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Der Thüringer Hof der Ludowinger und seine Literaturförderung

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Der Thüringer Hof der Ludowinger und seine Literaturförderung

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Das thüringische Geschlecht der Ludowinger

• Zweig eines Grafengeschlechts aus dem Maingebiet, das um 1070/80 eine kleine Rodungsherrschaft im Thüringer Wald errichtete.

• Erste Vertreter, die Grafen Ludwig (Spitzenahn) und Berengar.

• Landgrafenwürde seit Ludwig I. († 1140).• Ausbau von Stammburgen (Wartburg), Stiftung von Klöstern

(Reinhardsbrunn; Grablege des Geschlechts). • -> Stifterchronik: Reinhardsbrunner Annalen.• 1247 ist das Geschlecht im Mannesstamm erloschen. Besitz

fällt an den Markgrafen von Meißen.

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Kulturförderung der Ludowinger

• Hof der Ludowinger: Bedeutendstes Kulturzentrum im mitteldeutschen Raum.

• Ansatz einer „Residenz“ nur in Eisenach. • Zentren der Herrschaft: Burgen • Unter Landgraf Ludwig III.: Ausbau/Umbau/ Erweiterung der

Wartburg, Weißensee, Neuenburg an der Unstrut sowie mehrerer kleinerer Burgen (Querfurt, Lohra etc.). - Fortgesetzt unter Hermann I.

• Literaturförderung: Beginn 70er Jahre des 12. Jhs.: Hochzeit des Landgrafen Ludwig III. († 1190) mit der Gräfin Margarethe von Kleve.

• Höhepunkt unter Landgraf Hermann I. († 1217).

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Literatur am Landgrafenhof (Zum Mäzenatentum s. Bumke, Höfische Kultur, S. 662ff.)

• Geschichtsschreibung: Reinhardsbrunner Annalen (lat.).• Buchmalerei: Landgrafenpsalter.• Deutsche Literatur- Heinrich von Veldeke, Eneasroman;- Herbort von Fritzlar, Trojaroman; - Albrecht von Halberstadt, Übersetzung von Ovids

Metamorphosen - Wolfram von Eschenbach, Willehalm; - Lyrik: Walther von der Vogelweide, - Heinrich von Morungen.

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Landgrafenpsalter Hermanns I. von Thüringen und seiner Gattin Sophia.Gebetslitanei.Stuttgart, Württ. Landesbibl.,f. 172v.

„Sich einschreiben in das Buch desLebens“

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Landgrafenpsalter Hermanns von Thüringen und seiner Gemahlin Sophia

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Landgrafenpsalter Hermanns I. von Thüringen und seiner Gattin Sophia.Kalendarium am Anfang der Handschriftmit Monatsbild Juni und dem hl. Petrus (Fest Peter und Paul am 29. Juni).Stuttgart, Württ. Landesbibl.

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Landgrafenpsalter Hermanns I. von Thüringen und seiner Gattin Sophia.Taufe Jesu im Jordan (Mt 3,1-17, parr.)Stuttgart, Württ. Landesbibl.

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Landgrafenpsalter Hermanns I. von Thüringen und seiner Gattin Sophia.Ps. 26: Dominus illuminatio mea / etsalus mea quem timebo /Dominus protector vite meeStuttgart, Württ. Landesbibl.

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Heinrich von Veldeke (um 1150-1200)

• Heinrich von Veldeke, s. MF 56,1: daz die vogel offenbaere / singent, dâ man bluomen siht.

• Aus: Codex Manesse, um 1320)

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Heinrich von Veldeke: der Autor

• Herkunft: aus der Grafschaft Limburg (heute nördl. Belgien).

• Wohl Ministeriale der Grafen von Loon.• Ausbildung wohl an einer Dom- oder Klosterschule

(Bildungsstand des litteratus, wie Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg).

• Hervorragende Kenntnis der lat. Klassiker und der aktuellen lateinischen wie auch französischen Literatur.

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Heinrich von Veldeke: Werkprofil• Servatius-Legende, nach lat. Vorlage; im limburgischen

Dialekt. Wohl im Zusammenhang des neuen Schreins für den Maastrichter Bistumsheiligen, um 1170; Gönnerin: Gräfin Agnes von Loon

• Rd. 30 Minnelieder, darunter viele einstrophige; überliefert in den oberdeutschen Liederhandschriften B und C; vielfach noch Spuren des rheinfränkischen Dialekts (Texte: Des Minnesangs Frühling; Kasten, Lyrik).

• Eneasroman, nach frz. Vorlage (‚Roman d‘Eneas); um 1175 weitgehend fertig. Manuskript gestohlen (s. Epilog); bis 1186 in Thüringen fertiggestellt.

• Gönner: Hermann von Thüringen und seine Verwandten.(s. J. Bumke, Mäzene im Mittelalter; ders., Höfische Kultur)

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Heinrich von Veldeke, ‚Eneasroman‘

• „Geschichte“ des Trojanerfürsten Aeneas, der von den Göttern den Auftrag erhält, aus dem brennenden Troja zu fliehen und ein zweites Troja (altera Troia [Vergil] und ein neues Geschlecht zu begründen, das einmal die Weltherrschaft übernehmen soll

• Veldekes unmittelbare Quelle: ‚Roman d‘Eneas‘ eines frz. Anonymus, um 1160.

• Im Bildungshorizont Veldekes liegen weiterhin:- Vergils (70 – 19 v. Chr.)‚Aeneis‘ (um 30-20 v. Chr.) mit der spätantik/mal. Kommentartradition,- Ovid (43 v. Chr. – 17 n. Chr.), ‚Amores‘, ‚Ars amatoria‘, ‚Remedia amoris‘.

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Daten zur Entstehungsgeschichte: Der EpilogDie Akteure

• Diu grâvinne von Cleve: Margarethe von Cleve• Grâve Heinrîch: Heinrich Raspe (+ 1180)?• Der phalinzgrâve von Sassen / phalenzgrâve

Herman: Hermann I. von Thüringen (derzeit Pfalzgraf, später Landgraf von Thüringen; + 1217),

• Lantgrâve Lodewig: Ludwig II. Landgraf von Thüringen,

• Lantgrâve Lodewig: Ludwig III. von Thüringen• Grâve Friderîch: Friedrich von Ziegenhain

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Ergebnisse• Vorstellung des noch unfertigen Manuskripts am fürstlichen Hof in

Kleve/Niederrhein,• Interesse der adligen Damen an Literatur,• Raub –> 10 Jahre später: Interesse des Thüringer Hofes an der

Fertigstellung des Romans: um 1185/86 (Erwähnung des Mainzer Hoffeste von 1184).

• Ort: die landgräfliche Neuenburg an der Unstrut.• Einbettung der Gattung Roman in das kulturelle Engagement eines

fürstlichen Hauses, hier der Ludowinger. • Bedeutung des Eneasromans am Anfang der Gattungsgeschichte der

höfischen Großerzählung (Roman).• Das „Veldeke-Problem“: die Sprache des Roman, der keine

maasländischen Spuren aufweist, anders als Veldekes in C überlieferten Minnelieder.

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Karte: Sprachregionen des Deutschen/Literatur um 1200

Gottfried von Straßburg

Hartmann von Aue

Nibelungenlied

Wolfram von Eschenbach

Heinrich vonVeldeke

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Neuenburg an der Unstrut, wo Heinrich von Veldeke um 1184/86 den Eneas-Roman vollendete

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Dido und Eneas, Ausritt zur Jagd(Eneasroman, Hs. B, Berlin,SBB PK Ms. germ. fol. 282)

Eine frühe Eneasroman-Handschriftmit Illustrationen; entstanden imnördlichen Bayern um 1230.

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Eneas bei der Sibylle von Cumae(Eneasroman, Hs. B, Berlin,SBB PK Ms. germ. fol. 282)

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Lavinia schreibt einen Briefan Eneas(Eneasroman, Hs. B, Berlin,SBB PK Ms. germ. fol. 282)

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Herbort von Fritzlar, ‚Trojaroman‘

• Herbort: litterat lateinisch und französisch gebildet und rhetorisch geschult wie Veldeke (er sagt von sich, er sein ein gelarter schulere [Epilog, v. 18450f.]).

• ‚Liet von Troie‘ (um 1190/um 1300/Anfang 13. Jh.?)• Verfasst im Auftrag Landgraf Hermanns von Thüringen (†

1217).• Vorlage: ‚Roman de Troie‘ des Benoit de Sainte Maure (um

1160/70).• Die französische Vorlage besorgte Graf Friedrich von

Leiningen.• Bearbeitungstendenz: Starke Kürzung gegenüber der Vorlage

bei Beschreibungen, Dialogen, Monologen.

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Albrecht von Halberstadt

• Übersetzende Bearbeitung der ‚Metamorphosen‘ des Ovid (43 v. Chr.-17 n. Chr.).

• Datierung: um 1190/1210 (??)• Einbeziehung der verfügbaren Kommentartradition.• Umfang über 20.000 vv.• Offenbar Hermann I. gewidmet.• Geringe Überlieferung im Mittelalter.• Aber: 5 Drucke im 16./17. Jh.: 1545, 1551; 1581;

1609; 1631.• Ausstattung mit Holzschnitten: Muster für

mythologische Darstellungen der Zeit.