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DER WELTMEISTERim Feiern steht schon

fest: Deutschland.Oliver Voss, Kopf der

Kampagne „Du bistDeutschland“, erklärt,

warum die Party nach derWM nicht zu Ende ist

eutschland feiert. 300 000 Flag-gen sind verkauft, Rechts-anwälte schmücken ihreMercedes-Oldtimer mit der

schwarz-rot-goldenen Fahne,türkische Gastronome stehen im Ballack-Trikot am Döner-Grill und sogar der Daxan der Frankfurter Börse steigt. Der Olym-piapark in München, die Fan-Meile amBrandenburger Tor, das Heiligengeistfeld inHamburg – Hunderttausende liegen sichnicht nur während der WM-Spiele in den

Armen. Es ist ein Rausch, an dem auch dieausländischen Gäste teilhaben. Zum erstenMal seit Jahren ist die Stimmung besserals die Lage und nicht umgekehrt. Maßgeb-lichen Anteil am neuen „Wir-Gefühl“ hatdie „Du bist Deutschland“- Kampagne, dieOliver Voss, 39, Geschäftsführer der Werbe-agentur Jung von Matt, vor knapp einemJahr ins Leben rief. Im GALA-Interviewspricht er über den neuen Mut zum Patrio-tismus, die Rolle des Fußballkaisers und dieAussichten für die Zeit nach der WM.

Gala Ein ganzes Land lebt Ihre Kampagne„Du bist Deutschland“. Zufrieden? OLIVER VOSS Ich glaube, wir haben eine Initial-zündung geschaffen. Die deutsche Fahnewird im Moment von vielen anderswahrgenommen, als noch vor ein, zweiJahren. Das hat nicht nur, aber sicher auchmit unserer Kampagne zu tun, weil dieangenehme und multikulturelle Art, wiesie Deutschland zeigt, den Leuten Mutzum lässigeren und freudvolleren Umgangmit der Fahne verholfen hat. �

Backstage INTERVIEWWM

Flaggenmeere, Fans, die sich mit Schwarz-Rot-Gold die Wangenbemalen, Autokorsos in den Städten und Völkerverständigungin den Fußballstadien: Ein Land feiert sich, seine Mannschaft undseine Gäste – die Euphorie kennt kaum noch Grenzen »Wir

Dsind Deutschland«DREI WORTE, EIN GEFÜHL

Oliver Voss, 39, begann seineKarriere als Lokalredakteur und

ist heute einer der bekanntestenWerber Deutschlands. Er erfand

etwa „3… 2… 1… meins!“ füreBay und „Is it love?“ für Mini.

Der Geschäftsführer Kreationbei Jung von Matt, der vor drei

Jahren die Miami Ad SchoolEurope gründete, sah es als eine

echte Herausforderung, einGefühl und kein Produkt

zu bewerben. Der gebürtigeRemscheider lebt im buntenHamburger Karolinenviertel

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um die Welt geht, zeigen wir, dass wir ebennicht nur blonde, blauäugige Teutonen sind,sondern eine unterschiedlich aussehendeGruppe, die zufällig in Deutschlandgeboren ist.Wenn das als Botschaft unsererKampagne und der WM transportiertwird, dann ist das ein enormer Gewinn.GalaWoran erkennt man noch denStimmungswandel?VOSS Mein favorisierter griechischer Wirtschaut die deutschen Spiele im Deutsch-land-Trikot. Ich glaube, ganz Deutschlandakzeptiert, dass wir ein multikulturelles undvielschichtiges Land sind. Eine Botschaft,die auch das skeptische Ausland aufnimmtund unserem Image dort hilft.Gala Unserem Ansehen im Ausland hatnicht zuletzt der Fußball-Kaiser genutzt.Müssten Sie „Du bist Deutschland“ nicht in„Wir sind Beckenbauer“ umbenennen?VOSS Beckenbauer ist den Menschen so sympathisch und eignet sich als Identi-fikationsfigur, weil er bodenständig redet,aber trotzdem den großen Ball dreht.Ich denke, das sind jetzt einfach seinevier Wochen, die Erfüllung seines Lebens-werks. Ich bin aber sicher, dass esdiese Begeisterung auch ohne ihn gäbe.Gala Gilt diese Begeisterung nur imWesten? Elf von zwölf WM-Stadien liegenin Westdeutschland, für den Osten gibt esReisewarnungen für Ausländer. Haben wires geschafft, Generationen von Ausländernzu integrieren, sind aber an unserereigenen Wiedervereinigung gescheitert?

VOSS Das liegt am extremen ökonomischenGefälle, von West nach Ost, so wie in Italienvon Norden in Süden. Ich glaube abernicht, dass auf der geistigen Ebene eineSpaltung stattfindet, da existiert schon einWir-Gefühl.Gala Der Autor und ehemalige Chefredak-teur des „SZ-Magazins“, Jan Weiler, hatprophezeit, es werde nach dem 9. Juli inDeutschland wieder ruhig sein wie auf einemGespensterschiff. Ist das realistisch oderpessimistisch?VOSS Im Moment erleben wir eine großeParty, alle feiern Grillfeste, das Bier fließt.Nach dem Fest kommen wieder die

GalaWegen unserer Geschichte war esjahrzehntelang verpönt, stolz auf Deutsch-land zu sein. Ist das neue Wir-Gefühl nurein cooler Trend oder ein Sinneswandel?VOSS Nein, momentan passiert etwas Größe-res.Wenn ich die Fahnen an den Autosoder aus den Fenstern hängen sehe, dannhabe ich davor keine Angst mehr. Früherbeschlich mich immer die Befürchtung,dass das in eine übertrieben patriotische,ja nationalistische Ecke kippt, da warSchwarz-Rot-Gold immer sehr nah amBraunen. Dieses neue Deutschland-gefühl ist einfach gut gelaunt, unpolitisch.Schwarz-Rot-Gold hat seine Tragikverloren, und vor allem seine Gefahr.Es ist ein freud-volles „Schwarz-Rot-Geil“,wie die „Bild“-Zeitung schreibt.Gala „Die Deutschen von heute“, sagte derSchriftsteller und Bundesverdienstkreuz-Träger Ralph Giordano dazu, „sind dieunkriegerischsten Deutschen, die ich je erlebthabe.“ Ist das neue Kollektivdenken so gefes-tigt, dass es auch Rückschläge verkraftet?VOSS Das ist abhängig von aktuellen Ereig-nissen. Jeder Übergriff auf einen Ausländermacht mir Angst.Wir alle müssen jederausländerfeindlichen Tendenz mit Zivilcou-rage entgegentreten, weil sonst das Ganzenicht mehr unbefleckt ist. Meine Hoffnungist, dass die mehr als 80 Millionen, diedieses positive Deutschland-Feeling leben,eine starke, dominierende und hoffentlichunverwundbare Mehrheit darstellen.Gala Der Kulturkritiker Ulf Poschardtglaubt in der „Welt“, dass sichauch bei den Intellektuellen dieErkenntnis durchsetzt. Deutscherzu sein ist wieder salonfähig,der Konter-Nationalismus,die Zeit, in der man alles seindurfte, nur nicht deutsch, scheintvorbei. Stimmen Sie dem zu?VOSS Die Angst vor der Flaggewird weiter abnehmen. Allerdingsweniger bei den Intellektuellenals bei der breiten Masse. UnsereKampagne „Du bist Deutschland“ist vom Feuilleton fast einstimmigabgebügelt worden, da gibt es nochstarke Resentiments gegenüber al-lem, was nach Deutschland riecht.Gala Ist es nicht auch so, dass die20- bis 30-Jährigen keine Lust mehrhaben, sich schlecht für etwas zufühlen, womit sie nichts zu hatten?VOSS Wenn ich früher ins Ausland gefahrenbin, hatte ich immer das Gefühl, michentschuldigen zu müssen, dass ich ausDeutschland bin. Das drückt aufs Gemütund führt zu Neurosen. Inzwischenhaben die Jüngeren – und auch wir alle –zu einer lässigen Haltung gefunden.Gala Hilft uns diese Haltung, jetzt endlichvon unserem unfreundlichen Imagewegzukommen – hin zum Einwandererland,das integriert?VOSS Das Bild der Nationalmannschaft istunglaublich reizvoll, weil mit Gerald Asa-moah und David Odonkor zwei Schwarzeim Team sind. Mit jedem Fernsehbild, das

nüchternen Alltagsprobleme.Trotzdembin ich guter Hoffnung, dass das neueLebensgefühl, das wir im Moment haben,die WM überdauert, weil es unser allerLeben bereichert. Das hängt natürlich auchvon der Großen Koalition ab, ob sie funk-tioniert und die Politiker die Euphorie mitin den Bundestag nehmen.Gala Auf jede Party folgt ein Kater.Wird das„Wir-Gefühl“ nach der WM weiterleben?VOSS Nach dem Aspirin muss jeder in seinemBereich suchen. Eine Botschaft unsererKampagne lautet ja: Engagiere dich, zeigHilfsbereitschaft, hoffe nicht auf die Lösungvon außen und mach nicht die Verhältnisse

für deinen Zustand verantwortlich.GalaWarum ist es Ihnen mit dreiWorten gelungen, ein Deutschland-Gefühl zu erzeugen und der Politiknicht? Hat sie versagt?VOSS Die Politiker sind gewohnt, ihreSachverhalte in langen Reden undGesetzentwürfen vorzubringen,wobei natürlich viel verlorengehtund die Menschen gar nicht mehrfolgen können und wollen.WirWerber sind es gewohnt, extremzu verknappen, unsere Botschaftzu verdichten, bis nur drei Worteübrig bleiben. Massenkompatibel,aber nicht banal.Gala Dieses bedingungslos Positive,der Glaube an das Individuum,den auch Bundestrainer JürgenKlinsmann predigt, mutet amerika-nisch an.

VOSS Nein, den Pathos der Amerikanersehe ich nicht. Deutschsein, und das istein bedeutender Unterschied zu früher,findet unverkrampft, ja mit Humor statt.Wir bemalen uns die Nasen, in den USAwird die Flagge über den Sarg gelegt.Was uns gut ansteht, ist eine Art „Go West“-Mentalität, die Lust auf die Zukunftund der Glaube, etwas zu erreichen,das erstmal unerreichbar scheint.Gala Das lebt uns das deutsche Team bei derWM vor. Stört es Sie, wie sehr das Deutsch-land-Gefühl und Ihre Kampagne unmittel-bar mit dem fußballerischen Erfolg derdeutschen Mannschaft zusammenhängen?

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Backstage INTERVIEWWM

humorvoll und unpolitisch«

»Das neue Deutschland-

Gefühl ist gutgelaunt,

Fußball-Meile Berlin: 500 000Fans feierten den Sieg der

deutschen Nationalmannschaftüber Polens Elf

REINHOLD BECKMANN

OLIVER KORITTKE

Ein Schmetterling kann einen Taifun auslösen – dieseAnsicht liegt einer Kampagne zugrunde, an der sich seit

einem Jahr mehr als 20 deutsche Medienunternehmen undProminente wie Günther Jauch, Ulrich Wickert, Oliver

Pocher beteiligen. Ihre Botschaft: Jeder einzelne brauchtmehr Zuversicht in die eigene Kraft und Leistungsfähigkeit

(www.dubistdeutschland.de)

„DU BIST DEUTSCHLAND“

zierten und richtig gewichteten Umgang mitdiesem Gefühl. Entscheidend ist, dass wiruns als Gemeinschaft empfinden, die ehereiner Familie ähnelt, mit den unterschied-lichsten Charakteren und dem eingeheirate-ten Schwager aus Tunesien. Fruchtbarer alsunbegründeter Stolz aufs eigene Land istder Stolz auf das, was man selbst und in Zu-sammenarbeit mit anderen füreinander tut.GalaWie konkret helfen Stolz und Patrio-tismus denen, die am Rand unserer Gesell-schaft leben?VOSS Bei „Du bist Deutschland“ geht esdarum, den Leuten klarzumachen: Eigen-initiative lohnt sich, gib nicht auf. Interes-santerweise stellen diese Frage nur Leute,die sich berufen fühlen, für „die da unten“mitzudenken. Unsere Marktforschunghat klar gezeigt: Die Hartz-IV-Empfängerfühlten sich tatsächlich motiviert undbestärkt, es noch einmal zu versuchen.Gala Im Sprachgebrauch wandelte sichIhr Slogan von „Du bist …“ zu „Wir sindDeutschland“.Wieviel Verantwortungan der Entwicklung hat Ihre Kampagne? VOSS Werbung kann immer nur kommuni-zieren, was viele empfinden, eine Formelfinden, damit es Klick macht und größereWellen schlägt. Der Boden konnte geradegut bestellt werden. Deutschland sehntesich nach einem positiven Impuls.

FELIX HUTT

VOSS Das Abschneiden der Deutschen istnicht das Wichtigste – das Land hat einfachLust zu feiern. Die Kampagne startetebereits neun Monate vor der WM und hatbis heute fast zehn Millionen Menschenmotiviert, positiv an sich und dieses Landzu glauben.

Gala In Zeitungen und im Fernsehen be-kennen sich momentan viele Prominente alsPatrioten, bekommen „eine Gänsehaut“beim Anblick der deutschen Fahne.Wie vielVaterlandsliebe ist erlaubt?VOSS Patriotismus ist bei uns immer belastet.Das schafft aber auch einen weisen, distan-

GERALD ASAMOAH

KATARINA WITT

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