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© 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 4/2007 (38) | Phys. Unserer Zeit | 163 | TREFFPUNKT FORSCHUNG zium durch den Fallenschlitz. Die Kontamination des engen Fallenbe- reichs – der Prozessorregion des Quantencomputers – wird dadurch gering gehalten. Mit mehr als 30 Segmenten für die Speicherung und den Transport von Ionen stellt die neuartige Fallen- struktur ein hochkomplexes Instru- ment auf dem Weg zum Quanten- computer dar. Die Falle hat erste Funktionstests bestanden und laser- gekühlte Kristalle aus Kalziumionen mit einer Temperatur von wenigen Millikelvin gespeichert. Zur Zeit werden Algorithmen für den schnel- len Transport der Ionen entlang der Falle untersucht [3,4]. Langfristiges Ziel ist die Speicherung und Verarbei- tung von etwa hundert Quantenbits – ein Quantencomputer würde dann eine Leistungsfähigkeit erreichen, die jeden herkömmlichen Computer weit zu übertreffen vermag. [1] W. Hänsel, Physik in unserer Zeit 2006, 37 (2), 64 und 2006, 37 (6), 272. [2] D. Kielpinski, C.R. Monroe, D.J. Wineland, Nature 2002, 417, 709. [3] S. Schulz, U. Poschinger, K. Singer, F. Schmidt-Kaler, Progress Phys. 2006, 54 (8), 648. [4] R. Reichle, et al., Progress Phys. 2006, 54 (8), 666. Stephan Schulz, Ferdinand Schmidt-Kaler, Uni Ulm tronfrequenz ν c und damit unabhän- gig vom elektrischen Feld oder Ort und Bewegungszustand der Ionen. Ein zusätzliches elektrisches Quadrupol-Wechselfeld mit einer Frequenz ν exakt gleich der Zyklo- tronfrequenz ν c führt nun bei kor- rekt gewählter Anregungsdauer zu einer vollständigen Umwandlung der beiden radialen Bewegungsmoden ineinander. Die damit verbundene Energiezufuhr kann mit einer Flug- zeitmethode gemessen werden und dient zur Bestimmung von ν c. und damit der Ionenmasse. Konventionell wird das Wechsel- feld mit konstanter Amplitude für eine bestimmte Zeitdauer t rf einge- koppelt. Eine Variation der Anre- gungsfrequenz ergibt eine Flugzeit- verteilung wie in Abbildung 2 oben rechts dargestellt. Deren Minimum liefert die Zyklotronfrequenz. Die Messunsicherheit hängt von der Breite der Resonanzkurve und von der Linienform der Kurve ab. Der Anregungsdauer ist bei kurzlebigen Nukliden eine natürliche Grenze gesetzt. Nun zeigt sich, dass es bei gleicher Beobachtungszeit, sprich Anregungsdauer der Ionen, effizienter ist, das kontinuierliche Anregungsprofil durch zwei zeitlich voneinander getrennte Anregungs- KERNMASSEN | Die Ramsey-Methode in der Präzisions- Massenspektrometrie Jedes Atom ist auf einzigartige Weise durch seine Masse und damit die Bindungsenergien in Kern und Hülle charakterisiert. Durch die Verwen- dung der Ramsey-Methode ist es kürzlich gelungen, bei gleichbleiben- der Genauigkeit eine Messzeitreduzierung von einer Größenordnung zu erreichen. Damit werden Präzisionsmassenmessungen an sehr kurz- lebigen Kernen möglich. Die Massenwerte der Nuklide haben großen Einfluss auf verschiedene Forschungsgebiete der Physik. So dienen sie nicht nur als Test von konkurrierenden Kernmodellen, sondern liefern auch Informationen für das detaillierte Verständnis der Entstehung der Elemente in Sternen (stellare Nukleosynthese) und der Sternentwicklung. Darüber hinaus ermöglichen Massenmessungen kurzlebiger, exotischer Radionuklide auch Tests fundamentaler Wechsel- wirkungen [1]. Zur hochpräzisen Massenmes- sung insbesondere kurzlebiger Radionuklide wurde das ISOLTRAP- Experiment am On-line-Massensepa- rator ISOLDE am CERN (Genf) entwickelt [1]. Hierbei misst man die charakteristische Zyklotronfrequenz der Ionen in einem Magnetfeld ν c = qB/(2πm). Mit dieser Frequenz durchlaufen die untersuchten Teil- chen eine kreisförmige Bahn, auf die sie durch die Lorentz-Kraft eines starken Magnetfeldes gezwungen werden. Die Messung erfolgt durch Spei- cherung und Manipulation der Ionen in einer Penning-Falle (Abbildung 1). Dort wirkt zusätzlich zum Magnet- feld B ein statisches elektrisches Quadrupolfeld mit der Potentialdiffe- renz V = zwischen den Endkappen und der Ringelektrode. Dieses lässt die Ionen um die Mittelebene schwingen und schränkt sie dadurch in ihrer Bewegung in Richtung des Magnetfeldes ein. In dieser Falle wird die Zyklotron-Kreisbewegung zu einer Überlagerung von zwei Kreis- bewegungen unterschiedlicher Frequenzen modifiziert. Glücklicher- weise ist deren Summe gerade wieder die charakteristische Zyklo- ABB. 1 | PENNING-FALLE Hyperbolisch geformte Penning-Falle mit einer Ringelektrode und zwei Endkappenelektroden zur Erzeugung des quadrupo- laren Speicherpotentials.

Die Ramsey-Methode in der Präzisions-Massenspektrometrie

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Page 1: Die Ramsey-Methode in der Präzisions-Massenspektrometrie

© 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 4/2007 (38) | Phys. Unserer Zeit | 163

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zium durch den Fallenschlitz. DieKontamination des engen Fallenbe-reichs – der Prozessorregion desQuantencomputers – wird dadurchgering gehalten.

Mit mehr als 30 Segmenten fürdie Speicherung und den Transportvon Ionen stellt die neuartige Fallen-struktur ein hochkomplexes Instru-ment auf dem Weg zum Quanten-computer dar. Die Falle hat ersteFunktionstests bestanden und laser-gekühlte Kristalle aus Kalziumionenmit einer Temperatur von wenigenMillikelvin gespeichert. Zur Zeitwerden Algorithmen für den schnel-len Transport der Ionen entlang der

Falle untersucht [3,4]. LangfristigesZiel ist die Speicherung und Verarbei-tung von etwa hundert Quantenbits– ein Quantencomputer würde danneine Leistungsfähigkeit erreichen, diejeden herkömmlichen Computerweit zu übertreffen vermag.

[1] W. Hänsel, Physik in unserer Zeit 22000066, 37(2), 64 und 22000066, 37 (6), 272.

[2] D. Kielpinski, C.R. Monroe, D.J. Wineland,Nature 22000022, 417, 709.

[3] S. Schulz, U. Poschinger, K. Singer, F.Schmidt-Kaler, Progress Phys. 22000066, 54 (8), 648.

[4] R. Reichle, et al., Progress Phys. 2006, 5544(8), 666.

Stephan Schulz,Ferdinand Schmidt-Kaler, Uni Ulm

tronfrequenz νc und damit unabhän-gig vom elektrischen Feld oder Ortund Bewegungszustand der Ionen.

Ein zusätzliches elektrischesQuadrupol-Wechselfeld mit einerFrequenz ν exakt gleich der Zyklo-tronfrequenz νc führt nun bei kor-rekt gewählter Anregungsdauer zueiner vollständigen Umwandlung derbeiden radialen Bewegungsmodenineinander. Die damit verbundeneEnergiezufuhr kann mit einer Flug-zeitmethode gemessen werden unddient zur Bestimmung von νc. unddamit der Ionenmasse.

Konventionell wird das Wechsel-feld mit konstanter Amplitude füreine bestimmte Zeitdauer trf einge-koppelt. Eine Variation der Anre-gungsfrequenz ergibt eine Flugzeit-verteilung wie in Abbildung 2 obenrechts dargestellt. Deren Minimumliefert die Zyklotronfrequenz. DieMessunsicherheit hängt von derBreite der Resonanzkurve und vonder Linienform der Kurve ab.

Der Anregungsdauer ist beikurzlebigen Nukliden eine natürlicheGrenze gesetzt. Nun zeigt sich, dasses bei gleicher Beobachtungszeit,sprich Anregungsdauer der Ionen,effizienter ist, das kontinuierlicheAnregungsprofil durch zwei zeitlichvoneinander getrennte Anregungs-

K E R N M A SS E N |Die Ramsey-Methode in der Präzisions-MassenspektrometrieJedes Atom ist auf einzigartige Weise durch seine Masse und damit dieBindungsenergien in Kern und Hülle charakterisiert. Durch die Verwen-dung der Ramsey-Methode ist es kürzlich gelungen, bei gleichbleiben-der Genauigkeit eine Messzeitreduzierung von einer Größenordnung zuerreichen. Damit werden Präzisionsmassenmessungen an sehr kurz-lebigen Kernen möglich.

Die Massenwerte der Nuklide habengroßen Einfluss auf verschiedeneForschungsgebiete der Physik. Sodienen sie nicht nur als Test vonkonkurrierenden Kernmodellen,sondern liefern auch Informationenfür das detaillierte Verständnis derEntstehung der Elemente in Sternen(stellare Nukleosynthese) und derSternentwicklung. Darüber hinausermöglichen Massenmessungenkurzlebiger, exotischer Radionuklideauch Tests fundamentaler Wechsel-wirkungen [1].

Zur hochpräzisen Massenmes-sung insbesondere kurzlebigerRadionuklide wurde das ISOLTRAP-Experiment am On-line-Massensepa-rator ISOLDE am CERN (Genf)entwickelt [1]. Hierbei misst man diecharakteristische Zyklotronfrequenzder Ionen in einem Magnetfeld νc= qB/(2πm). Mit dieser Frequenz

durchlaufen die untersuchten Teil-chen eine kreisförmige Bahn, auf diesie durch die Lorentz-Kraft einesstarken Magnetfeldes gezwungenwerden.

Die Messung erfolgt durch Spei-cherung und Manipulation der Ionenin einer Penning-Falle (Abbildung 1).Dort wirkt zusätzlich zum Magnet-feld B ein statisches elektrischesQuadrupolfeld mit der Potentialdiffe-renz V= zwischen den Endkappenund der Ringelektrode. Dieses lässtdie Ionen um die Mittelebeneschwingen und schränkt sie dadurchin ihrer Bewegung in Richtung desMagnetfeldes ein. In dieser Falle wirddie Zyklotron-Kreisbewegung zueiner Überlagerung von zwei Kreis-bewegungen unterschiedlicherFrequenzen modifiziert. Glücklicher-weise ist deren Summe geradewieder die charakteristische Zyklo-

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Hyperbolisch geformte Penning-Falle mit einer Ringelektrodeund zwei Endkappenelektroden zur Erzeugung des quadrupo-laren Speicherpotentials.

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pulse zu ersetzen (Abbildung 2unten). Diese Methode hat NormanF. Ramsey zur Verbesserung vonNMR-Experimenten (Kernspinreso-nanz) entwickelt, wofür er 1989 denPhysik-Nobelpreis erhielt. Ramseyverwendete räumlich getrennte,hochfrequente magnetische Wechsel-felder.

Die theoretische Beschreibungdes Messvorgangs liefert präziseVoraussagen über Form und Strukturder zu erwartenden Resonanzlinien[2]. Zum einen sind diese deutlichschmaler als bei der konventionellenAnregung mit konstanter Amplitude,zum anderen sind ihre Seitenbänderstärker ausgeprägt. Beide Effektehaben zur Folge, dass sich die Fre-quenz wesentlich genauer bestim-men lässt und sich die Messzeiterheblich verringert.

Nach der experimentellen Bestä-tigung ihrer Vorzüge [3] wurde dieRamsey-Methode für die On-line-Massenmessung des kurzlebigenRadionuklids 38Ca eingesetzt. Inner-halb weniger Stunden konnte einestatistische Massengenauigkeit vonwenigen 10-9 erzielt werden. Diesesradioaktive Nuklid hat eine Halb-wertszeit von nur 440 ms und ist fürTests der Schwachen Wechselwir-kung von Bedeutung [4].

Für die Zukunft verspricht dieMethode einen Zugang zu nochkurzlebigeren und damit exotische-ren Kernen fernab vom Tal derStabilität. Deren Massen sind insbe-sondere im Hinblick auf ein besseresVerständnis der Nukleosynthese unddamit der chemischen Zusammenset-zung unseres Universums von großerBedeutung.

[1] K. Blaum et al., Physik in unserer Zeit22000055, 36 (5), 222;isoltrap.web.cern.ch/isoltrap.

[2] M. Kretzschmar, Int. J. Mass Spectrom.,22000077, 264 (2–3), 122.

[3] S. George et al., Int. J. Mass Spectrom.,22000077, 264 (2–3), 110.

[4] S. George et al., Phys. Rev. Lett. 22000077, 98,162501.

Sebastian George, Klaus Blaum,GSI Darmstadt, Uni Mainz,

Martin Kretzschmar, Uni Mainz,Lutz Schweikhard, Uni Greifswald

O P TO E L E K T RO N I K |Nanolichtschalterauf Siliziumchip

Physikern im ForschungszentrumDresden-Rossendorf ist es gelungen,eine Lichtquelle auf Siliziumbasis viaElektrolumineszenz abwechselndBlau und Rot leuchten zu lassen.

Silizium ist das wichtigste Roh-material für die Mikroelektronik. Fürviele Anwendungen wäre es wün-schenswert, wenn Bauteile ausSilizium auch leuchten würden. Dasgelingt jedoch kaum. Die Gruppe umWolfgang Skorupa entwickelte nuneine Wechsellichtquelle auf folgendeWeise: Auf eine Siliziumoberflächetrugen die Forscher eine hundertNanometer dicke Isolatorschicht ausSiliziumdioxid auf. Diese wird mitHilfe eines Ionenstrahls mit Euro-pium dotiert.

Die Besonderheit von Europium,das zur Gruppe der Seltenen Erdengehört, besteht darin, dass sich imOxid zwei verschiedene Arten vonStörstellen infolge unterschiedlicherchemischer Wertigkeiten des Euro-piums ausbilden können. Diese sinddie Ursache für die Lumineszenz imblauen und roten Farbbereich. Jenach Stärke des angelegten Stromeswird die eine oder die andere Störstelle zum Leuchten angeregt.

Bereits im Jahr 2004 entwickeltedie Rossendorfer Gruppe einesiliziumbasierte Lichtquelle für dasUV, anschließend eine weitere fürgrünes Licht. Die gute Integrierbar-keit dieser Lichtemitter mit deretablierten Siliziumtechnologie istdabei von entscheidender Bedeu-tung, denn der neue zweifarbigeNanowechselschalter könnte preis-wert und einfach in herkömmlicheSiliziumchips eingebaut werden.

Mögliche Anwendungen sehendie Forscher im Bereich von Bio- undUmweltsensoren.

S. Prucnal et al., Appl. Phys. Lett. 22000077, 90, 181121.

Links die Anregungsschemata des elektrischen Quadrupol-Wechselfeldes, rechts dieresultierenden Flugzeitresonanzkurven. Oben: konventionell, unten: neue Methodemit zeitlich getrennten Pulsen.

A B B . 2 | A N R EG U N G U N D R E S O N A N Z KU RV E N