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Medikamentös-toxische HepatopathienDr. med. Carl M. OnetaSchaffhauserstrasse 7
8400 Winterthur
Aerztefortbildung im Dezember 2005 in Horgen
Definition „Medikamenten-induzierte Hepatotoxizität“
• Durch Fremdstoffe verursachte funtionelle und strukturelle Veränderungen der Leber:– Alkohol– Medikamente– Anorganische und organische Chemikalien– Schadstoffe in Lebensmitteln
• Imitation nahezu jeder akuten und chronischen Leberkrankheit
Epidemiologie• Inzidenz bei Patienten ausserhalb Spital: 14/100’000 (0.014%)
(Sgro 2002)– V.a. NSAR, Antibiotika, Antiepileptika, Statine, Tuberkulostatika, pflanzl. Subst.
• Inzidenz bei Spitalpatienten einer Medizinischen Klinik(USZ): 1/100 (1.000%) (Meier 2005)
– V.a. Oncologica, Tuberkulostatika, Antibiotika, Heparine
• Circa 10% aller Fälle von Hepatitis bei Erwachsenen sindmedikamentös bedingt
• 75% sind Frauen• ~50% aller akuten Leberversagen in USA (meist Paracetamol,
aber 10% durch idiosynkratische Hepatotoxizität, u.a. durch pflanzliche Produkte)
Leber im Stoffwechsel von Fremdstoffen
• Leber wird häufiger als andere Organe durch Fremdstoffe geschädigt:– Aufgrund von Lokalisation (hohe Konzentra-
tionen im Pfortaderblut)– Aufgrund der metabolischen Funktion
(Biotransformation)
Hepatische Biotransformation
• Ziel: Umwandlung von lipophilen in hydrophile Substanzen, die rasch über die Nieren oder Galle eliminiert werden können
• 2 Reaktionsschritte:– Phase I: Einführung reaktiver Gruppen in das Molekül
(Oxidation durch das Zytochrom P450 Enzymsystem im mikrosomalen System)
– Phase II: Konjugation des Fremdstoffs über eingefügte reaktive Gruppe mit einer im Stoffwechsel bereitgestellten Substanz, z.B. Glukuronsäure (Glukuronidierung)
Klinik• wie bei viraler Hepatitis mit Malaise und
Ikterus• TA↑ (Zytolyse), AP/Bili↑ (Cholestase) oder
Mischbild (cholestatische Hepatitis)• meist keine allergischen Zeichen• ev. akutes Leberversagen nach > 1 Woche• Tod
Art der Reaktionen
1. Toxische Leberschädigung2. Idiosynkratische Leberschädigung
• Immunoallergische Reaktion• Metabolische Abnormiäten
3. Gallengangsschädigung• „vanishing bile duct syndrome“
Kriterien der Unterscheidung von toxischer versus idiosynkratischer Leberschädigung
neinneinnein
sehr selten
jajaja
kommen vor
VorhersehbarDosisabhängigIm Tierexp. reprodu-zierbarAndere Organschäden (z.B. Niere)
Idiosynkratische Leberschädigung
Toxische Leber-schädigung
Kriterum
Gerok & Blum, 1995
Idiosynkratische Medikamenten-Reaktionen und betroffene Zellen
NEJM 2003
Paracetamol-induzierte ToxizitätParacetamol
Mercaptursäure-und Zystein-Konjugate
Tox. Metabolit (NAPQI)
Glucuronide und Sulfat Metaboliten
Glucuronidierung Sulfation
CYP 2E1 CYP1A4
Glutathione Glutathione Defizienz
Zellnekrose
↓ Hohe Paracetamol-Dosis, Fasten
↑ Hohe Paracetamol-Dosis, Fasten, Alkohol oder Isoniazid
↑ Fasten Alkohol
Effekte gesteigerter oder kumulativer Dosen von Medikamenten
NEJM 2003
Mechanismen der Leberschädigung
NEJM 2003
A) Kovalente Bin-dung an intrazell. Proteine ⇒ Ionen-gradiente⇓, ATP ⇓, Zerstörung des Aktin ⇒ Anschwellen und Ruptur der HC
B) Beeinträchtigung der Funktion von Trsp-Proteinen an GG-Membranen (MRP3) ⇒ Cholestase
C/D) Addukt-Bildung mit Enzymen ⇒immunologische Reaktion ⇒ T-Zell-Aktivierung (Neoantigene)
E) Direkte toxische Wirung über Zyto-kine (TNFα) ⇒ Apoptose
F) Schädigung der Mitochondrien ⇒oxidativer Stress ⇒ Verfettung
Histologische Varianten von Medi-kamenten-induzierten Leberschäden
Normale Leber
„vanishing bile duct syndrome“(Bactrim)
Schwere LZ-Nekrose (Paracetamol)
Schwerst geschädigter Gallengang mit Lymph/Eosin
Ballonierte Degeneration der HC (Troglitazone)
Feine Fetteinlagerung in HC (Didanosin)
Frau S.V. 1952
Engel & Oneta, 2005
Mit Hepatotoxizität assoziierte pflanzliche Substanzen
• Atractylis gummifera• Callilepsis laureola• Impila• Camphor• Cascara sagrada• Chaparral• Chines. Kräuter-Kombin.• Greater Celandine• Germander• Green tea (Camelia sinensis)• Isabgol• Jin bu Huan
• Kava• Ma Huang• Margosa oil• Oil of cloves• Pennyroyal oil• Pyrrolizidine alkaloids• Sassafras• Saw palmetto• Shou-wu-pian• Valerian
10 Cases of Severe HepatotoxicityAssociated with Dietary Supplements from
Herbalife® ProductsEngel A.6, Schoepfer A.1, Fattinger K.2, Marbet U.3, Criblez D.4,
Reichen J.5, Oneta CM.6
1Dept. of Gastroenterology, University Hospital of Bern;2Div. of Clinical Pharmacology and Toxicology, University Hosp. of Zürich;
3Dept. of Medicine, Altdorf Medical Center;4Dept. of Gastroenterology, Hospital of Luzern;
5Dept. of Clinical Pharmacology, University of Bern;6Dept. of Medicine, Zimmerberg Medical Center, Horgen, Switzerland.
AGA 2006, Los Angeles, USA
Diagnose• Sorgfältige Medikamenten-Anamnese inkl.
pflanzliche Substanzen, Alternativpräparate• Ausschluss anderer Lebererkrankungen (virale
Hepatitis, Alkoholabusus etc.)• Zeitlicher Zusammenhang• Verlauf nach Absetzen der Substanz• Reexposition
Therapie
• Absetzen der verdächtigten Substanz• Bei schweren allergischen Reaktionen: Steroide (nicht
gesichert)• UDCA bei cholestatischem Leberschaden (nicht gesichert)• Antidote: keine vorhanden ausser N-Acetylcystein bei
Paracetamol-Vergiftung• Lebertransplantation, wenn
– Koagulopathie (INR >1,5)– Encephalopathie
Warum werden schwere Leberschäden erst nach Marktzulassung von Medikamenten bekannt?
• Um 1 Fall mit sign. Leberschädigung zu entdecken (95% CI), muss die Zahl der untersuchten Patienten ~ 3x so hoch sein wie die Inzidenz der Nebenwirkung
• ⇒ bei ~3000 Patienten/Phase-3-Studie und Inzidenz von idiosynkratischen Reaktionen (IR) von < 1:10‘000 exponierten Patienten ⇒ Untersuchung von ~30‘000 Patienten notwendig
• ⇒ viele Studien werden beendet, ohne dass eine IR entdeckt wird
• Rückzug eines Medikamentes nur, wenn vor Vermarktung Leberwerte > 8x ULN oder ev., wenn ein Ikterus beobachtet wird (10% davon entwickeln akutes Leberversagen
Warum werden schwere Leberschäden erst nach Marktzulassung von Medikamenten bekannt?
• Nach Lizenzierung:– Behandlung einer viel grösseren Anzahl von Patienten– Behandlung weniger selektierter Patienten mit häufigen
Begleitkrankheiten und dadurch erhöhtem Risiko für Nebenwirkungen (Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, HIV-Infektion (AIDS), Schwangere, alte Patienten, Kinder)
– Nebenwirkungen sollten gemeldet werden (freiwillig) ⇒ < 10% der NW werden gemeldet!
Take Home Messages• Medikamenten-induzierte Hepatotoxizität ist häufig• monatlich Leberwerte kontrollieren (6 Monate) bei
bekannten hepatotox. Substanzen (z.B. Isoniazid, Diclophenac, Statine)
• Unklare Leberwerterhöhung: subtile Medikamenten-Anamnese inkl. pflanzliche Heilmittel
• Cave, wenn TA > 3x ULN and Bili > 2x ULN• Wenn Ikterus ⇒ 10% (?) akutes Leberversagen ⇒
sofortiges Absetzen
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