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Der Finanzierbarkeitsnachweis und die Aquivalenzbehauptung yon Peter Gessner in der Lebensversicherung*) Martin Steiner (Hamburg) 1. Einleitung In den letzten Jahren sind von einer Reihe von Versicherungsmathematikern Uberle- gungen zur Finanzierbarkeit der von den Lebensversicherungsunternehmen zugesag- ten Leistungen angestellt worden, wobei wir hier unter Leistungen sowohl die ver- traglich.zugesicherten Leistungen (einfacher: die Versicherungssumme) als auch die aus der UberschuBbeteiligung vorgesehenen Leistungen verstehen wollen. Da das Bundesaufsichtsamt ffir das Versicherungswesen (BAV) sehr enge Grenzen fiir die Rechnungsgrundlagen 1. Ordnung gesetzt hat, findet der Wettbewerb zwischen den deutschen Lebensversicherungsunternehmen fast ausschlieBlich auf dem Gebiet der lSberschuBbeteiligung statt. Um den Kunden den Verlauf und die H6he dieser Beteiligung zu verdeutlichen, erstellen die LVU sogenannte Beispielrechnungen; diese enthalten Hochrechnungen von Leistungen aus der OberschuBbeteiligung auf der Basis der momentan erkl~irten lJberschuBanteile, dargestellt an typ.ischen Versiche- rungskombinationen, wobei unterstellt wird, dab das Niveau der UberschuBbeteili- gung bis zum Ablauf der betreffenden Versicherung gehalten werden kann. Der oben angesprochene Problemkreis der Finanzierbarkeit entstand nun dadurch, dab die Beispielrechnungen strengen Aufla~.en des BAV unterliegen. Ihre Verwendung setzt voraus, ,,dab die zugrundeliegende UberschuBbeteiligung des Lebensversiche- rungsunternehmens finanzierbar erscheint". ([9], Rundschreiben 4/79 VerBAV Nr. 6, S. 188, Ziffer 1.2.4; [10], Rundschreiben 2/80 VerBAV Nr. 6, S. 163.) Um diesen vom BAV geforderten Nachweis der Finanzierbarkeit der kiinftigen UberschuBbeteiligung zu erbringen, sind verschiedene Methoden entwickelt worden. Die bekannteste dieser Methoden ist die von Peter Gessner. Sie beinhaltet eine Aquivalenzaussage fiber das Verh~iltnis von Sollzins zu Istzins einerseits und von erforderlichen zu vorhandenen Mitteln andererseits. Unser Ziel ist es zu untersuchen, ob diese Aquivalenzbehauptung zwischen beiden Aussagen allgemein giiltig ist bzw. unter welchen Bedingungen sie richtig ist. 2. Beschreibung des Gessner-Modells und mathematische Formulierung der ,~quivalenzbehauptung In der Arbeit [2] schreibt Gessner, dab ffir Lebensversicherungsvertr~ige neben einer Geltungsdauer von 20, 30 und mehr Jahren die zeitliche Unausgewogenheit von Leistungen und Gegenleistungen typisch sei, d.h. ffir viele Best~inde ist die Beitrags- zahlung zwar ann~ihernd gleichm~iBig auf die Vertragsdauer verteilt, aber es wird ein ,,Berg" von erst in 20 oder mehr Jahren wirksam werdenden Leistungsverpflichtungen *) Die Abhandlung basiert auf meiner Diplomarbeit, die ich am Institut fiir Mathematische Statistik und Wirtschaftsmathematik der Georg-August-Universitat zu G6ttingen angefertigt habe. 97

Der Finanzierbarkeitsnachweis und die Äquivalenzbehauptung von Peter Gessner in der Lebensversicherung

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Der Finanzierbarkeitsnachweis und die Aquivalenzbehauptung yon Peter Gessner in der Lebensversicherung*)

Martin Steiner (Hamburg)

1. E i n l e i t u n g

In den letzten Jahren sind von einer Reihe von Versicherungsmathematikern Uberle- gungen zur Finanzierbarkeit der von den Lebensversicherungsunternehmen zugesag- ten Leistungen angestellt worden, wobei wir hier unter Leistungen sowohl die ver- traglich.zugesicherten Leistungen (einfacher: die Versicherungssumme) als auch die aus der UberschuBbeteiligung vorgesehenen Leistungen verstehen wollen. Da das Bundesaufsichtsamt ffir das Versicherungswesen (BAV) sehr enge Grenzen fiir die Rechnungsgrundlagen 1. Ordnung gesetzt hat, findet der Wettbewerb zwischen den deutschen Lebensversicherungsunternehmen fast ausschlieBlich auf dem Gebiet der lSberschuBbeteiligung statt. Um den Kunden den Verlauf und die H6he dieser Beteiligung zu verdeutlichen, erstellen die LVU sogenannte Beispielrechnungen; diese enthalten Hochrechnungen von Leistungen aus der OberschuBbeteiligung auf der Basis der momentan erkl~irten lJberschuBanteile, dargestellt an typ.ischen Versiche- rungskombinationen, wobei unterstellt wird, dab das Niveau der UberschuBbeteili- gung bis zum Ablauf der betreffenden Versicherung gehalten werden kann. Der oben angesprochene Problemkreis der Finanzierbarkeit entstand nun dadurch, dab die Beispielrechnungen strengen Aufla~.en des BAV unterliegen. Ihre Verwendung setzt voraus, ,,dab die zugrundeliegende UberschuBbeteiligung des Lebensversiche- rungsunternehmens finanzierbar erscheint". ([9], Rundschreiben 4/79 VerBAV Nr. 6, S. 188, Ziffer 1.2.4; [10], Rundschreiben 2/80 VerBAV Nr. 6, S. 163.) Um diesen vom BAV geforderten Nachweis der Finanzierbarkeit der kiinftigen UberschuBbeteiligung zu erbringen, sind verschiedene Methoden entwickelt worden. Die bekannteste dieser Methoden ist die von Peter Gessner. Sie beinhaltet eine Aquivalenzaussage fiber das Verh~iltnis von Sollzins zu Istzins einerseits und von erforderlichen zu vorhandenen Mitteln andererseits. Unser Ziel ist es zu untersuchen, ob diese Aquivalenzbehauptung zwischen beiden Aussagen allgemein giiltig ist bzw. unter welchen Bedingungen sie richtig ist.

2. B e s c h r e i b u n g des G e s s n e r - M o d e l l s und m a t h e m a t i s c h e F o r m u l i e r u n g der , ~ q u i v a l e n z b e h a u p t u n g

In der Arbeit [2] schreibt Gessner, dab ffir Lebensversicherungsvertr~ige neben einer Geltungsdauer von 20, 30 und mehr Jahren die zeitliche Unausgewogenheit von Leistungen und Gegenleistungen typisch sei, d.h. ffir viele Best~inde ist die Beitrags- zahlung zwar ann~ihernd gleichm~iBig auf die Vertragsdauer verteilt, aber es wird ein ,,Berg" von erst in 20 oder mehr Jahren wirksam werdenden Leistungsverpflichtungen

*) Die Abhandlung basiert auf meiner Diplomarbeit, die ich am Institut fiir Mathematische Statistik und Wirtschaftsmathematik der Georg-August-Universitat zu G6ttingen angefertigt habe.

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vor sich hergeschoben, der dann zum Zeitpunkt der F~illigkeit nicht mehr allein durch die zukfinftig eingehenden Beitr~ge gedeckt werden kann. Deshalb setzt Gessner sich zum Ziel, ,,am sich entwickelnden Bestand stichtagsbezo- gene Bedingungen ffir die Ausgewogenheit von Einnahmen und Ausgaben anzugeben und die Bedingungen laufend zu fiberprfifen" (Gessner [2], S. 318). Beurteilt wird der jeweils am Bilanztermin vorliegende Bestand. Ffir diesen Bestand k6nnen die zukfinftigen Zahlungsstr6me mit genfigender Sicherheit angegeben wer- den. Gessner betrachtet in seinem Modell einen auslaufenden Bestand, um Prognosen fiber den Neuzugang zu vermeiden. Als zukfinftige Einzahlungen stehen dabei jeweils die gezillmerten Nettopr~imien zur Verffigung. (Mehrkosten bei den Abschlui3kosten - auch fiberrechnungsm~il3ige Abschlul3kosten genannt - und bei den Verwaltungskosten sind nach Gessner Aufwand des jeweiligen Gesch~ftsjahrs und vermindern den Kapitalertrag ([3], S. 480), was zur Reduktion des erzielten Istzinses ffihrt. Aus diesem Grund ist der Ansatz der gezillmerten Nettopr~imie zul~ssig.) Zukfinftige Auszahlungen sind die vertraglich vereinbarten Versicherungsleistungen, Rfickk~ufe und UberschuSbeteili- gungen. Die zukfinftigen Zahlungsstr6me definieren aus der Gleichsetzung der Barwerte der zukfinftigen Einnahmen und Ausgaben einen Sollzins. Mit diesem Sollzins mui3 sich gleichbleibend das Guthaben der Versicherten verzinsen, um alle zukfinftigen Zahlungsverpflichtungen erffillen zu k6nnen. Zieht man nun den durch den (Geld- oder Kapital-)Markt festgelegten Istzins, also die tats~ichlich beobachtete Verzinsung des Guthabens der Versicherten, heran, so gestattet die Gegenfiberstellung yon Sollzins und Istzins laut Gessner folgende Interpretation:

,,Nur wenn der Istzins mindestens so hoch ist wie der Sollzins, entspricht die gegenw~irtige Ertragskraft den zukfinftigen Verpflichtungen. Andernfalls mul3 zu- kfinftig mehr ffir das Guthaben der Versicherten erwirtschaftet werden als heute . . ." (Gessner [2], S. 320).

Formal verschieden, aber nach Gessner inhaltlich gleichwertig kann ein zweiter Soll/Ist-Vergleich zur Oberwachung tier Verpflichtungen vorgenommen werden. Gessner betrachtet erforderliche Deckungsmittel (= Barwert der zukfinfigen Ausga- ben abzfiglich zukfinftige Einnahmen, diskontiert mit dem beobachteten Istzins) und vorhandene Deckungsmittel (= momentanes Guthaben des Bestandes). Da sich bei realistischen Zahlungsstr6men die erforderlichen Deckungsmittel umgekehrt zum Disk'ontierungszinssatz verhalten, sich also bei einer Erh6hung des Zinssatzes ver- ringern, sind nach Gessner die folgenden beiden Aussagen gleichwertig:

,, 1. Der Istzins ist mindestens so grol3 wie der Sollzins. 2. Die vorhandenen Deckungsmittel sind midestens so grol3 wie die erforder-

lichen" ([2], S. 320).

Diese Aussage soil ,,Gessnersche Aquivalenzbehauptung" genannt werden. Nach Vorstellung des Modells in der Fachzeitschrift ,,Versicherungswirtschaft" ent- stand ein heftiger Streit, vor allem fiber den Methodenansatz. Wir wollen aber auf die jeweiligen Argumente hier nicht n~iher eingehen, sondern uns nur mit der oben zitierten Aquivalenzaussage befassen. Daffir geben wir zuerst einige Definitionen an:

De.['. 2.1. Ein Versicherungsbestand ohne Neuzugang (im folgenden kurz: Bestand) sei gegeben durch die maximale Laufzeit tier einzelnen Versicherungen - diese sei n Jahre, n 6 ]q - und durch die Einzahlungen Et sowie die Auszahlungen At, t = 0 , 1 . . . . . n.

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Setzt man Versicherungsjahr = Gesch~iflsjahr, so bestehen die Einzahlungen aus den gezillmerten Nettobeitr~igen (=Bruttobeitr~ige abzfiglich Kostenanteile des Versicherungsjahres) und die Auszahlungen aus den Versicherungsleistungen, also keistungen ffir Todes- bzw. Erlebensfiille und Rfickk~iufe sowie aus Gewinnbetei l i- gungen. Et und At seien nicht-negative reelle Zahlen V t, wobei Eo < 0 zugelassen werden soll. L~iuft das v-te Versicherungsjahr von t = v - 1 bis t = v, so m6gen aus Ver- einfachungsgrfinden die Einzahlungen Et jeweils am Beginn des Jahres t + 1 und die Auszahlungen At jeweils am Ende des Jahres t anfallen. Da aber - zumindest ffir Modellbetrachtungen - Periodenende v = Periodenanfang (v + 1) gesetzt werden kann, d.h. das v-te Jahr entspricht dem Zei t raum [ v - 1, v] ffir v = 1 . . . . . n, fallen sowohl E t

als auch At jeweils zum Zeitpunkt t an. Ffir jeden Zeitpunkt t, t = 0, 1 . . . . . n, bilde man nun den Saldo at := Et - At. So erh~ilt man eine Zahlungsfolge a0, al . . . . . an; die Vorzeichen der at k6nnen dabei beliebig oft wechseln (maximal natfirlich n-mal).

De['. 2.2. Der Zins, mit dem sich das Guthaben der Versicherten in einem Gesch~ifts- jahr entwickelt, heiBt Istzins dieses Jahres. Aus Vereinfachungsgriinden wird der Istzins fiber den gesamten betrachteten Zeit- raum [0, n] konstant gesetzt. Wir bezeichnen den Istzins mit i. Aus formalen Gfiinden sei i > - I, wobei 6konomisch sinnvoll natfirlich nur i >_- 0 ist.

1 v . - ist der Abzinsungs- oder Diskontierungsfaktor.

l + i

De['. 2.3. j0 sei der Zins, der zum Zei tpunkt 0, also zu Beginn des ersten Jahres, errechnet wird und bis zum Zeitpunkt n, also zum Ende des n-ten Jahres, erreicht werden muB, damit die Versicherungsleistungen aus Sicht des Zeitpunktes 0 genau finanzierbar erscheinen. jo heiBt Sollzins. Formal sei zun~ichst wieder j0 > - I.

Dell 2.4.

Einzah lungen t - Auszahlungent ~ at ~ vt Co(i) := = at

t=0 (1 + i) t t=0 (1 + i) t t=0

heiBt der Kapital- oder Barwert der Zahlungsfolge ao, al . . . . . an zum Istzins i.

De.]. 2.5. Ein Bestand, der durch die Zahlungsfolge a0, a~ . . . . . an repr~isentiert wird, heiBt genau dann finanzierbar, wenn ffir den Istzins i gilt:

C0(i) ->- O.

Wit betrachten nun im folgenden die Finanzierbarkeitsfrage nur vom Beginn des Bestandes aus; insbesondere betrachten wir also Jo. Das ist der Zinssatz, der aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 erwirtschaflet werden muB, damit die Finanzierung genau ausreichend ist. Das heil3t:

C ~ 1 7 6 = t=0 (1 + j0) - - - - - - ~ = t=0 at w~ = 0 mit

1 w~ 1 +j0

Wir zitieren nochmals Gessner ([2], S. 320):

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,,Da sich fiJr realistische Zahlungsstr6me die erforderlichen Deckungsmittel mit Erh6hung des Diskontierungszinssatzes verringern, sind folgende beiden Aussagen gleichwertig:

1. Der Istzins ist mindestens so grol3 wie der Sollzins. 2. Die vorhandenen Deckungsmittel sind mindestens so grol3 wie die erforderlichen."

Da zum Zeitpunkt t = 0 die vorhandenen Deckungsmittel gleich E 0 - A0 = a0 und die

erforderlichen gleich (At - EO v t = - ~ at v t sind, kann man die beiden Aussagen auch schreiben als: t=l t=t

1. i ~ j o (r v -<- Wo)

2. ao >--- ~ at v t'r ao+ ~ at vt-~O "r ~ at v t~O r162 Co(i)>=0. t = l t = l t=O

Die von Gessner behauptete ~,quivalenz lal3t sich also auch schreiben als

i >--j0r C0(i) ~ 0. (*)

Man erh~ilt den Sollzins nun als L6sung der Gleichung n

C0(J0) = ~ at w6 = 0 t = 0

bzw. als Nullstelle des Polynoms ~ at v t. Da dieses Polynom den Grad n hat, gibt es n

t = 0

nach dem Fundamentalsatz der Algebra also auch n Nullstellen, die komplex und mehrfach sein k6nnen. Von diesen n Nullstellen sind aus 6konomischen Grtinden diejenigen, die nicht zwischen 0 und 1 liegen, uninteressant, weil sie keine sinnvolle Interpretation gestatten, so dab von Interesse fiir die folgenden Betrachtungen nur die Nullstellen zwischen 0 und 1 tibrig bleiben. Deren Anzahl sei No mit 0 =< No---n, ganzzahlig. Gessner gibt nun nicht an, welche Nullstelle er im Falle N o > l als Sollzins heranzieht. Wir wollen folgende Konvention treffen, die uns sinnvoll erscheint:

Def. 2.6. Ist N O ~ 1, so kann man die ,,interessanten" Nullstellen (E der Gr613e nach ordnen, also 0 ~ j~o I) --< j(02) ~ . . . ~ j(0 N~ Fiir den Sollzins/Istzins-Vergleich wird dann die kleinste nicht-negative Nullstelle als Sollzins herangezogen, also

j := rain ~;o,)l;(i,) ist nicht-negative L6sung yon Co(i) = 01 =j~o I) LJO IJO I ~;tt - No

1 Setze noch w :=

l + j "

Wird in Zukunft vom Sollzins gesprochen, so ist damit j im Sinne yon 2.6 gemeint. Um aber diese Schwierigkeiten zu umgehen, werden wir in 3. Bedingungen angeben, die No = 1 erm6glichen. Die ,g, quivalenzaussage (*) l~il3t sich also pr~izisieren zu

i >-j ,:=:, Co(i) ~ 0. (**)

Um zu zeigen, dab die Gessnersche ~quivalenzaussage nicht in jedem Fall gi.iltig ist, ~taf5 sie also gewisser Bedingungen. bedarf, wollen wir zunachst die Finanzierbarkeit fiJr einen Bestand mit Neuzugang ffir den bereits bestehenden Bestand und fiir den

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Neuzugang getrennt prfifen. DaB dabei aber Probleme auftreten k6nnen, zeigt ein Beispiel von Helbig [4], der eine Versicherungskombination angibt, die als Neuzugang auftreten k6nnte und deren Ertragswert negativist.

3. E x i s t e n z - und E i n d e u t i g k e i t s a u s s a g e n und S c h r a n k e n ffir d en S o l l z i n s sowie h i n r e i c h e n d e B e d i n g u n g e n ffir d ie G f i l t i g k e i t d e r

A q u i v a l e n z b e h a u p t u n g von G e s s n e r

Bevor die Bedingungen, unter denen die Gessnersche ~,quivalenzaussage Gfiltigkeit besitzt, angegeben und fiir die gemischte Versicherung diskutiert werden, wollen wir einige Existenzaussagen ffir den Sollzins treffen und dazu jeweils die Eindeutigkeit behandeln, um das Problem. welche der positiven Nullstellen denn nun als ,,der" Sollzins anzusehen ist, m6glichst auszuschlieBen. Danach geben wir, wie oben erw~hnt, Bedingungen an, unter denen Gessners )~quivalenzbehauptung richtig ist und prfifen nach. ob siche diese Bedingungen in der Realit~t auch wiederfinden lassen.

Satz3.1. Weist eine Zahlungsfolge a0, a~ . . . . . an eine ungerade Anzahl yon Vor- zeichenwechseln auf, so existiert mindestens ein reeller Sollzins aus ( - 1, c~).

Beweis. Dieser Satz beruht auf der Vorzeichenregel yon Descartes. Sie sagt aus, dab eine Gleichung n-ten Grades b0xn+ b~ x n-~ + ... + bn = 0 (b0 �9 0, bn 4: 0, bi E ~) p - 2k (k r N0) positive Wurzeln hat (stets gez~hlt mit ihrer Vielfachheit), wenn die Reihe der Koeffizienten b0, bl . . . . . bn p Vorzeichenwechsel aufweist. Negative Sollzinse, also aus dem Bereich ( - 1 , 0 ) , k6nnen hier deshalb auftreten, weil als Variable nicht der Zins i, sondern der Aufzinsungsfaktor 1 + i bzw. der Diskontie-

1 rungsfaktor v = behandelt werden, und v > 0 ~ i > - 1. Diese (zumindest

l + i 6konomische) Schwierigkeit wird im nhchsten Satz durch zusMzliche Bedingungen gel6st. n Satz 3.2. Ist in einer Zahlungsfolge a0, al . . . . . an a0> 0 und C0(0)= ~ at < 0, so existiert mindestens ein positiver Sollzins. t=0

Beweis. Folgerung aus dem Zwischenwertsatz. n

Corollar3.3. Ist ao < 0 und ~ at >0, so existiert ebenfalls mindestens ein positiver Sollzins. t=o Hinreichende Bedingungen fiir die Eindeutigkeit sind genau ein Vorzeichenwechsel in ao, al . . . . . an (Cartesische Regel!) oder zwei Vorzeichenwechsel mit ao< 0 und

r l r l

a t>0bzw, a 0 > 0 u n d ~ a t < 0 . t=0 t=0 Nun kommen wir zum Hauptp.unkt dieses Paragraphen, n~imlich Bedinungen herzu- leiten, fiJr die die Gessnersche Aquivalenzbehauptung giiltig bzw. nicht giiltig ist.

Sat : 3.4. Es sei eine Zahlungsfolge ao, al . . . . . an mit ao 4: 0, an 4:0 gegeben. Diese habe genau einen Vorzeichenwechsel. Istj Sollzins, d. h. also Co(j) = 0, so gilt bei ao > 0 die Gessnersche Aussage (**):

Co(i) >-- 0 ~ i >--j. n

j existiert und ist eindeutig bestimmt mit j > - 1. Falls zus~itzlich Co(0) = ~ at ,~ 0,

ist sogar j > 0. t=0

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Beweis. Folgerung aus der Cartesischen Regel!

Erlduterung. Es ergibt sich also folgende Lage:

Co(i)

-ifj fiir0 >j > - 1,

also ~ a t > 0 t=0

oder

C,( i}

fiirj > 0, wenn die ct,~ ~ ~ Zusatzbedingungenn

Co (0) = ~ a t < 0 erfiillt ist. i t=o

Das schraffierte Gebiet stellt jeweils die .Aquivalenzaussage dar. Die vorausgesetzte Situation, dab erst die Einnahmen und ab einem Zeitpunkt s + 1 die Ausgaben fiberwiegen, diirfte in der Realit~it oft gegeben sein, z.B. bei einer gemischten Versicherung mit gleichem Ablaufzeitpunkt aller Einzelvertr~ige, wenn die c~-Kosten so verteilt werden, dab sie nicht den ersten Beitrag vollkommen verbrau- chen. Wahlt man einen Bestand ohne Neuzugang und setzt eine gewisse ,,Stetigkeit der Sterbequote" voraus (d. h. dab nicht in irgendeinem Intervall sehr viele Mitglieder sterben, die Sterbekurve also eine ,,Zacke" aufweist), so wird in den ersten Perioden die Beitragszahlung die Auszahlungen im Todesfall iibertreffen, da nur relativ wenige sterben und daher relativ viele Beitr~ige eingehen. Im Zeitpunkt n erhalten dann alle, die diesen Zeitpunkt erlebt haben, ihre Versicherungssumme, die natfirlich gr6ger ist als ihr letzter Beitrag, so dab in n die Auszahlungen klar iJberwiegen. Dies kann auch schon in n - 1 oder noch friiher der Fall sein, wenn die Sterbequote relativ hoch ist, so dab vielen Auszahlungen immer weniger Beitrgge gegentiberstehen.

Die Zusatzbedingung ~ at < 0 ist ebenfalls meistens erfiillt. Sie sagt ja nichts anderes t = 0

aus, als dab die (undiskontierte) Summe der Beitr~ige kleiner ist als die Summe aller Versicherungssummen, und dies ist meistens gegeben. Beispiel: Ein 20j~ihriger zahlt bei einer Versicherungssumme von 20000 DM, die im 60. Lebensjahr f~illig wird, bei j~ihrlicher Beitragszahlung ungef~ihr 17 100 DM. Da die Beitr~ige in Sterbef~ilten aber nicht alle eingehen, verschiebt sich diese Ungleichheit noch weiter.

Corollar 3.5. Es sei wieder eine Zahlungsfolge mit einem Vorzeichenwechsel gegeben. Ist j Sollzins, so gilt fiir a0 < 0:

i > j ~ C0(i) < 0 und C0(i) > 0 ~ i < j

j existiert, ist eindeutig und j > - 1. Fiir C0(0) = ~ at > 0 ist sogar j > 0. t = 0

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Dieser Fall widerspricht der Gessnerschen )kquivalenzaussage (**).

Beweis. Obergang at ~ - at. Es ergibt sich also folgende Lage:

Co(i)

{3O[ --

oder

~176 for o> j> - I for j>O

Dabei widersprechen das schrag schraffierte und das senkrecht schraffierte Gebiet jeweils der ,~quivalenzaussage, da sie C0(i) > 0 r i < j bzw. i > j r162 C0(i) < 0 be- sagen. Die obige Situation besagt, dab bis zu einem Zeitpunkt s < n die Auszahlungen und danach die Einzahlungen bei einem Bestand iiberwiegen. Dieser Fall ist ffir eine gemischte Versicherung wohl fast unm6glich, denn zumindest im letzten Zeitpunkt n iiberwiegen die Auszahlungen, also an < 0, da dann die Versicherungssummen fiir die noch lebenden Mitglieder des Bestandes und fiir diejenigen, die in der letzten Periode [n - l, n] gestorben sind, fallig werden. Diese Auszahlungen iiberwiegen natiirlich die Einnahmen (= Beitr~ige), da diese nur einen Bruchteil der Versicherungssumme pro Periode ausmachen. Auch ein Vorzeichenwechsel yon as < 0 zu as+l > 0 ist kaum vorstellbar, wenn dann as+2 . . . . . an > 0 bleiben sollen. Ohne Neuzugang ist das wohl nicht m6glich. LiiBt man Neugeschafte zu, also die Erh6hung der Versicherungssumme oder die zus~itz- liche Einrichtung neuer Versicherungen mit Ablaufdatum n durch Mitglieder des Bestandes, so erh6ht sich fiir diese Mitglieder der Beitrag, was einen Vorzeichen- wechsel erm6glichen k6nnte. Dennoch bleibt a, < 0 fiir gemischte Versicherungen!

n

Die Zusatzbedingung ~ at > 0 lieBe sich durch zwei Speziall?alle erfiillen. Einerseits t = 0

ware es denkbar, dab ein Bestand nur aus sehr alten Mitgliedern besteht, die ihre Versicherungen fiir m6glichst kurze Dauer abschlieBen. Beispiel: Ein 60jahriger zahlt bei einer Versicherungssumme von 10000DM und 5jahriger Laufzeit etwas fiber 10000 DM Beitr~ige, da das Risiko fiir das VU sehr hoch ist. (Aber: Ein 20jahriger in

n

diesem Bestand wiegt viele 60jahrigen wieder aufl) Der zweite Fall for ~ a t > 0 be- t=0

steht dann, wenn w~ihrend der Laufzeit die Versicherungssumme erh6ht werden soil (Neugeschaft!). Dies bedeutet natiirlich Beitragserh6hung, wenn man die Gewinn- verteilung einmal auBer Betracht l~iBt. Hat sich inzwischen das Risiko aber wesentlich erh6ht, z. B. durch schwere Krankheiten, so steigt der Beitrag auch wesentlich starker als die Versicherungssumme. Liegt die Erh6hung der VS nun zu Beginn der Laufzeit

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des Vertrages und ist bis dahin eine drastische Risikoerh6hung fi~r das VU eingetreten, so kann die Summe der Beitr~ige die VS i~bersteigen.

Satz 3.6. a0, a~ . . . . . an mit a0 =t= 0, an =1 = 0 sei jetzt eine Zahlungsfolge mit zwei Vor- n

zeichenwechseln. Ist ao > 0 und ~ at < 0, so gilt (**): t = 0

Co(i) --> 0 <=~ i >_-j.

j sei dabei Sollzins. j existiert, ist eindeutig und positiv. Beweis. Nach Descartes gibt es zwei positive Nullstellen 1 + jl, 1 + j2 oder gar keine. Letzterer Fall wird durch den Zwischenwertsatz ausgeschlossen. Also gibt es zwei positive Nullstellen l + j l , 1 +j2. Eine davon ist aber < 1 (CE sei dies 1 +j ] , d.h.

j l < 0 ) , da C o ( 0 ) = ~ a t < 0 und lim Co(i)= lira Co( i )=+oo wegen an>0 . t = 0 i ~ - I I/(1 +i)~

Das heil3t, in ( - 1, 0) liegt Jl. Beide Sollzinse Jl, J2 k6nnen nicht in ( - 1, 0) liegen, da sonst C0(0)>0 sein mfil3te. Also gibt es genau eine Nullstelle l + j > 1 <=>j > 0. Es ergibt sich folgendes Bild:

Co(i)

Qo

Dieser Fall kann bei gemischten Versicherungen wegen an > 0 kaum eintreten, n

w~ihrend ~ at < 0 recht wahrscheinlich ist. t = 0

Corollar 3. 7. ao, a= . . . . . an habe wiederum zwei Zeichenwechsel. Ist jetzt ao < 0 und

~ a t > 0, so gilt fiir positive i t = 0

Co(i) > 0 = i < j bzw. i > j ~ Co(i) < 0 .

Beweis: ISbergang a t - ' - at. Es tritt also nicht die )~quivalenzaussage (**), sondern folgend Situation ein:

I -1

Co(i)~

J Oo

I

Im senkrecht schraffierten Teil gilt i > j <~ Co(i)< 0, und im waagerecht schraf- fierten Gebiet ist Co(i) > 0 <~ i < j. Beides widerspricht (**). Die Voraussetzungen dieses Corollars besagen, dab zu Beginn der Laufzeit die Auszahlungen durch die Einnahmen nicht gedeckt werden, dab ab einem Zeitpunkt Sl

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dann aber die Einnahmen und ab einem Zeitpunkt s 2 (n >_- s2 > s~ ->_ 1) wieder die Ausgaben dominieren. Das ist bei gemischten Vertragen mit gleicher Laufzeit n und gleichem Beginn 0 z.B. dadurch mSglich, wenn man zum Zeitpunkt 0 die ~-Kosten des VU beriicksichtigt. Diese ,,verbrauchen" oft den ersten Beitrag. Also ist a0 < 0 mSglich. Nun kann man st = 1 setzen und wie vorhin s2 nahe zu n legen. Die Erffillung

n

der zweiten Bedingung ~ at > 0 ist fiir gemischte Versicherungen nur in ausgespro- t=0

chenen Extremf~illen m6glich. Bisher war die Anzahl der Zeichenwechsel in der Zahlungsfolge vorgegeben. Dies soll jetzt verallgemeinert werden. Im n~ichsten Satz ist die Anzahl der Zeichenwechsel beliebig (aber ungerade).

Sat- 3.8. a0, a~ . . . . . ao sei eine Zahlungsfolge mit a0 4: O, an 4: O. n' sei ein beliebiger (ganzzahliger) Zeitpunkt, 0 < n '-< n. Kumuliert man nun ftir alle Perioden die bis dahin angefallenen nicht-diskontierten Zahlungen und sind diese fiir die Perioden O, 1 . . . . . n' - l nicht-negativ, jedoch ffir n' negativ, und sind die Zahlungen aller Folge- perioden nicht-positiv, so existiert genau ein positiver Sollzins j, und es gilt (**). Die Bedingungen lauten also

to

a t >-- 0 ftir to: 0 <-- to ~ n' - 1 t=O

r l '

Z a t < 0 t=0

- - t a t < 0 , t - - n , . . . . n

Der Beweis stammt gr613tenteils aus [8], S. 103- 105.

(i)

(ii)

(iii)

Beweis. a) Zuerst wollen wir die Existenz und Eindeutigkeit eines positiven Sollzinses zeigen. Die Existenz eines Sollzines J l > - 1 folgt wieder mit Descartes, da a0 > 0 (to = 0 in (i)) und a~ < 0 (aus (iii)). Dai3 es sogar einen positiven gibt, folgt aus a0 > 0

n

(nach (i)) und ~'~ at < 0 mit (ii) und (iii). t = 0

Ffir die Eindeutigkeit reicht es zu zeigen, dab C0(i) in jeder Nullstelle j > 0 steigend ist, denn ffir jede differenzierbare Funktion miissen die Ableitungen in zwei aufeinan- derfolgenden einfachen Nullstellen verschieden im Vorzeichen sein. Aus der Einheit- lichkeit des Vorzeichens folgt dann die Eindeutigkeit der Nullstelle.

T

Definiere die Funktion DT(i) = ~ at vt-T, 0 ~< T ~ n, mit Dn(i) = D(i). Wegen n n t=0

D (i) = ~ at v t - n = v -n ~ at v t = v -n C0(i ) s ind d ie N u l l s t e l l e n d e r b e i d e n F u n k t i o n e n t=0 t=0

D(i) und C0(i) dieselben. Da C~(j )=wnD'( j ) und w n > 0 , stimmen auch die Vorzeichen der Steigung in den Nullstellen fiberein, so dab statt C0(i) in den Nullstellen auch D (i) betrachtet werden darf.

n n

Nun ist D ' ( i ) = D~(i)= ~ ( n - t ) a t v t+l-n= ~'~ Dt( i )v t+l-n. Damit D ' ( i ) > 0 ist in t=0 t=0

den Nullstellen, reicht es also zu zeigen, dab die Dr(i) nicht-negativ sind in den Null- stellen und dab mindestens ein Summand positivist. Dies soll nun bewiesen werden.

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Page 10: Der Finanzierbarkeitsnachweis und die Äquivalenzbehauptung von Peter Gessner in der Lebensversicherung

ao = Do(i) > 0 nach (i)

T

Annahme." DT(i) -->--- ~'~ at ftir T < n ' - 1 t=0

1 =~ DT+I (i) = - ~ DT(i) + aT+l ~ DT(i) + aT+l nach (i)

T T+I

> - - - ~ a t + a T + l = ~ a t >--0 nach(i) . t=0 t=0

Also ist nach Induktion DT(i) >---- 0 ftir T = 0, 1 . . . . . n' - 1 ffir alle i > 0, also insbeson- dere auch ffirj!

t Betrachte nun noch T = n . . . . . n. 1

Wegen C0( j )= 0, also auch D ( j ) = Dn( j )= -~-Dn- I ( j ) + a, und wegen an ~ 0 nach

(iii) ist Do_ ~ (j) ~ O.

Annahme." DT(j) ~ 0 ~ DT-l( j ) = v (DT(j) -- aT) --~ V DT(j) >-- 0

mit (iii): - aT -- 0 ftir T = n', . . . . n. Durch lnduktion folgt also auch fiJr T = n', . . . . n: Dr( j ) ~ 0, insgesamt also DT(j) g 0 fiir T = 1 . . . . . n und D0(j) > 0. Somit ist die Eindeutigkeit vonj bewiesen b) Da mit D'(j) > 0 auch C;(j) > 0 folgt (und umgekehrt), ist auch (**) richtig! c) Eine Zahlungsreihe, die mit einer Einzahlung beginnt und die genau einen Vor- zeichenwechsel aufweist, erftillt stets die Bedingungen ( i ) - ( i i i ) aus diesem Satz. (Dabei fallen die Wechselstelle s und n' natiirlich nicht unbedingt aufeinander, in der Regel ist s < n'.) Deshalb ist 3.8 umfassender als Satz 3.4, da hier jede ungerade Zahl =< n von Zeichenwechseln zugelassen wird. Aber auch 3.8 enth~ilt nur hinreichende Bedingungen ftir die .Aquivalenzaussage. d) Die oben durch ( i ) - ( i i i ) beschriebene Situation tritt z.B. dann auf, wenn man ~, fl, ?-Kosten so verteilt, daB gilt: a0 > 0. Ist die Sterblichkeitsquote zuerst relativ gering und am Anfang nur in Ausnahmen relativ hoch, so werden in der Regel die Einnahmen die Ausgaben iiberwiegen und X at wird positiv sein. Steigt die Sterblich- keitsquote im Durchschnitt an, so geht Z" at gegen 0 und wird einmal negativ; wenn sie so hoch ist, daB die Beitr~ige nicht mehr ftir die Zahlung der VS an Verstorbene ausreichen, sind die Glieder der Zahlungsfolge bis zum Ende negativ. Die Sterbe- quote braucht also nicht so ,,glatt" oder kontinuierlich (wie in Satz 3.4) zu verlaufen, sondern sie darf auch ,,Zacken" in begrenzter H6he haben, was bewirkt, daB zu einzelnen Zeitpunkten die auszuzahlenden VS die eingehenden Beitr~ige/iberwiegen. Werden dabei die bereits angesammelten (unverzinsten) Deckungsriickstellungen nicht v611ig verbraucht, so bleibt S at ~ 0, und (i) ist erfiillt. Forderung (ii) ist dann erf/illt, wenn vor dem Zeitpunkt n' entweder eine sehr groBe ,,Zacke" auftritt oder

n ' - I

wenn ~ at zwar noch positiv, aber sehr klein ist und die Sterblichkeitsquote in t=0

[n' - 1, n'] genfigend grog ist. (iii) schlieglich bedeutet, dab schon viele Mitglieder des Bestandes gestorben sind, also nur noch wenig Beitr~ige flieBen oder dab ab n' relativ viele in jeder Periode sterben, so daB groge Auszahlungen an VS zu t~itigen sind.

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Page 11: Der Finanzierbarkeitsnachweis und die Äquivalenzbehauptung von Peter Gessner in der Lebensversicherung

Corollar 3.9. a0, at . . . . . an mit a0 4: 0, an 4:0 erfOlle folgende Bedingungen: T

a t~O t=o

for T : 0 - < T _ - < n " - 1, 0-< n"-< n (i') n "

at > 0 (ii') t=0

at -->-- 0 ftir t = n", . . . . n. (iii')

Dann existiert genau ein positiver Sollzins j. Es gilt for i > 0:

C 0 ( i ) > 0 ~ i < j und i > j ~ C 0 ( i ) < 0 .

Beweis. at ~ - at. Wegen an > 0 nach (iii') kommt dieser Fall aber wohl nicht in der Praxis vor. Bisher wurden Bedingungen an die Vorzeichen oder an die Anzahl der Vorzeichen- wechsel einer Zahlungsfolge bzw. deren nicht-diskontierte Summe oder an Teil- summen gestellt. Nun wollen wir noch einen Satz angeben, der nicht die Salden at, sondern die Einzahlungen Et und die Auszahlungen At jeder Periode t getrennt berOck- sichtigt (siehe auch Def. 2.1). Zuerst soll eine Definition den Begriff des Zeitzentrums festlegen:

Definition3.10. Das Zeitzentrum einer Zahlungsfolge von Einzahlungen Et und Auszahlungen At, t = 0, 1 . . . . . n, ist der mittlere Zahlungstermin tE (der Einzahlungs- folge) bzw. tA (der Auszahlungsfolge), in dem der Barwert der Zahlungsreihe gleich der einfachen Summe der (nicht diskontierten) Zahlungen ist. Es gilt also (siehe LOcke [5], S. 390):

C~ A) (i):= ~ At vt= v t̂ ~ At t=0 t=o

bzw. I 1 i r l

c~E)(i) := ~ Etv t= v t~ ~ Et. t=0 t=0

Die Zeitzentren tz bzw. ta h~ingen also vom Istzins i ab! Deswegen schreiben wir in Zukunft tE(i) und ta(i). Damit C~E)(i) _ 0 ist, setzen wir hier die Kosten, die zum Zeitpunkt t = 0 anfallen, als Ausgaben, also A0, an!

Satz 3.11. Sei No = 1 und sei j der dann eindeutig bestimmte positive Sollzins. Dann gilt die Gessnersche Aquivalenzaussage (**), wenn tE(i) < tA(i) V i > 0.

Beweis. Fiiri = j gilt nach Def. 3.10

t=o t=o

und n c~E)(J) = ~ Et wt= wtE(J) Z Et. (ii)

t=O t=o

Weiterhin ist Co (j) = O, also C~) E) (j) --~ C~ A) (j). Wegen (i) und (ii) gilt also:

wtn(J) At= wtE(J) Z Et. (iii) t=0 t=0

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Nun ist tE (i) < tA (i) 'V' i > 0 nach Voraussetzung

~ At > ~ Et wegen (iii)und w <1 t = 0 t = 0

~ E t - ~ At = ~'~ a t = C 0 ( 0 ) < 0. t=0 t~0 t=0

Damit ist Satz 3.11 bewiesen.

Erlduterung. tE(i)< tA(i) bedeutet, daB ,,die Einzahlungen im ganzen gesehen vor den Auszahlungen" erfolgen (Liicke [5], S. 183). Gerade das beschreibt Gessner ([2], S. 317) aber fiir Lebensversicherungsbestiinde als typisch, wie wir in 2. auch schon zitiert haben. Das bedeutet, dab die Forderung tE(i)< tA(i) in den meisten Fallen der Praxis auch erftillt ist, und so ist mit Satz 3.11 ein weiteres Indiz fiir die fiir die Pra- xis anzunehmende Gfiltigkeit der Gessnerschen Aquivatenzaussage gegeben.

Corollar 3.12. Aus Gleichung (iii) IN3t sich der Sollzins scheinbar recht einfach be- rechnen, denn es ist

t = 0 - - W t ^ ( j ) - t ~ ( j ) = (1 + j ) t E 0 ) - t A ( j )

t = 0 - Et

, ~ j = ~ & - l . !/ w t = 0 n n

Man sieht, dab der so bestimrnte Sollzins j positivist wegen ~ Et < ~ At und tE(i)-- tA(i) < 0 Vi > 0. t=0 t=0 Allerdings ist dieger Sollzins wegen der Abh~ingigkeit der Zeitzentren vom Istzins i nicht mehr ,,intern", sondern er wird ,,extern" beeinfluBt: Bei unterschiedlichen Ist- zinsen ergeben sich unterschiedliche Zeitzentren tE(i) bzw. tA(i), und damit werden auch unterschiedliche ,,Soll"-zinsen bestimmt! Soil der wirkliche Sollzins j mit CoO)= 0 mit obiger Formel errechnet werden, so muB er als Istzins i zur Bestimmung yon tE (i) und tA(i) angesetzt werden und somit bereits bekannt sein! Dies hat auch Boulding [1] erkannt: ,,Now, we cannot find the true values of the time centres without knowing the rate of return - . . . the true value[s] of the time centres contain i" (S. 216). Um die Berechnung yon j dennoch mit obiger Formel durchfiihren zu k6nnen, kann man die Bouldingschen N~iherungsl6sungen for tE (i) bzw. tA (i) verwenden:

~'~ t gt ~'~ t At tE- t:o bzw. L, t:o

~ E t ~ A t t = 0 t = 0

(Liicke [5], S. 32 f.; Boulding [l], S. 200, Gleichungen (9) und (10)). Boulding erzielt diese N~iherungen, indem er die Reihenentwicklung

(1 + i ) - t = 1+ ( - t ) i + ( - t ) ( - 1 - t ) i 2 + . . . l 2

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nach dem zweiten Glied abbricht und ( I+ i ) - t~ 1 - t i erh~ilt, t = t E bzw. t= tA in die Definitionsgleichung der Zeitzentren eingesetzt, ergibt die N~iherungsl6sungen. Diese Ausdrticke sind erstens leichter zu berechnen und haben zweitens die sehr nfitz- liche Eigenschaft (siehe oben!), dab sie nicht mehr vom Istzins i abh~ingen.

Corollar 3.13. Ist No = 1 und ist j der dann eindeutig bestimmte positive Sollzins und ist tE (i) > tA(i) V i > 0, SO l~13t sich die Gessnersche Aussage nicht erffillen, denn es gilt:

tE(i) > tA(i) ~ {C0(i) > 0r162 i < j ] bzw.

tE(i) > tA(i) ~ {i > j <=:, C0(i) < 0}.

Der Fall tE( i )> tA(i) ist abet ftir die Praxis v611ig irrelevant, wenn man Versiche- rungsbestdnde betrachtet.

4. B e r f i c k s i c h t i g u n g von N e u z u g a n g und O b e r g a n g s o l c h e r B e s t ~ n d e in den B e h a r r u n g s z u s t a n d

Bisher haben wir uns darauf beschr~inkt, Best~inde ohne Neuzugang zu betrachten; diese Best~inde laufen nach einer endlichen Zeit aus, weil ihre Mitglieder durch Todes- oder Erlebensfall (oder auch durch Stornierung, die aber eine relativ unbedeu- tende Rolle spielt) ausscheiden und nicht ersetzt werden. Rechnet man bei einem Bestand nicht mit Neuzugang, spricht man auch yon einer geschlossenen Gesamtheit. Diese Beschr~inkung bedeutet natfirlich eine starke Abweichung von der Realit~it, denn in der Regel handelt es sich bei Versicherungsbest~inden um sogenannte offene oder sich erneuernde Gesamtheiten, in die auch neue Mitglieder eintreten k6nnen. Es ist also sinnvoll und nfitzlich, sich mit Versicherungsgesamtheiten zu befassen, in denen gleichzeitig Zu- und Abg~inge zu berficksichtigen sind. Deshalb wollen wir die Best~inde nun um Neuzugang erweitern. Eine M6glichkeit, die Finanzierbarkeit solcher Best~inde zu prfifen, ist - wie in der Einleitung schon erw~ihnt - die getrennte Betrachtung von bereits bestehendem Be- stand einerseits und von Neuzugang andererseits. Dai3 dabei Probleme auftreten k6nnen, haben wir an dem Beispiel von Helbig gesehen; dort war die Finanzierbarkeit der vorhergesagten 15berschul3beteiligung ffir eine bestimmte Versicherungskombina- tion nicht gew~hrleistet. Es ist also zu fiberlegen, ob solche Versicherungen angeboten und damit als m6glicher Neuzugang zu einem bereits bestehenden Bestand zugelassen werden sollen. ,,Die Entscheidung darfiber wird wohl nur unter Berficksichtigung des in einem Bestand gegebenen Ausgleichs fallen k6nnen." (Helbig [4], S. 313.) Man verwirft also Trennung yon bestehendem Bestand und Neuzugang und fordert stattdessen, dab die Finanzierbarkeit des gesamten Bestandes gew~ihrleistet, sein soll. Bei einem Neuzugang, der Verlust bringt, ist dies solange der Fall, wie der UberschuB des bestehenden Bestandes diesen Verlust noch ausgleichen kann. Wir befassen uns in diesem Paragraphen also mit einem Bestand in seiner Gesamt- heit. ,,Besonders wichtig sind jene F~lle, bei denen sogenannte asymptotische Aussagen fiber die Entwicklung einer Personengesamtheit gemacht werden k6nnen. Darunter versteht man die Entwicklungstendenzen einer solchen Personengesamtheit nach einer gr613eren Anzahl yon Jahren. Theoretisch wird natfirlich der Grenzfall betrachtet, dab die Anzahl der betrachteten Jahre gegen ~ geht. Besonders wichtig ist jener Fall, in dem im Laufe der Jahre eine sich erneuernde Gesamtheit gegen eine bestimmte Grenzlage ... konvergiert. Man

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sagt in einem solchen Falle, dab die sich erneuernde Personengesamtheit einem Be- harrungszustand zustrebe." (Saxer [7]; S. 185 f.) Wir wollen uns hier nicht mit Personen befassen, wie es die sogenannte Erneuerungs- theorie tut, sondern nur Leistungen berficksichtigen und einen Bestand betrachten, der zur Zeit t = 0 entsteht und dessen Personengesamtheit sich so entwickelt, dab von einem Zeitpunkt t = T (T e N) ab sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben kon- stant verlaufen. Diesen Zustand nennt man absoluten Einnahmen-Ausgaben-Behar- rungszustand. Dazu bemerken wir: Der absolute Einnahmen-Ausgaben-Beharrungszustand ist ein Spezialfall des relativen Einnahmen-Ausgaben-Beharrungszustandes, der dadurch charakterisiert wird, dab sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben in jeder Periode ftir jede im Bestand weilende Generation um einen bestimmten Prozentsatz steigen oder auch fallen�9 Dieser Prozentsatz kann von gewissen Parametern, z.B. von der Zeit t, abhSngig sein. Setzt man aber diesen Prozentsatz in allen Perioden ffir den gesamten Bestand gleich 0, so erh~ilt man den absoluten Einnahmen-Ausgaben-Beharrungszustand. (Reichel [8], S. 258) Hat der Bestand also zur Zeit T den Beharrungszustand erreicht, so ~indern sich insbesondere die Zahlungsstr6me nicht mehr. (l]ber den Verlauf der Zahlungsstr6me in der ,,Einschwenk-" oder ,,Anlaufphase", also zu den Zeitpunkten t = 0, 1 . . . . . T - 1, machen wir vorerst noch keine Aussagen.) Solch ein Bestand l~ii3t sich also durch folgende unendliche Zahlungsfolge beschrei- ben:

ao = bo, al = bl . . . . . aT = bT, aT+l = bT, aT+2 = bT . . . . mit b0 # 0, bT =1 = 0.

Unser Ziel ist es nun, Voraussetzungen ffir die Giiltigkeit der Aquivalenzbehauptung (**) zu schaffen. Dabei wollen wir die bereits bewiesenen S~itze und Corollare 3.4 bis 3.9 anwenden. Zun~ichst berechnen wir den Kapitalwert der obigen Zahlungsfolge. Wie bei den Best~inden ohne Neuzugang sei auch hier der Istzins fiber die gesamte Laufzeit konstant gesetzt. Er wird wieder mit i bezeichnet. FOr i > 0 gilt:

T-1 ~ T - I V T

Co(i )= at v t= ~'~ b tv t+ by v t= ~ b tv t+ bT - . t=0 t=0 t=T t=0 1 -- V

Beschranken wir uns auf i > 0, so sind die Nullstellen von Co(i) - und nur diese interessieren uns! - dieselben wie die des Polynoms (~0 (i) := ( l - v) Co (i), da (1 - v) > 0 und lim Co(i) = (sgn bT)" ~ = + ~ 4: 0.

i---* 0

Ist j eine positive Nullstelle, so sind aui3erdem die Vorzeichen der ersten Ableitungen von Co und (~0 and der Stelle j gleich, denn

C6 (j) = ~ c6 (j).

Wir erhalten also wegen T T

C 0 ( i ) = ~ ( b t - b t - 0 v t = ~ c t v t mit b - l : = 0 t=0 t=0

als neue Koeffizienten: ct = b t - b t - i , t = 0, 1 . . . . . T mit b-1 = 0. Wegen b t - bt-i = ( E t - At) - . . ( E t - i - At-l) = (Et+ At-l) - (Et-i + At) lassen sich diese Koeffizienten deuten als Anderung des Zahlungsstromes eines Jahres gegentiber

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dem des Vorjahres. Die Differenz b t - b t - i gibt also eine Art Reservenbildung (oder Reservenabbau ftir negative c0 wieder. Um die Voraussetzungen ffir die Giiltigkeit der Gessnerschen )~quivalenzbehauptung auch fiir Best~inde, die zu einem Zeitpunkt T in den Einnahmen-Ausgaben-Behar- rungszustand fibergehen, zu best immen, wenden wir jetzt die in 3. bewiesenen Siitze auf die oben definierte Zahtungsfolge Co, cl . . . . . CT an und berechnen damit Bedin- gungen fiir die ursprtingliche Zahlungsfolge bo, bl . . . . . bT, bT . . . . AuBerdem behan- deln wir wieder wie in 3. kurz die Realit~itsn~ihe der erhaltenen Bedingungnen.

Ftir die Beweise yon 3.4 bis 3.7 ben6tigte man die Bedingung Co(0) -- ~ at > 0 oder t=0

Co(0) < 0. Nun ist Co(i) an der Stelle i = 0 nicht definiert. Wie man aber leicht sieht, lassen sich diese Beweise auch durchftihren, wenn i klein genug ist und dann lim Co(i) X 0 gilt. Deshalb berechnen wir noch lim Co(i). i-~O i-*O

Es ist

l i m C o ( i ) = l i m [ ( 1 - v) ~ b t v t + b T v T l = l i m ( b t - b t _ l ) V t i ---, 0 i~O t=O v ~ l t=O

T

= ~ { ( b t - b t - 0 ' l } = b T * 0 . t=0

Corollar 4.1. Die Aquivalenzaussage (**) ist gfiltig, wenn es einen Zei tpunkt s gibt (0 == s_-< T - 1), so dab sowohl b s > bs-i >-- ... >-- b0 > 0 als auch b s > bs+j => ... ~ bT gilt. AuBerdem existiert dann genau ein Sollzins j > - 1. Dieser ist positiv ftir b r < 0.

Beweis. Die Voraussetzungen von Satz 3.4 waren

(i) 1 Vorzeichenwechsel und a0 > 0 (ftir die Existenz eines Sollzinses und dessen Ein- deutigkeit sowie ffir die Gtiltigkeit der )~quivalenzaussage (**)) und

(ii) C0(0) = ~ at < 0 (ffir die Positivigit des Sollzinses). t = 0

Diese Voraussetzungen werden jetzt tibertragen.

(i) Sei s, 0 -< s _-< T - 1, die Stelle des Vorzeichenwechsels, also ist Co > 0 (~ ao > 0) und cl>-_0 . . . . . Cs_l>_-0, C s > 0 sowie Cs+~<0, Cs+2=<0 . . . . , C T = 0 . Auf die bt fibertragen erh~ilt man also

b0 > 0 ~=~Co > 0 bl >--bo **c~ >=0

bs~-I >- b s - 2 ~ Cs-I ->-- 0

bs > b s - I ~ C s > 0 .

Das bedeutet zusammengefaBt: bs > bs-i ->- bs-2 ~ ... >-- bo > 0. Ebenso erh~ilt manwegencs+~ < 0, Cs+2 =< 0 . . . . . CT----< 0: b s > bs+~ >-- bs+2 >-- ... == bx.

n

(ii) Die Bedingung Co (0) = ~ at < 0 geht tiber in lim (~o (i) < 0 ~ bT < 0. t=O i~O

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Erlduterung. Die Zahlungsfolge b0, b~ . . . . . bT, bT . . . . muB also ungef~ihr folgenden Verlauf nehmen:

bT I ~ o ~ I

In der Praxis ist ein Verlauf der Zahlungsstr6me, wie er ffir dieses Corollar gefordert wird und oben skizziert ist, durchaus wahrscheinlich, denn er besagt, dab der Bestand zuerst mit progressiver und dann mit degressiver Steigung Reserven ansammelt, die er dann ganz oder teilweise wieder verbraucht. Der Beginn dieses Zeitraumes ist in dem Schaubild mit s' gekennzeichnet. Trotz bT < 0 kann der Bestand finanzierbar sein, da durch die Diskontierung das finanzielle Gewicht der sp~iteren Zahlungen rasch abnimmt!

Corollar 4.2. Wenn es einen Zeitpunkt s gibt (0 _-< s-< T - 1 ) mit b~ < b~_~_- < bs-2 --< ... --< b0< 0 und bs< b~+t--< bs+2- -< ... --< bT, so existiert genau ein Sollzins ffir die Zahlungsfolge b0,.bl . . . . . bT, bv . . . . . der f~ir bT > 0 positivist. Die Gessnersche Aquivalenzbehauptung ist nicht gfiltig.

Beweis. Ubergang bt ~ - bt.

Erlduterung. Die Zahlungsfolge mfiBte ungef~ihr folgenden Verlauf nehmen:

bt

11.-

Dieses Verhalten ist recht unwahrscheinlich. Ein solcher Verlauf k6nnte sich ergeben, wenn die Sterblichkeit des Bestandes fiber eine l~ingere Phase von Beginn des Bestan- des an extrem hoch ist, so dab das VU schon sehr schnell hohe Leistungen erbringen mul3. Erst durch laufenden Neuzugang mit einer ,,ann~ihernd normalen" Sterblichkeit verringern sich die Leistungsfiberschfisse des VU, bis sie (ab s") in einen Einzahlungs- fiberschuB umschlagen. Ein Bestand mit dem oben dargestellten Zahlungsverlauf beinhaltet natfirlich auch grol3e Liquidit~itsprobleme. Es muB also eine Vorfinanzierung erfolgen. In einigen Sonderf'~illen kann diese Situation auftreten, z.B. bei berufst~indischen Ver- sorgungsunternehmen mit ,,alter Last".

Corollar 4.3. Die Zahlungsfolge b0, bl . . . . . bT, bT . . . . eines Bestandes im Einnahmen- Ausgaben-Beharrungszustand erffille folgende Bedingungen: Es gibt 2 Zeitpunkte sr und s2 (0 _-< sl < s2 - -< T - 1), so dab bs,> bs,-i--> ... >-- b0 > 0, bsl> bs,+~--> ... >-- bs2-J > bs~ und bT> bT-i ----> ... ----> b~,j > b~ 2 mit bv< 0. Dann existiert ein Sollzins, der ein- deutlg und positivist, und die Aquivalenzaussage ist gfiltig.

Beweis. Ahnlich wie bei Corollar 4.1 mit den Voraussetzungen des Satzes 3.6.

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Erla'uterung. Es ergibt sich also folgende Situation:

bt

bo

bT S2 T ; ;

I

Es werden wiederum bis s' Reserven angesammelt (erst mit zunehmender, dann mit abnehmender Steigung), die der Bestand dann ganz oder teilweise verbraucht. Dabei hat der AuszahlungsiiberschuB auch erst steigende und ab s2 fallende Tendenz. Dieser Fall k6nnte z.B. dadurch auftreten, dab im Zeitraum von s' bis s2 so viele Erlebens- falleistungen f~illig werden, dab diese Leistungen durch die eingehenden Beitr~ige des urspriinglichen Bestandes und des Neuzugangs nicht gedeckt werden k6nnen, weil der Neuzugang erst versp~itet, d. h. zu t = to > 1, eingesetzt hat. Ab t = s2 ist genfigend Neuzugang vorhanden, so dab die Differenz von Auszahlungen und Einzahlungen wieder abnimmt und zum Zeitpunkt T eine konstante Gr6Be annimmt.

Corollar 4.4. Falls es 2 Zeitpunkte sl und s2 (0 -< sl < s2 --< T - 1) gibt mit 0 > b0 --> bl >=...=>bs,-i>bsl, bsl<bs~+l--<...-<bs~-l<bs~ und bs2>bs2+l=>.. .=>bT_l>bT mit bT > 0, so existiert ffir diese Zahlungsfolge ein eindeutiger und positiver Sollzins, aber die .~quivalenzaussage von Gessner ist nicht giiltig.

Beweis. lSbergang bt ~ - bt.

Erlduterung. Es ergibt sich folgende Situation:

bti

bT

bo s 2 T

)~hnlich wie bei Corollar 4.2 ist auch dieser Verlauf recht unwahrscheinlich und birgt auBerdem Liquiditatsprobleme in sich.

Corollar 4.5. Es sei 0 =< T' -< T ein beliebiger ganzzahliger Zeitpunkt. Gilt bt ~ 0 fiir t = 0, 1, . . . , T ' - 1 und bT -< bT-I -< ... --< bT,< 0, SO existiert genau ein positiver Soll- zins j fiir die Folge b0, bl . . . . . bT, bT . . . . Fiir diesen Sollzins besitzt die Gessnersche Aquivalenzaussage Giiltigkeit.

Beweis. Mit den obigen Bedingungen wollen wir die Voraussetzungen des Satzes 3.8 to

~-'~at-->0 ffir 0 - - t 0 = < n ' - I (i) t = 0

n'

~'~ at < 0 (ii) t = 0

a t =< 0 ffir t = n', . . . . n mit 0 _~ n'--< n (iii)

113

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erffillen. Es ist to to

ct = ~ ( b t - bt-l) = bto >-- 0 ffir 0 -_< to---- T ' - 1 (i) t=o t=o

T'

Z Ct = bx' < 0 (ii) t=0

b t - < b t _ l . e : ~ c t = b t - b t _ 1 6 0 fiir t = T ' , . . . . T. (iii)

Erlduterung. Die vorliegende Situation ist eine Verallgemeinerung von Corollar 4.1, da die Zahlungsfolge im Zeitraum [0, T ' - 1 ] nicht mehr monoton, sondern nur noch positiv sein muB. Diese Einschr~inkung vergr6Bert natiirlich die Realit~itsbezogenheit der obigen Bedingungen.

Corollar 4.6. Gilt ffir einen Zeitpunkt T" (0 _-< T" _-< T): bt -< 0 ffir t = 0 . . . . . T " - 1 und bv ~ by-I >-- ... -> br,, > 0, so gibt es zwar genau einen positiven Sollzins, die )kqui- valenzbehauptung (**) ist aber nicht erffillt.

Beweis. Obergang bt -'* - bt.

Erlduterung. Wie in 4.2 treten zu Beginn des Bestandes, also noch w~ihrend der Ein- schwenkphase in den Beharrungszustand, Leistungsiiberschiisse des VU an die VN auf, die jetzt aber nicht mehr monoton verlaufen miissen. Dennoch ist so ein Verlauf nur unter recht unwahrscheinlichen Umst~inden m6glich.

5. S c h l u B b e m e r k u n g

Wir haben gezeigt, daB die Gessnersche )~quivalenzbehauptung - sieht man von ge- wissen Modellvereinfachungen wie Vernachl~issigung von unterschiedlichen Kosten- ans~itzen ab - bei praktischen Best~inden der Lebensversicherungsunternehmen erfiillt ist. Dies gilt sowohl for Bestande ohne Neuzugang als auch for Best~inde mit Neu- zugang, die gegen einen Beharrungszustand streben. Fiir einzelne Versieherungen, die z.B. als Neuzugang auftreten k6nnen, braucht dies aber nicht zu gelten, wie ein Beispiel von Helbig [4] zeigt. Deshalb diirfen wir folgern, dab die Gessnersche .Aqui- valenzaussage in der Regel fiir Versicherungsbestdnde erfiillt ist und dab damit der Sollzins/Istzins-Vergleich ein fiir die Praxis sehr niitzliches Verfahren zur Oberprii- fung der Finanzierbarkeit der vorhergesagten Gewinnbeteiligung ist.

LITERATURVERZEICHNIS

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[5] Li~cke, W.: Investitionslexikon. Verlag Franz Vahlen, Miinchen 1975. [6] Reichel, G.: Zur Beurteilung eines Lebensversicherungs-Portefeuilles in der Bundesrepublik

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[8] Witten, 1". und Zimmermann, H.-G.: Zur Eindeutigkeit des internen Zinssatzes und seiner numerischen Bestimmung. Zeitschrift f. Betriebswirtschaft (ZfB), 47. Jahrgang, 1977, S. 99-114.

[9] Grundziige fiir die Darstellung und Erl~iuterung der Oberschul3beteiligung in der Lebens- versicherung. Ver6ffentlichungen des BAV Nr. 6, 1979, 188- 191, Rundschreiben 4/79.

[10] Finanzierbarkeit der lJberschuf3beteiligung. Ver6ffentlichungen des BAV Nr. 6, 1980, 163- 164, Rundschreiben 2/80.

Zusammenfassung

Nach einer kurzen Erlauterung der Gessner-Methode wird die ,~quivalenzbehauptung mathe- matisch formuliert. Die Arbeit enth~ilt Bedingungen fiir die Giiltigkeit der ,~quivalenzaussage fiir einen Bestand ohne Neuzugang, der durch eine endliche Folge von Salden charakterisiert wird. Aul3erdem wird jeweils die Realit~itsbezogenheit der Bedingungen diskutiert. Abschliel3end werden dieselben Uberlegungen nochmals angestellt fiir einen Bestand mit Neu- zugang, der den IJbergang in den Einnahmen-Ausgaben-Beharrungszustand vollzieht.

Summary

After a short explanation of the Gessner method the assertion of equivalence is formulated mathematically. The paper contains conditions on which the assertion of equivalence is valid for an assurance portfolio without new entrants characterized by a finite sequence of balances. Moreover we discuss to what extent the respective conditions refer to economic reality. Finally the same considerations are carried out once more for a portfolio with new entrants, which accomplishes the transition into the state of financial equilibrium.

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