGolabiBehmel und das ProteusSyndrom.
Definition und Einteilung
Als Definition für Großwuchs wird meist eine Körperlänge >97. Perzentile bzw. > + 2 Standardabweichungen (SD, „standard deviation“) angesehen (z. B. [12, 16]). Der Großwuchs kann bereits bei der Geburt bestehen (kongenitaler Großwuchs), oder sich im Lauf des Wachstums manifestieren. Zur Beurteilung des 7 kongenitalen Großwuchses wird häufig nicht die Körperlänge, sondern das Geburtsgewicht >97. Perzentile [12] bzw. >4,5 kg [15] herangezogen. Für Neugeborene sollten die Perzentilenkurven nach Voigt et al. [17] genutzt werden. Im weiteren Verlauf stehen z. B. die Daten von Reinken/van Oost für Größe/Gewicht [14], Nellhaus für den Kopfumfang [11] bzw. KromeyerHauschild für den BodyMassIndex (BMI; [4]) zur Verfügung. Um festzustellen, ob es sich um einen
Als Definition für Großwuchs wird meist eine Körperlänge >97. Perzen-tile bzw. > + 2 SD angesehen7 Kongenitaler Großwuchs
Tab. 1 Checkliste zur Abklärung von Großwuchssyndromen
Familien-anamnese
Stammbaum (3 Generationen):insbesondere Maße (KL/KGr, KG, KU) (mit Perzentilen oder SD) und Wachstumsverhalten von Eltern und Geschwistern, zur Geburt und aktuell evtl. Kinderfotos der Eltern
Anamnese Schwangerschaft:Gestationsdiabetes, pränatale Wachstumsmaße, evtl. erfolgte Terminkorrektur?Geburt: Maße (KG, KL, KU)neonatale Hypoglykämie?angeborene Fehlbildungen oder Auffälligkeiten (z. B. Omphalozele, Nabelhernie, akzessorische Mamillen)Entwicklungsmeilensteine (freies Laufen, freies Sitzen, erste Worte, 2-Wort-Sätze
Körperliche Untersuchung
Aktuelle Maße: KGr, KG, KUKörperasymmetrie (Hemihypertrophie/-hypotrophie), Körperproportionen (z. B. Ober-/Unterlänge?, Arachnodaktylie?, lokalisierter Großwuchs?)Auffälligkeiten des Skeletts (z. B. Skoliose, Pes planus)akzessorische MamillenHautauffälligkeiten (z. B. Striae distensae, zerebriforme Bindegewebsnävi)kraniofaziale Dysmorphien (z. B. hohe Stirn, „frontal bossing“, prominentes Kinn, Ohrkerben, große Zunge, gespaltene Uvula, Gaumenspalte)Auffälligkeiten der Augenlinse
Diagnostik Röntgenaufnahme linke Hand (bei Verdacht auf Skelettdysplasie ggf. ergänzende Aufnahmen)ophthalmologische Untersuchungpädaudiologische UntersuchungEchokardiographieAbdomensonographieggf. MRT des Schädelsggf. Entwicklungsdiagnostik, IQ-Testung
Labor-diagnostik
Endokrinologische Diagnostikggf. Stoffwechseldiagnostikggf. Chromosomenanalyse oder Array-CGHggf. spezifische molekulargenetische Analysen
KL Körperlänge; KGr Körpergröße; KG Körpergewicht; KU Kopfumfang; SD „standard deviation“, Standardabweichung;MRT Magnetresonanztomographie; IQ Intelligenzquotient; CGH „comparative genomic hybridization“.
506 | Medizinische Genetik 4 · 2011
CME
7 familiären Großwuchs handelt, sollten auch die Körpermaße beider Eltern einbezogen werden. Das diagnostische Vorgehen bei der Abklärung von Großwuchssyndromen finden Sie in . Tab. 1.
Einige der Großwuchssyndrome (z. B. SotosSyndrom, BeckwithWiedemannSyndrom) zeigen im Verlauf eine Normalisierung der Wachstumsparameter mit einer Erwachsenengröße im Normbereich, bei anderen liegt die Endlänge oberhalb des Normbereichs (z. B. MarfanSyndrom). Großwuchs kann generalisiert den gesamten Körper betreffen oder nur einige Körperregionen, sodass eine Hemihypertrophie bzw. Körperasymmetrie vorliegt. Oft gehen Großwuchssyndrome mit weiteren Merkmalen, wie z. B. einer Makrozephalie, einem akzelerierten Knochenalter, mentaler Retardierung, fazialen Dysmorphien, Gefäßmalformationen oder einem erhöhten Risiko für Neoplasien einher. Anhand der spezifischen Kombination dieser Merkmale lassen sich einige Großwuchssyndrome klinisch diagnostizieren, wobei es Überlappungen gibt [1]. Für eine Reihe von Großwuchssyndromen konnten die zugrunde liegenden genetischen Mechanismen in den letzten Jahren aufgeklärt werden. Trotzdem bleibt immer noch bei bis zu 40% der Patienten die Ursache ungeklärt [9].
Marfan-Syndrom
Das MarfanSyndrom (MIM #154700), erstmals 1896 von dem Kinderarzt Antoine Marfan beschrieben, ist eine autosomaldominant vererbte Systemerkrankung, die sehr variabel ist und das Auge, das Skelettsystem und das kardiovaskuläre System betrifft. Als Anomalien des Auges findet man eine Myopie und eine Subluxation der Linse (7 Ectopia lentis). Typische Veränderungen des Skelettsystems sind 7 Großwuchs, dysproportioniert lange Extremitäten, Finger und Zehen (7 Arachnodak-tylie ; . Abb. 1), Thoraxdeformitäten, eine leichte bis moderate Gelenküberbeweglichkeit, Wirbelkörperfehlbildungen (Skoliose und thorakale Lordose) und ein hoher Gaumen. Häufige 7 kar-diovaskuläre Anomalien sind ein Mitralklappenprolaps und eine Erweiterung des Aortenbogens.
7 Familiärer Großwuchs
Großwuchs kann den gesamten Kör-per betreffen oder nur einige Körper-regionen
Das Marfan-Syndrom ist eine auto-somal-dominant vererbte System-erkrankung7 Ectopia lentis7 Großwuchs7 Arachnodaktylie7 Kardiovaskuläre Anomalien
Abb. 1 8 Charakteristische klinische Zeichen beim Marfan-Syndrom. a, b Arachnodaktylie, c positives Daumenzei-chen (Steinberg-Zeichen), d positives Handgelenkzeichen (Murdoch-Zeichen)
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Dabei können ein Aortenaneurysma und die Aortendissektion als lebensbedrohliches Ereignis auftreten. Die Prävalenz wird mit 1–2 auf 10.000 angegeben [3]. FBN1(Fibrillin1)Mutationen sind bei 70–90% der Patienten nachweisbar. 1996 wurden von De Paepe et al. die ersten diagnostischen Kriterien definiert, eine revidierte Fassung der „Ghent Kriterien“ wurde 2010 publiziert [7]. Danach liegt dann ein MarfanSyndrom vor, wenn beide Kardinalsymptome – Aortenaneurysma und Ectopia lentis – vorliegen. Wenn eins dieser beiden Kardinalsymptome fehlt, ist eine kausale FBN1Mutation oder die Kombination aus Systemmanifestationen notwendig. Hierfür wurde ein neues Scoringsystem entwickelt, welches in . Tab. 2 dargestellt ist. Diese revidierte Nomenklatur wird bereits kontrovers diskutiert, soll aber dazu beitragen, die falschpositiven Diagnosen zu minimieren.
Es existieren einige Hinweise auf eine GenotypPhänotypKorrelation, aber keine ist definitiv: Beim „neonatalen MarfanSyndrom“, einem MarfanSyndrom mit einer schweren Ausprägung und progressivem Verlauf, findet man z. B. Mutationen zwischen den Exons 24 und 32 des Fibrillin1Gens.
Differenzialdiagnostisch sind Mutationen im TGFBR1und TGFBR2Gen zu diskutieren. Mutationen in diesen Genen führen zu den verschiedenen Typen des 7 Loeys-Dietz-Syndroms (MIM #609192, 608967, 610168, 610380), auch als MarfanSyndrom 2 und 3 bezeichnet. Diese Patienten zeigen i. d. R. eine diffuse und aggressive Gefäßerkrankung mit Rupturen bereits in jungen Jahren, auch in kleinen Gefäßen. Eine Ectopia lentis und verlängerte Extremitäten finden sich bei diesen Patienten i. d. R. nicht.
Als weitere Differenzialdiagnosen sind die Homozystinurie, die kongenitale mit Kontrakturen einhergehende Arachnodaktylie (CCA, BealsHechtSyndrom), das EhlersDanlosSyndrom, die multiple endokrine Neoplasie Typ 2B (MEN2B), das LujanFrynsSyndrom und das fragile XSyndrom zu nennen.
Beckwith-Wiedemann-Syndrom
Das BeckwithWiedemannSyndrom (MIM #130650, BWS) wurde aufgrund der Symptomtrias neonatale und/oder postnatale 7 Makrosomie, 7 Bauchwanddefekte und 7 Makroglossie (. Abb. 2) von Bruce Beckwith und HansRudolf Wiedemann 1963, 1964 und 1969 beschrieben und auch EMGSyndrom (für Exomphalos, Makroglossie, Gigantismus) genannt. Das klinische Bild ist variabel [2, 3, 20]. Die 3 Hauptmerkmale sind nicht obligat vorhanden, und das Spektrum der Symptome und deren Schweregrad können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Haupt und Nebenkriterien [3, 20] sind in . Tab. 3 zusammengefasst. Für die klinische Diagnosestellung wurde das Vorliegen von 3 Hauptkriterien oder von 2 Haupt und mindestens einem Nebenkriterium vorgeschlagen.
Die Häufigkeit wird mit etwa 1:13.700 angegeben [3], aufgrund der großen Variabilität wird aber eine noch höhere Ziffer vermutet. In der Schwangerschaft ist oft bereits ein Polyhydramnion auffällig, bei etwa der Hälfte der Kinder mit BWS liegt eine Frühgeburtlichkeit vor. Die Diagnose BWS wird häufig wegen einer neonatalen Makrosomie (Gewicht und Größe ≥ 97. Perzentile) gestellt. In der Adoleszenz kommt es meist zu einer Normalisierung der Körpermaße. Die kognitive Entwicklung verläuft i. d. R. normal. Klinische Probleme beim BWS resultieren vor allem aus dem erhöhten Risi
Ein Aortenaneurysma und die Aortendissektion können beim Mar-fan-Syndrom als lebensbedrohliches Ereignis auftreten
7 Loeys-Dietz-Syndrom
7 Makrosomie7 Bauchwanddefekte 7 Makroglossie
In der Schwangerschaft ist beim BWS oft bereits ein Polyhydramnion auffällig
Tab. 2 Revidierte Ghent-Kriterien für die Diagnose Marfan-Syndrom. (Nach [7])
Bei unauffälliger Familienanamnese:
Aortendurchmesser oberhalb des erwarte-ten Z-Scores (Z ≥ 2) oder Aortendissektion und Ectopia lentis = Marfan-Syndrom
Aortendurchmesser oberhalb des erwarte-ten Z-Scores (Z ≥ 2) oder Aortendissektion und FBN1-Mutation = Marfan-Syndrom
Aortendurchmesser oberhalb des erwarte-ten Z-Scores (Z ≥ 2) oder Aortendissektion und systemischer Score ≥ 7 = Marfan Syndrom
Ectopia lentis und FBN1-Mutation mit bekanntem Aortendurchmesser oberhalb des Z-Scores
Bei für Marfan-Syndrom positiver Fami-lienanamnese (FA):
Ectopia lentis und positive FA = Marfan-Syndrom
Systemischer Score ≥ 7 und positive FA = Marfan-Syndrom
Aortendurchmesser (Z >2 über 20 Jahre, Z >3 unter 20 Jahre) und positive FA = Mar-fan-Syndrom
Systemischer Score:
Handgelenk- und Daumenzeichen 3
Pectus carinatum 2
Fußdeformität 2
Pneumothorax 2
Durale Ektasie 2
Protrusio acetabuli 2
Reduziertes Oberlängen--/Unterlängen-Verhältnis und erhöhtes Arm-Körpergrö-ßen-Verhältnis und keine schwere Skoliose
1
Skoliose oder thorakolumbale Kyphose 1
Reduzierte Ellbogenextension 1
Faziale Dysmorphien (3/5) – (Dolichoze-phalie, Enophthalmos, abfallende Lidach-sen, malare Hypoplasie, Retrognathie)
1
Striae distensae 1
Myopie >3 dpt 1
Mitralklappenprolaps (alle Typen) 1
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ko für die Entwicklung 7 embryonaler Tumoren (insbesondere WilmsTumoren, Hepatoblastome, Neuroblastome und Rhabdomyosarkome). Daher sollten Patienten in ein regelmäßiges 7 Vorsorge-programm eingegliedert werden (. Tab. 4, [5]). Darüber hinaus besteht die Gefahr von zerebralen Komplikationen, die im Rahmen neonataler Hypoglykämien (hervorgerufen durch einen Hyperinsulinismus aufgrund einer PankreasInselzellhyperplasie) auftreten können, sowie einer möglichen Behinderung von Atmung oder Ernährung durch eine Makroglossie.
Aufgrund des variablen Phänotyps sollte auch bei Vorliegen nur einzelner klinischer Zeichen eine molekulargenetische Diagnostik durchgeführt werden, da sich aus dem Ergebnis erhebliche Konsequenzen für das klinische Management ergeben. Bei unauffälligem molekularem Testergebnis kann jedoch ein BWS nicht ausgeschlossen werden.
Molekulare Ursache
Bei etwa 85% der Betroffenen tritt das BWS sporadisch auf, bei 10–15% liegt eine familiäre Form vor, die autosomaldominant vererbt wurde. Ursache ist eine gestörte Transkription von Genen in
7 Embryonale Tumoren7 Vorsorgeprogramm
Ursache des BWS ist eine gestörte Transkription von Genen in der chro-mosomalen Region 11p15
Abb. 2 8 Typische Merkmale beim Beckwith-Wiedemann Syndrom. a Makroglossie, b Ohrkerben (Pfeil), c Bauch-wanddefekt, d Hemihyperplasie
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einem oder beiden dem 7 genomischen Imprinting („Prägung“) unterliegenden GenClustern in der chromosomalen Region 11p15 (. Abb. 3). Geprägte Gene werden nur monoallelisch exprimiert, entweder maternal oder paternal. Die Regulation erfolgt durch epigenetische Mechanismen (z. B. Methylierung). Verantwortlich hierfür sind die sog. „imprinting center“ (IC), Abschnitte der DNA, die entsprechend der elterlichen Herkunft unterschiedlich (differenziell) methyliert sind und die Expression der geprägten Gene regulieren. Sie werden daher auch „differenziell methylierte Regionen“ (DMR) genannt. Die Region 11p15 ist in zwei funktionelle Domänen unterteilt. In jeder reguliert ein IC die Expression der geprägten Gene. In der distalen Domaine 1 (IC1 oder DMR1) liegen die beiden geprägten Genen H19 (nichtkodierende RNA, maternal exprimiert) und IGF2 („insulinlike growth factor 2“; fetaler Wachstumsfaktor, paternal exprimiert). Das H19assoziierte Imprinting Center (IC1) ist normalerweise paternal methyliert und maternal unmethyliert. Eine Methylierung von IC1/H19 auf dem mütterlichen Chromosom (IC1/H19Hypermethylierung) führt zu einer biallelischen Expression von IGF2. In der proximalen Domäne 2 (IC2 oder DMR2 oder KvDMR) sind mehrere geprägte Gene enthalten, darunter KCNQ1 (Ionenkanal, maternal exprimiert), KCNQ1OT1 (LIT1; nichtkodierendes AntisenseTranskript, paternal exprimiert), and CDKN1C (negativer Zellzyklusregulator, maternal exprimiert). Im IC2 ist ein Promoter für KCNQ1OT1 enthalten, der auf dem maternalen Chromosom methyliert und auf dem paternalen Chromosom unmethyliert ist. Durch die Expression von KCNQ1OT1 auf dem paternalen Chromosom wird das paternale Allel von CDKN1C stillgelegt. Eine IC2/KvDMRHypomethylierung führt zur Expression von KCNQ1OT1 und zu einer reduzierten Expression von CDKN1C auf dem mütterlichen Chromosom. IC1 und IC2Methylierungsveränderungen treten oft im Mosaik auf. Eine weitere Ursache für eine veränderte Expression der parentalen Allele ist eine paternale uniparentale Disomie 11p15.5, die durch eine gleichzeitige IC1Hypermethylierung und IC2Hypomethylierung auffällt. Sie entsteht durch somatische Rekombination und liegt meist im Mosaik vor.
Die genannten Mechanismen treten i. d. R. sporadisch auf; lediglich Methylierungsauffälligkeiten, die im Zusammenhang mit einer (meist submikroskopischen) chromosomalen Veränderungen stehen (Deletion/Duplikation/Tranlsokation/Inversion), können erblich sein. Dies trifft ebenfalls auf Mutationen im Gen CDKN1C zu, die bei Vorliegen im maternalen Allel zum BWS führen.
BWStypische Veränderungen in der Region 11p15 können auch bei einem Teil der Patienten mit einer 7 Hemihyperplasie (MIM %235000), einem asymmetrischen Großwuchs, diagnostiziert werden. Die Ausprägung ist extrem variabel, kann nur ein einzelnes Körperteil oder aber eine gesamte Körperhälfte (. Abb. 2d) betreffen. Die Ursache ist heterogen und in vielen Fällen noch ungeklärt.
7 Genomisches Imprinting
7 Hemihyperplasie
Tab. 3 Diagnostische Kriterien beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom. (Nach [20])
Hauptkriterien („major findings“):
Bauchwanddefekt: Omphalozele (Exompha-los) oder Nabelhernie
Makroglossie
Makrosomie (Größe und Gewicht >97. Per-zentile)
Ohrläppchenkerben und/oder helikale „pits“ (ein- oder beidseitig)
Viszeromegalie (Leber, Niere, Nebenniere, Milz, Pankreas)
Entwicklung embryonaler Tumoren in der Kindheit (insbesondere Wilms-Tumor, Hepa-toblastom, seltener Neuroblastom, Rhabdo-myosarkom)
Hemihyperplasie
Nierenanomalien (Nephromegalie, medulläre Dysplasien, Nephrokalzinose, Entwicklung einer Markschwammniere)
Positive Familienanamnese für Beckwith-Wie-demann-Syndrom
Gaumenspalte (selten)
Nebenkriterien („minor findings“)
Schwangerschaftsauffälligkeiten: Polyhy-dramnion, vergrößerte Plazenta und/oder verdickte Nabelschnur, Frühgeburtlichkeit
Neonatale Hypoglykämie
Naevus flammeus
Kardiomegalie/strukturelle Herzfehler/Kar-diomyopathie
Charakteristische Gesichtszüge
Rektusdiastase
Akzeleriertes Knochenalter
Tab. 4 Vorsorgeprogramm für Patien-ten mit Beckwith-Wiedemann-Syndrom. (Nach [5, 2])
Bis zum Alter von 4 Jahren
Vierteljährliche Abdomen-sonographie zur Erkennung embryonaler Tumoren und vierteljährliche Bestimmung des α-Fetoproteins im Serum zur Früherkennung eines Hepatoblastoms
Bis zum Alter von 8 Jahren
Vierteljährliche Abdomen-sonographie zur Erkennung embryonaler Tumoren
Ab dem Alter von 8 Jahren bis ins Ju-gendalter
Jährliche sonographische Untersuchung der Nieren zur Erkennung einer evtl. Nephrokalzinose oder Mark-schwammniere
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Neben 11p15Veränderungen können auch chromosomale Mosaike (z. B. Trisomie8Mosaik, [18]) vorliegen. Wichtig bei der Beurteilung ist festzustellen, ob es sich bei der Körperasymmetrie um einen Großwuchs (Hemihyperplasie) der einen oder um einen Kleinwuchs (Hemihypoplasie) der anderen Körperregion handelt. Dies ist von großer klinische Bedeutung, da Letzterer nicht mit einem erhöhten Tumorrisiko vergesellschaftet ist, während bei der Hemihyperplasie das Risiko für embryonale Tumoren ähnlich dem beim BWS erhöht ist und entsprechende Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden sollten [5].
Sotos-Syndrom
Im Jahr 1964 beschrieben Sotos et al. erstmals 5 Kinder mit beschleunigtem Wachstum, Akromegalie und mentaler Retardierung und nannten dies „zerebraler Gigantismus“. Inzwischen wird für das SotosSyndrom (MIM #117550) eine Prävalenz von etwa 1:14.000 [3] angenommen. Damit zählt es zu einem der häufigeren GroßwuchsSyndrome.
Die drei klinischen Leitsymptome, die bei über 90% der Betroffenen vorliegen, sind 7 Großwuchs, 7 charakteristische Gesichtsmerkmale (. Abb. 4) und 7 Entwicklungsverzögerung/Lernschwie-rigkeiten. Der Großwuchs beginnt meist schon pränatal, die durchschnittliche Geburtslänge liegt im Bereich der 98., der Kopfumfang zwischen 90. und 97. Perzentile. Die Wachstumsgeschwindigkeit ist insbesondere bis zum 10. Lebensjahr beschleunigt, danach kann sich der Großwuchs zum Erwachsenenalter hin normalisieren, während der 7 Makrozephalus i. d. R. bestehen bleibt. Typisch ist bei den Kindern ein 7 akzeleriertes Knochenalter (in der Handröntgenaufnahme phalangeal betont; (. Abb. 5). Neben den hohen Längen und Kopfumfangsmaßen sind es vor allem die charakteristischen Gesichtszüge (. Abb. 4), die insbesondere in der Kindheit die klinische Diagnose unterstüt
Bei der Hemihyperplasie ist das Risiko für embryonale Tumoren erhöht
7 Großwuchs7 Charakteristische Gesichts-
merkmale7 Entwicklungsverzögerung/
Lernschwierigkeiten7 Makrozephalus 7 Akzeleriertes Knochenalter
Abb. 3 8 Molekulargenetische Ursachen des Beckwith-Wiedemann-Syndroms und deren Häufigkeiten. * bei unauf-fälliger Familienanamnese, ** bei positiver Familienanamnese. (Erläuterung s. Text)
Abb. 4 8 Charakteristische faziale Merkmale bei einem 3¼ Jahre alten Patienten mit Sotos-Syn-drom: prominente Stirn mit hoher Stirnhaar-grenze, längliches Gesicht, nach außen abfallen-de Lidachsen
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zen: eine hohe, vorgewölbte Stirn mit hoher Stirnhaargrenze, ein längliches Gesicht, nach außen abfallende Lidachsen, ein prominentes, spitzes Kinn sowie ein hoher enger Gaumen, häufig mit Zahnfehlstellungen.
Eine statomotorische Entwicklungsverzögerung tritt häufig auf, mitbedingt durch eine muskuläre Hypotonie. Die Mehrheit der Betroffenen hat eine Intelligenzminderung, deren Schweregrad unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. 7 Verhaltensauffälligkeiten sind häufig, hier insbesondere aus dem autistischen Spektrum, Phobien und aggressive Verhaltensweisen. Etwa 1/4 der Betroffenen entwickeln Anfälle (Absencen, tonischklonisch, myoklonisch oder fokalkomplex). Auffälligkeiten in der SchädelMRT sind beim SotosSyndrom häufig (meist erweiterte Ventrikel, aber auch Balkenanomalien, Megacisterna magna u. a.) Bei einem Fünftel treten Herzfehler auf [z. B. Vorhofseptumdefekt (ASD), Ventrikelseptumdefekt (VSD), persistierender Ductus arteriosus (PDA)]. Außerdem können Nierenanomalien (vor allem vesikoureteraler Reflux) und Augenauffälligkeiten auftreten. Etwa 1/3 der Patienten entwickelt eine 7 Skoliose. Oft kommt es aufgrund von chronischen Mittelohrentzündungen zu Hörstörungen.
Das Risiko für Tumoren ist gering erhöht (etwa 2–3% der Betroffenen). Allerdings treten – im Gegensatz zu anderen Großwuchssyndromen – extraabdominale Tumoren häufiger auf als intraabdominale, und der Manifestationszeitpunkt schließt das Erwachsenenalter ein [5]. Daher ist eine effektive spezifische Tumorfrüherkennung schwierig durchzuführen.
Dem SotosSyndrom liegt meist eine autosomaldominante Veränderung (Punktmutation oder Deletion) im Gen NSD1 auf dem langen Arm des Chromosoms 5 (im Bereich 5q35) zugrunde, die zur Haploinsuffizienz führt. Die Mutation tritt meist de novo auf und lässt sich bei bis zu 90% der Betroffenen nachweisen. Auch einige familiäre Fälle mit autosomaldominanter Vererbung sind beschrieben. Bei Patienten mit Sotosähnlichem Phänotyp („Sotoslike“) wurden kürzlich Mutationen im Gen NFIX beschrieben [10].
Weaver-Syndrom
Dieses Syndrom, von Weaver et al. 1974 erstmals beschrieben, ist ein seltenes 7 Makrozephalie-Großwuchs-Syndrom (bislang <100 beschriebene Fälle). Es zeigt vor allem im jüngeren Kindes
7 Verhaltensauffälligkeiten
7 Skoliose
Dem Sotos-Syndrom liegt meist eine autosomal-dominante Veränderung im Gen NSD1 zugrunde
7 Makrozephalie-Großwuchs-Syn-drom
Abb. 5 8 a Die Handröntgenaufnahme eines Patienten mit Sotos-Syndrom im Alter von 21 Monaten zeigt ein deut-lich akzeleriertes Knochenalter. b Zum Vergleich ein etwa altersentsprechender Normalbefund (Skelettalter 24 Mo-nate)
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alter phänotypisch einige Ähnlichkeiten zum SotosSyndrom [13]. Im Verlauf unterscheiden sich die fazialen Merkmale: Beim WeaverSyndrom (MIM #277590) finden sich eine breite Stirn und ein 7 rundes Gesicht, es besteht ein 7 Hypertelorismus, und das Kinn ist weniger prominent als beim SotosSyndrom. Neben der Makrozephalie und dem Großwuchs, der oft bis ins Erwachsenenalter fortbesteht, liegt meist eine Entwicklungsverzögerung vor. Patienten mit WeaverSyndrom haben häufig eine raue, tiefe Stimme. Es treten Nabel und 7 Leistenhernien auf sowie überschüssige, schlaffe Haut. An den Händen können 7 Kamptodaktylien bestehen. Wie auch beim SotosSyndrom ist das 7 Kno-chenalter akzeleriert, die Akzeleration ist beim WeaverSyndrom allerdings karpal betont. Die zugrunde liegende genetische Ursache ist noch ungeklärt. Bei einem kleinen Teil der Patienten (<10%) wurden Veränderungen im NSD1Gen gefunden.
Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom
Simpson et al. (1975), Behmel et al. (1984) und Golabi und Rosen (1984) beschrieben Patienten, die übereinstimmende Merkmale zeigten, sodass sie schließlich zu dieser gemeinsamen Entität zusammengefasst wurden. Zur Häufigkeit des SimpsonGolabiBehmelSyndroms (SGBS; MIM #312870 und #300209) gibt es noch keine Daten, es wird jedoch vermutet, dass dieses Syndrom unterdiagnostiziert ist [3]. Neben einem 7 Großwuchs und einer 7 Makrozephalie (i. d. R. mit pränatalem Beginn) sind für das SGBS 7 grobe Gesichtszüge mit großem Mund, großer Zunge und vollen Lippen (. Abb. 6), ein hoher Gaumen, Zahnfehlstellungen, ein prominenter Unterkiefer, Hypertelorismus und Epikanthus sowie ein relativ kurzer Hals charakteristisch. Weitere variable Merkmale stellen akzessorische Mamillen, Organomegalien, Herzfehler, Nierenfehlbildungen, verschiedene 7 Mittellinienauffälligkeiten (Hypospadie, Nabelhernie, Kerbe der Zungenspitze oder in der Mitte der Unterlippe, Gaumenspalte) sowie Auffälligkeiten der Wirbelkörper und der Hände (u. a. große Hände, breite Daumen, hypoplastische Nägel, insbesondere der Zeigefinger, Syn und Polydaktylien) dar [3]. Oft bestehen eine Entwicklungsverzögerung und mentale Retardierung, deren Ausprägung jedoch sehr variabel sein kann.
Das Risiko für embryonale Tumoren ist mit etwa 10% deutlich erhöht [5]. Alle bislang beschriebenen Neoplasien (WilmsTumor, Hepatoblastom, adrenales Neuroblastom, Gonadoblastom, hepatozelluläres Karzinom) waren intraabdominal lokalisiert. Daher sollten Betroffene in ein regelmäßiges Vorsorgeprogramm (ähnlich dem beim BWS, . Tab. 4) eingegliedert werden [5]. Das SGBS wird Xchromosomal vererbt. Abhängig von der XInaktivierung können Konduktorinnen leichte klinische Zeichen aufweisen. Bei bis zu 70% der Betroffenen können gegenwärtig Mutationen (Punktmutationen oder Deletionen) im Gen Glypican 3 (GPC3) auf dem langen Arm des XChromosoms in Xq26 nachgewiesen werden. Kürzlich wurden auch Duplikationen im benachbart lokalisierten Gen Glypican 4 als Ursache identifiziert [19].
Proteus-Syndrom
Das ProteusSyndrom (MIM #176920) ist charakterisiert durch ein lokalisiertes, überschüssiges Wachstum von Haut, Bindegewebe, Gehirn und anderen Geweben. Der Großwuchs, der i. d. R. umschrieben und asymmetrisch ist, beginnt im Alter von 6–18 Monaten und ist progressiv und schlecht zu behandeln. Typisch ist auch ein überschüssiges Wachstum von Haut, Bindegewebe, Gehirn und anderen Geweben, das zu charakteristischen Strukturen führen kann. Der lineare verruköse epidermale Nävus ist typisch und führt zu zerebriformen Hautveränderungen. Venöse Gefäßfehlbildungen sind häufig. Aufgrund des 7 um-schriebenen Großwuchses resultieren ausgeprägte orthopädische Probleme. Außerdem kann es zu tiefen venösen Thrombosen und lebensbedrohenden 7 Embolien kommen. Das Risiko für Malignome ist deutlich erhöht, obwohl es hierzu keine konkreten Zahlen gibt. Beim ProteusSyndrom handelt es sich um ein
7 Rundes Gesicht
7 Hypertelorismus
7 Leistenhernien7 Kamptodaktylien 7 Knochenalter akzeleriert
7 Großwuchs 7 Makrozephalie 7 Grobe Gesichtszüge
7 Mittellinienauffälligkeiten
Das Risiko für embryonale Tumoren ist beim SGBS mit etwa 10% deut-lich erhöht Das SGBS wird X-chromosomal vererbt
Typisch beim Proteus-Syndrom ist ein überschüssiges Wachstum von Haut, Bindegewebe, Gehirn und anderen Geweben7 Umschriebener Großwuchs7 Embolien Das Risiko für Malignome ist beim Proteus-Syndrom deutlich erhöht
Abb. 6 8 Fazialer Aspekt bei einem Jungen mit Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom. Grobe Ge-sichtszüge, Hypertelorismus, großer Mund mit vollen Lippen sowie ein relativ kurzer Hals
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sehr seltenes Krankheitsbild mit einer Inzidenz von 1/1 Mio. Als berühmter Patient mit ProteusSyndrom wird Joseph Merrick, „the elephant man“, angesehen.
Die diagnostischen Kriterien sind unterteilt in generelle Kriterien und spezifische diagnostische Kriterien. Zu den generellen Kriterien, die für die Diagnosestellung alle vorhanden sein müssen, gehören eine mosaikartige Verteilung der Läsionen, ein sporadisches Vorkommen und ein progressiver Verlauf. Die spezifischen Kriterien, die zusätzlich vorhanden sein sollten, sind definiert als 7 zerebri-forme Bindegewebsnävi, lineare epidermale Nävi, asymmetrischer und dysproportionierter Großwuchs, spezifische Tumoren vor der 2. Lebensdekade und faziale Dysmorphien.
Die Therapie beim ProteusSyndrom ist sehr schwierig. Es sollte möglichst lange gewartet werden, bis die überschießend wachsenden Gewebe entfernt werden. Die Kunst ist es, den optimalen Zeitpunkt herauszufinden, da bei zu langem Zuwarten die orthopädischen Probleme nicht mehr beherrschbar sind. Da das Tumorspektrum breit ist, gibt es kein spezifisches Tumorvorsorgeprogramm.
Kürzlich wurde eine aktivierende, somatische Mutation (c.49G → A, p.Glu17Cys) im Onkogen AKT1 bei 26/29 Patienten mit ProteusSyndrom nachgewiesen. Das gebildete Enzym ist für die Zellproliferation und Apoptose verantwortlich. Lindhurst et al. konnten zeigen, dass die untersuchten Gewebe und Zelllinien die Mutation mit einer Häufigkeit von 1–50% aufweisen [6]. Nur bei zwei dieser Patienten konnte die Mutation auch im Blut nachgewiesen werden. Auch die 3 Patienten, bei denen keine Mutation nachweisbar war, erfüllten alle diagnostischen Kriterien. Es ist daher davon auszugehen, dass das ProteusSyndrom heterogen ist, d. h. dass noch andere Gene kausal für das ProteusSyndrom sind.
Chromosomenaberrationen mit Großwuchs
Einige chromosomale Aberrationen gehen mit einem Großwuchs einher. Neben den gonosomalen Aberrationen mit zusätzlichem Vorliegen von XChromosomen (z. B. 47,XXY oder 48,XXXY) sind besonders die terminale Duplikation 15qter, die zu einem Gendosiseffekt des IGF1RGens führt, sowie die terminale Deletion 22q13 zu nennen. Weitere Aberrationen sind in . Tab. 5 aufgeführt. ArrayAnalysen bei 93 Patienten mit ungeklärtem Großwuchs ergaben chromosomale Aberrationen in 5% der Fälle [9].
Fazit für die Praxis
F Die Großwuchssyndrome sind heterogen und differenzialdiagnostisch im Einzelfall schwierig voneinander abzugrenzen.
F Die Zuordnung zu einer bestimmten Entität ermöglicht eine prognostische Einschätzung, die Anpassung des klinischen Managements und die exakte Angabe eines Wiederholungsrisikos für die betroffenen Familien und kann damit die Betreuung des Patienten und seiner Familie deut-lich verbessern.
7 Zerebriforme Bindegewebsnävi
Da das Tumorspektrum breit ist, gibt es kein spezifisches Tumorvorsorge-programm
Tab. 5 Chromosomale Aberrationen mit Großwuchs (Auswahl)
Chromosomale Aberration Klinische Zeichen Dosiseffekte
dup(4)(p16.3) Großwuchs, leichte bis moderate Intelligenzminderung FGFR3
del(5)(q35) Sotos-Syndrom NSD1
del(9)(q22.32q22.33) Makrozephalie, Großwuchs, Trigonozephalie TGFBR1
Tetrasomie 12p Pallister-Killian-Syndrom(Großwuchs meist nur fetal)
dup(15)(q26qter) Großwuchs, Intelligenzminderung IGF1R
dup(19)(p13.2) “ Sotos-like “ NFIX
del(22)(q13) Großwuchs, Makrozephalie, Autismus, fehlende Sprache SHANK3
dup(X)(p22.3) Normale bis erhöhte Körpergröße SHOX
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CME
KorrespondenzadresseDr. A. KüchlerInstitut für Humangenetik, Universitätsklinikum EssenUniversität Duisburg-EssenHufelandstr. 55, 45122 [email protected]
Danksagung. Wir bedanken uns bei allen Eltern, die sich bereit erklärt haben, dass ein Foto ihres Kindes abgedruckt werden darf. Außerdem danken wir Bernd Schweiger für die Überlassung der Handröntgenaufnahmen, Bernhard Horsthemke für das zur Ver-fügung stellen des graphischen Schemas der BWS-Region, Beate Albrecht und Kirsten Cremer für Patientenfotos sowie Bernhard Horsthemke und Karin Buiting für hilfreiche kritische Diskussionen.
Interessenkonflikt. Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
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CME-Fragebogen
Welche Aussage zur Diagnose-stellung des Proteus-Syndroms trifft zu? Die Diagnosestellung erfolgt
aufgrund der charakteristi-schen klinischen Auffälligkei-ten. Eine molekulargenetische Bestätigung ist nicht möglich, da die genetische Ursache bis-her nicht bekannt ist.
Die übermäßig wachsenden Gewebe beim Proteus-Syn-drom sollten operativ entfernt werden. Dann ist mit einer Heilung zu rechnen.
Es sollte eine molekulargene-tische Analyse des AKT1-Gens an DNA aus Blutlymphozyten bei Patienten mit Proteus-Syn-drom durchgeführt werden, um die klinische Diagnose zu bestätigen.
Das Proteus-Syndrom folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang.
Zur molekulargenetischen Bestätigung der klinischen Diagnose Proteus-Syndrom sollte eine molekulargeneti-sche Analyse an DNA aus be-troffenem Gewebe hinsicht-lich der Mutation c.49G → A, p.Glu17Lys im AKT1-Gen durchgeführt werden.
Welche Aussage zu Großwuchs-syndromen trifft nicht zu? Die Messung der Elterngröße
ist notwendig um festzustel-len, ob ein familiärer Groß-wuchs vorliegt.
Die Röntgenaufnahme der lin-ken Hand, die im Rahmen der Abklärung von Großwuchs-syndromen durchgeführt wird, gibt Aufschluss über das aktu-elle Knochenalter (retardiert – altersentsprechend – akzele-riert) und über mögliche knö-cherne Fehlbildungen.
Chromosomenstörungen, die mit einem Großwuchs einher-gehen, sind z. B. die terminale Deletion 22q (Phelan-McDer-mid-Syndrom) und die termi-nale Duplikation 15q.
Nur bei Großwuchsformen, die einem bekannten Syn-drom zuzuordnen sind, be-steht ein erhöhtes Risiko für Malignome.
Bei klinisch gestellter Ver-dachtsdiagnose Marfan-Syn-drom ist auch ohne molekular-genetische Sicherung der Dia-gnose eine regelmäßige echo-kardiographische Untersu-chung notwendig.
Junge, gesunde und normal-wüchsige Eltern stellen ihre 6 Monate alte Tochter vor, weil bei ihr ein Großwuchs und eine Körperasymmetrie vorliegen. Sie fragen nach einem überge-ordneten Krankheitsbild. Wel-che Befunde erwarten Sie nicht bei einem Beckwith-Wiede-mann-Syndrom? Eine Makroglossie Einen Bauchwanddefekt Hyperglykämien in der Neu-
geborenenperiode Eine normale psychomoto-
rische Entwicklung Helixkerben
Welches der Gene hat keinen Einfluss auf die Körpergröße? TCOF1 IGF1R SHOX NSD1 FBN1
Welches klinische Zeichen ist nicht typisch für ein Marfan-Syndrom? Striae distensae Mitralklappenprolaps Skoliose Linsenluxation Kraniosynostose
Welche Aussage zum Marfan-Syndrom trifft zu? Wenn bei einem Patienten mit
Verdacht auf Marfan-Syndrom keine Mutation im FBN1-Gen nachgewiesen wird, sollte auf eine echokardiographische Verlaufskontrolle verzichtet werden.
Die Skoliose beim Marfan-Syn-drom liegt schon in der Neu-geborenenperiode vor.
Als positive Familienanamne-se bei Patienten mit Marfan-Syndrom sind Familienange-hörige anzusehen, die groß-wüchsig waren und aus unge-klärter Ursache plötzlich ver-storben sind.
Eine einmalige ophthalmo-logische Untersuchung zum Ausschluss einer Linsenluxati-on ist ausreichend.
Die Abgrenzung der verschie-denen Formen des Marfan-Syndroms ist klinisch leicht möglich.
Ein 4 Jahre altes, von Geburt an großwüchsiges Mädchen mit Makrozephalus wird we-gen seiner Entwicklungsver-zögerung in der genetischen Sprechstunde vorgestellt. Das Mädchen hat ein längliches Ge-sicht, ein prominentes Kinn und eine hohe Stirn mit hohem temporalem Haaransatz. Die Eltern fragen nach der Ursa-che für die Auffälligkeiten und nach dem Wiederholungsrisi-ko für weitere Kinder. Sie selbst denken an eine bestimmte Ver-dachtsdiagnose. Welchen Be-fund erwarten Sie bei Ihrer Ver-dachtsdiagnose nicht? Ein akzeleriertes Knochenalter
(phalangeal > karpal) Eine Deletion des NSD1-Gens Eine Punktmutation im NFIX-
Gen Eine Skoliose Eine Körperasymmetrie
Welches der unten genannten syndromalen Krankheits bilder geht nicht mit einem Groß-wuchs einher? Terminale Deletion 22q Aarskog-Syndrom Beckwith-Wiedemann-Syn-
drom Sotos-Syndrom Homozystinurie
Welche Aussage zum Simpson-Golabi-Behmel- Syndrom (SGBS) trifft zu? Eine schwere geistige Behin-
derung ist typisch. Beim SGBS findet man keine
Makrozephalie.
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Bitte beachten Sie: F Antwortmöglichkeit nur online unter: CME.springer.deF Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. F Es ist immer nur eine Antwort möglich.
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CME
Viele Patienten mit SGBS ha-ben akzessorische Mamillen.
Das SGBS folgt einem autoso-mal-dominanten Erbgang.
Beim SGBS gibt es kein erhöh-tes Tumorrisiko.
Welche der folgenden Diagnosen stellt keine Differenzialdiagnose zum Marfan-Syndrom dar? Das Loeys-Dietz-Syndrom Das Beals-Hecht-Syndrom Das Silver-Russell-Syndrom Das Ehlers-Danlos-Syndrom Das Lujan-Fryns-Syndrom
Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf CME.springer.de verfügbar.Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie unter CME.springer.de
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