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Michael Gehler (Hrsg.) Die Macht der Städte Von der Antike bis zur Gegenwart Unter Mitarbeit von Imke Scharlemann o ~ Georg Olms Verlag Hildesheim . Zürich' New York 2011

Die Macht der Städte - MGH-Bibliothek

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Page 1: Die Macht der Städte - MGH-Bibliothek

Michael Gehler (Hrsg.)

Die Macht der Städte

Von der Antike bis zur Gegenwart

Unter Mitarbeit vonImke Scharlemann

o~

Georg Olms VerlagHildesheim . Zürich' New York

2011

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Imke Scharlemann

Bettelorden und Stadt - Ansiedlung, Aufgaben und Ansehen

I. Vorbemerkung

Stadt und Religion waren im Mittelalter eng miteinander verknüpft. Derüberwiegende Teil der Bevölkerung war christlich, die katholische Kirchehatte großen Einfluss auf den Alltag der Menschen. In den Städten wurde dieMacht der Kirche besonders deutlich. An einem zentralen Platz steht dasGotteshaus, der Turm oder die Türme sind nicht zu übersehen.Innerhalb der katholischen Kirche existieren verschiedene Strömungen, dieim Gegensatz zu den von ihr sogenannten "Ketzern" vom Papst anerkanntwurden. Dazu gehörten verschiedene Orden, wie zum Beispiel die Bettel-orden oder Mendikanten, mit denen sich dieser Artikel beschäftigt. Die de-taillierte Untersuchung der vielfältigen Aspekte der Bettelorden würde sei-nen Rahmen sprengen, sodass das Verhältnis der Bettelorden zur mittelalter-lichen Stadt im Zentrum der Ausfiihrungen steht.Die Städte wuchsen im Mittelalter, besonders im Hoch- und Spätmittelalter,stark an. ,,zweifellos ist das Verhältnis von ,Bettelorden' und ,Stadt' vonzentraler Bedeutung für die Erforschung der mittelalterlichen und neuzeit-lichen Ordens- und Stadtgeschichte,"! hält Dieter Berg fest. Die meistenBettelorden gründeten sich im Laufe des 13. Jahrhunderts und zogen darauf-hin in die Städte, um dort ihren Aufgaben besser nachzukommen.Eine Problematik in der Beantwortung dieser Fragestellung besteht darin,dass es keine allgemeine Darstellung der Bettelorden in der Stadt gibt. Viel-mehr beschränken sich die Angaben zumeist auf einzelne Orden in einzelnenOrten. Trotz oder aufgrund dieses Mankos erscheint es sinnvoll, das Zusam-menwirken von Bettelorden und Stadt zu betrachten, zumal in der ForschungKlarheit darüber besteht, dass ,,Bettelorden und Stadt [... ] zwei eng mit-einander verbundene Phänomene [sind]". 2

Zu Beginn werden ausgewählte Bettelorden mit ihren Besonderheiten kurzvorgestellt. Anschließend wird das Verhältnis der Bettelorden zur Stadt aus-gehend von den Kriterien der Ansiedlung, Funktion und Reputation be-leuchtet.

Dieter Berg, Vorwort, in: Ders. (Hrsg.), Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städti-sches Leben imMittelalter und in der Neuzeit (Saxonia Franciscana I), Werl 1992, S. IX-X, hier S. IX.

2 Kaspar Elm, Vorwort, in: Ders. (Hrsg.), Stellung und Wirksamkeit der Bettelorden in derstädtischen Gesellschaft (Berliner Historische Studien 3, Ordensstudien II), Berlin 1981,S. 5-9, hier S. 5.

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11. Verschiedene Bettelorden

Die Ausdehnung der Orden innerhalb weniger Jahre über fast ganz Europaspiegelt den Erfolg dieser neuen Bewegung wider. Die Bettelorden warenein europäisches Phänomen, was auch die Entwicklung der Kanneliter ver-deutlicht, die sich im Laufe des 13. Jahrhunderts über Zypern, Sizilien, dieMain- und Rheinregion bis nach England und Spanien ausbreiteten.' EinGrund für diese Ausstrahlung besteht in der Tatsache, dass diese Orden ka-tholisch waren und innerhalb einer Glaubenswelt wirkten, die in Europa weitverbreitet war.Bettelorden unterscheiden sich durch drei Merkmale von anderen kirch-lichen Orden: Erstens lehnen sie Besitz ab, sind ann und leben vom Bettel.Zweitens fassen sie das Apostolat anders auf: Die Bettelorden verbinden ihrbeschauliches Leben mit dem aktiven Leben der Menschen. Aus diesemGrund fühlen sie sich der Seelsorge besonders verpflichtet. Das dritte Unter-scheidungsmerkmal betrifft ihre Regel: Die Mönche eines Bettelordens sindnicht nur an ein Kloster gebunden. Sie können innerhalb ihrer Provinz voneinem in ein anderes Kloster versetzt werden."Jeder Orden hat seine eigene Regel. Zumeist wurde diese vom Gründer vor-gegeben. ,,Als Ordensregel bezeichnet man das Grundregelgerüst eines Or-dens oder einer Kongregation, das stets durch Konstitutionen oder Satzungenerweitert wird.?' Neben den bekannten Ordensregeln von Augustinus, Bene-dikt, Franziskus und Basilius zählen auch die der Johanniter, des DeutschenOrdens und der Templer zu denjenigen, die von der katholischen Kirchebestätigt wurden,"Es existiert keine einheitliche und überzeugende Definition, welche Ordenden Bettelorden des Mittelalters zuzurechnen sind. Über die Dominikanerund die Franziskaner als die "großen" Bettelorden besteht hingegen Einig-keit. Norbert Hecker ergänzt diese um die Augustiner-Eremiten,? Kaspar

3 Stephan Panzer, Die Geschichte der Karmeliten im Mittelalter - Schwerpunkt Ober-deutsche Provinz, in: Heidemarie SpechtlRalph Andraschek-Holzer (Hrsg.), Bettelordenin Mitteleuropa. Geschichte, Kunst, Spiritualität (Beiträge zur Kirchengeschichte Nieder-österreichs IS, Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diözeseblatt 32), St. Pölten 2008,S. 66-73, hier S. 66 f.

4 St. Benno Buch- und Zeitschriftenverlagsges.[http://www.kathweb.de/portJartikeV940.php]. 9.6.2009.

S Damian Hungs, Ordensregel, [http://www.orden-online.de/wissen/o/ordensregel/]. 24. 8.2009.

6 Ebd.7

mbH, Bettelorden,

Norbert Hecker, Bettelorden und Bürgertum, Konflikt und Kooperation in deutschenStädten des Spätmittelalters (Europäische Hochschulschriften 146), Frankfurt am Main1981, S. 12.

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Bettelordenund Stadt 301

Elm nennt als Bettelorden noch die Karmeliter. Andere Autoren fügen nochTrinitarier, Serviten und Hospitalorden hinzu.Hier orientiert sich der Beitrag am Lexikon des Mittelalters, welches als dievier großen Bettelorden Franziskaner, Dominikaner, Augustiner-Eremitenund Karmeliter angibt.8

1. Die Franziskaner

Die Brüderschaft Orden der Minderen Brüder ("Ordo Fratrum Minorum"),die Franziskaner, wurde vom Heiligen Franz von Assisi zu Beginn des 13.Jahrhunderts gegründet. Nach der Anerkennung durch Papst Innozenz Ill. imJahre 1209/10 und der Bestätigung der Ordensregel breiteten sich die Fran-ziskaner weiter aus." Die erste franziskanische Kommunität war eine spontanum den heiligen Franziskus gebildete Gruppe, welche noch keinerlei Organi-

. fwi 10sanon au res,Aufgrund des raschen Anwachsens entstand eine Hierarchie innerhalb desOrdens. Die ersten Franziskaner kamen 1221 nach Deutschland undgründeten dort alsbald Konvente, sodass gegen Ende des 13. Jahrhundertsschon circa 200 Ordenssitze bestanden.'!Die meisten Konvente wurden in Städten gegründet, wovon beide Seitenprofitierten. Die Franziskaner wurden häufig von weltlichen oder kirchlichenAutoritäten mit wichtigen Missionen betraut. "Die Konvente wurden aufdiese Weise sowohl in religiöser wie in polit[ischer] Hinsicht zu Mittel-punkten des städt[ischen] Lebens, zu Versammlungsorten für die Bürger-schaft, zu Studienzentren't.V Ende des 15. Jahrhunderts spaltete sich derOrden durch Reformbewegungen in Observanten und Konventualen. DieKonventualen trugen die Umwandlung einer ehemals von Laien getragenenGemeinschaft hin zu einem klerikalisierten Orden mit, der in der uni-versitären Lehre vertreten war und in der Inquisition wichtige Aufgabenwahrnahm. Einige Franziskaner beriefen sich jedoch auf die Ursprünge desOrdens und den damit verbundenen Verzicht auf Besitz. Diese Spiritualenwurden verfolgt, exkommuniziert und schlossen sich 1368 zu denObservanten zusammen. Die endgültige Spaltung des Ordens in Kon-

8 Kaspar Elm, Bettelorden, in: Norbert Angermann (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters,München 1980, Sp. 2088-2093, hier Sp. 2088.

9 Kooperationsrat der dt. Franziskaner, Ordensgeschichte,[http://www.franziskaner.de/ORDENSGESCHICHTE.15.0.html]. abgerufen 9.6.2009.

10 E. Päsztor, Franziskaner. Allgemeine Struktur des Ordens (Entstehung, Verfassung,Ordensleben) und seine Geschichte in Italien, in: Norbert Angermann (Hrsg.), Lexikondes Mittelalters, München 1989, Sp. 800-807, hier Sp. 801.

11 Kooperationsrat der dt. Franziskaner, Ordensgeschichte.12 Päsztor, Franziskaner, Sp. 804.

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ventualen und Observanten erfolgte 1517 durch Papst Leo X.13 Durch dieReformation verloren die Franziskaner in den evangelischen Städten ihreKlöster und damit auch einen Großteil ihres Einflusses. Trotz dieses Be-deutungsverlustes bestehen die Franziskaner-Orden heute noch.

2. Die Dominikaner

Der Predigerorden der Dominikaner ("Ordo Fratrum Praedicatorum") wurdeAnfang des 13. Jahrhunderts von Dominikus begründet. Auf einer Reisenach Südfrankreich machte er die Bekanntschaft mit Häretikern. Diesebrachten ihn trotz ihrer von der Kirche nicht anerkannten Ansichten undRegeln zum Nachdenken. Dominikus zog zu Fuß durch Südfrankreich, pre-digte und bettelte. Damit wurden die Grundzüge des Ordens begründet. Do-minikus und eine kleine Gruppe erhielten schließlich 1206 vom Papst dieBestätigung, predigen zu dürfen, was vorher nur Bischöfen und von ihnenBevollmächtigten vorbehalten war.14Durch die Ansiedlung in verschiedenenStädten verbreitete sich der Orden, weshalb er sich zahlenmäßig vergrößerteund seine ,,rechtlich-spirituelle" Gestalt annahm."Schon früh gründete der mit Frauen stark sympathisierende Dominikus einDominikanerinnenkloster in Prouille in Südfrankreich. Eine demokratischeStruktur kennzeichnete diesen Orden: "Den Orden leitet ein General-magister, der auf den jährlich tagenden Generalkapiteln von den Pro-vinzialen und zwei Delegierten aus den einzelnen Provinzen gewähltwird.,,16 Provinzialen waren die Vorsteher der einzelnen Provinzen.Bemerkenswert ist, dass sich der Orden nie aufgespalten hat.Als wichtigste Aufgaben sahen die Dominikaner das Studium, die Seelsorgeund die Predigt. Grundbesitz und regelmäßige Einkünfte verstießen gegendie Armutsregel und waren deshalb verboten. Vor allem das Studium spielteeine große Rolle. "Seit den Anfängen des Ordens waren alle Ordenskonventein den Städten gegr[ündet] worden, d. h. in Ballungsgebieten und Zentrenvon Aktivitäten, die wiederum auf die ländl[ichen] Gebiete ausstrahlten",'?wie es im Lexikon des Mittelalters heißt. Die Dominikaner leisteten Mis-sionsarbeit zum Beispiel in Spanien, Marokko, Persien und auch in China.

13 Ebd., S. 805f.14 Ulrich Horst, Zur Geschichte des Dominikanerordens, [http://www.dominikaner.de/

geschichte/horst.htm], abgerufen 9. 6. 2009.U Ebd.16 Ebd.17 D. v. Huebner, Dominikaner, Dominikanerinnen. Allgemeine Struktur des Ordens und

seine Geschichte in Frankreich und Italien, in: Norbert Angermann (Hrsg.), Lexikon desMittelalters, München 1986, Sp. 1192-1198, hier Sp. 1195.

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3. Die Karmeliter

Der Karmeliterorden entstand im Heiligen Land als Gemeinschaft vonKreuzfahrern und Einsiedlern. Der Berg Karmel im Heiligen Land standPate für den Ordensnamen. "Dort ließen sich nach der Eroberung Palästinasdurch die Kreuzfahrer Eremiten nieder.v"Diese Einsiedler kehrten im beginnenden 13. Jahrhundert nach Europa zu-rück und siedelten zuerst in Italien und Südfrankreich.l" Ihrer Geschichts-schreibung zufolge sollte sich jedes Ordensmitglied auf den Propheten Elijaals Ordensvater berufen. Die Karmeliter gingen davon aus, älteren Ur-sprungs als alle anderen Orden, ja sogar älter als die katholische Kirche zusein. Eine Regel des lateinischen Patriarchen von Jerusalem ermöglichte esden Karmelitern, ein "organisiertes Zusammenleben als Gcmeinschaft't" zuentwickeln. Am Beginn ihres Lebens und Wirkens in Europa waren dieKarmeliter noch keine Mendikanten, sondern Eremiten. "Mit derräuml[ichen] Verlagerung war auch eine Änderung der Lebensweise ver-bunden.,,21 Sie wurden auf Betreiben von Innozenz IV. nach dem Vorbildder Franziskaner und Dominikaner umgeformt, was bedeutete, dass das ge-meinschaftliche Konventsleben gestärkt wurde, die Seelsorge durch Predigtund Beichte einen größeren Stellenwert bekam und es gemeinschaftlichesEigentum gab. Außerdem verlagerte sich der Schwerpunkt der Karmelitervom Land in die Stadt, um die neuen Aufgaben besser wahrnehmen zu kön-nen.22 Edeltraud Klueting hält fest: "Die Umstellung der weltabgewandtenEremiten zu Mendikanten, die in das städtische Leben eingebunden wurden,vollzog sich unter äußeren Zwängen und inneren Kämpfen und war begleitetvon historischer und theologischer Deutung des eigenen Herkommens.t'FErst 1326 wurden die Karmeliter vom Papst als Mendikanten bestätigt undden Franziskanern und Dominikanern gleichgestellt. Vorher waren Forde-rungen nach einem Verbot der Karmeliter laut geworden wie beim zweitenKonzil von Lyon 1274. Innerhalb des Ordens gab es Konflikte und Streitig-keiten, so zum Beispiel um das Apostolat, was bedeutete, dass die Karmeli-ter, die früher Emeriten waren, sich noch aktiver am Stadtleben beteiligen

IS H. J. Schmidt, Karmeliter, in: Norbert Angermann (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters,München 1991, Sp. 998-1000, hier Sp. 998.

19 Panzer, Die Geschichte der Kanneliten im Mittelalter, S. 66.20 Edeltraud Klueting, "historiam provinciae et conventuum tenere" Zur Geschichtsschrei-

bung des Kanneliterordens (O.Cann.), in: Heidemarie SpechtJRalph Andraschek-Holzer(Hrsg.), Bettelorden in Mitteleuropa. Geschichte, Kunst, Spiritualität (Beiträge zurKirchengeschichte Niederösterreichs 15, Geschichtliche Beilagen zum St. PöltnerDiözeseblatt 32), St. Pölten 2008, S. 87-105, hier S. 89.

21 Schmidt, Karmeliter, Sp. 998.22 Ebd.23 Edeltraud Klueting, "historiam provinciae et conventuum tenere", S. 93.

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sollten." Auch die Karmeliter spalteten sich während des Großen abend-ländischen Schismas. Der größte Unterschied zu den anderen Bettelordenbesteht darin, dass sie sich ,,nur selten an den Debatten zu ekklesio-log[ischen] und polit[ischen] Themen beteiligten't.f

4. Die Augustiner-Eremiten

Die Geschichte der Augustiner-Eremiten geht bis ins 5. Jahrhundert nachChristus zurück, als Augustinus lebte und seine Regel aufstellte. DieAugustinusregel bestimmte das Zusammenleben, verordnete Armut, Betenund Enthaltsamkeit, weshalb die Anhänger von Augustinus danach lebensollten. Die verschiedenen Gemeinschaften lebten fortan nach dieser Regel,blieben aber unabhängig voneinander.Der Orden entstand erst aus einem Zusammenschluss verschiedener Eremi-tengemeinschaften, die 1244 vom Papst mit der Augustinusregel eine ersterechtliche Form erhielten." Die Augustiner-Eremiten schlossen sich mitweiteren Gruppen zusammen, verbreiteten sich nach dem Vorbild der Domi-nikaner und Franziskaner und siedelten sich auch in Deutschland an. Wäh-rend die anderen Orden relativ schnell in die Stadt zogen, blieb ein Teil derAugustiner-Eremiten ihrem Namen nach als Einsiedler abseits der Städte.Erst im Jahre 1256 verfügte der Papst, dass diejenigen Augustiner, die nochals Emeriten lebten, auch in die Städte ziehen sollten, um dort Dienst an denMenschen zu leisten.27 "Seine Mitglieder wurden in der Wissenschaft, Aus-bildung und Mission tätig, der Schwerpunkt ihrer Arbeit lag in Seelsorgeund Bildungsarbeit''", hält Joachim Schäfer fest. Einen Schwerpunkt bildeteschon früh das Studium als Vorbereitung auf die Seelsorge. Im Gegensatz zuanderen Bettelorden spielten missionarische Tätigkeiten eine eher unterge-ordnete Rolle, was sich erst nach den überseeischen Entdeckungen änderte.i?

24 Ebd.25 Schmidt, Karmeliter, Sp. 998.26 ORDEN online, Augustiner-Eremiten, [http://www.orden-online.de/wissenla/augustiner-

eremitenl],9.6.2009.27 Susanne Fritsch, Augustiner in der Stadt. Ansiedlung, Position und Aufgaben der

Augustinerklöster in spätmittelalterlichen Städten, in: Heidemarie SpechVRalphAndraschek-Holzer (Hrsg.), Bettelorden in Mitteleuropa. Geschichte, Kunst, Spiritualität(Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 15, Geschichtliche Beilagen zum St.Pöltner Diözeseblatt 32), St. Pö!ten 2008, S. 198-210, hier S. 203.

28 Joachim Schäfer, Augustiner, [http://www.heiligenlexikon.de/OrdenlAugustiner.htm]. 9.6.2009.

29 G. Binding, Augustiner-Eremiten, in: Norbert Angermann (Hrsg.), Lexikon des Mittel-alters, München 1980, Sp. 1220-1222, hier Sp. 1221.

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Aufgrund fehlender missionarischer Tätigkeiten waren die Augustiner-Ere-miten nicht an der Inquisition beteiligt. Ebenso wie die Franziskaner spaltetesich der Orden in Konventualen und Observanten.

Ill. Die Bettelorden in der Stadt

1. Motive für die Ansiedlung in den Städten

Die verschiedenen Orden waren keineswegs von Anfang an davon über-zeugt, dass Städte für sie der richtige Ort seien. Während die Dominikanerdie Stadt "von Anfang an als ihre Welt angesehen und planmäßig in dendamals in starkem Wachstum befindlichen Städten Niederlassungen gegrün-det [haben]", waren die Franziskaner unentschlossen. Einerseits wurden siein Städte entsandt, andererseits sollte die Einsamkeit für sie ein wichtigerGrundsatz bleiben. Die Karmeliter und die Augustiner-Eremiten wogenebenfalls sorgfältig ab, bevor sie sich gegen die Einsamkeit und für die Nie-derlassung in den Städten entschieden.Seit dem 13. Jahrhundert siedelten sich die Mendikanten in den Städten anund bestimmten in den folgenden Jahrhunderten das städtische Leben zueinem beträchtlichen Teil mit. Die Stadt eignete sich sehr gut für "Studium,Predigt, Sakramentalspendung und Bettel".30 Somit waren die Gründe füreine Ansiedlung klar. Hier konnten die einzelnen Orden das tun, was ihreigentlicher Auftrag war, nämlich den Menschen zu helfen. Aufgrund deranwachsenden Städte herrschte besonderer Bedarf an Geistlichkeit und Seel-sorge. "Nur in den Städten war für gewöhnlich ein so reichlicher Produkti-onsüberschuß, daß diese arme, besitzlose Lebensform der Konvente sichwirklich durchführen ließ.'.J! Mit Ingo Ulpts lässt sich sagen:

,,Das urbane System bot den Brüdern ein ideales Forum für die umfassende Betätigung imFfusorge- und Seelsorgebereich, gewährleistete eine adäquate materielle Grundlage fürden Unterhalt in den einzelnen Ordenshäusern und bot ein weites Rekrutierungsfeld für

d . I' d ..32neue Or ensmitg le er.

30 Schäfer, Augustiner, [http://www.heiligenlexikon.de/OrdenJAugustiner.htmJ. 9. 6. 2009.31 ]0rgen Nybo Rasmussen, Die Bedeutung der nordischen Franziskaner für die Städte im

Mittelalter, in: Dieter Berg (Hrsg.), Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städtischesLeben im Mittelalter und in der Neuzeit (Saxonia Franciscana I), Werll992, S. 3-18, hierS.8.

32 Ingo Ulpts, Zur Rolle der Mendikanten in städtischen Konflikten des Mittelalters. Ausge-wählte Beispiele aus Bremen, Hamburg und Lübeck, in: Dieter Berg (Hrsg.), Bettelordenund Stadt. Bettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und in der Neuzeit (SaxoniaFranciscana I), Werl1992, S. 131-151, hier S. 132 f.

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2. Ansiedlung in der Stadt

"Es ist ein seit langem bekanntes Phänomen, daß die Klöster der Bettelordenvorzugsweise am Stadtrand zu finden sind':", stellt Arend Mindermann fest.Die Bettelorden siedelten sich nach ihrer bewussten Entscheidung für dieStadt bevorzugt in der Peripherie von Städten an. Die Übersicht bei Ulptsüber die Ansiedlung der Mendikanten in Mecklenburg bestätigt die Präfe-renz für die Randlage. Jede Niederlassung lag am Stadtrand zumeist an derStadtmauer." Es ist bis heute jedoch umstritten, warum gerade dort vermehrtKlöster gegründet wurden.Viele Gründe wurden angeführt: Zuerst, dass sich dort genügend Platz fürein Kloster befand, während in der Stadtmitte zumeist nur noch wenig Bau-grund vorhanden war. Außerdem gestaltete sich der Baugrund am Stadtrandgünstiger, was ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Ordensansied-lung war, da sie durch das Armutsgebot ihren Unterhalt hauptsächlich durchBetteln bestreiten mussten. Darüber hinaus entschieden sich die Orden be-wusst für den Stadtrand als Standorte für ihre Klöster: Ein einfacher Grundfür diese Wahl bestand darin, dass die Stifter dort Grund und Boden hatten,den sie den Orden vermachten. So war es zum Beispiel in Hildesheim, wodie Franziskaner und Dominikaner vom Bischof jeweils Baugrund zugewie-sen bekamen. In Hamburg und Kiel lagen die Franziskaner- und Dominika-nerklöster jeweils am Rand der Stadt und verstärkten durch ihre massiveBauweise damit gleichzeitig die Stadtmauern." Eine Besonderheit lässt sichin Bremen feststellen, wo die Dominikaner in ein bereits bestehendes Klostereinzogen."Die beschriebenen Ansiedlungen beziehen sich alle auf das frühe 13. Jahr-hundert, in dem "die Lozierung der Bettelordensklöster auf bewußte Ent-scheidungen des geistlichen und weltlichen Stadtherrn zurückzuführen ist".37Gegen Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden die Ordens-klöster dann hauptsächlich in Burgnähe angesiedelt, um weiteren Schutz zubieten. Hier waren es meist nicht mehr nur Stadtherren oder hohe Adlige, die

33 Arend Mindermann, Bettelordensklöster und Stadttopographie. Warum lagenBettelordensklöster am Stadtrand?, in: Dieter Berg (Hrsg.), Könige, Landesherren undBettelorden. Konflikt und Kooperation in West- und Mitteleuropa bis zur Frühen Neuzeit(Saxonia Franciscana 10),Werl1998, S. 83-103, hier S. 83.

34 Ingo U1pts,Die Bettelorden in Mecklenburg. Ein Beitrag zur Geschichte der Franziskaner,Klarisssen, Dominikaner und Augustiner-Eremiten im Mittelalter (Saxonia Franciscana6), Wer11995, S. 400.

35 Mindermann, Bettelordensklöster und Stadttopographie, S. 89.36 Ebd., S. 86.37 Ebd.

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den Grund für die Klöster stifteten, sondern auch niedere Adlige. Wichtig istfestzuhalten, dass die Mendikanten nicht dort siedelten, um den Unter-schichten nahe zu sein. Diese zogen erst in der Mitte des 14. Jahrhundertsdorthin, nachdem der Adel aus der Stadt abgewandert war.Die Ansiedlung von Orden in den Städten verlief nicht immer problemlos.Des Öfteren wurden die Augustiner weniger freundlich vom Weltklerus auf-genommen, da er um seine Privilegien fürchtete. Anders verhielt es sich mitden Dominikanern und Franziskanern. Diese beiden Orden hatten weitweniger Schwierigkeiten, sich innerhalb einer Stadt anzusiedeln und die fürsie vorgesehenen Aufgaben ohne Behinderungen auszuführen. Es bleibt aberunklar, warum die Augustiner mehr Probleme hatten. Es lässt sich lediglichvermuten, dass es die Franziskaner und Dominikaner aufgrund ihrer Be-kanntheit und Größe leichter hatten. Fallweise stießen auch die Franziskanerauf Ablehnung. Es ist bekannt, dass sie in Mühlhausen und Nordhausen zu-erst freundlich aufgenommen wurden, nach kurzer Zeit jedoch die Stadtwieder verlassen mussten, weil sie nicht mehr geduldet waren. Erst späterkonnten sie zurückkehren und dauerhaft bleiben.Eine Ausnahme ist zu nennen: "In Mecklenburg herrschte damals in fastallen gesellschaftlichen Bereichen einer Art Autbruchstimmung, so daß derZulassung der Orden von keiner städtischer Sozialgruppe nachweisbarerWiderstand entgegengebracht wurde, ,,38 wie Ingo Ulpts schreibt.In weiter westlich gelegenen und entwickelteren Gebieten stießen jedoch dieOrden vereinzelt auch auf Widerstand. Es lassen sich aber keinegeneralisierbaren Befunde nennen, warum den Mendikanten in einigenStädten die Ansiedlung erschwert wurde. Es handelte sich zumeist um eineVielzahl von Widrigkeiten. Dazu zählte der Umstand, dass sich schonNiederlassungen verschiedener Orden in den Städten befanden, der Welt-klerus eine Beschneidung seiner Aufgaben befürchtete oder die städtischenMachthaber den neuen Orden aufgrund ihres eigenen bis dato fremdenWesens skeptisch gegenüberstanden. Insgesamt lässt sich feststellen, dassKlöster hauptsächlich an den Rändern der Stadt zu finden waren, was über-wiegend an den Entscheidungen der Stadtherren lag.

3. Die Aufgaben der Bettelorden in der Stadt

Die Funktionen der Orden waren vielfältig. Ein erster Tätigkeitsbereich be-stand in der Predigt. Die Ordensmitglieder wandten sich den Menschen inder Stadt zu und zogen damit die Volksrnassen an. Die Menschen sollten vonder Lehre Gottes überzeugt werden.

38 Ulpts, Die Bettelorden in Mecklenburg, S. 401.

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Francis Rapp konstatiert: "Die Seelenfiihrung war das zweite Gebiet, inwelchem die Brüder fiir eine wirksame Tätigkeit viel besser gerüstet warenals die meisten Mitglieder des weltlichen Klerus.,,39 Angehörige aus höherenSchichten holten sich Rat bei den Beichtvätern der Orden. Als Dank dafiirvermachten sie den Orden nach ihrem Tod ihr Gut. Doch die Bettelordenkonnten nicht immer ohne Konflikte dieser Aufgabe nachkommen. In Mün-chen mussten sich die Augustinermönche trotz Unterstützung des Landes-fiirsten gegen Pfarreien wehren, die sich gegen die Bettelmönche stellten.Erst durch Einschreiten des Papstes beruhigte sich die Situation und sokonnten die Augustiner ihrer Aufgabe wieder nachgehen. Die Pfarreien wa-ren zum Teil gegen die Orden eingestellt, da sie um ihren Einfluss und ihreEinkünfte fiirchteten.Eine weitere Aufgabe bestand im Betteln. Die Mendikanten lebten in Armut,durften nichts besitzen und sollten sich von weltlichen Dingen abwenden. InStraßburg blieb aber gegen Ende des Mittelalters "von der Armut [... ] nichtmehr viel übrig"." Nur die Franziskaner hatten das Betteln noch nicht aufge-geben, die anderen Bettelorden schon.Trotz Armut und Verzicht auf Besitz nahmen die Orden Geld ein. NebenGeld aus Betteln bekam der Beichtvater auch welches. Außerdem wurde fiirjede Predigt und jedes gesungene Amt Geld eingenommen. Ulpts argumen-tiert: ,,Für diese Dienstleistungen im Gottesdienst, beim Beichtehören, beiBegräbnisfeierlichkeiten, beim Abhalten von Memorien, Gedächtnissen,Messen erhielten die Brüder als Entgelt die schuldigen Oblationen, Almosenund Vermächtnisse.t'"Eine Spezialität der Mendikanten war das Orgelspiel, welches sie sich eben-falls bezahlen ließen. Eine weitere wichtige Einnahmequelle bildeten Zinsenaus Liegenschaften und angelegten Kapitalien." Weitere Erträgnisse kamenvon Eltern der Novizen. Diese verpflichteten sich, solange eine bestimmteSumme an das Kloster zu zahlen, bis ihre Söhne selbst in der Lage waren,Geld durch Predigt oder Beichtabhören zu verdienen. Beim Tod eines Mit-gliedes erhielt der Orden dessen Besitz.Weitere Aufgaben der Mendikanten bildeten das Studium von religiösenTexten und das Verfassen sittlicher und theologischer Abhandlungen. Zuden bekanntesten zählte der von einem Augustinereremiten verfasste Fürs-

39 Francis Rapp, Die Mendikanten und die Straßburger Gesellschaft am Ende des Mittelal-ters, in: Kaspar Elm (Hrsg.), Stellung und Wirksamkeit der Bettelorden in der städtischenGesellschaft (Berliner Historische Studien 3, Ordensstudien 11), Berlin 1981, S. 85-102,hierS.90.

40 Ebd., S. 91.41 Ulpts, Die Bettelorden in Mecklenburg, S. 283 f.42 Francis Rapp, Die Mendikanten und die Straßburger Gesellschaft am Ende des Mittel-

alters, S. 91.

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tenspiegel. Andere Schriften dienten dazu, sich von der Ketzerei verdäch-tigten religiösen Gruppen abzugrenzen. Neben dem Studium machten sichMitglieder der Bettelorden auch im Universitätswesen einen Namen, indemsie nicht nur selbst studierten, sondern auch lehrten." Hier taten sich beson-ders die Dominikaner hervor. Dominikus stellte das Studium in den Mittel-punkt, sodass sich bereits im 13. Jahrhundert ein ausgedehntes Studiensys-tem entwickelte.44 .

Einmal mehr können wir Ulpts zitieren:

"Obwohl die Bettelorden wie die herkömmlichen Mönchsgemeinschaften normativ durchWeltdistanz gekennzeichnete Lebensvollzüge aufwiesen, suchten sie ständigen Sozialkon-takt zu ihrer Umwelt, um ihre erklärten Ordensziele [ ... ] zu erreichen.v"

Sie schotteten sich somit nicht in ihren Klöstern ab, sondern nahmen amLeben in den Städten aktiv teil. Zusätzlich wurden sie für weltliche Aufga-ben herangezogen, so zum Beispiel um bei Streitigkeiten zu schlichten oderum Urkunden zu bezeugen.Daraus lässt sich schließen, dass die Mendikanten neben dem religiösen auchin das weltliche Stadtleben eingebunden waren. Für Rostock und andereStädte in Norddeutschland lässt sich darüber hinaus feststellen, dass sich dieMendikanten im politisch-gesellschaftlichen Bereich nur selten zurückhiel-ten und fest eingebunden waren."Sie betrachteten sich auch als Friedensstifter. Die Franziskanerklöster dien-ten oft als Begegnungsstätten, wenn streitende Parteien Verhandlungenfiihrten und Versöhnung suchten." Nicht· von ungefähr lautete derfranziskanische Gruß "pax et bonum". Sowohl Streitigkeiten innerhalb einerStadt als auch überregionale und außenpolitische Probleme wurden häufig inKlöstern erörtert und einer befriedigenden Lösung zugeführt.Die katholische Kirche profitierte ebenfalls von den Bettelorden, wie PeterMüller festhält: ,,Der Erfolg der Dominikaner und bald auch der Franziska-ner gegen die Katharer mochte die Päpste von dem Wert der neuen Ordenfür die Kirche überzeugt haben.,,48Die Katharer waren ein Orden, der haupt-sächlich in Frankreich wirkte, jedoch von der katholischen Kirche nicht an-erkannt wurde und sich auch selbst von dieser distanzierte. In den so be-nannten ,,Kreuzzügen" gegen die Albigenser, ein anderer Name für die Ka-

43 Ulpts, Die Bettelorden inMecklenburg, S. 179.44 Elm, Bettelorden, Sp. 2092.45 Ulpts, Zur Rolle der Mendikanten in städtischen Konflikten des Mittelalters, S. 131.46 Ulpts, Die Bettelorden inMecklenburg, S. 177 ff., S. 249 fT.41 Rasmussen, Die Bedeutung der nordischen Franziskaner für die Städte im Mittelalter, S.

14.48 Peter Müller, Bettelorden und Stadtgemeinde in Hildesheim im Mittelalter (Quellen und

Studien zur Geschichte des Bistums Hildesheim), Hannover 1994, S. 102.

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tharer, wurden diese auch von den Dominikanern und den Franziskanernblutig und gewaltsam verfolgt. Die katholische Kirche machte sich dieExistenz der neuen Orden zunutze und diese erhielten im Gegenzugverschiedene Privilegien. Hefe1emeint:

,,Die Bettelorden selber aber rühmten sich ihres Eifers für den Glauben, und neben ihrerpolitischen und kirchlich-reformatorischen Tätigkeit war es gerade die Inquisition, die ih-nen ihren großen, unerschütterlichen Einfluß innerhalb der Kirche sicherte.v'?

Dies bezog sich jedoch hauptsächlich auf die Franziskaner und die Domini-kaner, die 1236 bzw. 1231 das Inquisitorenamt übertragen bekamen. Beideerfüllten diese Aufgaben mit großem Eifer. Aus diesem Grund existiertedamals schon der Begriff "domini canes" ("Hunde des Herrn"). Die beidengroßen Bettelorden sind aufgrund dieser Tätigkeiten belastet.Die einzelnen Orden unterschieden sich auch untereinander in den Aufga-ben, die sie in den Städten ausfüllten. Die Dominikaner übernahmen vorallem Funktionen in der praktischen Seelsorge, die Fähigkeiten in der Pre-digertätigkeit und der gelehrten Disputation erforderten. so Die Franziskanerhingegen lebten als "Nachfolger Christi" und versuchten das Postulat derevangelischen Armut zu erfüllen und fürsorgerische Aufgaben zu versehen."

4. Ansehen und Stellung der Bettelorden in der Stadt

Mit Susanne Fritsch können wir feststellen: "Der städtische Weltklerusstellte sich gewöhnlich generell gegen eine Niederlassung der Bettelordeninnerhalb der Stadt; das begründete sich vor allem durch die Rivalität in derSeelsorge und der damit verbundenen Furcht. ,,52 Der Weltklerus hegte zuBeginn der Ansiedlung der Bettelorden Einwände, da sie um ihr Ansehenund ihre Einkünfte durch die neue Konkurrenz fürchteten. Weitere Vorbe-halte gegen die neuen Orden bestanden in der Furcht vor "verborgenen Hä-retikem"," ein Sorge, dass die Mendikanten "Werkzeuge des Papsttums zurReglementierung und Unterordnung des Episkopatsv" sein würden oder

49 Hermann Hefele, Die Bettelorden und das religiöse Volksleben Ober- und Mittelitaliensim XIII. Jahrhundert (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance9), Hildesheim 1972, S. 86 f.

'0 Ulpts, Zur Rolle der Mendikanten in städtischen Konflikten des Mittelalters, S. 131.'I Ebd., S. 131 f.'2 Fritsch, Augustiner in der Stadt, S. 207.'3 Matthias Vöckler, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen sowie Probleme der Ansied-

lung und Wirksamkeit der Mendikanten im mittelalterlichen Thüringen, in: Dieter Berg(Hrsg.), Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und inder Neuzeit (Saxonia Franciscana 1), Wer11992, S. 89-106, hier S. 94.

~ Vöckler, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen, S. 94.

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Bettelorden und Stadt 311

aber, dass sich die Bettelorden mit den ,,rebellischen Städtern=" verbündenkönnten. Beim Weltklerus waren also die Bettelorden zumindest in den An-fangen alles andere als angesehen.In einigen Städten (wie Z.B. Schwerin) waren es vor allem zu Beginn derAnsiedlung gerade weltoffene Adlige, die den Mendikanten wohlgesonnenwaren, sie bei den Klostergründungen unterstützten und ihnen auch sonsthalfen.Im Gegensatz zum Weltklerus waren die Bürger grundsätzlich den Bettelor-den gegenüber nicht kritisch eingestellt. Sie nahmen ihre Dienste gern undvielfältig in Anspruch, da diese sich um die Menschen kümmerten und dasGefiihl vermittelten, dass sich jemand um sie sorgte. "Die Bevölkerung dermittelalterlichen Stadt fiihlte sich vom seelsorgerischen Programm der Men-dikanten ebenso angesprochen, wie von der Besitzlosigkeit der Brüder selbstin communi,,,S6 hält Bernhard Neidiger fest.Die Bürger sahen es jedoch kritisch, dass die Mendikanten fiir ihre Tätig-keiten Geld nahmen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt konnten die Ordens-mitglieder meist nicht anders, vom religiösen Standpunkt war diese Praxishingegen zweifelhaft. Immerhin sollten die Mönche und Nonnen arm seinund kein Eigentum besitzen. Im Laufe des 13. Jahrhunderts lebten die meis-ten Orden noch relativ streng nach der Armutsregel, im 14. Jahrhundert hin-gegen wandelte sich ihre Armutsauffassung. Häufig nahmen sie Geldge-schenke an und ließen sich all ihre Arbeit honorieren. Die Dominikaner undAugustiner-Eremiten ließen sich vom Papst bestätigen, dass sie ein Klosterbesitzen durften. Sie gingen auch dazu über, feste Einnahmen anzunehmenund dehnten die Auslegung des Armutsgebots somit weiter aus als vorher.Vor allem die Dominikaner gaben "den enggefaßten Armutsbegriff derFrühzeit auf,.s7 Auch die Augustiner-Eremiten interpretierten ihr Armuts-gelübde zunehmend großzügig, während die Franziskaner zwischen Besitz-und Nutzungsrecht unterschieden und sich somit strenger an ihres hielten. EsmuSSaber beachtet werden, dass die Orden auch finanziell "über die Rundenkommen" mussten. Deshalb planten sie mit festen Einkünften, aber auch nurwenn sie dafiir als Gegenleistung das bei der Vergabung des Stiftungsgutes

~eforderte liturgische Gedächtnis erbrachten"."

ss Ebd.S6 Berohard Neidiger, Liegenschaftsbesitz und Eigentumsrechte der Basler Bettelordenskon-

vente, in: Kaspar Elm (Hrsg.), Stellung und Wirksamkeit der Bettelorden in der städti-schen Gesellschaft (Berliner Historische Studien 3, Ordensstudien Il), Berlin 1981, S.l03-1l7,hierS.103.

57 Ulpts, Die Bettelorden in Mecklenburg, S. 260.S8 Neidiger, Liegenschaftsbesitz und Eigentumsrechte, S. 117.

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Im 15. Jahrhundert kam es zu verschiedenen Reformen innerhalb der Bettel-orden. Einige kehrten wieder zu der strengeren Armutsregel zurück.(Trennung der Franziskaner in Konventualen und Observanten).In Straßburg genossen die Bettelorden im 14. Jahrhundert großes Ansehen.Viele Mitglieder, die dort ein hohes Amt bekleideten, kamen aus angesehe-nen Straßburger Familien dieser Stadt." Anderswo waren die Mendikantenzu dieser Zeit angesehen, was sich auch darin zeigte, dass Adlige sie oft mitStiftungen bedachten und ihre Söhne dort in die Ausbildung gaben. Im 15.Jahrhundert dagegen sank das Ansehen der Bettelorden. Die reichen Fami-lien schickten ihre Söhne eher zum Säkularklerus, da dort die "Karriere-chancen" besser waren, indem dort Universitäten besucht werden konntenund die Söhne Anteil am Pfründenhandel hatten, was daraufhoffen ließ, einebessere Stellung zu erlangen, als es bei den Mendikanten der Fall war.60

In dieser Zeit trugen eher untere Bevölkerungsschichten als der Adel dieMendikanten. Die sozial höher stehenden Stadtbewohner nahmen Anstoß amlaschen Umgang mit dem Armutsgelübde und beklagten den Rückgang derPredigten. Dieser Niedergang lag vor allem aber an der geringer werdendenZahl an Mönchen bei gleichzeitig steigender Zahl der Stadtbewohner, sodassnicht mehr alle Anliegen befriedigt werden konnten. Außerdem sorgten dieoben erwähnten Reformen dafür, dass das Armutsgelübde wieder stärkerbeachtet werden konnte.Insgesamt kann mit Francis Rapp festgestellt werden, "daß die Bettelmöncheim 15. Jahrhundert nicht mehr genügend Prestige hatten, um Berufungen zuwecken, daß man ihnen aber doch noch, wenn auch in geringerem Maße undmit anderen Bedingungen als früher, das Heil der Verstorbenen anver-traute."?'Bei den Bürgern waren die Mendikanten im Großen und Ganzen angesehen,die Machthaber in den Städten hatten jedoch kein volles Vertrauen in dieBettelorden. Schon 1276 wurden zum Beispiel in Straßburg weitere Kloster-gründungen untersagt. Weiterhin durften Bewohner der Stadt nur ein Hun-dertstel ihres Besitzes an die Bettelorden vermachen. Es scheint so, als hät-ten die Stadtherren Angst gehabt, die Mendikanten würden ihnen ihre Rechtestreitig machen. Außerdem hatten die Stadtherren keine Möglichkeit, in dieStrukturen der Orden einzugreifen, geschweige denn bei wichtigen Ent-scheidungen mitzustimmen. In Braunschweig beschränkten die Ratsherrenzum Beispiel die Dominikaner in ihren Freiheiten, die Franziskaner hinge-gen waren von diesen Beschränkungen nicht betroffen. Martin Kintzingertrifft folgendes Urteil:

59 Francis Rapp, Die Mendikanten und die Straßburger Gesellschaft am Ende des Mittel-alters, S. 97.

60 Ebd. S. 98.61 Ebd., S. 99.

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,,Hier zeigt sich die Politik des Rates, Bettelorden dort mit allen Mitteln zu fördern, wo sieeigenen, städtischen Interessen dienlich sein konnten, sie aber auch rigoros in ihrer Bewe-gungsfreiheit zu beschneiden, sobald das Gegenteil zu befürchten war.,,62

Die Stadtverantwortlichen waren also immer darauf bedacht, dass die Bet-telorden ihrem Gemeinwesen möglichst viel nutzten, gleichzeitig aber dieHerrschaft der Stadtoberen nicht gefährdeten. Durch die Einschränkungender Dominikaner in Braunschweig waren diese mit den Stadtherren häufignicht einer Meinung, während die Franziskaner auf der Seite des Rates stan-den. So erscheint es auch nicht verwunderlich, dass sich Ende des 15. Jahr-hunderts Aufständische gegen den Rat in den Reihen der Dominikaner ver-sammelten und nicht bei den Franziskanern. Damit zeigt sich, wie abhängigdie Bettelorden vonder Gunst der Stadtherren waren.Wie Jorgen Nybo Rasmussen nachgewiesen hat, kann das Vorurteil nichtbestätigt werden, wonach die Mendikanten die unteren Schichten bevorzug-ten. Vielmehr "traten [sie] auch nicht besonders hervor in der Fürsorge fürdie Armen und Notleidenden, können also kaum als ,Sozialarbeiter des Mit-telalters' aufgefaßt werden"." Sie kümmerten sich um alle Schichten, in derAnfangszeit eher um den Adel, später jedoch auch vermehrt um die Bürgerund Notleidenden, da sich die Nobilität von ihnen abwandte.

IV. Schlussbetrachtung

Die vier großen Bettelorden im Mittelalter, Dominikaner, Franziskaner,Augustiner-Eremiten und Karmeliter, siedelten sich im Laufe des 13. Jahr-hunderts vor allem in den Städten an. Sie botendie besten Voraussetzungenfür die Erfüllung der vielfältigen Aufgaben der Mendikanten. Dort wurdensie aber nicht immer mit offenen Armen aufgenommen. In einigen Städtenstießen sie auf offenen oder versteckten Widerstand. Dieser begründete sichhäufig dadurch, dass der eingesessene Weltklerus um seine Privilegienfürchtete.Die wichtigsten Aufgaben der Mendikanten bestanden im Betteln, der Pre-digt, Seelsorge und dem Studium. Die Lehre an den Universitäten wurde zueiner weiteren Aufgabe der Bettelorden, besonders taten sich hier die Domi-nikaner hervor. Vor allem die Franziskaner zeichneten sich zusätzlich noch

62 Martin Kintzinger, Bildungseinrichtungen und Bildungsvermittlung der Bettelorden inBraunschweig (13. bis 16. Jahrhundert), in: Dieter Berg (Hrsg.), Bettelorden und StadtBettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und in der Neuzeit (Saxonia Franciscana1), Werl1992, S. 193-207, hier S. 196.

63 Rasmussen, Die Bedeutung der nordischen Franziskaner für die Städte im Mittelalter, S.18

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dadurch aus, dass sie sich als Friedensstifter engagierten und so häufig zurStreitbeilegung beitrugen. Diese Aufgaben konnten nur in den Städten erfülltwerden, weswegen sie für die Mendikanten enorm wichtig waren.Das Ansehen der Bettelorden differierte je nach Zeit, Ort und Schicht. ZuBeginn war der Adel den Bettelorden gegenüber meist freundlich gesonnen,was sich dadurch zeigte, dass es meist Adlige waren, die ihnen Grund undBoden stifteten und eine gute Startbasis in der Stadt ermöglichten, Die Bür-ger waren dankbar, dass sich die Orden um sie kümmerten. Im Laufe des 14.und 15. Jahrhunderts wandelte sich hingegen diese Einstellung. Die Adligenänderten ihre Haltung, was sich daran ablesen lässt, dass sie ihre Söhne nichtmehr den Mendikanten überließen, sondern eher an Universitäten schickten.Außerdem stieß die immer weitere Auslegung des Armutsgelübdes auf Wi-derstand seitens der Stadtbevölkerung.Die relativ dünne Quellenlage lässt derzeit keine detaillierten und gesicher-ten ortsübergreifenden Aussagen über das Ansehen der verschiedenen Bet-telorden zu. Meist kann man nur auf einzelne Städte zu einer bestimmtenZeit fokussieren.Abschließend lässt sich allerdings festhalten: Bettelorden und Stadt wareneng miteinander verknüpft. Ohne die sich entwickelnden Städte hätte es dieBettelorden in dieser Form so nicht gegeben. Sie konnten nur so dort betteln,Seelsorge betreiben und sich ihrem Studium widmen.