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28 ZGAP Mitteilungen 28. Jahrgang 1/2012 Artenschutzberichte Verbreitung des Anden-Springaffen am westlichen Ufer des Huallaga-Flusses in der peruanischen San-Martin-Region von Julio C. Tello-Alvarado, José Tito Villacis Del Castillo und Jan Vermeer Ausgangssituation und Ziel der Untersuchung Mit mindestens 32 Arten ist Peru nach Brasilien die Region mit der zweitgrößten Vielfalt an Primaten in der Neotropis. Drei dieser Arten sind in Peru endemisch: Der Gelbschwanz- Wollaffe (Lagothrix flavicauda) sowie der Anden-Nachtaffe (Aotus miconax) leben im Nebelwald der Anden, wäh- rend der Anden-Springaffe (Callicebus oenanthe) in den Wäldern am Fuße der Anden beheimatet ist. Der zu den Kapuzinerartigen zäh- lende C. oenanthe ist ausschließlich im Tieflandwald der peruanischen San-Martin-Region zu finden. In der Region findet eine fortschreitende Umwandlung der Wälder in landwirt- schaftliche Flächen statt. Der Anden- Springaffe trägt ein dichtes Fell, das an Rücken, Schwanz und den äußeren Extremitäten dunkelbraun ist, wohin- gegen die Innenseiten der Extremitäten und der Bauch eher orange sind. Die meisten Individuen besitzen eine wei- ße Gesichtsmaske. Im Jahr 2007 führte das Proyec- to Mono Tocón eine Studie über die Verbreitung des Anden-Springaffen in der San-Martin-Region durch, die er- gab, dass die Art vom nördlichen Teil der Region bis in den Süden Richtung Huayabamba-Fluss vorkommt. Au- ßerdem wurde C. oenanthe auf der östlichen (rechten) Seite des Huallaga beobachtet. Ziel der vorliegenden Un- tersuchung aus den Jahren 2010 und 2011 war es, die Verbreitung der Art an der rechten Seite des Huallaga zu erfassen. Neben den Forschungsakti- vitäten wurden umweltpädagogische Maßnahmen durchgeführt: die lokale Bevölkerung erhielt Informationsma- terialien wie Comic-Hefte, Flyer und Poster. Methodik Die Studie wurde an insgesamt 38 Standorten in drei Gebieten der süd- lichen San-Martin-Regi- on durchgeführt: - Picota-Provinz (Juli 2010, sieben Standorte) - Bellavista-Pro- vinz (Oktober 2010, 19 Standorte) - Mariscal-Cáceres- Provinz (Januar 2011, 12 Standorte). Das Vorkommen von Anden-Springaffen an den Standorten wur- de mittels dreier Methoden erfasst: Be- fragung der ansässigen Bevölkerung, Aufzeichnung von Lautäußerungen der Tiere und direkte Beobachtung. Wo möglich, wurden die Tiere fotografiert bzw. gefilmt. Ergebnisse An vier Standorten in der Bella- vista- und Mariscal-Càsceres-Provinz konnten acht Anden-Springaffen in insgesamt vier Gruppen beobachtet werden (Tab. 1). Vor der Studie von Proyecto Mono Tocón nahm man an, dass der Weißschwanz-Springaffe (Callicebus discolor) die einzige Pri- matenart am östlichen Huallaga-Ufer sei. Während der Untersuchung stieß man auf sieben Tiere dieser Art in drei Gruppen (Tab. 1). Außerdem wurden Rufe von schät- zungsweise 5 Gruppen von C. oenan- the (3 Standorte) und 64 Gruppen von C. discolor (19 Standorte) gehört (Tab. 2). Der Weißschwanz-Springaffe scheint das Habitat am rechten Ufer des Huallaga klar zu dominieren, al- lerdings teilen sich die zwei Arten das Gebiet zumindest stellenweise. Dies konnte durch die Rufe beider Arten an gleichen Orten dokumentiert werden. Während der Studie wurde ne- ben der Fragmentierung der Wälder und der Zerstörung des Habitates für Landwirtschaft und Viehhaltung auch die weiterhin praktizierte Jagd auf Wildtiere beobachtet. So kam es zu einer Begegnung mit zwei Personen nahe Ledoy, die einen erschossenen Weißschwanz-Springaffen trugen und berichteten, dass in der Region regel- mäßig Affen gejagt würden. In einem weiteren Gespräch machten die Auto- ren die Jäger und deren Familien auf die Bedeutung von Natur- und Arten- schutz aufmerksam. Diskussion Der Anden-Springaffe weist am rechten Ufer des Huallaga-Flusses eine beschränkte Verbreitung auf; nur auf vier von 34 aufgesuchten Flä- chen konnte die Anwesenheit von C. oenanthe festgestellt werden. Für das geringe Vorkommen gibt es mehrere Hypothesen: a) Der Huallaga ist auf der Strecke zwischen der Picota- und der Mariscal- Cáceres-Provinz durch viele Mäander gekennzeichnet und wechselt häufig Standort C. oenanthe C. discolor Provinz Ortschaft Picota Winge - 2 (1) Bellavista Sector Vainilla 2 (1) - Camino a Incaico - 3 (1) Ledoy 1 (1) - Pacasmayo 3 (1) - Mariscal Càceres Pajarillo 2 (1) - Chumanza - 2 (1) Gesamt 8 (4) 7 (3) Tab. 1: Beobachtungen von Callicebus oenanthe und C. discolor (n Individuen (n Gruppen)) Nahaufnahme eines Anden-Springaffen. Foto: Proyecto Mono Tocón

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A publication on the research of Proyecto Mono Tocón, published in German in the journal of the German association Zoological Society for the Conservation of Species and Populations(ZGAP), "ZGAP Mitteilungen".

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ZGAP Mitteilungen 28. Jahrgang 1/2012

Artenschutzberichte

Verbreitung des Anden-Springaffen am westlichen Ufer des Huallaga-Flusses in der peruanischen San-Martin-Regionvon Julio C. Tello-Alvarado, José Tito Villacis Del Castillo und Jan Vermeer

Ausgangssituation und Ziel der Untersuchung

Mit mindestens 32 Arten ist Peru nach Brasilien die Region mit der zweitgrößten Vielfalt an Primaten in der Neotropis. Drei dieser Arten sind in Peru endemisch: Der Gelbschwanz-Wollaffe (Lagothrix flavicauda) sowie der Anden-Nachtaffe (Aotus miconax) leben im Nebelwald der Anden, wäh-

rend der Anden-Springaffe (Callicebus oenanthe) in den Wäldern am Fuße der Anden beheimatet ist.

Der zu den Kapuzinerartigen zäh-lende C. oenanthe ist ausschließlich im Tieflandwald der peruanischen San-Martin-Region zu finden. In der Region findet eine fortschreitende Umwandlung der Wälder in landwirt-schaftliche Flächen statt. Der Anden-Springaffe trägt ein dichtes Fell, das an Rücken, Schwanz und den äußeren Extremitäten dunkelbraun ist, wohin-gegen die Innenseiten der Extremitäten und der Bauch eher orange sind. Die meisten Individuen besitzen eine wei-ße Gesichtsmaske.

Im Jahr 2007 führte das Proyec-to Mono Tocón eine Studie über die Verbreitung des Anden-Springaffen in der San-Martin-Region durch, die er-gab, dass die Art vom nördlichen Teil der Region bis in den Süden Richtung Huayabamba-Fluss vorkommt. Au-ßerdem wurde C. oenanthe auf der

östlichen (rechten) Seite des Huallaga beobachtet. Ziel der vorliegenden Un-tersuchung aus den Jahren 2010 und 2011 war es, die Verbreitung der Art an der rechten Seite des Huallaga zu erfassen. Neben den Forschungsakti-vitäten wurden umweltpädagogische Maßnahmen durchgeführt: die lokale Bevölkerung erhielt Informationsma-terialien wie Comic-Hefte, Flyer und

Poster.

MethodikDie Studie wurde an

insgesamt 38 Standorten in drei Gebieten der süd-lichen San-Martin-Regi-on durchgeführt:

- Picota-Provinz ( Ju l i 2010 , s i eben Standorte)

- Bellavista-Pro-vinz (Oktober 2010, 19 Standorte)

- Mariscal-Cáceres-Provinz (Januar 2011, 12 Standorte).

Das Vorkommen von Anden-Springaffen an den Standorten wur-

de mittels dreier Methoden erfasst: Be-fragung der ansässigen Bevölkerung, Aufzeichnung von Lautäußerungen der Tiere und direkte Beobachtung. Wo möglich, wurden die Tiere fotografiert bzw. gefilmt.

ErgebnisseAn vier Standorten in der Bella-

vista- und Mariscal-Càsceres-Provinz konnten acht Anden-Springaffen in insgesamt vier Gruppen beobachtet werden (Tab. 1). Vor der Studie von Proyecto Mono Tocón nahm man an, dass der Weißschwanz-Springaffe

(Callicebus discolor) die einzige Pri-matenart am östlichen Huallaga-Ufer sei. Während der Untersuchung stieß man auf sieben Tiere dieser Art in drei Gruppen (Tab. 1).

Außerdem wurden Rufe von schät-zungsweise 5 Gruppen von C. oenan-the (3 Standorte) und 64 Gruppen von C. discolor (19 Standorte) gehört (Tab. 2). Der Weißschwanz-Springaffe scheint das Habitat am rechten Ufer des Huallaga klar zu dominieren, al-lerdings teilen sich die zwei Arten das Gebiet zumindest stellenweise. Dies konnte durch die Rufe beider Arten an gleichen Orten dokumentiert werden.

Während der Studie wurde ne-ben der Fragmentierung der Wälder und der Zerstörung des Habitates für Landwirtschaft und Viehhaltung auch die weiterhin praktizierte Jagd auf Wildtiere beobachtet. So kam es zu einer Begegnung mit zwei Personen nahe Ledoy, die einen erschossenen Weißschwanz-Springaffen trugen und berichteten, dass in der Region regel-mäßig Affen gejagt würden. In einem weiteren Gespräch machten die Auto-ren die Jäger und deren Familien auf die Bedeutung von Natur- und Arten-schutz aufmerksam.

DiskussionDer Anden-Springaffe weist am

rechten Ufer des Huallaga-Flusses eine beschränkte Verbreitung auf; nur auf vier von 34 aufgesuchten Flä-chen konnte die Anwesenheit von C. oenanthe festgestellt werden. Für das geringe Vorkommen gibt es mehrere Hypothesen:

a) Der Huallaga ist auf der Strecke zwischen der Picota- und der Mariscal-Cáceres-Provinz durch viele Mäander gekennzeichnet und wechselt häufig

Standort C. oenanthe C. discolorProvinz OrtschaftPicota Winge - 2 (1)

Bellavista

Sector Vainilla 2 (1) -Camino a Incaico - 3 (1)Ledoy 1 (1) -Pacasmayo 3 (1) -

Mariscal Càceres Pajarillo 2 (1) -Chumanza - 2 (1)

Gesamt 8 (4) 7 (3)

Tab. 1: Beobachtungen von Callicebus oenanthe und C. discolor (n Individuen (n Gruppen))

Nahaufnahme eines Anden-Springaffen. Foto: Proyecto Mono Tocón

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seinen Lauf. Möglicherweise wurde in der Vergangenheit eine kleine Gruppe von C. oenanthe durch eine Änderung des Flusslaufes auf der rechten Fluss-seite isoliert.

b) C. oenanthe könnte flussnahe Lebensräume bevorzugen: Alle von dieser Art besiedelten Gebiete liegen nahe am Ufer und die Menschen, die weiter vom rechten Flussufer entfernt leben, gaben an, nur C. discolor zu kennen.

c) Die Anwesenheit des Weiß-schwanz-Springaffen behindert massiv die Ausbreitung des Anden-Springaf-

fen: C. discolor sind auf der gesamten rechten Seite des Huallaga verbreitet und verteidigen ihr Revier durch in-tensives Vokalisieren.

ZusammenfassungCallicebus oenanthe hat auf der

östlichen Seite des Huallaga eine be-grenzte Verbreitung zwischen der Pi-cota- und Mariscal-Cáceres-Provinz.

In der Picota-Provinz wurden kei-ne Individuen von C. oenanthe festge-stellt und der lokalen Bevölkerung ist nur C. discolor bekannt.

Nur 13 % der verzeichneten Voka-lisationen stammten von C. oenanthe, während die restlichen 87 % eindeutig C. discolor zugeordnet wurden.

Abholzung und Jagd stellen die Hauptbedrohungen für C. oenanthe und andere Arten der Region dar.

DankFür die Ermöglichung der Studie

durch finanzielle Unterstützung dan-ken die Autoren dem Mohamed Zayed Species Conservation Fund.

SummaryThe San Martin Titi Monkey Cal-

licebus oenanthe is a primate species endemic to the San Martin Region of Peru. In 2007 studies by Proyecto Mono Tocón indicated a distribution extending from the northern part of the

Karte zum Verbreitungsgebiet des Anden-Spring-affen in Peru. Karte: P. Gerngross

Standort C. oenanthe C. discolorProvinz Ortschaft

Picota

Mishquiyacu 0 1Winge 0 2Camino a Pilluana 0 2Selva Algere 0 3Nueva Esperanza 0 5Shamboyacu 0 2

Bellavista

José Galvez 0 2Sector Pashacaico 0 1Nuevo Tarapoto 0 8Ledoy 2 1Pacasmayo 1 0Sector Ledoy 0 5Sector la Unión 0 5Machingadillo 0 4Camino a Incaico 0 2

Mariscal Càceres

Gran Bretaña 0 2Pajarillo 2 2Capirona 0 3Nuevo Progreso 0 3Aucararca 0 2El Porvenir 0 2Chumanza 0 7

Gesamt 5 64

Tab. 2: Vorkommen und geschätzte Gruppenanzahl von C. oenanthe und C. discolor gemäß Lautaufzeichnungen

region southwards to the Huaybamba River. This Cebid had also been ob-served on the eastern bank of the Huallaga River, where previously only Callicebus discolor was believed to be found. In 2010 and 2011, the present study was conducted to determine the extent of the species’ range on the east-ern bank of the Huallaga River.

Surveys were conducted in the provinces of Picota, Bellavista, and Mariscal Cáceres, where data were collected by direct observation, liste-ning to vocalizations and by interview-ing locals. Four groups of C. oenanthe with a total of eight individuals were observed, and vocalization recordings led to an estimate of five resident groups in the area. Three groups of C. discolor were also observed and ap-proximately 64 groups of that species were heard.

The much smaller population of C. oenanthe on the eastern bank of the Huallaga may be a result of a previous change of course that isolated a few in-dividuals on the „wrong“ side of the ri-ver, where the stronger presence of C. discolor may inhibit further expansion. However, deforestation and hunting are principal threats for C. oenanthe as well as other species on the eastern bank of the Huallaga River.

übersetzt und zusammengefasst von Anja Limpinsel

KontaktJulio C. Tello-Alvarado Proyecto Mono Tocón, Departamento de InvestigaciónMoyobamba - PeruE-Mail:[email protected]

Freilandaufnahme eines Anden-Springaffen.Foto: Proyecto Mono Tocón