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Annette Franzke, Annett Schultz Bedingungen und Formen der Inanspruchnahme präventiver Angebote von Familien mit dreijährigen Kindern Materialien zur Prävention, Werkstattbericht 5 Früh übt sich …

Annette Franzke, Annett Schultz Früh übt sich · a parallel running research project led by the Bertelsmann Stiftung and selected partners from academia. The focus of the research

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Annette Franzke, Annett Schultz

Bedingungen und Formen der Inanspruchnahme präventiver Angebote von Familien mit dreijährigen Kindern

Materialien zur Prävention, Werkstattbericht

5

Früh übt sich …

Im Jahr 2011 haben die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und die Bertelsmann Stiftung das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beu-gen vor“ (KeKiz) ins Leben gerufen. Gemeinsam mit achtzehn Modellkommunen haben sie es sich zum Ziel gemacht, die Rahmenbedingungen für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Das Modellvorhaben wird wissenschaftlich begleitet. Die Bertelsmann Stiftung ver-antwortet die Begleitforschung gemeinsam mit den wissenschaftlichen Partnern. In der vorliegenden Schriftenreihe werden in unregelmäßigen Abständen Einblicke und Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Begleitforschung zur kommunalen Prävention mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Partnern veröffentlicht. Die Reihe „Materialien zur Prävention“ macht dabei auch thematisch zugehörige Er-kenntnisse und Einblicke aus der erweiterten wissenschaftlichen Betrachtung des Modellvorhabens bekannt.

In 2011, the State Government of North Rhine-Westphalia and the Bertelsmann Stiftung launched “Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor” (“Leave No Child Behind! Municipalities in North Rhine-Westphalia providing equal opportunities for all children”). Together with eighteen municipalities taking part in this joint initiative, the partners aim to improve development prospects and provide equal opportunities for every child. The undertaking is being studied in a parallel running research project led by the Bertelsmann Stiftung and selected partners from academia. The focus of the research element is how prevention in general contributes to the successful upbringing of young people from birth to adulthood. The Bertelsmann Stiftung is publishing this scientific series with initial findings and insights into these analyses.

ISSN-Print 2364-0375ISSN-Internet 2364-0383

Früh übt sich … Bedingungen und Formen der Inanspruchnahme präventiver Angebote von Familien mit dreijährigen Kindern

Bibliographische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Annette Franzke, Annett Schultz

Früh übt sich … Bedingungen und Formen der Inanspruchnahme präventiver Angebote von Familien mit dreijährigen Kindern

Schriftenreihe Materialien zur PräventionErscheinungsort GüterslohBand 5 (August 2016)

Die Materialiensammlung wird herausgegeben von:

© Bertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Straße 25633311 GüterslohTelefon 05241 81-81 285www.bertelsmann-stiftung.deDr. Kirsten Witte, Director Programm LebensWerte Kommune, Bertelsmann StiftungKarl Janssen, externer Berater, Kommunalexperte der Bertelsmann Stiftung

VerantwortlichDr. Regina von Görtz, Projektleitung „Kein Kind zurücklassen!“, Bertelsmann Stiftung

Autorinnen Annette Franzke und Annett Schultz, Faktor Familie GmbH

Koordination Bettina Hatecke und Heike Kusch, Bertelsmann StiftungTitelbild Getty Images/Fuse/Tara MooreGestaltung Nicole Meyerholz, BielefeldLektorat Rudolf Jan Gajdacz, team 4media&event, MünchenDruck Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld

ISSN-Print 2364-0375ISSN-Internet 2364-0383

Mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Europäischen Sozialfonds.

Inhalt | Seite 5

Inhalt

Einleitung 11

1 Der Übergang zur Kita – Erste Weichenstellungen für den weiteren Lebensverlauf? 13

1.1 Die Kohorte der Dreijährigen in ihrer Entwicklung 13

1.2 Die Kita als entwicklungsbegleitende Institution 19

2 Inanspruchnahme von Präventionsangeboten – Eine differenziertere Sicht auf Zielgruppen 25

2.1 Familienformen in Risikolagen 25

2.2 Familiale Belastungssituationen 28

2.3 Belastungssituationen in Risikolagen 31

3 Präventionsangebote – Bedingungen und Formen der Inanspruchnahme von Familien mit dreijährigen Kindern 34

3.1 Wie gut sind Familien informiert? 34

3.2 Auf welche Art und Weise informieren sich Familien? 37

3.3 Was sind wichtige Gründe bei der Angebotswahl? 43

3.4 Wen erreichen welche Angebote bzw. wer nimmt was

in Anspruch? 46

3.5 Welche Ursachen lassen sich identifizieren, die eine

Inanspruchnahme strukturieren? 55

Seite 6 | Inhalt

4 Elternkompetenzen – eine Erklärung für eine (Nicht-)Inanspruchnahme?! 62

4.1 Handlungsbezogene Elternkompetenzen als Basis der Rolle

des Inanspruchnehmers 63

4.2 Elternkompetenzen als Produkt familiärer Lebensbedingungen 72

4.3 Elternkompetenzen brauchen Handlungsspielräume zur Entfaltung 78

5 Was beeinflusst die Inanspruchnahme? – Ein Fazit für die Kohorte der Dreijährigen 81

Die Autorinnen 83

Anhang 84

Glossar 88

Literatur und Quellenangaben 99

Inhalt | Seite 7

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungen

Abbildung 1: Frühkindliches Temperament Dreijähriger aus Elternsicht 14

Abbildung 2: Regelmäßigkeit gemeinsamer Aktivitäten mit dem

dreijährigen Kind 15

Abbildung 3: Entwicklungsstand Dreijährige nach adaptivem Verhalten 17

Abbildung 4: Niveau der Gesamtentwicklung der Dreijährigen 18

Abbildung 5: Gründe für die Wahl der Kita 21

Abbildung 6: Zufriedenheit mit der Unterstützung beim Kita-Eintritt 23

Abbildung 7: Belastungsprofile für Familien mit Dreijährigen nach Risikolagen 32

Abbildung 8: Elterngefühl zur Informiertheit von Angeboten

(Eltern Dreijähriger) 35

Abbildung 9: Nutzung und Bewertung der im Rahmen der Begrüßungs-

und Willkommensbesuche überreichten Informationen der

Stadt zu Angeboten (Eltern Dreijähriger) 38

Abbildung 10: Nutzung bzw. Kenntnis von Informationsmöglichkeiten zur

Kindesentwicklung (Eltern Dreijähriger) 40

Abbildung 11: Nutzung bzw. Kenntnis von Informationsmöglichkeiten zur

Kindesentwicklung nach Familiengruppen (Eltern Dreijähriger) 41

Abbildung 12: Wichtige Gründe für die Wahl eines Angebots

(Eltern Dreijähriger) 45

Abbildung 13: Inanspruchnahme medizinischer und informierender

Angebote (Eltern Dreijähriger) 48

Abbildung 14: Inanspruchnahme beratender und begleitender Angebote

(Eltern Dreijähriger) 50

Abbildung 15: Inanspruchnahme von Kurs- und Gruppenangeboten

(Eltern Dreijähriger) 53

Abbildung 16: Mittelwertprofil Kontrollüberzeugung der Eltern Dreijähriger 64

Abbildung 17: Mittelwertprofil elterliche Lebenszufriedenheit

(Eltern Dreijähriger) 67

Abbildung 18: Verteilung Kompetenzgefühl in der Elternrolle

(Eltern Dreijähriger) 70

Seite 8 | Inhalt

Abbildung 19: Spannweite handlungsbezogener Kompetenzen

(Eltern Dreijähriger) 74

Abbildung 20: Wahrnehmung von Stress in Familien mit Dreijährigen 90

Abbildung 21: Soziales Netz von Familien mit Dreijährigen 91

Abbildung 22: Kompetenzgefühl in der Elternrolle in Familien mit

Dreijährigen 94

Abbildung 23: Berechnung des Äquivalenzeinkommens und der

Armutsgefährdungsquote 96

Abbildung 24: Operationalisierung des Migrationshintergrunds des

Familienhaushalts 97

Abbildung 25: Operationalisierung des Bildungsstatus des Familienhaushalts 98

Tabellen

Tabelle 1: Familienformen mit höheren sozialen Risiken 28

Tabelle 2: Familien in Belastungssituationen 30

Tabelle 3: Kumulierte Belastungen von Familien mit Dreijährigen

in Risikolagen 33

Tabelle 4: Risiko einer Nichtinanspruchnahme nach Angeboten

(Eltern Dreijähriger) 57

Tabelle 5: Korrelationen zwischen Kontrollüberzeugung und

Inanspruchnahme von präventiven Angeboten

(Eltern Dreijähriger) 65

Tabelle 6: Korrelationen zwischen Lebenszufriedenheit und Inanspruch-

nahme von präventiven Angeboten (Eltern Dreijähriger) 68

Tabelle 7: Korrelationen zwischen elterlichem Ausgrenzungsgefühl

und Inanspruchnahme von präventiven Angeboten

(Eltern Dreijähriger) 71

Tabelle 8: Risiko einer geminderten handlungsbezogenen Eltern-

kompetenz (Eltern Dreijähriger) 76

Tabelle 9: Alltagssprache in Familien mit Dreijährigen 88

Tabelle 10: Sorgen und Probleme in Familien mit Dreijährigen 92

Tabelle 11: Subjektive Armutsbetroffenheit in Familien mit Dreijährigen 93

Inhalt | Seite 9

Anhang

Tabelle A1: Zusammentreffen von Risikolagen und Belastungssituationen

bei Familien mit Dreijährigen 84

Tabelle A2: Korrelationen zwischen elterlicher Kontrollüberzeugung und

Merkmalen zum Erziehungsverhalten bzw. zur allgemeinen

elterlichen Lebenszufriedenheit (Eltern Dreijähriger) 85

Tabelle A3: Korrelationen zwischen elterlichem Erziehungsverhalten

und der allgemeinen elterlichen Lebenszufriedenheit

(Eltern Dreijähriger) 86

Tabelle A4: Korrelationen zwischen dem elterlichen Kompetenzgefühl

und dem elterlichem Erziehungsverhalten, der allgemeinen

elterlichen Lebenszufriedenheit sowie der elterlichen

Kontrollüberzeugung (Eltern Dreijähriger) 87

Seite 10

Einleitung | Seite 11

Einleitung

Mit der Familienbefragung im Projekt „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW

beugen vor“ (KeKiz) steht eine umfangreiche Datenbasis über 4.409 Kinder und ihre

Familien zur Verfügung, die sich an unterschiedlichen Übergängen und in unter-

schiedlichen institutionellen Kontexten im Lebenslauf befinden und Auskunft über

die Mechanismen und Effekte der Inanspruchnahme präventiver Angebote geben

können. Dieser Werkstattbericht fokussiert die Kohorte der Dreijährigen und nimmt

die Inanspruchnahme und den Effekt von präventiven Angeboten auf Basis die-

ser Familienbefragung für diese Kohorte und den damit verbundenen Bedarfslagen

und Angebotsstrukturen in dieser Lebensphase in den Blick. Vertiefungsthema die-

ses Werkstattberichts ist die Rolle der „Elternkompetenz“ bei der Inanspruchnahme

präventiver Angebote.

Auf Basis der Ergebnisse der Familienbefragung werden dazu in Kapitel 1 zunächst

die Kinder der Kohorte der Dreijährigen in ihrer Entwicklung beschrieben sowie die

Kita als entwicklungsbegleitende Institution für diese Alterskohorte vorgestellt. Be-

reits im ersten Werkstattbericht zur Theorie und Methode der Befragung (vgl. hierzu

Franzke und Schultz 2015) wurde darauf hingewiesen, dass sich die Begleitforschung

in ihren Analysen zur Nutzung präventiver Angebote nicht nur auf die verbreiteten

sozioökonomisch definierten Zielgruppen präventiver Arbeit beschränken möchte. In

Kapitel 2 wird deswegen eine differenzierte Sicht auf Zielgruppen kommunaler Prä-

vention eingeführt. Die Inanspruchnahme präventiver Angebote für die Kohorte der

Dreijährigen wird dann anhand der zuvor definierten Zielgruppen in Kapitel 3 analy-

siert. Im Fokus stehen dabei besonders die Bedingungen und Formen, unter denen

Präventionsangebote vor Ort von unterschiedlichen Familien mit Kindern in dieser

Alterskohorte in Anspruch genommen werden. Elternkompetenzen sind dabei so-

wohl im Entscheidungsprozess der Eltern zur Inanspruchnahme einer Maßnahme

oder eines Angebots als auch bei der Umsetzung im Familienalltag und in ihrer Er-

ziehungsaufgabe ein entscheidender Faktor. „Elternkompetenzen“ als eine Erklä-

rung für eine (Nicht-)Inanspruchnahme werden deswegen in Kapitel 4 analysiert. Ka-

pitel 5 dieses Werkstattberichts fasst abschließend für die Kohorte der Dreijährigen

alle identifizierten Einflüsse, die für die Nutzung von Präventionsangeboten bedeut-

sam sind, zusammen.

Seite 12 | Einleitung

Konzept, Theorie und Methode der Familienbefragung, darunter auch die ausführli-

che Beschreibung und Erläuterung des gewählten Untersuchungsdesigns, der Vorge-

hensweise und des Befragungsverlaufs sowie der genutzten Skalen finden sich im ers-

ten Werkstattbericht „Präventionsangebote – Was beeinflusst die Inanspruchnahme?

Theorie und Methode der Familienbefragung ,Kein Kind zurücklassen!‘“ (vgl. hierzu

Franzke und Schultz 2015).

Der Übergang zur Kita | Seite 13

1 Der Übergang zur Kita – Erste Weichenstellungen für den weiteren Lebensverlauf?

Jede Phase der kindlichen Entwicklung wird von unterschiedlichen Anforderungen,

Bedürfnissen und Erlebnissen sowie Akteuren begleitet. Eine besondere Herausforde-

rung stellen dabei die biographisch und institutionell geprägten Übergänge von einer

Lebensphase zur anderen dar und die damit verbundenen Entscheidungen und Erfah-

rungen. Schon früh stellen diese Übergänge einerseits wichtige Weichen für den wei-

teren Lebensverlauf sowie die künftigen Teilhabechancen eines Kindes. Andrerseits

unterliegen diese wichtigen Phasen auch vielfältigen Einflüssen, die im Entwicklungs-

prozess des Kindes sowohl als Schutz- als auch Risikofaktoren wirksam werden können.

Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über die 1.479 Kinder der Kohorte

der Dreijährigen und ihre Entwicklung gegeben sowie die Rolle der Kita als entwick-

lungsbegleitende Institution für diese Alterskohorte vorgestellt.

1.1 Die Kohorte der Dreijährigen in ihrer Entwicklung

Mit Eintritt in das Kita-Alter beginnt für alle Kinder sowohl eine entscheidende Phase

ihrer Entwicklung als auch in ihrer Bildungsbiographie. Über welche Fähigkeiten

und Voraussetzungen sie in diesem Alter und ggf. beim Eintritt in die Kita verfügen,

hängt dabei stark von ihrer bis dahin erlebten primären Sozialisation im Elternhaus ab

(Becker 2010; Strohmeier et al. 2014). Von entscheidender Bedeutung sind dabei die

Bedingungen, unter denen die Kinder in den Familien aufwachsen, sowie die dafür

relevanten Ressourcen, die den Familien zur Verfügung stehen. Sie bilden den Ent-

wicklungskontext der Kinder in dieser Lebensphase und rahmen den Aktions- und

Handlungsraum von Familien.

Frühkindliches Temperament

Von ihren Eltern werden die meisten Kinder als fröhlich und zufrieden beschrieben

(68 Prozent; vgl. Abbildung 1). Neben einer vorwiegend positiven Stimmungslage

Seite 14 | Der Übergang zur Kita

zeigen die meisten Kinder zudem ein positives und offenes Herangehen an neue

Reize (80 Prozent) sowie ein ausgeprägtes positives kommunikatives Verhalten und

suchen den Kontakt (81 Prozent).

Abbildung 1: Frühkindliches Temperament Dreijähriger aus Elternsicht

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Darüber hinaus weisen die meisten dreijährigen Kinder nach Angaben der Eltern eine

relativ niedrige emotionale Reaktivität auf, d. h. sie reagieren auf äußere Reize und

Frustrationen grundsätzlich für das Alter angemessen (54 Prozent) und sind zumeist

leicht zu beruhigen (80 Prozent). Neben diesen weniger intensiven emotionalen Reak-

tionen, zeigen die meisten Kinder jedoch ein ausgeprägtes prosoziales Verhalten und

Soziabilität im Umgang mit anderen (60 Prozent). Deutlich weniger Kinder werden

von ihren Eltern als eher zurückhaltend oder ängstlich beschrieben, bspw. durch eine

zurückhaltende Neugier (20 Prozent) oder ein weniger ausgeprägtes Mitteilungsbe-

dürfnis (18 Prozent). Noch weniger Kinder kennzeichnen sich durch eher schwierige

Temperamentseigenschaften, wie eine sehr niedrige Reizschwelle und Selbstregula-

tion aus (4 Prozent) oder eine intensive negative Emotionalität (2 Prozent).

ist gesprächig, redet gerne

ist neugierig und aktiv

ist meist fröhlich und zufrieden

zeigt Mitgefühl, wenn andere traurig sind

ist leicht erregbar und weint häufig

ist schwer zu trösten

Mein Kind …

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

trifft voll zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft gar nicht zu

81 13 5

80 17 2 1

68 27 5

60 28 11 1

4 9 34 41 13

2 5 13 38 42

Der Übergang zur Kita | Seite 15

Entwicklungsrelevante Aktivitäten

Entwicklungsrelevante Aktivitäten, wie eine Geschichte erzählt oder vorgelesen be-

kommen (69 Prozent), gemeinsam Bilderbücher anschauen (59 Prozent) oder das ge-

meinsame Spiel mit den Eltern (53 Prozent), erleben die meisten Kinder fast täglich

(vgl. Abbildung 2). Auch gemalt, gebastelt oder gehandwerkt wird mehrmals unter

der Woche (47 Prozent). Ein wichtiges tägliches Ritual ist bei vielen Kindern das ge-

meinsame Essen mit der gesamten Familie (78 Prozent). Aktivitäten außerhalb des

Haushalts werden zwar häufig nicht täglich, jedoch noch mehrmals die Woche aus-

geführt, wohingegen außerhäusliche Besuche mit dem Kind seltener erfolgen. Ein-

gang in die gemeinsamen Aktivitäten von Kindern und Eltern findet in dieser Le-

bensphase auch der Medienkonsum: Jedes vierte Kind verbringt täglich Zeit vor dem

Fernseher und nahezu jedes zweite Kind zumindest mehrmals die Woche.

Abbildung 2: Regelmäßigkeit gemeinsamer Aktivitäten mit dem dreijährigen Kind

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

Mit der gesamten Familie gemeinsam essen

Geschichten vorlesen oder erzählen

Bilderbücher anschauen

Mit dem Kind gemeinsam spielen

Spaziergänge an der frischen Luft

Zusammen Fernsehen/Video/DVD ansehen

(Vor-)Singen von Kinderliedern

Malen, Basteln, Handwerken

Besuch bei den Großeltern

Zum Spielplatz gehen

Mit dem Kind einkaufen gehen

Besuch bei anderen Familien mit Kindern

Ausflüge oder kulturelle Aktivitäten

täglich mehrmals die Woche einmal die Woche oder seltener leider gar nicht

78 17 5 1

69 22 8 1

59 31 9 1

53 40 7

41 48 10 1

25 43 27 5

25 45 26 4

13 47 38 2

12 35 47 6

10 48 40 2

10 55 35 1

3 41 54 3

1 20 75 3

Seite 16 | Der Übergang zur Kita

Die volle bzw. ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern haben die meisten Kinder nach

Elternauskunft mehrmals täglich (60 Prozent) oder zumindest täglich (37 Prozent). Bei

drei Prozent aller Kinder ist dies seltener der Fall.

Adaptives Verhalten

Das „adaptive Verhalten“ eines Kindes spiegelt sich in seinen Verhaltensweisen und

Fertigkeiten bei der Bewältigung von alltäglichen Lebenssituationen wider (Schmiade,

Spieß und Tietze 2014). Es sind Verhaltensweisen und Fertigkeiten, welche ein Kind

im Prozess der Anpassung an seine Umwelt erlernt. Diese ermöglichen dem Kind,

sich persönlich und sozial optimal in der Gesellschaft zurechtzufinden und sich zu in-

tegrieren. Zu diesen Anpassungs- und Entwicklungsleistungen gehören altersange-

messene Fähigkeiten im sprachlichen, motorischen und sozialen Bereich sowie all-

gemeine Alltagsfertigkeiten (Sparrow, Balla und Cicchetti 1984). Abbildung 3 zeigt,

dass viele der abgefragten Fertigkeiten nach Aussagen der Eltern von den meisten

Kindern beherrscht werden. Im Schnitt sind die Werte für den motorischen und sozi-

alen Bereich dabei etwas höher und ihre Spannweite etwas größer als in den Berei-

chen Sprechen und Alltagsfertigkeiten.

Der Übergang zur Kita | Seite 17

Abbildung 3: Entwicklungsstand Dreijährige nach adaptivem Verhalten

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

folgt Anweisungen, die es fünf Minuten zuvor gehört hat

nennt seinen Vor- und Nachnamen, wenn es gefragt wird

spricht in ganzen Sätzen (mit vier oder mehr Wörtern)

hört einer Geschichte 15 Min. oder länger aufmerksam zu

überbringt einfache Nachrichten, bspw. „Essen ist fertig“

isst selbstständig mit dem Löffel, ohne zu kleckern

putzt sich selbst die Nase

benutzt für „großes Geschäft“ die Toilette

zieht sich Hosen und Unterhosen selbst richtig herum an

putzt sich selbst die Zähne

läuft Treppen vorwärts hinunter

hält Stift richtig (nicht mit der Faust), um zu malen

klettert auf Klettergerüste und andere hohe Spielgeräte

schneidet mit einer Schere Papier durch

malt auf Papier erkennbare Formen

wechselt sich mit anderen beim Spielen ab, ohne darum gebeten zu werden

nimmt an Spielen mit anderen Kindern teil

beschäftigt sich mit Rollenspielen („tun als ob“)

zeigt eine Vorliebe für bestimmte Spiel-gefährten oder Freunde

benennt eigene Gefühle, z. B. „traurig“, „freudig“, „ängstlich“

ja teilweise noch nicht

Sozi

ale

Bezi

ehun

gen

Bew

egun

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sfer

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eite

nSp

rech

en

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

Mein Kind …

61 38 2

89 8 3

95 3 2

74 22 4

96 31

86 13 1

70 25 5

94 3 4

84 14 2

74 23 3

98 11

83 14 3

91 8 1

93 6 1

75 21 4

61 37 2

92 7

91 7 3

93 6 1

93 6 1

Seite 18 | Der Übergang zur Kita

Die Erhebung des adaptiven Verhaltens und seiner Bereiche basiert auf der deutschen

Adaption der „Vineland Adaptive Behavior Scale“ und erlaubt altersäquivalente Aus-

sagen zur individuellen Entwicklung eines Kindes (Schmiade, Spieß und Tietze 2014).

Da adaptives Verhalten zum Großteil entwicklungsbedingt ist, ist anzunehmen, dass

gleichaltrige Kinder ein vergleichbares bzw. ähnliches adaptives Verhalten aufweisen.

Welcher Entwicklungsstand für diese Alterskohorte charakteristisch ist, wird dem-

nach durch die gesamte Kohorte bestimmt und das individuelle Kind an ihr gemes-

sen. Um einen Gesamtwert für die Entwicklung der Dreijährigen zu erhalten, wurden

die Ergebnisse der 20 Einzelitems für jedes Kind ungewichtet addiert und als Punkt

in einem Streudiagramm dargestellt (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Niveau der Gesamtentwicklung der Dreijährigen

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Kohorte der Dreijährigen nach Fällen

Mitte l­wert

0

10

20

30

40

Skal

enw

ert

Ges

amte

ntw

ickl

ung

Der Übergang zur Kita | Seite 19

Die Gesamtentwicklung der Dreijährigen betrachtet, zeigt Abbildung 4, dass der

Großteil der Kinder das Entwicklungsniveau aufweist, das bei Kindern dieses Al-

ters erwartet werden kann ( 37 Punkte). Im Schnitt weichen die Kinder bis zu vier

Punkte vom Mittelwert ab, was auf eine insgesamt kleine Streuung hinweist. Etwa

neun Prozent der Kinder weichen aber auch mehr als vier Punkte von der geballten

Punktwolke in Abbildung 4 nach unten ab und weisen damit auf Verzögerungen in

ihrer Entwicklung hin (unter 33 Punkte). Die große Streuung in diesem unteren Wer-

tebereich zeigt jedoch auch, dass diese Verzögerungen von sehr unterschiedlichem

Ausmaß sind.

Zudem ist bekannt, dass einige Besonderheiten, bspw. eine Behinderung oder chro-

nische Erkrankung des Kindes, direkt Einfluss auf seine Entwicklung haben können.

Insgesamt weisen vier Prozent der Kinder eine Behinderung oder schwere chroni-

sche Erkrankung auf und bei 38 Prozent traten bei der Geburt Besonderheiten, wie

bspw. eine Risikoschwangerschaft, eine Früh- oder Mehrlingsgeburt, auf. Während

vor allem bei Kindern mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen ein höchst

signifikant niedrigeres Entwicklungsniveau ( 30 Punkte) festzustellen ist, sind Kin-

der mit Geburtsbesonderheiten im Allgemeinen kaum in ihrer Entwicklung benach-

teiligt ( 36 Punkte). Leichte signifikante Abweichungen zeigen sich für Kinder, die

zu früh geboren sind ( 34 Punkte).

1.2 Die Kita als entwicklungsbegleitende Institution

Eine bedeutende Institution, welche die Entwicklung von Kindern positiv beeinflus-

sen und nachhaltig fördern kann, ist in diesem Alter vor allem die Kita (Strohmeier et

al. 2014; Groos und Jehles 2015). Nahezu alle dreijährigen Kinder in der Stichprobe

besuchen zum Zeitpunkt der Befragung eine Kita (99 Prozent). Lediglich ein Prozent

der Kinder wird von einer Tagepflegeperson betreut oder besucht derzeit gar keine

Einrichtung.

Die meisten Kinder (52 Prozent) wurden dabei schon als unter Dreijährige betreut.

Seit ihrem dritten Lebensjahr gehen weitere 43 Prozent der Kinder in die Kita. Dar-

unter wird fast jedes zweite dreijährige Kind 35 Stunden pro Woche betreut (45 Pro-

Seite 20 | Der Übergang zur Kita

zent). Insgesamt 39 Prozent der Kinder aber auch 45 Stunden; vor allem wenn es sich

um eine Ein-Eltern-Familie handelt (63 Prozent). Deutlich weniger Kinder sind ledig-

lich 25 Stunden pro Woche (15 Prozent) in Betreuung. Zumeist ist die besuchte Ein-

richtung dabei entweder in städtischer (32 Prozent) oder kirchlicher (45 Prozent) Trä-

gerschaft. Acht Prozent der Kinder besuchen jedoch auch eine Einrichtung, die durch

eine Elterninitiative gegründet worden ist, und sieben Prozent eine Einrichtung, deren

Träger ein Wohlfahrtsverband ist.

Gründe für die Wahl der Kita

Im Vorfeld haben sich die meisten Eltern (96 Prozent) gut über die Einrichtung, die

ihr Kind besucht, informiert. Häufig erfolgte dies im direkten Kontakt mit der Einrich-

tung, d. h. durch einen Besuch vor Ort (84 Prozent) und ein persönliches Gespräch mit

den Erziehern (53 Prozent). Jedes zweite Elternpaar hat aber auch den Austausch mit

anderen Eltern gesucht. Insgesamt 66 Prozent der Familien geben an, dass die Erfah-

rungen anderer Eltern ein Grund für ihre Einrichtungswahl waren (vgl. Abbildung 5).

Etwa jede fünfte Familie hat sich aber auch über das Internet (23 Prozent) oder eine

klassische Infobroschüre (25 Prozent) über die Einrichtung informiert.

Der Übergang zur Kita | Seite 21

Abbildung 5: Gründe für die Wahl der Kita

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Die meisten Kinder besuchen eine Einrichtung in städtischer oder kirchlicher Träger-

schaft. Die Trägerschaft spielt für die Eltern bei der Wahl einer Einrichtung allerdings

eine vergleichsweise geringe Rolle. Deutlich wichtiger ist ihnen die gute Erreichbarkeit

der Einrichtung (71 Prozent). Dass die Einrichtung in Wohnungsnähe liegt, ist dabei

vor allem Familien mit niedrigem soziökonomischem Status wichtig, wie bspw. Fami-

lien, in denen keiner der Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgeht (82 Prozent). Es ist

bekannt, dass ihre Aktivitäts- und Mobilitätsmöglichkeiten aufgrund ihrer Lebenssi-

tuation häufig besonders eingeschränkt sind. Jede dritte Familie gibt jedoch auch an,

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

Sie liegt in der Nähe unserer Wohnung

Sie hat einen guten Ruf (gute Erfahrung anderer Eltern)

Die Kinder und Eltern in der Kita passen zu uns

Gute Erfahrungen gemacht (Geschwisterkind in Kita)

Es gibt ein besonderes pädagogisches Konzept

Wir haben nur hier einen Platz bekommen

Integrative Kita (auch behinderte Kinder werden dort betreut)

Die Trägerschaft der Kita

Die Öffnungszeiten sind flexibel

Hier gibt es auch Spät-/Randzeitbetreuung

Die Arbeitsstelle liegt in der Nähe

In unserem Wohngebiet gab es keine passende Kita

ja teils/teils nein

71 15 14

66 24 10

40 41 19

37 6 58

35 25 40

34 9 57

31 12 58

27 19 54

26 25 49

18 10 73

14 9 77

9 8 84

Seite 22 | Der Übergang zur Kita

keine andere Wahl gehabt zu haben; sie haben nur in dieser Einrichtung einen Platz

bekommen. Auf die generelle Verfügbarkeit bzw. Erreichbarkeit von Einrichtungen

im eigenen Wohngebiet lässt sich dies dabei nicht direkt zurückzuführen; insgesamt

84 Prozent der Familien geben an, dass ein Mangel an passenden Kitas im Wohnge-

biet kein Grund für die Einrichtungswahl war (vgl. Abbildung 5).

45 Prozent der Kinder besuchen eine Einrichtung, die auch ein Familienzentrum ist

und neben der klassischen Kinderbetreuung auch Beratungs- und Unterstützungs-

angebote für Familien vor Ort anbietet. Etwa jeweils ein Drittel der Familien hat die

zusätzlichen Beratungs- und Unterstützungsangebote in ihrer Kita bzw. in ihrem Fa-

milienzentrum noch nie genutzt (30 Prozent) oder nutzt diese kaum (33 Prozent). Le-

diglich 37 Prozent der Familien, deren Kinder eine Einrichtung besuchen, die auch ein

Familienzentrum ist, nutzen diese Angebote häufiger.

Der generelle Kontakt der Eltern zur Kita ist im Allgemeinen sehr gut. Viele Eltern su-

chen regelmäßig das Gespräch mit den Erziehern (87 Prozent) und nehmen regelmä-

ßig an Elternabenden (78 Prozent) oder Sprechtagen (70 Prozent) teil. 26 Prozent der

Eltern geben an sich aktiv in der Einrichtung zu engagieren.

Zufriedenheit mit der Unterstützung beim Kita-Eintritt

Insgesamt ist die Mehrheit der Familien mit ihrer Wahl bzw. mit der Einrichtung, die

ihr Kind besucht, zufrieden (84 Prozent). Mehr als die Hälfte der Eltern ist sogar sehr

zufrieden (54 Prozent). Auch beim Eintritt in die Kita fühlten sich die meisten Eltern

von den Erziehern eher gut begleitet und waren mit der Unterstützung während des

Übergangs zufrieden (89 Prozent; vgl. Abbildung 6). Dabei ist ein reibungsloser Über-

gang von immenser Wichtigkeit (LVGAFS o. J.): Übergänge von einem alters- und ent-

wicklungsbezogenen Handlungsfeld ins nächste bedeuten erhöhte Anpassungsleis-

tungen der Kinder, stellen aber auch besondere Anforderungen an die Eltern. Werden

Übergänge erfolgreich bewältigt, gehen sowohl Kinder als auch ihre Eltern gestärkt

daraus hervor. Neben wichtigen persönlichen Erfahrungen für Eltern und Kind, wie

dem Vertrauen in das eigene Handeln und sein Bewirken, hat ein positiv oder nega-

tiv erlebter institutioneller Übergang auch Konsequenzen für das Vertrauen in das

Hilfesystem und seine Institutionen im Allgemeinen.

Der Übergang zur Kita | Seite 23

Abbildung 6: Zufriedenheit mit der Unterstützung beim Kita-Eintritt

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Mehr als jede zweite Familie wurde beim Übergang vom behandelnden Kinderarzt

begleitet und war mit dessen Unterstützung zufrieden (78 Prozent). Etwas weniger

Familien waren mit der Unterstützung durch den Arbeitgeber zufrieden (66 Prozent).

Vergleichsweise deutlich seltener wurden Familien durch das Jugendamt (36 Prozent)

oder andere Verwaltungsstellen (18 Prozent) beim Übergang begleitet. Auch die

Hier habe ich Unterstützung gesucht/gefunden …

Erzieher der Kita

Andere Eltern

Mein Kinderarzt

Mein Arbeitgeber

Jugendamt

Andere Verwaltungsstellen

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

ja betrifft mich nicht

… und so zufrieden war ich mit der Unterstützung.

Erzieher der Kita

Andere Eltern

Mein Kinderarzt

Mein Arbeitgeber

Jugendamt

Andere Verwaltungsstellen

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

sehr zufrieden eher zufrieden teils/teils eher unzufrieden sehr unzufrieden

99 1

73 27

57 43

41 59

36 64

18 82

66 23 9 21

25 40 30 4 1

47 31 17 3 2

38 28 19 9 6

22 29 21 17 11

17 30 34 8 11

Seite 24 | Der Übergang zur Kita

Zufriedenheit mit der geleisteten Unterstützung bewerten diese wenigen Familien

vergleichsweise schlechter: Insgesamt 49 Prozent geben an, nicht zufrieden mit der

Unterstützung des Jugendamts gewesen zu sein, und 53 Prozent waren nicht zufrie-

den mit der Unterstützung durch andere Verwaltungsstellen, die sie beim Übergang

begleitet haben. Auch als Informationsquelle für die Wahl einer Einrichtung wurde

das Jugendamt vergleichsweise wenig genutzt (36 Prozent).

Auffällig ist, dass Familien beim Übergang häufiger die Unterstützung durch andere

Familien bzw. Eltern hatten (73 Prozent), die Qualität dieser Unterstützung aber ver-

gleichsweise geringer bewertet wird. Lediglich jede vierte Familie war sehr zufrie-

den mit der Unterstützung durch andere Eltern. Familien schätzen also insgesamt

die professionelle Begleitung durch die Fachkräfte aus den Institutionen Kita und

Gesundheitswesen beim Übergang und sind mit dieser in der Tendenz auch zufrie-

den. Zufriedenstellender könnte in der subjektiven Wahrnehmung hingegen die Un-

terstützung durch den Arbeitgeber sowie vor allem die kommunalen Ämter und Ver-

waltungsstellen sein.

Inanspruchnahme von Präventionsangeboten | Seite 25

2 Inanspruchnahme von Präventionsangeboten – Eine differenziertere Sicht auf Zielgruppen

Bereits im ersten Werkstattbericht zur Theorie und Methode der Befragung wurde

darauf hingewiesen, dass sich die Begleitforschung in ihren Analysen zur Inanspruch-

nahme präventiver Angebote nicht nur auf die verbreiteten sozioökonomisch defi-

nierten Zielgruppen präventiver Arbeit beschränken möchte (vgl. hierzu Franzke und

Schultz 2015). Vor dem Hintergrund der umfassend erhobenen Informationen über

die Familiensituationen in der Familienbefragung ist es möglich, eine erweiterte und

zugleich differenziertere Sicht auf die Familien, ihre Problemlagen sowie ihre Unter-

stützungsbedarfe zu erhalten. Ziel ist eine deutliche Konkretisierung der Zielgruppen

kommunaler Präventionsarbeit, als dies bisher über rein sozioökonomische Zuschrei-

bungen möglich ist. Im Verlauf der Auswertungen hat sich dahingehend eine Unter-

scheidung zwischen „Familienformen in Risikolagen“ sowie „Familien in Belastungs-

situationen“ analytisch als besonders ergiebig erwiesen. Im Folgenden wird daher

kurz skizziert, warum diese Unterscheidung im Rahmen der Begleitforschung wich-

tig ist und welche Familienformen und Belastungssituationen im Einzelnen genauer

betrachtet werden.1

2.1 Familienformen in Risikolagen

Mit dem Ziel einer vorausschauenden Problemvermeidung richten sich kommunale

Präventionsangebote vornehmlich an alle Kinder und ihre Familien in einer Kom-

mune. Darüber hinaus gibt es aber auch familiale Lebenslagen bzw. Familienformen,

die mit höheren sozialen Risiken sowie Benachteiligungen einhergehen, bspw. einem

höheren Armutsrisiko oder einer geringeren Teilhabe im Bildungs- oder kulturellem

Bereich. Diese Lebenslagen indizieren daher unter Umständen einen erhöhten Un-

terstützungsbedarf, um ein gelingendes Aufwachsen für die Kinder und Jugendli-

chen in diesen Lebenslagen zu ermöglichen. Die Ergebnisse des Familienberichts des

1 Obgleich in diesem Werkstattbericht ausschließlich dreijährige Kinder und deren Eltern im Mittelpunkt ste-hen, wird diese Unterscheidung auch in den noch folgenden Werkstattberichten über die Alterskohorte der Sechsjährigen und der Elfjährigen sowie im Abschlussbericht der Begleitforschung wieder aufgegrif-fen, um Kohortenvergleiche zu ermöglichen.

Seite 26 | Inanspruchnahme von Präventionsangeboten

Landes Nordrhein-Westfalen belegen diese bundesweit gültigen empirischen Tatsa-

chen erneut mit aktuellen Daten auch für Familien in den Städten und Gemeinden

in Nordrhein-Westfalen (MFKJKS 2015). Viele präventive Angebote in den Kommu-

nen sind deshalb einerseits offen für alle Kinder und Familien, adressieren jedoch an-

dererseits explizit Familienformen mit höheren sozialen Risiken, wie Alleinerziehende,

Mehrkindfamilien, Familien mit Migrationshintergrund oder niedrigem sozioökono-

mischem Status, für die ein erhöhter Bedarf an Unterstützung antizipiert wird. Gleich-

wohl die Bestimmung und Analyse von Zielgruppen und ihren Bedarfen auf Basis von

sozioökonomischen und soziodemographischen Merkmalen üblich ist, ist dieses Vor-

gehen nicht unumstritten. Kritisiert wird besonders, dass anhand dieser Kategorisie-

rung gleich ganze Bevölkerungsgruppen als defizitär beschrieben werden und damit

die Gefahr einer Stigmatisierung besteht. Die Lebenswirklichkeit vieler dieser Fami-

lien zeigt hingegen, dass auch sie in der Mehrzahl recht gut mit den Herausforde-

rungen des Familienlebens sowie der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder zurecht-

kommen. Das Aufwachsen in einer alleinerziehenden Familie oder einer Familie mit

Migrationshintergrund kann daher ähnlich problemlos verlaufen wie in einer Zwei-El-

tern-Familie ohne Migrationshintergrund. Demgegenüber können Probleme und Be-

lastungen oder schwierige Lebenssituationen alle Familien betreffen und müssen von

diesen bewältigt werden, bspw. kritische Lebensereignisse (Arbeitslosigkeit, Krank-

heit, Tod von Familienangehörigen o. Ä.).

Darüber hinaus sind die genannten Familiengruppen in sich sehr heterogen und auch

deshalb als Zielgruppe präventiver Angebote häufig zu unspezifisch. Für Alleinerzie-

hende bspw. wurde schon mehrfach und umfassend empirisch nachgewiesen, dass

sich ihre Lebenssituation nicht nur hinsichtlich der Problemlagen, sondern auch hinsicht-

lich ihrer Ressourcensituation sehr heterogen gestaltet (vgl. u. a. Engelbert und Gaffron

2014; BMFSFJ 2011). So weisen Engelbert und Gaffron (2014: 70) darauf hin, dass Al-

leinerziehende „fraglos vor besonderen Herausforderungen (stehen), jedoch ist keines-

wegs von einem ‚Automatismus‘ auszugehen. […] denn Alleinerziehende bilden keine

homogene Gruppe und sind keineswegs immer unterstützungsbedürftig“. Ähnliches

lässt sich für die anderen hier betrachteten „Familienformen in Risikolagen“ sagen.

Dennoch findet sich für diese Familienformen häufiger eine Kumulation von schwieri-

gen Lebenslagen, die daher auch häufiger in massive familiale Problemlagen und Kri-

Inanspruchnahme von Präventionsangeboten | Seite 27

sensituationen führen können. Der Begriff „Familienformen in Risikolagen“ für diese

„klassischen“ Zielgruppen der präventiven Arbeit soll daher in Abgrenzung bspw.

zum Begriff „Problemfamilien“ darauf verweisen, dass nicht alle Familien dieser Fa-

milienformen massive Probleme haben und unterstützungsbedürftig sind und dass

mit der Familienform nicht automatisch eine Bedürftigkeit einhergeht. Die Familien-

form an sich ist demnach nicht der Problemauslöser, vielmehr ist die Wahrscheinlich-

keit bzw. das Risiko für die Kumulation von schwierigen Lebenslagen für diese Fami-

lienformen höher als für andere Familienformen (bspw. Paarfamilien oder Familien

mit höher qualifizierten Eltern). Das gilt besonders dann, wenn eine in mehrfacher

Hinsicht eingeschränkte Ressourcensituation, etwa durch geringe Bildungsressourcen

und Einkommensarmut, zusammentreffen.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die hier betrachteten

Familienformen aufgrund ihres strukturellen Hintergrunds in der Regel nicht kurzfris-

tig ändern, sondern entweder während des gesamten Lebensverlaufs der Eltern und

damit während der gesamten Phase des Aufwachsens der Kinder gleich bleiben (Fa-

milien mit Migrationshintergrund, häufig auch gering qualifizierte Eltern) oder sich

zumindest über einen längeren Zeitraum nicht ändern (Alleinerziehende). Die Famili-

enform alleine ist demnach auch deshalb keine hinreichende Zielgruppendefinition,

da sie durch präventive Intervention und besonders durch kommunale Prävention in

der Regel nicht beeinflussbar ist. Es muss nicht extra hervorgehoben werden, dass

dies auch nicht das Ziel präventiver Arbeit in den Kommunen bzw. staatlicher Inter-

vention ist.

Die in diesem Werkstattbericht betrachteten „Familienformen in Risikolagen“ bezie-

hen sich auf eingeführte Definitionen und Operationalisierungen der empirischen So-

zialforschung, die auch in der deutschen Reichtums- und Armutsberichterstattung

zur Anwendung kommen.2 Unter den betrachteten dreijährigen Kindern wachsen

54 Prozent in mindestens einer der genannten Risikolagen auf und sind damit impli-

zit Ziel kommunaler Präventionsangebote (vgl. Tabelle 1). Die Anteile der Familien in

Risikolagen unterscheiden sich für Eltern mit dreijährigen Kindern dabei nur unwe-

sentlich von den Familien in der Befragung insgesamt.

2 Die genauen Definitionen und Operationalisierungen finden sich im Glossar.

Seite 28 | Inanspruchnahme von Präventionsangeboten

Tabelle 1: Familienformen mit höheren sozialen RisikenFamilien mit Dreijährigen insgesamt

Familien in der Befragung insgesamt

Angaben in Prozent Angaben in Prozent

Risikolagen

Alleinerziehend 10 12

Einkommensarme Familie 28 29

Familie mit Migrationshintergrund 29 29

Mehrkindfamilie 19 24

Niedrig qualifizierte Familie 15 14

Anteil der Familien in mind. einer Risikolage

54 59

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

„Familienformen in Risikolagen“ beschreiben insofern familiale Rahmenbedingun-

gen sowohl für die Entwicklung der Kinder als auch für die selektive Inanspruch-

nahme von Präventionsangeboten, die insbesondere auf der kommunalen Ebene

nur bedingt direkt zu beeinflussen sind, aber dennoch wirkungsstarke Einflussfak-

toren darstellen können. Sie sind deshalb in den nachfolgenden empirischen Analy-

sen weiterhin eingeschlossen, da sie bei der Ausgestaltung der Angebote als Kon-

texte zu berücksichtigen sind.

2.2 Familiale Belastungssituationen

Um zu einem erweiterten Verständnis von Selektionsmechanismen bei der Inanspruch-

nahme präventiver Angebote zu gelangen, wird bei den folgenden Darstellungen der

analytische Blick erweitert. Die einschlägige Forschung zu diesen Themenbereichen ver-

weist auf eine ganze Reihe von belastenden Lebenssituationen und Schwierigkeiten für

Familien, die relativ unabhängig von der Familienform eine Herausforderung für die Fa-

milien darstellen und sich darüber hinaus auch nachteilig auf das Aufwachsen und die

Entwicklung der Kinder auswirken können (Franzke und Schultz 2015: 40 ff.). Solche Be-

lastungen sind etwa dauerhafte (Geld-)Sorgen, familiäre Probleme und Stress, fehlende

Inanspruchnahme von Präventionsangeboten | Seite 29

Unterstützungsnetzwerke sowie Unsicherheiten im Elterngefühl. Einschneidende famili-

äre Erfahrungen dieser Art „belasten Eltern wie Kinder und können sich auf unterschied-

lichste Weise in Beeinträchtigungen der seelischen und körperlichen Gesundheit nie-

derschlagen“ (Walper 2006: 85). Aber auch eine Familiensprache, die nicht die Sprache

der Mehrheitsgesellschaft ist, kann im Familienalltag erhebliche Probleme aufwerfen.

Die Rede ist daher im Folgenden von „Familien in Belastungssituationen“. Diese sind

durch besondere lebensweltliche Belastungen oder Lebenssituationen gekennzeichnet,

die nachweislich sozial selektiv wirksam werden können. In der Regel werden diese Le-

benssituationen durch die Eltern auch als Belastungen subjektiv wahrgenommen. Im

Unterschied zu „Familienformen in Risikolagen“, für die auf eingeführte Definitionen

und Operationalisierungen der empirischen Sozialforschung zurückgegriffen wird, wer-

den „familiale Belastungssituationen“ auf Basis der Familienbefragung neu definiert.

Unabhängig von ihrer objektiven Einkommenssituation wurden bspw. alle Eltern gebe-

ten, für unterschiedliche Bereiche anzugeben, ob ihnen das Geld ausreicht oder nicht,

um einen Index zur subjektiv empfundenen Armutsbetroffenheit zu bilden. Familien,

die bei mindestens zehn von 15 Kategorien angegeben haben, dass das Geld für diese

Dinge oder Bereiche etwas mehr sein könnte oder gar überhaupt nicht ausreicht, wer-

den als „subjektiv von Armut betroffen“ definiert. Dies betrifft insgesamt 26 Prozent

der Familien mit dreijährigen Kindern. Es sind Familien, die sich in der eigenen Einschät-

zung nur (sehr) wenig leisten können und in vielen Bereichen Einschränkungen wahr-

nehmen. Weiterhin wurde eine Frage zur alltäglichen Familiensprache an alle Familien

gerichtet, um unabhängig von dem Vorhandensein eines Migrationshintergrunds einen

möglichen Hinweis auf eventuell auftretende Sprachprobleme zu erhalten. Obwohl ins-

gesamt 29 Prozent der Familien einen Migrationshintergrund aufweisen, sind es ledig-

lich 18 Prozent, bei denen die Familiensprache nicht ausschließlich Deutsch ist und im

Alltag ggf. Probleme bereiten oder Unsicherheiten hervorrufen kann. Auch dies wird im

Folgenden als Belastungssituation („Andere Familiensprache“) betrachtet.

Zu beachten ist, dass den definierten Indikatoren immer normative Setzungen zugrunde

liegen, die diejenigen Familien betrachten, die der jeweiligen Belastung oder Lebens-

situation nach eigenen Angaben besonders stark ausgesetzt sind. In der Regel gibt es

aber keinen allgemeingültigen Maßstab, bei welchem Grad an Belastungen tatsächlich

Seite 30 | Inanspruchnahme von Präventionsangeboten

negative Folgen für die Familiensituation bzw. die Entwicklung der Kinder zu erwarten

sind. So ist bspw. nicht nur das Maß an Stressbelastung der Familien recht unterschied-

lich ausgeprägt, sondern auch die Fähigkeiten der Familien, damit im Familienalltag um-

zugehen. Um jedoch den Grad der Belastungen und dessen Einfluss auf die Inanspruch-

nahme präventiver Angebote überhaupt messen zu können, sind solche Indikatoren

(Anzeiger) methodisch erforderlich. Um die methodischen Setzungen an der Lebens-

wirklichkeit der Familien auszurichten, wurden relative Grenzwerte gebildet, die sich an

den Aussagen der Gesamtheit der befragten Familien orientieren. Wie diese Grenzwerte

für die einzelnen Indikatoren definiert sind, wird im Glossar anhand der Ausprägungen

der jeweiligen Merkmale für Familien mit dreijährigen Kindern beschrieben.

Die gebildeten Indikatoren werden in den folgenden Analysen als Anhaltspunkte für

den Grad der Belastungen in den Familien herangezogen. Tabelle 2 gibt noch ein-

mal einen Überblick, in welchem Ausmaß die definierten Belastungssituationen für

Familien mit Dreijährigen zu finden sind. Es zeigt sich, dass mehr als jede zweite Fa-

milie mit Dreijährigen (56 Prozent) sich in mindestens einer dieser Belastungssitua-

tionen befindet (vgl. Tabelle 2). Besonders häufig verbreitet ist danach die subjektiv

empfundene Armutsbetroffenheit.

Tabelle 2: Familien in BelastungssituationenFamilien mit Dreijährigen insgesamt

Familien in der Befragung insgesamt

Angaben in Prozent Angaben in Prozent

Belastungen

Dauerhafte Stressaussetzung 12 12

Fehlende Unterstützungsnetzwerke 15 15

Multiple beunruhigende Sorgen und Probleme 15 16

Andere Familiensprache 18 16

Subjektive Armutsbetroffenheit 26 27

Unsicherheit in der Elternrolle 17 17

Anteil der Familien mit mind. einer Belastung 56 57

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Inanspruchnahme von Präventionsangeboten | Seite 31

Zwischen den Familien insgesamt, d. h. über die Alterskohorten der Dreijährigen, der

Sechsjährigen und der Elfjährigen hinweg, und der Gruppe der Eltern mit Dreijähri-

gen unterscheidet sich die Verteilung der Belastungsindikatoren ebenfalls nur mar-

ginal. Dieses Ergebnis fand sich auch für die „Familienformen in Risikolagen“ (vgl.

Tabelle 1).

2.3 Belastungssituationen in Risikolagen

Die unterschiedlichen Wege der Bestimmung von Zielgruppen auf Basis soziodemo-

graphischer Merkmale einerseits sowie lebensweltbezogener und subjektiv wahrge-

nommener Belastungen andererseits stehen sich dabei keinesfalls konträr gegenüber

– im Gegenteil: Sie treffen ausgesprochen häufig zusammen.

Abbildung 7 zeigt die Belastungsprofile nach Risikolagen und macht zweierlei deut-

lich: Erstens sind Familien in Risikolagen tatsächlich auch die Familien, die auch am

häufigsten mit anderen Belastungen konfrontiert sind, wenn auch in ganz unter-

schiedlichen Konstellationen und unterschiedlicher Ausprägung. Zweitens ermög-

licht der so differenzierte Blick nicht nur die reine Identifikation von Familien in Risi-

kolagen, sondern auch auf das, was mit diesen Risikolagen im Einzelnen zusätzlich

an Belastungen und Schwierigkeiten verbunden sein kann. Eine Übersicht der Ver-

teilung von Risikolagen und Belastungssituationen findet sich als Tabelle im Anhang

(vgl. Tabelle A1).

Seite 32 | Inanspruchnahme von Präventionsangeboten

Abbildung 7: Belastungsprofile für Familien mit Dreijährigen nach Risikolagen

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, standardisiert3, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: Die Abbildung zeigt, inwiefern die einzelnen Gruppen mehr oder weniger von einer Belastung betroffen sind als alle Familien insgesamt (rote Linie = alle Familien).

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Für eine Konkretisierung der Zielgruppen präventiver Arbeit ist es daher zu eng, sich

lediglich an potenziell mehr oder weniger bedürftigen Familiengruppen zu orientie-

ren. Vielmehr sollten die konkreten lebensweltlichen Belastungen und besonders

deren subjektive Wahrnehmung durch die Eltern ebenfalls berücksichtigt werden.

Tabelle 3 gibt detaillierter Auskunft über die Kumulation solcher Belastungen für die

unterschiedlichen Risikolagen. So haben 56 Prozent der Familien insgesamt mindes-

tens eine der betrachteten sechs Belastungssituationen zu bewältigen und 44 Pro-

zent sind keiner Belastung ausgesetzt. Alleinerziehende weisen mit durchschnittlich

1,8 Belastungen die höchste Kumulation von Belastungslagen auf. Unter ihnen gibt

3 Um unterschiedliche Merkmale vergleichbar zu machen, wurde jedes Merkmal so transformiert, dass der Durchschnitt über alle Merkmale gleich null gesetzt wird und die mittlere Abweichung der Einzelwerte gleich eins ist (z-standardisiert).

1,0

0,6

0,2

0,0

–0,2Einkommensarm Migrations-

hintergrundNiedrig qualifiziert Alleinerziehend Mehrkindfamilie

Andere Familiensprache Subjektive Armutsbetroffenheit

Multiple beunruhigende Sorgen/Probleme Unsicherheit Elternrolle

Fehlende Unterstützungsnetzwerke Dauerhafte Stressaussetzung

Inanspruchnahme von Präventionsangeboten | Seite 33

es nur 19 Prozent, die keiner Belastung ausgesetzt sind. Unter Alleinerziehenden ist

auch der Anteil der Eltern am höchsten, die mit vier oder mehr Belastungen im Fa-

milienalltag umgehen müssen. Aber auch niedrig qualifizierte Eltern oder Familien

mit Migrationshintergrund müssen deutlich häufiger eine oder auch mehrere Belas-

tungssituationen bewältigen.

Tabelle 3: Kumulierte Belastungen von Familien mit Dreijährigen in Risikolagen Anzahl der Belastungen

Ø 0 1 2 3 4 und mehr

Angaben in Prozent

Risikolagen

Alleinerziehend 1,8 19 24 28 19 11

Einkommensarme Familie 1,7 20 26 28 17 10

Familie mit Migrationshintergrund 1,5 23 34 23 15 5

Mehrkindfamilie 1,2 38 28 18 9 7

Niedrig qualifizierte Familie 1,7 20 25 28 16 10

Familien insgesamt 1 44 29 16 8 3

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Besonders risikoreich erscheint dabei das Zusammentreffen von mehrfachen Risiko-

lagen und Belastungen, die sich in Familien zu massiven Problemlagen auswachsen

können. Diese Erkenntnisse implizieren zugleich, dass es das eine passende Präven-

tionsangebot für eine Risikolage nicht geben kann, da es der Problem- und Bedarfs-

vielfalt nicht hinreichend entspricht.

Basierend auf den identifizierten Faktoren, die einen Einfluss auf die Inanspruch-

nahme haben können, finden bei den folgenden Analysen deswegen sowohl Ziel-

gruppen nach soziodemographische Merkmalen als auch nach subjektiven Belastun-

gen eine Berücksichtigung.

Seite 34 | Präventionsangebote

3 Präventionsangebote – Bedingungen und Formen der Inanspruchnahme von Familien mit dreijährigen Kindern

Bekanntermaßen nehmen nicht alle belasteten Familien präventive Angebote gleicher-

maßen in Anspruch. Im Folgenden werden die Hintergründe dieser Beobachtung unter-

sucht und die Bedingungen und Formen der Inanspruchnahme präventiver Angebote

für die Kohorte der Dreijährigen analysiert. Wie gut sind Familien über Angebote infor-

miert? Auf welche Art und Weise informieren sie sich? Was wird überhaupt genutzt?

Und worauf legen Familien bei der Wahl eines Angebots Wert? Auf alle diese Fragen

wird im Folgenden eine Antwort gegeben. Dabei bezieht sich die Analyse einerseits auf

das generelle Inanspruchnahmeverhalten von Familien mit dreijährigen Kindern, ande-

rerseits werden insbesondere die Unterschiede zwischen „Familienformen in Risikola-

gen“ und „Familien mit Belastungen“ herausgestellt. Wie sich im Folgenden zeigt, un-

terscheiden sie sich nicht nur deutlich in der Wahrnehmung von Bedarfen, sondern auch

in der Inanspruchnahme präventiver Angebote.

3.1 Wie gut sind Familien informiert?

Die Mehrheit der Familien (42 Prozent) gibt an, dass sie sich insgesamt gut informiert

fühlt über die Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote in ihrer Stadt

(vgl. Abbildung 8). Ein ähnlich großer Anteil von Familien (37 Prozent) gibt hinge-

gen an, dass er sich nur in Teilen gut informiert fühlt. Schlecht informiert fühlen sich

mit 17 Prozent zwar vergleichsweise wenige Familien, nichtsdestotrotz macht dies

nahezu jede fünfte Familie aus. Darüber hinaus geben vier Prozent aller Familien an,

dass sie gar kein Interesse an dieser Art von Angeboten in ihrer Stadt haben.

Differenziert nach „Familienformen in Risikolagen“ einerseits und „Familien mit Belas-

tungen“ andererseits zeigt sich bereits, dass sich Familien in beiden Kategorien weni-

ger gut informiert fühlen als Familien insgesamt (vgl. Abbildung 8). Tiefer gehend lassen

sich zwischen den einzelnen Familiengruppen weitere, deutliche Unterschiede erken-

nen: Von allen Familien fühlen sich insbesondere „Familien mit Belastungen“ im Schnitt

Präventionsangebote | Seite 35

am schlechtesten informiert; darunter insbesondere Familien, die dauerhaftem Stress

ausgesetzt sind (29 Prozent). Auch Familien, die aufgrund ihrer Betroffenheit von mul-

tiplen beunruhigenden Sorgen und Problemen einen erhöhten Beratungsbedarf auf-

weisen könnten, fühlen sich insgesamt weniger gut informiert (27 Prozent) als alle an-

deren Familien. Interessanterweise geben Familien, denen im Alltag oftmals informelle

Unterstützung (durch Verwandte oder Freunde) fehlt, zwar insgesamt wenig, aber ver-

gleichsweise am häufigsten an, kein Interesse an Informations-, Beratungs- und Unter-

stützungsangeboten in ihrer Stadt zu haben (7 Prozent). Auch Familien, die angeben,

sich in Teilen unsicher in ihrer Elternrolle zu fühlen, fühlen sich in der Selbstwahrneh-

mung häufig gut informiert (43 Prozent).

Abbildung 8: Elterngefühl zur Informiertheit von Angeboten (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

gut teils/teils schlecht

Unsicherheit Elternrolle

Andere Familiensprache

Fehlende Unterstützung

Mutiple Sorgen und Probleme

Subjektive Armutsbetroffenheit

Dauerhafte Stressaussetzung

Mehrkindfamilie

Niedrige Qualifikation

Migrationshintergrund

Einkommensarm

Alleinerziehend

Familien mit Belastungen

Familienformen in Risikolagen

Alle FamilienRefe

renz

Risi

kola

gen

Bela

stun

gssi

tuat

ione

n

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

Wie gut fühlen Sie sich über Beratungs­ und Unterstützungsangebote informiert?

kein Interesse

43 37 16 5

40 41 15 5

35 35 24 7

35 35 27 4

35 38 24 4

32 35 29 4

46 34 15 5

43 35 16 6

40 40 15 6

38 38 19 5

37 38 24 1

38 38 20 4

40 38 17 5

42 37 17 4

Seite 36 | Präventionsangebote

Indikator dafür, dass neben der objektiven Risikolage von Familien insbesondere die

Problemwahrnehmung bei der Inanspruchnahme von präventiven Angeboten eine

wichtige Rolle spielen könnte, ist die schlechtere Informiertheit der „Familienformen

in Risikolagen“ (vgl. Abbildung 8). Besonders hervorzuheben sind hierbei einerseits

der Grad der Informiertheit der Familien, die nach Definition von Einkommensarmut

betroffen sind, und andererseits derjenigen Familien, die sich subjektiv von Armut be-

troffen fühlen. Familien, die sich subjektiv von Armut betroffen fühlen, haben einer-

seits ein etwas größeres Interesse an Informations-, Beratungs- und Unterstützungs-

angeboten in ihrer Stadt und fühlen sich andererseits etwas weniger gut informiert

als Familien in objektiven Armutslagen. Auch niedrig qualifizierte Eltern, für die auf-

grund ihrer Bildungssituationen ein größerer Beratungs- oder Unterstützungsbedarf

zu vermuten wäre, geben mehrheitlich an, sich gut informiert zu fühlen (43 Prozent).

Bereits Bauer und Bittlingmayer (2005: 276) konstatierten einen ähnlichen Befund als

„Crux der mangelnden Erreichbarkeit“, die darin besteht, „dass sozial benachteiligte

Milieus einen Beratungsbedarf häufig nicht erkennen oder sogar: gar nicht erkennen

lassen wollen“. Auch Kohlscheen (2016) kommt in seinen Analysen zum Inanspruch-

nahmeprozess auf Basis qualitativer Elterninterviews im Rahmen des Modellprojekts

„Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor!“ (KeKiz) zu der Erkennt-

nis, dass die objektive Seite einer Situation und die subjektive Situationsbewertung

häufig weit auseinanderfallen. Entscheidend für eine Inanspruchnahme präventiver

Angebote sei aber insbesondere die Wahrnehmung der eigenen Lage.

Ein ganz anderes Bild findet sich hingegen bei den Alleinerziehenden: Ihr Interesse an

Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten ist am größten; lediglich ein

Prozent aller Alleinerziehenden gibt an, kein Interesse an dieser Art von Angeboten

zu haben. Gut informiert fühlen sich jedoch nicht alle Alleinerziehenden; 24 Prozent

von ihnen geben sogar an, sich schlecht informiert zu fühlen.

Präventionsangebote | Seite 37

3.2 Auf welche Art und Weise informieren sich Familien?

In allen Modellkommunen erhalten Eltern nach der Geburt eines Kindes, teils auch

nach einem Umzug mit einem Kleinkind, Infomaterial über Anlaufstellen und Ange-

bote für Familien in ihrer Stadt bzw. Gemeinde. Teils werden diese sogar persönlich

im Rahmen von Begrüßungs- oder Willkommensbesuchen von Mitarbeitern der Kom-

mune an die Familien übergeben. Willkommensbesuche für Neugeborene sind Be-

standteil des Ausbaus „früher Hilfen“ und wurden in den letzten Jahren in vielen

Kommunen eingeführt. In den untersuchten Kommunen geben insgesamt 53 Pro-

zent der befragten Familien an, die von ihrer Stadt bzw. Gemeinde erhaltenen Infor-

mationen schon einmal benutzt zu haben (vgl. Abbildung 9). Die Mehrheit der Fa-

milien (53 Prozent) bewertet die darin enthaltenen Informationen darüber hinaus als

nützlich. Demnach bilden Begrüßungs- oder Willkommensbesuche als Angebote mit

aufsuchendem Charakter eine gute Möglichkeit, um Familien unkompliziert über An-

laufstellen und Angebote für Familien zu informieren. Der Gang zu den Ämtern in

der Gemeinde-, Stadt oder Kreisverwaltung hingegen scheint für Familien oftmals

schwieriger zu sein. Lediglich acht Prozent der Familien und damit vergleichsweise

wenige geben an, sich selbst aktiv bei Fragen zur Entwicklung ihres Kindes an die

Ämter ihrer Stadt bzw. Gemeinde zu wenden (vgl. Abbildung 10).

Seite 38 | Präventionsangebote

Abbildung 9: Nutzung und Bewertung der im Rahmen der Begrüßungs- und Willkommensbesuche überreichten Informationen der Stadt zu Angeboten (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Haben Sie diese schon einmal benutzt …?

0 % 50 % 100 %ja nein

… und wie nützlich fanden Sie die Informationen?

nützlich teils/teils wenig nützlich

Unsicherheit Elternrolle

Andere Familiensprache

Fehlende Unterstützung

Mutiple Sorgen und Probleme

Subjektive Armutsbetroffenheit

Dauerhafte Stressaussetzung

MehrkindfamilieNiedrige Qualifikation

Migrationshintergrund

Einkommensarm

Alleinerziehend

Familien mit Belastungen

Familienformen in Risikolagen

Alle FamilienRefe

renz

Risi

kola

gen

Bela

stun

gs­

situ

atio

nen

Unsicherheit Elternrolle

Andere Familiensprache

Fehlende Unterstützung

Mutiple Sorgen und Probleme

Subjektive Armutsbetroffenheit

Dauerhafte Stressaussetzung

MehrkindfamilieNiedrige Qualifikation

Migrationshintergrund

Einkommensarm

Alleinerziehend

Familien mit Belastungen

Familienformen in Risikolagen

Alle FamilienRefe

renz

Bela

stun

gs­

situ

atio

nen

0 % 20 % 100 %40 % 60 % 80 %

62 39

49 51

49 51

54 46

47 53

48 52

49 51

43 57

50 50

46 54

47 53

52 48

50 50

53 47

53 30 17

61 26 13

54 21 25

54 32 14

45 34 21

49 31 21

48 33 19

58 20 23

60 25 16

56 25 19

53 26 21

52 29 19

53 28 19

53 30 18

Risi

kola

gen

Präventionsangebote | Seite 39

Auch für den Zugang zu Angeboten über den Willkommens- bzw. Begrüßungsbe-

such zeigen sich Unterschiede zwischen „Familienformen in Risikolagen“ einerseits

und „Familien mit Belastungen“ andererseits. Am häufigsten genutzt werden die

Informationen wieder von Familien, die sich in ihrer Elternrolle unsicher fühlen. So

geben 62 Prozent dieser Familien an, dass sie die Informationen der Stadt bereits zu-

rate gezogen haben. Hingegen sind es insbesondere Eltern mit niedriger Qualifika-

tion, die die Informationen mit 43 Prozent insgesamt am wenigsten nutzen.

Darüber hinaus wird jedoch auch deutlich, dass die überreichten Informationen nicht

für jede Familie gleichermaßen geeignet sind: Am nützlichsten bewerten Familien mit

Migrationshintergrund (60 Prozent) bzw. Familien, in denen nicht nur die deutsche

Sprache gesprochen wird (61 Prozent), die Informationen, die sie von ihrer Stadt im

Rahmen der Willkommensbesuche erhalten und genutzt haben. Sie bewerten diese

Informationen sogar nützlicher als alle befragten Familien. Etwas weniger nützlich

finden diese Informationen hingegen Familien, die bereits drei oder mehr Kinder

haben (48 Prozent), Dauerstress ausgesetzte Familien (49 Prozent) und Familien, die

sich subjektiv von Armut betroffen fühlen (45 Prozent).

Informationswege zur Entwicklung von Kindern

Um sich bei Fragen zur Entwicklung ihres Kindes zu informieren, wenden sich die

meisten Familien vor allem an ihre Verwandten und Freunde (95 Prozent; vgl. Abbil-

dung 10). Gerne wird aber auch der professionelle Rat von Ärzten (92 Prozent) oder

Erziehern in der Kita (89 Prozent) herangezogen. Mehr als jede zweite Familie sucht

bei Fragen zur Entwicklung ihres Kindes aber auch Rat im Internet.

Seite 40 | Präventionsangebote

Abbildung 10: Nutzung bzw. Kenntnis von Informationsmöglichkeiten zur Kindesentwicklung (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Zum Teil bekannt, aber insgesamt im geringeren Umfang von Familien genutzt sind In-

formationsmöglichkeiten, wie Kurse in Beratungsstellen, Volkshochschulen oder Bil-

dungsstätten. Auf die vergleichsweise geringere Nutzung der Ämter in der Gemeinde-,

Stadt- und Kreisverwaltung wurde bereits hingewiesen. Auch diese werden weniger als

Anlaufstelle für Fragen zur Entwicklung des eigenen Kindes wahrgenommen und genutzt.

ja, kenne ich und habe ich genutzt ja, kenne ich, habe aber kein Interesse

nein, kenne ich nicht

Verwandte/Freunde

Kinderarzt

Erzieher in der Kita

Andere Eltern (in der Kita)

Infoveranstaltungen in der Kita

Elternratgeber/Elternzeitschrift

Informationen im Internet

Elternbegleitbuch/Elternbriefe

Kurse in der Volkshochschule/ Familienbildungsstätte

Kirchengemeinde/ Religionsgemeinschaft

Ämter in der Gemeinde-/Stadt-/ Kreisverwaltung

Kurse in Beratungsstellen

Telefonberatung, z. B. Eltern tele fon, „Nummer gegen Kummer“

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

95 3 2

92 5 3

89 7 4

77 16 7

68 17 15

59 28 13

58 28 14

54 25 21

21 45 34

11 54 36

8 47 45

4 54 43

2 50 48

Präventionsangebote | Seite 41

Abbildung 11: Nutzung bzw. Kenntnis von Informationsmöglichkeiten zur Kindesentwicklung nach Familiengruppen (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: Nur „ja, kenne ich und habe ich genutzt“ abgebildet.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

RisikolagenAlleinerziehend Einkommensarm Mehrkindfamilie Migrationshintergrund Niedrige Qualifikation

BelastungssituationenAndere Familiensprache Dauerhafter Stress Fehlende Unterstützung Multiple Sorgen/Probleme

Subjektive Armut Unsicherheit Elternrolle Alle Familien

Verwandte/Freunde

Kinderarzt

Erzieher in der Kita

Andere Eltern (in der Kita)

Infoveranstaltungen in der Kita

Elternratgeber/ Elternzeitschrift

Informationen im Internet

Elternbegleitbuch/ Elternbriefe

Kurse in der Volkshochschule/

Familienbildungsstätte

Kirchengemeinde/ Religionsgemeinschaft

Ämter in der Gemeinde-/Stadt-/Kreisverwaltung

Kurse in Beratungsstellen

Telefonberatung, z. B. Eltern tele fon,

„Nummer gegen Kummer“

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

Seite 42 | Präventionsangebote

Zwischen den einzelnen Familiengruppen variiert die Rangfolge der genutzten Infor-

mationsmöglichkeiten nur wenig (vgl. Abbildung 11). Neben Verwandten und Freun-

den erweisen sich insbesondere auch die Akteure aus den begleitenden Institutionen

Kita und Gesundheitswesen, wie Erzieher und Ärzte, als häufige und stabile Anlauf-

stelle bei Fragen zur Kindesentwicklung über alle betrachteten Familiengruppen hin-

weg. Wie Nagy (2016: 9 ff.) anhand von Elterninterviews zu den Informationsquellen

von Familien herausstellt, sind diese Anlaufstellen insbesondere wichtig für Familien,

die kaum über soziale Ressourcen in ihrem Umfeld verfügen, wie bspw. Alleinerzie-

hende, Familien mit Migrationshintergrund oder Zugezogene. Innerhalb der präventi-

ven Netzwerke einer Kommune sind die oben genannten Akteure daher nicht nur als

aktive Anbieter präventiver Unterstützung wichtig, sondern nehmen darüber hinaus

auch als stabile Anlaufstellen für Familien eine wichtige „Lotsenfunktion“ wahr. Eine

solche Lotsenfunktion ist bereits heute in vielen Kitas, die auch Familienzentren sind,

etabliert. Eltern haben dort die Möglichkeit, neben der klassischen Kinderbetreuung

auch Beratungs- und Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen, bzw. werden

auf andere weiterführende Präventionsangebote verwiesen. Wünschenswert wäre in

diesem Zusammenhang eine noch stärkere Einbindung von Akteuren aus dem Ge-

sundheitswesen in die kommunale Präventionsarbeit, sodass diese ebenfalls bei Bedarf

an Unterstützungsangebote in der Kommune weitervermitteln können.

Wenngleich die Rangfolge der Informationsmöglichkeiten zwischen den Familien-

gruppen wenig variiert, zeigen sich zwischen „Familienformen in Risikolagen“ und

„Familien mit Belastungen“ wieder Unterschiede in der Intensität der Nutzung und

Kenntnis einzelner Möglichkeiten: Besonders augenfällig ist, dass insbesondere nied-

rig qualifizierte Familien in diesem Zusammenhang besonders viele der genannten

Informationenmöglichkeiten seltener kennen bzw. in Anspruch nehmen. Sie haben

bei einigen Informationsmöglichkeiten einen deutlich geringeren Informationsgrad

als alle anderen Familiengruppen. Zu finden sind auch Hinweise auf eventuell vor-

handene soziale Distanzen, die insbesondere „Familienformen in Risikolagen“ zu ei-

nigen Informationsmöglichkeiten erkennen lassen. Einkommensarme Familien sowie

niedrig qualifizierte Familien nutzen bspw. deutlich weniger die Möglichkeit, sich bei

anderen Eltern über die Entwicklung ihres Kindes zu informieren. Gegenteilig hervor-

stechend sind Familien, die eine Unsicherheit in der Elternrolle angeben: Sie nutzen

viele Angebote deutlich intensiver als andere Familien, d. h. ihre Unsicherheit erzeugt

Präventionsangebote | Seite 43

ein höheres Informationsbedürfnis. Unter den anderen „Familien mit Belastungen“

sind es hingegen vor allem Familien, denen im Alltag auch informelle Unterstützung

fehlt, die viele Informationsmöglichkeiten nicht nutzen. Dabei liegt es nach ihren ei-

genen Angaben weniger daran, dass sie kein Interesse an diesen Möglichkeiten hät-

ten, als vielmehr daran, dass ihnen diese Möglichkeiten nicht bekannt sind bzw. nicht

zur Verfügung stehen. Zu vermuten ist, dass „fehlendes Wissen über verfügbare An-

gebote [...] zur Nichtinanspruchnahme [führt], obwohl die generelle Bereitschaft zur

Teilnahme vorhanden wäre“ (Nagy 2016: 16).

3.3 Was sind wichtige Gründe bei der Angebotswahl?

Bei der Wahl eines Angebots ist es Familien besonders wichtig, dass dieses selbst oder

auch die Einrichtung, die es anbietet, einen guten Ruf hat (88 Prozent; vgl. Abbildung

12). Dabei orientieren sich Familien insbesondere an den guten Erfahrungen anderer,

aber auch an den Empfehlungen von Erziehern (74 Prozent) sowie Ärzten und Heb-

ammen (71 Prozent). Die besondere „Lotsenfunktion“ dieser Akteure wird demnach

auch hier wieder deutlich sichtbar. Informationen der Stadt bzw. der Gemeinde oder

des Kreises fallen bei ihrer Angebotswahl wiederum vergleichsweise weniger ins Ge-

wicht (43 Prozent). Mehr als jeder zweiten Familie ist es auch wichtig, sich im Inter-

net über ein Angebot informieren zu können.

Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass Familien auf einen einfachen Zugang zu den

Angeboten Wert legen. Angebote sollen sich in den Lebensalltag der Inanspruch-

nehmer integrieren lassen und nicht zusätzlichen Aufwand fordern. Zum einen sind

ihnen deswegen wohnort- bzw. arbeitsplatznahe Angebote wichtig (76 Prozent),

zum anderen aber auch flexible Öffnungs- und Kurszeiten (73 Prozent). Von Bedeu-

tung ist ihnen in diesem Zusammenhang zudem der Bezug zu ihrer Lebenswelt. Fa-

milien wünschen sich Fachkräfte, denen sie auf Augenhöhe begegnen können und

mit denen sie sich gleichberechtigt verständigen können (67 Prozent), sowie mög-

lichst wenig Bürokratie bei der Inanspruchnahme eines Angebots (62 Prozent). Dar-

über hinaus ist es 48 Prozent der Familien wichtig, dass ein Angebot kostengünstig

bzw. ganz kostenfrei angeboten wird.

Seite 44 | Präventionsangebote

Abbildung 12 zeigt auch, wie wichtig speziell die Familiengruppen in Risikolagen oder

in Belastungssituationen die aufgeführten Aspekte bei der Wahl eines Angebots be-

werten. Dabei unterscheiden sie sich bei vielen Aspekten weniger untereinander als

vielmehr im Vergleich zu den Angaben der Familien insgesamt. Zwar sind auch ihnen

die Empfehlungen und guten Erfahrungen anderer sehr wichtig, es zeigt sich jedoch,

dass sie auf einen einfachen Zugang zu allen Angeboten noch mehr Wert legen als

Familien insgesamt. Hervorstechend wichtiger bewerten sie die Erreichbarkeit mit öf-

fentlichen Verkehrsmitteln (bis zu 70 Prozent) sowie die entstehenden Kosten (bis zu

72 Prozent). Auch die Vertraulichkeit bei der Inanspruchnahme einer Beratung oder

eines Angebots bewerten sie insgesamt höher (bis zu 71 Prozent).

Präventionsangebote | Seite 45

Abbildung 12: Wichtige Gründe für die Wahl eines Angebots (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: Nur „eher bis sehr wichtig" abgebildet.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

RisikolagenAlleinerziehend Einkommensarm Mehrkindfamilie Migrationshintergrund Niedrige Qualifikation

BelastungssituationenAndere Familiensprache Dauerhafter Stress Fehlende Unterstützung Multiple Sorgen/Probleme

Subjektive Armut Unsicherheit Elternrolle Alle Familien

Guter Ruf des Angebots/ der Einrichtung

(gute Erfahrungen anderer)

Nähe zur Wohnung/ zum Arbeitsplatz

Empfehlung von Erziehern

Empfehlung von Kinderärzten/Hebammen

Flexible Öffnungs-/Kurszeiten

Fachkräfte sprechen auch meine Sprache

Zugang ist einfach (bspw. wenig Papierkram)

Informationen im Internet

Angebot/Beratung ist vertraulich

Ein besonderes Angebotskonzept

Kostengünstiges/-freies Angebot

Informationen der Stadt/Gemeinde/des Kreises

Erreichbarkeit mit öffentl. Verkehrsmitteln

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

Seite 46 | Präventionsangebote

Besonders „Familienformen in Risikolagen“ – darunter vor allem niedrig qualifi-

zierte sowie einkommensschwache Familien – sind Zugänge mit geringen bürokra-

tischen und finanziellen Hürden wichtig. Auch „Familien mit Belastungen“ achten

darauf, dass die Inanspruchnahme eines Angebots nicht noch mehr Herausforderun-

gen aufwirft als ihnen sowieso schon im Alltag gegenüberstehen. Hervorstechend

sind hier insbesondere Familien mit multiplen Problemen und Sorgen sowie Fami-

lien, die im Alltag eine andere Familiensprache als Deutsch sprechen. Flexible Öff-

nungs- und Kurszeiten sind insbesondere Familien, die im Alltag dauerhaft Stress er-

leben, wichtig.

Zwar fallen bei der Wahl eines Angebots auch bei den einzelnen betrachteten Fami-

liengruppen die Informationen der Stadt bzw. der Gemeinde oder des Kreises eben-

falls weniger ins Gewicht als bspw. die Erfahrungen anderer oder die Empfehlung

von Akteuren aus den begleitenden Institutionen Kita und Gesundheitswesen, jedoch

messen sie dieser Informationsmöglichkeit bei ihrer Angebotswahl teils etwas mehr

Bedeutung zu als alle befragten Familien insgesamt.

Erstaunlicherweise ist es Familien mit einer anderen Familiensprache als Deutsch

sowie Familien mit Migrationshintergrund vergleichsweise weniger wichtig, dass

Fachkräfte „ihre Sprache sprechen“. Dies ist eventuell darauf zurückzuführen, dass

diese Aussage von den betreffenden Familien wortwörtlich genommen wurde, auch

wenn sie sich insbesondere darauf bezieht, dass sich die Fachkräfte verständlich aus-

drücken.

3.4 Wen erreichen welche Angebote bzw. wer nimmt was in Anspruch?

Um die konkrete Inanspruchnahme präventiver Angebote unter den Eltern zu erfas-

sen, wurden alle Eltern dreijähriger Kinder gefragt, ob sie während der Schwanger-

schaft, bei der Geburt ihres Kindes oder in der Zeit danach Angebote für sich selbst

oder ihr Kind genutzt haben. Mittels einer differenzierten Fragebatterie wurden in

diesem Rahmen insgesamt 16 verschiedene Angebote erhoben, die sich insbesondere

auf die Phase der Schwangerschaft, die Geburt und auf die ersten drei Lebensjahre

Präventionsangebote | Seite 47

des Kindes beziehen. Im Fokus stand dabei nicht die Evaluation einzelner Maßnah-

men, sondern die Erfassung von Angebotssettings und -strukturen für diese spezi-

elle Lebensphase. Für eine übersichtliche Ergebnisdarstellung wurde die große Liste

einzelner und zum Teil kommunal spezifischer Angebote in die drei übergreifenden

Bereiche „medizinische und informierende Angebote“, „beratende und begleitende

Angebote“ sowie „Kurs- und Gruppenangebote“ gruppiert, die sich an der haupt-

sächlichen Schwerpunktsetzung der Angebote orientieren. Eine eindeutige Klassifi-

zierung der Angebote ist jedoch insgesamt nicht möglich, da bspw. Kurs- und Grup-

penangebote auch beratend wirksam werden können oder medizinische Angebote,

wie die Hebammenhilfe, begleitend und unterstützend sind.

Inanspruchnahme medizinischer und informierender Angebote

Medizinische Angebote rund um die Schwangerschaft und Geburt eines Kindes wer-

den von allen Familien besonders häufig und sehr breit in Anspruch genommen (vgl.

Abbildung 13). Dies liegt nicht zuletzt an der gesetzlichen Verankerung solcher An-

gebote. So steht die Hebammenhilfe während der Schwangerschaft, bei der Geburt

und in der Zeit danach jeder gesetzlich krankenversicherten Frau zu (BZgA 2015).

Vor der Geburt haben 63 Prozent der Familien das Angebot genutzt, während der

Schwangerschaft durch eine Hebamme unterstützt und beraten zu werden. Darüber

hinaus geben 61 Prozent der Familien an, vor der Geburt ihres Kindes an einem Ge-

burtsvorbereitungskurs teilgenommen zu haben. Dieser soll Frauen in der Schwan-

gerschaft begleiten, sie auf die Geburt vorbereiten, aber auch grundlegendes Wis-

sen rund um Schwangerschaft, Geburt und die erste Zeit mit dem Kind vermitteln

(ebd.). Auch nach der Geburt nehmen 85 Prozent der Familien Hebammenhilfe in An-

spruch, hier werden u. a. Gesundheitszustand von Mutter und Kind überprüft sowie

den Eltern Kompetenzen für den sicheren Umgang mit dem Neugeborenen im All-

tag vermittelt (ebd.).

Seite 48 | Präventionsangebote

Abbildung 13: Inanspruchnahme medizinischer und informierender Angebote (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Obwohl es sich bei der Hebammenhilfe um ein kostenfreies Angebot handelt, das von

den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird, gibt es deutliche Unterschiede in der In-

anspruchnahme. Wenngleich in unterschiedlicher Intensität, sind benachteiligte Fami-

lien zwar anteilig häufiger, trotzdem aber stets weniger vertreten als Familien insge-

samt. Besonders augenfällig ist, dass vor allem Familien mit niedriger Qualifikation bei

allen drei genannten Angebotsarten im Vergleich deutlich weniger medizinische Hilfe

von Hebammen in Anspruch genommen haben (vgl. Abbildung 13). Einen Geburtsvor-

bereitungskurs, der wichtiges Wissen zu Schwangerschaft, Geburt und dem späteren

Umgang mit dem Kind vermittelt, haben lediglich 24 Prozent der Familien mit niedriger

Qualifikation, d. h. dreimal weniger Familien als Familien insgesamt, besucht. Neben Fa-

milien mit niedriger Qualifikation gehören auch Familien mit einer anderen Familienspra-

che und einkommensarme Familien häufig zu den „Schlusslichtern“ unter den Nutzern.

RisikolagenAlleinerziehend Einkommensarm Mehrkindfamilie Migrationshintergrund Niedrige Qualifikation

BelastungssituationenAndere Familiensprache Dauerhafter Stress Fehlende Unterstützung Multiple Sorgen/Probleme

Subjektive Armut Unsicherheit Elternrolle Alle Familien

Infoveranstaltungen zu Schwangerschaft/Geburt

Medizinische Angebote nach der Geburt

Geburtsvorbereitungskurs

Hebammenhilfe vor der Geburt

Hebammenhilfe nach Geburt bis zur 8 Woche

Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt

0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

Präventionsangebote | Seite 49

Andere medizinische Angebote nach der Geburt, wie ein Rückbildungs- oder ein Säug-

lingspflegekurs, werden von 40 Prozent der Familien genutzt (vgl. Abbildung 13). Auch

hier fallen insbesondere Familien mit niedriger Qualifikation durch eine deutlich sel-

tenere Nutzung auf (21 Prozent). Gerade für die Inanspruchnahme dieser Angebots-

art wird zudem die Bedeutung einer Differenzierung von Familien mit Migrationshin-

tergrund (39 Prozent) und Familien mit anderer Familiensprache (33 Prozent) deutlich.

Zwar sind beide Familiengruppen bei diesem (und auch den anderen Angeboten) un-

terrepräsentiert, jedoch nicht in gleichem Maße. Das kann als Hinweis gesehen wer-

den, dass offenbar vor allem Sprachbarrieren einer breiteren Inanspruchnahme dieses

Angebots im Wege stehen. Interessant hierbei ist darüber hinaus, dass es auch Fami-

lien gibt, die diese Art von Angebot deutlich stärker nutzen als alle Familien; darunter

hauptsächlich „Familien mit Belastungen“, wie Familien, die Unsicherheiten mit ihrer

Elternrolle angeben (59 Prozent). Offenkundig führt die bewusste Wahrnehmung von

Unsicherheiten zu einer verstärkten Inanspruchnahme von Angeboten, die diese Fami-

lien in ihren Kompetenzen und Wissen stärken können, um ihre angegebenen Unsi-

cherheiten auszugleichen. Auch die Inanspruchnahme von Informationsveranstaltun-

gen rund um die Themen Schwangerschaft und Geburt folgt einem ähnlichen Muster:

33 Prozent der Familien haben an solchen Informationsveranstaltungen teilgenommen;

am wenigsten jedoch niedrig qualifizierte Familien (17 Prozent) und am häufigsten wie-

derum Familien mit einem unsicheren Gefühl hinsichtlich ihrer Elternrolle (34 Prozent).

Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchun-

gen für Kinder. Sie dienen der frühzeitigen Erkennung von körperlichen, geistigen und

sozialen Entwicklungsdefiziten und deren Behandlung (§ 26 SGB V). Insgesamt 97 Pro-

zent der Familien mit dreijährigen Kindern geben an, seit der Geburt ihres Kindes min-

destens eine Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt mit ihrem Kind besucht zu haben

(vgl. Abbildung 13). Darüber hinaus finden sich unter den unterschiedlichen Familien-

gruppen kaum Unterschiede – Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt werden von

allen Familien nahezu im gleichen Umfang in Anspruch genommen. Obwohl medizi-

nische Angebote sowohl von allen Familien als auch den einzelnen Familiengruppen

insgesamt gut in Anspruch genommen werden, deutet die geringe Streuung der In-

anspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen unter den Familiengruppen darauf hin,

dass es sich hierbei um ein vergleichsweise weniger sozial selektives Angebot handelt,

dessen Inanspruchnahme insbesondere weniger ressourcenabhängig ist.

Seite 50 | Präventionsangebote

Inanspruchnahme beratender und begleitender Angebote

Beratende und begleitende Angebote werden einerseits auf einem erkennbar ande-

ren Niveau in Anspruch genommen als medizinische und informierende Angebote,

andererseits sind die Inanspruchnahmemuster der einzelnen Familiengruppen zwi-

schen den Angeboten deutlich heterogener (vgl. Abbildung 14).

Abbildung 14: Inanspruchnahme beratender und begleitender Angebote (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Sehr spezielle Beratungsangebote, wie die Schwangerschaftskonfliktberatung, die

bei der Erwägung eines Schwangerschaftsabbruchs verpflichtend ist, oder die Bera-

tung bei speziellen Problemen, wie Regulationsstörungen im Säuglingsalter, werden

vergleichsweise selten von Familien in Anspruch genommen (vgl. Abbildung 14). Zu

RisikolagenAlleinerziehend Einkommensarm Mehrkindfamilie Migrationshintergrund Niedrige Qualifikation

BelastungssituationenAndere Familiensprache Dauerhafter Stress Fehlende Unterstützung Multiple Sorgen/Probleme

Subjektive Armut Unsicherheit Elternrolle Alle Familien

Hebammenhilfe über 8. Woche hinaus/

Familienhebamme

Beratung in einer Schwanger-schaftsberatungsstelle

Erziehungsberatung

Spezielle Beratung bei Schreien/

Ernährungsstörungen

Schwangerschafts-konfliktberatung

Ehrenamtliche Besuche

0 % 10 % 20 % 30 % 40 %35 %5 % 15 % 25 %

Präventionsangebote | Seite 51

beachten ist, dass hier nicht nur die Zahl der in Anspruch nehmenden Familien sehr

klein ist (je 4 Prozent), sondern auch insgesamt die Zahl der Familien, bei denen diese

Probleme vorkommen. Aus diesem Grund sind einerseits kaum Unterschiede zwi-

schen den Gruppen erkennbar, die andererseits nicht überbewertet werden dürfen.

Ähnliches gilt auch für das eher begleitende Angebot der ehrenamtlichen Besuche,

z. B. von Familienpatinnen und Stadtteilmüttern, zumal dieses auch nicht in allen an

der Befragung beteiligten Kommunen vorgehalten wird.

Hebammenhilfe über die achte Woche hinaus oder der Einsatz einer Familienheb-

amme sind insbesondere für Familien in belastenden Lebensumständen gedacht, um

die Eltern sowohl bei der Versorgung und Betreuung ihres Kindes im Alltag als auch

selbst psychosozial zu unterstützen (NZFH 2013). Insgesamt geben 19 Prozent der

Familien mit Kindern im Alter von drei Jahren an, dieses Hilfeangebot bereits genutzt

zu haben (vgl. Abbildung 14). Obwohl das Angebot (selektiv präventiv) auf Familien

in belastenden Lebensumständen zielt, sticht hervor, dass die hier definierten Fami-

liengruppen mit Belastungen nicht weit über dem Inanspruchnahmewert aller Fami-

lien liegen, sondern sich recht eng um diesen gruppieren.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich hingegen für das Beratungsangebot der Schwan-

gerschaftsberatungsstelle. Dieses ist ein freiwilliges Beratungsangebot rund um die

Themen Schwangerschaft und Familienplanung für Rat suchende Familien und ist

nicht zu verwechseln mit dem o. g. Angebot der Schwangerschaftskonfliktberatung

(BZgA 2015). Rund zwölf Prozent aller Familien haben sich in einer solchen Stelle be-

raten lassen. Besonders auffällig ist bei diesem Beratungsangebot, dass sowohl „Fa-

milien mit Belastungen“ als auch „Familienformen in Risikolagen“ dieses Angebot

teils deutlich stärker in Anspruch nehmen als Familien insgesamt. Dabei geben be-

sonders Alleinerziehende mit Abstand am häufigsten eine Nutzung an (39 Prozent).

Ein Kind alleine oder in einer anderen (gerade) schweren Lebenssituation zu erwar-

ten, geht demnach auch mit einem erhöhten Beratungsbedarf einher; es zeigt sich

aber auch, dass sich diese Mütter oder Väter häufig freiwillig Hilfe suchen und diese

bspw. in der Schwangerschaftsberatung finden.

Seite 52 | Präventionsangebote

Erziehungsberatung soll Familien bei der Bewältigung individueller und familienbezo-

gener Probleme unterstützen und ihnen Beratung in Familien- und Erziehungsfragen

geben (§ 28 SGB VIII). Das Angebot ist für Ratsuchende mit Kindern unter 18 Jahren

kostenfrei und wird insgesamt von sieben Prozent der Familien in Anspruch genom-

men (vgl. Abbildung 14). Familien mit einem unsicheren Elterngefühl geben dabei am

häufigsten an, bereits Erziehungsberatung in Anspruch genommen zu haben (14 Pro-

zent), wohingegen Familien mit anderer Familiensprache (6 Prozent) etwas unter dem

Inanspruchnahmewert aller Familien liegen. Auffällig ist, dass vor allem „Familien mit

Belastungen“, aber auch Alleinerziehende, häufiger eine Erziehungsberatung nutzen.

Im Vergleich zu den medizinischen Angeboten, bei denen tendenziell vor allem die

objektiven Ressourcen von Familien, wie Bildung und Einkommen, eine Inanspruch-

nahme beeinflussen, zeigt sich bei der differenzierten Betrachtung von beratenden

und begleitenden Angeboten, dass hier etwas stärker die subjektive Wahrnehmung

von Problemen bzw. das Problembewusstsein der Familien bei der Inanspruchnahme

zum Tragen kommen. Ähnliches zeigte sich bereits für medizinische Angebote mit

einem vornehmlich informierenden Charakter (vgl. Abbildung 13). „Familien mit Be-

lastungen“, aber auch Alleinerziehende reflektieren ihre Lebenslage demnach nicht

nur stärker, sondern suchen sich auch häufiger Beratung und Begleitung, wohinge-

gen andere „Familienformen in Risikolagen“ häufiger passiv bleiben. Ein Gegenbei-

spiel hierfür ist das Angebot der Familienhebamme, bei der die Inanspruchnahme

nicht nur auf der Einschätzung der Familie basiert, sondern auch auf der fachlichen

Bewertung der begleitenden Hebamme, sodass die Streuung der Inanspruchnahme

unter den verschiedenen Familiengruppen nicht so groß ist bzw. alle Familiengrup-

pen von diesem Angebot nahezu gleichermaßen erreicht werden (vgl. Abbildung 14).

Inanspruchnahme von Kurs- und Gruppenangeboten

Kurs- und Gruppenangebote werden von Familien mit dreijährigen Kindern ins-

gesamt sehr gut in Anspruch genommen. Mehr als jede zweite Familie nimmt an

der kindzentrierten Elternbildung in Form von Kurs- und Gruppenangeboten teil

(vgl. Abbildung 15). Ziel dieser Angebote ist es, Eltern in ihren Erziehungskompe-

tenzen zu stärken und für die Bedürfnisse ihres Kindes zu sensibilisieren (bspw.

PEKIP 2015). Im Rahmen von Eltern-Kind-Programmen, wie bspw. PEKIP, Sport- und

Präventionsangebote | Seite 53

Wohlfühlangeboten für das Kind oder auch Eltern-Kind-Gruppen, sollen Eltern ihr

Kind besser kennen lernen, bewusster erleben und in seiner Entwicklung anregen. Je

nach Angebot ist die Teilnahme an einzelnen Kursen bzw. Gruppen kostenpflichtig

und mit einer verbind lichen Anmeldung verbunden.

Abbildung 15: Inanspruchnahme von Kurs- und Gruppenangeboten (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Trotz einer insgesamt guten Inanspruchnahme durch Familien insgesamt, zeigt die

differenzierte Betrachtung für die Familien mit Belastungen oder Risiken in diesem Be-

reich − im Unterschied zu den beiden bereits vorgestellten Angebotsbereichen – eine

im Vergleich deutlich geringere Nutzung über alle genannten Angebote (vgl. Abbil-

dung 15). Zwar lassen sich auch hier die bereits aufgedeckten Muster erkennen die

darauf hinweisen, dass die Inanspruchnahme dieser Angebote zum einen von der

objektiven Ressourcenausstattung der Familien abhängig ist und zum anderen vom

eigenen Problembewusstsein der Familien. Demnach sind es vor allem „Familienfor-

men in Risikolagen“, die bei der Inanspruchnahme von Kurs- und Gruppenangeboten

RisikolagenAlleinerziehend Einkommensarm Mehrkindfamilie Migrationshintergrund Niedrige Qualifikation

BelastungssituationenAndere Familiensprache Dauerhafter Stress Fehlende Unterstützung Multiple Sorgen/Probleme

Subjektive Armut Unsicherheit Elternrolle Alle Familien

Frühförderung

Eltern-Kind-Programme

Sport- und Wohlfühlangebote fürs Kind

Eltern-Kind-Gruppen

0 % 10 % 30 % 50 % 70 %60 %20 % 40 %

Seite 54 | Präventionsangebote

eher im unteren Drittel bei den Inanspruchnahmewerten liegen, aber auch Familien

mit einer anderen Familiensprache als Deutsch. Hingegen finden sich für „Familien

mit Belastungen“, und darunter vor allem Familien, die eine Unsicherheit in der El-

ternrolle angeben, eher höhere Werte. Jedoch weist die insgesamt sehr große Dif-

ferenz zwischen der Inanspruchnahme aller Familien und den Familien mit Risiken

oder Belastungen generell auf eine hohe Selektivität dieser Angebote hin. Gerade

solche Angebote erreichen offenbar vergleichsweise selten Familien in schwierigeren

Lebenssituationen und häufiger Familien ohne spezielle Probleme oder Belastungen.

Gruppen- und Kursangebote rund ums Baby mit dem Ziel der allgemeinen Familien-

bildung stehen allen Familien offen und werden daher − wie viele andere präventive

Angebote − als niedrigschwellige Angebote eingestuft. In seinen Handlungsemp-

fehlungen für einen niedrigschwelligen Zugang zu familienunterstützenden Ange-

boten beschreibt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge (2005: 4),

dass sich ein niedrigschwelliges Angebot vor allem dadurch kennzeichnet, dass „Un-

terstützungen für Familien rechtzeitig und leicht verfügbar gemacht werden, deren

Selbsthilfekräfte und Bildungskompetenz gestärkt, Ausgrenzungskarrieren vermieden

und besonders belastete Familien erreicht werden“. Abbildung 15 zeigt jedoch, dass

insbesondere der letzte Anspruch niedrigschwelliger Angebote bei den erhobenen

Kurs- und Gruppenangeboten nicht ausreichend erfüllt wird. Zwar werden generell

auch belastete Familien erreicht, allerdings mit einem zum Teil sehr schlechten Ergeb-

nis. So geben bspw. lediglich 14 Prozent der Familien mit einer niedrigen Qualifika-

tion, d. h. mehr als vier Mal weniger als Familien insgesamt (57 Prozent), an, bereits

an einem Eltern-Kind-Programm teilgenommen zu haben. Auch mit den anderen an-

geführten Angeboten werden u. a. niedrig qualifizierte Familien besonders schlecht

erreicht, wobei bei den Sport- und Wohlfühlangeboten fürs Kind zudem ein noch

deutlicherer Abstand zu den anderen Familiengruppen zu erkennen ist.

Das Angebot der Frühförderung wird von allen befragten Familien insgesamt sehr

wenig in Anspruch genommen. Da es sich um ein spezielles Angebot für Familien

mit behinderten Kindern bzw. Kindern, die ggf. von einer Behinderung bedroht sind,

handelt, ist die geringe Inanspruchnahme von insgesamt acht Prozent wenig überra-

schend. Die Inanspruchnahme dieses Angebots weist vielmehr auf den Anteil der Kin-

der mit Entwicklungsverzögerungen hin, die im Rahmen einer individuellen oder auch

Präventionsangebote | Seite 55

gruppenbasierten Behandlung Entwicklungsförderung erhalten (haben). Die Zahl der

in Anspruch nehmenden Familien ist jedoch zu klein, um valide differenzierte Aussa-

gen für die einzelnen Familien gruppen treffen zu können.

3.5 Welche Ursachen lassen sich identifizieren, die eine Inanspruchnahme strukturieren?

Die vorangegangenen Ausführungen zeigen sehr differenziert die Unterschiede bei

der Inanspruchnahme präventiver Angebote unterschiedlicher Familiengruppen auf.

Sie machen deutlich, dass sich die Inanspruchnahme von präventiven Angeboten ei-

nerseits zwischen „Familienformen in Risikolagen“ und „Familien mit Belastungen“

teils deutlich unterscheiden kann. Andererseits variiert die Inanspruchnahme nach

Angebotsbereichen bzw. sogar zwischen einzelnen Angeboten eines Angebotsbe-

reichs stark.

Aufseiten der Familie lassen sich dabei zum einen objektive Ressourcen, wie Bildung

und Einkommen, identifizieren, die eine Inanspruchnahme besonders häufig und

besonders stark beeinflussen. Zum anderen spielt aufseiten der Familie vielfach die

subjektive Problemwahrnehmung bzw. die Problemsensibilität eine Rolle. Je nach

Angebotsbereich nehmen diese Merkmale jedoch unterschiedlich Einfluss auf die In-

anspruchnahme. Während die soziökonomische Lage von „Familienformen in Risi-

kolagen“ vor allem bei der Inanspruchnahme von medizinischen und informierenden

Angeboten moderierend wirkt und sich in einer vergleichsweise schlechteren Inan-

spruchnahme widerspiegelt, ist es bei den beratenden und begleitenden Angeboten

die stärkere Reflexion bezüglich der eigenen Lebenslage durch „Familien mit Belas-

tungssituationen“, die zu einer etwas besseren Inanspruchnahme führt. Der Zugang

und die Nutzung von Gruppen- und Kursangeboten hingegen sind insgesamt stärker

sozial selektiv beeinflusst und betreffen Familien mit Risiken und Belastungen glei-

chermaßen. Das heißt es lassen sich Muster erkennen, die zum einen auf die Abhän-

gigkeit von der objektiven Ressourcenausstattung der Familien und zum anderen auf

die Abhängigkeit von ihrem Problembewusstsein verweisen.

Seite 56 | Präventionsangebote

Wie bereits in Abbildung 7 auf Seite 32 dargestellt, können Belastungs- und Risikola-

gen sich gegenseitig beeinflussen und auch untereinander bedingen. Für einige Fami-

liengruppen ergeben sich daher viele Überschneidungen bei den mit ihrer Lebenslage

verbundenen Risiken und Belastungen. So sind Alleinerziehende bspw. recht häufig

einkommensarm und empfinden unter Umständen auch Unsicherheiten in ihrer El-

ternrolle. Daher wird im Folgenden überprüft, wie die bisher einzeln betrachteten Fa-

miliengruppenmerkmale zusammenwirken und mit welchem Gewicht sie die Inan-

spruchnahme beeinflussen. Hierzu werden logistische Regressionsmodelle geschätzt

(vgl. Tabelle 4). Ihr Vorteil ist es, dass der einzelne, reine Einfluss eines Merkmals unter

Berücksichtigung aller anderen im Modell enthaltenen Merkmale berechnet werden

kann. Da bereits in den Einzelanalysen sehr unterschiedliche Nutzungsmuster für ver-

schiedene Angebotsarten nachzuweisen waren, werden die Modelle für ausgewählte

Angebotsarten separat geschätzt. Betrachtet werden Angebote, die zum einen in der

vorherigen Beschreibung auffällig waren und die zum anderen genügend Fallzahlen

und damit auch Interpretationspotenzial aufweisen.

Präventionsangebote | Seite 57

Tabelle 4: Risiko einer Nichtinanspruchnahme nach Angeboten (Eltern Dreijähriger)

Risiko einer Nichtinanspruchnahme

Familienformen in Risikolagen

Alleinerziehend 0.16***

Einkommensarm 1.64** 1.95*** 2.21*** 1.87*** 1.44* 0.37***

Migrationshintergrund 1.63* 1.62* 1.67* 1.64* 0.49*

Mehrkindfamilie 2.98*** 1.54* 2.41*

Niedrig qualifiziert 4.09*** 2.05*** 4.15*** 3.32*** 3.61*** 1.65*

Familien in Belastungssituationen

Dauerhafter Stress 1.67*

Fehlende Unterstützung 1.51* 0.58*

Multiple Sorgen/Probleme 1.54* 1.64*

Andere Familiensprache 2.00*** 2.57** 1.77*

Subjektive Armut 1.50* 1.77**

Unsicherheit Elternrolle

Erklärte Varianz (in Prozent) 23,2 8,0 25,5 23,4 22,7 8,4 21,8

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: Nur ausgewählte Angebote abgebildet.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Um nun herauszufinden, wie groß bspw. der separate Einfluss der Bildung auf die

Inanspruchnahme eines Angebots ist, werden alle anderen im Modell enthaltenen

Einflüsse konstant gehalten bzw. herausgerechnet. Auf diese Art und Weise ist es

möglich, das Risiko einer Nichtinanspruchnahme präventiver Angebote für die be-

trachteten Familienmerkmale je Angebot separat anzugeben. So können Barrieren

bzw. Chancen bei der Inanspruchnahme präventiver Angebote für die verschiedenen

Zielgruppen sehr differenziert aufgedeckt werden.

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Seite 58 | Präventionsangebote

In Tabelle 4 finden sich in der ersten Spalte die einzelnen Familiengruppen bzw. Grup-

penmerkmale und in den folgenden Spalten − jeweils bezogen auf ein anderes An-

gebot − die ausgewiesenen Risiken der jeweiligen Familien, ein Angebot aufgrund

ihres Gruppenmerkmals nicht in Anspruch zu nehmen.4 Die Betrachtung der Gesamt-

struktur zeigt zunächst eine deutliche Dominanz der sozioökonomischen Risikolagen

als Einflussfaktoren, insbesondere der Bildungsressourcen. Belastungen haben hinge-

gen einen vergleichsweise geringeren Einfluss auf das Risiko einer Nichtinanspruch-

nahme, sondern lösen sich nicht selten in den anderen Merkmalen als bestimmende

Größen auf. Wenngleich also der direkte Einfluss von Belastungen geringer ist, ver-

stärken Belastungen familiärer Risikolagen und wirken damit eher indirekt auf die In-

anspruchnahme präventiver Angebote. Im Folgenden wird das Risiko einer Nichtinan-

spruchnahme einerseits nach Gruppenmerkmalen und andererseits nach Angeboten

nochmals etwas differenzierter betrachtet.

Risiko einer Nichtinanspruchnahme nach Familiengruppen

Ins Auge fällt zunächst, dass Familien, in denen die Eltern eines Kindes über eine nied-

rige Qualifikation verfügen, bei präventiven Angeboten nahezu über alle Angebots-

arten hinweg ein vergleichsweise konstant hohes und höchst signifikantes Risiko

einer Nichtinanspruchnahme aufweisen. Bei einer niedrig qualifizierten Familie

liegt das Risiko, nicht an einem Geburtsvorbereitungskurs teilzunehmen, z. B. bei

dem 4,1-Fachen einer Familie mit einer höheren Qualifikation. Bei einem Kind, des-

sen Eltern über eine insgesamt niedrige Qualifikation verfügen, beträgt das Risiko,

nicht an einem (Sport- und Wohlfühl-)Angebot wie dem Babyschwimmen betei-

ligt zu sein, das 3,6-Fache des Risikos eines Kindes mit höher gebildeten Eltern. Ge-

rade Angebote also, deren Anspruch es ist, Eltern in ihren Kompetenzen zu stärken,

erreichen weniger qualifizierte Eltern besonders schlecht. Bildungsressourcen sind

bei der Inanspruch nahme präventiver Angebote demnach mit die entscheidendsten

Faktoren.

Aber auch andere ökonomische Ressourcen erweisen sich über die meisten Ange-

botsarten hinweg als hoch signifikante Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme:

4 Ausgewiesen werden lediglich signifikante Einflussmerkmale, d. h. Einflussmerkmale, deren Einfluss aus statistischer Sicht mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent oder mehr nicht zufällig ist.

Präventionsangebote | Seite 59

So ist das Risiko einer einkommensarmen Familie, kein Eltern-Kind-Programm in

Anspruch zu nehmen, um das 2,2-Fache höher als bei Familien, die nicht von Armut

betroffen sind. Auch das Risiko einer Nichtinanspruchnahme von medizinischen An-

geboten nach der Geburt, wie einem Säuglings- oder auch Rückbildungskurs, liegt

bei dem 1,9-Fachen des Risikos einer nicht armen Familie. Da einige Angebote auch

mit Kosten verbunden sind, kann vermutet werden, dass Kostengründe hier eine re-

levante Zugangshürde darstellen können.

Ebenfalls noch signifikant, wenn auch nur noch auf einem Niveau von fünf Prozent

und damit weniger maßgeblich, ist der Einfluss des Vorhandenseins eines Migrations-

hintergrunds. Für diese Familiengruppe fällt jedoch ins Auge, dass es auch Angebote

gibt, bei denen eine andere Familiensprache eine noch größere Barriere darstellt als

der Migrationshintergrund für sich betrachtet. So tragen Kinder von Eltern mit Mig-

rationshintergrund im Vergleich zu Kindern mit Eltern ohne diesen ein 1,7-faches Ri-

siko, nicht mit ihren Eltern an einem Eltern-Kind-Programm teilzunehmen. Demge-

genüber liegt das Risiko einer Nichtinanspruchnahme dieses Angebots bei Kindern,

in deren Familie (noch) eine andere Familiensprache als Deutsch gesprochen wird,

deutlich höher, und zwar beim 2,6-fachen Risiko eines Kindes, in dessen Familie nur

Deutsch gesprochen wird. Für die Inanspruchnahme von Eltern-Kind-Gruppen löst

sich der Effekt des Migrationshintergrunds sogar ganz in anderen Merkmalen, wie

der Familiensprache und dem soziökonomischen Hintergrund der Familie, auf. Dies

unterstützt die bereits im Vorangegangenen getroffene Aussage, dass das Merkmal

„Migrationshintergrund“ als Einflussfaktor insbesondere über die Kumulation von

Problem- und Belastungslagen verstanden werden muss und nichts als eigenstän-

diges auslösendes Merkmal für eine Nichtinanspruchnahme. Bei einigen Angebo-

ten bleibt jedoch ein signifikanter Einfluss des Migrationshintergrunds trotz Berück-

sichtigung der anderen Merkmale erhalten. Auch Sprachbarrieren und ökonomische

Benachteiligung erklären offenbar nicht vollständig die vergleichsweise niedrige In-

anspruchnahme präventiver Angebote durch Familien mit Migrationshintergrund.

Noch etwas anders sieht dies für Alleinerziehende aus. Das Merkmal „alleinerzie-

hend“ verliert in dieser multivariaten Betrachtung für fast alle betrachteten Ange-

botsarten seinen eigenständigen Einfluss auf das Risiko einer Nichtinanspruchnahme.

Die Lebenslage „Alleinerziehend“ muss demnach ebenfalls stärker als bisher über die

Seite 60 | Präventionsangebote

Kumulation von Problem- und Belastungslagen verstanden werden, da Zugangs- und

Nutzungsbarrieren für Angebote eher aus den letztgenannten Merkmalen und nicht

aus dem Status des Alleinerziehens erwachsen (vgl. hierzu Abbildung 7 auf S. 32).

Risiko eine Nichtinanspruchnahme nach Angeboten

Zwischen den Angeboten lassen sich allerdings teils deutlich unterschiedliche Effekte

bzw. Variationen in der Intensität der einzelnen Effekte erkennen. Dies lässt vermu-

ten, dass einige Angebote deutlich sozial selektiver sind als andere und Familien für

die Inanspruchnahme einiger Angebote offenbar mehr Ressourcen und Kompeten-

zen aufweisen müssen als für andere.

Zu Beginn werden diesbezüglich die medizinischen Angebote noch einmal differen-

zierter betrachtet (vgl. Tabelle 4). Nicht mit abgebildet sind die Angebote der Vorsor-

geuntersuchung sowie der Hebammenhilfe bzw. der Hebammenhilfe über die achte

Woche hinaus. Hier liegt die Inanspruchnahme der einzelnen Familiengruppen so nah

beieinander, dass es nicht sinnvoll ist, den Einfluss einzelner Merkmale zu überprü-

fen. Während diese Angebote, insbesondere aber das Angebot der Vorsorgeunter-

suchung, also kaum Familiengruppen benachteiligen, ist dies bei anderen medizini-

schen Angeboten schon eher zu beobachten. Speziell bei medizinischen Angeboten

nach der Geburt, wie bspw. Rückbildungs- oder Säuglingskursen, liegt das Risiko

einer Nichtinanspruchnahme für nahezu die Hälfte der betrachteten Familienmerk-

male um ein Vielfaches höher als für Familien, die sich in keiner dieser Risiko- oder

Belastungslagen befinden. Dabei ist es bei diesen Angeboten in besonderem Maße

der Mangel an sozioökonomischen Ressourcen, darunter vor allem der Bildungsres-

sourcen, der das Risiko einer Nichtinanspruchnahme steigen lässt.

Noch einmal deutlicher wird die soziale Selektivität einzelner Angebote bei den Kurs-

und Gruppenangeboten, wie Wohlfühlangeboten fürs Kind, Eltern-Kind-Program-

men oder auch Eltern-Kind-Gruppen. Neben den Bildungsressourcen einer Familie

fällt bei dieser Art von Angebot zusätzlich auch die ökonomische Situation der Fa-

milien noch stärker ins Gewicht. Einkommensarme Familien weisen im Vergleich zu

nicht armen Familien bspw. ein 2,2-faches Risiko auf, kein Eltern-Kind-Programm in

Anspruch zu nehmen. Über die objektive Lebens- und Ressourcenlage einer Familie

Präventionsangebote | Seite 61

hinaus erhöht bei dieser Art von Angeboten auch das Vorhandensein von Belastungs-

situationen das Risiko einer Nichtinanspruchnahme. Das Risiko einer Familie mit mul-

tiplen Problemen und Sorgen, kein Eltern-Kind-Programm in Anspruch zu nehmen, ist

um das 1,6-Fache höher als bei Familien, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft. Aber

auch die Sprache lässt sich als eine Barriere bei der Inanspruchnahme bei dieser Art

von Angeboten erkennen: Bei Familien, deren alltägliche Familiensprache nicht (nur)

Deutsch ist, liegt das Risiko, nicht an einer Eltern-Kind-Gruppe teilzunehmen bspw.

beim 1,8-Fachen einer Familie, die im Alltag ausschließlich Deutsch spricht.

Ein positives Gegenbeispiel, findet sich im Bereich der beratenden und begleitenden

Angebote: Eine Schwangerschaftsberatungsstelle ist ein für alle Rat suchenden Fa-

milien offenes und freiwilliges Beratungsangebot rund um die Themen Schwanger-

schaft und Familienplanung. Anders als bei den bisherigen Angeboten weisen ein-

zelne Familiengruppen in Risikolagen oder Belastungssituationen hier kein erhöhtes

Risiko einer Nichtinanspruchnahme auf. Es lässt sich hingegen feststellen, dass ein-

zelne sogar ein geringeres Risiko aufweisen und dieses Angebot damit insbesondere

auch belastete Familien besser erreicht. So haben z. B. Familien mit kleinen bzw. feh-

lenden Unterstützungsnetzwerken nur das 0,6-fache Risiko von Familien mit großen

bzw. ausreichenden Unterstützungsnetzwerken, dieses Angebot nicht in Anspruch

zu nehmen. Damit trifft ein höherer Bedarf an Beratung und Begleitung auch mit

einer höheren Inanspruchnahme zusammen. Auch Alleinerziehende, einkommens-

arme Familien sowie Familien mit Migrationshintergrund weisen im Vergleich zu Fa-

milien, die sich in keiner dieser Lebenslagen befinden, ein teils höchst signifikant ge-

ringeres Risiko einer Nichtinanspruchnahme für diese Angebotsart auf. Das heißt,

die Chancen für eine Inanspruchnahme sind besonders gut. Dies belegt sehr deut-

lich, dass Familien nicht nur die personenbezogenen Fähigkeiten, sondern vor allem

auch die institutionellen Möglichkeiten brauchen, um präventive Angebote erfolg-

reich nutzen zu können.

Seite 62 | Elternkompetenzen

4 Elternkompetenzen – eine Erklärung für eine (Nicht-)Inanspruchnahme?!

Den elterlichen Kompetenzen kommt eine Schlüsselrolle bei der Inanspruchnahme

präventiver Angebote zu. Darunter zu verstehen sind die komplexen und vielfälti-

gen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Eltern bei der Bewältigung ihrer Erziehungs-

aufgabe und ihrer Alltagsprobleme zur Verfügung stehen (Schneewind und Berkič

2007). Die Gesamtheit aller elterlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten lassen sich nach

Schneewind und Berkič (2007) in insgesamt vier übergreifende Kompetenzdimensi-

onen zusammenfassen: Selbstbezogene Kompetenzen beziehen sich auf das Wissen

der Eltern über die Entwicklung und den Umgang mit dem eigenen Kind sowie die

elterliche Fähigkeit, sich mit seinen eigenen Bedürfnissen, Werten und Emotionen

auseinanderzusetzen. Kindbezogene Kompetenzen versetzen Eltern hingegen in die

Lage, entwicklungsgerecht auf das Kind einzugehen, wohingegen kontextbezogene

Kompetenzen die elterliche Fähigkeit der Gestaltung von positiven Entwicklungs- und

Erfahrungskontexten für das Kind meint.

Für die konkrete Umsetzung der bisher genannten Kompetenzen sind nach Schnee-

wind und Berkič (2007) jedoch insbesondere handlungsbezogene Kompetenzen als

vierte Kompetenzdimension bedeutsam. Diese bilden die „Schnittstelle“ zur tatsächli-

chen Umsetzung von Absichten in konkrete Handlungen von Eltern (BZgA 2015: 42).

Handlungsbezogene Kompetenzen beschreiben dabei das Vertrauen in die eigenen

Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern und befähigen sie dazu, ihre

Absichten in die Tat umzusetzen (ebd.). Bedeutsam sind deswegen die Kontroll- und

Selbstwirksamkeitserwartung der Eltern in Bezug auf ihre eigenen Fähigkeiten und

Fertigkeiten sowie in Bezug auf die Bewältigung ihrer Elternrolle.

Auch eine erfolgreiche Inanspruchnahme benötigt nicht nur die Einsicht, dass Hilfe

gebraucht wird und sich als sinnvoll erweisen kann (vgl. hierzu auch Kohlscheen

2016), sondern überhaupt auch die elterlichen Fähigkeiten, Hilfe in Anspruch zu neh-

men. Handlungsbezogene Kompetenzen könnten demnach auch bei der Inanspruch-

nahme präventiver Angebote bedeutsam sein.

Elternkompetenzen | Seite 63

4.1 Handlungsbezogene Elternkompetenzen als Basis der Rolle des Inanspruchnehmers

Um die konkrete Bedeutung der handlungsbezogenen Fähigkeiten der Eltern im Pro-

zess der Inanspruchnahme analysieren zu können, wurden anhand verschiedener

Skalen im Fragebogen die Kontrollüberzeugung und die Selbstwirksamkeitserwar-

tung der Eltern, ihr allgemeines subjektives Wohlbefinden sowie ihr Kompetenzge-

fühl in der Elternrolle in Anlehnung an das Konzept von „handlungsbezogenen El-

ternkompetenzen“ von Schneewind und Berkič (2007) erhoben (vgl. hierzu Franzke

und Schultz 2015). Mithilfe dieser drei Dimensionen wird im Folgenden in einem ers-

ten Schritt untersucht, in welchem Zusammenhang die handlungsbezogenen Kom-

petenzen der Eltern mit der Inanspruchnahme präventiver Angebote stehen und wel-

che Dimensionen hierbei eine besondere Rolle spielen.

Handlungsbezogene Kompetenzen wirken jedoch nicht direkt, sondern vielmehr in-

direkt als Transmitter auf die Inanspruchnahme präventiver Angebote. Sie bilden die

Schnittstelle von der Handlungsabsicht in die konkrete Handlung und sind nicht los-

gelöst von den Lebensbedingungen der Familien. Letztere wiederum bilden den Ent-

wicklungskontext der Kinder und rahmen den Aktions- und Handlungsraum von Fa-

milien. In einem zweiten Schritt wird daher auch analysiert, welche von außen auf die

Familie einwirkenden bzw. durch ihre Lebenssituation entstehenden Faktoren Einfluss

auf die handlungsbezogenen Kompetenzen von Eltern nehmen.

Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeit

Während „internale Kontrollüberzeugung“ insbesondere die Selbstwirksamkeit

einer Person und ihr Vertrauen in das eigene Handeln und sein Bewirken meint, be-

schreibt „externale Kontrollüberzeugung“ das Ausmaß, in dem das eigene Handeln

als wenig einflussreich bzw. schicksalhaft erlebt wird (Rotter 1966). Die befragten El-

tern dreijähriger Kinder weisen dabei im Schnitt ein positives Selbstwertgefühl auf

und haben ein großes Vertrauen in ihr eigenes Handeln und ihre Fähigkeiten (vgl.

Abbildung 16). Während das Vertrauen der Eltern in ihre eigenen Fähigkeiten groß

ist, ist das Vertrauen in die Gesellschaft und ihre Chancengerechtigkeit im Durch-

schnitt etwas geringer. Nicht alle Eltern haben demzufolge den Eindruck, dass ihnen

Seite 64 | Elternkompetenzen

im Leben alle Möglichkeiten offen stehen und sie ihr Leben nach ihren Wünschen

gestalten können.

Abbildung 16: Mittelwertprofil Kontrollüberzeugung der Eltern Dreijähriger

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Mangelndes Selbstwertgefühl oder Perspektivlosigkeit können nicht nur allgemein

negativ auf die Lebensgestaltung mit Kindern und für Kinder einwirken, sondern sie

können sich auch negativ auf die Inanspruchnahme präventiver Angebote auswir-

ken. Wie Tabelle 5 zeigt, stehen insbesondere elterliche Zweifel an den eigenen Fä-

higkeiten und ihrem Einfluss in der Gesellschaft in einem Zusammenhang mit dem

Grad der Nutzung einzelner präventiver Angebote. Abgebildet sind ausgewählte An-

gebote, die in der vorherigen Beschreibung auffällig waren und die kein zu speziel-

les Beratungsangebot, wie bspw. die Schwangerschaftskonfliktberatung, darstellen.

Wenngleich nicht besonders stark, lässt sich bei einigen Angebotsarten eine teils

höchst signifikante negative Beziehung zwischen einer Inanspruchnahme präventiver

trifft gar nicht zutrifft voll zu1 532 4

Die meisten Probleme kann ich aus eigener Kraft gut meistern

Auch anstengende und komplizierte Aufgaben kann ich in der Regel gut lösen

In schwierigen Situationen kann ich mich auf meine Fähigkeiten verlassen

Mein Leben erscheint mir planbar

Mir stehen alle Möglichkeiten offen

Ich kann etwas erreichen, wenn ich es will

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Elternkompetenzen | Seite 65

Angebote (ja) und einer geringen elterlichen Kontrollüberzeugung nachweisen. Eine

geringe Kontrollüberzeugung kann demnach eine Nichtinanspruchnahme (mit-)be-

wirken. Wie stark der Zusammenhang zwischen der elterlichen Kontrollüberzeugung

und der Inanspruchnahme eines einzelnen Angebots ist, lässt sich anhand des jewei-

ligen Zahlwerts (Korrelationskoeffizient) in Tabelle 5 ablesen. Dieser kann zwischen

–1 (starker negativer Zusammenhang) und +1 (starker positiver Zusammenhang) lie-

gen; ein Zahlenwert von null bedeutet, dass kein statistischer Zusammenhang vor-

liegt. Wird ein Ergebnis hingegen als signifikant bezeichnet, handelt es sich nicht um

ein zufällig entstandenes Ergebnis aus der Stichprobe, sondern gilt mit einer Wahr-

scheinlichkeit von 95 Prozent und mehr auch für die Grundgesamtheit.

Tabelle 5: Korrelationen zwischen Kontrollüberzeugung und Inanspruch-nahme von präventiven Angeboten (Eltern Dreijähriger)

Angebotsart Inanspruchnahme präventiver AngeboteMangel Kontroll­überzeugung

medizinisch und informierend

Medizinische Angebote nach der Geburt –.13***

Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt n. s.

Hebammenhilfe vor der Geburt –.06*

Hebammenhilfe nach der Geburt bis zur 8.Woche –.06*

Geburtsvorbereitungskurs –.08**

Infoveranstaltungen zu Schwangerschaft und Geburt n. s.

Kurse und Gruppen

Eltern-Kind-Programme –.09***

Eltern-Kind-Gruppen n. s.

Sport- und Wohlfühlangebote fürs Kind –.11***

beratend und begleitend

Beratung in einer Schwangerschaftsberatungsstelle n. s.

Hebammenhilfe über 8.Woche hinaus/Familienhebamme n. s.

Erziehungsberatung n. s.

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %; n. s.= nicht signifikant

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: Nur ausgewählte Angebote abgebildet. Ein Mangel setzt sich hier sowohl aus einer gerin-gen internalen als auch externalen Kontrollüberzeugung zusammen.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Diese Ergebnisse betonen damit die Wichtigkeit der Stärkung der Eltern in ihrer

Kontroll überzeugung. Sie verdeutlichen noch einmal, dass es für die Inanspruch-

Seite 66 | Elternkompetenzen

nahme präventiver Angebote neben der objektiven Problemlage und der grund-

sätzlichen Einsicht der Familie, Hilfe zu benötigen, insbesondere auch die subjektive

Wahrnehmung der Familie braucht, dass ihre Situation einerseits grundsätzlich ver-

änderbar ist und sie diese Veränderung andererseits durch ihr eigenes Handeln be-

wirken können. Die Wichtigkeit der Beeinflussbarkeit einer Situation sowie die el-

terlichen Selbstwirksamkeitserwartungen bei der Inanspruchnahme präventiver

Angebote stellen auch die Ergebnisse der qualitativen Elterninterviews heraus (vgl.

hierzu Kohlscheen 2016). Auch sie betonen die Bedeutung der subjektiven Wahr-

nehmung einer Einflussnahme auf die Familiensituation und die Kindesentwicklung.

Die Analyse des Zusammenhangs von elterlicher Kontrollüberzeugung und elterli-

chem Verhalten im Rahmen der Familienbefragung zeigt darüber hinaus: Wer davon

überzeugt ist, Ereignisse kontrollieren zu können, und diese als Konsequenz seines

eigenen Verhaltens erlebt, fühlt sich signifikant zufriedener in seiner Elternrolle und

weist darüber hinaus auch ein insgesamt signifikant positiveres, kindzentrierteres und

sensitiveres Erziehungsverhalten auf (vgl. Tabelle A2 im Anhang).

Allgemeines Wohlbefinden

Eine weitere Einflussgröße, der im Rahmen der handlungsbezogenen Kompetenzen

von Eltern eine große Bedeutung zukommt, ist das allgemeine Wohlbefinden der El-

tern. Insgesamt sind die befragten Eltern mit Kindern im Alter von drei Jahren mit

ihrem Leben zufrieden (vgl. Abbildung 17).

Elternkompetenzen | Seite 67

Abbildung 17: Mittelwertprofil elterliche Lebenszufriedenheit (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Insbesondere die Beziehung zu verwandten bzw. nahestehenden Personen und be-

sonders zum eigenen Kind wird in diesem Zusammenhang positiv bewertet. Die Zu-

friedenheit mit einzelnen Lebensbereichen fällt dabei deutlich heterogener aus. So

wird bei den Familien vor allem ein subjektiv empfundener Mangel an finanziellen

Möglichkeiten, beruflichen Perspektiven und freier Zeit deutlich.

Die Beziehung zu meinem Kind ist gut

Die Beziehung zu meinem Vater/ meiner Mutter ist gut

Ich schätze meine Partnerschaft glücklich ein

Die Beziehung zu meinen Verwandten ist gut

Zufriedenheit mit … finanzieller Lage

Wohnsituation

Privatleben

Umfang freie Zeit

beruflichen Perspektiven

Lebenszufriedenheit insgesamt

trifft gar nicht zutrifft voll zu1 532 4

Sozia

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bere

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Seite 68 | Elternkompetenzen

Tabelle 6: Korrelationen zwischen Lebenszufriedenheit und Inanspruchnahme von präventiven Angeboten (Eltern Dreijähriger)

Angebotsart Inanspruchnahme präventiver AngeboteLebens­unzufriedenheit

medizinisch und informierend

Medizinische Angebote nach der Geburt –.19***

Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt n. s.

Hebammenhilfe vor der Geburt –.07*

Hebammenhilfe nach der Geburt bis zur 8.Woche –.06*

Geburtsvorbereitungskurs –.14***

Infoveranstaltungen zu Schwangerschaft und Geburt n. s.

Kurse und Gruppen

Eltern-Kind-Programme –.14***

Eltern-Kind-Gruppen –.12***

Sport- und Wohlfühlangebote fürs Kind –.16***

beratend und begleitend

Beratung in einer Schwangerschaftsberatungsstelle .20***

Hebammenhilfe über 8.Woche hinaus/Familienhebamme n. s.

Erziehungsberatung .07*

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %; n. s.= nicht signifikant

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: Nur ausgewählte Angebote abgebildet.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Warum dem allgemeinen elterlichen Wohlbefinden bei der Inanspruchnahme

präven tiver Maßnahmen eine große Bedeutung zukommt, wird bei Betrachtung von

Tabelle 6 deutlich. Die vielen teils höchst signifikanten Korrelationen zeigen, dass

auch eine geringe Lebenszufriedenheit, die das elterliche Wohlbefinden maßgeb-

lich bestimmt, negativ auf die Inanspruchnahme präventiver Angebote wirken kann.

Belastungen und erhöhte Anforderungen innerhalb des engeren sozial-emotionalen

Umfelds der Eltern können demnach Stressoren bilden, die die elterliche Aufmerk-

samkeit beanspruchen und damit weniger Raum für die Wahrnehmung und Umset-

zung der Bedürfnisse des Kindes lassen. Ähnlich der vorangegangenen Tabelle zum

Zusammenhang zwischen Kontrollüberzeugung und Inanspruchnahme finden sich

demnach auch Zusammenhänge zwischen der allgemeinen Zufriedenheit mit dem

eigenen Leben und der Inanspruchnahme präventiver Angebote.

Elternkompetenzen | Seite 69

Besonders deutlich wird der Einfluss des elterlichen Wohlbefindens auf die Inanspruch-

nahme präventiver Angebot bei den Kurs- und Gruppenangeboten, die gemein sam mit

dem Kind oder in Interaktion mit dem Kind in Anspruch genommen werden (vgl. Ab-

bildung 17). Wenngleich in seiner Intensität eher gering, findet sich hier bei allen drei

Angeboten dieser Art ein höchst signifikanter Zusammenhang. Herausstechend, weil

nicht dem allgemeinen Trend folgend, ist wieder das Angebot der Schwangerschaftsbe-

ratungsstelle. Hier zeigt sich, dass eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben signifi-

kant positiv mit einer Inanspruchnahme dieses Angebots einhergeht. Ist das allgemeine

Wohlbefinden der Eltern gestört, ist ihre Aufmerksamkeit zwar für allgemeine präven-

tive Angebote geringer, jedoch für problemlösende Angebote offenbar etwas größer.

Ähnliches zeigt sich für das Angebot der Erziehungsberatungsstelle. Keinerlei signifi-

kante Zusammenhänge zeigen sich bei Angeboten, deren Erreichungsgrad auch bei den

eher benachteiligten Familiengruppen bereits groß ist, bspw. bei der Vorsorgeuntersu-

chung (vgl. Kapitel 3.4).

Die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben bzw. mit einzelnen Lebensbereichen hat

darüber hinaus auch Einfluss auf das elterliche Erziehungsverhalten: Eine positive Be-

ziehung zu anderen Bezugspersonen, insbesondere zum eigenen Partner und Kind,

und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben sowie mit der eigenen Rolle als Mut-

ter oder Vater stärken ebenfalls ein für das Kind förderliches Erziehungsverhalten (vgl.

Tabelle A3 im Anhang). Unabdingbare Voraussetzung, um die Elternrolle umsetzen

zu können und angemessen auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen zu können,

ist demnach auch die Fähigkeit, für sich und sein eigenes Wohlbefinden zu sorgen.

Kompetenzgefühl in der Elternrolle

Das Kompetenzgefühl in der Elternrolle ist ein maßgeblicher Faktor für die Umsetzung

elterlicher Kompetenzen im Erziehungsalltag. Sind Eltern subjektiv von ihrer elterlichen

Kompetenz überzeugt und haben sie den Eindruck, dass sie die Erziehung und Versor-

gung ihres Kindes gut meistern, zeigen sie ein stärker positives, kindzentriertes sowie

anregendes und unterstützendes Erziehungsverhalten (vgl. Tabelle A4 im Anhang). Die-

ser Einfluss ist ebenfalls signifikant. Ein insgesamt entwicklungsförderliches Verhalten

zeigen Eltern insbesondere dann, wenn sie positive Gefühle mit ihrer Elternrolle verbin-

den und ihre Position als Eltern nicht als Einschränkung oder Ausgrenzung wahrneh-

Seite 70 | Elternkompetenzen

men. Ein hohes Selbstwirksamkeitsgefühl steht dabei in einem (signifikant) positiven

Zusammenhang mit einer hohen elterlichen Kompetenzüberzeugung.

Abbildung 18: Verteilung Kompetenzgefühl in der Elternrolle (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Eine Aufwertung und Stärkung der Eltern in ihrer Persönlichkeit würde sich demnach

auch aufwertend und stärkend auf die subjektive Wahrnehmung elterlicher Kompe-

tenzen auswirken. Auch das Vorhandensein von unterstützenden Netzwerken im un-

mittelbaren sozial-emotionalen Umfeld der Eltern hat einen positiven Effekt auf ihre

subjektiv wahrgenommene Erziehungs- und Versorgungskompetenz sowie ihre allge-

1. Elterliches Kompetenzgefühl

Ich fühle mich der Betreuung und Erziehung der Kinder gewachsen

Mutter/Vater zu sein, ist schwieriger als ich dachte

Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob ich den Anforderungen als Mutter/Vater

wirklich gewachsen bin

2. Ausgrenzungsgefühle durch Elternrolle

Ich habe das Gefühl, als Vater/Mutter auf vieles verzichten zu müssen

Ich fühle mich durch die Verantwortung als Mutter/Vater manchmal eingeengt

Seit ich Mutter/Vater bin, ist es schwierig für mich, neue Kontakte zu knüpfen

3. Subjektive Erziehungs­ und Versorgungskompetenz

Es fällt mir manchmal schwer, herauszufinden, was mein Kind braucht

Wenn ich wütend bin, fasse ich mein Kind manchmal härter an, als ich es möchte

Es ist schon mal passiert, dass ich nicht genü-gend Nahrung für mein Kind zu Hause hatte

trifft (eher) zu teils/teils trifft (eher) nicht zu0 % 20 % 40 % 60 % 100 %80 %

88 10 3

22 29 48

9 14 77

22 33 46

12 22 66

10 13 77

3 6 91

3 11 87

11 98

Elternkompetenzen | Seite 71

meine Einschätzung ihrer Elternrolle: Je positiver die Beziehung zu nahestehenden Per-

sonen, desto eher fühlen sich Eltern in der Elternrolle sicher (vgl. Tabelle A4 im Anhang).

Die meisten Eltern dreijähriger Kinder geben dabei an, dass sie sich der Betreuung

und Erziehung der Kinder gewachsen fühlen (88 Prozent; vgl. Abbildung 18). Nichts-

destotrotz gehören Unsicherheiten und Belastungen im Zusammenhang mit der El-

ternrolle bei vielen Familien zum Alltag. Während Anzeichen für eine Überlastung

der Eltern in ihrer Erziehungs- und Versorgungskompetenz eher selten zu finden

sind, nehmen Familien mit der Elternrolle verbundene Ausgrenzungsgefühle häufiger

wahr. Etwa die Hälfte von ihnen hat zumindest in Teilen das Gefühl, als Elternteil auf

vieles verzichten zu müssen. Annähernd genauso viele Eltern geben an, dass sie sich

die Elternrolle teils einfacher vorgestellt haben und etwa jedes vierte Elternteil gibt

an, dass es sich den Anforderungen als Mutter oder Vater teils nicht gewachsen fühlt.

Tabelle 7: Korrelationen zwischen elterlichem Ausgrenzungsgefühl und Inanspruchnahme von präventiven Angeboten (Eltern Dreijähriger)

Angebotsart Inanspruchnahme präventiver AngeboteAusgrenzungs­gefühl

medizinisch und informierend

Medizinische Angebote nach der Geburt –.06*

Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt n. s.

Hebammenhilfe vor der Geburt n. s.

Hebammenhilfe nach der Geburt bis zur 8.Woche –.08**

Geburtsvorbereitungskurs n. s.

Infoveranstaltungen zu Schwangerschaft und Geburt n. s.

Kurse und Gruppen

Eltern-Kind-Programme n. s.

Eltern-Kind-Gruppen n. s.

Sport- und Wohlfühlangebote fürs Kind –.09**

beratend und begleitend

Beratung in einer Schwangerschaftsberatungsstelle .10***

Hebammenhilfe über 8.Woche hinaus/Familienhebamme n. s.

Erziehungsberatung .13***

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %; n. s.= nicht signifikant

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: Nur ausgewählte Angebote abgebildet.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Seite 72 | Elternkompetenzen

Bringt man diese Einschätzung wieder in einen Zusammenhang mit der Nutzung

bzw. Nichtnutzung von präventiven Angeboten, zeigen sich jedoch keine bis wenige

schwache Zusammenhänge. Ähnlich dem Zusammenhang zwischen der Inanspruch-

nahme präventiver Angebote und der elterlichen Lebenszufriedenheit lässt sich le-

diglich für einzelne Angebote, wie der Schwangerschaftsberatungsstelle oder der

Erziehungsberatung, erkennen, dass sich eine Unsicherheit in der elterlichen Kom-

petenzüberzeugung positiv auf die Inanspruchnahme dieser Angebote auswirkt. Da-

rüber hinaus zeigt sich, dass die Nichtinanspruchnahme von Angeboten, wie bspw.

der Hebammenhilfe nach der Geburt, mit einem höheren Ausgrenzungsgefühl der

Eltern in Zusammenhang steht (vgl. Tabelle 7).

Zusammenfassend lässt sich sagen: Während das Kompetenzgefühl in der Elternrolle

insbesondere moderierend für das Erziehungsverhalten der Eltern ist, nehmen elterliche

Selbstwirksamkeit und Lebenszufriedenheit als Ausdruck der handlungsbezogenen elter-

lichen Kompetenzen auch im Prozess der Inanspruchnahme einen hohen Stellenwert ein.

4.2 Elternkompetenzen als Produkt familiärer Lebensbedingungen

Welchen konkreten Einfluss haben die handlungsbezogenen Kompetenzen der El-

tern nun auf die Inanspruchnahme von Präventionsangeboten? Im Folgenden wird die

Analyse wieder erweitert und danach gefragt, in welchem Maße die unterschiedlichen

Dimensionen Einfluss auf die Inanspruchnahme von präventiven Angeboten nehmen.

Hierzu wurden wiederum multivariate Regressionsmodelle für alle Angebote heran-

gezogen. Zwar ergibt sich, dass die elterliche Lebenszufriedenheit und die Kontroll-

überzeugung der Eltern, wie durch die Zusammenhangsanalysen indiziert, teils einen

signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme präventiver Angebote haben und Fa-

milien mit eingeschränkten handlungsbezogenen Kompetenzen ein erhöhtes Risiko

einer Nichtinanspruchnahme tragen. Die Erklärungskraft dieser Modelle ist jedoch mit

höchstens sieben Prozent erklärter Varianz insgesamt sehr gering und der direkte Bei-

trag, den die Dimensionen handlungsbezogener Elternkompetenz zur Erklärung einer

Nichtinanspruchnahme von Präventionsangeboten beitragen, demnach recht klein.

Dies lässt sich insbesondere darauf zurückführen, dass elterliche Handlungskompe-

tenzen nicht direkt im Inanspruchnahmeprozess wirken, sondern vielmehr indirekt

Elternkompetenzen | Seite 73

als Transmitter. Sie wirken demnach nicht grundsätzlich und direkt, sondern lediglich

unter bestimmten Bedingungen hinderlich auf die Inanspruchnahme.

Elternkompetenzen als Transmitter einer Inanspruchnahme

Elterliche Handlungskompetenzen erfahren durch die Bedingungen, unter welchen

Familien ihr Leben gestalten, also eine wesentliche Rahmung; einerseits eröffnen sie

Handlungsspielräume und Zukunftsperspektiven, können diese andererseits aber

auch verschließen (BMFSFJ 2005). Insbesondere ungünstige Lebensbedingungen und

belastende Lebensereignisse können demnach Einfluss auf die elterlichen handlungs-

bezogenen Kompetenzen nehmen und damit auch Einfluss auf das Erziehungsver-

halten und letztendlich die Entwicklung des Kindes haben. Das wiederum wirkt sich

dann auf die Nutzung oder Nichtnutzung präventiver Angebote aus. Welchen Ein-

fluss sowohl die Risikolagen als auch die Belastungssituationen, in denen Familien

sich befinden können, auf die handlungsbezogenen Elternkompetenzen und ihre ein-

zelnen Dimensionen haben können, zeigt Abbildung 19.

Insbesondere Elternteile, die dauerhaft Stress ausgesetzt sind, bspw. durch Zeit-

druck, hohe Anforderungen an ihre Persönlichkeit oder die Vereinbarkeit von Beruf

und Familie, weisen im Vergleich durchschnittlich etwas niedrigere handlungsbezo-

gene Kompetenzen auf als Elternteile, die weniger durch Stress belastet sind (vgl.

Abbildung 19). Dabei lässt sich hier lediglich ablesen, dass gestresste Eltern gemin-

derte Handlungskompetenzen aufweisen; ob Stress einen Einfluss auf die handlungs-

bezogenen Kompetenzen von Eltern hat oder ob sich Familien mit verminderten

handlungsbezogenen Kompetenzen schneller gestresst fühlen, lässt sich hier nicht

differenzieren. Andauernder Stress, aber auch multiple Sorgen und Probleme beein-

trächtigen die Lebenszufriedenheit und vermitteln den Betroffenen das Gefühl, dass

ihr Leben von äußeren Bedingungen gesteuert wird. Aber auch das Kompetenzge-

fühl der Eltern leidet unter Stress: Gestresste Eltern fühlen sich den elterlichen An-

forderung durchschnittlich weniger gewachsen und manchmal auch überlastet (vgl.

Abbildung 19).

Seite 74 | Elternkompetenzen

Abbildung 19: Spannweite handlungsbezogener Kompetenzen (Eltern Dreijähriger)

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Auch Elternteile, die eine Unsicherheit in ihrem Kompetenzgefühl angeben, weisen

teils geringere handlungsbezogene Kompetenzen auf (vgl. Abbildung 19). Dies ist

insofern erstaunlich, als dass diese bei der Inanspruchnahme präventiver Angebote

zwar auch benachteiligt, aber insgesamt doch auffällig häufiger vertreten waren (vgl.

Kapitel 3.4). Ähnlich stark wie gestresste Familien fühlen sie sich durch ihre Eltern-

rolle ausgegrenzt und äußern das Gefühl, durch die Verantwortung als Mutter oder

Vater manchmal eingeschränkt zu sein und auf vieles verzichten zu müssen. Bereits

bei der Analyse der Ursachen für oder gegen eine Inanspruchnahme präventiver An-

gebote zeigte sich jedoch, dass das reine Kompetenzgefühl in der Elternrolle kei-

nen eigenständigen Einfluss auf die Inanspruchnahme präventiver Angebote nimmt

bzw. in anderen Faktoren aufgeht (vgl. Kapitel 3.5). Hingegen korreliert das elterli-

che Kompetenzgefühl in hohem Maße mit dem Selbstwirksamkeitsgefühl der Eltern

(vgl. Tabelle A4 im Anhang).

RisikolagenAlleinerziehend Einkommensarm Mehrkindfamilie Migrationshintergrund Niedrige Qualifikation

BelastungssituationenAndere Familiensprache Dauerhafter Stress Fehlende Unterstützung Multiple Sorgen/Probleme

Subjektive Armut Unsicherheit Elternrolle Alle Familien

Elterliches Kompetenzgefühl

Subjektive Erziehungs- und Versorgungskompetenz

Ausgrenzungsgefühle durch Elternrolle

Internale Kontrollüber zeugung/

SelbstwirksamkeitExternale

Kontrollüberzeugung

Allgemeine Lebenszufriedenheit

1 2 3 4 5niedrig hoch

Elternkompetenzen | Seite 75

Wenngleich insbesondere diese zwei Belastungen herausstechen, bilden alle abge-

bildeten Belastungssituationen, die Familien im Alltag temporär begegnen oder ggf.

auch langfristig begleiten können, eine Beeinträchtigung für die handlungsbezoge-

nen Kompetenzen der Eltern. Bei allen sechs Dimensionen sind die durchschnittlichen

Werte problembelasteter Eltern insgesamt geringer als die Werte aller befragten Eltern

(vgl. Abbildung 19). So zeigt sich auch hier das klassische Präventionsdilemma, aber in

einer anderen Form: Demnach sind es gerade die Belastungen und Faktoren, die eine

Inanspruchnahme präventiver Angebote indizieren, die es auch verhindern, dass sich

Handlungskompetenzen angemessen entfalten und präventive Angebote breiter in An-

spruch genommen werden können.

Elternkompetenzen als Produkt familiärer Lebensbedingungen

Um zu identifizieren, welche Ressourcen von Familien hier eine besondere Rolle spie-

len, und auch herausstellen zu können, welche Faktoren die elterlichen handlungs-

bezogenen Kompetenzen in welchem Ausmaß moderieren, wurden wiederum logis-

tische Regressionsmodelle geschätzt (vgl. Tabelle 8).

Sie zeigen: Das Risiko einer geminderten handlungsbezogenen Elternkompetenz,

welche als Schnittstelle zwischen beabsichtigter und tatsächlicher Handlung gelten

kann, variiert dabei vor allem nach der Belastungslage von Familien. In Tabelle 8 fin-

den sich die Merkmale der einzelnen Belastungen und Risikolagen sowie ihr ausge-

wiesenes Risiko einer geminderten handlungsbezogenen Elternkompetenz für vier

handlungsbezogene Kompetenzdimensionen. Nicht abgebildet ist die Dimension

„Subjektive Erziehungs- und Versorgungskompetenz“, weil diese zu wenig Varianz

und damit auch zu wenig Interpretationspotenzial aufweist. Ausgewiesen werden

ferner lediglich signifikante Einflussmerkmale.

Seite 76 | Elternkompetenzen

Tabelle 8: Risiko einer geminderten handlungsbezogenen Elternkompetenz (Eltern Dreijähriger)

Risiko einer geminderten handlungsbezogenen Elternkompetenz

Familienformen in Risikolagen

Alleinerziehend 2.43*

Einkommensarm 2.43**

Migrationshintergrund

Mehrkindfamilie

Niedrig qualifiziert

Familien in Belastungssituationen

Dauerhafter Stress 4.48*** 5.90*** 4.37*** 2.17***

Fehlende Unterstützung 3.82*** 1.53*

Multiple Sorgen/Probleme 3.44*** 2.14***

Andere Familiensprache 2.14**

Subjektive Armut 5.42*** 2.13***

Unsicherheit Elternrolle – 2.57*** 3.15***

Erklärte Varianz (in Prozent) 9,8 14,7 44,7 20,3

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Es sind vor allem die subjektiv wahrgenommenen Belastungen von Eltern, die danach

einen Einfluss auf ihre handlungsbezogenen Fähigkeiten haben. Ohne den Einbezug

der subjektiven Belastungen in das Regressionsmodell ist bspw. die Erklärungskraft

des Modells „geringe Kompetenzüberzeugung“ (letzte Spalte in Tabelle 8) mit unter

drei Prozent sehr gering und ein signifikant erhöhtes Risiko einer geringen Kontroll-

überzeugung bei alleinerziehenden und einkommensarmen Eltern zu finden. Der

Einbezug der Belastungssituationen trägt signifikant zur Verbesserung dieses Mo-

dells und seiner Erklärungskraft (20 Prozent) bei. Darüber hinaus zeigt sich, dass es

nicht die Lebenslage an sich ist, die mit einer geringen Kontrollüberzeugung einher-

geht, sondern dass es die damit verbundenen Belastungen und deren Kumulation

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gung

Elternkompetenzen | Seite 77

sind. Beide Risikolagen verlieren ihren eigenständigen Effekt und gehen ganz in den

anderen Belastungsmerkmalen auf. Diese Effekte lassen sich auch bei den anderen

Modellen feststellen.

Wie bereits vermutet, lässt sich für Elternteile, die dauerhaft Stress ausgesetzt sind,

über alle Dimensionen ein signifikant erhöhtes Risiko für geminderte handlungsbe-

zogene Elternkompetenzen feststellen. So liegt bspw. das Risiko, sich aufgrund der

Elternrolle ausgegrenzt zu fühlen, für gestresste Eltern bei dem 5,9-Fachen eines El-

ternteils, das nicht dauerhaftem Stress ausgesetzt ist. Stress hat aber auch signifi-

kante Konsequenzen für die Lebenszufriedenheit der Eltern: Gestresste Eltern weisen

im Vergleich zu Eltern mit weniger Stress ein 4,4-faches Risiko auf, weniger zufrie-

den mit ihrem Leben zu sein. Auswirkungen hat dies auch auf das Vertrauen in das

eigene Handeln und die Rolle als Eltern.

Nahezu alle Belastungen wirken sich signifikant auf die Lebenszufriedenheit und die

Kontrollüberzeugung der Eltern aus. Ein hoch signifikanter Einflussfaktor für die Le-

benszufriedenheit sind dabei die ökonomischen Verhältnisse der Familien. Dabei geht

es jedoch weniger um die objektiven Verhältnisse, in denen Familien leben, sondern

vielmehr darum, wie belastend die ökonomische Situation von den Familien bewer-

tet wird. So liegt das Risiko einer geminderten Lebenszufriedenheit bei Familien, die

sich subjektiv von Armut betroffen fühlen, beim 5,4-Fachen einer Familie, die sich

nicht betroffen fühlt, und damit insgesamt mehr als doppelt so hoch wie bei einer

Familie, die objektiv von Armut betroffen ist.

Eltern mit einer anderen Familiensprache folgen diesem allgemeinen Trend nicht. So

weisen Familien, in denen (noch) eine andere Familiensprache als Deutsch gespro-

chen wird, im Vergleich zu einer Familie, in der nur Deutsch gesprochen wird, ledig-

lich ein 2,1-faches Risiko auf, sich ausgegrenzt zu fühlen. Hingegen lässt sich das

Merkmal „Migrationshintergrund“ in diesem Zusammenhang nicht als eigenständi-

ger Einflussfaktor auf das Risiko, sich ausgegrenzt zu fühlen, nachweisen. Insgesamt

werden die theoretischen Annahmen zur Transmitterstellung der elterlichen Kompe-

tenzen mit diesen empirischen Ergebnissen nachdrücklich bestätigt.

Seite 78 | Elternkompetenzen

4.3 Elternkompetenzen brauchen Handlungsspielräume zur Entfaltung

„Je mehr externe Stressoren auf das Familiensystem einwirken, desto schwieriger

wird es für die Eltern, ihre Kompetenzen aufrechtzuerhalten bzw. zu entfalten“ (BZgA

2015: 48). Subjektive Belastungen bilden nachweislich eine Beeinträchtigung für die

handlungsbezogenen Kompetenzen der Eltern. Eine Kumulation dieser Belastungen

lässt sich aber besonders bei den klassischen Zielgruppen präventiver Arbeit finden.

Dieser Tatbestand beinhaltet jedoch auch eine Chance, bilden Belastungssituationen

anders als Risikolagen doch konkrete Anknüpfungspunkte für kommunale Prävention.

Risikolagen als eine Kumulation von Belastungssituationen

Finanzielle Unsicherheiten, Auseinandersetzungen mit dem ehemaligen Partner und

Umstrukturierungen des Alltags sind Belastungen, denen vor allem alleinerziehende

Elternteile im Alltag vermehrt gegenüberstehen. Bereits das in diesem Werkstattbe-

richt eingangs vorgestellte Belastungsprofil nach Risikolagen machte deutlich, dass

sich insbesondere alleinerziehende Elternteile subjektiv mit vielen Problemen und Sor-

gen belastet sehen (vgl. Abbildung 7, S. 32). Betrachtet man die eingangs beschrie-

benen klassischen Zielgruppen präventiver Arbeit, sind es demnach vor allem alleiner-

ziehende Eltern, die im Vergleich für sich selbst die geringsten handlungsbezogenen

Kompetenzen angeben (vgl. Abbildung 19, S.74). Wenngleich sie von ihren persön-

lichen Fähigkeiten überzeugt sind, scheinen es vor allem die äußeren Umstände im

Leben der Alleinerziehenden zu sein, die ihr elterliches Kompetenzgefühl sowie ihre

allgemeine Lebenszufriedenheit mindern und damit ihre Handlungskompetenzen

einschränken. Subjektive Belastungsgefühle durch finanzielle Sorgen, andere beun-

ruhigende Probleme, Unsicherheiten mit der Elternrolle und Stress sind bei ihnen am

stärksten ausgeprägt.

Gestaltungspessimismus und eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem eigenen

Leben sind hingegen Aspekte, die auch bei einkommensarmen Familien etwas stärker

ausgeprägt sind als bei allen befragten Familien. Sie sind tagtäglich mit materiellen

Einschränkungen konfrontiert, die Benachteiligungen in kulturellen, gesundheitlichen

und sozialen Bereichen nach sich ziehen und ihnen geringere Handlungsspielräume

Elternkompetenzen | Seite 79

ermöglichen. Indes sind Ausgrenzungsgefühle auch bei Familien mit niedriger Qua-

lifikation weit verbreitet. Auch hier machte bereits das eingangs vorgestellte Belas-

tungsprofil nach Risikolagen deutlich, dass bildungsferne Familien sich von vielerlei

Belastungen betroffen fühlen und im Vergleich die geringsten Möglichkeiten und

Netzwerke aufweisen, die sie im Alltag unterstützen könnten (vgl. Abbildung 7,

S. 32). Familien mit Migrationshintergrund, aber auch Mehrkindfamilien sind in

Bezug auf ihre handlungsbezogenen Kompetenzen insgesamt weniger auffällig,

gleichwohl auch sie von Belastungen betroffen sind (vgl. ebd.).

Belastungssituationen als konkrete Ansatzpunkte kommunaler Prävention

In ihrer Elternkompetenz gestärkte Eltern sind einer der wichtigsten Schutzfaktoren

für das gesunde Aufwachsen von Kindern. Kompetente Eltern weisen ein positiveres,

kindzentrierteres, sensitiveres und damit insgesamt entwicklungsförderlicheres Erzie-

hungsverhalten auf und sind darüber hinaus in der Lage, nicht nur einzusehen, wann

Hilfe gebraucht wird, sondern besitzen zudem auch die Fähigkeit, Hilfe in Anspruch

zu nehmen. Elternkompetenzen brauchen jedoch auch Handlungsspielräume für ihre

Entfaltung. Besonders bei „Familienformen in Risikolagen“ ist allerdings eine Kumu-

lation von Belastungssituationen anzufinden, die die handlungs bezogenen Kompe-

tenzen von Eltern einschränken.

Gleichwohl die mit einer bestimmten Lebenslage einhergehenden Risiken und Be-

nachteiligungen nur schwer direkt durch präventive Angebote beeinfluss- bzw. be-

hebbar sind, da diese die gesamte Lebenssituation der Familien betreffen und häufig

dauerhaft wirksam sind, bilden die mit einer Lebenslage einhergehenden Belastungs-

situationen konkrete Ansatzpunkte für kommunale Prävention. Die angeführten Be-

lastungssituationen, wie bspw. unzureichende Deutschkenntnisse, mangelnde Un-

terstützungsnetzwerke oder Unsicherheiten in der Elternrolle, die Familien sowohl

lang- als auch kurzfristig betreffen können, sind konkreter Natur und damit durch

kommunale Akteure und Angebote besser adressierbar als durch Alleinerziehende

oder Familien mit Migrationshintergrund als Familiengruppen. Einerseits ist es mög-

lich, direkt an diesen belastenden Problemen von Familien anzusetzen und ihnen un-

mittelbare Hilfestellungen anzubieten. Nach Nagy (2016: 41) können insbesondere

Angebote des Gesundheitssektors sowie spezielle Beratungs- und Unterstützungsan-

Seite 80 | Elternkompetenzen

gebote helfen, eine „Verbesserung der ursprünglichen Problemlage“ herbeizuführen.

Andererseits können Kommunen präventiv einwirken, indem sie Eltern in ihrer Per-

sönlichkeit und in ihren Kompetenzen stärken. Dies kann die Benachteiligung einer

bestimmten Lebenslage zwar nicht beheben, aber dazu beitragen, dass Eltern mit

den Belastungen umgehen können, die von außen auf sie einwirken oder im Famili-

enalltag bzw. durch ihre Lebenssituation entstehen. In diesem Zusammenhang führt

Nagy (2016: 43) an, dass Elternbildung in Form von Elternkursen sowie allgemeinen

Beratungs- und Unterstützungsangeboten, bspw. Erziehungs- und Beratungsstellen,

dazu beitragen kann, dass Eltern „durch eine Veränderung der elter lichen Problem-

sicht der Umgang mit der Situation […] erleichtert [wird]“. Hingegen können auf In-

formation und Wissen ausgerichtete Angebote, wie bspw. der Geburtsvorbereitungs-

kurs, die Hebammenhilfe oder auch Eltern-Kind-Gruppen, „einen Wissensgewinn für

die Familien bedeuten und gleichzeitig Handlungsoptionen erweitern“ (ebd.: 44).

Wichtig für die Inanspruchnahme präventiver Angebote ist neben einem bedarfs-

gerechten problemzentrierten Angebot demnach, Familien in ihren handlungsbe-

zogenen Kompetenzen zu stärken und sie damit überhaupt in die „Rolle des Inan-

spruchnehmers“ zu versetzen. Dies bildet den Grundstein dafür, dass sie anhand der

erworbenen Kompetenzen Hilfesituationen vermeiden können bzw. diese als sol-

che erkennen und bei Bedarf freiwillig weitere Unterstützungsangebote in Anspruch

nehmen.

Was beeinflusst die Inanspruchnahme? | Seite 81

5 Was beeinflusst die Inanspruchnahme? – Ein Fazit für die Kohorte der Dreijährigen

Präventive Angebote werden von den befragten Familien mit dreijährigen Kindern

insgesamt breit in Anspruch genommen. Differenziert betrachtet zeigt sich jedoch,

dass sich die Inanspruchnahme von präventiven Angeboten einerseits deutlich zwi-

schen einzelnen Familiengruppen unterscheidet, andererseits aber auch stark nach

den einzelnen Angebotsarten variiert. Während insbesondere sozialmedizinische An-

gebote auch benachteiligte Familien sehr gut erreichen, werden gerade Angebote,

deren Anspruch es ist, Eltern in ihren elterlichen Kompetenzen zu stärken, deutlich

häufiger von Mittelschichtfamilien frequentiert. Im Hypothesengerüst der Familien-

befragung wurde davon ausgegangen, dass die zur Verfügung stehenden Ressour-

cen der Familie sowie die binnenfamilialen Strukturen und Beziehungen moderie-

rende Faktoren für die Handlungs- und Erziehungskompetenzen der Eltern und

damit auch für die Inanspruchnahme sozialpräventiver Angebote und Maßnahmen

sind. Anhand des Datenmaterials lassen sich diese Annahmen empirisch nachdrück-

lich bestätigen und damit die Ressourcen identifizieren, die in diesem Prozess eine

besondere Rolle spielen.

Aufseiten der Familie lassen sich dabei zum einen objektive Ressourcen identifizieren,

die eine Inanspruchnahme beeinflussen. Den stärksten Einfluss auf die Inanspruch-

nahme präventiver Angebote haben dabei in der Regel die Bildungsressourcen der

Eltern. Das Risiko einer Nichtinanspruchnahme präventiver Angebote liegt bei Fami-

lien, in denen sowohl Mutter als auch Vater eine niedrige Qualifikation aufweisen,

im Vergleich am höchsten. Zum anderen spielt aufseiten der Familie aber auch die

Wahrnehmung von Problemen bzw. ihre Problemsensibilität eine nicht unwesentli-

che Rolle. In der Inanspruchnahme unterscheiden sich Familien mit zugeschriebenen

und mit selbst wahrgenommenen Bedarfen daher deutlich. Familien in subjektiv emp-

fundenen Belastungssituationen reflektieren ihre Lage nicht nur stärker, sondern neh-

men auch häufiger problemlösende Angebote in Anspruch.

Neben der Ressourcenlage und der Belastungssituation erweisen sich auch elterli-

che Handlungskompetenzen als nicht zu unterschätzende Einflussfaktoren auf eine

Seite 82 | Was beeinflusst die Inanspruchnahme?

Inanspruchnahme präventiver Angebote. So nehmen in erster Linie das Vertrauen in

die eigenen Handlungskompetenzen sowie die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben

einen wichtigen Stellenwert bei der erfolgreichen Inanspruchnahme präventiver An-

gebote ein, wenngleich diese nicht direkt wirksam werden. Elterliche Kompetenzen

erfahren vielmehr durch die Bedingungen, unter welchen Familien ihr Leben gestal-

ten, eine wesentliche Rahmung. Dabei sind es vor allem die subjektiv wahrgenom-

men Belastungen von Eltern, die Einfluss auf ihre handlungsbezogenen Fähigkeiten

haben und damit indirekt eine Inanspruchnahme lenken. Eine Kumulation dieser Be-

lastungen lässt sich insbesondere bei den klassischen Zielgruppen präventiver Arbeit,

bspw. Alleinerziehenden und Eltern mit niedriger Qualifikation, finden.

Während sich an der Risikolage bestimmter Familiengruppen, wie Familien mit Mig-

rationshintergrund oder Alleinerziehende, und der damit verbundenen Ressourcen-

lage wenig ändern lässt, bilden die subjektiven Belastungssituationen von Familien

hingegen einen guten Anknüpfungspunkt für präventive Maßnahmen. Einerseits ist

es möglich, direkt an den Belastungen der Familien anzuknüpfen und diese, bspw.

durch Sprachkurse, Problembearbeitung oder auch Entlastung im Alltag, für sie zu

mindern. Andererseits kann aber auch an den Kompetenzen der Eltern angesetzt

werden. Insbesondere Elternbildungsangebote können dazu beitragen, dass Eltern

mit den auf sie einwirkenden Belastungen umgehen können und die elterlichen

Handlungskompetenzen stärken. Sie sind Voraussetzung, um die Rolle des Inan-

spruchnehmers überhaupt einnehmen zu können.

Die Autorinnen | Seite 83

Die Autorinnen

Annett Schultz ist Geschäftsführerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fak-

tor Familie GmbH. Sie verantwortet das Modul „Familienbefragung“ im Rahmen der

wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Kein Kind zurücklassen!

Kommunen in NRW beugen vor“ (KeKiz).

Annette Franzke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Faktor Familie GmbH in

Bochum. Sie arbeitet im Modul „Familienbefragung“ im Rahmen der wissenschaft-

lichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Kein Kind zurücklassen! Kommunen

in NRW beugen vor“ (KeKiz).

Seite 84 | Anhang

Anhang

Tabelle A1: Zusammentreffen von Risikolagen und Belastungssituationen bei Familien mit Dreijährigen

Risikolagen

BelastungssituationenDauer­hafte Stressaus­setzung

Fehlende Unter­stützungs­netzwerke

Multiple beunru­higende Sorgen und Probleme

Andere Familien­sprache

Subjektive Armuts­betroffen­heit

Unsicher­heit in der Eltern­rolle

Familien mit Migrationshintergrund % der Familien-gruppe

24 38 27 94 37 27

% der Belastung 11 19 14 60 34 15% aller Familien 3 6 4 17 10 4Einkommensarme Familien% der Familien-gruppe

33 42 49 51 58 32

% der Belastung 16 23 28 35 58 19% aller Familien 4 6 8 10 16 5Mehrkindfamilien% der Familien-gruppe

20 24 22 23 25 18

% der Belastung 13 19 18 22 35 16% aller Familien 2 4 3 4 7 3Niedrig qualifizierte Eltern% der Familien-gruppe

19 29 21 30 31 19

% der Belastung 17 28 22 36 55 22% aller Familien 2 4 3 5 8 3Alleinerziehend% der Familien-gruppe

18 13 29 8 23 15

% der Belastung 22 19 46 14 61 27% aller Familien 2 2 5 1 6 3Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.Lesebeispiel für das Feld links oben: 24 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund sind dauerhaft Stress ausgesetzt; elf Prozent der Familien, die dauerhaft Stress ausgesetzt sind, sind Familien mit Migrationshintergrund; drei Prozent aller Familien sind Familien mit dauerhaftem Stress und Migrations-hintergrund.

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Anhang | Seite 85

Tabelle A2: Korrelationen zwischen elterlicher Kontrollüberzeugung und Merkmalen zum Erziehungsverhalten bzw. zur allgemeinen elterlichen Lebenszufriedenheit (Eltern Dreijähriger)

KorrelationenKontrollüberzeugung

Positiv internal Positiv external

Positive Eltern-Kind-Beziehung .25*** .18***

Positive Beziehung zum Partner .14*** .21***

Zufriedenheit mit Elternrolle .30*** .27***

Zufriedenheit mit Leben insgesamt .28*** .40***

Positives Elternverhalten .17*** .14***

Negative Kommunikation –.14*** –.11***

Inkonsistentes Elternverhalten –.13*** –.14***

Aufmerksames Elternverhalten .25*** .17***

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %; n. s.= nicht signifikant

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

Anmerkung: „Positiv internal“ meint die Überzeugung, dass das eigene Handeln etwas bewirken kann (Selbstwirksamkeit). Wohingegen „positiv external“ meint, dass das eigene Handeln als wenig schick-salhaft erlebt wird (Wirksamkeit der Umwelt).

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Seite 86 | Anhang

Tabelle A3: Korrelationen zwischen elterlichem Erziehungsverhalten und der allgemeinen elterlichen Lebenszufriedenheit (Eltern Dreijähriger)

KorrelationenPositive Beziehung zum … Zufriedenheit mit …

Kind Partner Elternrolle Leben

Positive Eltern-Kind-Beziehung 1 .20*** .33*** .24***

Positive Beziehung zum Partner .20*** 1 .29*** .43***

Zufriedenheit mit Elternrolle .33*** .29*** 1 .34***

Zufriedenheit mit Leben insgesamt .24*** .43*** .34*** 1

Positives Elternverhalten .29*** .13*** .16*** .16***

Negative Kommunikation –.12*** n. s. –.21*** –.09***

Inkonsistentes Elternverhalten –.08** n. s. –.15*** –.15***

Aufmerksames Elternverhalten .24*** .09*** .11*** .16***

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %; n. s.= nicht signifikant

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Anhang | Seite 87

Tabelle A4: Korrelationen zwischen dem elterlichen Kompetenzgefühl und dem elterlichem Erziehungsverhalten, der allgemeinen elterlichen Lebenszufriedenheit sowie der elterlichen Kontrollüberzeugung (Eltern Dreijähriger)

Korrelationen

Kompetenzgefühl in der Elternrolle

Erziehungs­/Versorgungs­kompetenz

Kompetenz gefühl Ausgrenzungs­gefühle

Positive Eltern-Kind-Beziehung .28*** .29*** –.25***

Positive Beziehung zum Partner .17*** .22*** –.23***

Positive Beziehung zu eigenen Eltern .16*** .15*** –.17***

Positive Beziehung zu Verwandten .13*** .19*** –.19***

Zufriedenheit mit Elternrolle .25*** .46*** –.27***

Zufriedenheit mit Leben insgesamt .25*** .35*** –.38**

Positives Elternverhalten .19*** .14*** –.14***

Negative Kommunikation –.39*** –.25*** .21***

Inkonsistentes Elternverhalten –.25*** –.20*** .13***

Aufmerksames Elternverhalten .20*** .17*** –.19***

Internale Kontrollüberzeugung .24*** .36*** –.25***

Externale Kontrollüberzeugung .16*** .32*** –.31***

Signifikanzen: * auf 5 %; ** auf 1 %; *** auf 0,1 %; n. s.= nicht signifikant

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Seite 88 | Glossar

Glossar

Belastung: Andere Familiensprache

(Deutsch nicht ausschließlich Alltagsprache in der Familie)

Der Migrationshintergrund einer Familie wirkt für sich genommen selten als eigen-

ständiger Risikofaktor, sondern vielmehr als Ergebnis einer Kumulation von Proble-

men und Belastungen, bspw. durch das Zusammentreffen von geringen Bildungsres-

sourcen oder Einkommensarmut. Eine besondere Belastung für diese Personen kann

zudem die mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache darstellen. Dies lässt sich über

eine Selbsteinschätzung in einer schriftlichen Familienbefragung aber nicht erheben.

Daher wurde eine Frage zur alltäglichen Familiensprache an alle Familien gerichtet,

um zumindest einen Hinweis auf eventuell auftretende Sprachprobleme zu erhalten.

Tabelle 9: Alltagssprache in Familien mit DreijährigenWelche Sprache sprechen Sie normalerweise im Alltag mit Ihrem Kind? Angaben in Prozent

Deutsch 82

Überwiegend Deutsch 5

Überwiegend eine andere Sprache 6

Teils/teils 7

Migrationshintergrund und Familiensprache Angaben in Prozent

Mit Migrationshintergrund 29

Wählen (auch) eine andere Sprache im Alltag 18

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Wie Tabelle 9 zeigt, sprechen die allermeisten Familien im Alltag normalerweise

Deutsch mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern. Neben der Familiensprache Deutsch spre-

chen insgesamt 18 Prozent der Familien aber auch eine andere Sprache; bei sechs

Prozent der Familien dominiert diese andere Sprache sogar. Es zeigt sich auch, dass

nicht alle Eltern, die einen Migrationshintergrund aufweisen, Probleme mit der deut-

schen Sprache haben. Obwohl insgesamt 29 Prozent der Familien einen Migrations-

hintergrund aufweisen, sind es lediglich 18 Prozent, bei denen die Familiensprache

nicht ausschließlich Deutsch ist.

Glossar | Seite 89

Familien, die angeben, dass ihre alltägliche Familiensprache nicht (nur) Deutsch ist,

werden im Folgenden als Familien mit anderer Familiensprache definiert. Das wird als

Indikator dafür verstanden, dass Deutsch im Alltag ggf. Probleme bereiten oder Un-

sicherheiten hervorrufen kann.

Belastung: Dauerhafte Stressaussetzung

Um die Wahrnehmung von Stress im Familienalltag zu erheben, wurden die Eltern

danach gefragt, inwiefern die in Abbildung 20 genannten Aussagen auf ihr derzei-

tiges Lebensgefühl zutreffen. Die Abbildung gibt auf Basis der Mittelwerte die selbst

eingeschätzte Stressbelastung der Eltern mit dreijährigen Kindern wieder. Die Ergeb-

nisse zeigen, dass die Verbreitung von Stress unter den Eltern vergleichsweise groß

ist. Insbesondere die Verantwortung, die mit der Elternrolle einhergeht, wird häufi-

ger als Stressfaktor wahrgenommen. Aber auch Zeitdruck bestimmt das Lebensge-

fühl vieler Eltern im Schnitt etwas stärker. Viele Sorgen und das Gefühl, am Ende der

eigenen Kräfte zu sein, belasten Eltern etwas weniger, aber auch für dieses Item liegt

die durchschnittliche Bewertung nur wenig unterhalb des Skalenmittels.

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Abbildung 20: Wahrnehmung von Stress in Familien mit Dreijährigen

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Als Familien in Belastungssituationen werden im Folgenden Familien gefasst, deren

mittlerer Skalenwert über alle abgebildeten Items kleiner gleich zwei ist, was für eine

dauerhafte Stressaussetzung spricht. Familien, die durch eine solche dauerhafte Stress-

aussetzung charakterisiert sind, sind demnach solche, deren Antwort über alle abgebil-

deten sechs Items im Schnitt mit „trifft voll zu“ oder „trifft eher zu“ ausfiel. Das letzte

Item der Skala wurde dabei invers in die Berechnungen mit einbezogen. Für zwölf Pro-

zent der Eltern mit dreijährigen Kindern, d. h. etwa für jede achte Familie, trifft dies zu.

Belastung: Fehlende Unterstützungsnetzwerke

Jeder braucht mal Rat oder Hilfe im Alltag, besonders dann, wenn Kinder in der Fa-

milie leben. Viele Familien können sich in diesen Situationen auf andere Menschen in

ihrem Umfeld verlassen und erhalten Hilfeleistungen von Personen, die nicht in ihrem

Haushalt leben. Dabei nehmen Eltern häufig Hilfe von ihren eigenen Eltern in An-

Ich fühle mich meistens gestresst

Ich habe viele Sorgen

Ich stehe oft unter Zeitdruck

Es wird viel Verantwortung von mir erwartet

Ich bin oft am Ende meiner Kräfte

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingt mir gut

trifft gar nicht zutrifft voll zu1 532 4

Glossar | Seite 91

spruch, weniger von Kolleginnen und Kollegen. Es gibt aber auch Familien, in denen

die Möglichkeit für diese Unterstützung fehlt, bspw. weil Verwandte und Eltern weit

entfernt wohnen oder bereits verstorben sind (vgl. Abbildung 21).

Abbildung 21: Soziales Netz von Familien mit Dreijährigen

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Das Fehlen solcher sozialen Ressourcen im Alltagsleben kann ebenfalls als Belastungs-

situation für Familien verstanden werden, da diese Familien stärker auf sich alleine ge-

stellt sind und in Krisensituationen nicht auf die voraussetzungslose Hilfe und Unterstüt-

zung eines sozialen Netzes zurückgreifen können. In der Befragung wurde dabei nach

Unterstützung durch (Groß-)Eltern, Freunde und Bekannte, sonstige Verwandte, Nach-

barn oder Kollegen gefragt. Hat eine Familie für mindestens vier der fünf abgefragten

Gruppen angegeben, dass sie nie Hilfeleistungen von diesen Personen erhält oder die

grundsätzliche Möglichkeit dafür gar nicht besteht, wird sie als Familie mit fehlendem

Unterstützungsnetzwerk definiert. Unter den Eltern mit Dreijährigen finden sich 15 Pro-

zent, die in dieser Hinsicht nach eigenen Angaben nur wenig Unterstützung in ihrem

sozialen Umfeld erhalten und unter Umständen sogar als sozial isoliert gelten müssen.

nieregelmäßig1 42 3

(Groß-)Eltern 9

Freunde und Bekannte 4

Sonstige Verwandte 12

Nachbarn 9

Kollegen 18

Möglichkeitbesteht nicht

Seite 92 | Glossar

Belastung: Multiple Sorgen und Probleme

Alle Familien wurden auch danach befragt, ob sie in den letzten zwölf Monaten Pro-

bleme oder Sorgen erlebt haben, die sie oder ihr Kind stark beunruhigt oder belastet

haben. Insgesamt geben 43 Prozent der Familien an, von mindestens einem der in Ta-

belle 10 genannten Probleme oder Sorgen in den letzten zwölf Monaten betroffen ge-

wesen zu sein. Von den Eltern der Dreijährigen werden dabei familiäre Probleme am

häufigsten (24 Prozent) angegeben, auch finanzielle Probleme betreffen noch 17 Pro-

zent der Eltern. Probleme mit Behörden hingegen sind eher selten. Deutlich mehr als die

Hälfte der Familien ist sogar mit keinem Problem der genannten Bereiche konfrontiert.

Tabelle 10: Sorgen und Probleme in Familien mit DreijährigenIch hatte Sorgen, und zwar … Angaben in Prozent

familiäre Probleme (z. B. Krankheit in der Familie, Trennung etc.) 24

finanzielle Probleme (z. B. Arbeitslosigkeit, Schulden etc.) 17

persönliche Probleme (z. B. Ängste, Depressionen etc.) 14

andere Probleme 8

Probleme mit Behörden (z. B. mit Polizei, Jugendamt etc.) 2

Nein, keine Probleme bzw. Sorgen 57

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Zugleich gibt es aber auch Familien, die mehrere Problembereiche anführen. Auch

in diesem Zusammenhang wird von einer Belastungssituation für die Familie ausge-

gangen. Familien, die angeben, dass mindestens zwei der genannten Probleme und

Sorgen sie oder ihr Kind in den letzten zwölf Monaten stark beunruhigt oder belas-

tet haben, werden daher als Familien mit multiplen Sorgen und Problemen gefasst.

Unter den Eltern mit dreijährigen Kindern betrifft dies 15 Prozent.

Belastung: Subjektive Armutsbetroffenheit

Unabhängig von ihrer objektiven Einkommenssituation wurden alle Eltern gebeten, für

unterschiedliche Bereiche anzugeben, ob ihnen das Geld voll und ganz ausreicht, ob

es durchaus etwas mehr sein könnte oder ob das Geld ihrer Meinung nach gar nicht

Glossar | Seite 93

ausreicht, um einen Index zur subjektiv empfundenen Armutsbetroffenheit zu bilden.

Tabelle 11 gibt die subjektive Einschätzung der finanziellen Lage der Familien mit drei-

jährigen Kindern wieder. Die Frage bezieht sich dabei auf die Familie insgesamt, nicht

nur auf das dreijährige Kind. Danach nehmen Eltern finanzielle Einschränkungen ins-

besondere in den Bereichen Urlaub und Kultur wahr. Auch für Hausaufgabenhilfe und

Nachhilfe ist nach Einschätzung der Eltern häufiger zu wenig Geld vorhanden.

Tabelle 11: Subjektive Armutsbetroffenheit in Familien mit Dreijährigen

Das Geld für …reicht voll und ganz

könnte etwas mehr sein

reicht überhaupt nicht

Lebensmittel 82 17 1

Spielzeug für die Kinder 75 22 3

Kleidung meiner Kinder 73 25 2

Haushaltswaren (ohne Lebensmittel) 71 26 3

Kita-/Schulkindbetreuung 68 29 4

meine Kleidung 62 34 5

Wohnung/Wohnungseinrichtung 61 35 4

Auto 60 33 7

finanzielle Unterstützung der Kinder 59 34 7

Hausaufgabenhilfe/Nachhilfe 57 29 14

Kurse für die Kinder (Musik, Sport o. Ä.) 56 34 9

Freizeitaktivitäten 55 37 8

Versicherung/Vorsorge (z. B. Haftpflicht) 53 38 9

Kulturveranstaltungen (Konzerte o. Ä.) 49 35 16

Urlaubsreisen 34 43 23

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Familien, die bei mindestens zehn der 15 aufgeführten Kategorien angegeben haben,

dass das Geld für diese Dinge oder Bereiche etwas mehr sein könnte oder gar über-

haupt nicht ausreicht, werden als subjektiv von Armut betroffen definiert. Es sind Fa-

milien, die sich in der eigenen Einschätzung nur (sehr) wenig leisten können und in

vielen Bereichen Einschränkungen wahrnehmen. Auch dies wird als Indikator für eine

Belastungssituation gewertet. Unter den befragten Eltern der dreijährigen Kinder sind

dies insgesamt mit 26 Prozent mehr als ein Viertel.

Seite 94 | Glossar

Belastung: Unsicherheit in der Elternrolle

Die hohe Stressbelastung und die große Verantwortung, die Eltern für sich wahrneh-

men, spiegeln sich auch im Kompetenzgefühl bezüglich der eigenen Elternrolle wider.

Das Mittelwertprofil in Abbildung 22 zeigt für die Dimensionen „elterliches Kompe-

tenzgefühl“ und Einschätzung der „Versorgungs- und Erziehungskompetenz“ die

Ausprägung der einbezogenen Merkmale für die Eltern der Dreijährigen auf. Obgleich

sie sich der Betreuung und Erziehung der Kinder im Durchschnitt durchaus gewach-

sen fühlen, gehören Unsicherheiten in der Elternrolle für einige Eltern zum Alltag.

Abbildung 22: Kompetenzgefühl in der Elternrolle in Familien mit Dreijährigen

Datenbasis: Familienbefragung „KeKiz 2014“, gewichtet, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Haben Eltern in den beiden betrachteten Dimensionen über alle dort abgebilde-

ten Items im Schnitt mit „trifft voll zu“, „trifft eher zu“ oder „teils/teils“ geantwor-

tet, wird dies als Unsicherheit in der Elternrolle gewertet. Das letzte Item „Ich fühle

mich der Betreuung und Erziehung der Kinder gewachsen“ wurde dabei invers in

trifft gar nicht zutrifft voll zu1 532 4

Mutter/Vater zu sein, ist schwieriger als ich dachte

Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob ich den Anforderungen als Mutter/Vater wirklich

gewachsen bin

Ich fühle mich der Betreuung und Erziehung der Kinder gewachsen

Es fällt mir machnmal schwer, herauszufinden, was mein Kind braucht

Es ist schon passiert, dass ich nicht genü-gend Nahrung für mein Kind zu Hause hatte

Wenn ich wütend bin, fasse ich mein Kind manchmal härter an, als ich es möchte

Elte

rlich

es

Kom

pete

nzge

fühl

Subj

ektiv

e

Vers

orgu

ngs-

und

Er

zieh

ungs

kom

pete

nz

Glossar | Seite 95

die Berech nungen einbezogen. Eine solche Unsicherheit in der Elternrolle zeigen

17 Prozent der Eltern mit dreijährigen Kindern.

Lebenslage: Alleinerziehend

Als alleinerziehend werden Elternteile definiert, die in einem Haushalt mit Kind bzw.

Kindern unter 18 Jahren ohne Partner leben. Darauf basierend können zwei Formen

des Familienmodells „alleinerziehend“ differenziert werden: Elternteile, die zwar

nicht im, aber außerhalb des gemeinsamen Haushalts mit ihren Kindern einen Part-

ner haben, sowie Elternteile, die sowohl im als auch außerhalb des gemeinsamen

Haushalts mit ihren Kindern keinen Partner haben.

Lebenslage: Einkommensarm

Als einkommensarm werden Familien bezeichnet, deren Äquivalenzeinkommen we-

niger als 60 Prozent des Medianeinkommens in Nordrhein-Westfalen beträgt. Im Jahr

2013 lag diese Armutsschwelle bei 873 Euro (MAIS 2015). Anders als das Haushalts-

nettoeinkommen berücksichtigt das Äquivalenzeinkommen altersbezogene Kosten-

unterschiede sowie ökonomische Einsparungen durch Mehrpersonenhaushalte und

macht damit den Vergleich von Familien unterschiedlicher Größe und Zusammenset-

zungen möglich:

Haushaltsnettoeinkommen

Gewichtete Anzahl der Haushaltsmitglieder = Äquivalenzeinkommen

Die „gewichtete Anzahl der Haushaltsmitglieder“ ist eine theoretische Größe. Für ihre

Berechnung wird die neue OECD-Skala zugrunde gelegt: Nach dieser wird der ersten

erwachsenen Person in einem Haushalt das Gewicht 1 zugewiesen. Jede weitere Per-

son im Alter von 14 Jahren und älter wird mit einem Gewicht von 0,5 berücksichtigt;

jüngere Haushaltsmitglieder unter 14 Jahren erhalten ein Gewicht von 0,3. Abbil-

dung 23 zeigt beispielhaft für verschiedene Familienformen eine solche Berechnung.

Seite 96 | Glossar

Abbildung 23: Berechnung des Äquivalenzeinkommens und der Armutsgefährdungsquote

Familienform Faktor der Bedarfs­gewichtung nach neuer OECD­Skala

60 % des durch­schnittlichen Nettoäquivalenz­einkommens in NRW 2013

Familien gelten als einkommensarm, wenn deren Haus­haltseinkommen niedriger ist als …

Paare

mit einem Kind unter 14 Jahren mit zwei Kindern unter 14 Jahren

1,82,1

x 873 EUR =x 873 EUR =

1.571 EUR1.833 EUR

Alleinerziehende

mit einem Kind unter 14 Jahren mit zwei Kindern unter 14 Jahren

1,31,6

x 873 EUR =x 873 EUR =

1.134 EUR1.396 EUR

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an MAIS 2015, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Lebenslage: Mehrkindfamilie

Als Mehrkindfamilien werden auf Basis des vorliegenden Datensatzes Familien mit

mindestens drei und mehr Kindern unter 18 Jahren im Haushalt definiert.

Lebenslage: Mit Migrationshintergrund

Als Familien mit Migrationshintergrund wird auf Basis des vorliegenden Daten-

satzes eine breitere Gruppe von Familien betrachtet, als dies mit Daten der öffentli-

chen Statistik möglich ist. Nicht nur Familien mit mindestens einem nicht deutschen

Eltern teil werden berücksichtigt, sondern darüber hinaus auch Familien mit mindes-

tens einem Elternteil mit Migrationshintergrund. Das heißt, mindestens ein Eltern-

teil hat eine nicht deutsche Staatsangehörigkeit, neben der deutschen eine zweite

Staats angehörigkeit oder aber mindestens ein Elternteil ist außerhalb Deutschlands

geboren (vgl. Abbildung 24).

Glossar | Seite 97

Abbildung 24: Operationalisierung des Migrationshintergrunds des Familienhaushalts

Haushalt mit Migrationshintergrund

Vater oder Mutter

haben eine nicht deutsche Staatsangehörigkeit

oder eine zweite Staatsangehörigkeit

oder ist außerhalb Deutschlands geboren

Haushalt ohneMigrationshintergrund

Vater und Mutter

haben die deutsche Staatsangehörigkeit

und haben keine zweite Staatsangehörigkeit

und sind in Deutschland geboren

Quelle: Eigene Darstellung, Faktor Familie GmbH.

© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Lebenslage: Niedrige Qualifikation

Für den Bildungsstatus von Mutter und Vater wurde ein Indikator gebildet, der eine

Kombination aus höchstem Schulabschluss und höchstem beruflichem Ausbildungs-

niveau darstellt (vgl. Abbildung 25). Die vier Bildungsgruppen reichen von „niedriger

Qualifikation“, über „mittlere“ und „höhere“ bis zur „höchsten Qualifikation“. So

zählt z. B. ein Vater, der einen Hauptschulabschluss besitzt und eine Lehre abgeschlos-

sen hat, zur „niedrigsten Qualifikation“. Hat er neben dem Hauptschulabschluss auch

eine Ausbildung an einer Handels-, Fach-, Meister- oder Technikerschule abgeschlos-

sen, wird er in die Kategorie „mittlere Qualifikation“ eingeordnet. Zur „höchsten Qua-

lifikation“ gehören nur die Personen, die entweder einen Fachhochschul- oder einen

Hochschul abschluss besitzen.

Seite 98 | Glossar

Abbildung 25: Operationalisierung des Bildungsstatus des FamilienhaushaltsBildungsgruppe Schulabschluss Ausbildungsniveau

Niedrige Qualifikation

Kein Abschluss/anderer Abschluss/Schüler

(noch) kein Abschluss/keine Angabe/Anlernzeit mit Zeugnis

alle Schulabschlüsse (noch) kein Abschluss/keine Angabe/Anlernzeit mit Zeugnis

Volks-/Hauptschulabschluss Lehre

Mittlere Qualifikation

Volks-/Hauptschulabschluss Handels-, Fach-, Meister- oder Technikerschule

Realschule/Mittlere Reife Lehre/anderer Abschluss

Höhere Qualifikation

Keine Angabe/anderer Abschluss Lehre/Handels-, Fach-, Meister- oder Technikerschule

Realschule/Mittlere Reife Handels-, Fach-, Meister- oder Technikerschule

(Fach-)Hochschulreife Lehre/Handels-/Fach-, Meister- oder Technikerschule/noch in Ausbildung

Höchste Qualifikationalle Angaben Fachhochschul- oder

Hochschulabschluss

Quelle: Eigene Darstellung, Faktor Familie GmbH.© Bertelsmann Stiftung und Faktor Familie GmbH, mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds.

Der Bildungsstatus des Familienhaushalts ergibt sich aus dem höchsten Abschluss bei-

der Elternteile. Wenn also der Mutter die „höchste Qualifikation“ zugeordnet wird

und dem Vater die „höhere Qualifikation“, zählt der Haushalt insgesamt zur „höchs-

ten Qualifikation“. In Familien mit insgesamt „niedriger Qualifikation“ weisen sowohl

Mutter als auch Vater des Kindes insgesamt einen niedrigen Schulabschluss als auch

ein niedriges Ausbildungsniveau auf.

Literatur und Quellenangaben | Seite 99

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Familiengerechte Kommunen

Dass Kommunen voneinander lernen ist ein wichtiges Anliegen des Modellvorhabens „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor“ (KeKiz). So auch von den Beispielen kom-munaler familiengerechter Praxis in Nordrhein-Westfalen, die in dieser Broschüre vorgestellt werden. Im Band 2 „Familiengerechte Rahmen-bedingungen“ wurden Kommunen-Typen mit ähnlichen Herausforderungen identifiziert und zu Gruppen zusammengefasst. Darauf aufbau-end wird im Band 3 aufgezeigt, wie Kommunen mit den spezifischen Aufgaben und Handlungs-bedarfen umgehen und welche Schlüsse für die Gestaltung der kommunalen Präventionsstrate-gie daraus gezogen werden.

Präventionsangebote – Was beeinflusst die Inanspruchnahme?

Präventive Angebote können ihre Wirkung erst entfalten, wenn sie in Anspruch genommen werden. Studien weisen darauf hin, dass be-stimmte Bevölkerungsgruppen bei vielerlei präventiven Angebotsarten teils deutlich über- oder unterrepräsentiert sind. Die Ursachen hier-für werden kaum in den Blick genommen. An diesem Punkt setzt die Familienbefragung für das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor“ (KeKiz) an. Ihr Ziel ist es, den Prozess der Inanspruchnahme zu analysieren und die Hintergründe einer (Nicht-)Inanspruchnahme präventiver Angebote auf-zudecken. Im vorliegenden Bericht wird das theoretische Untersuchungskonzept der Fami-lienbefragung vorgestellt. Ergänzt werden die Ausführungen durch ausgewählte Analyseer-gebnisse.

Jede Phase der kindlichen Entwicklung wird von unterschiedlichen Anfor-derungen, Bedürfnissen und Erlebnissen sowie Akteuren begleitet. Eine besondere Herausforderung stellen dabei die biographisch und instituti-onell geprägten Übergänge von einer Lebensphase zur anderen dar. Ein erster entscheidender Übergang ist der Eintritt in die Kita. Der vorliegende Werkstattbericht konzentriert sich auf Kinder in dieser Lebensphase. Auf Basis der Familienbefragung für das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklas-sen! Kommunen in NRW beugen vor“ (KeKiz) werden die Inanspruchnah-me und der Effekt von präventiven Angeboten speziell für Kinder und ihre Familien in dieser Lebensphase in den Blick genommen. Welche Faktoren beeinflussen eine Inanspruchnahme präventiver Angebote? Wann müssen diese Angebote ansetzen und wie müssen sie gestaltet sein? Ein Thema, das in diesem Bericht vertiefend analysiert wird, ist die Rolle der „Eltern-kompetenz“ im Prozess der Inanspruchnahme präventiver Angebote.

Every stage of a child’s development is influenced by the demands made on it, its needs and experiences, and various actors in its social environment. The focus of this working paper is the experiences associated with a child’s transition into daycare and the impact of preventative measures to improve the child’s chances at this early stage of its development. The paper draws on the results of a survey of families in the German state of North Rhine-Westphalia. Questions explored include: What factors influence the decision to participate in preventive measures? When should such measures be offered and how should they be designed? In addition, the report looks closely at the issue of parental skills and knowledge to determine how this affects the extent to which parents’ take advantage of preventive offerings.

www.bertelsmann-stiftung.dewww.kein-kind-zuruecklassen.de

ISSN-Print 2364-0375ISSN-Internet 2364-0383