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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode Dr. Andreas Dieckmann, Berlin

Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode · -2-Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode „Es gibt ebenso wenig hundertprozentige Wahrheit wie hundertprozentigen Alkohol.“

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Page 1: Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode · -2-Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode „Es gibt ebenso wenig hundertprozentige Wahrheit wie hundertprozentigen Alkohol.“

Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

Dr. Andreas Dieckmann, Berlin

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

„Es gibt ebenso wenig hundertprozentige Wahrheit wie hundertprozentigen Alkohol.“• aber eines ist wahr: man braucht nicht alle

• Jahre wieder eine neue Therapie: • • Achtsamkeit• Trauma

Sigmund Freud

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

Verständnismodelle:Lerntheoretischer Ansatz

Verhalten ist determiniert durch erlernte Normmuster

Psychodynamischer AnsatzVerhalten ist determiniert durch die aus dem psychischen Erleben

entwickelte innere Persönlichkeitsstruktur

SäuglingsbeobachtungDer kompetente Säugling

Nach einer normalen Geburt öffnet das Baby sofort die Augen und sucht das Gesicht der Mutter. Neugeborene unterscheiden

den Geruch der Mutter von dem einer anderen Frau und ziehen den Geruch der Mutter vor. (Domes)

BindungstheorieVerhaltenssystem

Mit der gelungenen Beziehungsentwicklung zur Mutter entwirft das Kind Arbeitsmodelle zur Verwirklichung seiner Bindungsmodelle. Psychische Repräsentation der Bindungserfahrung. (Bowlby)

MentalisierungVon der Theory of Mind bis zur Psychoanalyse

Die Fähigkeit, vom inneren eigenen Zustand eine Distanz anzunehmen und sich den inneren Zustand des

Gegenübers zu vergegenwärtigen, zu werten und als gegeben anzunehmen. (Fonagy)

Fonagy

Bowlby

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

Seelische Entwicklung der Persönlichkeit:Seelische Entwicklung der Persönlichkeit:

1) Bedingungslose Aufnahme in der Welt: „Der Glanz in den Augen der Mutter“ (Kohut)

2) Die frühe Matrix/Prägung:

intentionalePhase: Nähe/Distanz, orale Phase: (Auf-)Nehmen/Verzichtenanale Phase: Standhalten/Flüchtenphallische Phase: Sich Zeigen/ Sich Verbergen

3) Fähigkeiten/Ich-Funktionen:Innen-Außen-Differenzierung, Nähe-Distanz-Regulierung, Affekt- und

Impulskontrolle, Antizipation, Abstraktionsvermögen, Bilateralität, Alteritätstoleranz, Wahrnehmung,Urteilsbildung, Kritikfähigkeit, Konfliktfähigkeit

4) Vorstellungen und innere Bilder:

vollständige Bilder der Eltern / Menschen, Grundeinstellungen (Vorurteile)

OBJEKTREPRÄSENTANZEN / SELBSTREPRÄSENTANZEN

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Die Psychoanalytisch interaktionelle MethodePhase Struktur Entwicklungs-Konflikt-

pathologieIch -

PsychologieObjektbeziehungstheorie

z.B. M. Mahler

intentional

oral

schizoid StrukturelleStörung

(Borderl,/Narz.,Schiz)

Innen-Außen- DifferenzierungAffekt- und Im- pulskontrolle

Nähe - Distanz - Regulierung

undiff. Matrix autistische Phase

symbiot. Phase

1.Subphase Differenzierung

2.Subph. Übung(9.-18.M)

oral-kaptativ

0-2 J.

depressiv PräödipaleStörung

AntizipationAbstraktionsver-

mögenSymbolisierungsfähig-

keitBilateralitätReziprozität

3.Subphase (16.- 24.M.) Wiederannäherung

2-3 J. retentiv-aggressiv

anal

3-4 J.

sadistisch-urethral

zwanghaft Ich-syntonesProblem-Erleben

AlteritätstoleranzWahrnehmung (sinnl. / psych.)Realitätsprüfung

UrteilsbildungKritikfähigkeit

| 4.Subphase (bis 36.M.) Individualisierung

3-6 J.phallisch genital

sexuell

histrionisch Ödipaler KonfliktKonfliktpathologie

(„klassische“Neurosen)

und weitere regulierende Funktionen,

einschl. Abwehrmechanismen

Repräsentanzen vollständiger Objekte

Latenzweitere Reifung

PubertätAdoleszenzInitiation´

Ich-dystonesProblem-erleben

Objektkonstanz(ab dem 3. Lj.)

Repräsentanzen des Selbst durch Konfrontation mit der eigenen Realität

synthetisch-integrative-

Ich-Funktion

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

Hirnentwicklung und Bindung Massives Hirnwachstum geschieht im letzten Trimester der Schwangerschaft bis zum zweiten Lebensjahr. (Schore, 1996) Frühe Bindungserfahrung überlappen sich mit dem Wachstumsschub des Gehirns.“ (Schore, 1996) Die sich früh entwickelnde rechte Hemisphäre, die für die Selbstregulation und für das implizite Selbst verantwortlich ist, wird durch Beziehungserfahrungen geformt.“ (Schore, 1994) „Bindungserfahrungen sind gestaltgebend, denn sie erleichtern die Entwicklung der selbst-regulierenden Hirnmechanismen.“ (Fonagy&Target,2002) Nach Helga Matthess

Jedes Gehirn hat verschiedene Zentren für verschiedene Aufgaben

Quelle: Dr. Wibke Voigt, Dortmund,Fachklinik St. Vitus, Visbek

„Die Selbstorganisation des sich entwickelnden Gehirnes geschieht im Kontext einer Beziehung mit einem anderem Selbst, einem anderen Gehirn.“ (Schore, 1996)

„Das Gefühl für das Selbst entspringt der Hirnaktivität im Austausch mit anderen Selbst.“ (Decety&Chaminade,2003)

Das Gehirn ist veränderlich, sodass seine strukturelle Organisation die Geschichte des Organismus enthält“.

Das kindliche Gehirn „ist so konstruiert, dass es von der Umgebung, die es antrifft, geformt wird.“ (Schore, 2004)

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

Hierarchien der Gehirnfunktionen

Cortical

Limbisch

Zwischen-hirn

Hirn-stamm

Abstrakte GedankenKonkrete GedankenSoziale Kompetenz

BindungSexualverhalten

Emotionale Bindung

Motorische Regulation„Arousal“

Appetit/Durst

SchlafBlutdruckHerzrate

KörpertemperaturNach Bruce Perry

Quelle: Dr. Wibke Voigt, Dortmund,Fachklinik St. Vitus, Visbek

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode als Haltung für die Tagesklinische Rehabilitation

Die süchtige Entwicklung

Cortical

Limbisch

Zwischen-hirn

Hirn-stamm

Süchtige DenkstrukturenGeringe Sozialkompetenz

Emotionale Bindung = SuchtstoffPassiver Lebensmodus

Pathogen angepassteMotorische Regulation„Arousal“, Appetit/Durst

Dysfunktionale MusterBlutdruck, Schlaf

HerzrateKörpertemperatur

Nach Bruce Perry

Quelle: Dr. Wibke Voigt, Dortmund,Fachklinik St. Vitus, Visbek - verändert

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

Die süchtige Erwartung an Therapie

Es bleibt alles, wie es ist, nur ohne Suchtstoff

(Der Therapeut ersetzt den Stoff, Unmöglichkeit der Vorstellung einer dauerhaften Abstinenz, Kontrollphantasien, als-ob-Erleben, fehlende „Aneignung“, ich bin anders)

Quelle: Dr. Wibke Voigt, Dortmund,Fachklinik St. Vitus, Visbek - verändert

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode

Mangelnde innere Beziehungsmuster abhängiger und strukturell gestörter Rehabilitanden brauchen stabile Beziehungsangebote im

Rahmen stabiler Verlässlichkeit der Umgebung und der Person

Konsequenz

• Beziehungskonstanz

• Zuverlässige Therapeutische Haltung

• mildes Reizklima

• repressionsarmes Klima – herrschaftsfreier Dialog

• Auflösung der Trennung von Therapieraum und Realraum

• Einheitliche therapeutische Haltung in allen Therapiemodulen –

verlässliche Vielfalt

•Einbezug besonderer Problematik ( Trauma, Sterbebegleitung usw.)

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode als Haltung für die Tagesklinische Rehabilitation

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode als Haltung für die Tagesklinische Rehabilitation

Beispiel:

1) Patient: Wissen Sie noch, was ich Ihnen gestern über die Reise nach P. erzählt habe, zu der mich mein Vater mitgenommen hat?

Therapeut: Ja, ich erinnere mich!

2) Patient: Wissen Sie noch, was ich Ihnen gestern über die Reise nach P. erzählt habe, zu der mich mein Vater mitgenommen hat?

Therapeut: Sie rechnen damit, dass ich schnell vergesse, was Sie mir anvertrauen.

3) Patient: Wissen Sie noch, was ich Ihnen gestern über die Reise nach P. erzählt habe, zu der mich mein Vater mitgenommen hat?

Therapeut: Obwohl es eine einfache Frage ist, mag ich Ihnen nicht so ohne weiteres antworten, weil ich unsicher bin, ob Sie das wirklich als Frage meinen. In vergangenen Gesprächen kam es nämlich vor, dass ich das Gefühl hatte, Sie wollten mir nachweisen, ich höre Ihnen gar nicht recht zu und interessiere mich nicht für Sie.

Authentisch – expressiv – selektiv:

Ich habe etwas von Ihnen verstanden!

Quelle: nach Streeck, Leichsenring, Handbuch psychoanalytisch interaktionelle Therapie, S.97

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode als Haltung für die Tagesklinische Rehabilitation

Topische Ebene Gruppenkonsens Behandlungsprinzip

Bewusstsein Normative Verhaltensregulierung

Psychoanalytisch- interaktionell

Prinzip Antwort

Vorbewusstes Psychosoziale Kompromissbildung

Tiefenpsychologisch fundiert

Prinzip Antwort / Deutung

Unbewusstes Phantasien / Tagträume

Psychoanalyse

Deutung

GÖTTINGER MODELL

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Die Psychoanalytisch interaktionelle Methode als Haltung für die Tagesklinische Rehabilitation

LITERATUR„Psychoanalytisch interaktionelle Methode“

Die von Heigl-Evers, Heigl und Ott aus der Psychoanalyse entwickelte evidenzbasierte „psychoanalytisch interaktionelle Methode“ ist in der Suchttherapie etabliert. Für die Hartmut-Spittler-Fachklinik ist sie die therapeutische Grundhaltung. Ulrich Streeck hat in den letzten Jahren zwei wichtige Werke der Fortentwicklung vorgelegt:

Psychotherapie komplexer Persönlichkeitsstörungen, Streeck,U., erschienen bei Klett-Cotta, ISBN 978-3-608-94481-5

und die äußerst praktische Therapiehilfe

Handbuch psychoanalytisch-interaktionelle Therapie, Streeck,U., ;Leichsenring, F., erschienen bei Vandenhoeck&Ruprecht, ISBN 987-3-325-40160-6