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DV\855616DE.doc DE DE Qualitative Studie Armut und Ausgrenzung älterer EU-Bürger Zusammenfassender Bericht - Januar 2011 Diese Umfrage wurde vom Europäischen Parlament in Auftrag gegeben. Dieses Dokument gibt nicht den Standpunkt des Europäischen Parlaments wieder. Die darin enthaltenen Wertungen und Auffassungen bringen ausschließlich die Meinung der Verfasser zum Ausdruck. Qualitative Studie – TNS Qual+

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DE DE

Qualitative Studie

Armut und Ausgrenzung älterer EU-Bürger

Zusammenfassender Bericht -

Januar 2011

Diese Umfrage wurde vom Europäischen Parlament in Auftrag gegeben.

Dieses Dokument gibt nicht den Standpunkt des Europäischen Parlaments wieder.

Die darin enthaltenen Wertungen und Auffassungen bringen ausschließlich die Meinung der Verfasser zum Ausdruck.

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Qualitative Eurobarometer-Studie

ARMUT UND SOZIALE AUSGRENZUNG

Durchgeführt von TNS Qual+ im Auftrag des Europäischen Parlaments

TNS Qual+ Avenue Herrmann Debroux, 40

1160 Brüssel Belgien

Armut und soziale Ausgrenzung - Zusammenfassender Bericht

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INHALT INHALT ....................................................................................................3 Länderkürzel ............................................................................................4 1 ZUSAMMENFASSUNG .........................................................................6

1.1 Zusammenfassung nach Themenbereichen ...........................................7 1.2 Wahrnehmung der Medien und der Gesellschaft und eigene

Erfahrungen der Befragten.....................................................................8 1.3 Das Verständnis der Entscheidungsträger von Problemen im

Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung .......................10 1.4 Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der Armut - Wissen und

Erwartungen.........................................................................................10 1.5 Spezifische Fragen - Internet, Lebensbedingungen und Beschäftigung

..............................................................................................................11 2 ZIELE UND METHODIK.....................................................................13

2.1 Hintergrund und Ziele..........................................................................13 2.2 Methodik und Stichprobenauswahl......................................................13

2.2.1 Gestaltung ............................................................................................13 2.2.2 Inhalt der Diskussion ...........................................................................15 2.2.3 Zeitlicher Ablauf..................................................................................16

3 DIE WICHTIGSTEN SORGEN ............................................................17 3.1 Wichtigste Erkenntnisse.......................................................................17 3.2 Die Darstellung von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien

..............................................................................................................18 3.3 Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung,

die Auswirkungen auf das Leben der Befragten haben .......................22 3.3.1 Lebenshaltungskosten ..........................................................................23 3.3.2 Gesundheitsdienste und Pflegeheime ..................................................25 3.3.3 Die Lebensbedingungen und das Umfeld ............................................26 3.3.4 Generationenübergreifende Armut ......................................................28 3.3.5 Arbeitslosigkeit ....................................................................................28 3.3.6 Fehlende Unterstützung .......................................................................28 3.3.7 Bürokratie ............................................................................................29

3.4 Wie die Gesellschaft Armut und soziale Ausgrenzung sieht...............29 3.5 Aspekte, die bei der Darstellung von Armut und sozialer Ausgrenzung

in den Medien fehlen ...........................................................................33 4 DAS VERSTÄNDNIS VON PROBLEMEN IM ZUSAMMENHANG MIT

ARMUT UND SOZIALER AUSGRENZUNG ...........................................39 4.1 Wichtigste Erkenntnisse.......................................................................39 4.2 Wie gut verstehen die Entscheidungsträger Armut und soziale

Ausgrenzung? ......................................................................................40 4.3 Fragen, die als gut verstanden gelten...................................................45 4.4 Fragen, die als nicht gut verstanden gelten..........................................46 4.5 Wie lässt sich das Verständnis verbessern? .........................................49

5 POLITIK...........................................................................................50 5.1 Wichtigste Erkenntnisse.......................................................................50 5.2 Kenntnis der Maßnahmen der EU zur Armutsbekämpfung ................51

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5.3 Was die EU zur Bekämpfung der Armut tun sollte .............................53 5.4 Die wichtigsten Botschaften an die Entscheidungsträger....................58 5.5 Was die Entscheidungsträger tun sollten .............................................60

6 SPEZIFISCHE THEMEN .....................................................................62 6.1 Wichtigste Erkenntnisse.......................................................................62 6.2 Internetzugang......................................................................................63

6.2.1 Welche Auswirkungen es hat, (keinen) Zugang zum Internet zu haben..............................................................................................................65

6.2.2 Was die Entscheidungsträger in Sachen Internetzugang tun sollten ...67 6.3 Lebensbedingungen und Wohnquartier ...............................................69

6.3.1 Die konkreten Probleme der Befragten................................................69 6.3.2 Was die Entscheidungsträger in puncto Lebensbedingungen tun sollten

..............................................................................................................71 6.4 Probleme bei der Arbeitssuche ............................................................74

6.4.1 Die konkreten Probleme der Befragten................................................75 6.4.2 Was die Entscheidungsträger gegen die Schwierigkeiten älterer

Menschen bei der Arbeitssuche tun sollten .........................................77

Länderkürzel1

Belgien BE

Dänemark DK

Deutschland DE

Frankreich FR

Griechenland EL

Irland IE

Italien IT

Lettland LV

Malta MT

Polen PL

Portugal PT

Rumänien RO

1 Die im Text des Berichts in Klammern stehenden Kürzel von Mitgliedstaaten zeigen an, dass die betreffenden Aspekte vor allem von Personen aus den angegebenen Ländern genannt wurden.

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Schweden SE

Slowakei SK

Spanien ES

Tschechische Republik

CZ

Ungarn HU

Vereinigtes Königreich

UK

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1 ZUSAMMENFASSUNG Angesichts von fast 84 Millionen armutsgefährdeten Europäern hat sich die Europäische Union (EU) mit ihren Mitgliedstaaten zusammengetan und 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgerufen. Dabei ging es vor allem darum, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für diese Fragen zu schärfen und dem politischen Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung neuen Auftrieb zu verleihen. Der Grundgedanke im Jahr 2010 war es, die Anliegen der Menschen, die in Armut und sozialer Ausgrenzung leben, zur Sprache zu bringen und jeden europäischen Bürger sowie sonstige Akteure für diese wichtigen Themen zu sensibilisieren.2 Vor diesem Hintergrund gab das Europäische Parlament eine qualitative Studie in 18 EU-Mitgliedstaaten in Auftrag, um die Probleme der in Armut lebenden und von sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen zu untersuchen. Die in diesem zusammenfassenden Bericht enthaltenen Erkenntnisse aus der einschlägigen Forschung werden direkt in die europäische Bürger-Agora zum Thema „Krise und Armut“ einfließen, die im Januar 2011 stattfinden wird. Die übergeordneten Ziele der Studie bestanden darin,

die besonderen Probleme der Menschen herauszuarbeiten, die in Armut leben und von sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht sind, um die Themenbereiche festzulegen, die der für 2011 anberaumten Bürger-Agora vorgelegt werden könnten, und somit

den Entscheidungsträgern der EU anlässlich der Bürger-Agora 2011 einen direkten Einblick in die Sorgen der in Armut und sozialer Ausgrenzung lebenden Menschen zu vermitteln.

In den 18 ausgewählten Mitgliedstaaten nahmen insgesamt 160 Befragte im Alter von mindestens 60 Jahren, die unter der Armutsgrenze in ihrem Land leben, an der Studie teil. Die Befragten setzten sich wie folgt zusammen:

Zwei Drittel der Befragten waren Rentner, von denen eine Minderheit behinderungs- oder gesundheitsbedingt aus dem Erwerbsleben ausgeschieden war. Eine Minderheit der Rentner besserte ihr Renteneinkommen durch einen Nebenerwerb auf.

Bei einem Drittel der Befragten handelte es sich nicht um Rentner, die Hälfte davon stand in einem Beschäftigungsverhältnis, während die andere Hälfte arbeitslos war. Diejenigen, die in einem Beschäftigungsverhältnis standen, gingen verschiedenen Tätigkeiten nach, wie zum Beispiel Reinigungskraft, Pfleger, Schildermacher, Sicherheitskraft, Schneider, Florist, Babysitter usw. Einige arbeiteten in Teilzeit oder waren selbstständig.

Etwas mehr als ein Drittel der Befragten war verheiratet oder lebte mit einem Partner zusammen, während die übrigen zwei Drittel alleinstehend,

2 http://www.2010againstpoverty.eu/about/?langid=de.

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geschieden oder verwitwet waren. Einige der Befragten, bei denen es sich allerdings um eine Minderheit handelte, hatten Kinder, die bei ihnen lebten oder die sie auf irgendeine Weise finanziell unterstützten.

1.1 Zusammenfassung nach Themenbereichen Die Untersuchung zeigt eine Gruppe der Bevölkerung, die sich von der Gesellschaft insgesamt ignoriert fühlt, die glaubt, ihre Lebensrealität werde in den Mainstream-Medien nicht abgebildet, und die der Meinung ist, die Entscheidungsträger hätten keine Ahnung davon, wie das Leben derjenigen aussieht, die mit Armut und sozialer Ausgrenzung konfrontiert sind. Die wichtigste Rolle spielen die materiellen und alltäglichen Aspekte der Armut - Lebenshaltungskosten, Beschäftigung, Renten und Gesundheitsversorgung. Aber auch die weniger greifbaren Aspekte sind von Bedeutung - die Auswirkungen der sozialen Ausgrenzung auf die Selbstachtung und der Wunsch nach Gehör und Wertschätzung seitens der Gesellschaft. Verschärft wird das Gefühl, nicht wahrgenommen und ausgegrenzt zu werden, oftmals durch die Stigmatisierung der Armut sowie durch die Scham oder Verlegenheit, die viele der Befragten verspüren.

Die wichtigsten Themen, die sich aus der Untersuchung ergeben haben, lauten wie folgt:

Ältere Menschen haben oft das Gefühl, dass sich niemand für sie und ihre täglichen Kämpfe interessiert.

„Mal ehrlich, keiner schert sich um die Armen, das ist schon immer so gewesen.“ (EL, männlich, 70)

Den Medien liegt nichts daran, ihre Geschichte zu erzählen.

„Ich glaube nicht, dass Armut in den Medien eine große Rolle spielt, im Fernsehen wird doch eher der Wohlstand gezeigt ... Jeder ist reich, jeder ist schön und schlank; man sieht nicht viel Armut in den Medien … wahrscheinlich wollen die Leute die wohlhabende Seite der Gesellschaft sehen, Armut wollen sie nicht sehen.“ (UK, weiblich, 64)

Politiker und sonstige Entscheidungsträger sind sich der Armut aufgrund von Statistiken bewusst, haben jedoch nur ein begrenztes Verständnis von der Realität.

„Es geschieht nichts, denn wenn wir sie fragen, wie viel ein Liter Milch kostet, dann wissen sie es nicht. Sie kennen die Preise nicht. Sie müssen nicht einkaufen gehen. Sie wissen, dass es Armut gibt, aber sie wissen nicht, was Armut ist. Es gibt großen Reichtum und auch große Armut.“ (HU, männlich, 60)

Ältere Menschen, die arm sind, haben das Gefühl, nur in begrenztem Maße Gehör zu finden.

„Sie sollten mit alten Menschen reden, um zu verstehen, wie sie leben, allein und vollkommen isoliert.“ (PT, weiblich, 72)

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Ihre hauptsächlichen Sorgen betreffen grundlegende Dinge wie Essen, Sicherheit, Unterkunft, Gesundheit und Beschäftigung.

„Es gibt Menschen, die ihre Ausgaben für Lebensmittel auf nur 3 Z³oty pro Tag begrenzen, d. h. sie verdünnen die Milch mit Wasser und kaufen für die ganze Woche nur einen Liter Milch und ein paar Stück Brot.“ (PL, männlich, 69)

Es geht den Menschen auch darum, eine Rolle in der Gesellschaft zu spielen und eine gewisse Würde im Leben zu haben.

„Damit man ein würdiges und menschliches Leben führen kann, wenn man alt ist.“ (DE, weiblich, 62)

Fast alle wichtigen Sorgen gehen auf Fragen im Zusammenhang mit dem Renteneinkommen und der Beschäftigung zurück, und auf diesen Bereich sollte sich die Politik sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene konzentrieren.

„Für die Gesundheitsversorgung geht die ganze Rente drauf.“ (SK, weiblich, 63)

Die Befragten waren oftmals skeptisch, ob der politische Wille vorhanden ist, etwas zu unternehmen.

„Sie [die Entscheidungsträger] sind so beschäftigt damit, um Tische herumzusitzen und dies und jenes zu diskutieren, dass sie anschließend zu einer weiteren Sitzung müssen, um zu erörtern, was sie bei der ersten Sitzung diskutiert haben, aber eigentlich wird nichts zustande gebracht.“ (UK, weiblich, 69)

1.2 Wahrnehmung der Medien und der Gesellschaft und eigene Erfahrungen der Befragten

Unter den Befragten herrschte die Meinung vor, dass man sich nicht

annähernd genug mit Fragen der Armut und der sozialen Ausgrenzung befasse. Als Hauptgrund dafür, dass diese Themen unterrepräsentiert sind, wurde die wahrgenommene Fixierung der Medien auf Geschichten im Zusammenhang mit Reichtum, Wohlstand, Schönheit und Jugend genannt. Dies seien die vermeintlich bevorzugten Themen, die deshalb als vermarktbar oder berichtenswert gelten.

Wenn Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien dargestellt werden, so werden sie nach Ansicht der Befragten übertrieben und ungenau abgebildet, zum Beispiel

o in Form von Zahlen (Kennzahlen/Statistiken) und emotional anrührenden Bildern (z. B. von hungernden Menschen, Einsamkeit und Isolation sowie Verfall in Wohnquartieren) oder

o auf extreme und sensationslüsterne Weise. Diese Darstellungen wurden als falsch und irreführend eingestuft.

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Im Gegensatz zu diesen falschen Darstellungen von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien nannten die Befragten eine Reihe von Problemen, die aus ihrer Sicht Auswirkungen auf ihr tägliches Leben haben. Dabei handelte es sich vor allem um grundlegende materielle Aspekte des Lebens in Armut, insbesondere

o die Lebenshaltungskosten,

o Gesundheitsdienste und Pflegeheime,

o die Lebensbedingungen und das Umfeld,

o generationenübergreifende Armut - die Notwendigkeit, die Kinder zu unterstützen, oder die Sorge über die Beschäftigungsaussichten der jungen Menschen.

Die Befragten erklärten auch, wie diese Aspekte, zum Beispiel die hohen

Lebenshaltungskosten und die niedrigen Renten, zu sozialer Ausgrenzung und Isolation führen.

Die Befragten waren im Allgemeinen der Auffassung, dass die Gesellschaft den Ansatz der Medien bei der Darstellung von Problemen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung widerspiegele, indem diese weitgehend ignoriert werden und ihre Situation nicht verstanden oder grob vereinfachend gesehen werde. Die Befragten fühlten sich von der Gesellschaft ausgegrenzt und machten darüber hinaus geltend, dass es von Seiten der Gesellschaft einen Mangel an Einfühlungsvermögen, Maßnahmen und Interesse für Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung gebe, weil die Menschen sich offenbar nur dann dafür interessierten, wenn sie persönlich davon betroffen sind.

Die Mehrheit der Befragten meinte, dass bei der Abbildung von Armut und

sozialer Ausgrenzung in den Medien Beispiele aus dem wirklichen Leben oder Fallstudien von in Armut lebenden Menschen fehlten, in denen aufgezeigt wird, wie sie tatsächliche alltägliche Angelegenheiten bewältigen.

Die Befragten würden eine Medienberichterstattung begrüßen, die

o auf die Bedingungen aufmerksam macht, unter denen Rentner leben müssen, wie zum Beispiel die Wohnverhältnisse und die Wohnquartiere, geringe Einkommen, das Überleben mit wenig Geld, Probleme im Zusammenhang mit dem Älterwerden, die hohen Kosten für Gas, Wasser und Strom, die hohen Mietkosten usw.

o die verschiedenen Gründe erörtert, aus denen Menschen in Armut abgeglitten sind.

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1.3 Das Verständnis der Entscheidungsträger von Problemen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung

Die am meisten verbreitete Auffassung unter den Befragten lautete, dass

Entscheidungsträger und Politiker auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene kein umfassendes Verständnis von Problemen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung haben. Dieser Mangel an Verständnis sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass Entscheidungsträger ein privilegiertes Leben führten und in Anbetracht ihrer hohen Gehälter nicht von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht seien.

Ein Mangel an Verständnis seitens der Entscheidungsträger bedeute nicht unbedingt, dass sie sich der Probleme nicht bewusst sind. Die Befragten hatten jedoch den Eindruck, dass die Entscheidungsträger nichts unternehmen, dass es ihnen an Interesse oder Einfühlungsvermögen mangelt.

Die Befragten waren oftmals der Meinung, dass die

Entscheidungsträger ein gutes Verständnis der Daten haben, zum Beispiel der Statistiken über die Zahl der Menschen, die in Armut leben, und der Höhe der Gelder, die für Sozialrenten und Sozialhilfe zugewiesen werden. Einige erklärten jedoch, dies bedeute nicht, dass die Entscheidungsträger die Wirklichkeit ihres täglichen Lebens verstehen - ein Aspekt, der ihres Erachtens kaum verstanden werde.

Da den Entscheidungsträgern nur wenig unmittelbare Erfahrung mit Armut

und sozialer Ausgrenzung zugestanden wurde, schlugen einige der Befragten vor, dass sozial ausgegrenzte Bürger oder in Armut lebende Menschen sie zu diesen Themen beraten könnten.

1.4 Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der Armut - Wissen und Erwartungen7

Im Allgemeinen wussten die Befragten nicht allzu viel von Maßnahmen

der EU zur Bekämpfung der Armut, nahmen aber an, dass die Armutsproblematik eher allgemein auf der Tagesordnung der EU stehe. Daher konnten sie nur wenige Beispiele für Maßnahmen oder Interventionen der EU nennen, von denen sie wussten oder die sie aus eigener Erfahrung kannten.

Die Befragten unterbreiteten eine Reihe von Ideen darüber, was die EU zur Bekämpfung der Armut tun sollte. Am häufigsten wurde vorgeschlagen,

o die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und

o die Lebensbedingungen und Wohnquartiere zu verbessern.

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Zu den weiteren, ebenfalls als wichtig eingestuften Bereichen, in denen die EU tätig werden sollte, zählen die Anhebung der Renten, die Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung und ihrer Bezahlbarkeit, die Gewährung von Sozialfürsorge für Bedürftige sowie die Kommunikation mit den von Armut betroffenen und sozial ausgegrenzten Menschen, um deren Sorgen kennenzulernen.

Aus den Antworten wurde deutlich, dass solche Maßnahmen nicht nur die

Lebensqualität der Befragten auf materieller Ebene verbessern, sondern auch eine Reihe von psychologischen Vorteilen mit sich bringen würden. So könnten sie unter anderem zur Wiederherstellung der Würde beitragen, da Armut nach wie vor als beschämend oder peinlich empfunden wird, eine aktivere Lebensgestaltung fördern (z. B. durch Beschäftigung) und auf diese Weise die Vereinsamung verringern, sowie gegebenenfalls bei der Bekämpfung von Verunsicherung und Zukunftsangst helfen.

Auf die Frage, was die weitaus wichtigste Angelegenheit sei, um die sich die Entscheidungsträger kümmern sollten, wiederholten die Befragten eine Reihe von Aspekten und erklärten zum Beispiel, dass es gelte die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, das Augenmerk vor allem auf die Wirtschaft und die Infrastruktur zu richten (z. B. Gesundheits- und Wohnraumversorgung) sowie ältere und in Armut lebende oder von sozialer Ausgrenzung betroffene Menschen anzuhören. Auch in diesem Zusammenhang wurde auf Maßnahmen verwiesen, die nicht nur die materiellen Bedürfnisse älterer und in Armut lebender oder von sozialer Ausgrenzung betroffener Menschen erfüllen, sondern ihrem Leben auch einen Sinn und ein Ziel geben würden, wie zum Beispiel die Teilhabe an kulturellen Aktivitäten oder die Weitergabe ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten an jüngere Generationen.

1.5 Spezifische Fragen - Internet, Lebensbedingungen und Beschäftigung

Etwa ein Drittel der Befragten hatte Zugang zum Internet über einen

eigenen Computer, den Computer eines Familienmitglieds (z. B. eines Kindes) bzw. über eine Bibliothek oder eine örtliche Ausbildungseinrichtung. Diejenigen, die keinen Zugang zum Internet hatten, nannten die Kosten und die Beherrschung der neuen Technologie als die größten Hindernisse für den Internetzugang. Die Befragten ohne Internetzugang hatten unterschiedliche Auffassungen darüber, ob sie gern die Möglichkeit hätten, diese Technologie zu nutzen. Viele von ihnen meinten, dass die Tatsache, dass sie keinen oder nur begrenzten Zugang zum Internet haben, zu Vereinsamung, Isolation, Depression, Stress und Ängsten sowie zu dem Gefühl beitrage, von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Die Befragten würden es befürworten, wenn die politischen Entscheidungsträger der EU einen kostenlosen oder stark subventionierten Internetzugang und Computerkurse bereitstellen.

Die Mehrheit der Befragten äußerte sich besorgt über ihre schlechten Lebensbedingungen oder ihr Wohnquartier. Es wurden Bedenken über eine Reihe verschiedener Aspekte geäußert, vor allem über antisoziales

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Verhalten und Sicherheit, die mangelnde Wartung und Instandhaltung der Häuser, in denen die Befragten leben, und die Sauberkeit der Straßen. So überrascht es nicht, dass die Befragten ein Eingreifen der EU-Politiker in folgenden spezifischen Angelegenheiten begrüßen würden: Erhöhung der Renten, Senkung der von Rentnern zu zahlenden Steuern und Subventionierung der Gas-, Wasser und Stromkosten sowie der Mieten, da sie dann Geld für wichtige Wartungsarbeiten an den Häusern, in denen sie leben, übrig hätten.

Die Befragten nannten auch eine Reihe von Problemen, die sich auf ihre

Chancen am Arbeitsmarkt auswirken. Dabei standen Altersgrenzen und Altersdiskriminierung sowie generell die steigenden Arbeitslosenquoten an oberster Stelle. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, sollten die EU-Politiker nach Ansicht der Befragten mehr Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz einführen; außerdem sollten sich die Jobcenter stärker dafür einsetzen, geeignete Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer zu finden.

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2 ZIELE UND METHODIK

2.1 Hintergrund und Ziele Angesichts von fast 84 Millionen armutsgefährdeten Europäern hat sich die Europäische Union (EU) mit ihren Mitgliedstaaten zusammengetan und 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgerufen. Dabei ging es vor allem darum, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für diese Fragen zu schärfen und dem politischen Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung neuen Auftrieb zu verleihen. Der Grundgedanke im Jahr 2010 war es, die Anliegen der Menschen, die in Armut und sozialer Ausgrenzung leben, zur Sprache zu bringen und jeden europäischen Bürger sowie sonstige Akteure für diese wichtigen Themen zu sensibilisieren.3 Vor diesem Hintergrund gab das Europäische Parlament eine qualitative Studie in 18 EU-Mitgliedstaaten in Auftrag, um die Probleme der in Armut lebenden und von sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen zu untersuchen. Die in diesem zusammenfassenden Bericht enthaltenen Erkenntnisse aus der einschlägigen Forschung werden direkt in die europäische Bürger-Agora zum Thema „Krise und Armut“ einfließen, die im Januar 2011 stattfinden wird. Die übergeordneten Ziele der Studie bestanden darin,

die besonderen Probleme der Menschen herauszuarbeiten, die in Armut leben und von sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht sind, und die Themenbereiche festzulegen, die der für 2011 anberaumten Bürger-Agora vorgelegt werden könnten, und somit

den Entscheidungsträgern der EU anlässlich der Bürger-Agora 2011 einen direkten Einblick in die Sorgen der in Armut und sozialer Ausgrenzung lebenden Menschen zu vermitteln.

2.2 Methodik und Stichprobenauswahl

2.2.1 Gestaltung Die Untersuchung erfolge in zwei Phasen, wobei der Schwerpunkt dieses Berichts auf der ersten Phase liegt. Die erste Phase bestand in einer Reihe von Fokusgruppen im Rahmen einer Stichprobe, die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffene Menschen im Alter von 60 Jahren und darüber in 18 Mitgliedstaaten umfasste. In jedem der Länder wurde eine etwa 90 Minuten dauernde Gruppenbefragung von jeweils 8-12 Teilnehmern durchgeführt, die unter

3 http://www.2010againstpoverty.eu/about/?langid=de

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der Armutsschwelle des betreffenden Landes leben.4 Je Gruppe sollten außerdem mindestens vier der Befragten als sozial ausgegrenzt gelten.5 Die Gruppen bestanden aus Männern und Frauen und umfassten Rentner, Arbeitslose und noch erwerbstätige Personen. Nachstehend sind die Teilnehmer nach Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt.

GE-SCHLECHT

MITGLIED-STAAT

M W

ALTERS-GRUPPE

UNTER DER ARMUTS-GRENZE

SOZIAL AUSGE-GRENZT

ORT DES TREFFENS DER FOKUSGRUPPE

Belgien 4 4 60-73 alle 8 von 8 Brüssel Dänemark 5 6 64 - 81 alle 10 von 11 Kopenhagen Deutsch-land

4 6 60 - 75 alle 10 von 10 München

Frankreich 3 6 60 - 75 alle 9 von 9 Paris Griechen-land

4 4 60 - 70 alle 4 von 8 Athen

Irland 3 5 63 - 71 alle 4 von 8 Dublin Italien 5 4 63 - 70 alle 9 von 9 Mailand Lettland 3 7 59* - 78 alle 8 von 10 Riga Malta 6 4 60 - 82 alle 9 von 10 St. Julians Polen 4 4 60 - 69 alle 6 von 8 Warschau Portugal 3 5 63 - 74 alle 8 von 8 Lissabon Rumänien 3 6 60 - 86 alle 8 von 9 Bukarest Schweden 3 7 62 - 74 alle 8 von 10 Göteborg Slowakei 3 5 61 - 78 alle 8 von 8 Bratislava Spanien 5 4 60 - 72 alle 6 von 9 Madrid Tsche-chische Republik

4 4 60-65 alle 4 von 8 Prag

Ungarn 4 4 60 - 65 alle 6 von 8 Budapest Vereinig-tes König-reich

1 8 62 - 69 alle 8 von 9 London

* Einer der Befragten in der lettischen Gruppe war 59 Jahre alt. Diesen Gruppen gehörten insgesamt 160 Befragte in 18 Mitgliedstaaten an. Die Befragten setzten sich wie folgt zusammen:

Zwei Drittel der Befragten waren Rentner, von denen eine Minderheit behinderungs- oder gesundheitsbedingt aus dem Erwerbsleben ausgeschieden war. Eine Minderheit der Rentner besserte ihr Renteneinkommen durch einen Nebenerwerb auf.

4 Es wurden individuelle Armutsschwellen für die einzelnen Mitgliedstaaten zugrundegelegt; diese sind dem Screener für die Stichprobenauswahl zu entnehmen, der dem Bericht als Anhang beigefügt ist. Die zu befragenden Personen wurden nach der Bedingung ausgewählt, dass ihr Haushaltseinkommen - in Abhängigkeit von der Zahl der im Haushalt lebenden Personen - unter der festgelegten Schwelle liegt. 5 Die Befragten wurden als sozial ausgegrenzt eingestuft, wenn sie auf mindestens vier der in Frage 4 des Screeners für die Stichprobenauswahl enthaltenen Aussagen mit „trifft auf mich zu“ antworteten.

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Bei einem Drittel der Befragten handelte es sich nicht um Rentner, die Hälfte davon stand in einem Beschäftigungsverhältnis, während die andere Hälfte arbeitslos war. Diejenigen, die in einem Beschäftigungsverhältnis standen, gingen verschiedenen Tätigkeiten nach, wie zum Beispiel Reinigungskraft, Pfleger, Schildermacher, Sicherheitskraft, Schneider, Florist, Babysitter usw. Einige arbeiteten in Teilzeit oder waren selbstständig.

Etwas mehr als ein Drittel der Befragten war verheiratet oder lebte mit einem Partner zusammen, während die übrigen zwei Drittel alleinstehend, geschieden oder verwitwet waren. Einige der Befragten, bei denen es sich allerdings um eine Minderheit handelte, hatten Kinder, die bei ihnen lebten oder die sie auf irgendeine Weise finanziell unterstützten.

Als Nächstes wurde im Rahmen der Untersuchung im Januar 2011 eine Auswahl der Fokusgruppenteilnehmer nach Brüssel eingeladen, um an einer zweiten Diskussion zur Formulierung eines Beitrags zur Agora teilzunehmen. In der nachstehenden Tabelle ist angegeben, wie viele Teilnehmer aus jedem der 18 Mitgliedstaaten eingeladen waren.

LAND ANZAHL DER ZUR ZWEITEN VERANSTALTUNG

EINGELADENEN PERSONEN Belgien 1 Dänemark 1 Deutschland 2 Frankreich 2 Griechenland 1 Irland 1 Italien 2 Lettland 0 Malta 0 Polen 2 Portugal 1 Rumänien 2 Schweden 1 Slowakei 0 Spanien 1 Tschechische Republik 1 Ungarn 1 Vereinigtes Königreich 2 INSGESAMT 21

2.2.2 Inhalt der Diskussion Zu Beginn der Diskussion wurde allgemein ermittelt, was die Befragten über die Art und Weise der Darstellung von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien denken, was die größten Sorgen der Befragten im Alltag sind und welches ihrer Meinung nach die Ansichten der Gesellschaft über Armut und soziale Ausgrenzung

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sind. Anschließend wurden die spezifischen Auffassungen und Prioritäten der Befragten zu der Frage erörtert, welche Aspekte ihres Lebens nach ihrem Dafürhalten von den Entscheidungsträgern verstanden werden und welche Maßnahmen die Entscheidungsträger Europas ihres Erachtens treffen sollten. Es fand eine eingehende Befragung zu drei speziellen Bereichen statt, die im Zusammenhang mit der Agora von Interesse sind - das Internet und andere moderne Kommunikationstechnologien, die Lebensbedingungen in den Wohnquartieren, in denen die Befragten leben, und deren Erfahrungen bei der Arbeitssuche, wenn sie arbeitslos waren. Schließlich wurden die Befragten aufgefordert, eine spezielle Maßnahme zu nennen, die die EU-Politiker nach ihrem Dafürhalten treffen sollten, um Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Der für die Studie verwendete Diskussionsleitfaden ist diesem Bericht als Anhang beigefügt.

2.2.3 Zeitlicher Ablauf Die Feldarbeit für diese Studie wurde in der Zeit vom 6. bis 10. Dezember 2010 durchgeführt.

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3 DIE WICHTIGSTEN SORGEN In diesem Kapitel werden einige der größten Sorgen untersucht, mit denen sich die Befragten im täglichen Leben konfrontiert sehen. Um festzustellen, worin diese Sorgen bestehen, wurden die Befragten zunächst gebeten, darüber nachzudenken, wie Fragen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien dargestellt und wahrgenommen werden. Dabei ging es darum sicherzustellen, dass sich jeder der Befragten bei der Erörterung dieses potenziell heiklen Themas wohlfühlt, und einen entsprechenden Kontext für die spätere Diskussion der eigenen Sorgen im Rahmen der Gruppe zu schaffen. Die Teilnehmer wurden darüber hinaus gefragt, was nach ihrem Dafürhalten fehlt, was sie bei der Darstellung dieser Themen in den Medien ändern würden, und wie Armut und soziale Ausgrenzung nach ihrer Einschätzung von der Gesellschaft angesehen werden.

3.1 Wichtigste Erkenntnisse

Unter den Befragten herrschte die Meinung vor, dass man sich in den Medien nicht annähernd genug mit Fragen der Armut und der sozialen Ausgrenzung befasse. Als Hauptgrund für dieses mangelnde Engagement wurde die wahrgenommene Fixierung der Medien auf Geschichten im Zusammenhang mit Reichtum, Wohlstand, Schönheit und Jugend genannt. Dies seien die vermeintlich bevorzugten Themen, die deshalb als vermarktbar oder berichtenswert gelten.

Wenn Fragen der Armut und der sozialen Ausgrenzung in den Medien dargestellt werden, so geschieht dies nach Meinung der Befragten vor allem in Form von Zahlen (Kennzahlen und Statistiken) und emotional anrührenden Bildern (z. B. von hungernden Menschen, Einsamkeit und Isolation sowie Verfall in Wohnquartieren) oder auf eine extrem sensationslüsterne Weise. Diese Darstellungen wurden als unrichtig und irreführend eingestuft.

Im Gegensatz zu diesen falschen Darstellungen von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien nannten die Befragten eine Reihe von Problemen, die nach ihrem Dafürhalten Auswirkungen auf ihr tägliches Leben haben. Dabei standen Lebenshaltungskosten, Gesundheitsversorgung und Pflegeheime, Lebensbedingungen und Wohnquartier sowie die generationenübergreifende Armut an oberster Stelle. Die Befragten erklärten auch, wie diese Aspekte, zum Beispiel die hohen Lebenshaltungskosten, ebenfalls zu sozialer Ausgrenzung und Isolation führen.

Die Befragten waren im Allgemeinen der Auffassung, dass die Gesellschaft

den Ansatz der Medien bei der Darstellung von Problemen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung dahingehend widerspiegele, dass sie weitgehend ignoriert werden und ihre Situation überhaupt nicht bzw. nicht richtig verstanden oder grob vereinfachend gesehen werde. Die Befragten fühlten sich von der Gesellschaft ausgegrenzt und machten darüber hinaus geltend, dass es vonseiten der Gesellschaft

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einen Mangel an Einfühlungsvermögen, Maßnahmen und Interesse in Bezug auf Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung gebe, weil die Menschen sich offenbar nur dann dafür interessierten, wenn sie persönlich davon betroffen sind.

Die Mehrheit der Befragten meinte, dass bei der Darstellung von Armut und

sozialer Ausgrenzung in den Medien Beispiele aus dem wirklichen Leben oder Fallstudien von in Armut lebenden Menschen fehlten, in denen aufgezeigt wird, wie sie tatsächliche alltägliche Angelegenheiten bewältigen.

Die Befragten würden eine Medienberichterstattung begrüßen, die auf die Bedingungen aufmerksam macht, unter denen Rentner leben müssen, wie zum Beispiel die Wohnverhältnisse und die Wohnquartiere, geringes Einkommen, das Überleben mit wenig Geld, Probleme im Zusammenhang mit dem Älterwerden, die hohen Gas-, Wasser- und Stromkosten und die hohen Mietkosten. Sie vertraten die Auffassung, dass die Medien auch über die verschiedenen Gründe berichten sollten, aus denen Menschen in Armut abgeglitten sind und arm bleiben.

3.2 Die Darstellung von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien

Alle Befragten beschäftigten sich in gewissem Maße mit den Medien, d. h. sie schauten fern (Nachrichtensendungen, Seifenopern oder Dokumentarfilme), hörten Radio oder lasen Zeitung; natürlich taten sie dies in unterschiedlichem Umfang, und sie hatten Zugang zu unterschiedlichen Arten von Medien. Unter den Befragten herrschte die Meinung vor, dass man sich in den Medien nicht annähernd genug mit Fragen der Armut und der sozialen Ausgrenzung befasse (UK, SK, EL, DE, PL, DK, MT, LV, IE, RO, IT, PT, CZ, ES). Diese würden oftmals beschönigend dargestellt (UK, SK, DK, CZ).

„Ich habe im Fernsehen noch nie ein ernsthaftes Programm über Armut oder soziale Ausgrenzung gesehen.“ (EL, weiblich, 65)

„Viele Leute wollen darüber einfach nichts hören. Sie verschließen Augen und Ohren, da sie nicht mit Fragen der Armut konfrontiert werden möchten.“ (DK, weiblich, 81)

„Nach meinem Dafürhalten müssen wir darauf bestehen, Fernsehprogramme zu haben, die die Bürger und die Schwierigkeiten, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, richtig darstellen. Darüber müssen sie die ganze Zeit berichten. Die Medien werden ihrer Aufgabe nicht gerecht.“ (BE, männlich, 60) „Niemand möchte in den Medien etwas über Arme hören. Es hat keinen Nachrichtenwert, dass es jemandem an etwas mangelt. Die da oben wollen das doch gar nicht wissen.“ (CZ, weiblich, 64)

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„In den Zeitungen hieß es, dass es 500 neue Arbeitsplätze geben werde. Allerdings haben sie nicht hinzugefügt, dass in der Zwischenzeit in Pest 700 Arbeitsplätze verlorengehen...“ (HU, männlich, 61)

Als Hauptgrund für dieses mangelnde Engagement wurde die wahrgenommene Fixierung der Medien auf Geschichten im Zusammenhang mit Reichtum, Wohlstand, Schönheit und Jugend genannt. Dies seien die bevorzugten Themen (UK, SE, ES, PL), die als vermarktungsfähig und berichtenswert gelten (das Leben der Jungen, Reichen und Berühmten) und die für höhere Zuschauerquoten sorgen, was im finanziellen Interesse der Medien liege (SE, RO, SK, HU, EL, PL). Einige der Befragten vertreten die Auffassung, dass der Import amerikanischer Programme diesen Idealen noch weiter Vorschub leiste (UK).

„Ich glaube nicht, dass Armut in den Medien eine große Rolle spielt, im Fernsehen wird doch eher der Wohlstand gezeigt ... Jeder ist reich, jeder ist schön und schlank; man sieht nicht viel Armut in den Medien … wahrscheinlich wollen die Leute die wohlhabende Seite der Gesellschaft sehen, Armut wollen sie nicht sehen.“ (UK, weiblich, 64) „Das alltägliche Leben ist nicht attraktiv. Wir sollten die Armut besser nicht im Ausland zeigen.“ (PL, männlich, 64)

Ältere Menschen und Rentner werden in der Regel als Personen dargestellt, die ein gutes Leben haben und wirtschaftlich gut dastehen. Es wäre peinlich, ältere Menschen oder Rentner zu porträtieren, die arm sind. (SE)

„Ältere/arme und im Ruhestand befindliche Menschen werden in den Medien als Angehörige der Oberschicht dargestellt, die Auslandsreisen unternehmen und mit Geld um sich werfen.“ (SE, weiblich, 67)

Wenn Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien dargestellt werden, so werden sie nach Ansicht der Befragten auf folgende Weise dargestellt:

Die Medien sind stärker darauf bedacht, Zahlen (Kennzahlen, Statistiken) und visuelle Bilder der Armut (hungernde Menschen, Einsamkeit und Isolation, Verfall in Wohnquartieren) darzustellen, als das Leben der Menschen anhand von konkreten und detaillierten Fallbeispielen zu zeigen. Es gibt Informationen über die Arbeitslosenquote und darüber, ob sie sinkt oder steigt, aber die Zahlen sagen nichts darüber aus, wie die Menschen, auf die sich diese Zahlen beziehen, leben (PT, DE, HU, DE, IT, BE). Ferner werden die Kennzahlen als interpretationsanfällig eingeschätzt - man kann die Zahlen so oder so auslegen, je nachdem, wie man Armut und soziale Ausgrenzung sehen möchten (BE).

„Im Fernsehen werden recht oft Menschen gezeigt, die auf der Straße schlafen, aber das sind nur Bilder.“ (PT, weiblich, 63)

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„Gelegentlich wird der Anteil der hier lebenden Armen genannt. Man hört jedoch nie davon, dass er genauer untersucht wird.“ (DE, weiblich, 62) „Sie sagen [nur] wie viel Prozent es sind.“ (HU, männlich, 60)

Armut und soziale Ausgrenzung werden auf extreme, sensationslüsterne

Weise oder in Form von Worst-Case-Szenarien dargestellt, d. h. es wird zum Beispiel über einen Obdachlosen berichtet, der aufgrund widriger Witterungsbedingungen stirbt, oder über einen Schwerstkranken, anstatt über den Alltag einer recht großen Gruppe von Menschen (SK, IE, CZ, ES, EL, IT, BE).

„Bekommt jemand Krebs, dann ist niemals nur der kleine Finger betroffen, immer ist es gleich ein Hirntumor oder eine wirklich schwere Erkrankung, die der Betreffende nicht überleben wird.“ (IE, männlich, 71)

In diesem Zusammenhang steht auch die oberflächliche stereotype Darstellung der Armen als Faulpelze - zum Beispiel in Soap Operas im Fernsehen -, die nicht arbeiten und jeden nur erdenklichen Trick anwenden, um das staatliche Wohlfahrtssystem auszunutzen (DE, DK, SK). Darüber hinaus besteht der Eindruck, dass die Unterhaltungsindustrie - zum Beispiel in Dramen und Komödien - Arme oftmals als extrem arm, schmutzig und bemitleidenswert darstellt. Diese übertriebene Überzeichnung und Polarisierung der Charaktere soll einen Film interessanter und witziger machen oder für eine deutlichere Abgrenzung sorgen. Dabei wird jedoch kein sehr ehrliches Bild gezeichnet (DK).

Von der Armut in der Welt wird weitaus mehr berichtet als von der Armut auf nationaler oder lokaler Ebene. (UK, PT, MT)

„Sie berichten über Haiti, sie berichten über Mexiko … Afrika … sie berichten über all diese Menschen, aber nicht darüber, was hier los ist [in Bezug auf die Armut] ... Wir möchten wissen, was hier bei uns passiert, und es gibt in unser unmittelbaren Umgebung so viel Armut …“ (UK, weiblich, 68) „Die Leute schicken Geld nach Haiti, aber für hier gibt es nichts.“ (BE, männlich, 60)

Die Medien zeigen Beispiele der Nächstenliebe gegenüber Armen, bei denen

es sich jedoch in der Regel um eine einmalige Aktion für Bedürftige handelt, z. B. den Kauf eines Rollstuhls, die Bereitstellung von Lebensmitteln usw. (SK), oder vermitteln den Eindruck, dass der Staat und andere Einrichtungen den Armen ausreichend Hilfe bieten - dass das, was sie bereitstellen, für ein menschenwürdiges Leben ausreicht (HU).

Bei den Diskussionen über Armut geht es zumeist um die jüngste Weltwirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf nationaler Ebene. (IE)

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Die Medien stellen arme und ältere Menschen als eine kleine Gruppe dar, die nicht weiter beachtenswert/nicht interessant genug ist. (SE)

In Serien oder Soap Operas gibt es immer ein Happy End, was unrealistisch ist. (PT)

„In Serien und Soap Operas haben durch Armut gekennzeichnete Situationen immer ein Happy End, aber im wirklichen Leben ist es anders.“ (PT, männlich, 67)

Alkohol und Kneipen werden zu sehr in den Vordergrund gerückt. Es wurde

die Auffassung vertreten, dass Alkohol bei der Darstellung in Armut lebender Menschen allgegenwärtig sei, und dass Kneipen und Bars häufig nicht nur das Zentrum von Geselligkeit, sondern das Zentrum der Gemeinschaft selbst seien. Einigen der Befragten, die in einer Innenstadt leben, erschien dies als zutreffende Darstellung ihrer Gemeinschaft, während andere Teilnehmer, die in Vororten leben, die Auffassung vertraten, dass es für sie andere Möglichkeiten gebe, um unter Menschen zu kommen. (IE)

„Die Leute gehen nicht immer auf ein Glas da hin [in die Kneipe], sondern nur um Gesellschaft zu finden, weil das woanders nicht möglich ist.“ (IE, weiblich, 63)

Diese Darstellungen werden im Allgemeinen nicht als sachlich richtig eingestuft, und die Befragten führten hierzu viele Gründe an:

Die Armut in der Gesellschaft ist in gewissem Maße verborgen und schwer zu erkennen, da die Menschen versuchen, den Schein zu wahren, und sich ihrer Situation schämen. (DK, ES, SK, IT)6

„Armut spielt sich heutzutage im Verborgenen ab, während sie im Film nach außen gekehrt wird. In einem Film merkt man immer, ob jemand arm ist. Im wirklichen Leben merkt man das nicht, weil es nicht zur Schau gestellt wird.“ (DK, männlich, 71)

„Die verborgene Armut trägt eine Maske.“ (SK, weiblich, 63)

Die Medien werden nicht immer als unabhängig angesehen, und es könnte im Interesse der Eigentümer von Medienhäusern oder Zeitungen - bei denen es sich manchmal auch um Politiker handelt - liegen, Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung beschönigend

6 Es sei darauf hingewiesen, dass die verborgene Dimension der Armut auch in den Fokusgruppen zum Tragen kam. So zögerten zum Beispiel die Teilnehmer in der deutschen Gruppe nicht, sich als arm und sozial ausgegrenzt zu bezeichnen. In der schwedischen Gruppe waren einige der Befragten eher bereit als andere, ihre Lage offen einzugestehen, während sich die Befragten in der irischen und der lettischen Gruppe nicht als arm oder sozial ausgegrenzt betrachteten (obwohl sie nach entsprechenden Kriterien ausgewählt worden waren) und meinten, es gebe andere, denen es noch schlechter gehe und die als arm anzusehen seien.

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darzustellen (RO, CZ, ES, BE), denn wenn die Probleme nicht gezeigt werden, dann sind auch keine Abhilfemaßnahmen erforderlich. Mit anderen Nachrichtenmedien verbundene Oppositionsparteien haben die Medien genutzt, um abweichende Versionen von der Realität der Armut zu verbreiten mit dem Ziel, die andere Seite bloßzustellen (MT). Es wird davon ausgegangen, dass für Interviews Leute ausgewählt werden, die nichts über schwere Lebensbedingungen berichten, oder die in der Lage sind, die bevorzugte Version der Wahrheit zu verkünden, bzw. die aufpassen, was sie sagen, und die Dinge beschönigen (HU).

Die Darstellung von Armut und sozialer Ausgrenzung entspricht nicht den

Tatsachen, da die Medien nach Ansicht der Befragten nicht die Zeit haben oder nicht willens sind, sich mit der Situation vertraut zu machen/sich nicht die Zeit nehmen, die Problematik richtig zu verstehen. (SE, RO)

3.3 Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung, die Auswirkungen auf das Leben der Befragten haben

Da für die Befragung durchweg Personen ausgewählt wurden, die unter der Armutsgrenze des betreffenden Landes leben, und von denen einige darüber hinaus auch sozial ausgegrenzt sind, hatten alle Befragten eine Meinung dazu, wie die Probleme, die ihr Leben berühren, mit Armut und sozialer Ausgrenzung zusammenhängen. Die Befragten äußerten sich besorgt über eine Reihe von Problemen, die Auswirkungen auf ihr Leben haben; diese sind in der nachstehenden Tabelle in absteigender Reihenfolge nach der Anzahl der Nennungen zusammenfassend dargestellt und werden anschließend eingehend erörtert.

PROBLEME, DIE AUSWIRKUNGEN AUF DAS LEBEN DER BEFRAGTEN HABEN Problem Beispiel Befragte

aus: Lebenshaltungskosten

nicht genug Geld für die Kosten des täglichen Lebens,

kein Geld für Extras, z. B. um sich oder anderen eine Freude zu machen,

Schwierigkeiten, unerwartete Ausgaben zu bestreiten,

die Besteuerung des Renteneinkommens,

hohe Kosten für Verkehrsmittel,

soziale Ausgrenzung und Isolation aufgrund des unzureichenden Einkommens und die daraus resultierenden emotionalen und physischen Auswirkungen,

UK, SE, DE, DK, HU, ES, EL, PL, LV, FR, BE

Gesundheitsdienste und Pflegeheime

Besorgnis wegen der Qualität der Gesundheitseinrichtungen und Pflegeheime,

erhebliche Auswirkungen der Kosten nicht subventionierter Medikamente auf die den Befragten zur Verfügung stehenden Mittel,

HU, DE, UK, LV, PT, FR, BE

Lebensbedingungen und

die Kosten für die Instandhaltung der Wohnung,

Bußgeld wegen falscher Mülltrennung,

UK, ES, EL, LV, FR

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Wohnquartier in einigen Fällen Verlust der Wohnung/des Hauses infolge von Armut,

schlechter Zustand oder zu geringe Größe der Wohnung,

negative Auswirkungen von Kriminalität und antisozialem Verhalten,

keine Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und keine Anlaufstellen für Jugendliche nach der Schule wegen der Schließung von lokalen sozialen und kulturellen Einrichtungen durch die lokalen Behörden,

lärmende Nachbarn, Generationenübergreifende Armut

finanzielle Unterstützung der Kinder, obwohl die Befragten selbst Mühe haben, über die Runden zu kommen,

UK, MT, ES, HU, FR

Arbeitslosigkeit Schwierigkeiten, bei Verlust des Arbeitsplatzes, insbesondere infolge der globalen Wirtschaftskrise, eine neue Beschäftigung zu finden,

ES, PL, FR

Fehlende Unterstützung

Verschlechterung der Situation von armen und sozial ausgegrenzten Personen aufgrund des Fehlens eines sozialen Netzes bzw. der Unterstützung durch die Familie,

ES

Bürokratie erschwerter Zugang zu finanzieller oder anderer Hilfe aufgrund des erforderlichen bürokratischen Aufwands (z. B. Formalitäten und Zeit).

MT

3.3.1 Lebenshaltungskosten Bei der Diskussion über die Probleme, die Auswirkungen auf das Leben der Befragten haben, ging es am häufigsten um die Lebenshaltungskosten. Ein Großteil der Befragten vertrat die Auffassung, dass Personen, die von einem geringen Einkommen leben müssen, insbesondere diejenigen, die fast ausschließlich auf staatliche Renten angewiesen sind, nicht genug Geld haben, um ihre Rechnungen zu bezahlen, geschweige denn Luxusausgaben zu tätigen, d. h. beispielsweise sich selbst oder Familienmitgliedern wie Enkeln eine Freude zu machen (UK, SE, DE, DK, ES, PL, LV, HU, ES, FR, BE).

„Ich gehe nicht mehr gern auf Weihnachtsmärkte, weil ich es mir nicht mehr leisten kann, mir dort irgendetwas zu kaufen. Vielleicht ab und zu ein Glas Glühwein, aber das ist alles.“ (DE, weiblich, 66)

Selbst diejenigen, die in der Lage sind, ihre Rechnungen zu bezahlen und zusätzliche Kosten zu schultern, müssen ihre täglichen Ausgaben im Auge behalten. Sie müssen sich genau überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben, und mussten bereits größere Ausgaben einschränken, um ihre Rechnungen bezahlen zu können (DE, HU, UK, BE).

„Ich bezahle nicht alle Rechnungen, denn all das was ich bekomme [staatliche Rente und andere Formen finanzieller Unterstützung] reicht kaum aus, um irgendwas zu kaufen. Abgesehen vom Kauf von Lebensmitteln und von der Bezahlung von Rechnungen würde ich gern meinen Enkelkindern

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eine Freude bereiten, wenn sie mich besuchen, das ist das eine [was ich gern tun würde], und es reicht nicht einmal für mich.“ (UK, weiblich, 67)

„Ich musste alle Versicherungen kündigen. Ich kann nur die Begräbnisversicherung und die Haftpflichtversicherung beibehalten.“ (DE, weiblich, 64) „Wir müssen uns entscheiden, ob wir etwas Heizöl kaufen oder das Internet bezahlen oder auch etwas zu essen kaufen; oftmals jonglieren wir mit Kreditkarten.“ (BE, männlich, 60) „Die Leute glauben nicht, dass das ein Problem ist. Du hast nicht genug Geld für einen Fernseher? Dann geh in eine Bank, und sie geben dir einen Kredit! Du bist arbeitslos? Mach doch eine Umschulung! Und all dies... Nichts ist ein Problem. Für alles gibt es eine schlaue Lösung. Aber in der realen Welt funktioniert das nicht so.“ (CZ, männlich, 65)

Allerdings haben die Befragten Strategien entwickelt, um ihre Kaufkraft zu maximieren und zu versuchen, Geld zu sparen. (FR)

„Je näher das Verfallsdatum, desto billiger das Fleisch. So mache ich es. Ich kaufe Fleisch am Tag des Verfallsdatums, und es ist in Ordnung und kostet manchmal nur die Hälfte des regulären Preises.“ (FR, weiblich)

Besonders schwierig wird es für die Befragten, wenn vollkommen unerwartet größere Ausgaben auf sie zukommen. (DE) Einige der Befragten vertraten die Auffassung, dass sie zu viel Steuern auf ihr Renteneinkommen zahlen und dass dies zu ihrem Geldmangel beitrage (SE, UK). Befragte, die ihr Leben lang gearbeitet haben, fühlen sich in der gegenwärtigen Lebensphase dafür „bestraft“. So wurde zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Befragte, obwohl sie während ihres ganzen Arbeitslebens Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben, nunmehr Steuern auf ihre betriebliche Altersversorgung zahlen müssen, was weithin für ungerecht erachtet wurde. Darüber hinaus fühlten sich diejenigen, die eine private Altersvorsorge getroffen haben, durch die Tatsache benachteiligt, dass sie aufgrund des daraus resultierenden Einkommens keinen Anspruch auf Rentenbeihilfe haben. (UK)

„Eben deshalb bin ich ärgerlich, denn ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet ..., und nun werde ich plötzlich von allen Seiten bestraft. Ich habe alle Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, alles und jedes gezahlt, und nun bin ich unversehens zum Opfer geworden.“ (UK, männlich, 62)

Einige der Befragten bezeichneten auch die Kosten für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel als unerschwinglich hoch und vertraten die Auffassung, dass dies zu ihrer verstärkten Isolierung beigetragen habe, da sie sich Mobilität nicht leisten können und an ihre Wohnung oder ihre unmittelbare Umgebung gebunden seien. Einige sind darauf angewiesen, von Familienmitgliedern oder anderen Personen dahin gefahren zu werden, wo sie hinmöchten. (DK)

„Mein Sohn fährt mich manchmal, aber ich belästige ihn nur ungern damit. Meistens fahre ich einfach nicht hin, weil es einfacher und billiger ist, zu Hause zu bleiben.“ (DK, weiblich, 73)

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Die Sorge, Rechnungen nicht bezahlen zu können, wurde wegen der Auswirkungen auf die Gesundheit der Befragten für besonders beunruhigend erachtet. Es wurde berichtet, dass Befragten mit Klagen gedroht wurde, wenn sie sich die Mindestzahlungen für Gas-, Wasser- und Stromrechnungen nicht leisten konnten. Dies hat große Besorgnis ausgelöst, weil sie sich oftmals außerstande sahen, ihre Ausgaben in irgendeinem Bereich zu reduzieren, um die betreffenden Zahlungen zu erhöhen, da sie bereits unmittelbar am Existenzminimum lebten. (UK)

„Ja, ich zahle jeden Monat 20 GBP, und es reicht nicht, aber mehr kann ich nicht zahlen. Sonst könnte ich nichts mehr essen. Ich muss mir ja etwas zu essen kaufen.“ (UK, weiblich, 68)

Nicht genug Einkommen zur Sicherung der Grundbedürfnisse zu haben oder nicht ein wenig Geld zurücklegen zu können hat Auswirkungen auf das emotionale Wohlbefinden der Befragten und führt zu sozialer Ausgrenzung und Isolation. Weil es als peinlich empfunden wird, nehmen nur wenige der Befragten karitative Angebote in Anspruch (Lebensmittel von der Arbeiterwohlfahrt, Kleiderkammern von Sozialhilfediensten usw.), und sie können kaum am kulturellen und sozialen Leben teilnehmen, was dazu führt, dass sie sich aus der Gesellschaft zurückziehen (DE). Sie haben das Gefühl, seitdem sie sich im Ruhestand befinden, auch ihre Unabhängigkeit verloren zu haben, da sie auf die finanzielle oder sonstige Hilfe anderer angewiesen sind, sodass sie in gewissem Maße nicht mehr Herr über ihr eigenes Schicksal zu sein glauben (FR). Damit zurechtzukommen, fällt ihnen besonders schwer, weil sie ein anderes Leben kannten, in dem sie es sich leisten konnten, viel mehr zu unternehmen, in dem sie Zugang zu kulturellen Aktivitäten hatten und bescheidene Freuden genießen konnten (DE, LV). Aufgrund finanzieller Zwänge ist es unmöglich geworden, an verschiedenen kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, z. B. ins Theater zu gehen, sodass ältere Menschen, die allein leben, zu Hause bleiben, vereinsamen und in die Isolation geraten (LV). Zur Isolation der Teilnehmer trägt auch das Gefühl bei, dass die harte Arbeit, die sie im Laufe ihres Lebens geleistet haben, nicht vom Staat anerkannt wird. Ganz im Gegenteil sehen sie sich ungerechterweise genauso behandelt wie Menschen, die dies nach ihrem Dafürhalten weniger verdienen: arbeitsscheue Menschen, die von Arbeitslosenunterstützung leben, und Ausländer. (DE, PL)

„Die Leute denken, dass jeder für sein Schicksal selbst verantwortlich ist.“ (CZ, weiblich, 64)

Darüber hinaus ärgern sich die Befragten über die Rentner, denen es besser geht als ihnen, sowie über all die Politiker und Manager mit ihren hohen Gehältern. (DE, HU, FR)

3.3.2 Gesundheitsdienste und Pflegeheime Die Bedenken der Befragten in Bezug auf Gesundheitsdienste und Pflegeheime betrafen Qualität und Kosten der Dienste.

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Einige der Befragten vertraten die Auffassung, dass Gesundheits- und Pflegedienste (wie Pflegeheime) nicht effizient verwaltet werden, was eine Benachteiligung von ohnehin schon sozial ausgegrenzten Gruppen wie älteren und behinderten Menschen mit sich bringe. Als Gründe für die Bedenken wurden Probleme im Zusammenhang mit dem Mangel an Personal für die Pflege oder gar den Besuch von Patienten sowie die als ineffizient wahrgenommene Verwaltung von Pflegeheimen und Krankenhäusern genannt. (UK, IE)

„Das gilt auch für die Pflegeheime …, die Behinderungen der Menschen, die dort leben; sie haben nie genug Personal, um sich um die Menschen zu kümmern…“ (UK, weiblich, 69)

Diese Probleme waren für die Befragten besonders besorgniserregend, da ältere Menschen gesundheitliche Schwierigkeiten haben und da sie entweder jemanden kennen, der in einem Pflegeheim lebt, oder befürchten, bald selbst davon betroffen zu sein. (UK, PT)

„Ich habe Angst, weil ich nicht weiß, wo ich hingehen soll, wenn ich nicht mehr selbst für mich sorgen kann. Ein gutes Altersheim kann ich mir nicht leisten.“ (PT, weiblich, 72)

Der Gedanke, dass private Gesundheitsdienstleistungen für viele der Befragten nicht erschwinglich sind, sorgte in diesem Zusammenhang zusätzlich für Beunruhigung. (UK) Eine weitere Sorge betrifft die Arzneimittelkosten und ihre Auswirkungen auf die finanziellen Mittel der Befragten, da nicht alle Medikamente, die sie regelmäßig einnehmen müssen (z. B. Antidepressiva, Krebsmedikamente) subventioniert werden, sodass sie diese vollständig aus eigener Tasche bezahlen müssen. Die monatlichen Kosten dafür schlagen in einigen Fällen im Budget der Befragten erheblich zu Buche, sodass diese manchmal an den Kosten für Essen und Unterkunft sparen müssen, um sich die Medikamente leisten zu können. (HU, DE, LV, FR, BE)

„Wenn es dir schlechtgeht, bekommst du keine Unterstützung . Davon kann man sich keines der Medikamente für Krebspatienten kaufen ... und Sozialleistungen brauche ich gar nicht erst zu beantragen - wir haben eine Wohnung, ein Auto, also auf Wiedersehen, sie kümmern sich nicht um mich.“ (HU, weiblich, 64) „Die Augen und die Zähne sind Luxus.“ (BE, männlich, 60)

3.3.3 Die Lebensbedingungen und das Umfeld Die Befragten erklärten, dass ihre Lebensbedingungen ihnen Sorgen bereiten und zu Armut und sozialer Ausgrenzung in ihrem Leben beitragen. Eines der Probleme in diesem Zusammenhang betrifft die Kosten für die Instandhaltung ihrer Wohnung, die sie entweder selbst durchführen müssen, was sie sich nicht leisten können, oder für die der Staat zuständig ist, der sie aber nicht regelmäßig durchführt. Der baufällige

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Zustand ihrer Wohnungen führe zu Entfremdung und sozialer Ausgrenzung (UK, EL, LV, FR).

„Zum Beispiel geht es uns, mir, nicht so schlecht, es ist warm und ich habe mein Auskommen, aber die Fenster sind in einem so schlechten Zustand, dass ich mich nicht traue, sie anzufassen; dieses Jahr sind sie noch da, aber ich bin mir nicht sicher, ob das auch nächstes Jahr noch so ist.“ (LV, weiblich, 65)

Ein weiteres Thema, das den Befragten Sorge bereitet, betrifft die Mülltrennung und Vorschläge, Anwohnern, die diese nicht ordnungsgemäß durchführen, Geldbußen aufzuerlegen. Dies wurde als ungerecht gegenüber ausgegrenzten Gruppen wie Personen, deren Muttersprache nicht Englisch ist, Menschen mit Behinderungen und Analphabeten empfunden. Man vertrat die Auffassung, dass durch solche Maßnahmen die betreffenden Gruppen wirtschaftlich und durch die Art und Weise, in der die Informationen übermittelt werden, in noch stärkerem Maße benachteiligt würden. (UK)

„Was ist mit älteren Menschen, Menschen, die die Sprache nicht sprechen, all denjenigen, die um ihr Eigentum gebracht werden, weil sie bezahlen müssen, wenn sie ihren Müll nicht richtig sortieren.“ (UK, weiblich, 64)

In einigen Fällen hatten Menschen sogar ihr Zuhause verloren, weil sie in Armut abgeglitten waren. (ES) Im Allgemeinen machten die Befragten geltend, dass die Wohnquartiere, in denen sie leben, von sozialer Benachteiligung geprägt und für Kriminalität und antisoziales Verhalten anfällig seien (siehe auch Kapitel 6 des Berichts). Diesen Problemen wurden große Auswirkungen auf die Armut in den örtlichen Gemeinschaften und auf das Leben der Befragten zugeschrieben. Letztere vertraten die Auffassung, dass diese Probleme durch einen Mangel an Normen und Moral in der heutigen Gesellschaft begünstigt werden und dass eine ausgeprägt materialistische Einstellung insbesondere unter den jüngeren Generationen ebenfalls verschärfend gewirkt habe. (UK)

„Die Heranwachsenden möchten Dinge haben, die in Mode sind, sie möchten schöne Sachen haben, einen iPod, ein iPhone und alles Mögliche. Deshalb werden sie kriminell…“ (UK, männlich, 62)

Die Befragten erklärten, dass die Schließung lokaler sozialer und kultureller Einrichtungen dazu geführt habe, dass viele Jugendliche auf der Straße zusammenkommen, antisoziales Verhalten an den Tag legen und ältere Menschen einschüchtern, was das Gefühl der Armut in ihren lokalen Gemeinden noch verstärke.

„Die Fußballplätze wurden geschlossen, die Cricketplätze, alles, was mit Sport zu tun hat, wurde geschlossen, ist verschwunden. Was sollen die Jugendlichen machen? Wo sollen sie hingehen? [...] Sie haben nichts zu tun. Also verlegen sie sich auf alle möglichen Verbrechen.“ (UK, weiblich, 64)

Darüber hinaus wurde darauf verwiesen, dass lärmende Nachbarn ebenfalls dazu beitragen, dass die Lebensqualität beeinträchtigt wird. (UK)

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3.3.4 Generationenübergreifende Armut Im Zusammenhang mit ihren Bedenken über die eigenen Lebenshaltungskosten äußerten sich die Befragten auch besorgt darüber, wie künftige Generationen in der Lage sein werden, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und verwiesen dabei insbesondere auf ihre Kinder und Enkelkinder. Als besonders problematisch wurde dies von denjenigen Befragten eingestuft, deren Kinder noch bei ihnen leben und von ihnen finanziell und auf andere Weise unterstützt werden müssen, weil sie keine Arbeit finden oder gesundheitliche Probleme bzw. Behinderungen haben (UK, MT). Wenngleich in Kapitel 2 festgestellt wurde, dass nur bei einer Minderheit der Befragten die Kinder mit im Haushalt wohnen, stellt die Notwendigkeit, die Kinder finanziell zu unterstützen, zweifellos eine zusätzliche Belastung dar.

„Das setzt alte Menschen wie uns unter Druck, weil man sich Sorgen macht; ich bin sicher, dass die hier Anwesenden Kinder und Familie haben, um die sie sich Sorgen machen, weil sie selbst auch Sorgen - Geldsorgen - haben, und dann ist man ihretwegen beunruhigt, weil man ihnen irgendwann auch noch helfen muss.“ (UK, weiblich, 64)

Es wurde die Auffassung vertreten, dass das derzeitige Wirtschaftsklima, der Verlust von Arbeitsplätzen und das Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die steigenden Kosten der Hochschulbildung den Druck auf ältere Menschen zur Unterstützung der Familie jetzt und in Zukunft noch verstärken dürften. Das beunruhigte die Befragten, da sie bereits jetzt Mühe haben, den eigenen Lebensunterhalt und gegebenenfalls den ihres Partners zu bestreiten. (UK, ES, FR)

„Meine jüngere Schwester hat eine behinderte Tochter und bekommt Pflegegeld, weil sie ihretwegen nicht arbeiten kann, aber das Pflegegeld wurde seit Jahren nicht erhöht; es reicht noch nicht einmal an den Mindestlohn heran. Seit fünf Jahren wurde der Betrag nicht erhöht.“ (HU, weiblich, 62)

3.3.5 Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit hat Auswirkungen auf das Leben von armen und sozial ausgegrenzten Menschen, und einige der Befragten haben vor allem im Ergebnis der weltweiten Wirtschaftskrise die Arbeit verloren (ES). Rentner oder Personen, die kurz vor dem Rentenalter stehen, finden nur schwer Arbeit und können somit ihr Einkommen nicht aufbessern. (PL, FR)

3.3.6 Fehlende Unterstützung Oftmals verschlechtert sich die Situation von armen und sozial ausgegrenzten Personen, weil es kein soziales Netz bzw. keine Unterstützung seitens der Familie gibt. (ES)

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3.3.7 Bürokratie Die Befragten wiesen darauf hin, dass der Bezug von Hilfe mit viel Bürokratie verbunden sei und manchmal einen langwierigen Prozess des Einreichens von Formularen und Unterlagen voraussetze, der dann doch nicht zum Erfolg führe. (MT)

3.4 Wie die Gesellschaft Armut und soziale Ausgrenzung sieht

Die Befragten wurden aufgefordert, sich dazu zu äußern, was die Darstellungen in den Medien darüber aussagen, wie die Gesellschaft insgesamt Menschen sieht, die in Armut und sozialer Ausgrenzung leben, welcher Tatsachen sich die Gesellschaft bewusst sein sollte und welche Auswirkungen es hätte, wenn sich die Gesellschaft dieser Tatsachen stärker bewusst wäre. Die Befragten waren im Allgemeinen der Auffassung, dass die Gesellschaft den Ansatz der Medien bei der Darstellung von Problemen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung widerspiegele, indem diese weitgehend ignoriert werden und ihre Situation überhaupt nicht oder nicht richtig verstanden bzw. grob vereinfachend gesehen werde. (CZ, FR, EL, ES, UK, RO, PT, DE, SK, LV, BE)

„Die Leute glauben nicht, dass das [die Armut] ein Problem ist. Du hast nicht genug Geld für einen Fernseher? Dann geh in eine Bank, und sie geben dir einen Kredit! Du bist arbeitslos? Mach doch eine Ausbildung! Und all dies... Nichts ist ein Problem. Für alles gibt es eine schlaue Lösung. Aber in der realen Welt funktioniert das nicht so.“ (CZ, männlich, 65)

Eine der Befragten äußerte, dass sie oftmals das Gefühl habe, von den Leuten bedauert, aber nicht verstanden zu werden. (MT)

„Jeder bedauert mich, weil mein Sohn kommt und geht (aus der psychiatrischen Klinik), aber wissen Sie, was die Sozialarbeiterin gesagt hat, als ich sie anrief? Sie sagte, ich soll meine Taschen packen und in ein Altersheim ziehen…“ (MT, weiblich, 67)

Beim Armutsverständnis der Gesellschaft besteht möglicherweise eine allgemeine Neigung, die Armen im eigenen Land mit dem zu vergleichen, was man über die Armen in anderen Ländern weiß, und deshalb gegebenenfalls zu meinen, dass die Armen in anderen Ländern sich in einer verzweifelteren Lage befinden. (MT) Es wurde die Auffassung vertreten, dass diejenigen, die nicht arm sind, falsche Vorstellungen von Armut haben und diese mit Stereotypen und Extremfällen assoziieren, obwohl ein erheblicher Unterschied bestehe zwischen Menschen, die zufällig in eine bestimmte Lage geraten, und denjenigen, die diesen Weg aus eigener Schuld und wegen ihres Charakters wählen. Solche falschen Vorstellungen würden von passiven Beobachtern genutzt, um Untätigkeit zu rechtfertigen. (HU, BE)

„Obdachlos oder Hooligan, mutwillig oder heruntergekommen, das ist nicht dasselbe...“ (HU, männlich, 60)

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Das Bild, das die Menschen von Armut haben, ist stark beeinflusst von Medienberichten über Sozialbetrug oder übermäßig großzügig bemessene Sozialleistungen, die es den Empfängern ermöglichen, sich teure elektronische Geräte, modische Kleidung und große Wohnungen zu leisten. (DE) Möglicherweise versteht die Gesellschaft die Probleme im Zusammenhang mit Armut auch nicht oder nimmt sie nicht ernst, da Armut oftmals verborgen ist und nicht gezeigt wird, sodass sich die Menschen damit auseinandersetzen könnten. (DK)

„Mein ganzes Leben lang habe ich oftmals die Meinung gehört, armen Menschen könnte es viel besser gehen, wenn sie sich nur anstrengen würden. Dass sie nur wegen ihrer Faulheit arm sind. Ich glaube, das ist grundfalsch. Aber wenn den Menschen ihre Situation peinlich ist und sie nicht den Mund aufmachen, dann ändert sich an dieser Meinung nie etwas.“ (DK, weiblich, 73)

Die Befragten erklärten, dass ihnen die Tatsache, dass sie sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen, sehr zu schaffen mache. Sie fühlten sich von der Gesellschaft entfremdet, nicht wertgeschätzt, und vertraten die Auffassung, dass die Gesellschaft nicht so recht wisse, was sie mit älteren Menschen machen soll und wie sie sie gebrauchen kann. (SK) Einige der Befragten haben das Gefühl, dass sie eine Last für die Gesellschaft seien - sie arbeiten nicht, leiden in den meisten Fällen an chronischen Krankheiten und sind nicht produktiv. (SK) Allerdings sind die Befragten auch ärgerlich, weil sie ihr ganzes Leben lang einen gesellschaftlichen Beitrag geleistet haben und man sie nun, da sie älter werden, keiner Aufmerksamkeit wert hält. (SE) Sie nehmen die Gesellschaft nicht als freundlichen und sicheren Ort für ältere Menschen wahr, die arm und im Ruhestand sind. Viele von ihnen haben niemanden, an den sie sich mit der Bitte um finanzielle Entlastung oder sonstige Hilfe zur Erleichterung ihrer Situation wenden können. (SE)

„Sie hoffen darauf, dass wir abkratzen.“ (SK, weiblich, 61)

„Als ich ein hohes Einkommen hatte, konnte ich mich wertvoll fühlen. Man schätzt unbewusst den eigenen Wert ein.“ (SE, männlich, 63)

Dass ihnen ihre Situation peinlich ist, führt jedoch auch dazu, dass arme Menschen recht oft dazu neigen, sich aus der Gesellschaft auszuschließen, weil sie das Gefühl haben, sich die Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten nicht leisten zu können. Die selbst gewählte Ausgrenzung kann darüber hinaus zu einem Teufelskreis werden, der schwer zu durchbrechen ist, da es immer schwieriger wird, den Schritt vor die Tür zu wagen. Daher werden sie selten gehört, da sie sich nicht für ihre Sache einsetzen. (DK, SE, BE)

„Je länger man sich isoliert, umso schwieriger wird es, aus der Isolation herauszukommen und mit anderen in Kontakt zu treten. Man fängt an, Selbstgespräche zu führen, und verliert die Selbstachtung. Die Isolation wird zu einem Zustand, den man nicht bewältigen oder überwinden kann ... wenn man nicht herumkommt und Menschen trifft, kann man sich nicht Gehör verschaffen. Man kommt mit niemandem in Kontakt, und die Probleme, die man hat, bleiben im Verborgenen.“ (DK, männlich, 67)

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„Wenn wir wirtschaftlich verarmen, dann werden wir auch sozial ärmer.“ (BE, weiblich, 68)

Dies hängt auch mit der mangelnden Vertretung der Armen und ihrer Probleme bzw. mit der Tatsache zusammen, dass sie „keine Stimme haben“. Es gibt Rentnerverbände, deren Hauptaufgabe darin besteht, den Einfluss der älteren Menschen in der Gesellschaft zu verstärken und einen Treffpunkt für Kameradschaft, persönliche Entwicklung, Glück und Gesundheit zu bieten. Allerdings sollten diese Verbände in Fragen der Armut und sozialen Ausgrenzung ein entschlosseneres Vorgehen an den Tag legen. (SE)

„Warum gehen die Rentnerverbände in Fragen der Armut und sozialen Ausgrenzung nicht entschiedener vor?“ (SE, männlich, 63)

Es ist jedoch nicht hilfreich, wenn sich Menschen von diesen Initiativen ausschließen und nicht an entsprechenden Veranstaltungen und Aktivitäten teilnehmen, weil sie es vermeiden wollen, ihre von Armut und sozialer Ausgrenzung gekennzeichnete Situation erklären zu müssen. (SE) Die Befragten machten darüber hinaus geltend, dass es von Seiten der Gesellschaft einen Mangel an Einfühlungsvermögen, Maßnahmen und Interesse in Bezug auf Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung gebe, weil die Menschen sich offenbar nur dann dafür interessierten, wenn sie persönlich davon betroffen sind. (ES, FR, EL, SK, PT, CZ, BE)

„Sie müssen sich keine Sorgen darüber machen; sie wollen nichts davon hören; sie müssen nichts darüber erfahren. Denn wenn sie das tun würden, müssten sie das Problem irgendwie lösen - sie müssten selbst Geld locker machen.“ (CZ, männlich, 60)

Einige der Befragten sind der Ansicht, dass nicht anerkannt werde, welche Rolle sie im Laufe der Jahre beim Aufbau der Gesellschaft und bei der Schaffung der Bedingungen gespielt haben, von denen die jüngeren Generationen heute profitieren, wie zum Beispiel die kostenlose Hochschulbildung. (HU)

„Es wird gesagt, dass viele Rentner der Unterstützung bedürfen. Die Rentner würden aber gern arbeiten, wenn sie die Gelegenheit hätten. Und die Leute, die sich jetzt aufspielen, vergessen, dass ihre Ausbildung mit dem Geld der Rentner finanziert wurde.“ (HU, weiblich, 64)

Einige der Befragten waren der Meinung, dass sich die Gesellschaft generell nicht mit Problemen wie Armut und sozialer Ausgrenzung befassen möchte, da dies keine Themen seien, von denen die Menschen gerne hören (DK), wenngleich durch die weltweite Wirtschaftskrise einigen Leuten klar geworden sei, dass Armut jeden treffen kann (ES).

„Jeder liebt Fernsehserien wie ‚Der Denver-Clan‘ oder ‚Dallas‘. Niemand möchte sehen, wie arme Leute leben - es sei denn, es handelt sich um eine Geschichte von jemandem der ganz klein anfängt und den amerikanischen Traum wahr macht.“ (DK, männlich, 71)

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Verschärfend kommt hinzu, dass einige der Befragten erlebt haben, dass Menschen, die eigentlich keine Hilfe brauchen, die Angebote von Sozialzentren in Anspruch nehmen, nur um nicht für Dienstleistungen bezahlen zu müssen, die sie kostenlos bekommen können. (DK)

„Ich gehöre einer kirchlichen Organisation an, die jedes Jahr Weihnachtsgeschenke verteilt. Es geht darum, Alleinerziehende zu bedenken, die es sich nicht leisten können, für ihre Kinder ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Aber manchmal sehe ich Leute ihr Auto in einer Auffahrt parken und hereinkommen, um ein Geschenk zu erhalten. Wer sich ein Auto leisten kann, der kann es sich auch leisten, seinem Kind ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen! Da gilt es Prioritäten zu setzen, und solange einige Leute das System auf diese Weise ausnutzen, wird die Gesellschaft niemals anerkennen, dass es da draußen Menschen gibt, die wirklich arm sind!“ (DK, männlich, 64) „Diejenigen, die vorbeikommen, um Geschenke [Weihnachtsgeschenke] und kostenlose Mahlzeiten zu erhalten, sind schamlose Menschen, die nicht wirklich Hilfe brauchen, während diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen, zu Hause bleiben, weil sie sich verstecken und aufgegeben haben.“ (DK, weiblich, 79)

Nur eine Minderheit der Befragten räumte ein, dass es einige Menschen in der Gesellschaft geben mag, die Armut und soziale Ausgrenzung verstehen (RO). Manchmal gehe das Bewusstsein für die Situation jedoch mit Gleichgültigkeit einher (MT), während man bei anderen Gelegenheiten beobachten könne, dass Mitglieder der Gesellschaft einander helfen (LV). Zu der Frage, ob es von Nutzen ist, wenn die Menschen besser informiert sind, gingen die Meinungen der Befragten auseinander. Eigentlich glauben die Befragten, dass es nicht viel nütze, wenn die Menschen mehr über die Armut wissen, weil diejenigen, die in einer guten finanziellen Lage sind, sich nicht für diejenigen interessieren, die kein menschenwürdiges Leben führen können. (MT) Die Befragten erklärten zwar, dass sie sich einsam und ausgegrenzt fühlen, nannten aber auch verschiedene Möglichkeiten, mit der Tatsache umzugehen, sich nicht die gleichen Dinge leisten zu können wie viele andere. Diese Möglichkeiten umfassen:

die Hilfe von Familie und Freunden: Beförderung, Internetzugang (DK),

den Besuch des Sozialzentrums, um die Gesellschaft von Menschen zu suchen, die in der gleichen Lage sind, und um dort an Aktivitäten teilzunehmen und Zeit zu verbringen (DK),

kostenlose Aktivitäten im Freien: in den Wäldern Fahrrad fahren oder

wandern (DK).

„Wegen meines schlechten Gesundheitszustands bin ich viel allein. Aber es könnte schlimmer sein. Zweimal wöchentlich gehe ich zum Sozialzentrum,

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um Karten zu spielen und einen Kaffee zu trinken. Und meine Söhne besuchen mich auch recht oft.“ (DK, weiblich, 75)

„Ich bin frustriert gewesen, aber zum Glück habe ich großes Interesse an Aktivitäten im Freien und Freunde, die dieses Interesse teilen. Wenn ich das nicht gehabt hätte, wäre ich ernsthaft depressiv geworden, und ich kann mir gut vorstellen, wie sich andere fühlen, wenn sie keinen Ausweg sehen und es aufgegeben haben, so wie ich.“ (DK, männlich, 65)

3.5 Aspekte, die bei der Darstellung von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien fehlen

Die Befragten wurden um Auskunft darüber gebeten, was nach ihrer Einschätzung bei der Darstellung von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Medien am offensichtlichsten fehlt und was ein Dokumentarfilmer, der die Realität von Armut und sozialer Ausgrenzung zeigen möchte, in seinen Film aufnehmen sollte. Die Mehrheit der Befragten meinte, dass bei der Darstellung dieser Themen in den Medien Beispiele aus dem wirklichen Leben oder Fallstudien über in Armut lebende Menschen und deren wirkliche Alltagsprobleme fehlten. Diese Dinge würden sie gern in den Medien dargestellt sehen (RO, PT, ES, DE, HU, IE, PT, UK, CZ, IT, PL, LV, BE). Das würde auch dazu beitragen, dass die Mitglieder der Gesellschaft die Realität der Armut verstehen und somit die Initiative ergreifen und nach Lösungen zur Bekämpfung der Armut suchen könnten (RO, PT, DE). Eine solche Darstellung würde Folgendes umfassen:

Die Befragten würden eine Medienberichterstattung befürworten, die auf die

Bedingungen aufmerksam macht, unter denen Rentner leben müssen. So sollten die Rentner selbst vorgestellt und über ihr Alltagsleben berichtet werden; den Entscheidungsträgern sowie der Öffentlichkeit sollten überzeugende konkrete Beispiele für die prekäre Existenz von Rentnern präsentiert werden, wie zum Beispiel die Wohnverhältnisse und das Wohnumfeld, das geringe Einkommen, das Überleben mit wenig Geld, die Probleme im Zusammenhang mit dem Älterwerden, die hohen Gas-, Wasser- und Stromkosten sowie die hohen Mietkosten. Es sollte ein detaillierter Eindruck von ihren Anstrengungen und ihren Lebensbedingungen vermittelt werden, indem gezielt gezeigt wird, wie sich ihr Wohnquartier gestaltet, wie sie die Zeit verbringen, wie sie die Zeit gern verbringen würden, wie sie mit Isolation und Einsamkeit fertigwerden, wie sie damit umgehen, dass nicht genug Geld vorhanden ist, um Medikamente zu kaufen, angemessen zu essen und ihre Ausgaben zu bestreiten, was sie darüber denken, dass es nicht genug Pflegeheime für Arme gibt, die sich in einem ordentlichen Zustand befinden, da sie sich Pflegeheime, die gute Bedingungen bieten, nicht leisten können. (PT, DE, MT, CZ, IE, LV, ES, UK, IT, PL)

„Sie sollten in Pflegeheime gehen und sich umschauen…, schauen, wie das Badezimmer aussieht … sie sollten untersuchen, warum es Menschen gibt, denen der Strom abgeschaltet wurde, warum sie ihre Rechnung nicht bezahlt haben.“ (MT, männlich, 64)

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„Sie sollten zu Obdachlosen gehen und deren Geschichten verfilmen - dann würde wirklich klar werden, wie leicht man auf der Straße landen kann. Es gibt sogar Hochschulabsolventen, die auf der Straße schlafen, und sie sind gewiss nicht nur wegen einer unüberlegten Handlung obdachlos geworden.“ (CZ, männlich, 64) „Das Fernsehen hat nichts mit dem Alltag zu tun.“ (Polen, weiblich, 60) „Wissen Sie, was ich schon immer gedacht habe? Statt all dieser schrecklichen, nichtssagenden Reality Shows sollte eine wirkliche Reality Show über eine ganz normale Familien gezeigt werden, von morgens bis abends und von abends bis morgens, bis zum Monatsende..., damit die Leute sehen können, was im täglichen Leben geschieht, und so könnten das viele Menschen nachempfinden…“ (IT, männlich, 63)

Die verschiedenen Gründe, aus denen Menschen verarmt sind und arm

bleiben, sollten diskutiert werden, zum Beispiel dass Menschen verarmen, weil die Renten zu niedrig sind, weil sie ihren Arbeitsplatz verlieren; weil sie sich ohne eigenes Verschulden nach einem Leben harter Arbeit in dieser Situation am Rande der Armut befinden; weil sie nicht sparen und mit ihrem Geld ein bescheidenes Leben führen möchten; weil sie ihr Geld für Lotterien und Spielshows ausgeben; wegen der weltweiten Wirtschaftskrise. (CZ, PT, ES, SK, MT, DE, DK, ES, LV)

„Ich habe mein Leben lang gearbeitet und bekomme nun eine klägliche Rente, das ist Tatsache.“ (PT, weiblich, 72) „Der Verlust des Arbeitsplatzes führt unweigerlich zu Armut ... die Leute bekommen niedrige Löhne und demzufolge auch niedrige Renten, und so nimmt die Armut ihren Lauf.“ (SK, weiblich, 70)

In der Slowakei hatten die Befragten offenbar eine recht philosophische Erklärung für die Gründe, aus denen Menschen in Armut abgeglitten sind und arm bleiben. Im Kontext ihres Landes führten sie dies in gewissem Maße auf die Unterschiede zwischen den sozialistischen und den demokratischen Zeiten sowie darauf zurück, wie die ersteren auf das Verhalten der Menschen in der heutigen Zeit nachwirken. So habe zum Beispiel im Sozialismus jeder Arbeit gehabt, und nun müsse man sich eine Arbeit suchen, was eine andere Mentalität und andere Fähigkeiten erfordere. Außerdem verteidigten die Menschen nicht immer ihre Rechte und machten ihre Bedürfnisse nicht geltend, weil sie dies wegen der Unterdrückung von Einzelmeinungen in sozialistischen Zeiten nicht gewohnt seien. Verschärft werde diese Situation dadurch, dass die Menschen nur widerstrebend Arbeit suchten, da sie finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten. Bei der Darstellung der Gründe, aus denen Menschen verarmen, ist es auch wichtig, die Gruppen in den Blick zu nehmen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Dazu gehören: Drogenabhängige und Alkoholiker, Alleinerziehendenhaushalte mit vielen Kindern, alleinstehende/verwitwete ältere Menschen, die nur eine staatliche Rente beziehen und eine hohe Miete zahlen

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müssen, ehemalige Strafgefangene, Arbeitslose, die den niedrigsten Sozialleistungssatz erhalten, und Einwanderer, die von gekürzten Sozialleistungen leben müssen, weil der Staat sie zwingen will, Dänisch zu lernen. (DK, SK)

„Alleinerziehende Eltern können wirklich kämpfen. Mit meinen drei Kindern war ich viel allein. Sie wollten eine Football-Ausrüstung und alle möglichen Dinge haben, genau wie all ihre Freunde. Ich habe ihnen alles gegeben, was ich konnte, und sie leben heute noch, ha, ha, also müssen sie sie selbst fragen, wie sie ihre Kindheit erlebt haben.“ (DK, weiblich, 75) „Ich würde auch zeigen, wie die Realität junger Familien aussieht. Manchmal muss eine Frau ihren Mutterschaftsurlaub abbrechen und wieder arbeiten gehen, weil sie mehr Geld braucht, aber selbst dann muss sie den größten Teil ihres Einkommens für die Kinderbetreuung ausgeben. Und wenn eine Frau alleinerziehend ist, dann ist das eine Katastrophe.“ (CZ, weiblich, 64)

Die Medien müssen ein allgemeineres Bild von armen und älteren Menschen vermitteln, nicht nur Extremfälle darstellen. (SE, IE, PT, RO, IT)

„Die Medien müssen aber die breite Gruppe der älteren/armen und im Ruhestand lebenden Menschen darstellen, die nicht unbedingt hungern und die genug Geld haben, um die Miete, Lebensmittel und die erforderlichen Medikamente zu bezahlen - wir haben genug Geld zum Überleben, aber mehr auch nicht.“ (SE, männlich, 63) „Von älteren Menschen ist nur gelegentlich die Rede, vielleicht im Winter, wenn jemand wegen der Kälte auf der Straße stirbt ..., dann wird vom Stadtstreicher gesprochen, von jemandem, der erfroren ist.“ (IT, männlich, 66)

„Die Leute müssen sehen, wie ältere Menschen mit dem Geld, das sie haben, auskommen ... man würde sehen, wie schwer es ihnen fällt, die verschriebenen Medikamente und ähnliche Dinge zu bezahlen.“ (IE, männlich, 63)

„Sie sollten mit alten Menschen reden, um zu verstehen, wie sie leben, allein und vollkommen isoliert.“ (PT, weiblich, 72) „Sie sollten uns die Wahrheit sagen. Leute, so ist die Lage, sie ist sehr schlecht. Sie sollten das ausnahmsweise mal richtig darstellen ...“ (RO, weiblich, 67)

Zu der Art und Weise in der Armut und soziale Ausgrenzung nach ihrem Dafürhalten in den Medien gezeigt werden sollten, brachten die Befragten außerdem folgende Punkte zur Sprache:

Die Medien könnten eine erzieherische Rolle spielen und arme und sozial ausgegrenzte Menschen darüber informieren, wo sie finanzielle Unterstützung und andere Hilfen erhalten. (PT, MT, IT, LV)

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Arme und sozial ausgegrenzte Menschen sollten ungeachtet ihrer Schwierigkeiten als ehrlich und anständig dargestellt werden, anstatt Klischees über sie zu verbreiten, nach denen sie faul sind, nicht arbeiten wollen usw. (HU, DE, CZ)

Die Medien sollten die verschiedenen Arten bzw. Aspekte von Armut zeigen.

Dies schließt die sichtbare Armut, z. B. von Obdachlosen, die verborgene Armut, z. B. von Rentnern, deren Ausgaben ihr Einkommen übersteigen, sowie die Situation derjenigen ein, die nicht arbeiten wollen und die kein Geld sparen wollen. (SK, ES, MT)

Die Medien sollten berücksichtigen und darstellen, dass sich die Gesellschaft

im Wandel befindet und dass sich demzufolge auch das Antlitz der Armut wandelt. So haben zum Beispiel die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen sich ehemals vorbildliche Länder konfrontiert sehen, in denen es keine Armut und soziale Ausgrenzung gab, Auswirkungen auf die Gesellschaft, die dazu führen, dass Menschen in die Armut abgleiten. Die Situation bleibt nicht statisch. (SE)

Die Medien sollten, wenn sie über die Modeindustrie berichten, auch an Mode

für ältere Menschen denken. Allerdings kritisierten die Befragten auch die Modeindustrie selbst, weil sie nur auf eine kleine Zahl von Senioren ausgerichtet sei, die es sich leisten können, teure Kleidung zu kaufen, während es für die Befragten zunehmend schwieriger werde, bezahlbare Bekleidung zu finden. (SE)

In den Medien sollte mehr über die Lage von Frauen mit geringem

Einkommen und ihre Rolle als Hausfrau berichtet werden. Diese Frauen sind in besonderer Weise von Armut betroffen, zum Beispiel durch den Tod ihres Ehemanns oder durch Scheidung, und sie tragen oftmals die finanzielle Last der Betreuung anderer Personen. (SE)

„Es wäre eine gute Idee, eine Studie darüber durchzuführen, wie viele Menschen in Schweden in Armut abgleiten. Ich glaube, meist sind Frauen, die verheiratet waren, aber aus dem einen oder anderen Grund später allein leben, im Falle einer schwierigen wirtschaftlichen Lage am stärksten betroffen.“ (SE, männlich, 74)

Einige der Befragten würden gern regelmäßige Fernsehberichte darüber

sehen, wie das Geld von der Regierung ausgegeben wird (RO), sowie Talkshows oder Diskussionen, zu denen Politiker eingeladen werden (IT).

Ferner fänden es einige der Befragten wünschenswert, Fallstudien darüber zu sehen, wie die Menschen in den höher entwickelten EU-Mitgliedstaaten leben. Wenn der Öffentlichkeit solche Beispiele gezeigt würden - so glauben diese Befragten - würden die Politiker die Armut auf nationaler und lokaler Ebene mit größerem Nachdruck zu bekämpfen versuchen, und die Menschen ihre Forderungen entschiedener vorbringen und eher bereit sein, ihre Rechte zu verteidigen. (RO)

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„Ich möchte gern sehen ..., wie die Menschen in anderen Ländern leben; vielleicht schauen sich unsere Entscheidungsträger das an und verstärken ihre Bemühungen ..., sie sollten uns Beispiele aus allen EU-Ländern zeigen, wir sind von der Globalisierung betroffen, sind Teil der EU, und man sollte uns zeigen, wie die Menschen im Ausland leben, man sollte Vergleiche anstellen und Maßnahmen treffen ...“ (RO, weiblich, 71)

Obwohl sie darüber diskutierten, was ihrer Meinung nach in der Darstellung der Medien fehlt und was dargestellt werden sollte, vertraten einige der Befragten die Auffassung, dass es nicht unbedingt realistisch sei, diese Änderungen zu erwarten. Dies wurde wie folgt begründet:

Ältere Menschen sind in den Medien unterrepräsentiert. Junge Menschen haben möglicherweise falsche Ansichten über ältere Menschen und sind von vornherein nicht geneigt, einschlägige Themen ins Programm aufzunehmen. Damit sich etwas ändert, müsste etwas gegen die Unterrepräsentation unternommen werden. (SE) „Es gibt nur wenige Medienschaffende in unserem Alter.“ (SE, männlich, 64)

Menschen, die nicht die gleichen Entbehrungen durchgemacht haben, finden

es oftmals schwierig, die Entbehrungen, die andere durchmachen, zu verstehen, zu glauben und darzustellen. (MT) „Genauso, wie Sie zu uns sprechen und von bestimmten Problemen erfahren, und als Zuhörer nicht glauben, dass das so ist, wie es ist.“ (MT, männlich, 64)

Nach Ansicht einiger der Befragten ist es, selbst wenn das Fernsehen oder

Filmproduzenten das Augenmerk auf Themen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung richten würden, unwahrscheinlich, dass sich dafür Zuschauer finden, weil es langweilig wäre, sich etwas über diese Themen anzusehen. Daher sei ein ausgewogenes Verhältnis von Realität und Unterhaltung von maßgeblicher Bedeutung, und obwohl es wichtig sei, bei der Vermittlung der Erfahrungen der in Armut lebenden oder armutsgefährdeten Personen auf die alltäglichen Probleme hinzuweisen, die Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben, müsse dies auf ansprechende und unterhaltsame Weise geschehen. (IE, ES, LV)

„Die Realität wäre langweilig. Sie [die Drehbuchautoren] müssen über Affären und Alkoholismus und solche Dinge schreiben, um es interessant zu machen.“ (IE, weiblich, 66)

Armut und soziale Ausgrenzung sind ihrer Komplexität und ihrer

verschiedenen Dimensionen wegen schwer darzustellen und daher für die Zuschauer auch schwer zu begreifen, es sei denn, sie werden zum Beispiel am Beispiel einer einzelnen Person oder einer Familie dargestellt, um die Story knapp und ansprechend zu gestalten. (DK)

„Ich glaube, es ist schwierig, alle Aspekte zu erfassen. Es gibt so viele unterschiedliche Auffassungen und verschiedene Gründe, arm zu sein. Ich

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glaube, die Zuschauer haben einfach Schwierigkeiten, das alles zu begreifen, und sehen es daher sehr einseitig.“ (DK, männlich, 71)

Einige der Befragten vertraten die Auffassung, dass es an der Untätigkeit der Rentner selbst liege, dass ihre Situation in den Medien unterrepräsentiert ist. Sie meiden die Aufmerksamkeit, weil sie sich für ihre Situation schämen, eine Protestkultur ist ihnen fremd und sie finden sich mit den Umständen ab, weil sie als Nachkriegsgeneration eine bescheidene Lebensweise gewöhnt sind. (DE)

„Ich glaube auch, dass wir da nicht wirklich erscheinen möchten, weil wir uns dafür schämen, so tief gesunken zu sein, obwohl wir unser ganzes Leben lang hart gearbeitet haben.“ (DE, weiblich, 66)

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4 DAS VERSTÄNDNIS VON PROBLEMEN IM ZUSAMMENHANG MIT ARMUT UND SOZIALER AUSGRENZUNG

Die Befragten wurden gebeten einzuschätzen, inwieweit diejenigen, die Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf ihr Leben haben (d. h. politische Entscheidungsträger auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene und öffentliche Bedienstete), die Realität ihrer Erfahrungen verstehen. Darüber hinaus wurden sie gefragt, welchen Aspekt ihres Lebens die Entscheidungsträger ihres Erachtens gut und welche Bereiche sie weniger gut verstehen.

4.1 Wichtigste Erkenntnisse

Die am meisten verbreitete Auffassung unter den Befragten lautete, dass Entscheidungsträger und Politiker auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene kein umfassendes Verständnis von Problemen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung haben. Dieser Mangel an Verständnis sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass Entscheidungsträger ein privilegiertes Leben führten und in Anbetracht ihrer hohen Gehälter nicht von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht seien.

Der Mangel an Verständnis spiegele sich in der Art und Weise wider, in der Bedürftige unterstützt werden; die Befragten nannten Beispiele aus eigener Erfahrung.

Ein Mangel an Verständnis seitens der Entscheidungsträger bedeute nicht unbedingt, dass sie sich der Probleme nicht bewusst sind. Die Befragten haben jedoch den Eindruck, dass die Entscheidungsträger nichts unternehmen, dass es ihnen an Interesse oder Einfühlungsvermögen mangelt.

Die Befragten hatten Schwierigkeiten, Aspekte ihres Lebens zu nennen, für

die die Entscheidungsträger nach ihrem Dafürhalten ein gutes Verständnis haben, abgesehen von deren gutem Verständnis der Daten, zum Beispiel der Statistiken über die Zahl der Menschen, die in Armut leben, und der Höhe der Gelder, die für Sozialrenten und Sozialhilfe zugewiesen werden.

Die Befragten erwähnten verschiedene Themen, die ihrer Meinung nach

weniger gut von den Entscheidungsträgern verstanden werden, und hoben dabei insbesondere den Mangel an Verständnis für die Lebenswirklichkeit der armen und sozial ausgegrenzten Menschen sowie den Mangel an Verständnis für die vollständigen Auswirkungen der bestehenden Maßnahmen auf die armen und sozial ausgegrenzten Menschen hervor.

Da die Entscheidungsträger wenig Erfahrung aus erster Hand mit Problemen der Armut und der sozialen Ausgrenzung haben und da sie beschäftigt sind, haben sie nicht immer die Zeit, sich unmittelbar ein Bild von der Lage der Dinge zu machen. Deshalb wurde vorgeschlagen, dass sozial ausgegrenzte

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oder in Armut lebende Menschen in diesen Fragen als Berater für die Entscheidungsträger agieren.

4.2 Wie gut verstehen die Entscheidungsträger Armut und soziale Ausgrenzung?

Die am meisten verbreitete Auffassung unter den Befragten lautete, dass Entscheidungsträger und Politiker auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene kein umfassendes Verständnis von Problemen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung haben. (UK, SK, RO, PT, MT, IE, DE, SE, CZ, EL, ES, LV, PL, FR, BE)

„Ich glaube nicht, dass sie das verstehen, von Dingen wie Wohnungsfragen haben sie ganz gewiss keine Ahnung.“ (UK, weiblich, 69) „Sie verstehen überhaupt nicht. Sie haben keine Ahnung.“ (SK, weiblich, 61)

„Sie sind einfach zu weit weg vom normalen Menschen.“ (DE, weiblich, 62)

„Ein Satter wird einen Hungrigen nie verstehen.“ (PL, männlich, 67)

„Sie verstehen die Realität des alltäglichen Lebens nicht, und sie strengen sich nicht mal an, sie zu verstehen.“ (CZ, männlich, 64) „Es geschieht nichts, denn wenn wir sie fragen, wie viel ein Liter Milch kostet, dann wissen sie es nicht. Sie kennen die Preise nicht. Sie müssen nicht einkaufen gehen. Sie wissen, dass es Armut gibt, aber sie wissen nicht, was Armut ist. Es gibt großen Reichtum und auch große Armut.“ (HU, männlich, 60)

Für diesen wahrgenommenen Mangel an Verständnis seitens der Entscheidungsträger gaben die Befragten unter anderem folgende Gründe an:

Politische und sonstige Entscheidungsträger führen ein privilegiertes Leben und verfügen über hohe Einkommen, sodass sie keine Erfahrung aus erster Hand mit Armut und sozialer Ausgrenzung haben und auch nicht Gefahr laufen, entsprechende Erfahrungen zu machen. (SE, SK, RO, PT, UK, MT, IE, HU, CZ, EL, IT, PL)

„Orbán hat gesagt, er würde den Einkommensunterschieden ein Ende bereiten. Und was hat er zuerst getan? Sein (ihr) Gehalt bewilligt, und es kümmert ihn nicht, was die Armen morgen oder zu Weihnachten zu essen haben.“ (HU, weiblich, 64) „Es geht ihnen gut. Deshalb denken sie: „Worüber beschweren sich diese Leute?“ (CZ, männlich, 60)

Es wird ein Mangel an Einfühlungsvermögen seitens der

Entscheidungsträger wahrgenommen (SE, IE, EL, ES). Diese Wahrnehmung ist darauf zurückzuführen, dass die Befragten das Gefühl haben, die Maßnahmen der Politiker unterlägen keiner politischen oder rechtlichen

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Verantwortlichkeit. Aufgrund des wahrgenommenen Fehlens von Verantwortlichkeit fühlen sich die Befragten machtlos, wenn es darum geht, das System zu korrigieren (IE).

„Ich habe den Eindruck, die Entscheidungsträger kennen unsere Situation, aber sie ist ihnen egal.“ (SE, weiblich, Rentnerin, 67)

„Wir sind für sie nur Zahlen.“ (EL, weiblich, 66)

Kennzeichnend für diesen Mangel an Einfühlungsvermögen ist nach Ansicht einiger der Befragten die Tatsache, dass die Entscheidungsträger sie nicht aufsuchen und Zeit mit ihnen verbringen, um sich die Sorgen der Menschen anzuhören. (EL)

„Mein Nachbar weiß, wie ich lebe, denn er wohnt nebenan, aber die Entscheidungsträger sind nicht gekommen, um mein Elend zu sehen und zu verstehen.“ (EL, weiblich, 62)

Eine kleine Minderheit der Befragten wirft sich selbst vor, nicht genug Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben, d. h. nicht lautstark genug auf die eigene Situation hinzuweisen und auf die Straße zu gehen. (DE)

Aufgrund des Altersunterschieds zwischen den Entscheidungsträgern

und den älteren und im Ruhestand befindlichen Menschen wird deren Situation nicht vollständig verstanden. (SE)

Es wird bemängelt, dass es den Politikern an der erforderlichen

Sachkenntnis fehle, um mit Armut und sozialer Ausgrenzung umzugehen. (IE)

„Man würde keinen Zahnarzt in einen Fleischerladen stellen, um Fleisch zu verkaufen.“ (IE, männlich, 71)

Es wird die Auffassung vertreten, dass die Entscheidungsträger die Realität

von Armut und sozialer Ausgrenzung nicht sehen wollen, damit sie keine Maßnahmen ergreifen müssen, um der Situation Rechnung zu tragen. (BE)

Es herrscht die Meinung vor, dass sich der wahrgenommene Mangel an Verständnis seitens der Entscheidungsträger für das Leben der Armen in der Art und Weise widerspiegelt, in der Hilfe bereitgestellt wird, und in der sich die Entscheidungsträger auf Armut und soziale Ausgrenzung beziehen. Die Befragten nannten folgende Beispiele für Entscheidungen, die sie für unangemessen oder unwirksam halten, oder für die Einstellung, die die Entscheidungsträger nach ihrem Dafürhalten gegenüber diesen Problemen haben, und die ihren Mangel an Verständnis zeigen:

Armut und soziale Ausgrenzung spielen eine große Rolle bei Wahlkämpfen, in deren Rahmen die Entscheidungsträger oft darüber sprechen, wie sich die Lage der armen, älteren Menschen und Rentner verbessern werde, während sie ihre Versprechen nach den Wahlen nach Einschätzung der Befragten nicht einhalten. (SE, DK, ES, IT, LV, RO, FR)

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„Sie verstehen nicht und es interessiert sie nicht. Nur wenn sie unsere Stimmen brauchen, dann kommen sie und reichen uns einen Beutel, ein Päckchen. Eine Flasche Öl, eine Tüte Zucker ...“ (RO, weiblich, 71)

Hilfspakete entsprechen nicht ihrer alltäglichen Realität (MT, EL, BE), oder

sie sind auf andere ausgerichtet, wie zum Beispiel auf junge Arbeitslose (BE).

„Du legst ihnen alle Unterlagen von Ärzten, Sozialarbeitern und allen möglichen Stellen vor, damit sie dir eine Parterrewohnung geben, und dann geben sie dir eine Wohnung im dritten Stock.“ (MT, weiblich, 64) „Heutzutage erhalten die jungen Leute die Arbeitslosenunterstützung direkt, aber wir müssen warten.“ (BE, weiblich, 68)

Es herrscht die Meinung vor, dass die Entscheidungsträger nicht immer im

Interesse der armen, älteren und sozial ausgegrenzten Menschen handeln. (SE)

„Ich halte es für eine wohlüberlegte Strategie der Entscheidungsträger, die Arbeitslosenversicherung und alle anderen Leistungen bewusst abzusenken, denn die Entscheidungsträger profitieren von Menschen, die arbeiten und Geld in das Sozialsystem einbringen.“ (SE, männlich, 63)

Nach Ansicht der Befragten haben einige Entscheidungsträger eine arrogante

Einstellung gegenüber armen Menschen und sagen, diese seien faul und nur auf staatliche Unterstützung aus. (RO)

Das Rentenalter wurde heraufgesetzt, was bedeutet, dass die Menschen länger arbeiten müssen. (EL)

„Sie haben das Rentenalter heraufgesetzt; ich habe das alles wirklich satt; ich kann doch nicht arbeiten, bis ich sterbe.“ (EL, männlich, 60)

Die alten Menschen zahlen hohe Steuern. (IT)

Wenngleich die Meinung vorherrscht, dass unter den Entscheidungsträgern ein Mangel an Verständnis hersche, ist ein wichtiger Punkt, auf den Befragte aus verschiedenen Ländern hinweisen, dass ein Mangel an Verständnis nicht unbedingt bedeutet, dass sich die Entscheidungsträger der Probleme nicht bewusst sind. Die Befragten haben jedoch den Eindruck, dass die Entscheidungsträger nichts unternehmen, dass es ihnen an Interesse oder Einfühlungsvermögen mangelt. (SE, UK, RO, HU, DE, MT, IT)

„Sie wollen es nicht wissen, sie ignorieren die Bedürftigen. Sie bedenken nur sich selbst und diejenigen, die sie umgeben. Wen interessiert es im Parlament, wie ich lebe? Den Abgeordneten interessiert es nicht, obwohl der gleich nebenan wohnt. Hauptsache, er kann selbst gut leben und in seinem Mercedes Platz nehmen.“ (HU, weiblich, 64)

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„Sie verstehen dich in diesem Moment und geben vor, dir zu helfen, aber dann ist alles vorbei. So wie bei mir; ich habe seit drei Jahren eine Rente von 100 MTL im Monat … im Vorfeld der Wahlen werden viele Versprechen gemacht …, und dann habe ich nichts bekommen.“ (MT, männlich, 61)

In den Fällen, in denen sich die Befragten an Beispiele von Entscheidungsträgern erinnerten, die Verständnis für die Armut zeigten und etwas dagegen unternahmen, geschah dies nach ihrem Dafürhalten nur, um das politische Image der Entscheidungsträger aufzupolieren, da zu entsprechenden Ereignissen oftmals die Medien hinzugezogen werden, um darüber zu berichten. (RO)

„Es gibt einige Fälle …, während der Überschwemmung kamen einige [Entscheidungsträger] und halfen ..., aber sie riefen die Medien, sie brachten Geld von Sponsoren auf, jedoch im eigenen Interesse …“ (RO, weiblich, 67)

Allerdings wurden bei den Entscheidungsträgern, denen man ein gewisses Verständnis von Armut und sozialer Ausgrenzung zugestand, Maßnahmen zu deren Bekämpfung vermisst. Es werde zu viel Zeit fürs Reden aufgewandt (UK, DK).

„Sie [die Entscheidungsträger] sind so beschäftigt damit, um Tische herumzusitzen und dies und jenes zu diskutieren, dass sie anschließend zu einer weiteren Sitzung müssen, um zu erörtern, was sie bei der ersten Sitzung diskutiert haben, aber eigentlich wird nichts zustande gebracht.“ (UK, weiblich, 69)

Es wurde jedoch eingeräumt, dass diese Probleme möglicherweise schwer zu lösen seien, da sie im Kontext großer sozialer und politischer Fragen wie der sozialen Eingliederung und der steigenden Arbeitslosigkeit angesiedelt sind (DK). Die Befragten unterschieden im Allgemeinen nicht zwischen Entscheidungsträgern auf lokaler, nationaler oder europäischer Ebene. Jede dieser Ebenen wird auch für zuständig erachtet, sich mit Fragen von Armut und sozialer Ausgrenzung zu befassen (UK). In den Fällen, in denen die Befragten diese Gruppen getrennt voneinander nannten, vertraten sie folgende Auffassungen:

Entscheidungsträger auf der lokalen Ebene:

o Es herrschte die Meinung vor, dass die lokalen Politiker stärker mit der Realität in Kontakt stehen, da sie in denselben Gebieten wie die Bürger wohnen und diesen näher sind, während die Mitglieder der nationalen Parlamente zu weit weg sind, um die Probleme, die das Leben der Befragten betreffen, wirklich zu verstehen. (DK)

Entscheidungsträger auf der nationalen Ebene:

o Die Schuld für unzureichende Maßnahmen gegen Probleme der

Armut und sozialen Ausgrenzung wird gewöhnlich der nationalen Regierung zugeschoben. (UK, PL, DK, BE)

„Es besteht eine große Distanz zwischen den einzelnen Bürgern und den Entscheidungsträgern. Sie wohnen nicht

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mehr in der Nachbarschaft und fühlen sich daher nicht mehr verantwortlich. Sie sehen ihre Arbeit nur als Job mit geregelten Arbeitszeiten und gehen jeden Tag zufrieden nach Hause. Sie werden nicht mit den Folgen ihrer Entscheidungen konfrontiert.“ (DK, weiblich, 73)

o Es besteht die Auffassung, dass die Politiker sich zu wenig persönlich

verantwortlich fühlen und eher Zeit auf sozial unwichtige Fragen verwenden, als sich auf Armut und soziale Ausgrenzung zu konzentrieren. (PL, IT)

o Man ist der Ansicht, dass die Politiker auf nationaler Ebene dazu

neigen, die Probleme im Zusammenhang mit Armut in ihren Ländern zu verbergen oder zu beschönigen, um ihr Image im Ausland und auch im eigenen Land aufrechtzuerhalten. (ES)

o Darüber hinaus wurde die Auffassung vertreten, dass die Politiker auf nationaler Ebene aufgrund von Hindernissen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, nicht in der Lage sind, etwas zur Linderung der Armut zu unternehmen. (ES)

„Die Politiker tun nie etwas dagegen. Da ist es auch egal, wer regiert. Jeder Politiker, der an die Macht kommt, stößt auf Hindernisse, die von den Kapitalgebern, Banken, Arbeitgebern, EU-Normen aufgebaut werden. Kein Politiker kann sagen, dass er etwas unternehmen wird ...“ (ES, männlich, 63)

Entscheidungsträger auf der europäischen Ebene:

o Einer der Befragten glaubte, dass es unter den Politikern auf der

Ebene der Europäischen Union mehr Korruption gebe. (MT)

o Ferner wurde die Ansicht geäußert, dass die mächtigsten Entscheidungsträger die reichsten EU-Länder seien, die zwangsläufig Entscheidungen unterstützen und treffen, die in ihrem Interesse sind, und sich nicht unbedingt über dringliche Probleme in anderen Ländern wie Armut und soziale Ausgrenzung Gedanken machen. (ES)

o Einige der Befragten vertraten die Auffassung, dass die Entscheidungsträger auf EU-Ebene wegen ihres großen physischen Abstands von den Gegebenheiten keinerlei Kenntnis von den Problemen älterer Menschen haben. (CZ)

„In Brüssel haben sie keine Ahnung von den einzelnen Staaten und den Alltagsproblemen ihrer Bürger. Von den Politikern, die uns vertreten sollen, erfahren sie ganz bestimmt nichts über die Probleme unseres Landes!“ (CZ, weiblich, 62)

o Es herrscht die Meinung vor, dass sich die nationalen Vertreter im

Europäischen Parlament eher mit den Problemen anderer Länder

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oder Kontinente (wie Afrika) als mit Fragen von nationalem Interesse befassen. (LV)

o Die EU wird nicht als ein Akteur wahrgenommen, der Armut und soziale Ausgrenzung an vorderster Front bekämpft, noch wird dies von ihr erwartet. (FR)

o Befragte äußerten die Überzeugung und die Hoffnung, dass auf

europäischer Ebene getroffene Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung möglicherweise wirksamer sind als Maßnahmen auf nationaler und lokaler Ebene. Für diese Meinung wurden unter anderem folgende Gründe angeführt: Armut ist ein zunehmendes Problem in ganz Europa, das auf einer breiteren (europäischen Ebene) bewältigt werden muss; die Zuwanderung aus den neueren EU-Mitgliedstaaten in die etablierteren EU-Mitgliedstaaten trägt zu höheren Armutsraten in den älteren EU-Mitgliedstaaten bei, und die Zuwanderer erhalten Sozialhilfeleistungen in gleicher Höhe wie die Einheimischen. (BE)

Nach Ansicht der Befragten in der Tschechischen Republik und in Lettland zeigen Verwaltungsangestellte und Bürokraten auf lokaler Ebene keinerlei Verständnis für ihre Lage und scheinen besonders gleichgültig zu sein. Die Befragten konnten mehrere Beispiele aus eigener Erfahrung nennen:

„Ich warte auf eine Wirbelsäulenoperation, und bis es soweit ist, kann ich nicht laufen. Ich habe Invalidenrente beantragt, aber ich wurde nur als leicht behindert eingestuft, deshalb habe ich Beschwerde eingelegt ... [der Fall] ging bis zum Ministerium für Soziales, und dort hat man schließlich meine vollständige Invalidität anerkannt. Drei Wochen später ging ich mit allen Unterlagen noch einmal zu der örtlichen Verwaltungsstelle, aber die Dame dort sagte mir, dass ihr keinerlei Unterlagen dazu vorlägen ..., die Sache landete beim Bürgermeister - und der hat mir schließlich geholfen. So gehen sie mit Menschen um.“ (CZ, männlich, 64)

„Sie [die Angestellten der örtlichen Gemeinde] beschimpfen einen sogar, weil man dem Sozialdienst nicht beigetreten ist.“ (LV, männlich, 60)

4.3 Fragen, die als gut verstanden gelten Die Befragten hatten im Allgemeinen Mühe, Aspekte ihres Lebens oder des Lebens anderer von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffener Menschen zu nennen, die nach ihrem Dafürhalten von den Entscheidungsbefugten gut verstanden werden. Zu den Fragen, mit denen sich die Entscheidungsträger nach Ansicht der Befragten befassen und die sie gut verstehen, zählen unter anderem:

Daten, zum Beispiel die Statistiken über die Zahl der Menschen, die in Armut leben, und die Höhe der Gelder, die für Sozialrenten und Sozialhilfe zugewiesen werden. Aber das bedeute nicht, dass die Lebensrealität armer Menschen verstanden wird. (PT, HU, BE)

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„Ich glaube, es gibt keinen Aspekt meines Lebens, den sie verstanden haben, aber möglicherweise wissen sie, wie viel Rente ich bekomme.“ (PT, männlich, 67)

Eine gewisse Anerkennung wurde für die Maßnahmen der Regierungen

geäußert, mit denen zur Bekämpfung der Armut beigetragen werden soll (DK, DE), z. B. die Unterstützung verschiedener Klubs, damit sich weniger wohlhabende Kinder kostenlos im Fußballspiel üben können. Die Regierung unterstützt auch Sozialzentren, damit ältere Menschen mit niedrigen Einkommen eine Begegnungsstätte haben (DK).

4.4 Fragen, die als nicht gut verstanden gelten Die Befragten waren der Ansicht, dass die nachstehend genannten Fragen im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung oder Aspekte ihres eigenen Lebens von den Entscheidungsträgern nicht gut verstanden werden:

Die Lebensrealität armer und sozial ausgegrenzter Menschen (PT, MT, IE, EL, ES, LV, DK, CZ)

Einige der Befragten vertraten die Auffassung, dass die Entscheidungsträger nicht im Einzelnen verstehen, wie sich das Leben der Befragten gestaltet, und auf welche Weise sie leiden, z. B. das Leben mit einer geringen Rente, die Probleme im Zusammenhang mit ihren Lebensbedingungen und ihrem Umfeld, die Schwierigkeit, Arbeit zu finden, die Schwierigkeit, für Grundbedürfnisse und Medikamente aufzukommen, lange Schlangen oder Wartezeiten bei Arztbesuchen, der Bedarf an Pflegeheimen, die sich in einem guten Zustand befinden, usw. (PT, MT, IE, CZ, EL, ES)

„Meine Rente beträgt 245 EUR; neulich habe ich ein Medikament gekauft und dafür 8,89 EUR bezahlt, das zuvor kostenlos war, wie kann ich denn aber Medikamente kaufen? Verstehen sie das? Nein, das verstehen sie nicht.“ (PT, weiblich, 72) „Ich würde ihnen meine Rente geben und zu ihnen sagen: nun versucht doch mal, von den 800 Kronen zu leben, die mir bleiben, nachdem ich die Miete und die Rechnungen bezahlt habe. Sollen sie doch mal von so wenig Geld leben.“ (CZ, männlich, 65)

Einige der Befragten waren auch der Ansicht, dass eine gemeinsame Definition des Armutsbegriffs fehle, und dass nicht anerkannt werde, dass es Armut gibt. Das bedeute, dass die Probleme verborgen bleiben und nicht diskutiert werden. (DK)

„Man ist offenbar der Meinung, dass es in Dänemark keine Armut gibt. Aber das ist schlichtweg falsch, es gibt sie sehr wohl, und wenn man das nicht einmal anerkennt, denn wird es nie besser werden.“ (DK, weiblich, 77)

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Ferner herrscht die Meinung vor, dass die Entscheidungsträger nicht verstehen, welche Auswirkungen das Fehlen eines angemessenen Lebensstandards auf das emotionale Wohlbefinden und den Lebenssinn der Befragten hat. (EL, LV)

„Sie verstehen nicht, dass wir keine glücklichen Zeiten und Momente haben, da wir ewig nicht zum Essen oder auf einen Drink ausgegangen sind. Leider leben wir nur einmal, und es ist traurig, dass wir uns damit begnügen müssen...“ (EL, weiblich, 66)

Die vollständigen Auswirkungen der bestehenden Politik auf arme und sozial

ausgegrenzte Menschen (RO, PT, HU, SE, BE) Die Auswirkungen der hohen Steuern auf Lebensmittel und Medikamente, die den Müttern aufgezwungene Verkürzung des Mutterschaftsurlaubs und die Auswirkungen der Bürokratie (Verzögerungen) auf die wirksame Umsetzung der Armutsbestimmungen werden nicht vollständig verstanden (RO, PT, HU). Darüber hinaus herrschte die Meinung vor, dass die Politiker blindlings Gesetze erlassen, ohne den besonderen Problemen armer Menschen und den Auswirkungen der Rechtsvorschriften Rechnung zu tragen (PT).

„Ich bin zur Bank gegangen, um meine Rente abzuholen, aber mein Konto war wegen Steuerschulden aufgelöst worden. Ich muss 15 EUR fürs Essen in einem Zentrum bezahlen, und nun kann ich nichts essen, weil ich kein Geld habe. Über solche Situationen denken sie nicht nach, wenn sie diese Gesetze machen.“ (PT, männlich, 74)

Die Befragten in Schweden äußerten sich besonders besorgt über die dezentrale Befassung mit Armut und sozialer Ausgrenzung, da ein Großteil der Verantwortung bei den betreffenden Städten und Gemeinden liegt, was den Befragten zufolge zu Unterschieden bei der Aufmerksamkeit für diese Fragen und zu einiger Verwirrung unter ihnen führt, da sie nach ihrem Dafürhalten nicht immer ihre Pflichten und Rechte kennen. (SE)

Die Prioritäten bei den Ausgaben (UK, MT, DK)

Die Befragten waren der Auffassung, dass die Entscheidungsträger nicht verstehen, welche Prioritäten bei den Ausgaben gesetzt werden sollten. Das betreffe nicht nur die Sozialausgaben im Rahmen der nationalen Haushalte oder des EU-Haushalts, sondern auch die soziale Ungleichheit im weiteren Sinne, d. h. dass gesagt wird, es sei nicht genug Geld vorhanden, um Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, während zugleich offenbar genug Geld vorhanden ist, damit die Politiker ihre finanzielle Position stärken können (UK, MT).

„Meines Erachtens geben sie nicht den richtigen Dingen Vorrang, für die das Geld ausgegeben werden sollte. Deshalb glaube ich nicht, dass sie genügend Verständnis haben.“ (UK, weiblich, 67)

Darüber hinaus verfügten bestimmte Strukturen und Organisationen, die arme und sozial ausgegrenzte Menschen unterstützen, wie Sozialzentren und

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Arbeitsvermittlungsstellen, nicht über ausreichende finanzielle Mittel, was dazu führe, dass es der Unterstützung, die den Bedürftigen gewährt wird, an Kontinuität mangelt (DK).

„Die Sachbearbeiter wechseln ständig, und der jeweilige Sachstand wird nicht weitergegeben, Unterlagen gehen verloren usw. ... Aber so ist es, wenn man ihnen nicht die Mittel an die Hand gibt, um wirklich etwas zu ändern...“ (DK, männlich, 67)

Die Notwendigkeit, etwas zu unternehmen (UK, IE, LV, FR)

Abgesehen davon, dass die Entscheidungsträger armen und sozial ausgegrenzten Menschen zuhören oder ein gewisses Verständnis für deren Situation aufbringen sollten, sei es zwingend erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um das, was beschlossen wurde, weiterzuverfolgen. (UK, IE, LV)

Wichtig sei darüber hinaus, dass die Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung kontinuierlich bekämpft werden, da diese Probleme nach Ansicht einiger der Befragten in Zeiten der Rezession, wenn Fragen der Wirtschaft und Industrie Vorrang eingeräumt wird oder wenn die Entscheidungsträger Haushaltskürzungen vornehmen müssen, in den Hintergrund treten. (UK, IE, LV)

Die Individualisierung und der Wandel von Armut und sozialer

Ausgrenzung (SE, DK, BE)

Den Befragten zufolge sollte anerkannt werden, dass es in Ländern, in denen zuvor Wohlstand geherrscht haben mag, derzeit ebenfalls Menschen gibt, die infolge einer veränderten globalen, nationalen und persönlichen wirtschaftlichen Situation unter Armut und sozialer Ausgrenzung leiden (SE). Außerdem seien die Bedürfnisse der Menschen sehr unterschiedlich, sodass eine individuelle und flexible Unterstützung erforderlich sei (DK).

„Jahrelang wurde mir das Geld für die Wäscherei Monat für Monat vom Staat erstattet. Da ich drei Jungen hatte, kann man sich vorstellen, dass über die Jahre eine ganze Menge Geld zusammenkam. Das war eine vollkommen sinnlose Aktion. Hätten sie mir gleich eine Waschmaschine gegeben, dann hätte ich meine Kinder nicht zweimal in der Woche abends allein lassen müssen, um die Wäsche im Waschsalon am anderen Ende der Straße zu waschen. Letztendlich hat der Staat wesentlich mehr Geld für den Waschsalon ausgegeben, immerhin hatte ich ja drei Jungen! Ich habe so viel Zeit im Waschsalon verschwendet, Zeit, die ich hätte mit meinen Kindern verbringen können.“ (DK, weiblich, 75)

Der Mensch sollte als Ganzes gesehen und nicht auf sein biologisches Alter beschränkt werden, und die Entscheidungsträger sollten die Fähigkeit der Menschen berücksichtigen, verschiedene Aufgaben auszuführen, anstatt eine Altersgrenze festzulegen, von der an ein Mensch zu alt zum Arbeiten ist (SE). Darüber hinaus kann es passieren, dass durch die Einführung sehr strenger Kriterien für den Anspruch auf Sozialhilfe bestimmte Menschen

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ausgeschlossen werden, die sich in einer außerordentlich unsicheren Lage befinden, was dazu führt, dass sie in kurzer Zeit verarmen (BE).

Die Bedeutung der klaren Kommunikationskanäle, die es zwischen den

Politikern auf allen Ebenen, den Beschäftigten im Sozialsystem und den Bedürftigen geben muss, um sicherzustellen, dass die Menschen angemessene Unterstützung erhalten, und dass ihre Meinung angehört wird (DK)

4.5 Wie lässt sich das Verständnis verbessern? Einige der Befragten unterbreiteten Vorschläge, wie die Entscheidungsträger ein besseres Verständnis für das Leben der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen entwickeln können. Es besteht die Auffassung, dass die Entscheidungsträger wenig Erfahrung aus erster Hand mit Problemen der Armut und der sozialen Ausgrenzung haben, und da sie beschäftigt sind, nicht immer über die Zeit verfügen, sich unmittelbar ein Bild von der Lage der Dinge zu machen. Deshalb wurde vorgeschlagen, dass sozial ausgegrenzte oder in Armut lebende Menschen die Entscheidungsträger in diesen Fragen beraten. (UK, IT)

„Bei ihren Treffen sollten, wie Sie schon gesagt haben, einige arme Menschen anwesend sein, die sich dazu äußern können, denn die Leute, die das Land regieren, wissen nicht, wie das ist ... Sie leiden nicht wie wir.“ (UK, weiblich, 69)

Einige der Befragten waren der Ansicht, dass die Entscheidungsträger sich stärker um das Verständnis dieser Probleme bemühen müssten, indem sie sich in die Lage derjenigen versetzen, die arm sind, und selbst von einem geringen Einkommen und in Armut leben und ihre Erfahrungen dann über die Medien verbreiten. (SE) Schließlich herrschte die Meinung vor, dass sich die lokalen Verwaltungsorgane in stärkerem Maße der Armut und der sozialen Ausgrenzung in ihrem Verwaltungsgebiet bewusst und stärker mit der örtlichen Bevölkerung verbunden sein sollten, um ihr Verständnis zu verbessern. (PT)

„Die Lokalpolitiker sollten einen besseren Kontakt zu den Bewohnern ihres Gebiets haben, damit sie die besonderen Situationen besser kennenlernen können.“ (PT, weiblich, 66)

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5 POLITIK In diesem Kapitel werden die spezifischen Ansichten und Prioritäten der Befragten hinsichtlich der Maßnahmen dargestellt, die die europäischen Entscheidungsträger gegen Armut und soziale Ausgrenzung unternehmen sollten.

5.1 Wichtigste Erkenntnisse

Im Allgemeinen wussten die Befragten nicht allzu viel von Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der Armut, nahmen aber an, dass das Armutsproblem eher allgemein auf der Tagesordnung der EU stehe. Daher konnten sie nur wenige Beispiele für Maßnahmen oder Interventionen der EU nennen, von denen sie wussten oder die sie aus eigener Erfahrung kannten.

Die Befragten unterbreiteten eine Reihe von Ideen darüber, was die EU zur Bekämpfung der Armut tun sollte. Ganz oben auf der Liste standen die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Fragen im Zusammenhang mit den Lebensbedingungen und den Wohnquartieren, gefolgt von Vorschlägen für Maßnahmen der EU zur Erhöhung der Renten sowie zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung und deren Erschwinglichkeit. Darüber hinaus wurde es für wichtig erachtet, Bedürftigen Sozialhilfe zu gewähren und mit armen und sozial ausgegrenzten Menschen zu kommunizieren, um ihre Sorgen kennenzulernen.

Aus den Antworten geht deutlich hervor, dass diese Maßnahmen nicht nur die

Lebensqualität der Befragten auf materieller Ebene verbessern, sondern darüber hinaus auch psychologische Vorteile mit sich bringen würden, wie zum Beispiel die Wiederherstellung der Würde, da Armut nach wie vor als beschämend und peinlich empfunden wird; sie würden älteren armen und ausgegrenzten Menschen zu einem aktiveren Leben (z. B. durch ein Arbeitsverhältnis) verhelfen und auf diese Weise die Einsamkeit mindern, und sie würden dazu beitragen, gegebenenfalls Gefühle der Unbeständigkeit und Zukunftsangst zu bekämpfen.

In ihren Schlüsselbotschaften an die EU-Entscheidungsträger und bei der Benennung der aus ihrer Sicht weitaus wichtigsten Angelegenheit, um die sich die Entscheidungsträger kümmern sollten, wiederholten die Befragten erneut eine Reihe von Aspekten und erklärten zum Beispiel, dass es gelte die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, das Augenmerk vor allem auf die Wirtschaft und die Infrastruktur zu richten (z. B. Gesundheits- und Wohnraumversorgung) sowie ältere und in Armut lebende oder von sozialer Ausgrenzung betroffene Menschen anzuhören. Auch in diesem Zusammenhang wurde auf Maßnahmen verwiesen, die nicht nur die materiellen Bedürfnisse älterer und in Armut lebender oder von sozialer Ausgrenzung betroffener Menschen erfüllen, sondern ihrem Leben auch einen Sinn und ein Ziel geben würden, wie zum Beispiel die Teilhabe an kulturellen Aktivitäten oder die Weitergabe ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten an jüngere Generationen.

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5.2 Kenntnis der Maßnahmen der EU zur Armutsbekämpfung Im Allgemeinen wussten die Befragten nicht allzu viel von Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der Armut (PL, ES, PT, RO, SK, UK, DK, HU, IE, LV, IT, EL, CZ, FR, BE), nahmen aber an, dass das Armutsproblem eher allgemein auf der Tagesordnung der EU stehe (SK, UK, IT). Unbekannt war die Tatsache, dass 2010 das Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung war (UK, HU).

„Bis jetzt habe ich von keiner Maßnahme gehört.“ (PT, männlich, 67) Es gab jedoch einige Beispiele für Maßnahmen oder Interventionen der EU, von denen die Befragten wussten oder die sie aus eigener Erfahrung kannten:

Einige der Befragten aus Malta erhalten manchmal Lebensmittel im Rahmen eines von der EU finanzierten Programms. Dieses Programm wird als gut angesehen, wenngleich die Befragten der Meinung waren, dass sie zu wenig Lebensmittel erhalten und dass diese nicht immer ihrem Bedarf entsprechen. Einige hatten durch Mundpropaganda von diesem Programm erfahren, während andere von den Behörden darüber informiert wurden. (MT)

Von der Beteiligung der EU an Initiativen zur Bekämpfung der Armut auf

nationaler Ebene hatten einige der Befragten Kenntnis.

„Es wurden einige Waisenhäuser für Straßenkinder gebaut … sie wurden mit EU-Geldern bezahlt. Diese EU-Mittel könnten von großem Nutzen für uns sein, aber wir wissen nicht, wie man da rankommt …“ (RO, männlich, 61)

Einige der Befragten wussten von der Beteiligung der EU an Initiativen zur

Bekämpfung der Armut außerhalb der EU, wie zum Beispiel in Afrika. (LV)

Die Beiträge, die die EU Ende des vergangenen Jahrhunderts zu Infrastrukturprojekten in Irland geleistet hat, wurden als Beweis für die direkt dem Staat gewährte Unterstützung genannt, während die von der EU und vom IWF für Irland bereitgestellte finanzielle Unterstützung auch als ein Beispiel für Hilfe angeführt wurde, die indirekt denjenigen zugutekommt, die weniger wohlhabend sind. (IE)

Für Initiativen der EU zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung wurde von den Befragten nur ein Beispiel genannt. Diese hatten Kenntnis von der Rolle der europäischen Institutionen einschließlich der Gerichte bei der Gewährleistung der Gleichstellung für irische Staatsbürger, z. B. in den Bereichen Homosexualität und Ehescheidung (IE). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde auch von tschechischen Befragten als Beispiel für die Hilfe für einfache Bürger ins Feld geführt.

Einer der Befragten erwähnte, dass ein Teil der Mittel des Kohäsionsfonds der EU für die Mitgliedstaaten speziell für die Armutsbekämpfung bestimmt ist. (ES)

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Die EU-Beihilfen haben möglicherweise indirekte Auswirkungen auf die Armen gehabt. (CZ)

„Wir zahlen 10 Milliarden, ja, aber wir bekommen 70 Milliarden, weil wir ein armes Land sind. Das bedeutet, dass sie uns insgesamt helfen.“ (CZ, männlich, 65)

Schließlich erinnerte sich einer der Befragten vage an ein Beispiel im

Zusammenhang mit einer EU-Intervention zur Armutsbekämpfung, wusste jedoch keine Einzelheiten mehr. (PT)

„Ich habe etwas über ein Projekt der EU zur Bekämpfung der Armut gehört, das im März 2008 auf den Weg gebracht wurde.“ (PT, männlich, 67)

Trotz der mangelnden Kenntnis reagierten die Befragten positiv auf die Beteiligung der EU an Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Es herrscht die Meinung vor, dass sich die EU im Vergleich zu den nationalen Regierungen in stärkerem Maße den Benachteiligten zuwendet und Geld für diese Gruppe bereitstellt (PT, IT), und sie wird manchmal als vertrauenswürdiger als die nationalen Regierungen eingestuft (IT). „Ich denke, dass etwas unternommen werden sollte.“ (PT, weiblich, 66) Allerdings hatten die Befragten aus einigen Ländern Vorbehalte gegenüber dem Engagement der EU in Fragen der Armut und der sozialen Ausgrenzung. Diese Vorbehalte beruhten auf dem Zweifel daran, dass die EU das Alltagsleben der normalen Bürger verstehen und darüber Bescheid wissen kann, da sie als weit entfernt von den betreffenden Problemen wahrgenommen wird (noch weiter entfernt als die nationalen Regierungen, denen die Befragten bereits kritisch gegenüberstehen (DE)), und da sie sich eher mit länderübergreifenden als mit lokalen Angelegenheiten befasst (SK, DK, IT).

„Sie sollten uns darüber informieren, was sie tun und was sie für die Slowakei tun.“ (SK, weiblich, 70)

Ferner bestand der Eindruck, dass die EU eher darin erfahren sei, besonderen Interessengruppen zu helfen, deshalb erhob sich die Frage, was sie wirklich für den Einzelnen tun könne. (IE)

„Nichts. Sie können nichts für dich tun, es sei denn, du gehörst einer Gruppe an.“ (IE, weiblich, 63)

Eine gewisse Anerkennung wurde jedoch für die schwierigen Aufgaben geäußert, denen sich die EU gegenübersieht, insbesondere was die Einigung auf eine Definition des diffizilen Begriffs der Armut betrifft. (DK)

„Armut ist nicht unbedingt in jedem Land das Gleiche. Alles ist relativ, daher ist es schwierig, genau festzulegen, welche Anstrengungen auf europäischer Ebene notwendig sind. So leben zum Beispiel in einigen Ländern Menschen in abbruchreifen Häusern ohne Heizung und alles. Ich habe eine Heizung und

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nutze sie, aber ich kann es mir trotzdem nicht leisten, meine Wohnung allzu sehr zu heizen, auf gar keinen Fall so sehr, wie ich es gern tun würde. Und ich sehe der Heizkostenrechnung jedes Mal, wenn sie mit der Post ins Haus kommt, mit Bangen entgegen - bin ich dann nicht arm?“ (DK, männlich, 67)

5.3 Was die EU zur Bekämpfung der Armut tun sollte Die Befragten konnten eine Reihe von Vorschlägen für Maßnahmen unterbreiten, die die EU ihrer Meinung nach treffen sollte, um Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Die Ideen werden in der nachstehenden Tabelle dargestellt, wobei diejenigen Ideen, die die meiste Unterstützung fanden, ganz oben stehen. Eine kleine Minderheit der Befragten unterbreitete jedoch keine Vorschläge, da sie die Auffassung vertritt, dass für Fragen von Armut und sozialer Ausgrenzung in wesentlich stärkerem Maße die jeweilige nationale Regierung zuständig ist (DK). Es wurde auch befürchtet, dass solche Maßnahmen in die Souveränität der Mitgliedstaaten eingreifen könnten und dass der Nutzen der Maßnahmen bei ihrer Umsetzung aufgrund des damit verbundenen bürokratischen Aufwands verpuffen könnte (CZ). Darüber hinaus war eine kleine Minderheit der Befragten aus Griechenland schlecht auf ihre nationale Regierung und die EU zu sprechen und wollte von diesen nichts als eine auskömmliche Rente und eine menschenwürdige Wohnung fordern.

WAS DIE EU ZUR BEKÄMPFUNG DER ARMUT TUN SOLLTE Bereich Vorschläge Befragte

aus: Beschäftigung Die Niedrig- und Mindestlöhne sollten erhöht werden.

Es sollten bessere gesetzliche und steuerliche Bedingungen für Zuverdienstmöglichkeiten geschaffen werden.

Durch die Vereinfachung der Verfahren des Zugriffs auf EU-Mittel sollten mehr Arbeitsplätze für die Menschen geschaffen werden.

Die Altersdiskriminierung im Bereich der Beschäftigung sollte bekämpft werden. „Die Entscheidungsträger sollten für bessere Rechtsvorschriften über die Altersdiskriminierung bei der Arbeit sorgen ... die Politiker sollten etwas gegen die Einstellung der Arbeitgeber gegenüber älteren Menschen am Arbeitsmarkt unternehmen. Die Arbeitgeber denken offenbar, dass man, nur weil man 60 Jahre alt ist, nichts mehr versteht oder langsam ist, aber damit identifiziere ich mich nicht.“ (SE, weiblich, 62)

Kleine und mittlere Unternehmen sollten unterstützt werden.

Es sollten mehr Mittel für ältere Menschen, die unter Legasthenie leiden, und für behinderte Menschen bereitgestellt werden, die arbeiten wollen und können.

Auf der Makroebene könnte die EU bei der Schaffung

PT, DE, RO, SE, IE, SK, MT, UK, HU, IT, ES, LV, EL, DK, DE

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von Arbeitsplätzen helfen. „Es gibt keine Arbeit. Ich möchte wirklich keine Almosen ..., also brauchen wir Arbeit ...“ (IT, männlich, 63)

Wohnquartiere und Lebensbedingungen

Die Lebensbedingungen der Armen sollten verbessert werden, da sich die Menschen einsam, ängstlich und nicht sicher fühlen.

Wenn es zu wirtschaftlichen Problemen kommt und die Menschen Gefahr laufen, ihr Eigenheim zu verlieren, weil sie ihren Hypothekenzahlungen nicht nachkommen, sollte eine höhere Garantie für Hypotheken sichergestellt werden.

SE, IT, ES, EL, PT, UK, IE, DK, HU, RO, UK, MT, DE

Erhöhung der Renten

Die Befragten sprechen sich für eine Rente aus, die ihrer lebenslangen Arbeit in angemessener Weise Rechnung trägt und von der sie leben können. „Grundsätzlich sollten die Renten auf eine andere Grundlage gestellt werden. Jeder, der 40 Jahre gearbeitet hat, hat unabhängig vom Alter Anspruch auf eine Rente.“ (DE, männlich, 63) „Meine Rente von 246 EUR [sollte] auf die Höhe des Mindestlohns angehoben werden, das ist alles, worum ich bitte.“ (PT, männlich, 67)

Die Rentenbesteuerung sollte abgeschafft werden, da sie in keinem Verhältnis zum Einkommen der Rentner steht.

Es sollte anerkannt werden, dass Männer und Frauen wegen der zugewiesenen oder angenommenen Geschlechterrollen in unterschiedlicher Weise von Armut betroffen sein können; so tragen Frauen oftmals die Hauptlast der Betreuung von Kindern oder anderen Angehörigen und erhalten eine sehr geringe Rente.

Man sollte sich der Diskrepanz zwischen Renten und Lebenshaltungskosten bewusst sein.

DE, PT, SK, SE, PL, IT, EL, CZ, FR, BE

Gesundheitsversorgung

Durch Investitionen in das Gesundheitswesen sollte dafür gesorgt werden, dass die Wartelisten kürzer und die Dienstleistungen und Medikamente erschwinglicher werden, dass ältere Menschen weniger Zuzahlungen leisten müssen und dass die Dienstleistungen wirksamer und effizienter werden. „Für die Gesundheitsversorgung geht die ganze Rente drauf.“ (SK, weiblich, 63)

Diejenigen, die kranke Familienmitglieder pflegen, sollten finanziell unterstützt werden.

Die Dienstleistungen in Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen sollten verbessert werden; z. B. sollte ein Facharzt für Geriatrie vor Ort sein, um die Besuche bei mehreren Ärzten und in mehreren Krankenhäusern zu reduzieren.

SE, SK, DE, IE, RO, PL, UK, ES, FR

Kommunikation mit in Armut lebenden und sozial ausgegrenzten

Es wurde vorgeschlagen, Menschen, die bereits in Armut leben, zu den einschlägigen Problemen und zu Strategien zur Bekämpfung der Armut zu befragen, da sie am besten in der Lage sind einzuschätzen, wie entsprechende Maßnahmen funktionieren würden.

UK, DE, SE, IE, ES, EL, LV

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Menschen „Bei der Gestaltung der Maßnahmen die Menschen anhören, die tatsächlich arm sind ...“ (UK, weiblich, 64)

Die Politiker sollten die Rentner anhören, sich ihre Probleme schildern lassen und ihre Sorgen ernst nehmen. „Zuhören. Sie müssen zuhören und dürfen einen nicht einfach abwimmeln.“ (IE, weiblich, 63)

Die Entscheidungsträger sollten sich in die Lage derjenigen versetzen, die Gefahr laufen, in Armut abzugleiten; einige der Befragten schlugen sogar vor, dass die Entscheidungsträger eine Zeit lang von Arbeitslosengeld, staatlicher Rente oder Mindestlohn leben sollten, damit sie voll und ganz verstehen, wie das Leben von jemandem aussieht, der versucht, von diesem Geld zu überleben. Eine praktikablere Lösung würde darin bestehen, dass die Entscheidungsträger sich in der Gemeinde sehen lassen, nicht mit dem Ziel, um Stimmen zu werben, sondern um sich an Aktivitäten der Gemeinde zu beteiligen, die entweder von ihnen selbst oder von anderen Gemeinwesenarbeitern geleitet werden. „Ich würde ihnen sagen, dass sie Folgendes tun sollen: nur eine Woche lang mit uns leben, um zu begreifen.“(EL, weiblich, 63)

Darüber hinaus sollten die Entscheidungsträger auch diejenigen, die von ihren Entscheidungen betroffen sind, klar und deutlich von Problemen in Kenntnis setzen. „Sagt die Wahrheit ... und redet Klartext, damit wir es alle verstehen können.“(IE, männlich, 71)

Sozialhilfe Denjenigen, die darauf angewiesen sind, z. B. Menschen mit behinderten Kindern, sollte ausreichend Sozialhilfe gegeben werden, damit sie ein auskömmliches Leben führen können.

Pflegeheime sollten für diejenigen, die nicht das Geld haben, einen Platz zu bezahlen, kostenlos sein, und sie sollten sich in einem guten Zustand befinden. „Altenheime in gutem Zustand, nicht die, die sehr schlecht geführt werden.“ (PT, weiblich, 72)

Es sollten Lösungen für diejenigen gefunden werden, die keine menschenwürdige Unterkunft haben.

Alleinstehenden oder geschiedenen Menschen, die sich im Ruhestand befinden, sollte das finanzielle Überleben erleichtert werden, da sie nicht die finanzielle und anderweitige Unterstützung eines Partners haben.

Es sollte eine Armutsgrenze festgelegt werden, bei deren Unterschreitung Menschen nicht ohne Unterstützung leben dürfen.

MT, PT, RO, SE, CZ, UK, ES

Beziehungen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten

Die EU sollte die Mitgliedstaaten überwachen, um sicherzustellen, dass die Rechte der Bürger respektiert werden, insbesondere die Rechte der Arbeitnehmer, und dass diese fair behandelt werden.

Die EU sollte überwachen, wie die Volkswirtschaften

HU, IE, SK, PL, PT, EL, CZ

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verwaltet werden, und den Mitgliedstaaten ihre einschlägige Sachkompetenz zur Verfügung stellen. Sie sollte auch die wirtschaftliche Erholung unterstützen und überwachen, wie die EU-Gelder auf nationaler Ebene ausgegeben werden. „Es muss im Einzelnen durch die EU-Beamten kontrolliert werden, was die Regierung mit dem Geld der EU macht.“ PL, männlich, 67)

Vonseiten der EU sollten gemäßigtere Forderungen an die Mitgliedstaaten gestellt werden, da durch die Forderungen möglicherweise Geld abgezogen wird, das für die Armen vorgesehen war, z. B. durch Umweltauflagen, die die Länder einhalten müssen, und deren Umsetzung Geld kostet.

Umverteilung des Reichtums / Wirtschaft

Es sollte eine gleichmäßigere Verteilung des Reichtums unter den Menschen gefördert werden, indem die Gehälter der Wohlhabenden gekürzt und das Geld an die Bedürftigen verteilt wird. „Ich würde den Politikern sagen, dass der Unterschied zwischen den Gehältern für bestimmte - übertrieben gut bezahlte - berufliche Tätigkeiten und den miserablen Löhnen, von denen man nicht leben kann, abgeschafft werden muss. Es sollte einen fairen Ausgleich geben.“ (IT, männlich, 68)

Es sollte in Infrastruktur und Industriezweige investiert werden, die dazu beitragen würden, der Armut vorzubeugen, indem sie Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, wie zum Beispiel die Landwirtschaft.

Man sollte sich für Direktinvestitionen in ärmere EU-Länder einsetzen oder ihnen EU-Mittel zur Bekämpfung der Armut zur Verfügung stellen.

MT, RO, SE, LV, IT, UK, BE

Die Beteiligung an kulturellen Aktivitäten fördern und subventionieren

Rentner sollten sich auf sinnvolle Weise gesellschaftlich betätigen. „Es sollte dort geholfen werden, wo es der Einzelne benötigt, z. B. durch die Bezahlung der Mitgliedsbeiträge für Klubs, Vereine und Aktivitäten, bei denen arme Menschen ihren Interessen nachgehen und andere Menschen treffen können, sodass sie nicht isoliert sind.“ (DK, männlich, 67)

SE, DK, ES

Preiskontrolle / Lebenshaltungskosten

Die Preise für Gas, Wasser, Strom und andere lebenswichtige Güter sollten kontrolliert werden, da die Kosten für Reiche und Arme gleich sind. „Für uns ist das Leben ebenso teuer wie für die Wohlhabenden.“ (MT, männlich, 64)

MT, SK

Bildung Es sollten Ausbildungskurse für ältere Menschen durchgeführt werden.

PT, ES

Verfügbarkeit und Verwaltung von EU-Mitteln

Es herrscht die Meinung vor, dass die EU bei der Bekämpfung der Armut eine Rolle spielen muss, indem sie durch die Bereitstellung von EU-Mitteln Arbeitsplätze schafft und die Gesundheitssysteme wirksamer und erschwinglicher macht. Das Verfahren der Beantragung von EU-Mitteln wird als langwierig und schwerfällig angesehen und sollte vereinfacht werden. Darüber hinaus sollten die Art und Weise, in der das Geld ausgegeben wird, und die Bereiche, für die es

SK

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ausgegeben wird, sorgfältig überwacht werden, um sicherzustellen, dass es den armen und sozial ausgegrenzten Menschen zugutekommt.

Verantwortung für Armut und soziale Ausgrenzung auf Ministerebene

Die Minister sollten für Armut und soziale Ausgrenzung innerhalb der Europäischen Union in die Verantwortung genommen werden. Eine solche Verantwortlichkeit würde zu einem besseren Verständnis der Probleme beitragen und den Druck auf andere Entscheidungsträger, etwas zu unternehmen, erhöhen. „Das Parlament sollte einen Minister für Armut einsetzen, und der Minister muss gesetzlich verpflichtet werden, wie andere arme Menschen zu leben, um zu erfahren, wie es ist ..., dann würden sie die unverblümte Wirklichkeit begreifen.“(UK, männlich, 62)

UK

Nach Ansicht der Befragten wären diese Maßnahmen sehr nützlich, da sie sich wie folgt auf ihr tägliches Leben auswirken würden:

Sie würden bedeuten, dass es nicht zu einem Fehlbetrag bei den Mitteln käme, die ihnen monatlich zur Verfügung stehen, und dass sie in der Lage wären, die grundlegenden Ausgaben wie z. B. die Kosten für Wasser, Gas, Strom, Lebensmittel und Medikamente zu begleichen (PT). Abgesehen von der Sicherung der materiellen Lebensgrundlagen der Befragten hat die Tatsache, über genug Geld zu verfügen, auch einen psychologischen Nutzen und trägt zum Beispiel zur Wahrung der Menschenwürde bei, da Armut nach wie vor als beschämend oder peinlich empfunden wird (DE).

„Ich lebe allein, [und] es fällt mir sehr schwer, Wasser und Strom, die Miete und Lebensmittel zu bezahlen. So um den 25. oder 26. des Monats muss ich Freunde bitten, mir Geld zu leihen, damit ich bis zur nächsten Rentenzahlung überlebe.“ (PT, männlich, 67)

„Damit man ein würdiges und menschliches Leben führen kann, wenn man alt ist ...“ (DE, weiblich, 62)

Einige dieser Maßnahmen, wie zum Beispiel Ausbildungskurse, werden dazu

beitragen, dass die Menschen aktiver sind oder sich aktiver fühlen, sodass sie besser mit der Einsamkeit fertig werden. (PT)

„Ausbildungskurse für ältere Menschen, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, etwas zu tun.“ (PT, männlich, 67)

Maßnahmen wie die Erhöhung des Einkommens der Rentner und die

Verbesserung der Gesundheitsdienste werden dazu beitragen, Gefühle der Unsicherheit und die Angst zu bekämpfen, am Ende des Lebens keine menschenwürdige Unterkunft zu haben. (PT)

„Genug Geld zu haben, um einen Platz im Altenheim zu bezahlen, die Kinder nicht anbetteln zu müssen; einige Kinder kümmern sich nicht um die Eltern.“ (PT, weiblich, 72)

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Anstatt standardmäßig Sozialleistungen zu gewähren, wird vorgeschlagen, Maßnahmen durchzuführen, die den Menschen helfen sollen, der Armut zu entfliehen, wie zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsplätzen, um die Würde von in Armut lebenden und mit sozialer Ausgrenzung konfrontierten Menschen zu wahren und ihnen praktische Wege zu deren Überwindung zu aufzuzeigen. (ES)

5.4 Die wichtigsten Botschaften an die Entscheidungsträger Die Befragten wurden gebeten dazulegen, was sie den für die EU-Politik Verantwortlichen sagen würden, wenn sie sie direkt ansprechen könnten. Die wichtigsten Botschaften lauteten wie folgt: Sie sollten sich auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit konzentrieren, indem sie Folgendes tun und sich der nachstehend genannten Probleme bewusst sind:

mehr Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten für alle schaffen (UK, HU,

LV, ES, EL)

„Wir hoffen wirklich, dass wir der EU vertrauen können und dass sie uns helfen kann. Ich glaube daran. Und sie wird uns helfen, weil sie die Länder auf den gleichen Stand bringen muss, andernfalls wäre es blamabel für die EU, in welcher Armut wir leben. Wir hinken im Vergleich zu vielen EU-Ländern hinterher. Ich bin optimistisch. In fünf Jahren ... Vielleicht erlebe ich das nicht mehr, aber für meine Enkel könnte es besser werden ... Wenn es Arbeitsplätze gibt und die Schattenwirtschaft verschwindet, dann wird es funktionieren.“ (HU, weiblich, 62) „Die Wirtschaft öffnen, dann hätte jeder einen Arbeitsplatz und jeder hätte dann etwas zu essen.“ (LV, weiblich, 74)

für mehr Gleichheit bei der Entlohnung sorgen (UK)

sich mit Beschäftigungshindernissen befassen, zum Beispiel für Menschen,

die andernorts in der EU arbeiten möchten (HU)

„Ich kann nicht im Ausland arbeiten, weil es dafür Beschränkungen gibt. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und der freie Handel sind innerhalb der EU nicht wirklich gegeben. Wenn die Politiker ehrlich wären, dann wäre dies der Fall.“ (HU, männlich, 60)

versuchen, Löhne und Einkommen EU-weit stärker zu vereinheitlichen, damit

mehr Gleichheit zwischen den Ländern besteht (HU)

Einige der Befragten vertraten die Auffassung, dass illegale Einwanderer zur Erhöhung der nationalen Arbeitslosenquoten beitragen, da sie bereit sind, für geringere Löhne zu arbeiten. (MT)

sich wie folgt auf Wirtschaft und Infrastruktur konzentrieren:

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die Gesundheitsversorgung verbessern (RO, UK, ES)

den sozialen Wohnungsbau verbessern (UK, ES)

attraktive Bedingungen für Investoren in ärmeren EU-Ländern schaffen (RO)

die Infrastruktur in ärmeren EU-Ländern ausbauen (RO)

die Landwirtschaft als Quelle von Nahrungsmitteln und Beschäftigung

unterstützen. (RO) Den Armen zuhören

Wie schon in den vorangegangenen Abschnitten dieses Berichts dargelegt, bekräftigten die Befragten erneut, wie wichtig es sei, dass die Entscheidungsträger den Armen zuhören, um zu verstehen, welche Probleme sich auf ihr Leben auswirken und wie diese Probleme besser angegangen werden können. (IE, LV, EL, BE)

„Denkt darüber nach, wie wir leben ... und hört uns zu.“ (IE, weiblich, 66)

„Gebt uns ein Mitspracherecht, wir müssen reden.“ (EL, männlich, 70)

Arme und sozial ausgegrenzte Menschen vor steigenden Lebenshaltungskosten und finanzieller Labilität schützen:

die Rechte, die von Menschen erworben wurden, die viele Jahre ihres Lebens Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und Anspruch auf eine angemessene Rente erworben haben, bewahren und schützen (ES, LV)

die steigenden Kosten der Grundversorgung z. B. mit Strom, Wasser und Gas begrenzen. (ES, EL)

Auf die Einstellung gegenüber armen und sozial ausgegrenzten Menschen achten:

Die Entscheidungsträger sollten arme Menschen als ihresgleichen betrachten, nicht als jemanden, der unter ihnen steht, denn alle Menschen sollten die gleichen Rechte haben. (MT, EL)

Probleme im Zusammenhang mit Armut und sozialer Ausgrenzung diskutieren und von dem lernen, was die verschiedenen Länder tun, um den besten Weg zu finden:

Es gilt, Probleme im Zusammenhang mit Armut und Ruhestand innerhalb der EU zu diskutieren und von anderen Ländern zu lernen, wo es den armen und im Ruhestand befindlichen Menschen offenbar besser geht. (SE)

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„Hört auf andere Kollegen in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Holland, Deutschland, der Schweiz und England, und nehmt Ratschläge von ihnen an.“ (SE, weiblich, 62)

Die Entscheidungsträger sollten natürlich auch untereinander und mit der

Öffentlichkeit in Verbindung stehen und in einer klaren und direkten Sprache über die Probleme im Zusammenhang mit Armut sowie über die Maßnahmen sprechen, die getroffen werden sollen. (IE)

Weniger reden, mehr tun:

Wenngleich es notwendig ist, die Probleme im Zusammenhang mit Armut zu diskutieren, gilt es letztendlich zu handeln, und es herrscht die Meinung vor, dass die Entscheidungsträger nicht genug tun. (PT)

„Sie sollten aktiv sein.“ (PT, weiblich, 63)

Es wurde die Auffassung vertreten, dass es zwar in Anbetracht des

derzeitigen wirtschaftlichen Klimas schwierig sei, viele der Probleme anzugehen, die Anlass zur Besorgnis geben, dass jedoch mehr getan werden könnte. (UK)

Angemessene Prioritäten bei den Ausgaben:

Es sollte Geld für die Belange ausgegeben werden, die die größten Auswirkungen auf das Leben armer und sozial ausgegrenzter Menschen haben, und das Geld sollte nicht für die EU-Bürokratie, wie zum Beispiel das Übersetzen der gesamten Kommunikation, verschwendet werden. (DK)

Gleiche Bedingungen und Unterstützung für alle Mitgliedstaaten:

Alle Mitgliedstaaten sollten bei der Unterstützung und bei der Gewährung von Subventionen durch die EU, z. B. im Bereich der Landwirtschaft, gleich behandelt werden. (LV)

„Die Gleichbehandlung aller EU-Mitgliedstaaten fordern, sodass nicht für die neuen Mitgliedstaaten die eine und für die alten Mitgliedstaaten eine andere Bedingung gilt ...“ (LV, männlich, 60)

5.5 Was die Entscheidungsträger tun sollten Auf die Frage, was die Entscheidungsträger ihres Erachtens tun sollten, wenn sie wüssten, dass es auch wirklich getan wird, nannten die Befragten erneut die Punkte, die sie in dem Abschnitt über die Frage aufgeworfen hatten, was die EU gegen Armut und soziale Ausgrenzung unternehmen sollte, wie zum Beispiel: Anhebung der Renten, Verbesserung der Wirksamkeit und Erschwinglichkeit des Gesundheitssystems, Schaffung von Arbeitsplätzen, Verbesserung der Lebensbedingungen und des Wohnumfelds der Menschen, Konsultation armer und ausgegrenzter Menschen zu deren Lebensrealität, wenn Maßnahmen entwickelt werden.

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Bei den einschlägigen Antworten auf diese Frage zeichnen sich zwei zusätzliche Aspekte ab. Dabei handelt es sich erstens um die Tatsache, dass besonderer Wert auf die dringendsten und unmittelbarsten Bedürfnisse im eigenen Leben gelegt wird, d. h. auf Aspekte, die die Befragten am meisten bedrücken und die angegangen werden müssen. Dazu zählen:

sofortige Reparaturen an ihren Wohnunterkünften, (PT)

„Ich fordere nur, dass das Haus, in dem ich lebe, repariert wird; es ist in sehr schlechtem Zustand.“ (PT, weiblich, 73)

Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft im Alter bzw. die

beruhigende Aussicht auf eine solche Unterkunft, (PT)

„Ich könnte meine ganze Rente für eine menschenwürdige Unterkunft ausgeben, denn ein Altenheim kann ich mir nicht leisten, das ist sehr teuer, etwa 1500 EUR, und meine Rente beträgt 245 EUR.“ (PT, weiblich, 72)

bessere Informationen über die Rechte und Pflichten der Rentner, z. B. über

Zuschüsse für die Gesundheitsversorgung, die sie beantragen können, da die Menschen nicht in jedem Fall darüber Bescheid wissen. (SE)

Der zweite Aspekt, der sich bei der Beantwortung der Frage nach der wichtigsten Botschaft an die Entscheidungsträger abzeichnete, ist die Tatsache, dass besonderer Wert auf die Verbesserung von Aspekten gelegt wurde, die nicht nur die physischen Lebensbedingungen der Menschen verändern, sondern ihrem Leben auch einen Sinn und ein Ziel geben würden. Nachstehend einige Beispiele dafür:

Obwohl sie sich schon im Ruhestand befinden, würden die Befragten gern junge Menschen in ihren Berufen, wie zum Beispiel im Restaurieren von Möbeln oder in Klempnerarbeiten unterrichten. Auf diese Weise hätten sie eine Beschäftigung, und ihr Selbstwertgefühl würde Auftrieb erhalten. Zugleich würden junge Menschen nützliche Tätigkeiten erlernen. (PT)

„Wir fühlen uns noch aktiv, und untätig zu sein, nichts zu tun zu haben, ist nicht gesund.“ (PT, weiblich, 63)

Die Teilhabe am kulturellen Leben - wie zum Beispiel Theater- und

Konzertbesuche usw. - sollte finanziell unterstützt werden. (SE, LV)

„Es sollten alle Hindernisse beseitigt werden, die ältere Menschen vom kulturellen Leben fernhalten. Wenn die EU die Kultur genauso subventionieren könnte, wie sie landwirtschaftliche Betriebe subventioniert, dann wären alle Theater, Opernhäuser usw. nach wie vor voll.“ (SE, männlich, 63)

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6 SPEZIFISCHE THEMEN Die Befragten wurden aufgefordert, sich zu einer Reihe spezifischer Themen zu äußern, von ihren Ansichten über den Zugang zum Internet und dessen Auswirkungen auf ihr Leben bis zu den Lebensbedingungen in ihren Wohnquartieren und Gemeinden sowie Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitssuche. Diese drei Themen sind im Kontext der Agora von besonderer Bedeutung, und die Befragten wurden um Auskunft zu diesen Themen gebeten, um festzustellen, welche Auswirkungen sie auf ihr Leben haben, und um zu untersuchen, was die Entscheidungsträger in diesen Angelegenheiten unternehmen sollten. In diesem abschließenden Kapitel wird jedes der betreffenden Themen der Reihe nach behandelt.

6.1 Wichtigste Erkenntnisse

Etwa ein Drittel der Befragten hatte Zugang zum Internet über einen eigenen Computer, den Computer eines Familienmitglieds (z. B. eines Kindes) bzw. über eine Bibliothek oder eine örtliche Ausbildungseinrichtung. Diejenigen, die keinen Zugang zum Internet hatten, nannten die Kosten und die Beherrschung der neuen Technologie als Haupthindernisse. Die Befragten ohne Internetzugang vertraten unterschiedliche Auffassungen darüber, ob sie gern Zugang zu dieser Technologie hätten. Am häufigsten wurde geltend gemacht, dass der nicht vorhandene oder nur begrenzte Zugang zum Internet zu Vereinsamung, Isolation, Depression, Stress und Ängsten sowie zu dem Gefühl der Entfernung von der Gesellschaft beitrage, während die Möglichkeit des Zugangs diesen Gefühlen entgegenwirken könne. Die Befragten würden es begrüßen, wenn die Entscheidungsträger der EU einen kostenlosen oder stark subventionierten Internetzugang und Computerkurse bereitstellen würden.

Die Mehrheit der Befragten äußerte sich besorgt über ihre schlechten Lebensbedingungen und/oder ihr Wohnquartier. Es wurden Bedenken über verschiedene Aspekte geäußert, vor allem über antisoziales Verhalten und Sicherheit, die mangelnde Wartung und Instandhaltung der Häuser, in denen die Befragten leben, und die Sauberkeit der Straßen. So überrascht es nicht, dass die Befragten ein Eingreifen der EU-Politiker in folgenden spezifischen Angelegenheiten begrüßen würden: Erhöhung der Renten, Senkung der von Rentnern zu zahlenden Steuern und Subventionierung der Gas-, Wasser- und Stromkosten sowie der Mieten, da sie dann Geld hätten für wichtige Wartungsarbeiten an den Häusern, in denen sie leben.

Die Befragten nannten eine Reihe von Problemen, die sich auf ihre

Chancen am Arbeitsmarkt auswirken. Dabei standen Altersgrenzen und Altersdiskriminierung sowie generell die steigenden Arbeitslosenquoten an oberster Stelle. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, sollten die EU-Politiker nach Ansicht der Befragten Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung einführen; außerdem sollten sich die Arbeitsvermittlungsstellen stärker dafür einsetzen, geeignete Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer zu finden.

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6.2 Internetzugang Etwa ein Drittel der Befragten hatte Zugang zum Internet über einen eigenen Computer, den Computer eines Familienmitglieds oder über eine Bibliothek oder eine örtliche Ausbildungseinrichtung. Es steht nicht genau fest, wie viele von ihnen in der Lage sind, selbst im Internet zu surfen, da einige erwähnten, dass Familienmitglieder manchmal Informationen für sie suchen. Klar ist jedoch, dass es unter den Befragten Personen gibt, die in der Lage sind, selbst auf das Internet zuzugreifen, und diese haben es zu folgenden Zwecken genutzt:

als allgemeine Informationsquelle, z. B. zum Lesen von Zeitungsartikeln, ohne Geld für die Zeitungen ausgeben zu müssen, um Abfahrtszeiten von Zügen abzurufen, für das Online-Banking, das ihnen beim Bezahlen von Rechnungen Zeit und den Gang zum Postamt erspart, sowie um Verbindung zu Selbsthilfegruppen aufzunehmen; (SK, DE, CZ, IT, PL)

um Stellenanzeigen zu durchsuchen; (HU, ES, PL)

zu Freizeit- und Unterhaltungszwecken; (RO, HU)

„Ich nutze das Internet, wissen Sie, denn ich habe ja einige Freunde, und ich suche nach Phantasy-Problemen, UFOs, Artikeln über geschichtliche Themen, paranormalen Phänomenen ...“ (RO, weiblich, 77) „Ich gehe ins Kulturzentrum und nutze das Internet absolut kostenlos. Und ich nutze es auch bei meiner Tochter. Ich browse. Es ist ein Fenster zur Welt, und ich kann alles verfolgen, was mich interessiert, und ich finde es sehr unterhaltsam.“ (HU, weiblich, 63)

für den Online-Kauf von Waren und Medikamenten; (DE)

für den Kontakt zu Freunden, Familienangehörigen oder anderen Personen;

(CZ)

„Es ist ein wichtiger Kommunikationskanal zwischen dem Einzelnen und der Welt. Es ist nützlich für Kommunikationszwecke, fürs Einkaufen und um Verbindung zu verschiedenen Ämtern aufzunehmen.“ (CZ, männlich, 60)

Diejenigen mit Zugang zum Internet hatten Spaß daran und empfanden es als befreiend und aufbauend. Einige fanden es leichter als andere, damit zurechtzukommen, aber in den meisten Fällen fiel es den Betreffenden bei weitem nicht so schwer wie befürchtet, die grundlegenden Handhabungen zu erlernen, die sie beherrschen wollten. (IE)

„Als mein Mann starb, musste ich mehr Verantwortung übernehmen [und den Umgang mit dem Computer erlernen]. Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal an der Maschine [dem Computer] stand. Mir zitterten buchstäblich die Knie, [ich hatte Angst] etwas falsch zu machen.“ (IE, weiblich, 66)

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Diejenigen, die keinen Zugang zum Internet haben, nannten die Kosten (PT, IE, DK, CZ, ES, EL, IT, PL, LV, BE) und die Beherrschung der neuen Technologie (PT, UK, DK, ES, LV), die sie aufgrund ihres Alters als schwierig ansahen (UK, IE, DE, DK, ES, IT), als die zwei Haupthindernisse.

„Wenn meine Rente etwas höher wäre, hätte ich gern [Zugang zum Internet] ... Ich habe nur einen Fernseher mit vier Kanälen und ein Telefon, das ich brauche, um notfalls einen Krankenwagen zu rufen.“ (PT, weiblich, 66)

„Man muss es kaufen ... dafür zahlen ... nichts ist umsonst.“ (LV, weiblich, 67) „Ich möchte es nicht nutzen, warum sollte ich mein Leben schwieriger machen?“ (EL, weiblich, 63)

Allerdings wurde bei den Diskussionen in den Fokusgruppen deutlich, dass es in diesem Zusammenhang eine Reihe weiterer Hindernisse gibt. Dabei handelt es sich auch um die üblicherweise mit Armut verbundenen Herausforderungen:

Analphabetismus oder mangelndes Bildungsniveau (DK, EL)

mangelndes Bewusstsein für die Möglichkeiten (DK)

Emotionale Schranken wie Scham und die Angst, etwas Neues zu lernen (DK)

„Ich habe kein Internet und kann es mir auch nicht leisten. Ja, ich weiß, einige Bibliotheken haben Computer und Internetzugang, aber ich weiß nicht, was man machen muss, ich habe nie gelernt, einen Computer zu benutzen, und ich werde keinen von diesen Internetkursen besuchen, von denen Sie gesprochen haben, denn ich möchte nicht da hingehen und deren Zeit verschwenden und mich dumm fühlen, weil ich nichts verstehe.“ (DK, männlich, 67)

Zur Überwindung dieser Hindernisse schlugen die Befragten unter anderem Folgendes vor:

Schulungen, in denen älteren Menschen die Nutzung des Internets vermittelt wird (PT); während der Schulungen sollten sie auch viel Zuspruch erhalten, weil es für sie eine erhebliche Herausforderung darstellen wird, die Nutzung des Internets zu erlernen. (UK, SE)

Wo es bereits Hilfe für ältere Menschen beim Zugang zum Internet und beim

Erlernen der Internetnutzung gibt, sollten diese vielleicht stärker für die damit verbundenen Möglichkeiten sensibilisiert werden, die sie eventuell gar nicht kennen. (SE)

Die Befragten ohne Internetzugang hatten unterschiedliche Auffassungen darüber, ob sie gern Zugang zu dieser Technologie hätten.

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Es wurde Interesse für den Zugang zum Internet und für das Erlernen der Internetnutzung gezeigt. (PT, UK, DE, DK, EL, BE)

Einige der Befragten schienen gar kein Interesse für den Zugang zum Internet und für das Erlernen der Internetnutzung oder - wenn sie derzeit durch Familienangehörige Zugang haben - für dessen Ausweitung an den Tag zu legen (PT, DE, DK). Das lag unter anderem daran, dass die betreffenden Personen Analphabeten sind (PT, DK) oder dass sie keinen Nutzen darin sehen, weil sie den Großteil ihres Lebens ohne Internet ausgekommen sind (SE, EL) und es daher für sie keinen hohen Stellenwert hat (ES, EL).

„Ich verstehe nichts davon, und es ist nichts für mich, ich kann nicht lesen und schreiben.“ (PT, weiblich, 73)

„Ich vermisse es nicht; ich gehe lieber in die Natur.“ (SK, männlich, 66) „Ich habe keinen Computer, aber manchmal besuche ich meinen Sohn und lasse mir von ihm helfen, wenn ich ins Internet gehen muss. Aber normalerweise vermeide ich es; ich erledige meine Angelegenheiten lieber per Telefon oder Post.“ (DK, weiblich, 79) „Ich habe keine angemessene Unterkunft ... das Internet ist mir gleichgültig.“ (EL, weiblich, 62)

Einige der Befragten hätten gern mehr Zugang zu modernen

Kommunikationstechnologien, ziehen aber den verbesserten Zugang zu Mobiltelefonen dem Internet vor. (MT)

Die Befragten äußerten auch allgemeinere Ansichten über das Internet. Sie waren der Meinung, dass das Internet generell nützlich ist. Allerdings werde es von einigen Leuten missbraucht, und es sei möglicherweise nicht gut für Kinder, da es nach ihrem Dafürhalten das wirkliche Leben durch ein virtuelles Leben ersetze (RO). Darüber hinaus verursache es bei Kindern Rücken- und Augenprobleme (RO). Es herrscht die Meinung vor, dass das Internet eher für jüngere Generationen geeignet und angemessen sei als für Menschen, die der Altersgruppe der Befragten angehören (SK). Außerdem wurde skeptisch angemerkt, dass es sich dabei eher um einen Zeitvertreib als um einen notwendigen Bestandteil des täglichen Lebens handele, und dass dadurch Zeit für andere Tätigkeiten verloren gehen könne (DE, LV). „Man kann weniger spazieren gehen, es wird weniger Zeit an frischer Luft

verbracht.“ (LV, weiblich, 74) 6.2.1 Welche Auswirkungen es hat, (keinen) Zugang zum Internet

zu haben Die Befragten äußerten sich darüber, wie sich die Tatsache, dass sie Zugang bzw. keinen Zugang zum Internet haben, auf ihr Leben auswirkt.

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Die am häufigsten genannte Auswirkung scheint darin zu bestehen, dass die

fehlende oder nur begrenzte Möglichkeit, auf das Internet zuzugreifen, zu Vereinsamung, Isolation, Depression, Stress und Ängsten sowie zu dem Gefühl der Entfernung von der Gesellschaft beiträgt, während die Möglichkeit des Zugangs diesen Gefühlen entgegenwirken kann. (PT, RO, UK, DK, IE, BE)

„Es ärgert mich, denn … wenn du dich damit nicht auskennst, verlierst du den Anschluss, weil sich die Welt weiterentwickelt und du Rückschritte machst.“ (UK, männlich, 62) „Es würde Depressionen, Stress und Einsamkeit abmildern; wir fühlen uns einsam, wenn wir nichts zu tun haben, uns aber noch aktiv fühlen ... einige dieser psychischen Probleme rühren von der Untätigkeit her.“ (PT, weiblich, 63)

„Es würde für mehr geistige Aufgeschlossenheit sorgen. Man hätte das Gefühl, zu den jungen Menschen zu gehören, man wäre selbst wie ein junger Mensch.“ (IE, weiblich, 66) „Sie profitieren vom Internet, man findet dort mehr Nachrichten und sonstige Informationen, die uns anderen nicht zur Verfügung stehen.“ (RO, männlich, 61)

Es wurde die Auffassung vertreten, dass mehr Zugang zu Computern auch

die Qualifikationen der Menschen verbessern würde, insbesondere derjenigen, die Arbeit suchen, denn es sei eine anerkannte Tatsache, dass IKT-Qualifikationen auf dem heutigen Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle spielen. (UK)

„Die Regierung sollte die Leute, auch diejenigen, die sich bereits im Ruhestand befinden, ermutigen ...wenn sie dieses Unterrichtszentrum, ein Computerzentrum, haben, dann können sie auch helfen, die Leute zu schulen.“ (UK, weiblich, 66)

Diejenigen, die Zugang zum Internet haben, verfügen auch über Zugang zu

mehr Nachrichten und Informationen (wie Stellenangebote) als diejenigen, die nicht auf das Internet zugreifen können (RO, DE, HU, IT). Und diejenigen, die keinen Zugang haben, ihn aber gern hätten, würden ihn nutzen, um sich Radioprogramme anzuhören, über Skype mit Freunden zu kommunizieren, nach Beschäftigungsmöglichkeiten zu suchen und Zeitungen zu lesen (LV).

„Sie [diejenigen, die Zugang haben] profitieren vom Internet, man findet dort mehr Nachrichten und sonstige Informationen, die uns anderen nicht zur Verfügung stehen.“ (RO, männlich, 61)

Einige der Befragten ärgern sich jedoch darüber, dass diejenigen, die Zugang zum Internet haben, leichter an Nachrichten herankommen. Sie machen geltend, dass viele Nachrichtensendungen und Zeitungen zunehmend auf Nachrichtenüberschriften verweisen und dazu auffordern, den Rest im

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Internet zu lesen. Es besteht die Auffassung, dass diejenigen, die keinen Zugang zum Internet haben, dadurch diskriminiert und isoliert werden. (DK, RO)

„Ich hasse es, wenn immerzu auf das Internet verwiesen wird! Was kann ich dann tun? Uninformiert und dumm bleiben? Heutzutage wird alles in Form von Kurznachrichten veröffentlicht, und den Rest kann man auf der jeweiligen Website lesen.“ (DK, weiblich, 72)

Darüber hinaus waren einige der Befragten recht wütend und verärgert darüber, dass Dienstleistungen zunehmend internetbasiert sind, was ihnen das Leben erschwere und zu Ausgrenzung führe. (DK, IE)

„Einer meiner Freundinnen, die kaum laufen kann, gelingt es nicht, ihre Gewerkschaft dazu zu bewegen, ihr die Rentenbenachrichtigung in Form eines normalen Briefs zu übersenden, da man dort auf Übermittlung per E-Mail besteht. Aber sie hat weder einen Computer noch Internet, daher ist sie gezwungen, mit dem Bus hinzufahren und die Benachrichtigung selbst abzuholen, damit sie ihr Geld bekommt ...“ (DK, weiblich, 81) „Alles ist online billiger, sogar Parken, die M50-Maut, einfach alles. Das kommt denen entgegen, die Zugang zum Internet haben ..., aber uns nützt es nichts.“ (IE, männlich, 63)

Ein Vorschlag lautete, dass die Entscheidungsträger vor allem den raschen Vormarsch der über Internet abrufbaren Dienstleistungen in allen Bereichen stoppen oder sicherstellen sollten, dass denjenigen, die keinen Zugang zum Internet haben, eine alternative Möglichkeit zur Verfügung steht. (IE) Einige der Befragten waren auch besorgt darüber, dass ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten entgehen, weil sie nur im Internet veröffentlicht werden. Sie vermissen das Internet nicht, aber würden die Stellenanzeigen lieber in den Tageszeitungen sehen. (HU)

6.2.2 Was die Entscheidungsträger in Sachen Internetzugang tun sollten

Die Befragten unterbreiteten folgende Vorschläge für Maßnahmen der Entscheidungsträger:

Erhöhung der Renten, damit sich ältere Menschen einen Computer und Internetzugang von zu Hause aus leisten können, oder die Subventionierung kostengünstiger Computer und einen kostenlosen oder subventionierten Internetzugang (PT, IE, ES, EL, IT, LV, BE) bzw. die Einrichtung von Zentren, in denen ältere Menschen kostenlos aufs Internet zugreifen können (PT, DK, CZ, EL);

„Die Rente sollte so bemessen sein, dass ich mir einen Computer mit Internetanschluss leisten kann.“ (PT, weiblich, 66)

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„Es sollten Zentren für Leute wie uns geschaffen werden, die gern lernen würden, damit wir Zugang zum Internet haben.“ (PT, weiblich, 63) „Ich würde der EU gern eine Botschaft übermitteln ... sie sollten den kostenlosen Internetzugang für jedermann einführen!“ (CZ, männlich, 65)

Es herrschte die Meinung vor, dass Bedarf an Zugang zum Internet im unmittelbaren lokalen Umfeld besteht, da einige Menschen, insbesondere Senioren und Menschen mit Behinderungen, es schwierig finden, lange Wege zurückzulegen, um online zu gehen. (UK, IT)

„Es ist mir zu viel, in die Bibliothek zu gehen und all dies ..., daher sollte es ein System geben, das es erübrigt, die Wohnung zu verlassen und sich irgendwo hinzusetzen, sie könnten es bei den Menschen zu Hause einrichten.“ (UK, weiblich, 68) „Sie könnten Schulungen in der Pfarrkirche durchführen.“ (IT, weiblich, 63)

kostenlose oder stark subventionierte Schulungen (DE, IE, UK, DK, SE, CZ,

EL, IT, BE); diese sollten auf bestimmte Altersgruppen ausgerichtet sein, z. B. auf die über 60-Jährigen; man war nicht angetan von dem Gedanken, gemeinsam mit jüngeren Menschen neue Kompetenzen zu erwerben, da diese vermeintlich ein schnelleres Lerntempo bevorzugen würden. (UK, SE)

„Ich würde mich gern besser auskennen. Ich sehe junge Menschen im Netz, und sie können alles bestellen, sich in alles hineinfinden. Während ich Angst hätte, etwas Falsches zugeschickt zu bekommen oder so.“ (IE, weiblich, 66)

„Sie sollten Leute einstellen, die uns kostenlos unterrichten. Ich hätte gern einen Ort, wo ich hingehen und lernen kann, wie man es nutzt.“ (EL, weiblich, 66)

Entsprechende Initiativen müssen auch dem Zielpublikum zur Kenntnis gebracht werden. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem vorgeschlagen, die Maßnahmen im Sozialamt, in Postämtern und Kirchen anzukündigen oder den Menschen Informationsschreiben zu übersenden. (IE)

Einige der Befragten unterbreiteten keine besonderen Vorschläge für

Maßnahmen, die die Entscheidungsträger im Zusammenhang mit dem Zugang zum Internet treffen sollten (RO); andere waren nicht der Auffassung, dass sie einen grundlegenden Anspruch auf einen Computer oder Internetzugang haben, und fordern daher keine Maßnahmen von Seiten der Politik (DE, FR). Befragte, die arbeitslos und im Ruhestand waren, vertraten nicht die Auffassung, dass die EU in dieser Hinsicht überhaupt etwas

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unternehmen sollte, da dies bei der Armutsbekämpfung keine Priorität habe (EL).

„Wir reden von Armut, nun mal ernsthaft, es ist nicht hinnehmbar, über das Internet zu sprechen, wenn die Menschen nicht genug zu essen haben.“ (EL, männlich, 64)

6.3 Lebensbedingungen und Wohnquartier In diesem Abschnitt werden die konkreten Sorgen der Befragten in Bezug auf ihre Lebensbedingungen und ihr Wohnquartier, die Auswirkungen der betreffenden Probleme auf ihr Leben sowie die Frage erörtert, was die Entscheidungsträger nach ihrem Dafürhalten dagegen unternehmen sollten.

6.3.1 Die konkreten Probleme der Befragten Nicht alle Befragten hatten Sorgen in Bezug auf ihre Lebensbedingungen und ihr Wohnquartier (PT, SK, DE, IE, IT). Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass einige der Befragten in demselben Wohnquartier leben, in dem sie bereits vor ihrem Eintritt in den Ruhestand lebten bzw. in dem sie schon lange leben, sodass sie sich in ihrer Umgebung wohlfühlen (SK, DE). Darüber hinaus sind die Mieten bei älteren Mietverträgen vergleichsweise niedrig (DE). Offenbar ist es einigen der Befragten sehr wichtig, in gewohnter Umgebung zu leben, und sie würden dies nicht aufgeben wollen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist (DE). Darüber hinaus trägt es zur psychischen Gesundheit der Menschen bei, in einer angenehmen Umgebung und unter guten Bedingungen zu leben, was insbesondere für arme und sozial ausgegrenzte ältere Menschen von Bedeutung ist (PT).

„Ich wohne hier seit 58 Jahren. Wenn du in dieser Gegend aufgewachsen bist, dann kennst du alle Leute.“ (DE, männlich, 64) „Ich glaube, das hat Vorrang, die Bevölkerung gesund zu halten; wenn jemand zufrieden ist, dann ist die psychische Gesundheit schon halbwegs gewährleistet, vor allem bei älteren Menschen, die keiner Beschäftigung mehr nachgehen.“ (PT, weiblich, 63)

Allerdings äußerte sich die Mehrheit der Befragten besorgt über ihre schlechten Lebensbedingungen und/oder ihr Wohnquartier (RO, DK, PT, IE, HU, UK, BE). Es wurden Bedenken in Bezug auf folgende Aspekte geäußert:

Antisoziales Verhalten und Sicherheit. Dies schließt Aspekte wie streunende Hunde, Verschmutzung durch Hundekot, schlechte Integration zwischen lokalen Gemeinschaften und Einwanderern, Vandalismus, Obdachlose und Drogenabhängige ein. (RO, UK, DK, IE, CZ, IT, PL, BE)

„Wissen Sie was das Schlimmste ist ... man kann ein Kind nicht draußen, in der Nähe des Wohnblocks, auf der Straße spielen lassen, weil man befürchten muss, dass es überfallen wird. Man muss seinen

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15-jährigen Enkel von der Schule abholen ... Das ist doch unmöglich; ich bin darüber sehr verärgert.“ (RO, weiblich, 77) „Bei mir in der Gegend gibt es Junkies...“ (CZ, weiblich, 60) „Ich bin überfallen worden, ich bin schon geschlagen worden. Ich habe Angst.“ (BE, weiblich, 68)

Generell herrscht die Meinung vor, dass Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, sich in Gebieten mit kostengünstigem Wohnraum konzentrieren, wo auch die Befragten ansässig sind. (DK)

„Wir merken, dass immer mehr sozial ausgegrenzte Menschen in unserem Wohnquartier untergebracht werden. Dabei handelt es sich um Menschen, die keine Arbeit finden, und es sind hauptsächlich Menschen mit einem anderen ethnischen Hintergrund [als dem dänischen].“ (DK, weiblich, 71)

Mangelnde Wartung und Instandhaltung der Häuser, in denen die Befragten

leben, z. B. verschmutzte Treppenhäuser und Gemeinschaftsbereiche. (PT, DK, HU, LV)

„Das Haus, in dem ich lebe, hat Risse, und manchmal bröckelt es.“ (PT, weiblich, 73) „Die Eigentümer sollen endlich die Treppenhäuser und Dachböden reparieren.“ (LV, weiblich, 74)

Mangelnde Abfallbeseitigung, Müll auf den Straßen, nicht genug Abfalleimer

(PT, UK, ES, EL) und Sorgen darüber, welche Auswirkungen die angekündigten Maßnahmen zur Bestrafung derjenigen, die ihren Müll nicht richtig trennen, auf arme Menschen haben wird (UK).

„Es liegt Müll auf den Straßen, und man sieht sehr selten, dass ihn ein Müllauto wegräumt.“ (PT, weiblich, 66)

Der schlechte Zustand der Straßen (RO), der öffentlichen Verkehrsmittel

(HU), und der Verkehrslärm bei Wohnanlagen in der Nähe von Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen. (DK)

„Die Jugendlichen kommen aus der Schule und zerschlagen und zertrümmern Sachen. Aus Straßenbahn- und Buswartehäusern werden die Glasscheiben herausgetreten, die Bänke werden zerbrochen, das ganze Haus wird zugesprayt... Man hört es ja im Fernsehen und im Radio, und man kann es in der Zeitung lesen, wie viel es kostet, die Schäden zu beseitigen. Sie bessern sich nicht, sie sind noch genauso drauf wie vorher, sie tun es wieder.“ (HU, männlich, 65)

Das Fehlen von Infrastruktur oder Einrichtungen im Wohnquartier (PT, IE,

ES). Das schließt das Fehlen von Sportanlagen, von Pflegeheimen, von

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Fußballplätzen für Jugendliche und von Einrichtungen ein, wo sich ältere Menschen treffen und an gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen können (PT, IE).

Die Zentralisierung der Heizung und der Warmwasserversorgung der

Wohnanlagen, in denen einige der Befragten wohnen. Die Bewohner zahlen die Kosten anteilig, aber wenn einige nicht zahlen, dann stellt das Versorgungsunternehmen die Lieferung ein. (HU)

Die Größe der Wohnungen, z. B. im Fall von Personen, die in ein und demselben Raum leben und einer Teilzeitarbeit nachgehen. (PT)

„Ich verdiene nicht viel Geld mit meiner Arbeit, aber in einer Einraumwohnung zu leben, in der die Werkbank zugleich als Esstisch dient ... was kann ich tun?“ (PT, männlich, 67)

Der Mangel an Grün (EL)

„In meinem Wohnquartier gibt es keine Bäume; ich bin vom Grau der Häuser umgeben.“ (EL, männlich, 70)

Die hohen Mietkosten. (BE)

6.3.2 Was die Entscheidungsträger in puncto Lebensbedingungen tun sollten

Es herrscht die Meinung vor, dass sich die Entscheidungsträger der Lebensbedingungen in den Wohnquartieren, in denen die Befragten leben, nicht bewusst sind bzw. dass sie diese nicht vollständig verstehen. (IE, LV)

„Sie wissen nichts, und sie wollen es auch nicht wissen.“ (IE, weiblich, 63) Ferner besteht die Ansicht, dass die Entscheidungsträger vollkommen auf Distanz zu diesen Herausforderungen stehen und sich demzufolge der Probleme, denen sich die Befragten tagtäglich gegenübersehen, nicht bewusst sind (DK). Nach Ansicht der Befragten aus der Tschechischen Republik fällt die Befassung mit Fragen der Lebensbedingungen und Wohnquartiere ausschließlich in die Zuständigkeit lokaler Politiker und ist nicht Aufgabe von Entscheidungsträgern auf irgendeiner anderen Ebene, wenngleich sie das positive Beispiel eines lokalen Parks anführten, für dessen Einrichtung die EU Mittel bereitstellte. Die Befragten vertraten die Auffassung, dass die Entscheidungsträger Bevölkerungsgruppen, die in armen Wohnquartieren leben, nur dann anhören, wenn sie Wahlkampf betreiben. Insofern seien sie sich der Bedingungen in den betreffenden Gebieten bewusst, aber nach den Wahlen ändere sich nichts. (PT, FR)

„Wenn sie im Vorfeld der Wahlen alle die Orte besuchen, an denen Armut herrscht, dann fragen wir dies und jenes, und sie sagen, dass sie prüfen werden, was sie tun können, aber es kommt nichts dabei heraus.“ (PT, weiblich, 66)

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Es herrscht die Meinung vor, dass es den Entscheidungsträgern im Umgang mit diesen Fragen an Einfühlungsvermögen mangele (RO, UK, ES, EL) oder dass sie am ehesten an „schnellen Erfolgen“ interessiert seien, zum Beispiel wenn es darum geht zu verhindern, dass Kinder an Plätzen spielen, in denen sie nicht spielen sollten (UK).

„Meines Erachtens befassen sie sich [der Gemeinderat] nur mit den einfachen Dingen, Jugendlichen, Vierzehn-, Fünfzehnjährigen; wenn es aber um die Lärmbelastung und wirklich schwierige Fragen geht, dann werden sie nicht damit fertig, sie haben keine blasse Ahnung.“ (UK, weiblich, 69)

Und selbst wenn die Entscheidungsträger Versuche unternehmen, um die betreffenden Fragen anzugehen, so bleiben diese letztendlich doch die Probleme der Befragten. (HU, LV) Die Befragten schlugen folgende Maßnahmen vor, die die Entscheidungsträger treffen könnten, um ihre Lebensbedingungen und ihr Umfeld zu verbessern:

Erhöhung der Renten, Absenkung der von den Rentnern zu zahlenden Steuern und Subventionierung der Kosten für Strom, Wasser, Gas und Mieten, da sie dann Geld, für wichtige Instandhaltungsmaßnahmen an ihren Wohnhäusern hätten und sich eine menschenwürdige Unterkunft zu einem angemessenen Preis leisten könnten. (RO, SE, MT, HU, ES, EL, PL, BE)

„Sie (die Wohnungsbehörde) wollen, dass du in ein leeres Haus einziehst, dessen Fassade noch nicht einmal verputzt oder gestrichen ist … die hintere Wand ist reparaturbedürftig ... und ein Handwerker, der vorbeikommen und die Reparaturen ausführen sollte, verlangte was weiß ich wie viele Tausend Euro für das Verputzen der hinteren Wand, und sie sagte mir, dass ich die Wohnung beziehen müsse, wie sie ist. Es gibt weder Küche noch Bad, ich habe nichts ...“ (MT, weiblich, 64)

Bessere Gehälter für Polizisten (RO) und eine sichtbarere Polizeipräsenz, die

vor antisozialem Verhalten abschrecken würde; (UK, BE)

Mehr Geld in Gemeinschaftsräume in den Wohnquartieren investieren, die von jedem genutzt werden können. Zur Einrichtung dieser Räume muss mit der Gemeinschaft über deren Bedürfnisse gesprochen werden; anschließend sollten die Mittel für den Bau dieser Einrichtung(en) bereitgestellt werden, die zugänglich sein sollte(n), d. h. ein Bridgeraum, in dem ältere Menschen Karten spielen können, sollte nicht in der oberen Etage eines Wohnblocks eingerichtet werden; ferner gilt es sicherzustellen, dass die Einrichtung sauber gehalten wird und genutzt werden kann, wann immer dies gewünscht wird (IE). Es ist wichtig, die Menschen zu ihren Bedürfnissen anzuhören, bevor man Einrichtungen schafft oder ausbaut (MT).

„Eine Gemeindehalle, die jeden Abend geöffnet ist, und in der es jemanden gibt, der nach dem Rechten schaut. Die älteren Menschen sollten dort eine Tasse Tee oder so etwas erhalten. Oder auch

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diejenigen, die nicht so alt sind, sie sollen dort die Möglichkeit haben, ihre CDs oder was auch immer abzuspielen, Hauptsache, sie sind weg von der Straße.“ (IE, weiblich, 63)

Maßnahmen ergreifen;

Es besteht die Auffassung, dass die Entscheidungsträger nicht genug tun und dass sie daher die Probleme ermitteln, analysieren und lösen sollten. In diesem Zusammenhang spielen die lokalen Entscheidungsträger eine wichtige Rolle, da sie Verbindung zu den Lebensbedingungen der Menschen haben. (PT)

„Den lokalen Entscheidungsträgern kommt eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, die Probleme zu ermitteln und an andere Politiker weiterzuleiten ... zumindest haben sie bessere Voraussetzungen, sich der Probleme stärker bewusst zu sein.“ (PT, weiblich, 63)

Die Gesundheitsdienste in dem Gebiet verbessern; (RO)

Druck auf die Bauunternehmen ausüben, ausgesondertes Baumaterial, das

wiederverwendbar ist, zugunsten anderer, schlechter gestellter Familien zu recyceln; (MT)

„Von dem was ich in den Mülltonnen sehe, könnte man ein Haus bauen … beim Abriss von Häusern wird alles weggeworfen … da ist all das Glas, Fenster und Türen und Dinge, die weggeworfen werden, Stahlträger und Holzträger ... man könnte das recyceln, um Häuser zu bauen, in denen Menschen eine Unterkunft finden.“ (MT, männlich, 64)

Den Wohnbedürfnissen kranker oder behinderter Menschen sowie

derjenigen, die aufgrund ihres hohen Alters Schwierigkeiten haben, für sich selbst zu sorgen, sollte in stärkerem Maße Rechnung getragen werden. (DE, ES)

„Obwohl in meinen Unterlagen ‚schwerbehindert‘ steht und sie wussten wie viel Rente ich bekomme, haben sie mir eine Wohnung im sechsten Stock angeboten, die viel zu teuer ist.“ (DE, weiblich, 64)

Die Befragten möchten nicht aus ihrer Wohnung und ihrer gewohnten

Umgebung vertrieben werden. Für einige Menschen, die verwitwet sind oder ihre Arbeit verloren haben, sind die Vertrautheit und der Schutz ihrer Wohnung die einzige Sicherheit, die ihnen bleibt. (DE)

Das Wohnquartier sollte verschönert werden, indem Bäume gepflanzt, Plätze, Gehwege oder Orte zum Spazierengehen usw. geschaffen werden. (EL)

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Im Hinblick auf die Prioritäten bestand allgemein die Auffassung, dass das besondere Augenmerk der Entscheidungsträger auf die Lebensbedingungen und die Wohnquartiere gerichtet werden sollte, da diese Auswirkungen auf das tägliche Leben derjenigen haben, die arm und sozial ausgegrenzt sind.

6.4 Probleme bei der Arbeitssuche In Anbetracht der Zusammensetzung der Gruppen war die Frage der Arbeitssuche nicht für alle Befragten relevant, da einige bereits in den Ruhestand getreten waren (DK, IE, PT, RO, SE). Allerdings hatten die Befragten hierzu nach wie vor eine Meinung, und einige von ihnen hatten in den Jahren ihres Berufslebens Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit gemacht. Natürlich waren für andere, wie zum Beispiel für diejenigen, die arbeitslos waren, die Erfahrungen mit der Arbeitssuche von größerer Bedeutung. Ebenso wie bei anderen mit Armut und sozialer Ausgrenzung zusammenhängenden Aspekten zählt für im Ruhestand befindliche Menschen nicht nur der materielle oder finanzielle Nutzen, den eine Arbeitsstelle mit sich bringt, sondern auch, dass ihnen damit die Möglichkeit gegeben wird, etwas zu tun und, was noch wichtiger ist, dass ihnen Selbstwertgefühl vermittelt wird. (IE) Lediglich in der ungarischen Gruppe fand eine Diskussion über die Frage statt, ob es Rentnern gestattet werden sollte zu arbeiten. Eine arbeitslose Frau vertrat die Auffassung, dass Arbeitslose bei der Arbeitssuche gegenüber Altersrentnern bevorzugt werden sollten, weil letztere Rente erhalten (HU). Dieses Argument wurde offensichtlich von den Angehörigen der Gruppe akzeptiert, die es für gerecht hielten, wenn diejenigen, die sich in Rente befinden oder im Rentenalter sind, nicht länger arbeiteten und ihren Arbeitsplatz Jüngeren überließen, insbesondere jungen arbeitsuchenden Hochschulabsolventen. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Arbeitslosigkeit von jungen Menschen (der Generation, der die Kinder der Befragten angehören) ihnen noch größere Sorge bereitet als die eigene Arbeitslosigkeit. (HU)

„Meine Tochter hat vor drei Monaten die Arbeit verloren, und sie hat versucht, mit Medikamenten Selbstmord zu begehen. Sie hat mir gesagt, dass sie die Situation nervlich nicht aushalte und dass der Versuch durchzuhalten vergeblich sei. Sie ist nicht gestorben. Sie hat es überlebt, aber seitdem ist sie zu Hause und hat nicht wieder gearbeitet.“ (HU, männlich, 60) „Ich würde Leute, die hohe Renten, d. h. mehr als 100 000 HUF bekommen, nicht arbeiten lassen. Sie sollten ihren Schreibtisch für die Jungen räumen.“ (HU, weiblich, 64)

Andere Befragte waren jedoch der Meinung, dass es möglich wäre, kleine Teilzeitarbeitsstellen für ältere Menschen zu schaffen, und dass es für einige von ihnen finanziell vorteilhaft wäre. Rentner, die Leistungen erhalten, um ihre Grundbedürfnisse zu decken, sind ärgerlich, wenn zwei Drittel ihres Hinzuverdienstes in Form von Steuern abgezogen werden oder wenn sie durch das zusätzliche Einkommen ihren Anspruch auf Sozialleistungen verlieren. Auf diese Weise werde ihnen die Motivation zu arbeiten genommen. (DE, MT)

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6.4.1 Die konkreten Probleme der Befragten Die Befragten konnten eine Reihe von Problemen nennen, die sich auf ihre Chancen am Arbeitsmarkt auswirken. Hierzu gehören:

Altersbeschränkungen/Altersdiskriminierung, sei es beabsichtigt oder unbeabsichtigt (DE, PT, IE, MT, UK, SK, CZ, ES, EL, IT, PL, LV, BE)

Menschen in den Fünfzigern haben Angst, die Arbeit zu verlieren, weil es sehr schwierig ist, einige Jahre vor dem Renteneintrittsalter Arbeit zu finden (SK). Sie sind der Meinung, dass die Gesellschaft sie nicht für beschäftigungswürdig erachtet, und leiden deshalb unter der Altersdiskriminierung (SK).

„Es ist außerordentlich schwierig, wenn ich sage, wie alt ich bin, dann sagen sie nur, dass sie jemand Jüngeren suchen.“ (PT, weiblich, 63)

„Einige Leute nehmen daran teil [am gemeinnützigen Beschäftigungsprogramm], und sie haben keine Chance, eine Arbeit zu bekommen. Sie würden nie eine Arbeit bekommen, vor allem wenn es Leute in unserem Alter sind.“ (IE, männlich, 63)

„Ich habe es fast schon aufgegeben, nach Arbeit zu suchen ... Ich bekomme keine Hilfe, wissen Sie. Ein Problem ist mein Alter, denn ich bin fast 63 Jahre alt, und das macht mehr als die Hälfte des Problems aus, denn es gibt keine Firmen, die jemanden in meinem Alter einstellen. Wohin soll ich mich also um Hilfe wenden?“ (UK, männlich, 62) „Wegen des Alters. Ich habe belgienweit Lebensläufe verschickt, ich war auch bereit, aus Brüssel wegzuziehen, aber ich habe nur eine Antwort erhalten, in der mir mitgeteilt wurde, dass man statt meines Profils zwei 30-Jährige einstellen könne.“ (BE, männlich, 60)

Befragten zufolge war auch im Privatsektor ein Mangel an Interesse wahrzunehmen, Menschen ihres Alters einzustellen. (IE)

„Ich war Maler und Dekorateur, und es gibt dort einfach keine Arbeit [im privaten Sektor]. Ich nehme derzeit an einem kommunalen Programm teil [das Menschen wieder in Arbeit bringen soll] und arbeite 19 ½ Stunden pro Woche, und ich bekomme ein wenig mehr als ich an Stütze [d. h. Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe] bekommen würde.“ (IE, männlich, 63)

Die allgemein steigenden Arbeitslosenquoten (PT, CZ, EL, IT, LV)

„Es ist schon für junge Leute schwer, Arbeit zu finden, also kann man sich vorstellen, wie schwer es für die Älteren ist.“ (PT, weiblich, 63)

Die hohen Kosten der Arbeitssuche (UK, DK, DE, BE)

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Arbeit zu suchen, kostet Geld. So ist der Betrag, den es kostet, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Bewerbungsgesprächen zu fahren und Lebensläufe auszudrucken, zwar relativ gering, aber es wird dann problematisch, wenn die verfügbaren Mittel den Menschen wenig Spielraum lassen, um diese Kosten zu bestreiten. (UK, DK)

„Und es kostet Geld, Arbeit zu finden, das kann ich Ihnen sagen ... Ein paar Pence hier und ein paar Pence da aus meiner Geldbüchse. Die Suche entmutigt mich.“ (UK, männlich, 62)

Die mangelnde Unterstützung vonseiten der Arbeitsvermittlungsstellen

oder Beschäftigungsagenturen und die negative Einstellung dieser Agenturen gegenüber älteren Arbeitssuchenden (DE, UK, IT)

„Ich habe mich bei der Arbeitsvermittlungsstelle als Arbeitssuchender gemeldet ... Ich habe das dann nicht weitergeführt, weil ich die Art und Weise, in der sie die ganze Sache behandelt haben, unerfreulich fand. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es ihnen in erster Linie darum ging, Arbeit für mich zu finden ... sie behandeln dich, als wärst du von einer anderen Welt, nur weil du arbeitslos bist, nur weil du dich dort arbeitslos meldest, denken sie, du seiest schmutzig.“ (UK, männlich, 62)

Gesundheitliche Beschränkungen (DE, DK, CZ)

Menschen, denen es nicht gut genug geht, um einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, die aber dennoch arbeitsfähig sind, wird nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet. Statt in vollem Umfang Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, könnten sie 10 bis 15 Wochenstunden arbeiten. (DK)

Die körperliche Gesundheit ist ausschlaggebend dafür, inwieweit ältere Menschen noch arbeiten können und Arbeit suchen. (DE)

Höhere Kosten für das Unternehmen und geringere Flexibilität (SK, PL)

Es wurde anerkannt, dass Menschen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen, viel Erfahrung haben, und dass es daher ein Unternehmen mehr kostet, sie einzustellen, als junge unerfahrene Absolventen (SK). Darüber hinaus haben sie feste Arbeitsgewohnheiten und eine Routine, die schwerer zu ändern oder abzuwandeln sind als bei jungen Menschen, weshalb es weniger attraktiv ist, sie einzustellen. (SK)

Allerdings können Qualifikationen auch veraltet sein, wenn jemand eine Zeit lang arbeitslos war. (ES)

Es besteht ein allgemeiner Mangel an Lehrstellen. Handwerker wollen nur

Auszubildende einstellen, die eine Empfehlung mitbringen. (DK)

Die Fremdsprachenkenntnisse, die gefordert werden, wenn man sich für eine Stelle bewirbt, obwohl man diese Kenntnisse nie anwenden wird;

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dadurch sind jüngere Menschen im Vorteil, da sie verschiedene Sprachen lernen. (CZ)

Billigere Arbeitskräfte (IE) Hier liegt der Schwerpunkt vor allem bei ausländischen Arbeitskräften, die bereit sind, für niedrigere Löhne zu arbeiten als die einheimischen Arbeitskräfte, oder die diesen vorgezogen werden. (IE)

6.4.2 Was die Entscheidungsträger gegen die Schwierigkeiten älterer Menschen bei der Arbeitssuche tun sollten

Ausgehend von den im vorangegangenen Abschnitt erörterten Hindernissen, die einer Einstellung entgegenstehen, unterbreiteten die Befragten eine Reihe von Vorschlägen, wie dieser Situation abgeholfen werden kann:

Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen (MT, PT, EL, LV)

„Es sollten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden.“ (PT, männlich, 67)

Maßnahmen einführen, die älteren Menschen dabei helfen können, weiterhin wirtschaftlich unabhängig zu sein, indem sie selbst Unternehmen betreiben. Darüber hinaus sollten steuerliche Vergünstigungen eingeführt werden, indem die Abgaben entsprechend dem erzielten Einkommen erhoben werden, statt einen festgesetzten Satz anzuwenden. (PT)

„Ich könnte ein eigenes Geschäft aufmachen und zu Hause Speisen herstellen und verkaufen, aber dann muss ich feststehende Sozialversicherungsbeiträge zahlen, egal ob ich etwas verkaufe oder nicht; deshalb sollte eine Regelung getroffen werden, dass wir nur dann zahlen müssen, wenn wir etwas verkaufen, je nachdem, wie viel wir verkaufen.“ (PT, weiblich, 63)

Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung (IE, SK, CZ)

In Anbetracht der Erkenntnis, dass es nicht leicht ist, dieses Problem anzugehen, fiel es den Befragten schwer, Vorschläge dafür zu unterbreiten, wie es angegangen werden sollte (IE, CZ), wenngleich die Vorstellung bestand, dass Maßnahmen eingeführt werden sollten, um Chancengleichheit für alle zu ermöglichen (MT). Zunächst einmal bedürfe es der Anerkennung, dass es ein Problem wie die Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz überhaupt gibt, da es sehr schwer zu beweisen sei. (IE, SK)

„Man kann den Problemen nicht beikommen ... weil einem niemand glaubt ..., es sei denn, er wäre bei dem Gespräch dabei gewesen.“ (IE, weiblich, 63)

Eine Lösung könnte darin bestehen, den Menschen durch finanzielle Unterstützung und durch den Abbau von Bürokratie, die Neugründungen erschwert, die Gründung eines eigenen Unternehmens zu erleichtern. Eine weitere Lösung wären Schulungsprogramme und Programme zur

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Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, die auf mehr Bewerber ausgedehnt und über die potenzielle Schulungsteilnehmer besser informiert werden könnten. (IE) Einige der Befragten äußerten sich skeptisch darüber, ob politische Entscheidungsträger wirklich etwas in Sachen Altersdiskriminierung und Beschäftigung älterer Menschen tun können, da die Einstellung der Gesellschaft in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Rolle spielt, und ob sich diese Einstellung ändern sollte (SK). Es wurde vorgeschlagen, dass den Arbeitgebern eventuell Anreize geboten werden sollten, um Menschen zu beschäftigen, die 60 Jahre und älter sind (ES, EL).

Die Befragten würden es begrüßen, wenn sich die Arbeitsvermittlungsstellen

mehr dafür einsetzen würden, Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer zu finden. (DE, UK, EL)

Die Beschäftigungsagenturen sollten einige Arbeitssuchende als Berater einstellen, um sie bei Entscheidungen über Maßnahmen im Zusammenhang mit Fragen der Arbeitslosigkeit zu Rate zu ziehen. Auf diese Weise könnten die Maßnahmen aus der Perspektive von jemandem durchdacht werden, der über einschlägige Erfahrungen aus erster Hand verfügt. (UK)

„Sie könnten mich als Mitarbeiter beschäftigen ... Weil ich am anderen Ende stehe und daher die Probleme kenne.“ (UK, männlich, 62)

Berufsausbildung und Lehrstellen sollten im Mittelpunkt stehen und da, wo sie

verschwunden sind, wieder eingeführt werden, und es sollte für Handwerker attraktiver gemacht werden, Auszubildende einzustellen. (HU, DK)

Das System sollte so flexibel wie möglich gestaltet werden, damit Menschen,

die gesundheitlich nicht in der Lage sind, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen, stattdessen 10 bis 15 Stunden pro Woche arbeiten können. (DK)

Arbeitslose sollten kostenlose Monatskarten für öffentliche Verkehrsmittel

erhalten, damit sie bei der Arbeitssuche mobil sind. (DK)

Die Hinzuverdienstgrenze für Rentner und Sozialleistungsempfänger sollte angehoben werden, sodass sich eine Teilzeitbeschäftigung mehr lohnt. (DE)

Der Wettbewerb mit ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitssuche sollte beschränkt werden. (IE, ES)

Wie bereits im gesamten Bericht erwähnt, waren die Befragten der Ansicht, dass es im Zusammenhang mit der Problematik der Beschäftigung älterer Menschen wichtig ist, dass die Entscheidungsträger auf der europäischen Ebene mit den Betroffenen reden und mehr über deren Lebenswirklichkeit erfahren. (MT)