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TIBET BUDDHISMUS und April Mai Juni 2006 Heft 77 UNTERWEISUNG 9 „D er Geist ist frei von Geist. Die Natur des Geistes ist Klares Licht” lautet eine Aussage des Buddha, die auf die Buddhanatur hindeutet. Da der Geist leer von einem Eigenwesen ist und nicht unabhängig existiert, gehören auch die Fehler nicht zu seiner Natur. Weil der Geist leer ist, ist er veränderbar: Er kann durch positive Bedingungen positiv, ebenso aber durch negative Bedingungen negativ beeinflusst wer- den. Seine Möglichkeit sich zu ent- wickeln ist grenzenlos. Wäre er nicht veränderbar, so wäre es nicht mög- lich, ihn umzuwandeln. Buddhanatur: Unser größter Reichtum liegt im Geist von Geshe Pema Samten Die Buddhanatur bildet die Grundlage dafür, dass der Geist entwickelt werden kann. Geshe Pema Samten legt diese wichtige Mahåyåna-Lehre dar und zeigt, wie dieses Potenzial zur Erleuchtung durch spirituelle Übung erweckt werden kann. Jens Nagels Jens Nagels Geshe Pema Samten ist Lehrer am Tibetischen Zentrum.

Buddhanatur: Unser größter Reichtum liegt im Geist · Da der Geist leer von einem Eigenwesen ist und nicht unabhängig existiert, gehören auch ... in der Lage, uns von den Hindernissen

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TIBET BUDDHISMUSund

April Mai Juni 2006 Heft 77

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„Der Geist ist frei von Geist. DieNatur des Geistes ist Klares

Licht” lautet eine Aussage desBuddha, die auf die Buddhanaturhindeutet. Da der Geist leer voneinem Eigenwesen ist und nichtunabhängig existiert, gehören auchdie Fehler nicht zu seiner Natur. Weilder Geist leer ist, ist er veränderbar:Er kann durch positive Bedingungenpositiv, ebenso aber durch negativeBedingungen negativ beeinflusst wer-den. Seine Möglichkeit sich zu ent-wickeln ist grenzenlos. Wäre er nichtveränderbar, so wäre es nicht mög-lich, ihn umzuwandeln.

Buddhanatur: Unser größter Reichtum liegt im Geist

von Geshe Pema Samten

Die Buddhanatur bildet die Grundlage dafür, dass der Geist entwickelt werden kann.

Geshe Pema Samten legt diese wichtige Mahåyåna-Lehre dar und zeigt, wie dieses

Potenzial zur Erleuchtung durch spirituelle Übung erweckt werden kann.

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Geshe Pema Samten ist Lehrer amTibetischen Zentrum.

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Jedes Hindernis des Geistes kannüberwunden werden, jede Tugendkann entwickelt und vervollkommnetwerden. Obwohl der Geist leer istvon wahrer Existenz, halten wir ihnfür absolut existent. Wir haben denEindruck, dass er unabhängig von Ur-sachen und Umständen besteht. Da-her fällt es uns schwer, die Wandel-barkeit des Geistes zu erkennen.

Wenn wir uns schlecht fühlen undSorgen haben, dann erscheint uns dasBewusstsein in einem unveränderli-chen, unglücklichen Zustand zu ver-harren, unabhängig und losgelöst vonveränderlichen Bedingungen. Auchein glücklicher Moment erscheint unsso, weil wir ihn als wahrhaft existentansehen. Wenn wir diese Vorstellungaber genauer betrachten und hinter-

fragen, dann wird uns sehr schnellklar, dass es von unendlich vielen ver-schiedenen Bedingungen abhängt,wie wir uns fühlen, welche Meinungwir haben usw.

Die Schule der Madhyamikas ver-steht unter Buddhanatur die Fähig-keit, einen der Buddhakörper hervor-zubringen. Dabei wird zwischen dernatürlich anwesenden und der zuentwickelnden Buddhanatur unter-schieden. Die zu entwickelndeBuddhanatur ist unbeständig, verän-derlich. Es ist das Potenzial, aus demdie Eigenschaften eines Buddha her-vorgehen, insbesondere sein Weis-heitskörper und sein Formkörper inden verschiedenen Erscheinungs-formen. Die Ursachen, die wir füreinen Körper des Buddha in unshaben, nennt man die zu entwickeln-de Buddhanatur.

Obwohl der Geist leer ist vonwahrer Existenz, ist er mit Leiden-schaften befleckt. Mit geeignetenMitteln jedoch können wir ihn vondiesen Befleckungen befreien, des-

halb spricht man von vorübergehen-den Befleckungen.

Maitreya vergleicht es mit verun-reinigtem Wasser. Der Schmutzgehört nicht zur Natur des Wassers.Mit geeigneten Mitteln kann man dasWasser reinigen. Ein anderes Beispielist der Himmel, der durch Wolkenverdunkelt ist. Die Wolken gehörenjedoch nicht zur Natur des Raumes.Sobald sie sich verziehen, wird dieeigentliche Natur des Raumes wiedersichtbar. Verunreinigtes Gold ist einweiteres Beispiel. Der Schmutz haftetam Gold, hat aber keinen Einfluss aufdie eigentliche Natur und damit denWert des Goldes. Ebenso weniggehören Befleckungen zur Natur desGeistes. Wir können den Geist voll-ständig davon befreien.

DURCH MITGEFÜHL DIEBUDDHANATUR ERWECKEN

Nach der buddhistischen Philosophiekönnen wir den Geist auf zweiEbenen verstehen: in seiner konven-tionellen und in seiner endgültigenNatur. Beide sind aber nicht wirklichvoneinander verschieden: Sie sindvon einer Entität und nur begrifflichverschieden. Und das ist der Grund,warum der Geist von Hindernissenbefreit werden kann. Das geschiehtnatürlich nicht von selbst oder alleindurch eine einzige Ursache, sondernhierfür müssen vielfältige positiveUmstände zusammengebracht wer-den. Das können wir uns anhand derLebensgeschichte des Buddha vorAugen führen. Unzählige Anstren-gungen waren nötig, um den Zustandder Erleuchtung zu verwirklichen.

Die vorübergehenden Befleckungenwie Gier und Hass beruhen gänzlichauf Täuschung. Unsere Sichtweise istfehlerhaft, sie entspricht nicht derWirklichkeit. Dadurch entstehen ne-

„Die Buddhanatur gibt uns allen die Fähigkeit,

korrekte Sichtweisen zu entwickeln

und negative Eigenschaften wie Gier und Hass

zu überwinden. "

GOLDSTÜCK IM SCHMUTZ: BEISPIELE FÜR DIEBUDDHANATUR

Maitreya gibt neun Vergleiche,wie die Buddhanatur im Geistder Lebewesen verborgen ist:

BUDDHA-STATUE IN

VERBLÜHTEM LOTOS

Gewöhnliche Wesen könnenaufgrund ihrer Schleier durchGeistesgifte die Gestalt in demLotos nicht sehen. Jene mit„göttlichem” Auge sehen diese.Sie würden die alten Blüten-blätter entfernen, so dass derBuddha zum Vorschein kommt.

Aufgrund seines großenMitgefühls sorgt der Buddhadafür, die Schichten derLeidenschaften aus unseremGeist zu entfernen, so dass wirdie wahre Natur des Geisteserkennen und dadurch unsereBuddhanatur entwickeln kön-nen.

HONIG, VON BIENEN VERDECKT

Der Honig in der Wabe ist vonMillionen Bienen verdeckt.Wenn man sich als Laie nä-hert, stechen die Bienen, sodass wir nicht herankommen.Der Imker verfügt über dienötigen Techniken, sich denHonig zu beschaffen.

Der Buddha sieht denSamen für die unbefleckteWeisheit im Geist aller Wesen.Mit geschickten Mitteln ist erin der Lage, uns von denHindernissen zu befreien, sodass wir dieses Potenzial inuns nutzen können.

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gative Emotionen, die dann ihrerseitsden Geist weiter verdunkeln undnegative Anlagen hinterlassen. DieseAnlagen und Gewohnheiten wieder-um bewirken, dass die Leiden-schaften erneut entstehen. So beru-hen Entstehung und Wirkung der Lei-denschaften auf falschen Sichtweisen,auf Irrtümern.

Der grundlegende Irrtum ist dieUnwissenheit, die dazu führt, dass wirdie Dinge für wahrhaft existent hal-ten, gleichgültig ob es dabei um unse-ren eigenen Geist geht oder umandere Phänomene. Aus dieserUnwissenheit entstehen dann vieleweitere Irrtümer und negative Emo-tionen. Um diese Verblendungen zuüberwinden, müssen wir geeigneteMittel anwenden, zum Beispiel kor-rekte Sichtweisen entwickeln undunseren Geist schulen. Korrekte Sichtweisen basieren aufkorrekten Begründungen, und diesewiederum müssen wir uns zunächsteinmal bewusst machen, indem wirlernen und intensiv darüber nachden-ken. Falsche Sichtweisen dagegenbasieren nicht auf Begründungen. Siekosten uns keine Anstrengung, des-halb entstehen sie naturgemäß auchviel einfacher und erschweren unsden Weg zur Erleuchtung.

Wenn uns im eigenen Haus etwasgestohlen wird, während eine fremdePerson zu Besuch ist, kommen wirleicht auf den Gedanken, dass dieserFremde der Dieb sei. Wir haben ihngesehen, es bedarf keiner weiterenBegründung. Wollten wir jedoch mitGewissheit herausfinden, dass diesePerson nicht der Dieb ist, bedarf esgenauerer Untersuchungen. Sicht-weisen, die der Wahrheit entspre-chen, sind schwieriger zu entwickelnals falsche Ansichten.

Die Buddhanatur gibt uns allendie Fähigkeit, korrekte Sichtweisen zuentwickeln und negative Eigenschaf-ten wie Stolz und Hass zu überwin-den. Dafür muss dieses Potenzialaber erst einmal erweckt werden,und das geschieht durch dasMitgefühl, den Wunsch, das Leidender anderen zu beenden. Mitgefühlist als Keim in uns angelegt, aber wirmüssen es kontinuierlich über langeZeit schulen, um es zur Verfügung zuhaben. Anzeichen für Mitgefühl beiMenschen mit den Anlagen eines

Bodhisattvas sind, wenn angesichtsNot fühlender Wesen vor MitgefühlTränen fließen oder sie eine Gänse-haut bekommen. Dies können äuße-re Zeichen für ihre starke positive in-nere Veränderung sein, für dasErwecken der Buddhanatur.

Wenn wir ein Samenkorn in dieErde stecken, brauchen wir bestimm-te Bedingungen wie Licht, Sonne,Wasser usw., damit daraus eine Pflan-ze wachsen kann. Vergleichbar kön-nen sich durch Mitgefühl und anderepositive Eigenschaften in uns spirituel-le Tugenden entwickeln, die dazuführen, dass neue positive Erfahr-ungen heranreifen, was sich äußerlichdurch die beschriebenen Reaktionenzeigen kann. Wie beim Samenkornwird das innere Potenzial aktiviertund die Tugenden beginnen zuwachsen.

Wenn Mitgefühl und andere posi-tive Tugenden in uns gedeihen, sindwir damit noch nicht notwendiger-weise in den spirituellen Pfad einge-treten und haben auch noch keineHindernisse dauerhaft überwunden.Negative Eigenschaften des Geistesaufgeben bedeutet, dass sie nie wie-der entstehen können, dass sie mit-samt ihren Wurzeln überwundensind. Dafür brauchen wir neben demMitgefühl auch klare Einsicht in dieNatur der Wirklichkeit.

EIN KORN IN DER HÜLLE

Das Korn ist in der Hülle ein-geschlossen. Solange es nichtgedroschen wird, lässt es sichnicht verwenden. Der Samefür einen Buddha ist in allenWesen vorhanden. Aber so-lange die Buddhanatur nichtvon der Hülle der Leiden-schaften befreit ist, können wirden Dharma nicht kosten unduns nicht vom Hunger derLeidenschaften befreien. Durchdas Dreschen wird das Kornfreigelegt. In ähnlicher Weisekönnen wir unsere Buddha-natur nutzen, wenn wir mitden Unterweisungen desBuddha in Kontakt gekommensind.

EIN GOLDSTÜCK IM SCHMUTZ

Wenn ein göttliches Wesen imSchmutz auf der Erde einGoldstück findet, würde esdieses reinigen und benutzen.Der Buddha sieht die Buddha-natur in jedem Lebewesen. Erlehrt die Wesen je nach ihrenkarmischen Voraussetzungen,wie sie diese Buddhanaturheben, das heißt den Geistvon den Befleckungen befrei-en, so dass die eigentlicheNatur des Geistes zum Vor-schein kommt.

EIN JUWELENSCHATZ

UNTER DER ERDE

Ein kostbarer Schatz ist imGarten eines armen Mannesvergraben. Der Mann weißnichts von dem Schatz undnutzt ihn nicht, um seineArmut zu überwinden. Genauso sind wir uns des Dharma-schatzes in unserem Geistnicht bewusst. Der Buddha,der große Weise, nimmt viel-fach in den Welten Geburt an,um die Lebewesen zu lehren,diesen Schatz zu erkennenund zu heben.

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Die Buddhanatur ist wie ein Same: Er keimt, wenn die nötigen Bedingungen zusammen kommen.

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Wir müssen das Wesen derBuddhanatur erkennen. Dazu unter-suchen wir den Geist auf seineeigentliche Natur hin und begreifen,dass seine Befleckungen nur vorüber-gehender Natur sind wie Wolken amHimmel. Die Leidenschaften sindüberwindbar. Aus dieser Gewissheitentwickeln wir die Motivation, dieHindernisse schrittweise zu beseitigenund unser inneres Potenzial zu er-wecken.

Wir enwickeln die positiven Ei-genschaften im Geist. Die Tugendensind wie Nährstoffe, die unsereBuddhanatur fördern, damit siegedeihen und wachsen kann. Nega-tive Eigenschaften sind wie Feueroder Trockenheit, die das Wachstumbehindern oder gar den Samen zer-stören. Diese Überlegungen sollenuns helfen, das Potenzial in uns zunutzen.

DEN GEIST ENTWICKELN

Der Begriff der Buddhanatur wird inden verschiedenen philosophischenSchulen unterschiedlich beschrieben.Grundsätzlich versteht man darunter

die Möglichkeit, den Geistzu entwickeln und vonHindernissen zu befreien.In diesem Zusammenhangspielt die endgültige Naturdes Geistes eine besondereRolle, also das, was dieMadhyamikas als die natür-lich anwesende Buddha-natur bezeichnen: die Leer-heit des Geistes von wahrerExistenz. Das ist der tiefereGrund dafür, warum derGeist positiv entwickeltwerden kann. Deshalb ist eswichtig, über diesen Aspektnachzudenken.

Je fester wir glauben,dass der Geist wahrhaftexistent ist, umso mehr sindwir auch davon überzeugt,ihn nicht verändern zu kön-nen. Alle Leidenschaftengründen in Unwissenheit,was sich insbesondere aufdiese Vorstellung von wah-rer Existenz bezieht.

Die Madhyamikas sa-gen, dass aus dem Greifennach wahrhafter Existenz

viele weitere falsche Sichtweisen, ver-blendete Geisteszustände und negati-ve Emotionen entstehen. Deshalb istes besonders wichtig, sich als Gegen-mittel mit der Leerheit und derabhängigen Natur der Phänomeneauseinander zu setzen. Wenn wir inZukunft von der Buddhanatur spre-chen oder hören, dann wollen wiruns immer gleich bewusst machen,dass der Geist leer ist von wahrerExistenz.

Die falsche Vorstellung entstehtinstinktiv in uns, wir sind daran ge-wöhnt, dass die Dinge wahrhaft exis-tent sind. Jetzt glauben wir z.B. etwasvon der Buddhanatur verstanden zuhaben, und damit halten wir diesenBewusstseinszustand für wahrhaftexistent. Unser Verständnis scheintreal zu sein, unabhängig zu existie-ren, was natürlich nicht stimmt.

Auch die Buddhanatur ist ein rela-tives Phänomen, das von vielenUrsachen und Umständen abhängigist, z.B. davon, dass der Buddha dieseDinge gelehrt hat, dass es Schriftengibt, dass wir sie studieren können,dass wir von einem Lehrer dieErklärungen hören und uns mit ande-

EIN SAMENKORN

Eine Samenkorn muss mit dennötigen Wachstumsbedin-gungen wie Wasser, Sonneund Licht zusammengebrachtwerden, damit daraus einePflanze wachsen kann. AlleWesen tragen das Potenzialeines Buddha in sich, aber die-ser Samen ist eingeschlossenund durch die Leidenschaftenam Wachsen gehindert. Erbringt keine Pflanzen hervor.Wenn die richtigen Bedin-gungen zusammen kommen,reift das innere Potenzialheran.

Unsere Erkenntnisse aufdem Pfad sind wie die Pflanze.Der Pfad des Nicht-mehr-Lernens, die Vollendung, ent-spricht der Frucht.

EINE KOSTBARE BUDDHASTATUE,EINGEHÜLLT IN LUMPEN

An einer Wegkreuzung liegtunbeachtet eine kostbareStatue, die in alte Lumpengehüllt ist. Ein Wesen mit gött-lichem Auge macht die ande-ren auf diesen Schatz auf-merksam. Das Element einesTathagatas ist in unserem Geistvorhanden, eingehüllt in dieLumpen der Leidenschaften.Diese kostbare Essenz liegtungenutzt auf den Straßen desSamsara herum, aber aufgrundder Leidenschaften erkennenwir sie nicht. Der Buddha lehrtuns den Dharma, damit wirdiese Essenz erkennen unduns von den Leidenschaftenbefreien können.

Nach Auffassung tibetischer Meister übermittelte Maitreyadie Lehre von der Buddhanatur. Asa‡ga legte sie schriftlichnieder.

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ren Dharmafreunden austauschen.Nur durch all diese Umstände undUrsachen vielfältiger Art kann ein Ver-ständnis für dieses Thema entstehen.

Unsere Wahrnehmung davon,das Thema verstanden zu haben, er-scheint uns auf den ersten Blick wie-derum unabhängig von diesen Be-dingungen. Die Buddhanatur ist einFaktor in unserem Geist, der verdecktist von den Leidenschaften. So langedie Leidenschaften sehr stark in unssind, gibt es für dieses Buddha-potenzial keine Möglichkeit sich zuentfalten. Damit es sich entwickelnund schließlich zu einem Buddha-körper werden kann, müssen wir unsbemühen, die Leidenschaften zu ver-ringern, indem wir die Gegenmittelanwenden.

Die endgültige Natur des Geistesist die Leerheit von wahrer Existenz.Leerheit bedeutet, dass die Dingekein unabhängiges Wesen besitzen.Sie sind leer oder frei davon, unab-hängig zu existieren.

Der Geist selbst ist, von gewöhnli-cher Warte oder konventionell be-trachtet, klar und erkennend. DieseNatur des klaren, erkennenden Geis-tes ist leer von einem unabhängigenEigenwesen. Der Geist und seineendgültige Natur sind zwei Aspekteeiner Entität. Ein vergleichbares Bei-spiel sind ein Glas und die Unbe-ständigkeit des Glases. Das Glas istdie Grundlage für die Eigenschaft derUnbeständigkeit. Die Unbeständig-keit existiert nicht getrennt von demGlas, sondern gehört zur Beschaffen-heit des Glases selbst.

Deshalb sagt man, das Glas unddie Unbeständigkeit des Glases sindeine Entität begrifflich verschiedenerAspekte. Man kann beide begrifflich

unterscheiden, aber es ist nicht mög-lich, die Unbeständigkeit des Glasesgetrennt vom Glas wahrzunehmen.

Im Geist können wir diese beidenAspekte begrifflich genau unterschei-den. Im Herzss•tra heißt ein be-rühmter Ausspruch: „Das Körperlicheist Leerheit und Leerheit ist dasKörperliche. Außer dem Körper exi-stiert keine Leerheit und außerhalbder Leerheit existiert nicht dieserKörper.” Ein köperlicher Gegenstandund seine Leerheit bilden beide eineEntität begrifflich verschiedenerAspekte. Das bedeutet, dass ein Tischund seine Leerheit nicht unabhägigvoneinander existieren können.

Das gleiche gilt für den Geist.Wenn wir von der endgültigen Naturdes Geistes sprechen, dann mag es

uns vielleicht so erscheinen, als sei sievom Geist verschieden oder los-gelöst. Doch weder kann die endgül-tige Natur des Geistes unabhängigvom Geist existieren, noch kann derGeist unabhängig von seiner Be-schaffenheit, vom Leersein existieren.Das sind in Wirklichkeit nur zweiAspekte einer Wirklichkeit, in diesemFall des Geistes.

Aus dem Tibetischen übersetzt von Christof Spitz

EIN UNGEBORENES KIND

IM MUTTERLEIB

Eine arme, hässliche Frau istschwanger, der Fötus ist einWeltenherrscher. Die Frauwohnt in einem verfallenenHaus und erlebt große Not.Niemand würde auf die Ideekommen, dass das Kind inihrem Leib ein mächtigerRegent werden könnte.

Im Geist der Lebewesenbefindet sich ein wahrerBeschützer, die Buddhanatur.Doch gefangen in denLeidenschaften und schlech-ten Gewohnheiten sehen wirdiese nicht und nutzen somitauch die entsprechendenMöglichkeiten nicht.

EINE BUDDHASTATUE

IN IHRER GUSSFORM

Eine goldene Buddhastatuewird in einer Form gegossen,die Statue ist von der Formverdeckt. Der Goldschmiedweiß von der Kostbarkeit undzerschlägt die Form. Ähnlichlehrt der Buddha den Dharma,damit wir die Hindernisse imGeist überwinden können unddas Potenzial für dieErleuchtung in uns zumVorschein kommt.

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9„Tugenden sind wie Nährstoffe,

welche die Buddhanatur fördern,

damit sie gedeihen und wachsen kann.

Negative Eigenschaften sind wie Trockenheit,

die das Wachstum behindert."