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Page 1: Über einen neuen Grenzwertsatz der Wahrscheinlichkeitsrechnung

l~ber einen neuen Grenzwertsatz der Wahrseheinl iehkeitsreeh n ung.

V o n

A. Khintchine in Moskau.

1. Problemstellung und Diskussion des Gaul~-Laplaceschen Verteilungsgesetzes.

Im folgenclen soll die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses A durchweg mit W(A) bezeichnet werden. Ist E ein Ereig~is, W(E)=p, 1--p~=q, werden n voneinandcr unabhi~ngigc Versuche angestellt und soll E dabei m-real auf~reten, so lautet der Laplacesche Grenzwertsatz

t~

(1) ,~.~lim W{taf2npq<m--np.<t.~}/~2n~q}=~-~ e-"~dz, t l

wo t a und t~ ~ t 1 beliebige reetle Zahlen bedeuten.

Dieser beriihmte Satz, der bekanntlieh aueh vielerlei Erweiterungen effahren hat, gestattet fiir grol]e ~-Werte das Verteilungsgesetz der Zahl m

(oder einer der mit ihr funktionelt verbmldenen GrSl~en m --n' m - - np ,

m-n.~o usw.) in g,zol~en Ziigen n~iherungsweise zu veffolgen. Ein Grund flit [npq

die iiberraschende Veral]gemeinerungsf~higkeit de~ in ~ ausgesprochenen Grenzbeziehung kann daxin erblickt werden, daI~ die FunkCion e - ~ mit absolut wachsendem x sehr schnelt abnimm~ und dais andererseits im all- gemeinen dasselbe flit die Wahrscheinlichkeitsdichte verh~ttnism~i~ig groi~er Abweichungen einer Sllmme yon Wahrscheinlichkeitegr6flen yon i]~em Mittelwert matritit. ]Kit anderen Worten kSrmte man sagen: das au~er- ordentfich grofle Anwendbarkeitsgebiet des Laplaceschen G r e n z w e ~ s a ~

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746 A. KhinC~hine.

ist wenigstens zum Tell dadu~ch bedingt, da~ er iiber das zu untersuchende Verteilungsgesetz in den vom Mittelwert sehr entfernten Gebieten nur sehr wenig aussagt; n~mlich nut, dal~ die diesen Gebieten entspreehenden Wahr- scheinliehkeiten unendlich klein ausfaUen, ohne etwas N~heres fiber ihre Gr5Benordnung zu berichten. Die Limesgleichung (1), die bekanntlieh gleich- m~Big in t 1 und t~ stattfindet, sagt ja im Falle (in bezug auf n) unend- lieh groBer positiver ~1, t~ offenbax nichts anderes aus, als dab die links~ stehende Wahrscheinliehkeit unendlich klein sei; der reeht~tehende asym- ptotisehe Ausdruck, dessen Aufstellung doch das Hauptziel des Laplaceschen Sa~zes ist, wird in diesem Fall illusorisch, und der Grenzwertsatz behauptet nicht mehr wie der Satz yon Bernoulli: n~imlich nut, dab Abweichungen m--np , die unendlieh grog im Vergleieh mit der Streuung 0----]/npq' shad, unendlich kleine Wahrscheinlichkeiten haben.

Es schien mir nun yon Interesse, eine ni~here Untersuchung iiber die Frage anzustellen, ob und in welchem Grade das Verteilungsgesetz yon m aueh im Gebiete unendlich groBer ti, t. dutch das GauB-Laplacesche Ver- teilungsgesetz wiedergegeben wird. Ms Ergebnis Iand ich einen neuen Grenzwertsatz, dessen ausfiihrlicher Beweis den Gegenstand des vorliegenden Artikels ausmaehen soll; der Formulierung des neuen Satzes muB jedoeh eine kurze Diskussion des GauB-Laplaceschen Verteilungsgesetzes voraus- gesehiclct werden.

Geniigt eine Gr5Be x einem solchen Gesetz mit der Streuung a, so )st flit a __< b

b ~u

W(oa ~ x < ob)~-- ~ le--~dz; f _ .

fiir unendlieh groBes t ~ 0 ist natiirlieh W(ot ~ x) unendlich klein, und a fortiori ist dabei flit t ~_ t 1 ~ t~ aueh W (~t I < x < ot~) unendlieh klein. .Wit kSnnen aber die Wahrscheinliehkeitsverteilung im Gebiete x > ot gut beherrsehen, indem wit Limesbeziehungen flit Verh~iltnisse der Gestalt

W(ot~ <x<at~) W(x>a~)

auffmden, wo t, t~ ~ t, t e ~ t 1 unendlleh grog yon vorgesehriebener rela- river GrSBenordnung sin&

Sei zunhehst t unendlieh gro~ yon beliebiger Ordnung und

bteiben dabei g~ trod g~ konstant, so w'~d

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Neuer Grenzwertsa~ der Wahrscheinliehkeitsreehnung. 747

t

und andererseits

z s g2 1 g 11~ v~

e - T dz - - t . [ d

t + ~ g~ t

t~ t~ g'2 ~lZ -- -- ~2

e-Z" r e - r e - ~ d y = e e

gt 'gz

t~ 2

--{~ + o (1)} (~-, , -e- ,o)-~ t 112~ '

1 f z~ 1 f - (t+Y'~ W ( o t < x ) = ~ e -~dz=V_~- e ~ dy t 0

t~ t~

-,2 .y e " f u -~t -~ d~z = e [e_~v e d ~ ~ e - e y 2 ~ 3 t f ' 2 ~

0 0

t~

= {1 + o(1)} e .

Demnach wird

(2) W ( o t < x )

Die von uns gewgMten speziellen Ausdriicke fiir t 1 und t~ erseheinen demgemgB als die der Natur des Problems entsprechenden; denn gerade fiir den Fall, wo t 1 - - t und t. 2 - t yon der GrSBenordnung t -1 sind, ergibt sich, wie wit nun sehen, der gesuchte Limesausdruck yon 0 und 1 ver- aehieden. Man kSnnte dazu leicht direkt naehredmea, dab der Limes gleich 0 ffird, falls t~-- t unendiich groB im Vergleieh mit t -1 ist., was auch t 2 > t , sei; und im Falle t l - - t ~ - o ( t - ~ ) , t - l = o ( t ~ - - t l ) ist d& Limes gleich 1, wie man wieder leicht nachrechnet; all dies ist iibrigens nut eine sehr naheliegende Eigenschaft der Funktion e -~' .

Nun liegt aber in (2) ein Grenzwertsatz vor, dem also das Gau~- Laplacesehe Verteilungsgesetz Geniige leistet. Unser Ziel wird in dem Naehweise bestehen, daft aueh das Vertdlungsgesetz der anfangs defmierten GrSBe m - - r i p diesem Satz unterworfen is~, wofem nut selbstverst~ndlieh mi$ t aueh n unendlich wird; das bedeutet nun offenbar, dab auch in dem Gebiete der unendlieh tdeinen Wahrscheinlichkeitert (groBen Abwei-

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748 h. Khintehine,

chungen) das Verteilungsgesetz der GrSge m - - n p wesentlich dutch die Gaul~-Laplacesche Formel wiedergegeben wird, mud zwar in einem viel pr~iziseren Sinne als es der Lapls~sche Grenzwertsatz angibt. Freilich mul~ dabei, wie es denn auch yon vornherein ldar ist, der Paramete~ t in seinem Wachstum einer gewissen Einschrgnkung unterliegen. Denn falls t yon der GrSBenordnung }/; wird, kommen wi~ wegen a = 1 / ~ zu solehen Gebieten, die yon m - - n p gar nicht erreicht werden kSrmen, wo iolglieh die zugehSrigen Wahrseheinliehkeiten verschwinden. Es liegt also votl- st~indig in der Natur der Saehe, wenn wit t = o ( f n ) voraussetzen. Das ist aber auch die einzige Einsdariinkung, and es gilt Iolglieh der 8atz:

. . e - - g z - - g-gl.

Selbstverstgndlich gilt auch die ana]oge Beziehung Iiir die negativen Abweichungen.

2. B e w e i s des Satzes .

Ich setze m - n p - ~ ax = ~ x und will zuniichst unter der Vor- aussetzung x = o (I/n) eine passende Abschgtzung fiir die Wahrscheinlich- keit eines bestimmten m-Wertes, also fiir die GrSBe

aufstellen; dabei werden alle Absch~tzungen auf Konstanten bezogen, die hSchstens yon p abhiingen diirfen. Die Anwendung der Stirlingschen Formel ergibt teicht

lg P~ = t x .

Ntm ist fiir groBe n wegen x = o (~fn)

oo c~

�9 0

o~

Z

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Neuer Grenzwertsatz der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 749

und ganz ~hntich

(nq--xz§ = _ nq/

also

k

x o § \[n,] k=2

-~lg2ztpqn n~_ k(k 11) [ \~) ' : _ _ ~=. (~) § o ( ~ ) ,

wenn wit noch O ( n )'~" gegeniiber O(1,~ ) vernachliissigen diirfen, was bier f

immer geschehen kann, well wir x fortan immer unendlich grol~ denken; ich setze noch

k k

(k>l),

und erhalte

Ist nun

~ o

k=. o

1 ,.<~>+o(~) e

x = t §

darin g > 0 konstant und t = o (]Sn) unendlich groB, so ist fiir k > 1

-~- \ f . /

mit 0 < O, = O~ (n, t, 9) < 1; deswegen wird

(~) f.(~)=f~(t)+g+gZ~C~ ] t~i ~ ~ 2 ~tV) k=3 k=~

= f ~ ( t ) § 2 4 7 t § ~ ,

und fo]glich

, ( ( ' )

Daher erhalt~ ich fiir konstante positive gl, g.~ ~ gt

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750 A. Khint~hine.

1 + 0 + ~t~J e-f"(t) 2 e-g.

Nun w~chst g offenbar u m t wenn m u m 1 grSl~er wird; daraus fo]gt ( ~

17. g~

g=gl g~

wenn von bier an die Kons tanten , auf die die Absch~tztmgen bezogen werden, auger p noch von g~ abh~ngen diiffen. Somit erhalte ich

e -f'* Ct) w(g~, g~) = ~2---~- (e-~, - e -~o) (1+ o O ) ) .

Der Beweis wird offenbar erledig% wofern ich noch zeigen kann, dab diese Formel auch flit den Grenzfall g~ = 0, g~---~ @ o0 zutriff t ; denn dann finder man tmmit te lbar

W(q~, ~) --~ e-g, -- e-g~ W(O, oo)

~iir n--~cx~, t -+co, t = o )in, was ja genau die Behaup tung des zu be- weisenden Satzes ausmacht .

Nun ist, wem~ e > 0 beliebig klein abet fes~ gewiihlt ist, fiir s : t ~ g t ' g > 0 konstant , t > 0 und t - - o (]/-n) unendlich groB,

W(g, oz) = Z P , , = 2 P,, + Z P,~.

Bezeichnen wir hierin die beiden Summen reohts mit X I bzw. -Y~, s~ haben wit

s<~<=,V-~V =pqn

s <x<= ~ ~2z~ pqn

nun ist fiir x =~ ~ ]~nn

~=, t~' ; l =,~{1+ o(~)},

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Neuer Grenzwertsatz der Wahrseheinliohkeitsrechnung. 751

also fiir geniigend kleines , 1

f~,(x) > 7~x;

da ferner dabei, wie man leieht einsieht, f " ( x ) > 0 ist, so erhalten wir

1 f . ( x ) - - f , ,(s) > (x - - s) f ' ( s ) > ~ s ( x - - s),

und folglich

l e_if.(~)_f.<,)}.< 1 1 / e_{ f . (a )_ f . ( s ) }da

1 + ~ - � 8 9 1 7 6 1 2 .

das gibt nun .

Z 1 < ~ e-f"('> 2e-f"(')~{1 0 e-f"(') t ~ . + ;V-~ J + (~)} < - - - 7 '

wenn e geniigend klein und demn~chst n geniigend grog gewiihlt wird. Um nun 2~'~ abzuseh~tzen, benutzen wit einen Satz yon Hardy und

Littlewood ~), demzufolge bei festem e ein r ~- ~ (p, e) > 0 angegeben werden kann, so dab

.S~ < ne-r ist. Wir finden also

e - f,, (s ) W ( s , cx~) < ~ q- ne -~" ;

diese Abschhtzung gilt, wofern n geniigend groin, a = o (}/-n) und ~ eine

geeignete positive Konstante ist, Da wir nun s ~ - t - ~ - ~ gesetzt haben,

dabei t ~ o ( V n ) positiv unendlich gro$ und g > 0 konstant, so 'haben wit wegen (3)

e -f" (t) W(s, cx~) < ~ e - g { l + o ( 1 ) } + n e - : n ;

wegen

2 O(,'l:o(nl f . (t) = n T~ ~- k = 2 ~ . I /

ist aber f e - f " (t) l

n e - r I ,

1) Some problems of diophantine approximation, Aeta Math. $7 (1914), p. 188, Lemma 1. 442.

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una fo~gUch e - f" (t)

w(a, o~) < - - w - e - , {1 + o (1)) .

Nun ist andererseiks

w,o=Wo.=-Wo.~, und folgtich, da wit schon

e-& (t) W(O, g) = },2x~(1-- e - g ) ( l @ o ( 1 ) )

festgestellt haben und da g beliebig grog sein dar~

e -f'~ (t) W(O, 0o) = - } - - ~ ,{1 @ o (1)},

womit nun alles bewiesen ist.

G S t t i n g e n , 7.7.1928.

(Eingegangen am 29. 9. 1928.)


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