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PQ EB NAVI KREATIVITÄT Am Anfang steht der Geistesblitz: Wie lässt sich das Neue finden? Die Geheimnisse der Kreation und 26 Techniken für Funken im Dunkeln. DADA IST 100 Von Dada lernen: Wie die Dadaisten die Kunst und die Welt neu erfanden. 6 21 Wege zur Weiterbildung März 2016 – #6 Ideen zünden ( (

EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 6

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Ideen zünden, Kreativität

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EBNAVI

KREATIVITÄTAm Anfang steht der Geistesblitz: Wie lässt sich das Neue finden? Die Geheimnisse der Kreation und 26 Techniken für Funken im Dunkeln.

DADA IST 100Von Dada lernen: Wie die Dadaisten die Kunst und die Welt neu erfanden.

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Wege zur WeiterbildungMärz 2016 – #6

Ideen zünden

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PQKantonale Berufsschule für WeiterbildungBildungszentrum für Erwachsene BiZERiesbachstrasse 118090 ZürichTelefon 0842 843 [email protected]

Herausgeber EB Zürich, Kantonale Berufsschule für Weiterbildung, Serge Schwarzenbach

Redaktion Christian Kaiser (verantwortlich für diese Nummer), Fritz Keller

Mitarbeit an dieser Nummer Kursleitende der EB Zürich

Bilder Fabian Frinzel, Sibylle Jäger, Christian Kaiser, Miriam Selmi Reed, Fritz Franz Vogel, Ayse Yavas

Illustrationen Alice Kolb

Infografik Daniel Röttele

Korrektorat Franziska Schwarzenbach

Gestaltung Giorgio Chiappa

Titelbild Alice Kolb

Auflage 25 500 Exemplare

Druck FO-Fotorotar, Egg

ISSN 2297-2307

Abonnierung EB Navi: [email protected]

neutralDrucksache

No. 01-15-171667 – www.myclimate.org© myclimate – The Climate Protection Partnership

PERFORMANCE

IDEEN ZÜNDEN 3

EDITORIAL

Das Finden des UnbekanntenPicasso schrieb in einem Gedicht, er suche nicht, er finde. «Auf offenen Wegen» dem Unbekannten zu begegnen, darum gehe es: «Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer!» In unserer Zeit ist es offensichtlich wichtig, Neues zu finden, das in irgendeiner Art und Weise Nutzen oder Sinn hat. Wir brauchen mehr Kreativität in allen Branchen und Lebensbereichen.

Aber ist denn Kreativität eine Begabung, eine Technik oder eine Fähigkeit? Adrian Notz, Dada-Guru und Direktor des Cabaret Voltaire, sagt im Interview (➝ Seite 6), Kreativität sei das, was Menschen letztlich antreibe, was ihnen Selbstbestätigung verleihe: «Eine Grundhandlung, die in allen Metiers fliessen sollte.» Und Notz erklärt auch, was wir 100 Jahre nach der Gründung der Dada-Bewegung in Zürich von den Dadaisten über dieses menschliche Urbedürfnis lernen können.

Auch stellen wir Ihnen auf 46 Seiten 26 Kreativitätstechniken vor (➝ ab Seite 26) – quasi Handwerkszeug für kreative Tätigkeiten; gefunden, erprobt und für gut befunden von Kursleiterinnen und Kursleitern der EB Zürich. Lassen Sie sich inspirieren. Dieses EB Navi ist ein Kompendium, ein Vademecum, das Sie für kreative Prozesse nutzen können: für Vorträge, fürs Kochen, fürs Schreiben, fürs Unterrichten, fürs Gestalten oder für die Kunst.

Natürlich werden wir nicht zu Picassos werden, auch wenn der grosse Joseph Beuys gesagt hat, jeder ein Künstler und alles ist Kunst. Trotzdem können wir es wagen, auf das Unbekannte zuzu-gehen. Immer wieder von Neuem.

Viel Erfolg und Vertrauen in Ihre eigenen kreativen Fähigkeiten.

Serge Schwarzenbach, Herausgeber

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DADA IST 100

6«Der kritische Blick

ist Grundlage für Kreativität»Er zeichnet, posiert in Youtube-Filmen,

organisiert Ausstellungen und Events, treibt Spenden-Gelder ein. Adrian Notz ist ein

umtriebiger Tausendsassa, der sich selber nicht als solcher sieht. Eher zufällig kam er zu dem Job, den er heute mit Begeisterung

und Leidenschaft ausfüllt: Im Interview verrät der Cabaret-Voltaire-Direktor und

Dada-Nachlass verwalter, was wir heute noch von den Dadaisten über Kreativität

lernen können.

13Der Clou mit dem Kopfwasser

Wie wurde Dada zu einer Weltmarke, die noch immer im Trend liegt? Die Geschichte des

Dadaismus ist auch ein Lehrstück in Sachen Branding. Der Mythos rund um den

Gründungsort Cabaret Voltaire spielt dabei eine wichtige Rolle, aber nicht nur; warum

die Universalmarke Dada zugleich auch eine Lilienmilchseife und

ein Urschrei ist.

INHALT

SERVICE

16Infografik –

Kreativwirtschaft im ÜberblickDie Digitalisierung macht den Kreativ-

branchen zu schaffen: Am härtesten trifft es das Musikbusiness, gefolgt vom Buchmarkt

und der Werbung. Stabil zeigen sich Kunsthandwerk und Design, wachsen konnten

Radio und Fernsehen, Architektur und Software. Für unsere Übersicht haben wir

das verfügbare Zahlenmaterial aus der amtlichen Statistik zusammengetragen und

hochgerechnet.

18Alles Trial and Error?

Kreativität einüben mit Games? Der Cyberspace verzeiht Fehler, die reale Welt

weniger. Gerade weil es im richtigen Leben keinen Restart-Knopf gibt, darf man spielend

virtuell auch mal ganz mutig Strategien durchprobieren. Um aus Fehlentscheiden fürs Realleben zu lernen. Die Ideen dafür

lassen sich mit Apps festhalten und übersichtlich darstellen.

IDEEN ZÜNDEN 5

IDEEN ZÜNDEN

21Der Funken im Dunkeln

Das Schöpfenwollen ist ein menschliches Grundbedürfnis, Spass am Job ist der grösste Kreativitätstreiber. Was aber,

wenn die zündenden Ideen nicht von selber kommen? Dann kann es helfen, sich zu überlegen, wie Kreativität eigentlich funktio-niert und was den sprühenden Gedanken auf die Sprünge hilft:

Woher kommen Aha-Effekte und Musenküsse und was sind die Gehhilfen durch den Ideenwald?

26Viele Wege führen zum Neuen: 26 Kreativitäts-Tools

Vom Chaos zum Geistesblitz, von der Problembeschreibung bis zur -beseitigung. 26 wertvolle Kreativitäts-Tools mit

Anwendungsbeispielen auf 46 Seiten, erprobt und vorgestellt von Kursleitenden und Mitarbeitenden: Ihre Favoriten sind

bewährte Klassiker wie die Walt-Disney-Technik oder das World-Café, aber auch Adaptionen wie Brainstroming reloaded und eigentliche Neuerfindungen wie das Kompostieren.

Zum Ausprobieren und Nachahmen empfohlen.

74Die Übersicht: alle 26 Techniken mit Rating

Von B wie Bisoziation mit Bildern bis W wie Wahrnehmen – Assoziieren – Fragen: Welche Technik lässt sich wann,

wofür anwenden, mit welchem Aufwand und welchem Ertrag? Die grosse Übersicht hilft, die richtige Technik für jede Aufgabe

zu finden. Und macht dieses EB Navi zum Vademecum, das Sie an die nächste Sitzung oder in die kreative Pause auf die

Alp mitnehmen können.

Kreativität im Bild:Illustrationen von Alice Kolb Die Illustratorin Alice Kolb (alicekolb.ch) hat die Zutaten und Inspirationen für Kreativität ins Bild gesetzt; sie sind über das Heft verteilt und finden sich gesammelt auf dem Cover wieder. Alice Kolb studierte in Luzern und Strassburg Visuelle Kommunikation mit Vertie-fung Illustration und Art Teaching (2008 bis 2013) und gewann verschie-dene Förderpreise. Heute arbeitet sie für Verlage, Kultur und Werbung. Neben Illustrationen für Magazine (u. a. Neon, SonntagsBlick) gestaltet sie auch Plakate oder Programme fürs Theater oder visuelle Parcours für Museen.

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DADA IST 100

Herr Notz, Sie haben in einer Fundraising-Aktion Porträts der Dadaisten verkauft. Einige davon trugen Ihre Handschrift. Sie zeichnen auch?Ja. Was ich mache, ist aber eher ein Kopieren, ein Abzeichnen: Ich habe Fotografien oder Drucke durchgepaust und dann schraffiert. Das war eine intime Begegnung mit den Dadaisten. Ob malend oder abschreibend – das Kopieren ist ja eine mönchi-sche Tradition, um Dinge zu verinnerlichen; eine Art Meditation, aus welcher wieder etwas Neues entstehen kann. Die «Alte Kunst» des Mittelalters war ja eine wichtige Referenz für die Dadaisten, um «Neue Kunst» entstehen zu lassen.

Ist Kreativität nicht eigentlich «Sampling» – die Rekombination von schon Dagewesenem? Oder gar Klauen? Das Cabaret Voltaire bedient sich doch laufend aus dem Ideenfundus anderer, oder?Man kann ja nichts wirklich Neues schaffen. Die grossen Themen sind seit ungefähr 5000 Jahren gesetzt: Liebe, Freiheit usw. In dem Sinne ist alles nachher ein Klauen und Kopieren. Aber vielleicht

sollten wir das Kopieren auch etwas offener verste-hen. In Europa ist ja das Original sehr wichtig; «Wer hats erfunden?» ist hier eine bedeutsame Frage. In Asien oder China hat man da ein völlig anderes Verständnis: Eine Kopie, die möglichst nah am Ori-ginal ist, bezeugt das Können des Handwerkers oder Künstlers. Deshalb gibts dort auch so viele Fälschun-gen. Während wir in Europa dazu neigen, das Origi-näre zu schützen und zu erhalten, lebt in Asien die kreative Idee in den Kopien weiter. Diese Vorstellung gefällt mir.

Ihre persönliche Definition von Kreativität?Ich halte es erst einmal für keinen besonders guten Begriff, weil er von der sogenannten Kreativwirtschaft sehr stark instrumentalisiert und vermarktet wird. Wenn man das Wort aber von diesem zeitgenössi-schen Verständnis loslöst, dann ist Kreativität das, was Menschen antreibt: als Kreation, als Erschaffen-wollen. Das Schöpfen ist das, was den Menschen letztlich Selbstbestätigung verleiht. Eine Grund-handlung, die in allen Metiers fliessen können sollte.

«Wach bleiben, um die Muse nicht zu verpennen»

Er ist Guru, Hausmeister, Erbverwalter und Totalliquidator des Dadaismus in einem:

Adrian Christopher Notz, Direktor des Cabaret Voltaire, dem Ort, wo vor 100 Jahren

die Dada-Bewegung geboren wurde. Im Interview erläutert er, was wir heute

noch von den Dadaisten über Kreativität lernen können. Zum Beispiel, wie ein Jäger innerlich

bereit und äusserlich ruhig auf Beute zu warten.

Interview Christian Kaiser

IDEEN ZÜNDEN 7

Was können wir von den Dadaisten über Kreation und Innovation lernen?Verschiedenes. Erstens: Alles und jedes immer zu hinterfragen. Dieser kritische Blick bildet die Grundlage. Zweitens: dranbleiben. Eine Idee oder ein zündender Gedanke wird knallhart verfolgt, man könnte fast schon von Besessenheit sprechen. Dabei gilt es aber immer Haltung zu bewahren. Im Dada-Manifest von Hugo Ball heisst es dazu: «mit edlem Gestus und feinem Anstand bis zum Irrsinn, bis zur Bewusstlosigkeit.» Für mich ist das Dada-Jahr ein Selbsttest in dieser Beziehung.

Mit Besessenheit dranbleiben? Bekommt man davon nicht Scheuklappen und verpasst Chancen? Für die Dadaisten waren doch auch das Unvorher-gesehene und der Zufall sehr wichtig bei ihrer Arbeit.Das Hinterfragen hört ja nicht mit der Idee auf. Es geht um ein ständiges Wechselspiel: Das Sowohl-als-auch war für die Dadaisten wichtiger als das Ent-weder-oder. Ihr Anliegen war, nicht links oder rechts zu sein, sondern vertikal. Man kann die Position mit einem Ankerpunkt im Zentrum vergleichen; die Nadel, auf der die Kompassnadel sitzt. Das wäre das Ziel.

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Und wie wirkt das Element des Zufalls im Kreativi-tätsprozess?Die Dadaisten zeichnet eine gewisse Offenheit für Zufälle aus, die man auch als Improvisation be-zeichnen kann. Improvisieren ist nicht einfach, dafür braucht es die Fähigkeit, wie ein Jäger ständig bereit zu sein. Dann kann man mit dem Zufall arbei-ten.

Sie selbst zeichnen, performen im Internet als Total-liquidator des Dadaismus, Sie planen Ausstellun-gen, stellen Stadtführungen mit Dada-Guides auf die Beine, planen Events und Veranstaltungen. Sind Sie ein kreativer Tausendsassa?Ich würde mich weder als besonders kreativ noch als Tausendsassa bezeichnen.

Ist das jetzt nicht Tiefstapelei?Ich nehme das selbst nicht so wahr. Für mich geht es um Dienst an der Sache.

Das heisst, Ihre kreativen Ideen kommen automa-tisch – aus Hingabe und Leidenschaft?Ja. Das Dada-Jubiläum ist eine Riesenchance, für mich persönlich und das Cabaret Voltaire.

Bei Ihrer Wemakeit-Finanzierungsaktion für eine Dada-Sonderausstellung konnte man sich einen Dada-Soldaten oder einen Dada-Präsidenten kau-fen – und erhielt im Gegenzug einen freien Tag mit diesem Dadaisten. Wie kamen Sie denn auf die Idee?Zunächst einmal hatten wir uns schon früher gefragt: Wer waren die Dadaisten, wer gehört alles dazu? Wir haben sie aus Quellen gesammelt: Tristan Tzara

Kopierend wahrnehmen und verinnerlichen: die Dada-Grössen Richter (links) und Picabia (rechts), skizziert vom Dada-Nach-lass-Verwalter Adrian Notz.

IDEEN ZÜNDEN 9

hat Listen gemacht in einem Magazin in Paris, einige Namen fanden wir in Veröf-fentlichungen in New York, in Dada-Almanachs und Programmen. Später haben wir angefangen, sie in Kategorien einzuteilen: Über-Dadas, Präsidenten, Ober-Dadas, Soldaten. Insgesamt sind wir bei 165 angelangt. Im Jubiläumsjahr wollten wir für jeden Dadaisten einen Feiertag abhalten. Im zwingliani-schen Zürich gibt es ja ohnehin zu wenig Feiertage. So entstand die Idee, den Mitwirkenden an der Kampa-gne einen Freitag mit ihrem Dadaisten zu schenken.

Sie sprechen von mönchischer Tradition, Dada-Heiligen und verschenken Feiertage. Sie scheinen eine spirituelle Ader zu haben.Der Cousin meiner Freundin, ein türkischer Fitness-trainer, hat mich unlängst gefragt: «Glaubst du denn an Dada?» Wahrscheinlich schon. Das ist eine Seite an Dada, die man gern etwas übersieht; die spiritu-elle oder geistliche oder philosophisch-metaphysi-sche. Bei Hugo Ball etwa war sie sehr ausgeprägt. Er hat später die christlichen Mysterien studiert und ein Buch geschrieben über das byzantinische Chris-tentum. Ball hat sich stark mit Mystik beschäftigt.

Meinrad Furrer, der katholische Pfarrer an der Predigerkirche, wird die Urkunden der Dada-Sup-porter signieren. So bekommt man sozusagen das Plazet von Gott für einen Feiertag mit seinem Dada-Heiligen. Furrer hielt für Ihre Kampagne ein Plädoyer fürs Nichtstun: «Aus dem Nichts, aus dem Nichts-Tun und aus der Ruhe entsteht unsere Kreativität.» Ist das wirklich so? Was Sie da so alles auf die Beine stellen, tönt eher nach harter Arbeit.Kreativität braucht schon so etwas wie «tiefe Lange-weile»; der Philosoph Byung-Chul Han hat diesen Begriff geprägt. Diese Ruhemomente, diese Verlang-samung kann man nicht bewusst steuern. Gewisse

Beschäftigungen wie das Zeichnen begünstigen sie jedoch. Heute würde man dem wohl «Down-shifting» sagen.

Klingt etwas nach dem althergebrachten Künstler-ideal: Kunst heisst warten, bis einen die Musse oder die Muse küsst. Ist die Musse ein Muss, küsst einen die Muse nur in der Musse?Im Phlegmatischen des Wartens liegt sicher auch eine gewisse Gefahr. Die tiefe Langeweile kann auch zu Apathie oder Depression führen. Es braucht eine bewusste tiefe Langeweile, die soll man auch ein bisschen einüben. Ein Künstlerkollege vergleicht die-sen Zustand mit der Jagd: Bei der Jagd ist man ja auch innerlich ruhig und wartet, ist aber bereit. Man muss wach bleiben, um die Muse nicht zu verpennen.

Dada-Mitgründer Huelsenbeck sagte, Dada bedeute nichts und die Dadaisten wollten «mit Nichts die Welt verändern». Wir sagen ja, «von nichts kommt nichts». Wie kann das Nichts wichtig sein für Kreativität?Huelsenbeck spielte wohl auf das Wort «Dada» an. Wie lässt sich mit einem Wort, das ohne Bedeutung ist, die Welt bewegen? Bei Hugo Ball hingegen steht das «Nichts» eher für das «Nutzlossein»; das wich-tige Bestreben, sich der Nutzbarkeit durch andere zu entziehen. Darauf spielten wir in unserer Kampagne an. Das ständige Einfordern von Nützlichkeit ist ja ein typisch zürcherischer Gedanke, der sich auch in den Kulturdebatten im Gemeinderat immer wie-der zeigt. Der dritte Aspekt ist ein nihilistischer: Die Dadaisten haben viele Werte zerstört, mit Kunst-

Dada war die erste interdisziplinäre Kunstbewegung. Alles wurde ineinander verschränkt, um ein Ereignis zu erzeugen.

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idealen gebrochen, die gängige Sprache aufgelöst usw. Das Ziel dabei war, etwas völlig Neues entste-hen zu lassen. In der Wirtschaft würde man heute wohl von «kreativer Zerstörung» sprechen. Tabula rasa machen, zum Nullpunkt vorstossen, das ist ein wichtiger Aspekt dadaistischer Kreativität.

Im Video zu der Aktion mit den 165 Dadaisten gehen Sie sogar so weit zu versprechen: «Tun Sie nichts, Ihr Nutzlossein wird die Welt verändern.» Die Dadaisten waren ja alles andere als nutzlos, oder?Allein die Tatsache, dass wir hundert Jahre später hier sitzen und über Dada sprechen, zeigt doch eine gewisse Nützlichkeit. Dada steht heute noch für Inspi-ration, Haltung und Zeitgeist, das merke ich immer dann, wenn ich mit Jugendlichen über Dada diskutiere. Hugo Ball sprach von einem «Wirtschaftsfatalismus», in den die Menschen verstrickt und gekettet sind. Die-ser Begriff trifft auch die heutige Situation ganz gut.

Inwiefern?Wissenschaft und Wirtschaft beanspruchen das Interpretationsmonopol für die Welt, und das genügt vielen Menschen halt nicht. Und hier lieferte Dada

mit seinem Querdenken und dem irrationalen Zugang ein befreiendes Gegenmodell. Und wenn die Menschen in ihrem Nutzlossein selber zu denken anfangen, statt ständig nur auf äussere Zwänge zu reagieren, dann beginnt die Welt sich automatisch zu verändern.

Ein Stilmittel der Dadaisten war auch der subver-sive, abwegige Humor. Braucht die Welt wieder mehr Nonsense?Ja, aber nicht im Sinne von Unsinn, sondern im Sinn von «ohne Sinn». Vieles von dem, was wir uns so täglich zumuten – ich denke da zum Beispiel an Social Media – ist ja absoluter Nonsense. Davon haben wir genug.

Die Dadaisten liebten das Absurde. Inwiefern kann daraus Neues entstehen?Die Dadaisten pflegten den «grotesken Blick»; es ging darum, das zu erkennen, was absurd anmu-tet. Zum Beispiel, wenn in «20 Minuten» neben den Schlagzeilen über europaweite Proteste rund um die Finanzströme ein Bericht über den Anschnitt der weltweit grössten Erdbeerschnitte durch Renzo

Blumenthal steht. Derart Groteskes kann schon die Kreativität anregen. Wir haben daraus im Cabaret Voltaire einen «Cof-fee Break of the Revolution» mit interna-tionalen Politaktivisten gemacht. Das Cabaret Voltaire als Geburtsort oder Gebärsaal von Dada soll ein Freiraum sein, wo man sich sicher fühlt – ganz unabhängig von den Ideen, die man ver-tritt. Wie vor 100 Jahren.

Halten Sie Zürich noch für ein gutes Pflaster für bahnbrechende Kreativität?Zürich ist erst einmal sehr unkreativ – als zwinglianische, finanzgesteuerte Stadt.

Wenn die Menschen in ihrem Nutzlossein selber zu denken anfangen, statt ständig auf äussere Zwänge zu reagieren, dann beginnt die Welt sich automatisch zu verändern.

IDEEN ZÜNDEN 11

Aber genau dieser Umstand kann auch einen guten Nährboden für Kreativität liefern. Von Politik und Verwaltung darf man allerdings nicht allzu viel in diese Richtung erwarten, da geht es um Besucher-zahlen und Nutzenargumente. Manchmal finde ich es allerdings wunderbar, wie sich politische Expo-nenten heute noch über dadaistische Kunst empören können. Ich denke da zum Beispiel an die Diskussio-nen im Gemeinderat rund um das Pissoir-Ready-Made von Marcel Duchamp, das im Landesmuseum gezeigt wird. Von «Fäkalkunst» war da die Rede.

Ball schrieb, der Drang zum Neuen, Naiven resul-tiere aus der Konfrontation mit dem Publikum.Das Publikum ist immer auch ein Test. An einem Samstagabend vor 70 besoffenen Studenten zu stehen und zu versuchen, die Message von Dada rüberzubringen, das ist ein richtiger Realitäts- check. Alkohol, Drogen, Licht, Rauch, da spielt alles eine Rolle.

Dichtung, Druckgrafik, Malerei, Bühnenspiele, Tanz, Mode, Film – die Dadaisten performten sozu-sagen auf allen Kanälen. Wie wichtig war das Inter-disziplinäre, das Wechselspiel zwischen Genres, um wirklich Neues entstehen zu lassen?Ich glaube, das war das Essenzielle an dieser Bewe-gung: Sie war die erste interdisziplinäre Kunstbewe-gung. Ob im Cabaret Voltaire, in der Galerie Dada oder anderswo – das Programm der Soireen war immer eine Mischung. Im Cabaret Voltaire wurde in einer Bilderausstellung performt. Es wurde gesun-gen, man hat Gedichte rezitiert, philosophische Vor-träge gehalten. Alles wurde ineinander verschränkt, um ein Ereignis zu erzeugen.

Strebten die Dadaisten nach einer Art Gesamt-kunstwerk?Ja, sicher, das war eine Idee, die Hugo Ball schon vor dem Cabaret Voltaire hatte. Die Vorstellung des Gesamtkunstwerks ging in zwei Richtungen: Einer-seits sollten alle künstlerischen Disziplinen vereint

Stein des Anstosses aus dem Sanitärgeschäft: Mar-cel Duchamps «Fountain» von 1917, ein handelsübli-ches, handsigniertes Pissoir zählt zu den Schlüsselwer-ken der modernen Kunst. Das Landesmuseum zeigt in der Ausstellung «DADA UNIVERSAL» ein Replikat von 1964. (Vera and Arturo Schwarz Collection of Dada and Surrealist Art in the Israel Museum © Succession Marcel Duchamp / 2015, ProLitteris, Zürich)

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Adrian Notz: Dada-Direktor und Kunst-DozentSeit 2012 ist Adrian Notz künstlerischer Leiter und Direktor des Cabaret Voltaire. Unter Philipp Meier, dem ersten Direktor des wiedereröffneten Cabaret Voltaire, war Adrian Notz von 2004 an Assistent. Er kam ganz dadaistisch zufällig zu Dada. Notz sagt, er habe damals nicht mehr Kenntnisse über Dada gehabt als «jeder andere Mensch». Während seines Studiums der «Theorie der Kunst und Gestaltung» in Zürich hatte er noch kaum etwas vom Dadaismus gehört. In über zehn Jahren Beschäftigung mit Dada wurde er jedoch zum Experten mit Hingabe und Leidenschaft. Heute bezeichnet er sich selbst als Verwalter, Hausmeister oder Guru des Dadaismus. Adrian Notz ist auch Dozent in der Erwachsenenbil-dung: Er leitete u. a. in St. Gallen in einem Lehrgang für bildende Kunst das Modul «Kreation». Adrian Notz ist in Flurlingen am Rhein neben Schaffhausen aufgewachsen. Er besuchte die Kantonsschule Rychenberg in Winterthur und studierte zwei Jahre lang freie Kunst in Bremen.

werden, andererseits sollte dieses Kunstwerk auch eine Ausstrahlung haben in die Welt.

Hugo Ball sagte, der Dadaist sei ein kindlicher Mensch. Waren die Dadaisten verspielte Kinder? Welche Bedeutung hat das Spielerische? Das ist extrem wichtig. Wenn man spielerisch arbei-tet, schafft man sich eine Art von Freiheit. Einen naiven Zugang zu den Dingen zu haben und alles zu hinterfragen, ist sicher eine spielerische Strategie. Man muss ja nicht alles mit Bierernst angehen.

Was Dada eigentlich auszeichnet, ist nicht leicht zu fassen. Ist Dada einfach eine Formel, eine gute Ver-packung? Ein super Brand?In erster Linie war die Marke Dada ein Erfolg des Begriffs. Dada ist ein international funktionierendes Wort. Im Vergleich zu heutigen Brands und Lehr-buch-Marketing hat man aber alles falsch gemacht: Brands wie Apple oder Coca-Cola haben eine klare Message, die in einem Satz definiert werden kann.

Dada hingegen steht für alles und nichts. Man negierte ja sogar die eigene Marke, indem man sagte: «Um für Dada zu sein, muss man gegen Dada sein.»

Also können wir Dada als eine Persiflage auf die moderne Vermarktung von Träumen sehen?Man könnte sagen, dadurch, dass die Dadaisten beim Branding alles bis zum Exzess falsch gemacht hatten, konnte Dada erst zu einer erfolgreichen Marke werden. Klassische Marken haben ja einen Namen und einen mythischen Gründungsort: die Garage der Apple-Gründer z. B. Auch gibt es oft einen Mythos, der rund um die Entstehung des Begriffs rankt. Diesen mythischen Gründungsort, das Cabaret Voltaire, und den Gründungsmythos darum herum hat Dada mit den Ereignissen vor 100 Jahren auch. n

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IDEEN ZÜNDEN 13

Vor 100 Jahren betrieben fünf Freunde Branding per Intuition; sie tauften ihre Kunstbewegung Dada, ein Name auf den sie rein zufällig gestossen waren. Heute kann man sagen, dass es ein unglaublich glücklicher Zufall war. Der Zweisilber, der zugleich ein Binnenreim ist, hallt nicht nur klanglich nach – er ist auch jedem bekannt, weil er zu den ersten Lauten gehört, die ein Mensch ausspricht. Über die Wortfin-dung berichten die Dada-Gründer Hugo Ball, Tristan Tzara und Richard Huelsen-beck übereinstimmend, sie hätten ein-fach in einem Wörterbuch geblättert.

Die Kinderwagen-VerbindungAnschliessend haben die drei die lexika-lischen Bedeutungen von Dada vergli-chen: «Dada heisst im Rumänischen Ja, Ja, im Französischen . . . Steckenpferd. Für Deutsche ist es ein Signum alberner Naivität und zeugungsfroher Verbunden-heit mit dem Kinderwagen.» (Hugo Ball: Die Flucht aus der Zeit, S. 95) Das schien zu passen. Nach der Gründung im Feb-ruar 1916 haben die Dadaisten den Begriff in Reden und Manifesten mantra-artig wiederholt, mit verschiedenen

Dada war vor Dada daWas ist Dada? Und wie konnte aus Dada eine der weltweit bekanntesten Marken werden?

Liegts am Klang, den jedes Baby kennt? Oder an der Bedeutung; doppelte Bejahung auf Rumänisch,

Steckenpferd auf Französisch? Oder am Inhalt: Dada ist nämlich schlicht «die beste

Lilienmilchseife der Welt». Kuriositäten rund um ein Wort, das zum Begriff wurde.

Text Christian Kaiser

Inhalten versehen und immer wieder neu interpretiert. Dada war eine Worthülle, die sich mit allem und nichts füllen liess. So konnte Dada zu einer starken Marke werden für eine Kunstbewegung, die sich nicht festlegen wollte.

Der Clou mit dem KopfwasserAllerdings war Dada schon vor der Begründung des Dadaismus eine Marke: Die Firma Bergmann & Co. hatte bereits seit 1906 unter dem Markenzeichen «Dada» für «haarstärkendes Kopfwas-ser», Toilettenseifen, Parfümerien und Zahnpflegemittel geworben. Hugo Ball muss von der Verwendung von Dada als Seifen-Label gewusst haben, ja, er spielte sogar darauf an. Auf der ersten Dada-Soi-ree am 14. Juli 1916 sagte er – fast im Stile eines Jahrmarktverkäufers: «Dada ist die Weltseele, Dada ist der Clou, Dada ist die beste Lilienmilchseife der Welt.» So gesehen war die Marke Dada also (auch) geklaut; hundert Jahre später hätte sie den Dadaisten jedenfalls mit Sicherheit einen Markenrechtsstreit eingebracht, weil eine Firma das geistige Eigentum für sich beansprucht hätte.

DADA IST 100

14 EB NAVI #6

Das Publikum einseifenVom parfümierten Kleinod bis zur uni-versellen spirituellen Verbindung – Dada konnte alles sein und gab entsprechend Rätsel auf. «Was Dada ist, wissen nur die Dadaisten. Und die sagen es niemandem», schrieben die Dadaisten selbst. Aller-dings liessen sie kaum eine Gelegenheit aus, um zu umschreiben, was Dada sein könnte. Sie taten das so lange und in ganz unterschiedlichen Worten, bis sich kaum jemand mehr einen Reim darauf machen konnte, wofür Dada eigentlich steht. Hier eine kleine Auswahl von Zitaten, was die Dadaisten in der Universalmarke Dada alles sahen:

«Dada ist für niemanden vorhanden und wir wollen, dass jeder es versteht.» 1

«Dada ist die Weltseele.» 2

«Dada ist das Chaos, aus dem sich tausend Ordnungen erheben, die sich wieder zum Chaos Dada verschlingen. Dada ist der

Verlauf und der Inhalt des gesamten Welt-geschehens gleichzeitig.» 3

«Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen

verwickelt sind; eine Gladiatorengeste; ein Spiel mit den schäbigen Überbleibseln; eine Hinrichtung der posierten Moralität

und Fülle.» 4

«Dada ist das Leben ohne Pantoffeln und Parallelen, das für und gegen die Einheit ist und entschieden gegen die Zukunft.» 5

«Dada . . . Die seelische Verteidigungsformel auf Unvorhergesehenes.» 6

«Dada – dies ist ein Wort, das die Ideen hetzt.» 7

«Dada bedeutet nichts.» 7

«Dada ist das Wahrzeichen der Abstraktion; die Reklame und die Geschäfte sind auch

poetische Elemente.» 7

«Der Würfel und die Mutter in einer gewis-sen Gegend Italiens: Dada. Ein Holzpferd, die Amme, doppelte Bejahung im Russi-

schen und Rumänischen: Dada. Weise Jour-nalisten sehen in ihm eine Kunst für die

Säuglinge.» 7

Kampf für die MenschheitAuch für das, was die Dadaisten aus-zeichnete, lassen sich etliche Beschrei-bungen finden. Hugo Ball schrieb: «Der Dadaist liebt das Aussergewöhnliche, ja das Absurde.» Für Ball war der Dadaist ein «kindlicher, donquichottischer Mensch, der in Wortspiele und gramma-tikalische Figuren verstrickt ist», wie er fürs Deutsche Wörterbuch definierte.

1 Tristan Tzara, Manifest des Herrn Antipyrine

2 Hugo Ball, Eröffnungs-manifest 1. Dada-Abend, 14.7.1916

3 Erklärung des Club Dada, in: Richard Huelsenbeck, Dada Almanach, Berlin 1920

4 Hugo Ball: Die Flucht aus der Zeit, 12.VI.

5 Tristan Tzara, Manifest des Herrn Antipyrine

6 Hans Richter: Gegen Ohne Für Dada

7 Tristan Tzara, Manifest Dada 1918

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Bedeutender als Possen und Scherze waren für diesen kindlichen Menschen aber die realen Geschehnisse: «Der Dadaist vertraut mehr der Aufrichtigkeit von Ereignissen als dem Witz von Perso-nen.» Und dabei stand ein Ereignis im Vordergrund: der tosende 1. Weltkrieg. Ball: «Der Dadaist kämpft gegen die Agonie und den Todestaumel der Zeit.» Dieser Kampf fand im friedlichen Zürich auf der Bühne statt, während rund ums Land die Soldaten in den Schützengräben krepierten. Die Dadais-ten kämpften mit den Mitteln der Kunst, weil sie «von der Verbundenheit aller Wesen überzeugt» waren und «bis zur Selbstauflösung» an den Ereignissen litten. Und dieses Mitgefühl für die Menschheit macht sicher einen guten Teil der ungebrochenen Attraktivität von Dada aus.

Urgrund für die AvantgardeNach dem Ende des 1. Weltkriegs zog Dada von Zürich in die weite Welt. Male-rei, Dichtung, Film, Performance in unterschiedlichsten künstlerischen Stil-richtungen – die gemeinsame Klammer dieser Kunstbewegung war und blieb das Label Dada: Dada war Dada, weil Dada da war. Und das unter der Wort-hülse Dada Fabrizierte hörte nie auf, weltweit Generationen von Künstlerin-nen und Kreativen zu inspirieren. Der Musiker, Künstler und Geschäfts-mann Dieter Meier zum Beispiel beschreibt in einem Video Dada als «Urknall der Moderne». Der grosse T.C. Boyle sagt in einem anderen, Dada

habe ihn beeinflusst, Schriftsteller zu werden.

Auf der Webseite des offiziellen Dada-Jubiläums heisst es: «Dada wurde zur Urbewegung der Avantgarde, ohne die Surrealismus, Pop Art, Fluxus, Mail Art oder Punk nicht denkbar gewesen wären und die bis in unsere Gegenwart hinein Künstler, Autoren, Designer elektrisiert.» Es gibt also ausreichend Gründe, die Gründung von Dada in Zürich gebührend zu feiern. Die Seite www.dada100zuerich2016.ch bietet einen guten Überblick über sämtliche Veranstaltungen rund um Dada im Jubi-läumsjahr. n

Die Performance als Gesamtkunst: Dada-Grün-der Hugo Ball auf der Bühne in kubistischem Kostüm, Zürich 1916–1917. (Nachlass Hennings, Schweizerisches Literatur-archiv, Bern)

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Architektur

Werbung

Software, Programmieren und Web

Presse/Journalismus

Buchmarkt, Schriftstellerei, Übersetzungen

Darstellende Kunst

Design (Grafikdesign, Industriedesign,

Ausstellungsmacher usw.)

Film/Kinos

Kunst/Kunsthandel

Musik, Musikunterricht, Clubs

Kunsthandwerk

Phonotechnik

Rundfunk (Radio und Fernsehen)

Mikrounternehmen (0–9 Arbeitsplätze**)Kleine Unternehmen

(10–49 Arbeitsplätze**)Mittlere Unternehmen

(50–249 Arbeitsplätze**)Grosse Unternehmen

(250+ Arbeitsplätze**)

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Kreativwirtschaft im UmbruchHeute ist in fast allen Berufen Kreativität gefragt. Doch es gibt Branchen, die von der Statistik als besonders kreativ angesehen werden und die zur sogenannten «Kreativwirtschaft» zählen. Unsere Grafi k zeigt, wo die «Kreativen» arbeiten und welche Branchen wachsen bzw. schrumpfen.

Infografi k Daniel Röttele

* die Werte sind zur besseren Lesbarkeit leicht gerundet ** umgerechnet in Vollzeitstellen Quellen: Bundesamt für Statistik (STATENT 2013), eigene Berechnungen gemäss Zürcher Hochschule der Künste und Statistisches Amt Kanton Zürich, Creative Economy Report 2014, www.creativeeconomies.com

Vollzeitstellen gab es 2013 in der Schweizer Kreativwirtschaft. Das sind rund 5% aller Vollzeit- stellen. Die meisten «Kreativ-

betriebe» sind Mikrounternehmen. Während die Digitalisierung einigen Branchen zu schaffen macht, ist die Kreativwirtschaft

als Ganzes nur leicht geschrumpft, nämlich um 3% von 2011 auf 2013.

Verteilung der Arbeitsstätten in der Kreativwirtschaft, nach Unternehmensgrösse, Jahr 2013 (total: rund 70 000 Betriebe)

17

12 770

36 480

7520

18 770

8040

16 300

6670 4460

6500

16 440

8560

6930

43 560

–11,4%

+4,6%

+4,5%

–5,8%

–7,1%

–21,3%

–1%

+6,2%

–11,5%

–6,7%

+0,1%

–9%

–7,6%

Architektur

Werbung

Software, Programmieren und Web

Presse/Journalismus

Buchmarkt, Schriftstellerei, Übersetzungen

Darstellende Kunst

Design (Grafikdesign, Industriedesign,

Ausstellungsmacher usw.)

Film/Kinos

Kunst/Kunsthandel

Musik, Musikunterricht, Clubs

Kunsthandwerk

Phonotechnik

Rundfunk (Radio und Fernsehen)

Mikrounternehmen (0–9 Arbeitsplätze**)Kleine Unternehmen

(10–49 Arbeitsplätze**)Mittlere Unternehmen

(50–249 Arbeitsplätze**)Grosse Unternehmen

(250+ Arbeitsplätze**)

95,4%

4%

0,5%

0,1%

Branche

Anzahl Beschäftige 2013 (umgerechnet

in Vollzeitstellen*)Veränderung 2011 bis 2013

* die Werte sind zur besseren Lesbarkeit leicht gerundet ** umgerechnet in Vollzeitstellen Quellen: Bundesamt für Statistik (STATENT 2013), eigene Berechnungen gemäss Zürcher Hochschule der Künste und Statistisches Amt Kanton Zürich, Creative Economy Report 2014, www.creativeeconomies.com

Vollzeitstellen gab es 2013 in der Schweizer Kreativwirtschaft. Das sind rund 5% aller Vollzeit- stellen. Die meisten «Kreativ-

betriebe» sind Mikrounternehmen. Während die Digitalisierung einigen Branchen zu schaffen macht, ist die Kreativwirtschaft

als Ganzes nur leicht geschrumpft, nämlich um 3% von 2011 auf 2013.

Verteilung der Arbeitsstätten in der Kreativwirtschaft, nach Unternehmensgrösse, Jahr 2013 (total: rund 70 000 Betriebe)

18 EB NAVI #6

GAMES & APPS

«Nein, nein, ist schon gut», winkt die Mutter ab, als ihr Sohn sie auffordert, auch einmal bei seinem Lieblingsvideospiel «Minecraft» selber Hand anzulegen. «Ich möchte nichts kaputt machen», begründet sie. «Ich schau dir lieber zu.» Ihre Reak-tion ist illustrativ für eine Generation, die nicht mit der «Unverbindlichkeit» digita-ler Medien aufgewachsen ist. Der Junge, der gewohnt ist, dass Fehler im Cyber-space korrigierbar sind, versichert ihr: «Du kannst nichts kaputt machen.»

Das beliebte Game «Minecraft», das sich vereinfacht als eine Art virtuelles

Immer ein paar Fehlversuche wertKreativität ist «trial and error – Versuch und Irrtum». Dieses Ausprobieren kann man gut mit

Games einüben. Doch manchmal muss man schon im Vorfeld den sicheren kreativen Lösungsweg

finden, denn das richtige Leben kennt keinen Reset-Knopf. Dafür gibts nützliche Apps.

Text Marc Bodmer

Lego bezeichnen lässt, wurde bis dato über 70 Millionen Mal verkauft und erlaubt den Spielenden, alles nur Erdenk-liche zu bauen und zu konstruieren: Im Minecraft-Universum lassen sich etwa eigene Videospiele entwerfen oder gigan-tische Replikas von bekannten Bauwer-ken erstellen, wie z. B. von der Notre-Dame de Paris oder des Raumschiffs Enterprise. Der Fantasie und damit der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die schöpferische Freiheit ist so gross, dass sie die rudimentäre grafische Dar-stellung in den Hintergrund treten lässt.

Digitaler ExperimentierkastenDoch ähnlich wie bei einem weissen Stück Papier oder einem leeren Word-Dokument, das den Schreibenden in seiner Jungfräulichkeit überfordert und in eine Schreibblockade drängt, kann die grüne Wiese von «Minecraft» den Spielenden überwältigen. «Was soll ich bloss tun?» Man sieht vor lauter Pixeln den Bildschirm nicht und sinkt resigniert in den Sessel zurück, statt sich von der Experimentierfreudigkeit leiten zu las-sen. Denn darauf zielt Minecraft ab:

IDEEN ZÜNDEN 19

anfangen und schauen, was entsteht. Das Einzige, das in einem Spiel «verloren» gehen kann, ist Zeit.

Doch Zeit ist auch eine Investition; ein kreativer Prozess braucht Musse, muss gären. Weil das in der Hektik des digitalen Zeitalters gern vergessen geht, haben Pioniere wie Google in manchen Abteilungen Mussezeit für Kreativität institutionalisiert: 20 Prozent ihrer Arbeitszeit können Ingenieure für ihre eigenen Projekte einsetzen. Natürlich behält Google das geistige Eigentum an den Ideen, die an solchen Tagen entste-hen. Gemäss Daniel H. Pink, Autor des Buches «Drive», entsteht in einem Jahr gut die Hälfte der neuen Google-Ange-bote in dieser autonomen Kreativzeit.

In neuer Rolle mit fremden MittelnWer nicht bauen und von Grund auf kon-struieren mag, sondern gelackte Ober-flächen und viel Action bevorzugt, der kann in «Call of Duty: Black Ops III» unter zeitlichem Druck nach kreativen Lösungen suchen. In dem futuristischen Kriegsszenario gilt es unter vielem ande-ren, heranstürmende Roboterheere zu vernichten. Das mag auf den ersten Blick absurd erscheinen – und ist es auch –, aber vom Spieler wird dafür immerhin einiges an Vorstellungsvermögen gefor-dert.

Die zu steuernde Figur ist ein Cyborg, eine Mensch-Maschine mit übermensch-lichen Kräften, die sich direkt mit ver-schiedenen Geräten wie Drohnen und dergleichen vernetzen kann. In Sekun-denbruchteilen müssen die im Spiel gege-benen Möglichkeiten erfasst und zielfüh-rend ausgenutzt werden. Man muss sich einen Überblick über die Situation ver-

schaffen und mit Mitteln, die für unsere Verhältnisse äusserst fremd wirken, eine Lösung finden. Das Schöne dabei: Wenn es im ersten Anlauf nicht klappt, wird man die Fehler nicht wiederholen und einen anderen Weg einschlagen.

Fehler als LernchancenDoch manchmal gibt es selbst im Zeital-ter der fortschreitenden Digitalisierung keine zweite Chance. Gewisse Situatio-nen im Alltag erfordern von Beginn weg eine durchdachte Planung – und damit Kreativität im Vorfeld. Aber auch in die-

Die kostenpflichtige Mindmeister-App ist ein intuitiv angelegtes Mind-mapping-Tool für sämtliche Plattformen. Die gedanklichen Landkarten können sowohl offline wie online erstellt werden. Alleine oder in Zusam-menarbeit mit anderen. So lassen sich auch Push-Nachrichten an Team-Mitglieder schicken und Bilder sowie Symbole in die Mindmaps integrie-ren. Eine Map auf dem Tablet-PC zu kreieren ist fast so befriedigend wie eine handgezeichnete auf einem Stück Papier. Auch wenn Mindmeister viele Optionen bereithält, verliert man nie den Überblick; die Darstellung ist auf den praktischen Alltag ausgerichtet.➝  iOS/Android/Web, Gratis Probemonat/ab 60 Euro

Mindmeister

20 EB NAVI #6

sen Momenten gilt es, die Angst vor dem weissen Blatt abzulegen, den geistigen Horizont zu öffnen und nicht gleich von vornherein mit einer Schere im Kopf zur Arbeit zu schreiten. Hilfreich können dabei diverse Tools sein wie Mind-Maps (siehe Apps) oder Ideenkörbe, in die «anonym» Vorschläge gelegt werden können, die anschliessend in der Gruppe offen diskutiert werden.

Wichtiger noch als der Einsatz von solchen Werkzeugen ist der Aufbau einer Fehlerkultur, um Kreativität zu fördern. Wir Schweizer neigen dazu, Fehler als

etwas Schlechtes einzustufen. In der Schule werden sie rot angestrichen, am Arbeitsplatz hervorgehoben, während Gelungenes als selbstverständlich gilt und gar nicht kommentiert wird. Finn-land hat aus diesem Grund den «Day for Failure» eingeführt. An diesem Tag wer-den Fehler, schwachsinnige Lösungen und dergleichen zelebriert. Oder um es mit den Worten von Albert Einstein zu sagen: «Wer nie einen Fehler gemacht hat, hat sich noch nie an etwas Neuem versucht.» n

Eine empfehlenswerte Alternative zur profes-sionellen, aber auch kostspieligen Mindmeis-ter-App ist Mindnode. Wer seine Mindmaps nicht im Team zu erstellen braucht, kann seine Gedanken mit diesem Werkzeug auf sehr ein-fache und intuitive Weise ordnen: Mindnode ist schlicht und zugänglich. Über die iCloud können die Auslegeordnungen auf verschie-dene Geräte synchronisiert und von dort aus weiterbearbeitet werden. Praktisch ist die automatische Layout-Funktion, die etwas gar dicht geratene Verzweigungen übersichtlicher arrangiert.➝ iOS/OSX, 10 Franken

Der wohl schwierigste Moment beim Schreiben ist der Einstieg. Wie beginne ich eine Geschichte? Die berüchtigte Schreibblockade, die Unfähigkeit, das Weiss des Papiers oder des Bildschirms als eine Einladung zu sehen, hat schon manch kreativen Schub zum Erliegen gebracht. Writing Challenge – auf Englisch und Spanisch erhältlich – legt Möchte-gernautoren einen Einstiegssatz oder gewisse Themen vor. In einem Zeitfenster, dessen Länge selber bestimmt werden kann, macht man sich dann gleich ans Schreiben – jedoch nicht in derApp: Hier gehts um Tempo, darum wird auf einer richtigen Tastatur am Laptop geschrieben, nachdem man auf dem Handy oder Tablet den Start-Button berührt hat. Wie gut die Geschichten aus diesen zufälligen Vorschlägen werden, hängt wohl vom Talent der Schreibenden ab. Eine gute Übung – fürs Loslegen und rasche Assoziieren – ist es alleweil.➝ iOS/Android, 3 Franken

MindnoteWriting Challenge

IDEEN ZÜNDEN 21

IDEEN ZÜNDEN

Gezielt Ideen zündenWenig macht so zufrieden wie der Geistesblitz

zu einer bahnbrechenden Idee: Stresshormone

gestoppt, Adrenalinkick eingeleitet, Freude und

Stolz fliessen, das Selbstvertrauen steigt.

Doch woher kommt der zündende Funke?

Auf den folgenden Seiten finden Sie Anzünd-

würfel für das kreative Feuer in Form

von bewährten Techniken.

Text Christian Kaiser Illustrationen Alice Kolb

22 EB NAVI #6

Das Team eines Hortes wird beauftragt, «mehr kreative Ideen» zu entwickeln. Und fragt sich: Was heisst das, sind Ideen nicht immer kreativ? Das Küchenteam einer Grossküche soll den Warenfluss vom Einkauf bis zum Recycling verbes-sern. Wie können sie den Ideenfindungs-prozess organisieren? Die Modedesigne-rin muss langsam die Winterkollektion 2018/2019 andenken. Wie packt sies an, damit die Entwürfe rechtzeitig da sind?

Den Flow erlebenKein Zweifel: Der Flow beim Kreieren macht glücklich – und kreativ zu sein, ist überhaupt nicht den Künstlerinnen und Genies vorbehalten. Sie ist für alle der Schlüssel zur kunstvollen Meisterung des Alltags – beim Gärtnern, Kochen, Netz-werken, Lieben oder bei der Arbeit. Doch immer öfter ist gerade im Job Kreativität eben auch eine Vorgabe, ein Muss: Sie wird in allen Branchen und auf allen Stu-fen gefordert. Und daneben drängen auf dieser Erdkugel ganz aktuell auch noch ein paar grössere und kleinere Probleme; zu ihrer Lösung scheint quasi der Ideen-reichtum der ganzen Menschheit gefragt zu sein.

Kreativsein auf Knopfdruck, geht das überhaupt? Ist Kreativität nicht viel eher eine Gabe, ein Talent, das man entweder hat oder nicht? Und ist die zündende Idee zu etwas wirklich Neuem nicht einfach eine Art Gnade, die irgendwie aus einer höheren Sphäre kommt, etwas, das man unmöglich gewollt herbeizaubern kann? Zumindest gibt es Techniken, die den Zustand begünstigen, in welchem einem die Ideen zufliegen.

Da Vincis GeheimnisLeonardo da Vinci etwa soll den soge-nannten «Bäckerschlaf» praktiziert haben: Der Bäcker sitzt am Tisch und legt den Kopf auf die auf der Tischplatte verschränkten Arme. In der einen Faust über dem Tisch hält er einen Schlüssel-bund. Sobald er in den Tiefschlaf verfällt, löst sich die Umklammerung, und der Schlüsselbund trifft klingelnd auf dem Boden auf – der Bäcker wacht auf. Die Bäckerzunft soll diese Technik zur zeit-sparenden Regeneration genutzt haben, da Vinci, um sein Unbewusstes für Ideen anzuzapfen. Ziemlich erfolgreich: Leo-nardo da Vinci hat u. a.skizzierend den Helikopter erfunden, notabene über 400 Jahre bevor die ersten Hubschrauber auch wirklich abhoben.

Die unversiegbare QuelleAndere schwören auf den Power-nap nach dem Mittag oder darauf, den Wecker eine Viertelstunde vor der normalen Aufwachzeit zu stellen. Einige finden Zugang mit Tiefenent-spannung in der Meditation. Wieder anderen hilft es, schneller zu schreiben, als man bewusst denken kann, um das Unsichtbare zu Papier zu bringen (→ Écriture automatique, Seite 26). Kreativität scheint irgendwo in uns zu schlum-mern. «Ideen sind in ihrem Ursprung nichts anderes als Empfehlungen unseres Unbe-wussten, bestimmte Dinge miteinander zu verknüpfen», schreibt der erfahrene Kreativi-tätscoach Wolfgang A. Erharter.

IDEEN ZÜNDEN 23

Dieses Unbewusste sei kein mysti-sches, fremdartiges Wesen, sondern «der Teil des Denkens und Fühlens», der schon längst tätig ist, bevor das rationale Denken aktiv wird. Erharter und andere nennen die Quelle unserer Ideen das «Vorbewusste». Die beruhigende Nach-richt dazu lautet: Jede und jeder hat sie und kann aus ihr schöpfen. Erharter: «Sie können davon ausgehen, dass Sie immer oder zumindest immer wieder Ideen haben werden.» 1949 war diese Idee noch völlig neu: «Jeder Mensch ist krea-tiv!», hatte Joy Paul Guilford bei seinem Antritt als Präsident der American Psychological Association verkündet. Damals war das eine Sensation.

Gehhilfen durch den IdeenwaldDie Frage ist nur, wie man die Eingebun-gen auch dann bekommt, wenn man sie braucht. Das Problem dabei: Da die krea-tiven Prozesse im Unbewussten ablaufen, lassen sie sich auch nicht so einfach beschreiben und vor allem schwer steu-ern. An diesem Punkt setzen die Kreati-vitätstechniken an; sie sind gewisser-massen mentale Gehhilfen, um Probleme in einem strukturierten Prozess zu lösen.

Ihr Zweck ist es, Ideen zu erzeugen, krea-tive Sprünge zu ermöglichen, Querden-ken zu fördern oder zu Erfindungen und Innovationen zu gelangen.

Kreativitätstechniken bringen gezielt jene Faktoren mit ins Spiel, welche gemäss den Erkenntnissen der Kreativi-tätsforschung neue Ideen und Lösungen begünstigen. Neben dem Zugang zum Vorbewussten fördern vor allem das Staunen und Spielen, Spass und Neugier, gezielte Perspektiven- und Rollenwech-sel, bewusstes Wahrnehmen (Achtsam-keit) und die innere Bereitschaft, ganz neue Wege zu gehen, die Originalität.

Kritiker, darunter auch Wolfgang A. Erharter in seinem Buch «Kreativität gibt es nicht», monieren, dass wahrhaft kreative Menschen keine Kreativitätstech-niken brauchen. Die Erleuchtung lasse sich nicht durch die Anwendung einer Technik herbeizwingen. Der Aha-Moment ergebe sich erst dann, wenn man das Stre-ben danach losgelassen habe. Doch: Wer schöpferische Arbeit macht, kann oft nicht warten; weder auf die Musse noch auf den Musenkuss. Dann können Kreativi-tätstechniken sehr wohl von Nutzen sein. Dann, wenn man die Ideen jetzt braucht.

BUCHTIPPS

Wolfgang A. Erharter Kreativität gibt es nicht – wie Sie geniale Ideen erarbeitenRedline 2012

Mihaly CsikszentmihalyiFlow und Kreativität – wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffenKlett-Cotta 2015

Ernst Pöppel/Beatrice WagnerVon Natur aus kreativ – die Potenziale des Gehirns entfaltenHanser 2012

Frank BerzbachDie Kunst ein kreatives Leben zu führenVerlag Hermann Schmidt Mainz 2013

24 EB NAVI #6

Das Team als IdeenlieferantMarcel Delavy etwa leitet in Zürich eine Firma für Produkt-Design. Zu seinen Kunden gehören renommierte Firmen wie Mettler-Toledo, Mammut, ABB, Stöckli oder die Post. Im Entwicklungsprozess für seine Auftraggeber setzt er mit seinem achtköpfigen Team regelmässig bewährte Techniken wie 635 (→ Seite40), Brainwri-ting (→ Seite 44) oder Design Thinking ein. «Innovatives Design ist Teamar-beit», sagt er, «und so kann ich den Ide-enpool meiner Mitarbeitenden nutzen.» Für Delavy ist das Entscheidende, die wesentlichen Schritte im Designprozess im richtigen Moment zu tun; dann, wenn es das Projekt-Management erfordert.

Phasenweise kreativ?Verschiedene Modelle unterteilen den Erschaffungs- und Denkprozess in Pha-sen. Bekannt ist das Vier-Phasen-Modell von Graham Wallas von 1926 mit den Phasen: 1. Präparation (Problemerken-nung), 2. Inkubation (unbewusste Wei-terverarbeitung der Information), 3. Illu-mination (Erleuchtung, Geistesblitz) und 4. Verifikation (Machbarkeit und Umset-zung). Entscheidend für den kreativen Durchbruch in der Phase 3 scheint es, sich davor bewusst ganz anderen Dingen zuzuwenden (→ Kreative Pause, Seite 50).

Timo Off hat die vier Phasen von Wallas 2008 in ein einfaches BILD flies-sen lassen:

B I

L

D

eschreibung des Problems: Problem erkennen, beschreiben, Ziele definieren nformationsanordnung: Informationen sammeln, ordnen, Ursachen analysieren, Zusammenhänge erforschen ösung: Querdenken, Perspektivenwech-sel, Distanz schaffen zum Problem, Ent-spannung arstellung bzw. Durchsetzung: Lösungs-ansätze ausarbeiten, bewerten, verwer-fen und umsetzen

Denkstile kombinierenWesentlich ist, dass in diesen vier Phasen zwei völlig unterschiedliche Denkarten zum Einsatz kommen. In den Phasen 1 und 2 (B und I) sowie 4 (D) ist klares logisch-analytisches Denken gefragt, während in der dritten Phase das kreativ-intuitive Denken zum Zug kommen soll. Für diese eigentliche Lösungsphase ist es also zentral, einen möglichst offenen Zugang zum Vorbewussten zu schaffen. Jede Form von Kritik ist hier tabu. Kreati-vitätstechniken, die den ganzen vierstu-figen Prozess abbilden (→ z. B. Sechs Denk-Hüte-Technik, Seite 68), holen ganz gezielt in der jeweiligen Phase den gewünschten Denkstil ab.

Kreativität hält sich aber nicht an phasenweise Vorgaben; nicht selten kommt die zündende Idee, der funken-entfachende Geistesblitz genau dann, wenn man etwas völlig anderes tut: unter der Dusche, beim Betrachten eines Bildes im Museum oder auf einem Spaziergang (→ Seite 39). Oft wird das Neue auch nicht aus einer Struktur, sondern aus dem kreativen Chaos geboren. Etwa in Gärprozessen, die ganz unterschied-liches Material miteinander verknüpfen (→ Kompostieren, Seite 31).

Das leere LehrbuchDass Kreativität keinem Schema folgt, zeigt sich insbesondere bei einer der ältes-ten Kreativitätstechniken der Mensch-heit, beim Schreiben. Hanspeter Ortner hat in seiner Forschungsarbeit «Schreiben und Denken» untersucht, welche Schreib-strategien erfolgreiche Schriftsteller anwenden. Wichtige Erkenntnis: Kein Einziger folgte dem linearen Produktionsablauf, wie er oft in Schulen gelehrt wird (Orientierung, Recher-che, Strukturierung, Schrei-ben der Rohfassung und Überarbeitung).

Die Edelfedern fangen oft hinten oder irgendwo in der Mitte an. Sie hüpfen wild zwi-

IDEEN ZÜNDEN 25

Die Kreativitätstechniken auf den folgenden Seiten hätte man auch in einem Worldcafé (→ Seite 54) zusammentragen können oder mit der 635-Methode (→ Seite 40). Doch das Rundum-Verfahren per Mail, das wir nutzten, um Ideen abzuholen, war eher ein Brainwriting in der Form 200-1-20 Tage. Aus den eingegangenen Vorschlägen der Kursleiter/innen und Mitarbeitenden der EB Zürich haben wir 26 Techniken ausgewählt, die sich in Privatleben und Beruf als alltagstauglich erwiesen haben und die wir zum Ausprobieren empfehlen können. Neben Klassikern (→ z. B. Skizzieren, Seite 42, Osborn-Checkliste, Seite 32) finden sich auch Eigen-entwicklungen (→ z. B. Wahrnehmen – Assoziieren – Fragen, Seite 36, Bisoziation mit Bildern, Seite 52) und ganz unkonventionelle Methoden wie der dadaistische Gedicht-Generator (→ Seite 70) oder die Kritikaste-rei (→ Seite 64).

Den einzelnen Kreativitätstechniken lassen sich u. a. folgende für den Kreativitätsprozess typische Funktionen zuordnen:– Erfindung, Innovation– Originalität: neue Wege beschreiten– Staunen und spielen– Vorbewusstes hervorholen– Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben– Ideen sammeln– Ideen ordnen, Muster erkennen – Ideen weiterentwickeln, optimieren– Dinge verknüpfen, Zusammenhänge schaffen– Perspektivenwechsel, Denkmuster durchbrechen– Gestalten, Ideen Gestalt geben, Ausdruck verleihen– Lösungen suchen, fühlen, finden– Konzepte erarbeiten

Wir haben versucht, herauszufiltern, wie die empfohlenen Techniken funktionieren und wozu sie taugen, sowie abzuschätzen, in welchem Ver-hältnis Aufwand und Ertrag zueinander stehen. In der Übersicht auf Seite 74 lässt sich auch ersehen, in welcher Phase im Kreationsprozess sie nutzbringend eingesetzt werden können.

Nehmen Sie dieses EB Navi doch einfach mit an die nächste Sitzung oder auf die einsame Hütte in die Berge, wenn Sie vor Ihrem nächsten Schöpfungsakt stehen. Und vergessen Sie nicht, Ihre Synapsen vorher mit Neugier und Spass zu befeuern, dann gehts garantiert leichter. Das ist wissenschaftlich erwiesen.

26 Ideen für Ideen

schen den Phasen hin und her. Vom ein-fachen Drauflosschreiber (→ Seite 26) bis zur Superplanerin, die ihren ganzen Plot auf riesigen Plakaten in Stichworten fest-hält, bevor sie den ersten Satz schreibt – es gibt einfach alles. Nur: Niemand folgt schön der Reihe nach den einzelnen Schritten im Lehrbuch. Also sollten auch wir das wohl gar nicht erst krampfhaft ver-suchen. Wichtig ist, dass man überhaupt anfängt und dann dranbleibt – Tag für Tag (→ Schreiben oder gar nicht, Seite 61).

Das Handwerkszeug beherrschenKreativität ist Arbeit, Kreativität ist Hand-werk, und die besten Voraussetzungen dafür hat, wer sein Handwerk wirklich beherrscht. Ganz egal ob das Kreativi-tätswerkzeug ein Musikinstrument, ein Pinsel, eine Kamera, eine Program-miersprache, ein Bleistift oder eine Film-schneidesoftware ist. Erst wer die Stan-dardanwendung völlig im Griff hat, kann sich irgendwann in ganz neue Gefilde vorwagen, wo noch niemand war.

Auch hier gilt die Experten-Regel: erst 10 000 Übungsstunden führen für das Durchschnittstalent allmählich zur Meisterschaft, an den Punkt, wo man sich erlauben kann, die Regeln zu bre-chen und das Alte neu zu variieren, weil es in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wunderkinder und Genies ausgenom-men. Das wichtigste Erfolgsrezept für

Kreativität ist drum simpel: lernen und üben, ausprobieren, scheitern und neu anfangen. So entwickelt jede und jeder im Verlauf seines Arbeits- oder Künstler-lebens eigene Methoden, um Ideen zu generieren oder Aufgabenstellungen zu lösen. n

26 EB NAVI #6

Écriture automatiqueEmpfohlen von Christina Herzig, Kursleiterin Englisch

WAS IST DASDie Écriture automatique (automatisches Schreiben) ist eine Form des Schreibens, bei der es darum geht, die eigenen Ideen, Gedanken und Gefühle möglichst unzen-siert wiederzugeben. Diese Art des schnellen schriftlichen Denkens kann im Alltag eingesetzt werden, um Probleme zu lösen oder Ideen zu entwickeln.

WIE FUNKTIONIERTSWer automatisch schreibt, schreibt schnell und intuitiv – ohne Pausen und ohne Beachtung irgendwelcher Regeln. Interpunktion oder Gross- und Klein-schreibung sind unwichtig; je höher die Schreibgeschwindigkeit, desto besser.

André Breton nannte es ein «Denk-diktat ohne jede Kontrolle der Vernunft». Seine Anweisungen zur Nachahmung der Écriture automatique hat er im ersten Manifest des Surrealismus, 1924, so for-muliert: «Lassen Sie sich etwas zum Schrei-ben bringen, nachdem Sie es sich irgendwo bequem gemacht haben, wo Sie Ihren Geist so weit wie möglich auf sich selbst konzent-rieren können. Versetzen Sie sich in den passivsten oder den rezeptivsten Zustand, dessen Sie fähig sind. Sehen Sie ganz ab von Ihrer Genialität, von Ihren Talenten und denen aller anderen. (. . .) Der erste Satz wird ganz von allein kommen, denn es stimmt wirklich, dass in jedem Augenblick in unserem Bewusstsein ein unbekannter Satz existiert, der nur darauf wartet, aus-gesprochen zu werden. (. . .) Fahren Sie so lange fort, wie Sie Lust haben.»

WAS BRINGTSDie Kontrolle der Vernunft blockiert oft kreative Lösungen, die im Unbewussten oder Vorbewussten schlummern. Wenn man mit der Methode der Écriture auto-matique diese Kontrolle überlisten kann, kommt man zu überraschenden Ergeb-nissen.

WOFÜR GEEIGNET – zum Öffnen eines unbekannten Assozia-

tionsraums, um sich vom Geschriebe-nen überraschen zu lassen;

– im Alltag zum Finden einer Lösung eines privaten oder beruflichen Problems;

– für die Ideenfindung, z. B. für ein künstlerisches Projekt;

– zur Überwindung von Schreib- oder Denkblockaden;

– in einem Deutschkurs, zum Aufwär-men, um locker eine Sprache schriftlich zu üben.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATUREnde des 19. Jahrhunderts wurde der direkte Zugriff auf das Unbewusste in der Psychologie wichtig (Pierre Janet). André Breton hat die Technik des freien Assoziierens auf die Literatur angewen-det und 1924 im Ersten Manifest des Surrealismus formuliert.

«Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität. Nach ihrer Eroberung strebe ich.» n

IDEEN ZÜNDEN 27

Jetzt ein Bsp für Écriture automatique schreiben ?? das dann gedruckt wird !?! das ist doch schwierignein-peinlich ist das! Schreiben für viele ist ≠ wie Tagebuch und écr. auto ist was ande-res das werf ich meistens direkt in den Papierkorb zer-rissen geschreddert gehäckselt muss doch nicht jeder sehen nicht mal meine Katze kann zum Glück nicht lesen sonst was dächte sie von meinen schriftlichen Exkursen Exkursionen exquisit cadavre exquis aber der Kater lebt ja noch kein Kadaver Wenn Tiere schreiben könnten … das gäbe ja ein Geschreibsel Gezwitscher Geplapper die Blätter in den Bäumen wür-den vollgekritzelt NON-STOP.

28 EB NAVI #6

NeuroTricksEmpfohlen von Sibylle Jäger, Kursleiterin Informatik und Selbstkenntnis

WAS IST DASNeuroTricks ist eine Kreativitätstechnik, die auf Neuro-Mechanismen beruht. Das sind natürliche Denkstile, die unser Gehirn bevorzugt. Kombiniert zu einem ganzen Ablauf sind die NeuroTricks als Vorbereitung für alles Mögliche nützlich.

WIE FUNKTIONIERTSDie Methode läuft in 7 Schritten ab:1. Assoziieren mit einer ABC-Liste

(ABC-Darium)2. Vergleichen der Ergebnisse (der eige-

nen oder in einer Gruppe gefundenen)3. Kategorisieren4. Hierarchisieren5. Reduzieren6. Visualisieren7. Diskutieren

ANWENDUNGSBEISPIELEine Präsentation vorbereiten1. Am linken Rand einer A4-Seite senk-

recht untereinander das Alphabet hin-schreiben. Nun während ca. 3 Minuten mit den Anfangsbuchstaben zum gesuchten Thema assoziieren: Subs-tantive, Verben, Attribute, Satzan-fänge. Alles ist erlaubt! Je nach Bedarf, das Prozedere während einiger Tage mehrmals durchführen, bei Gruppen pro Gruppenmitglied ein oder meh-rere ABC-Listen erstellen lassen. Die Blätter in ein Kuvert stecken.

2. Die Ergebnisse vergleichen. Falls in einer Gruppe gearbeitet wird, die Ergebnisse von allen zusammentragen. Regen die Stichworte weitere Assozia-tionsketten an, unbedingt zulassen!

3. Einordnen der Ergebnisse in Kategorien.4. Eine Reihen- oder Rangfolge der Kate-

gorien erstellen.5. Weglassen, was nicht gebraucht wird.

Reduzieren auf das Wesentliche.6. Schematisch darstellen und/oder auf-

zeichnen.7. Die Resultate mit geeigneten Perso-

nen/in der Gruppe diskutieren.

WOFÜR GEEIGNETAls Vorbereitung für ganz Verschiedenes nützlich: einen Bericht schreiben, einen Vortrag halten, eine Schulung vorberei-ten. Kann sogar fürs Zeitmanagement produktiv sein.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDie einzelnen Neuro-Mechanismen stammen von Vera Birkenbihl aus ihrem Buch trotzdem Lehren. Kombiniert und in diese Reihenfolge gestellt von Sibylle Jäger. n

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IDEEN ZÜNDEN 29

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IDEEN ZÜNDEN 31

KompostierenEmpfohlen von Fritz Franz Vogel, Büchermacher, Kurator, Kursleiter Desktop-Publishing

WAS IST DASDurch die Sammlung von visuellen Roh-stoffen verschiedener Produktkatego-rien, Prägung und Herkunft wird ein Nährboden erzeugt, der stetig angerei-chert und umgepflügt wird, sodass sich durch Umräumung und Zersetzung neue Ideen herausfiltern. Diese Kreativitäts-technik fusst auf einer generell künstleri-schen Attitüde, indem Fremdes und Anderes gesammelt wird, um daraus Eigenes und Neues zu schöpfen. Sie ist verwandt mit dem Clusterverfahren, ist aber ein tatsächlich mehrdimensionales, haptisches Gebilde.

WIE FUNKTIONIERTSKompostierbare Rohstoffe sind aktuelle Ausstellungen, Websites, Bücher, Maga-zine, Verfilmungen, Schaufensterausla-gen, Zeitungsmeldungen etc. Zusätzlich einfliessen können: Konsultierung von Trendtablets, Ergebnisse von Trendfor-schungsseminaren, Besuch von Messen, Kommunikation mit Kunden, gesell-schaftlich relevante Jahrestage, techni-sche Entwicklungen. Diese Rohstoffe visueller Informationen werden je nach Zugänglichkeit aus Magazinen heraus-gerissen, an den Quellen fotografiert, beschreibend notiert, fotokopiert, ver- oder gezeichnet. Das Material wird gestapelt, vermischt, in Skizzenbücher eingeklebt oder in der dafür vorgesehe-nen (digitalen) Kiste abgelegt. Dieser visuelle Kompost gärt vor sich hin. Die Ergebnisse dieses Amalgamierungs- und Verwandlungsprozesses tragen Tropfen der Quellen in sich.

WAS BRINGTSDurch das Umschichten, Herumsuchen, Ruhenlassen, Anreichern und Ausschei-den gibt es immer wieder neue Zusam-menhänge, Verbindungen oder Zufälle, welche Ideen anregen und steuern. Die Ideenproduktion folgt also nicht einem

logischen, deduktiven oder syntheti-schen Muster. Ideen durch diese Technik sind eruptiv und zufällig.

WOFÜR GEEIGNETModebereich, Kreativindustrie, überall dort, wo das Bestehende als Fundus für Neues herangezogen werden kann. Wo Kundschaft etwas Neues und spezifisch Trendiges verlangt, ohne das Alte gänz-lich auszublenden. Im Modebereich etwa ergeben sich aus den Ausfilterungen, Bewertungen und kleinen Trophäen ziel-gerichtete Moodboards für Sommer- und Winterkollektionen. Diese Moodboards sind Referenzobjekte, anhand derer die Kollektionen entstehen.

HERKUNFTAndrea Buck, Textildesignerin, entwickelt u. a. mit dieser Methode die Designs von morgen. Sie sagt: «Im Prinzip setze ich Trends. Ich sammle zurzeit für die Dessins für 2018/2019, womit ich mental und visuell zwei bis drei Jahre in der Zukunft liege.» n

[email protected]

32 EB NAVI #6

WAS IST DASDie Osborn-Checkliste ist eine Kreativi-tätstechnik, die es erlaubt, gezielt neue Ideen zu finden und bereits bestehende Lösungen weiterzuentwickeln. Sie führt anhand von Fragen – auf Karten verteilt und zufällig gezogen – durch verschiedene Aspekte eines Innovationsprozesses. Sie basiert dabei auf einer spielerisch-experi-mentellen Veränderung von existierenden Ideen, von Produkten oder Prozessen. Am besten funktioniert die Osborn-Check-liste in Teamarbeit, weil sich dann unge-ahnte Perspektiven ergeben.

WIE FUNKTIONIERTSDie Checkliste schlägt verschiedene Ver-ben vor, die für eine bestehende Idee bzw. ein existierendes Produkt angewen-det werden.

– Das Produkt vergrössern – was könnte das bedeuten?

– Den Prozess verkürzen, was kann man wegnehmen, kleiner, kompakter gestalten?

– Was kann man an der Idee ersetzen? Wer oder was kann an die Stelle der Idee treten? Welches andere Material kann verwendet werden?

– Welche Teile, Passagen, Strukturen können umgestellt, ausgetauscht oder verändert werden?

– Womit kann man die Idee oder das Produkt kombinieren?

– Wie kann eine Idee oder ein Produkt anders verwendet werden? Welchen Nutzen oder Gebrauch hat die Idee sonst noch?

Wichtig ist, dass wie beim Brainstorming alle Variationsmöglichkeiten notiert wer-den.

ANWENDUNGSBEISPIELEs geht darum, eine neue Idee für einen Anlass, eine Einladung von Gästen oder einen Geburtstag zu finden.

– Frage: Wie kann eine bisher aufwän-dige Einladung, die oft Kopfzerbrechen bereitet, verändert werden? Antwort: Wir ersetzen unsere Vorbe-reitungsarbeiten in der Küche durch das Kombinieren von Vorbereitung und Kochen gemeinsam mit einer ersten Gruppe von Gästen (Kochstudioidee drinnen oder draussen).

– Frage: Was können wir verkürzen? Antwort: Die zweite Gruppe von Gäs-ten hilft beim Aufräumen der Küche am Schluss der Einladung.

– Frage: Was können wir umstellen? Antwort: Wir ersetzen die mündliche oder schriftliche Einladung durch eine Doodle-Umfrage, bei dem jeder seine freien Termine und seinen gewünsch-ten Einsatz beim Kochen oder Aufräu-men eintragen kann.

Osborn-ChecklisteEmpfohlen von Eva Müller-Kälin,Kursleiterin «Wiedereinstieg mit Praktikumschance», Bildungsgang «World Wide Women» mit Mentoringprogramm MinQ

IDEEN ZÜNDEN 33

WOFÜR GEEIGNETDie gemeinsame sprachliche Neuformu-lierung von Ideen, Prozessen und Produk-ten kann neue Sichtweisen und Anpas-sungen bringen. Es geht darum, dass die in der Osborn-Checkliste aufgeführten Fragen systematisch durchgegangen wer-den, auch wenn sich im ersten Moment keine passende Anwendung finden lässt.

Eine der Schwierigkeiten liegt darin, passende Konkretisierungen der abstrak-ten Verben zu finden. So stellt sich bei-spielsweise beim Listeneintrag Umstel-

len die Frage, was sinnvollerweise umge-stellt werden kann. Wenn keine Idee auftaucht, zur nächsten Frage wei-tergehen.

HERKUNFTDiese Kreativitätstechnik wurde vom Philosophen Alex Osborn bereits 1957 veröffentlicht. Osborn hat auch das Brain-storming populär gemacht. Die Checkliste wurde später um den weiteren Eintrag Eliminate (eliminieren) ergänzt und als «Scamper-Checkliste» veröffentlicht. n

Was ist ähnlich?Gleiche Funktion? Ähnliches Aussehen? Ähnliches Mate-rial? Welche Parallelen lassen sich ziehen?Welche anderen Anwendungsmöglichkeiten?Neue Anwendungsmöglichkeiten? Für andere Personen? Andere Anwendungsmöglichkeiten durch Veränderung des Objektes?Anpassen?Wem ähnelt es? Welche anderen Ideen suggeriert es? Gibt es in der Vergangenheit Parallelbeispiele? Was könnte man davon übernehmen? Was könnte man zum Vorbild nehmen?Verändern?Ihm eine neue Form geben? Den Zweck verändern? Die Farbe, die Bewegung, den Ton, den Geruch, das Aussehen verändern? Sind andere Änderungen denkbar? Vergrössern?Was kann man hinzufügen? Soll man mehr Zeit darauf ver-wenden? Die Frequenz erhöhen? Es widerstandsfähiger machen? Grösser? Länger? Schwerer? Dicker? Ihm einen zusätzlichen Wert geben? Die Anzahl der Bestandteile ver-grössern? Es verdoppeln? Es vervielfachen? Es übertreiben? Es teurer machen?

Verkleinern?Was ist daran entbehrlich? Kann man es kleiner machen? Kompakter? En miniature? Niedriger? Kürzer? Flacher? Aerodynamischer? Leichter? Kann man es in seine Einzel-teile zerlegen?Ersetzen?Wen oder was könnte man an seine Stelle setzen? Welche anderen Bestandteile sind möglich? Welche anderen Materia-lien, Herstellungsprozesse, Energiequellen, Standorte? Wel-che anderen Lösungsmöglichkeiten? Welchen anderen Ton?Umformen?Die Bestandteile neu gruppieren? Neue Modelle entwi-ckeln? Die Reihenfolge ändern? Ursache und Wirkungvertauschen? Die Geschwindigkeit verändern?Ins Gegenteil verkehren?Das Positive statt das Negative nehmen? Das Gegenteil erreichen? Das Untere nach oben bringen? Die Rollen ver-tauschen? Die Position der Personen ändern? Die Reihen-folge des Ablaufs neu ordnen?Kombinieren?Mit einer Mischung versuchen? Einen Verbund machen? Eine Auswahl? Neu gruppieren? Mehrere Objektezu einem verbinden? Mehrere Anwendungsbereiche für einen? Mehr Ziele? Weniger Ziele?

Die Osborn-Checkliste

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Walt-Disney-TechnikEmpfohlen von Jürgen Deininger,Kursleiter Social Media

2. Machraum: Der zweite Raum war ein sehr nüchtern eingerichteter Raum. Denn hier ging es um das Machbare, das sofort konkret Umsetzbare. Auch hier durfte es keine Beschränkung fürs Denken geben (z. B. keine Kosten-rahmen oder Zeitvorgaben). Haltung: Das Denken ist auf das Han-deln und auf die Umsetzung ausge-richtet; was von unseren Träumen lässt sich realisieren? Ausgangslage: Die Zukunft ist heute! Frage: Was können wir sofort umsetzen?

WAS IST DASWalt Disney, der geniale Erfinder von Donald Duck, Micky Maus und Co., hatte seine eigene Kreativitätsmethode. Die Disney-Technik ist eine Denk- und Vorgehenssystematik, die es sich zunutze macht, dass bei der Entwicklung neuer Ideen immer mehrere, unterschiedliche Denkweisen am Werk sind. Bei Disney selbst sollen drei Grundtypen von Denk-ausrichtungen kombiniert gewesen sein: Träumer, Macher (Handelnder, Realist) und Kritiker (Denker). Die Walt-Disney-Technik bezieht diese drei Denk-richtungen gezielt in den Kreationspro-zess mit ein. Angefangen wird mit dem wichtigen Schritt des Träumens: Das bekannte Motto «If you can dream it you can do it» stammt von Disney höchstpersönlich.

WIE FUNKTIONIERTSUm die gewünschte Denkweise zu erzeu-gen, wurden Teams in unterschiedlich eingerichtete Räume geführt: 1. Traumraum: Zuerst kamen sie in

einen gemütlich möblierten Raum mit angenehmer Musik und feinen Düften, der die träumerische Seite anregte: Hier waren alle Äusserungen erlaubt, jede Form von Kritik oder abfälligen Äusserungen war tabu. Die Haltung im Traumraum lässt sich wie folgt umreissen: Ungezügelte Ideen und Visionen von Idealwelten sind das Ziel. Für das Verweilen im Traumraum gibt es keine zeitlichen Beschränkungen. Ausgangslage: Alles ist möglich! Frage: Was wäre wünschenswert?

3. Kritikraum: Der dritte Raum war der-jenige des Disputs über die «Wenns» und «Abers»; zwei Reihen von Steh-pulten standen sich gegenüber. Hier erst war das kritische Hinterfragen erlaubt und gefragt. Davor hatte das Denken in Kategorien von gut/schlecht, schön/hässlich, spannend/langweilig usw. keinen Platz. Jetzt aber waren Werturteile gefragt. Haltung: Konstruktiv-kritische oder auch destruktiv-kritische Beurteilung aller bis hierhin geäusserten Ideen; was wurde übersehen, welche Prob-leme könnten auftauchen? Ausgangslage: Hindernisse und Hürden sind zu erwarten! Fragen: Was könnte schieflaufen?

IDEEN ZÜNDEN 35

Die Walt-Disney-Technik lässt sich auch allein durchführen, indem man nachei-nander auf drei unterschiedlichen Stüh-len Platz nimmt, die mit «Träumer», «Macher», «Denker» beschriftet sind. Um sich in die entsprechende Haltung zu bringen, kann man entsprechende Erfahrungen aus der Vergangenheit abrufen, z. B.: In welchen Situationen war ich richtig kreativ (handelnd, kri-tisch)? Was habe ich da gefühlt, gehört, gesehen? Wie sah ich aus, wie war meine Körperhaltung?

WAS BRINGTSDie Ergebnisse des dreistufigen Prozesses können am Ende in eine Vision überführt werden; sie zeigt den erstrebenswerten Zustand nach der erfolgreichen Umset-zung in möglichst detailreichen Bildern. Eventuell sind dafür mehrere Runden in den drei Räumen / auf den drei Stühlen nötig. Die Disney-Technik hilft auch, die verschiedenen Rollen in einem Team ent-sprechend zu würdigen und konstruktiv zusammenzuführen; Träumer neigen dazu, viele Ideen zu haben und wenig umzusetzen, die Realisten hingegen können sehr konsequent handeln, es fehlt ihnen aber an Ideenreichtum. Und wäh-

rend Träumer und Kritiker im Berufs-alltag häufig miteinander im Clinch liegen, wird in diesem Ablauf die Rolle von beiden gebührend gewürdigt.

WOFÜR GEEIGNETDie Walt-Disney-Technik hat sich in der Praxis sehr gut als Rollenspiel bewährt und gilt bis heute in der Management-Literatur als wirkungsvolle Kreativitäts-strategie, um neue Visionen zu entwi-ckeln. Sie ist eine effiziente Alternative zu den sechs Denk-Hüten von de Bono (→ Seite 68).

HERKUNFTDie Disney-Technik ist in dieser Form nicht von Disney selbst erfunden worden. Sondern 1994 von einem gewissen Robert B. Dilts, der über Walt Disney schrieb: «There were actually three diffe-rent Walts: the dreamer, the realist, and the spoiler.» Dilts hat diese drei Sicht-weisen dann in eine systematische Vor-gehensweise überführt. Disney selbst soll die beschriebenen unterschiedlichen Räume aber wirklich auf einer Etage nebeneinanderliegend eingerichtet und auch genutzt haben. n

36 EB NAVI #6

WAS IST DASVorgestellt wird eine 3-Schritte-Methode, die es erlaubt, einen Gegenstand mög-lichst facettenreich ins Bewusstsein zu bringen. Wer mit dieser Methode arbei-tet, darf sich auf ungeahnte Ein-Sichten freuen. Besonders ergiebig ist sie, wenn sie von mehreren Per sonen gemeinsam durchgeführt wird. In diesem Fall sollte die Autorin oder der Entwickler lediglich zuhören, was die andern sagen.

WIE FUNKTIONIERTS 1. Der Gegenstand oder eine erste Ideen-

skizze wird möglichst ohne störende Gedanken mit allen Sinnen wahrge-nommen und ins Bewusstsein gebracht. Mindestens 3 Minuten.

2. Der Gegenstand wird aus allen Blick-winkeln minutiös beschrieben: For-men, Farben, Texturen, Materialien, Übergänge (wichtig in dieser Phase: keine Bewertungen oder Assoziierun-gen).

3. Assoziationsketten dazu bilden, z. B. mit der Clustering-Methode (➝ Seite 66).

4. Fragen an den Gegenstand oder das Problem selbst stellen, ohne Antwor-ten zu erwarten.

WAS BRINGTSDie 3-Punkte-Methode ermöglicht es, nach den ersten Ideen und Entwürfen deren weiteres Entwicklungspotenzial freizulegen. Wer sich intensiv mit etwas beschäftigt, ist oft «zu nahe» dran, um das Naheliegendste zu sehen. Kreativi-tätskiller Nummer 1 ist eine zu frühe

Bewertung und Verwerfung nach dem Motto: «Das geht sowieso nicht!» – «Das lässt sich nicht umsetzen!» Die 3-Punkte-Methode gibt hier Gegensteuer und dehnt den Entwicklungsgegenstand sozusagen in die Tiefe und Breite, fest-gefahrene Wahrnehmungs- und Denk-muster werden aufgebrochen. Dabei zeigen sich die nächsten Schritte und Lösungsansätze meist von selbst.

WOFÜR GEEIGNETGestalter, Designer, Künstler, Architek-ten oder alle, die sich in einem konkreten Schaffensprozess befinden. Beispiele:

– als Reflexionspause in einem kreativen Schaffensprozess jeglicher Grössen-ordnung

– zum Freischaufeln weiterer Entwick-lungsschritte

– als Erprobung möglicher Rezeptionen durch andere

– um die phänomenologische Vielfalt eines Gegenstandes offenzulegen

– um blinde Flecken im eigenen kreati-ven Prozess zu orten

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDie Methode wurde von Bettina Bau-mann und Carlo Sauter für die Arbeit mit angehenden Gestaltern und Studieren-den entwickelt. Das Standardwerk Krea-tivität von Mihaly Csikszentmihalyi, Klett-Cotta, und die Phänomenologie der Wahrnehmung von Maurice Merleau-Ponty, Walter de Gruyter, bildeten dazu eine wichtige Grundlage. n

Wahrnehmen – Assoziieren – FragenEmpfohlen von Bettina Baumann,Kursleiterin für «Englisch in Kunst, Design und Gestaltung B1/B2»

IDEEN ZÜNDEN 37

WAS IST DASDie Kopfstandtechnik ist eine Kreativitäts-technik zur Problemlösung bzw. Ideen-findung. Sie basiert auf einer Umkehrung der ursprünglichen Aufgabenstellung.

Die Kopfstandtechnik wird häufig auch Umkehrtechnik oder Flip-Flop-Technik genannt.

WIE FUNKTIONIERTSDie Methode läuft in vier Schritten ab:1. Die Aufgabenstellung umkehren

(«auf den Kopf stellen»).2. Lösungen für die umgekehrte Aufga-

benstellung finden.3. Diese Lösungen der umgekehrten

Aufgabe auf den Kopf stellen.4. Aus den Ergebnissen konkrete

Lösungsideen entwickeln.

Weil die umgekehrte Aufgabenstellung ungewöhnlich ist, hemmen etablierte Denkmuster nicht, und die Findung von Lösungsideen fällt dadurch meist leichter.

ANWENDUNGSBEISPIELDie Aufgabenstellung ist, neue Dienst-leistungsideen für einen Supermarkt zu entwickeln.

– Frage: Wie könnte eine Umkehrung der Aufgabe lauten? Antwort: Welche Dienstleistung könn-ten die Kunden dem Supermarkt anbie-ten?

– Frage: Wie könnte so etwas aussehen? Antwort: Die Kunden putzen den Supermarkt.

– Frage: Was heisst das Gegenteil davon? Antwort: Der Supermarkt hilft den Kunden beim Putzen.

– Frage: Wie könnten wir das erreichen? Antwort: Der Supermarkt vermittelt Schornsteinfeger, Reinigungsdienste, Fensterputzer usw.

WOFÜR GEEIGNETDie Umkehrungen können unerwartete und nützliche Einsichten in die Problem-stellung liefern. Manchmal läuft die Kopf-standtechnik ins Leere oder produziert Selbstverständlichkeiten als Ergebnis.

Mit etwas Kreativität (sic!) lässt sich die Kopfstandtechnik auch für das eigene Lernen einsetzen, wenn die Fragestel-lung auf den Kopf gestellt wird, z. B: Was muss ich tun, damit ich sicher keine gute Geschichte schreibe?

HERKUNFT Weil sie mit einer Verfälschung arbeitet, ist sie mit der Provokationstechnik von Edward de Bono eng verwandt. n

KopfstandtechnikEmpfohlen von Fritz Keller,Kursleiter Kreatives Schreiben

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IDEEN ZÜNDEN 39

Spazierend Lösungen erlaufenEmpfohlen von Susanne Abplanalp, Kursleiterin «Stilberatung für den beruflichen Auftritt» sowie «Business-Knigge»

WAS IST DAS Viele Ideen, aber keine begeistert. Der Termin steht! Zeitnot und keine Lösung in Sicht. Viele Pendenzen liegen auf dem Pult und lenken ab! Telefonanrufe und E-Mails sind weitere Zeitfresser. Jetzt muss entschieden werden! Zeit für einen Spaziergang, um den Kopf durchzulüften und sich die Lösung zu ergehen.

WIE FUNKTIONIERTSMit Notizheft und Unterlagen gehe ich in die Natur. Auf einer Bank lese ich die Problemstellung und meine Notizen sit-zend nochmals durch.

Dann laufe ich strammen Schrittes – ca. 60 Minuten oder länger –, lasse den Blick immer wieder in die Ferne schwei-fen und geniesse die grünen Wiesen und den Wald. Ich gehe jede Lösungsvariante durch, fühle in mich hinein und frage mich: «Stimmt es für mich?» Zwischen-durch nehme ich immer wieder auf einer Bank Platz, lasse den Gedanken freien Lauf und notiere mir weitere Ideen. Am Schluss konkretisieren sich die Ideen auf einfache Weise. Die Lösung wird mir klar oder zumindest die Lösungsansätze.

Fragen, die ich mitnehme, können sein: Soll ich mein Seminar mit 3 statt 6 Personen durchführen, verschieben, Ein-zelcoachings anbieten oder nochmals ausschreiben? Wenn Ausschreiben – mit Textänderungen oder mit dem gleichen Text? Wer hätte an meinem Seminar noch Interesse? Wen könnte ich noch anschreiben?

WAS BRINGTSProbleme und Fragen, die belasten oder die man vor sich herschiebt, können auf diese Art gelöst werden. Die Links-Rechts-Bewegung des Gehens regt die Blutzirkulation in allen Gefässen an und vernetzt die beiden Gehirnhälften. Ganz neue Ideen und innere Bilder tauchen auf. Das Grün hilft, klarer zu sehen. Der Kopf ist wieder frei. Gleichzeitig war man in der Natur, und das gesamte Befinden ist besser.

WOFÜR GEEIGNETFür Entscheidungs- und Klärungsprozesse aller Art. Aber auch für das Auffinden ganz neuer Lösungen am Wegrand. Wander-coachings machen sich die positiven Wir-kungen zunutze. Oft hilft es aber schon, alleine zu wandern oder zu spazieren.

HERKUNFTEs ist seit jeher bekannt, dass die körperliche Bewegung einen positiven Einfluss auf die geistige Beweglichkeit hat. Alles ist im Fluss – auch die Gedan-ken. Der Philosoph Sören Kierkegaard sagte: «Ich habe mir meine besten Gedanken angelaufen, und ich kenne kei-nen Gedanken, der so schwer wäre, dass man ihn nicht beim Gehen loswürde.» Friedrich Nietzsche meinte: «Nur die ergangenen Gedanken haben Wert.» Die alten Griechen sahen gar in der «Peripa-tetik» die ideale Lernmethode: Das ist eine Art geistiger Verdauungsspazier-gang, bei welchem man die zu lernende Lektion mit auf den Weg nimmt. n

40 EB NAVI #6

Methode 635Empfohlen von Maurice Codourey, Kursleiter im Modul Sozialmarketing im Bildungsgang Management von Nonprofit-Organisationen, Initiant eidg. Fachausweis Texter/in

WAS IST DAS1968, Deutschland. Nicht alle Kreativen denken fast nur noch ans kommende Woodstock-Festival im US-amerikani-schen Bethel vom August 1969. Bernd Rohrbach arbeitet an einer neuen Form von Brainstorming. Die Gruppenarbeit rund um das Zusammentragen von Ideen, Lösungsansätzen und Visionen hat seine Leidenschaft geweckt.

Seine Kreativitätstechnik entwickelt er als Brainwriting-Format – schreiben statt sprechen. Mit der anschliessenden Publikation im Woodstock-Jahr startet Rohrbach eine kreative Erfolgsgeschichte.

WIE FUNKTIONIERTS 635 : 6 Menschen erzeugen 3 Ideen alle 5 Minuten auf einem Blatt Papier. Zu einer Fragestellung, die allen bekannt ist. Nach den 3 Ideen in Satz- oder Stichwort-sammlungsform gehen die Blätter in

Rotation weiter. In jeder Weitergabe kom-men auf jedem Blatt 3 weitere Ideen dazu. Die Blätter füllen sich so kontinuierlich, auch wenn dabei Dubletten entstehen. Der Vorgang erfolgt ohne Gespräche, eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer hat ein Auge auf die 5-Minuten-Intervalle.

Kalkulierbares Resultat: Eine Einla-dung zu einem «635er-Meeting» würde sich so ergänzen lassen: «Zu Thema X treffen wir uns um 14.00 Uhr und sam-meln in 30 Minuten 108 Ideen.» 6 Blätter zu je 18 Ideen in 6 Weitergaben zu je 5 Minuten.

Bernd Rohrbach empfiehlt noch eine reduzierte Variante, passend in jede Kaf-feepause: 423. 4 Menschen, 2 Ideen alle 3 Minuten. Das macht dann 32 Ideen in 12 Minuten. Und: Jeder andere Schlüssel lässt sich individuell je nach Gruppen-erfahrung und -power bestimmen, bei-spielsweise 546.

6Teilnehmer

3Ideen je

Teilnehmer

5Weitergaben

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2

3 4

5

6

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ANWENDUNGSBEISPIELDie klassische Form habe ich im Text-praktiker jahrelang mit grossem Ertrag gelehrt: Bei Unternehmensvisionen und -entwicklungen und für Ideen zu Werbe-, Marketing- und Kommunikati-onsmassnahmen.Das schönste Beispiel stammt jedoch aus meiner Erfahrung mit dem Bildungsgang Management von Nonprofit-Organisationen in der EB Zürich; in einer Institution für Men-schen mit Behinderung erarbeitet das 3-köpfige Küchenteam mit dem Schlüssel 357 regelmässig Problemlösungen, z. B.: Was ist der optimale Lebensmittelpro-zess für Warenannahme, Lagerung und Leergut-Rückschub?

5 Ideen alle 7 Minuten dazu = 45 Ideen in 21 Minuten. Mit dieser Intensität löst das Küchenteam als geübte Methoden-gruppe «jeden Fall» und erschreibt brauchbare und weiterverwertbare Ideen.

WAS BRINGTSDie praktische Kreativität funktioniert mit Instrumenten. Wilde, unkonventio-nelle, überraschende und andere Ideen in Verbindung mit einem strukturierten Prozess. Die Methode 635 liefert genau das: ruhiges Sammeln von Ideen zu einer Fragestellung, kein Vorpreschen von Alphatieren und dergleichen, überblick-bares Auswerten von Ideen in Listenform.

WOFÜR GEEIGNETUnterschiedliche Stakeholderinnen, Ent-scheidungsträger usw. zu einem gemein-samen Ideenfindungsprozess einladen, ohne Anspruch auf Erwartungshaltung an sprühende Kreativität. Die Kraft der Methode entwickelt sich oft bei der zwei-ten Anwendung mit der gleichen Gruppe; anerkannte Gleichmässigkeit, sehbares Resultat und die Chance, mit dem eige-nen Engagement etwas zu bewirken.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURBernd Rohrbach, Kreativ nach Regeln – Methode 635, eine neue Technik zum Lösen von Problemen, Absatzwirtschaft 12 (1969) 73–76, Heft 19, 1969. n

42 EB NAVI #6

Skizzieren unterwegsEmpfohlen von Miriam Selmi Reed, Grafikerin und Kursleiterin «Illustrator» sowie «Illustrator Aufbau» in Kombination mit «Photoshop»

WAS IST DAS Es geht ganz einfach: Man muss kein Picasso sein, um für sich Ideen und Gedanken mit Bleistift in einem Skiz-zenbuch festzuhalten. Wer zeichnet, krit-zelt oder malt, überführt abstrakte Inspi-rationen in eine einprägsame, bildhafte Form – und entwickelt die Ideen dabei weiter. Wichtig ist der persönliche Stil, nicht Perfektion. Nicht die Technik, son-

dern der Charakter zählt, damit etwas Eigenes, Neues entstehen kann!

WIE FUNKTIONIERTS Ich kaufe mir seit je Moleskine-Skizzen-bücher im Kleinformat, praktisch für jede Jackentasche, und benutze nur einen Druckbleistift 0.5 mit Radiergummi. Ich skizziere überall, sei es in der S-Bahn, in Restaurants oder im Wartezimmer. Manchmal benutze ich auch das iPad (Sketchbook App) – ziehe aber inzwi-schen wieder das Medium Papier mit Blei- und Farbstiften vor.

ANWENDUNGSBEISPIEL – Ich habe schon Logos für Kunden bis

zu ganzen Comics in der S-Bahn in mein Moleskine skizziert. Wenn der Kunde oder Verlag damit zufrieden ist, scanne ich die Zeichnung ein und benutze Adobe-Programme wie Illust-rator oder Photohop, um das Projekt zu digitalisieren.

– Ich sammle Rezepte aus aller Welt und skizziere sie. Die skizzierten Kochrezepte gebe ich gerne als Geschenk an Bekannte weiter. Meine Freunde und Kunden schätzen das, da man die letzten zehn Jahre von digitalen Kunstwerken über-schwemmt wurde, und Bleistift-Farb-stiftzeichnungen erfrischend wirken.

– Ich wende die Skizziermethode aber auch beim Lernen von Mandarin (Chi-nesische Schriftzeichen) an. Ich habe bemerkt, dass ich mir ein chinesisches Schriftzeichen nicht merken kann, wenn ich es nur in Wörter auf Deutsch oder Englisch (meine Hauptsprache) übersetze. Skizziere ich jedoch das Schriftzeichen als einfaches Symbol, gehts schneller ins Langzeitgedächtnis.

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WOFÜR GEEIGNET – Ideensammlung, Festhalten: Skizzen

als Ideengrundlage für Kunden. Bei mir etwa für das Buchprojekt SOUL CRIME (➝ Bild) oder Logos für Kun-den. Manchmal steht am Anfang eines Projekts nur eine einzelne Skizze einer Szene, die gefällt.

– Als Lernmethode, um Abstraktes bild-haft zu veranschaulichen oder um Wichtiges ins Langzeitgedächtnis zu befördern. Viele Menschen sind beim Lernen bildhaft «gewickelt»; sonst hätten Lernmethoden wie z. B. http://chineasy.org für Chinesisch nicht so grossen Erfolg.

HERKUNFTSkizziert wird bereits seit über 20 000 Jah-ren. Am Anfang mit Holzkohle oder Erde auf Höhlenwände (Altamira, Lascaux), später auf Ton, Pergament und Papyrus. Als Illustratorin und Grafikerin habe ich viele Techniken an Kunstschulen

(u. a. am Animation Institute in Los Angeles und am Art Center Pasadena) gelernt, aber die Technik spielt für den Nutzen des Skizzierens für einen selbst nur eine untergeordnete Rolle. n

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Kollektives Notizbuch (Brainwriting)Empfohlen von Daniel Eggenberger, Lernbegleiter im Lernfoyer der EB Zürich, Beratungen im pädagogischen und sozialen Berufsfeld

WAS IST DASDie Technik des kollektiven Notizbuchs (Collective Notebook) ist eine Form des Brainwritings. Darunter werden ver-schiedene Kreativitätstechniken verstan-den, die sich hervorragend zur Ideenent-wicklung in Gruppen eignen. Im Unter-schied zum Brainstorming erlaubt das Brainwriting den teilnehmenden Perso-nen eine individuelle und stille Ideenfin-dung. Wie der Name besagt, werden die Ideen verschriftlicht.

WIE FUNKTIONIERTSBei der Technik des kollektiven Notiz-buchs werden den teilnehmenden Perso-nen Notizbücher verteilt. Diese tragen das Notizbuch in ihrem Alltag bei sich und halten ihre Einfälle darin fest. Dies kann je nach Fragestellung mehrere Tage oder sogar Wochen dauern. Die Teilneh-merinnen und Teilnehmer sollen dabei an unterschiedlichen Orten sein. Diese Form des Brainwritings gliedert sich in drei Phasen:

– Vorbereitungsphase: Definition von Problem bzw. Fragestellung, Anzahl Personen und Dauer der Ideenentwick-lung, Verteilung der Notizbücher;

– Ideationsphase: Entwicklung von Ideen, Dokumentation der Einfälle im Notiz-buch, Zusammenfassung der Ergebnisse;

– Auswertungsphase: Präsentation der Ergebnisse in der Gruppe, gemeinsame Prüfung, Diskussion und Bewertung der entstandenen Ideen.

Wie beim Brainstorming sind in der zweiten Phase weder Einschränkungen noch Zensur erlaubt.

ANWENDUNGSBEISPIELEin Beispiel für die Anwendung des kol-lektiven Notizbuchs ist z. B. eine Firma, die mehrere Abteilungen oder Filialen hat. Sie möchte ein neues Produkt, bes-sere Abläufe oder die ganze Organisation entwickeln. Dazu bildet sie ein Projekt-team, das sich aus verschiedenen Fach-leuten und Bereichen zusammensetzt. Sie verteilt die Notizbücher und lässt darin über einen Monat Ideen erfassen. In einem anschliessenden Workshop prüft sie die Ergebnisse und wählt die besten Ideen aus. Eine spezielle Variante des kollektiven Notizbuchs ist im Zeitalter der Cloud der Einsatz von webbasierten, kollaborativen Notizbüchern (z. B. One-Note). Solche Hilfsmittel vermögen die Ideenentwicklung massiv zu erleichtern.

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WAS BRINGTSDie Technik des kollektiven Notizbuchs wird in der Regel über Distanz angewen-det und bindet voneinander entfernte Personen ein. Sie lässt sich über einen längeren Zeitraum praktizieren, sodass viele Ideen entstehen. Sie ist leicht anzu-wenden und führt im Endeffekt zu wech-selseitigen Anregungen. Zudem erlaubt sie – wie alle Brainwriting-Methoden – auch introvertierteren Menschen, sich einzubringen.

WOFÜR GEEIGNETDas kollektive Notizbuch eignet sich gut für die Lösung von komplexen – z. B. technischen, sozialen, politischen, orga-nisatorischen – Problemen. Es gestattet dabei auch die Bildung von interdiszipli-nären, multikulturellen oder sozial durchmischten Teams, sodass unter-schiedliche Blickwinkel auf ein Problem entstehen.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDie Technik des kollektiven Notizbuchs geht auf Charles Hutchison Clark, einen amerikanischen Kreativitätsforscher, zurück, der die Brainstorming-Methoden nach Alex Osborn weiterentwickelte. Charles Clark: Brainstorming. How to Create Successful Ideas. n

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Hierarchisches Mind-MapEmpfohlen von Renato Lunardi, Modulleiter im Bildungsgang «Management in Nonprofit-Organisationen», Dozent BWL, Führungsfachleute FA

WAS IST DASWie bei einem Mind-Map werden auch hier Zusammenhänge grafisch darge-stellt. Aber im Gegenzug zum gewöhnli-chen Mind-Map, besitzt das «Hierarchi-sche Mind-Map» eine Reihenfolge.

WIE FUNKTIONIERTS Zuerst muss ein roter Faden ins Thema gebracht werden. Also welcher Haupttitel ist gegeben und welche Unterkapitel gehören dazu. Danach kann mit der gra-fischen Darstellung begonnen werden, indem der Hauptbegriff auf der linken Seite und die Unterkapitel rechts davon platziert werden. Anschliessend können die Wörter mit einer Linie verbunden werden. So können beliebig viele Detail-stufen hinzugefügt werden.

ANWENDUNGSBEISPIELSie möchte einen Vortrag zum Thema Neuseeland halten.1. Zuerst überlegen Sie sich, welche

Schwerpunkte Sie setzen und in wel-cher Reihenfolge Sie diese vortragen möchten. Beispielsweise die Schwer-punkte Geschichte, Ureinwohner, Wirtschaft und Sehenswürdigkeiten.

2. Nun platzieren Sie «Neuseeland» links auf das Blatt. Rechts davon schr eiben Sie die oben aufgeführten Unterkategorien auf. Das Thema «Geschichte» beinhaltet «Geologi-sche Entstehung» und «Kulturelle und politische Entwicklung». Diese beiden Begriffe schreiben Sie rechts von «Geschichte» hin. Den Bereich «Geologische Entstehung» führen Sie mit zusätzlichen Stichworten aus, bis alle Informationen auf dem Blatt sind.

3. Wenn Sie den Vortrag einstudieren möchten, beginnen Sie mit dem Hauptbegriff «Neuseeland» und fol-gen den Linien zu den anderen Berei-chen. Beim Ende eines Astes gehen Sie zurück und folgen dem nächsten, unten angehängten Teilast. Sie gehen also von links nach rechts und von oben nach unten und repetieren so lange, bis Sie den Vortrag beherrschen.

WAS BRINGTSDie Reihenfolge bringt eine zusätzliche Struktur in ein Mind-Map. Es hat nun einen Anfang und einen Schluss. Dies vereinfacht das Lernen, und man repe-tiert jeden Teilbereich gleich häufig. Durch die grafische Darstellung ist man gezwungen, Stichworte zu verwenden und nicht ganze Sätze. Dies verstärkt die Vernetzung der Inhalte.

WOFÜR GEEIGNETBeispielsweise,

– um sich auf Wissensprüfungen vorzu-bereiten;

– um Vorträge, Reden oder Präsentatio-nen einzustudieren;

– um eine geordnete Struktur und so Übersichtlichkeit in ein vielschichtiges Thema zu bringen;

– um kleine Projekte auf Papier zu brin-gen und dabei alle wichtigen Teil-schritte in der richtigen Reihenfolge zu beachten.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDer Erfinder des Mind-Maps ist Tony Buzan. Das Mind-Map-Buch: Die beste Methode zur Steigerung Ihres geistigen Potenzials, mvg-Verlag 2013. n

KREATIVITÄT 47

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Notausgänge aus der RoutineEmpfohlen von Elvira Hauschild,Gerichtsdolmetscherin, interkulturelle Übersetzerin, Kursleiterin für Deutsch als Zweitsprache

WAS IST DAS Im Arbeitsleben erwischen uns früher oder später der Alltag und die Routine – wir haben alles gelernt (so meinen wir), riskieren kaum noch Fehler, fühlen uns sicher, spüren, dass wir speditiver als andere sind. Aber Vorsicht! Misstrauen lohnt sich.

Routine roch für mich zeitlebens nach fader Nudelsuppe aus der Schulkan-tine. Die ihr nachgesagten positiven Sei-ten schätze ich auch heute noch gering. Routine verführt zu Bequemlichkeit. Sie

ist lauwarm, kann Gefühle verhindern, Lebendigkeit und Kreativität dämpfen. Gefühle brauche ich dringend. Ich will doch Gedichte schreiben, mich dran freuen, brauche Ideen, Bilder, nicht all-tägliche Lösungen, Inspiration, auch für meinen Unterricht. Im Routinenebel sind die manchmal verhängt, verstellt, unauf-findbar. Also, was tun?

WIE FUNKTIONIERTSGlücklich, wem während einer Kreativi-tätsflaute ein Flugticket in die Karibik oder die Einladung zu einem Segeltörn ins Haus flattert. Perspektivenwechsel, andere Lebensweise, Überlebenstraining, unsere Alltagsproblemchen relativieren. Solche warmen Winde oder Böen puste-ten nie in meine hängenden Segel, und doch: Jemand begegnete mir immer im richtigen Moment, kam aus der Karibik, von der Nordsee oder aus der Nachbar-schaft. Überall kann wer sein, der oder die uns neue Blickwinkel öffnet. Ich muss sie oder ihn nur in mein Leben hereinlas-sen. Als Kursleiterin bin ich beschenkt mit lebenserfahrenen Mitmenschen, die mir Welt und Weltsicht ins Haus bringen. Meine Antennen sind eh draussen und auf Empfang. Jetzt braucht es nur ein wenig Mut, das Gespräch aufzunehmen, und so weiterzuführen, dass die Person mein Vertrauen erwidert.

IDEEN ZÜNDEN 49

ANWENDUNGSBEISPIELUnd wenn du keine solche täglichen Begegnungen hast, die dich weiterbrin-gen? Geh los und stell dir vor, du bist ein Ausserirdischer, ein Spitzwegerich, ein Franken, ein Hochhaus, eine Biene, ein Migrant aus Eritrea, aus dem Gefängnis in Libyen grad übers Meer und Italien in der kalten Schweiz angekommen. Was siehst du? Was sagen diese Menschen im Tram oder in der S-Bahn über dich? Schau mal, ob sie auf dich zugehen oder dir aus-weichen. Denk die Gedanken zu Ende, keine Angst. Auch aus Ohnmacht lassen sich Gedichte schreiben oder lässt sich ein Hilfswerk gründen. Unsere Grenzen liegen immer näher als die Karibik, for-dern uns auf, sie zu erkunden, zu erwei-tern, zu durchbrechen manchmal. Inven-tiv sind wir aus Überfluss oder aus einem Defizit heraus. Selten in der Routine.

WAS BRINGTSDas Aufbrechen der Routine bringt bes-tenfalls glückliche Momente, Erkenntnis-gewinn, Ideen-Schübe, Aktivation. Wenn ich als zeitweilige Alternative zum tägli-chen Unterrichten Freiwilligenarbeit leiste, eine Auszeit am Mittelmer nehme, am Gericht dolmetsche oder in der Psy-chiatrie oder im Migrationsamt, wenn ich Projekte spinne, für die Zeit nach meiner Pensionierung, so wirkt sich das immer direkt auf meine Stimmung bei der Kursarbeit aus. So beflügelt, nehme ich die nächste Flaute als das, was sie ist: eine Ruhezeit. Einen Moment der Besinnung, der Erkenntnis und Trauer auch, dass wir nicht jede Minute sprudeln können.

WOFÜR GEEIGNET Ich sehe diese Technik auch bei meinen Freunden. Manche und mancher von ihnen unternahmen schon Reisen, gin-gen zu Fuss auf den Jakobs- und andere Wege, bewarben sich bei anderen Arbeit-gebern, schnupperten in andere Berufs-tätigkeiten hinein oder bissen sich sogar dort fest, um nicht weiter jeden Tag das-selbe tun zu müssen, um der Kreativität, die er oder sie zum Leben braucht wie den Sauerstoff, auf die Sprünge zu helfen.

WEITERFÜHRENDE LITERATURJosé Saramago: Die Stadt der Blinden; Nikos Kazantzakis: Die Blinden; Haruki Murakami: Kafka on the Shore n

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Kreative PauseEmpfohlen von Michel van Grondel und Silvia Voser, Kursleitende für «Ich und die Fotografie/Suche nach der eigenen Bildsprache» und «Ich und mein Fotoprojekt»

WAS IST DASAls kreative Pause bezeichnet man aus gestaltpsychologischer Sicht einen Unter-bruch unterschiedlicher Länge in Denk-prozessen von Künstlern, Wissenschaft-lern und Berufsleuten. Die Pause dient der Erholung des Geistes und bereitet den Boden für den entscheidenden Gedan-kenblitz vor. Die kreative Pause kann ganz unterschiedlich gefüllt werden: z.B Haus-halten, Joggen, Gespräche oder Schlafen. Wichtig ist einzig, dass nicht aktiv über das Problem nachgedacht wird. Während den Pausenaktivitäten sinken die zuvor angesammelten Informationen in das Unterbewusste ab und werden dort schwebend weiterverarbeitet.

WIE FUNKTIONIERTSIm Vier-Phasen-Modell des Kreativitäts-forschers Graham Wallas ist die kreative Pause fester Bestandteil jedes kreativen Prozesses: Als Effekt der kreativen Pause kann die entscheidende und oft auch unerwartete Idee als plötzliche Erleuch-

tung, als sogenannter Geistesblitz auf-tauchen.

Das Problem ist damit noch nicht gelöst, aber der Boden für die nächste Phase des Prozesses ist gelegt. Der krea-tiven Pause voraus geht die Präparation, auf sie folgen die Phasen der Illumina-tion und der Verifikation.1. Präparation: In dieser Phase werden

Informationen zur Fragestellung gesammelt, und dabei wird, wenn man divergent denkt, auch Überraschendes entdeckt. Dieses angesammelte Wis-sen ist das Rohmaterial für spätere kreative Lösungsansätze. Oft kommt gegen Ende dieser Phase das Gefühl auf, niemals eine Lösung zu finden.

2. Inkubation (Kreative Pause): Hier geht es nicht um die bewusste Auseinan-dersetzung mit dem Rohmaterial, vielmehr um einen im Unterbewuss-ten ablaufenden Reifungsprozess. Bewusst wendet man sich anderen Themen und Tätigkeiten zu; der Weg zu neuen Denkmustern wird frei.

IDEEN ZÜNDEN 51

3. Illumination: Im Sinne eines Geistes-blitzes taucht ein neuer Gedanke zur Problemstellung aus dem Unterbe-wussten auf. Das Loslassen hat es ermöglicht.

4. Verifikation: Der Geistesblitz bedeutet nicht die Lösung des Problems. Die Lösungsansätze müssen nun noch auf ihre Machbarkeit überprüft und detailliert ausgearbeitet werden.

WAS BRINGTSDie kreative Pause kann die entschei-dende Wende bringen, wenn man in einem Kreationsprozess feststeckt. Bei-spiele:

– Marianne M. ist auf der Suche nach einem Thema für ein fotografisches Langzeitprojekt. Sie hat aufgrund eines Clusters ein Mindmap entwickelt. Sie steckt bei der Interpretation des Mind-maps fest. Sie braucht eine kreative Pause!

– Das Team eines grösseren Betriebs sucht nach einer den Arbeitsabläufen besser angepassten Einrichtung seines Grossraumbüros und nach einer stim-migeren Raumatmosphäre. Nach dem Brainstorming sehen die Team-mitglieder vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Das Team braucht eine kreative Pause!

HERKUNFTDas Vier-Phasen-Modell wurde in seinen Grundzügen bereits 1889 vom Physiolo-gen und Physiker Hermann von Helm-holtz und dem Mathematiker Henri Poin-caré beschrieben. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Graham Wallas fasste das Modell 1926 zu einer systema-tischen Theorie des kreativen Denkens zusammen. Das Modell wurde seither immer wieder neu diskutiert und auch modifiziert. n

52 EB NAVI #6

Bisoziation mit BildernEmpfohlen von Christian Kaiser, Kursleiter Persönlichkeit und Management

WAS IST DASAssoziationen verbinden Gedanken und Gegenstände miteinander, die in einem inhaltlichen Kontext zueinander stehen (siehe z. B. Clustering). Die Bisoziation hingegen verbindet Dinge und Gedanken aus zwei oder mehr Gebieten miteinan-der, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Dabei entfernt man sich zunächst von der eigentlichen Problem-stellung und taucht in ein ganz anderes Feld ein – z. B. in Naturbetrachtungen, um eine technische Lösung zu finden. Um Bisoziationen hervorzurufen, werden bildhafte Vergleiche genutzt. Als Mittel hierfür eignen sich Fotos gut, die eigene Bilddatenbank kann als inspirative Quelle dienen.

WIE FUNKTIONIERTSBilder können symbolisch für eine Frage-stellung stehen. Als Erstes ist die Aufgabe zu definieren und eine Frage zu formulie-ren. Dann werden Bilder gezeigt, die möglichst weit weg vom Problem liegen. Die Teilnehmenden assoziieren frei Ein-drücke und Schlagwörter zu den gezeig-ten Fotos. Eine Moderatorin hält alle auftauchenden Gedanken fest. Erst nach der Assoziationsrunde rückt sie die Aus-gangsfrage wieder ins Zentrum: Die Teil-nehmenden werden aufgefordert, aus den gesammelten Eindrücken Lösungs-vorschläge abzuleiten. Anschliessend werden die Ideen präsentiert und auf ihre Erfolgschancen und ihre Umsetzbarkeit hin bewertet.

ANWENDUNGSBEISPIEL

Entwicklung einer neuen Dienstleistung (Service-Design)

Aufgabe: Ideensammlung: Was wären mögliche neue Weiterbildungsange -bote?Frage: Was sehe ich, was fehlt?

– Lücke – Farbe – Mörtel – Putz – Sand – Risse – Zement – Schrift – Buchstaben – Bausubstanz – Qualität (der Ausführung)

Bezogen auf das Problem: Wo besteht ein Mangel, Defizit, Bedarf?Angebote zu: Schreiben, Bildunterschrif-ten, Typografie, Allgemeinbildungslücken, Qualitätsmanagement, Controlling usw.Angebote für: Bau-Handwerker, Künst-ler, Architekten, Restaurateure usw.

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Frage: Was könnte kommen, wenn man auf die Klingel drückt?

– ein Pferd – ein Schmied – das Glück – Frau Holle – Eine Hexe – Eine Ferientechnikerin – Ein Stromschlag – Der Maurer (siehe oben) – Eine aufgebrachte Hausbesitzerin – Ein Geistesblitz

Bezogen auf das Problem: Welche Lösun-gen könnten daraus folgen?Angebote zu: Glückskompetenz, Märchen, Auszeit, Musse, Geduld, Resilienz, Do-it-yourself, Immobilien-Besitz, Kreativität . . .

WAS BRINGTSDer bildhafte Zugang macht es leicht, die eingefahrenen Denkwege zu verlassen; die Sprache der Bilder hilft, in andere Vor-stellungswelten einzutauchen und ganz neue Sichtweisen zu gewinnen. In einer Art «Doppeldenken» nimmt man eine Situation oder ein Problem vor zwei ganz verschiedenen Hintergründen gewisser-massen zweifach wahr. Da die Welt der Ausgangsfrage eine völlig andere ist als die der Bildeindrücke, können so unkon-ventionelle, neue Ansätze entstehen.

WOFÜR GEEIGNETIdeensammlung, «schräge» Lösungen, Perspektivenwechsel, Distanz schaffen zur Ausgangslage, Anregung zum Den-ken in Bildern, Metaphern, Analogien.

HERKUNFTDas Kunstwort Bisoziation geht auf den Kulturphilosophen Arthur Koestler zurück: Er beschrieb damit die menschli-che Fähigkeit, in ganz unterschiedlichen Kontexten gleichzeitig zu denken, was zum entscheidenden «Aha-Effekt» füh-ren kann. Die Methode, über Bilder unterschiedliche Dinge miteinander zu verknüpfen und so Einsichten für Zusam-menhänge anzuregen, wird auch «visu-elle Synektik» genannt. Der beschrie-bene Ablauf ist eine Kombination aus beiden Techniken. n

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54 EB NAVI #6

WorldcaféEmpfohlen von Michael Wenzinger,Kursleiter Deutsch als Zweitsprache

WAS IST DASDie Worldcafé-Methode ist eine Kreativi-tätstechnik, die es ermöglicht, in (auch grossen) Gruppen kreative Prozesse in Gang zu bringen und unterschiedliche Blickpunkte zu Fragestellungen oder Hypothesen zu sammeln.

WIE FUNKTIONIERTSDie Methode läuft in 3 oder 4 Schritten ab (Schritt 3 kann aber je nach zur Verfü-gung stehender Zeit, der Anzahl Teilneh-menden und der Fragestellungen auch wiederholt werden)1. Aufteilen der Teilnehmenden auf

mehrere Tische/Flipcharts, ausgestat-tet mit Papier und Stiften; ideale Teil-nehmenden-Zahl: 4–6; ein «Gastge-ber» oder Protokollant wird bestimmt. Die Fragestellung oder die Hypothese ist für alle sichtbar.

2. Die Teilnehmenden diskutieren, der Protokollant hält die Resultate plaka-tiv fest.

3. Während der «Gastgeber» an seinem Platz bleibt, wird die Gruppe neu ge-mischt und verteilt sich an die Arbeits-stationen. Der «Gastgeber» erläutert kurz das Plakat, d.h. die Arbeit der vorherigen Gruppe, anschliessend bringen die Teilnehmenden die Resul-tate/Überlegungen aus ihren vorheri-gen Gruppen ein; der Protokollant er-gänzt, erweitert, bereichert das Plakat mit den neuen Aspekten.

IDEEN ZÜNDEN 55

4. Während einer Reflexionsphase (je nach Anzahl Teilnehmenden wieder in Gruppen oder im Plenum) werden die Resultate und/oder der Gruppenpro-zess besprochen. Durch das Nebenei-nanderstellen der Plakate kann der Diskurs visuell attraktiv dargestellt werden.

ANWENDUNGSBEISPIELÜbergeordnetes Thema ist die Situation von Migrantinnen/Migranten in der Schweiz

– Frage: In welchen Situationen ist die Fremdsprachigkeit der Migrantinnen und Migranten ein Problem? In wel-chen spielt dies eine untergeordnete Rolle?

– Hypothese: Kulturelle Differenzen zwi-schen Migrantinnen und Migranten und Schweizerinnen und Schweizern sind positiv für die Gesellschaft.

– Frage: Wie finden Migrantinnen und Migranten Zugang zum Arbeitsmarkt? Welche Schwierigkeiten zeigen sich? Welche «good-practice»-Beispiele ken-nen die Teilnehmenden?

– Hypothese: Migrantinnen und Migran-ten leben oft isoliert, weil sie das so wollen.

WOFÜR GEEIGNETDie Worldcafé-Methode kann den Aus-tausch in unterschiedlichen Gruppenkon-stellationen fördern, neue Sichtweisen auf eine Fragestellung ermöglichen und, dank der plakativen Darstellung, Zusam-menhänge und Verknüpfungen sichtbar machen.

HERKUNFTDie Worldcafé-Methode wurde von den Unternehmensberatern Juanita Brown und David Issacs in den USA entwickelt. Im Internet finden sich unzählige Anwendungsbeispiele und Variationen der Methode. n

56 EB NAVI #6

Mit sich selber vernetzt via OneNoteEmpfohlen von Peter Huber, Kursleiter Informatik, u. a. für «OneNote – die Online-Zettelwirtschaft»

WAS IST DASOneNote aus dem Office-Paket von Microsoft ist ein elektronisches Notiz-buch, dessen Inhalt in der Cloud gespei-chert wird. So ist es möglich, sich via Internet jederzeit und überall wieder mit den Inhalten dieses Notizbuches zu ver-netzen: Sie stehen auf allen eigenen Aus-gabe-Geräten zur Verfügung und können auch von berechtigten anderen Personen angeschaut oder geändert werden.

WIE FUNKTIONIERTSArbeitsplatz, Zug, Sitzungsraum, Hotel, Liegestuhl – alles Aufenthaltsorte, in denen Gedanken kommen können. Die einen wachsen zu Konzepten oder Trak-tandenlisten an, von den anderen weiss man noch nicht, was aus ihnen wird, will sie aber nicht vergessen. Also: sofort auf-schreiben, aufzeichnen, fotografieren, zeichnen oder im Internet weiterrecher-chieren! Egal, welches Gerät grad zur Hand ist: Smartphone, Tablet, Notebook oder Desktop. Die Software, die Ihre Eingaben ernst nimmt und festhält, haben Sie bereits: OneNote, Teil von Microsoft Office. Damit sind alle Infos in der Cloud. Speichern? Das war ges-tern. Mit dem elektronischen Notizbuch OneNote (und einem OneDrive Cloud Account) haben Sie Ihre Eingaben trotz laufendem Orts- und Gerätewechsel jederzeit zur Hand. Sie vernetzen sich sozusagen mit all Ihren Standorten und Geräten.

WOFÜR GEEIGNETDieses ausserordentlich vielseitige Tool hat 1000 Anwendungsmöglichkeiten, von denen 980 für die meisten nutzlos sind. Es gilt die wichtigen 20 für einen selbst herauszufinden und regelmässig zu nutzen – beruflich oder privat.

ANWENDUNGSBEISPIEL – Vielleicht machen Sie Kundenbesuche

und benötigen dort Infos zum Kunden, die von Ihrem Sekretariat in letzter Minute noch ergänzt werden können. Betreiben Sie zusammen mit Ihrem Sekretariat ein OneNote-Notizbuch.

– Oder vernetzen Sie sich mit Ihrem Team und externen Mitarbeiter/innen für ein Projekt mittels gemeinsamem Notizbuch. Hier entsteht die Traktan-denliste vielleicht gemeinsam. Sie muss nicht mehr verschickt werden, jeder hat sie schon, vom ersten Moment an.

– Egal an welchem Projekt Sie gerade arbeiten – Sie können die Infos eingeben, wann Sie wollen, und erhalten Infos, von wem Sie wollen. Und immer können die Infos aus Text, Datei, Audio, Video, Bild, Skizze, Internetseiten und anderem bestehen. Oder Sie scannen haufenweise Seiten ein und möchten in diesen Bildern nach Texten suchen: OneNote kann das!

– Familien-Management: Eine einfache Einkaufsliste kann im Laufe des Tages durch Eingaben aus allen benutzten Geräten von Partnern oder Kindern anwachsen, und im Laden zeigt das Smartphone die aktuellste Liste.

WEITERFÜHRENDE LITERATURwww.bookboon.com/de/ onenote-2010-ebook n

IDEEN ZÜNDEN 57

Brainstorming reloadedEmpfohlen von Lorenz Bützberger, Kursleiter Modul Prozessmanagement im Bildungsgang «Führungsfachfrau/-mann (SVF)» mit eidg. FA

WAS IST DASMit Brainstorming kann ein Team in kur-zer Zeit eine grosse Anzahl von Ideen generieren. Das Geheimnis liegt darin, das Brainstorming beim Versiegen von Ideen nicht gleich abzubrechen. Denn die wichtigsten Geistesblitze kommen erst noch.

WIE FUNKTIONIERTSIdeale Teamgrösse: 4 bis 10 PersonenDie Moderation teilt die Regeln mit und ist für deren Einhaltung besorgt:

– den Gedanken freien Lauf lassen – Quantität geht über Qualität – Ideen anderer aufgreifen ist erlaubt – keine Kritik an anderen Beiträgen äus-

sern

Anschliessend nennt die Moderation die Frage- oder Problemstellung in einem kurzen prägnanten Satz und notiert sie für alle Beteiligten gut sichtbar.

Die Teilnehmenden rufen ihre Ideen zu. Die Moderation oder Assistenz notiert diese gut sichtbar auf dem Flip-chart oder auf Pinnwand-Kärtchen.

Nach einer Weile versiegen die Ideen, und die Wortmeldungen nehmen ab. Genau da liegt das Geheimnis des Brain-stormings: Die Moderation sollte das Brainstorming nur unterbrechen mit einer Auflockerungsübung. Beispielsweise er-zählen die Teilnehmenden zur Ablenkung reihum eine Fortsetzungsgeschichte.

Nach ein paar Runden des Geschich-tenerzählens wird das Brainstorming fortgesetzt. Hierbei formuliert die Mode-ration nochmals die Frage- oder Prob-lemstellung.

Am Ende des Brainstormings werden die Ideen sortiert, kombiniert, selektiert, verdichtet und priorisiert.

WAS BRINGTSDas Team wird vollkommen in die Ideen-findung mit einbezogen. Erfahrungsge-mäss kommen gerade nach der Auflocke-rungsübung sehr kreative Ideen zutage: Das Geschichtenerzählen führt weg vom logisch-analytischen Denken und akti-viert fürs narrative Denken zuständige andere Gehirnbereiche. Zudem machen Reihum-Geschichten Spass und sind auch gruppendynamisch sinnvoll.

WOFÜR GEEIGNETBesonders als Startpunkt der kreativen Problemlösung eignet sich diese Technik zur Generierung einer grossen Anzahl an Ideen.

HERKUNFTAlex Osborn gilt als Erfinder des Brainstor-mings. Charles Hutchison Clark hat diese Kreativitätstechnik weiterentwickelt. n

Wenn die Ideen ausgehen mittels Auflockerungsübung für Ablenkung sorgen und anschliessend das Brain-storming fortsetzen (in der Grafik illustriert). Erfah-rungsgemäss gibt dies einen neuen «Kick» in die Ideenfindung.

Anzahl Ideen im zeitlichen Ablauf

Anza

hl Id

een

Zeitlicher Ablauf

Aufl ockerungsübung

58 EB NAVI #6

7-Punkte-SchreibenEmpfohlen von Christina Herzig, Kursleiterin Deutsch als Zweitsprache, Englisch

WAS IST DASSchreibspiele helfen, das «narrative», «fabulierende» oder «epische» Denken zu fördern; das ist ein Denken in Geschich-ten, Beziehungen und Emotionen, das weg vom im Berufsleben gebräuchlichen logisch-argumentativen Denken führt. Das «7-Punkte-Schreiben» z. B. aktiviert die Freude am Schreiben, indem es spie-lerisch zum Gestalten eines Textes ani-miert. Die «Zutaten» für den Text werden von der Kursleiterin angeregt: Die Teil-nehmenden entscheiden sich bei sieben Punkten für bestimmte Wörter, die sie nachher in einen Text einfliessen lassen. So entsteht innert Kürze eine einfache Geschichte.

WIE FUNKTIONIERTSDie Teilnehmenden werden zu einem Schreibspiel eingeladen. Es geht sofort los (die Technik des 7-Punkte-Schreibens wird ihnen erst im Nachhinein erklärt). Die Teilnehmenden schreiben auf die linke Seite eines Blattes von oben nach unten die Zahlen 1 bis 7. Die Kursleitung lässt die Teilnehmenden sich zu jedem Punkt etwas ausdenken, das sie notieren, z. B.: 1. Schau zum Fenster hinaus, notiere

drei Dinge, die du siehst2. Notiere eine Farbe3. zwei Berufe4. eine menschliche Eigenschaft5. deinen Lieblingsort6. drei Gegenstände, auf die du nicht

verzichten könntest7. irgendein Wort, dessen Klang dir

gefällt

Tipp: Nicht zu viel Zeit geben, es soll spontan geschrieben werden. Wichtig: Betonen, dass das ein Spiel ist, dass es hier keine richtigen oder falschen, guten oder schlechten Antworten gibt. Varian-ten: Es können natürlich beliebige andere Ingredienzien für die Geschichte ver-wendet werden.

Die sieben Punkte sind jetzt die «Zutaten» zur Geschichte, die geschrie-ben werden soll. Einzige Vorgabe: Alle Wörter müssen in der Geschichte vor-kommen, die Reihenfolge darf aber belie-big durcheinandergeschüttelt werden.

Auch zum Schreiben wenig Zeit geben (z. B. 20 Minuten), damit das Schreiben locker bleibt und das Resultat nicht im Vordergrund steht. Wer will, liest am Schluss seine Geschichte vor. Die ein-fachste Variante eines Schreibspiels gibt nur drei Punkte vor, also drei Wörter; eine Person, einen Ort und eine Zeit.

IDEEN ZÜNDEN 59

eignen sich auch gut für die Unterbre-chung und den Perspektivenwechsel in Ideenfindungsprozessen im beruflichen Kontext. Der dabei erlebte kreative Flow und das Bewusstsein der eigenen Fanta-sie wirken auch in den nachfolgenden Kreationsphasen noch nach.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDas 7-Punkte-Schreiben ist eine aus dem kreativen Schreiben bekannte Technik, welche auch beim Sprachenlernen genutzt wird. Die Unterscheidung in logisch-wissenschaftliches und narrati-ves, also erzählerisches Denken geht auf Jerome Bruner zurück (Actual Minds, Possible Worlds, 1986). n

WAS BRINGTSSchreibspiele trainieren sämtliche Schreibkompetenzen und regen die Fan-tasie an. Die Teilnehmenden werden auf spielerische Weise zur Kreation eines eigenen Textes angeregt. Da sie zuerst nur Wörter notieren, ohne zu wissen, was damit geschieht, entfällt zu starke Kont-rolle und Selbsteinschränkung. Schreib-blockaden lassen sich so überwinden.

Die Teilnehmenden haben meistens Spass beim Schreiben und beim Zuhören der vorgelesenen Resultate. So wird Schr eiben geübt, ohne dass es als Arbeit empfunden wird.

Solche Schreibspiele können auf ver-schiedenen Niveaus (ab ca. Stufe A2) in jeder Sprache angewendet werden. Sie

60 EB NAVI #6

GruppenpuzzleEmpfohlen von Michael Wenzinger,Kursleiter Deutsch als Zweitsprache

WAS IST DASDas Gruppenpuzzle, auch Jigsaw-Methode, ist eine Kreativitätstechnik, während der die einzelnen Teilnehmenden in unter-schiedlichen Konstellationen Teilaspekte einer Fragestellung bearbeiten. Im Zuge des Prozesses gelangen alle Teilnehmen-den in die Expertenrolle.

WIE FUNKTIONIERTSDie Methode läuft in drei Schritten ab:1. Die Teilnehmenden werden in gleich

grosse Gruppen (ideal sind 3–5 Teil-nehmende) eingeteilt und bearbeiten eine Teil fragestellung.

2. Die Gruppen werden so gemischt, dass sich in den neuen Gruppen je ein Teilnehmender aus allen ersten Grup-pen befindet; die Teilenehmenden berichten/präsentieren ihre Ergeb-nisse aus Schritt 1.

3. Die Resultate können abgeglichen werden (neuerliche Gruppenarbeit; Kontrollfragen im Plenum etc.).

Die neue Gruppenkonstellation überträgt allen Teilnehmenden eine verantwor-tungsvolle Rolle, da jeder Einzelne die Erkenntnisse aus der Arbeit an einem Teilaspekt in die neue Gruppe einbringt.

ANWENDUNGSBEISPIELÜbergeordnete Fragestellung: In welcher Situation befindet sich Patrick, der Prota-gonist aus Hansjürg Schertenleibs «Nachtschwimmer» zu Beginn des Romans?1. Drei Gruppen à 4 Teilnehmenden dis-

kutieren einen Teilaspekt und notie-ren sich ihre Resultate: – Wie stellt sich Patricks familiäre Situation dar? – Was wissen wir von seiner Bezie-hung mit Fiona? – Wie steht es um Patricks schulische/berufliche Situation?

2. Die 12 Teilnehmenden werden in drei neue Gruppen eingeteilt und fügen das Bild von Patricks Situation mit ihren Gedanken/Notizen zu den Teil-fragen zusammen.

3. Plenumsdiskussion: Müssen wir uns um Patrick Sorgen machen? Wie sind die Teilaspekte miteinander ver-knüpft?

WOFÜR GEEIGNETMit der Puzzlemethode können Diskussio-nen in Gang gebracht werden; der Rede-anteil und das Engagement der einzelnen Teilnehmenden können erhöht werden. Die Methode «zwingt» die Teilnehmen-den dazu, in unterschiedlichen Konstella-tionen und Rollen zu arbeiten, und för-dert so sowohl die Kooperation als auch das Selbstbewusstsein der Einzelnen.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDie Methode kommt aus den USA und wurde in den 70er-Jahren entwickelt. Auf dem Web findet sich eine Vielzahl von Informationen und Anwendungsbeispie-len, z. B. unter www.jigsaw.org n

IDEEN ZÜNDEN 61

Schreiben oder gar nichtsEmpfohlen von Beate Rothmaier,Autorin, Kursleiterin Kreatives Schreiben

WAS IST DAS Das Thema steht seit Langem fest, die Recherchen sind gemacht, Notizen, Kar-teikarten und andere Aufzeichnungen liegen bereit, und nun? Irgendwann heisst es, auf die lange Strecke zu gehen und einen Text, gleich welcher Art, hin-zuschreiben: Eine erste Fassung anzu-fangen und, möglichst in einem Rutsch, zu Ende zu bringen.

Schreiben oder gar nichts, die Vorge-hensweise von Raymond Chandler, dem US-amerikanischen Krimischriftsteller, ist so einfach wie wirksam.

WIE FUNKTIONIERTS Nimm dir eine Stunde Zeit. Setz dich vor ein leeres Blatt oder offenes Textdoku-ment: Du darfst schreiben, du musst nicht.

Du brauchst nichts als dein Schreib-gerät, deine zehn Finger und jeden Tag eine Stunde Zeit. Oder zwei. Chandler empfiehlt dem Berufsschriftsteller vier Stunden oder mehr. Beginne mit einer Stunde. Du darfst eine Stunde dasitzen und nichts tun. Oder schreiben. Heute und morgen wieder.

Vertraue auf das, was in dir ist. Schreib es nieder. Vor allem: bring es zu Ende. Anschliessend ist Gelegenheit, den Text zu überarbeiten, ihn mit Fussnoten, Anmerkungen, Belegstellen zu versehen, ihn zu straffen oder auszuweiten, die tref-fenderen Formulierungen zu finden, Kommas einzufügen und Tippfehler zu korrigieren.

WAS BRINGTS Schnell erklärt, schnell verstanden, liegt der Vorteil dieser Methode in der tägli-chen Umsetzung, im langen Atem beim Formulieren einer Textstrecke.

WOFÜR GEEIGNET Nicht nur für Romane, sondern für jegli-che Art von längeren Textsorten: wissen-schaftliche Arbeiten, Schulungsdoku-mentationen, Fachbücher usw.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR «Ich glaube, dass alles Schreiben, das auch nur etwas Leben in sich hat, aus dem Solar-plexus kommt. Es ist harte Arbeit insofern, als man hinterher todmüde sein kann, sogar total erschöpft. Im Sinne bewusster Bemühung freilich ist es überhaupt keine Arbeit. Wichtig ist dabei vor allem eins: Der Berufsschriftsteller sollte einen bestimmten Zeitraum haben, sagen wir, mindestens vier Stunden am Tag, wo er nichts anderes tut als schreiben. Entweder schreiben oder gar nichts. Ich finde, das funktioniert. Zwei ganz einfache Regeln: 1) Man muss nicht schreiben. 2) Man kann nichts anderes tun. Der Rest kommt von selbst.» Raymond Chandler: Die simple Kunst des Mordes. Zürich, Diogenes 2009. n

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WAS IST DASDas Kano-Modell ist ein Modell, das im Produkt- oder Service-Design Anwendung findet. Es eignet sich, um Kundenanforderungen und/oder die Kunden zufriedenheit zu erheben, nach Qualitätsmerkmalen zu ordnen und in die Entwicklung einfliessen zu lassen. Je nachdem, ob sie etwas mit der «Begeisterung», der «Leistung» oder den «Grund anforderungen» zu tun haben, werden die Qualitätsmerkmale aus Kundensicht anschaulich in einem Schema platziert.

WIE FUNKTIONIERTS Das Kano-Modell besteht aus einer Matrix mit einem 5 × 5-Raster. Die verti-kale Achse repräsentiert die Bedeutung der Verkaufsargumente, die Horizontale steht für die Wichtigkeit der Anforderun-gen an das zu entwickelnde Produkt. Zudem wird das Rasterfeld vertikal in drei Abschnitte (vereinfacht) unterteilt, welche die Ebenen der Verkaufsargu-

mente widerspiegeln: Begeisterung (oben), Leistung (Mitte) und Grundan-forderungen (unten).

Nun schreiben die Kunden eine Karte pro Anforderung an das Produkt bzw. die Dienstleistung. Diese werden in einem oder mehreren Teams auf dem Kano-Modell positioniert. Wichtig dabei ist, dass sich das Team darüber einig ist, an welcher Stelle im Modell die Anforde-rung platziert werden muss.

NUTZENDas Kano-Modell erlaubt es, die Anfor-derungen unterschiedlicher Bereiche im Konsensverfahren zusammen zu-führen, um ein neues Ganzes zu erschaf-fen.

ANWENDUNGSBEISPIEL In einer mehr und mehr digitalisierten Gesellschaft werden Software und Sys-teme benötigt, welche bereichsübergrei-fend (interdisziplinär) eingesetzt werden können. Sie zu entwickeln ist nicht

Kano-ModellEmpfohlen von Marcel Bernet,Kursleiter Internet der Dinge

IDEEN ZÜNDEN 63

Der Verein eCH (http://www.ech.ch) wurde 2002 zur Förderung von eGovernment-Standards als Public-/Private Partnership gegründet. Durch das Wachstum des Vereins und die starke Zunahme der Standards musste eine neue Kollaborations- und Web-Plattform beschafft werden. Mit den verschiedenen Gruppen wurden Kano-Modelle erstellt und schlussendlich zu einem Ganzen zusammengefügt (siehe vereinfachte Grafik). Das Ergebnis war eine neue Kollaborations- und Web-Plattform, hinter der alle Ver-einsmitglieder und involvierten Stellen stehen konnten.

immer einfach: Die beteiligten Bereiche mit ihren je eigenen Denkweisen stellen unterschiedliche Anforderungen. Das Kano-Modell hilft hier Brücken zu bauen, indem zuerst pro Bereich ein Kano-Modell erstellt wird und diese Modelle dann zu einem Ganzen, hinter welchem alle Bereiche stehen können, zusammen-gefügt werden.

WOFÜR GEEIGNET – Evaluierung oder Entwicklung neuer

Software

– Interdisziplinäre Zusammenarbeit z. B. für das Internet der Dinge

– Optische Darstellung von Kundenan-forderungen

– Finden von Schwachstellen in Produkten – Hemmschwellen und Blockaden auflö-

sen zwischen Bereichen und Personen

HERKUNFTDas Kano-Modell wurde von Noriaki Kano (* 1940), Professor an der Univer-sität Tokio, zur Analyse von Kunden-wünschen entwickelt. n

Protokolle,Pendenz

ZentraleAblage

FAQ

Freigabe-prozess

Mehr-sprachigkeit

Keine Redundanzen

ForumWorkfl ow

Dokumentezuordnen

ExterneVerlinkung

Autom. Benachrichtigungen

Wichtigkeit

Grundanforderung

Begeisterung

Leistung

Verk

aufs

argu

men

t

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Kritikasterei und PolemikEmpfohlen von Fritz Franz Vogel, Büchermacher, Kurator, Kursleiter Desktop-Publishing

WAS IST DASKritik und Widerspruch verleihen krea-tive Schübe; am Objekt des Widerspruchs schärfen sich Gedankengänge, bis sich kreative Alternativen zeigen.

Ich schaue mir immer wieder Bücher und Ausstellungen an. Gute Sachbücher, vor allem im Fotobereich, kaufe ich, wenn sie meinen strengen Qualitätsfilter durchlaufen haben. Ausstellungen hinge-gen besucht man aufgrund von Vorankündigungen und bisweilen lauten Versprechungen. Je eindimensionaler das Design, je belangloser die Dynamik, je banaler die Lesetiefen oder je einfältiger sogenannte Überraschungen sind, desto mehr rege ich mich auf, vor allem in hoch subventionierten Häusern mit grossem Apparat an Personal. Diese Erregung führt – vor allem in Freundeskreisen – zu scharfen Streitgesprächen, die vor allem eines an die Oberfläche schäumen: Wie man es hätte besser machen können.

WIE FUNKTIONIERTSMassstab sind die eigenen Kriterien an kreative Qualität.

Als Kulturwissenschaftler habe ich ein ästhetisches Instrumentarium, das ich relativ leicht abrufen kann. Diese Qualitätsanalyse ist gereift durch viele Tausend Visionierungen von Theater, Performances, Ausstellungen, Büchern etc. Wenn man selber Kultur produziert, kennt man die faulen Tricks, Schwindel und Hochstapelei, das fehlende Feu Sacré. Man weiss aber auch, wie sich mit einer gewissen Frechheit ein Wurf erzeu-gen lässt. (Es ist wie bei der Nacktheit: Wer blutt dasteht, hat weit weniger Reiz als jemand, der sich raffiniert verhüllt.) Kulturelle Produkte müssen also reizen und meinen Geist und meine Sinne anre-gen. Tun sie das nicht, dann scheitern sie vor meinem Quali-Auge.

IDEEN ZÜNDEN 65

In der so erzeugten wütenden Erre-gung (vgl. die Verfertigung der Gedan-ken beim Reden) produzieren sich relativ leicht Alternativen, wie man es hätte besser machen können; z. B. wie man mit weniger Geldeinsatz mehr aus dem Thema hätte herausholen können.

WAS BRINGTSErregung und Wut können ungemein kreative Kräfte freisetzen. Zudem: Durch die bisweilen monologisierende Dialog-schärfe wächst das Selbstbewusstsein einerseits, die Kritikfähigkeit anderseits. Polemisch wird ein Streitgespräch dann, wenn die Macht der Argumente nicht nur die Widersprüche der Sache aufdeckt, sondern die dafür verantwortliche Person blossstellt und ihre Redlichkeit anzweif-elt. Für diese zugespitzte Kritik gibt es im

Theater Pfiffe oder in Ausstellungen das Besucherbuch. So hält man auch andere zu mehr Kreativität an.

WOFÜR GEEIGNETGeeignet ist diese Technik der Übertrei-bung und des Sarkasmus immer dann, wenn man als Agent Provocateur ein spannendes Gespräch initiieren möchte. Man wirft etwas in die Runde und arbei-tet sich aus dieser (negativen) Optik voran, indem man seine Aussagen mit wahren Argumenten zum Sachverhalt begründen muss. So wird nicht nur der eigene Qualitätsmassstab verbessert, sondern auch das Denken allgemein geschärft. Es können echte Grundsatz-debatten über das Wesen der Kreativität und die daran anzulegenden Qualitäts-massstäbe entstehen. Ein Nebeneffekt liegt darin, dass man mit dem Dampf-ablassen auch die Seele wieder ruhig-stellt und die Dinge der ach so bösen Welt nicht in sich hineinfrisst.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDiese Kreativitätstechnik ist schon ziem-lich alt. Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) hat bereits 1768 die Kritik als kreativen Schub samt Wirkungsmacht propagiert und zur Polemik aufgerufen, indem er einem Kritiker den Leitsatz «Primus sapientiae gradus est, falsa intelligere» (Der erste Schritt zur Weis-heit ist, Falsches zu erkennen) empfahl. Lessing fährt fort: «Ein kritischer Schriftsteller, dünkt mich, richtet seine Methode auch am besten nach diesem Sprüchelchen ein. Er suche sich nur erst jemanden, mit dem er streiten kann: so kömmt er nach und nach in die Materie, und das übrige findet sich.» (Hamburgische Dramaturgie, 70. Stück, 01.01.1768) n

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WAS IST DASCluster heisst «Büschel», «Traube», Gruppe», «Haufen». Wer clustert (to cluster), ordnet gedankliche Assoziationen zu Büscheln oder Gruppen an. So entsteht eine optische Landkarte der eigenen Asso-ziationen zu einem bestimmten Thema. Clustering ist eine Art Brainstorming mit sich selbst, mit sichtbarem Resultat.

WIE FUNKTIONIERTS Clustering ist denkbar einfach: Das Thema wird in die Mitte eines Blattes Papier in eine Wolke geschrieben (Kernwort), und darum herum werden alle Ideen notiert, die zu diesem Kernwort einfallen. Sämt-liche Ideen sind erlaubt. So entsteht auf dem Papier ein Clusterbild unserer Gedanken.

ANWENDUNGSBEISPIELWenn wir zum Beispiel zum Thema «Berlin» einen Text schreiben wollen, dann notieren wir «Berlin» in die Mitte des Blattes und lassen darum herum in sogenannten Assoziationsketten (also in einer «Wolke» nach der anderen) unsere Gedanken zum Thema Berlin fliessen.

Das Clusterverfahren ist ein schrift-lich fixiertes Brainstorming-Verfahren (Gedankensturm): Die Ideen werden herausgeblasen, und wir sehen dann nach, was wir für unseren Text von diesen Gedanken «auflesen» können oder wo wir dafür ansetzen können. Die Gedanken, Bilder, Assoziationen sollen ohne innere Zensur notiert werden.

WAS BRINGTSClustering ermöglicht es, auf «runde» Weise, Ideen, Erinnerungen, Bilder, Gedanken zu einem Thema zusammen-zubringen und zu ordnen: Assoziationen «purzeln» in Wortform aufs Papier. Die Technik aktiviert die Intuition und fördert latent vorhandene Ideen zutage. Es öffnet einen Assoziationsraum rund um einen Kernbegriff (Thema), der zugleich in die Breite wie in die Tiefe führt. Assoziationsketten zeigen sich auf dem Papier als Muster und Strukturen, der latent vorhandene Wort- und Erfah-rungsschatz wird so zum Ideenpool. In den assoziativen Gedankenbüscheln zeigen sich Schwerpunkte und Verknüp-fungen, die einen der Lösung einer krea-tiven Aufgabe näher bringen.

ClusteringEmpfohlen von Christian Kaiser, Kursleiter für kreatives und biografisches Schreiben

IDEEN ZÜNDEN 67

WOFÜR GEEIGNETBeispiele:

– als erster Schritt für das Verfassen eines Textes;

– als optische Darstellung einer Problem-stellung;

– um den Wald hinter den Bäumen zu sehen;

– um vom engen zum weiten Fokus zu kommen und wieder zurück;

– Assoziationsräume auftun;

– Hemmschwellen und Blockaden bei einem Thema auflösen («mir fällt nichts ein»).

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURClustering ist eine Methode des kreati-ven Schreibens. Sie wurde von der Amerikanerin Gabriele L. Rico in ihrer Dissertation Writing the Natural Way entwickelt. n

68 EB NAVI #6

WAS IST DASWelcher Hut tut gut? Bei dieser Methode wird die Lösung von verschiedenen Sei-ten angegangen. Gezielt werden unter-schiedliche Blickwinkel auf das Problem gesucht und genutzt. Dafür macht man sich auch die emotionale Seite des Den-kens zunutze, indem sich die am Prozess Beteiligten bewusst in verschiedene Hal-tungen versetzen und das Problem aus dieser Perspektive betrachten. Dies geschieht über real aufgesetzte farbige Hüte. Von besonderer Bedeutung dabei ist die Farbe, denn die sechs Farben ste-hen symbolisch für eine bestimmte, vor-herrschende Denkweise. Nützlich ist die Technik vor allem dann, wenn man sich einmal diejenigen Hüte aufsetzt, die man normalerweise nicht anhat.

WIE FUNKTIONIERTSEdward de Bono, einer der grossen krea-tiven Vordenker, ordnet den von ihm vorgestellten sechs Denk-Hüten die fol-genden 6 Farben mit ihrer jeweiligen psy-chologischen Bedeutung zu:

– Weisser Hut: Weiss ist neutral und objektiv. Der weisse Hut steht für das «reine», analytische Denken, Tatsa-chen, Zahlen, Informationsdaten, empirisch Überprüfbares. Wer den weis-sen Hut trägt, darf keine persönliche Meinung, Werte, Emotionen und Urteile äussern, nur Fakten. Seine Sätze können beginnen mit: «Tatsache ist . . .»

– Roter Hut: Rot steht für Wärme und Feuer und subjektive Empfindung, per-sönliche Gefühle, Emotionen, Ahnun-gen und intuitives Wissen. Wer vom roten Hut geschützt ist, darf jede per-sönliche Empfindung ausdrücken, ohne sie begründen zu müssen. Mögli-cher Satzanfang: «Ich habe das Gefühl . . .»

– Schwarzer Hut: Schwarz verkörpert das Negative, das Dunkle, Kritikasterei, Nörgelei, Zweifel, Risiken, Bedenken. Wer den schwarzen Hut aufhat, ist der Kritiker und Bedenkenträger in der Runde, der sachlich-rationelle Argu-mente (keine Emotionen) dagegen auf-bringt. Die Sätze können mit «Aber . . .» oder mit «Das halte ich für völlig falsch, weil . . .» beginnen.

– Gelber Hut: Gelb ist die Farbe der Sonne und des Frohmuts, der Stim-mungsaufhellung; sie steht für die Hal-tung des Optimisten, Hoffenden, posi-tiv Eingestellten. Wer den gelben Hut trägt, konzentriert sich auf die Vorteile, die Pro-Seiten in allen Argumenten. Möglicher Anfang: «Die grosse Chance dabei ist . . .»

– Grüner Hut: Grün steht für Fruchtbar-keit, Wachstum und Kreativität; neue, «fruchtbare» Ideen, Utopien und Schöp-ferkraft über das Bestehende hinaus stehen im Vordergrund. Wer die grüne Sicht einnimmt, provoziert und wider-spricht, äussert verrückte oder unwahr-scheinliche Einfälle, um die Sache voranzubringen. Satzanfang: «Was wäre, wenn . . .»

Sechs Denk-HüteEmpfohlen von Ursula Kindler,Stabsstelle Rektorat

IDEEN ZÜNDEN 69

– Blauer Hut: Blau sind das Meer und der Himmel, zwei umfassende, ganzheitli-che Erscheinungen; die Farbe steht für Ruhe, Klarheit und Ordnung. Wer den blauen Hut trägt, behält den Überblick, vertritt eine zusammenfassende Denk-weise und führt die Ergebnisse aus einer Metaposition zusammen. Mögli-che Wortmeldungen: «Fassen wir zusammen . . .», «Ich halte fest, dass . . .»

In einer Gruppe werden die Hüte verteilt oder ausgelost. Während einer festgeleg-ten Zeit nimmt jeder Sprechende die Per-spektive ein, dessen Farbe er vertritt. Es sind mehrere Runden möglich, so lange, bis alle jede Optik auf das Problem einge-nommen haben. Die Ergebnisse werden protokolliert. Einzelpersonen können versuchen, das Problem schreibend in mehreren Anläufen von allen sechs Sei-ten zu beleuchten und anschliessend eine mögliche Lösung zu destillieren.

WAS BRINGTSDie Methode bringt Farbe ins Denken, regt an und macht öde Teamsitzungen kunterbunt. Wenn die Fragestellung vor-her klar definiert ist, liefern die sechs Hüte das Zeug dazu, (rollen-)spielerisch völlig neue Sichtweisen und Lösungsan-sätze zutage zu fördern. Je nach verwen-deten Hüten (Papierhüte, Mützen usw.) ist sie auch ein Statement wider den allzu verbreiteten biederen Ernst, der ja bekanntlich Kreativität nicht gerade för-dert.

WOFÜR GEEIGNETDie sechs Denk-Hüte lassen sich in prak-tisch allen Phasen des Problemlösungs-prozesses einsetzen:

– Umfassende Problemanalyse – Entwicklung von Lösungen – Bewertung und Entscheidung – Aktionsplanung

Die Methode hilft auch eine lösungs-orientierte Diskussionskultur einzuüben.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURDie 6 Denk-Hüte-Technik hat Edward de Bono 1986 vorgestellt. De Bono ist ein britischer Mediziner, Psychologe und Schriftsteller. Er hat eine eigentliche Schule fürs Entwickeln der Fertigkeiten des Denkens entwickelt und wurde zum EU-Botschafter fürs Denken ernannt.

Edward de Bono: Six Thinking Hats. n

70 EB NAVI #6

WAS IST DASTristan Tzara hat in Sieben Dada Mani-feste eine Anleitung aufgeschrieben, wie man ein dadaistisches Gedicht verfasst.«Nehmt eine Zeitung. Nehmt Scheren. Wählt in dieser Zeitung einen Artikel von der Länge aus, die Ihr Eurem Gedicht zu geben beabsichtigt. Schneidet den Arti-kel aus. Schneidet dann sorgfältig jedes Wort dieses Artikels aus und gebt sie in eine Tüte. Schüttelt leicht. Nehmt dann einen Schnipsel nach dem anderen heraus. Schreibt gewissenhaft ab in der Reihen-folge, in der sie aus der Tüte gekommen sind. Das Gedicht wird Euch ähneln. Und damit seid Ihr ein unendlich origineller Schriftsteller mit einer charmanten, wenn auch von den Leuten unverstandenen Sen-sibilität.»

ANWENDUNGSBEISPIELWetterprognose vom 20. November 2015

WOFÜR GEEIGNETUm ein unendlich origineller Schrift-steller zu werden mit einer charmanten, wenn auch von den Leuten unverstande-nen Sensibilität.

HERKUNFT / WEITERFÜHRENDE LITERATURTristan Tzara (1896–1963) gehörte zu den Mitbegründern des Dadaismus und war ein paar Jahre im Cabaret Vol-taire aktiv. Aus seiner Feder stammen die Sieben Dada Manifeste, Edition Nautilus, 1998 n

Dadaistischer Gedicht-GeneratorEmpfohlen von Fritz Keller,Kursleiter Kreatives Schreiben

IDEEN ZÜNDEN 71

Schreibwerkstatt Deutsch als Zweitsprache B2/C1 Zeitmanagement und Arbeitsorganisation mit Outlook Atelier «Web entwickeln mit Open Source» Fit in Grammatik und Stil: Knack-nüsse Selbst bewusst «Nein» sagen – ein Kurs für Frauen Schreiben zur Selbsterkenntnis SVEB-Zertifi kate Mehr Zeit – mit Zeitmanagement Digitale Fotografi e: Einstieg Modul-Bildungsgang: Praxisausbilder/in (SVEB FA-M1) Glückskompetenz in Alltag und Beruf Coaching für Führungs-

fachleute Zürcher Ressourcen modell ZRM English Conversation B2 Berufl iche Neuorientierung – wie und wohin? OneNote – die Online-Zettelwirtschaft

Das MAG sozialkompetent führen Italienisch A2 Probleme sind zum Lösen da Englisch A1 InDesign komplett Bildungsgang «Management in Nonprofi t-Organisationen» Rückenyoga Tastaturschreiben im 10-Finger-System Drehbuchschreiben: Grund lagen Schlagfertig und spon-tan reagieren Endlich Ordnung am Arbeitsplatz Bildungsgang «Texter/in mit eidg. Fach ausweis» Stimmtraining Allgemein bildung im Validierungs verfahren Deutsch B2 Intensiv Google Business Apps erfolgreich nutzen Deutsch für Spitalberufe A2/B1 Gesunde Ernährung im Berufsalltag Certifi cate in Advanced English (CAE) C1 Erfolgreiches Stress-Management SQL Server Admi-nistration: Einführung Werkstatt: Schreiben zwischen Leben und Fiktion Erfolgreich verhan-deln Basiskurs für Berufsbildner/innen (kaufmännische Berufe) Video-Schnitt: Final Cut Pro X Entscheidungen treffen Konfl iktmanagement im Beruf Mit E-Portfolio potenzielle Arbeitgeber überzeugen English Conversation for Lawyers C1 Attraktiv und verständlich schreiben Sicher-heit auf dem öffentlichen Parkett (für Frauen) Pfi ffi ge Formulare mit Excel Video: Kamera und Film sprache Mentaltraining in Beruf und Alltag Social Media: Face-book, Twitter & Co. Wortschatzkiste Deutsch B2/C1 Öffentlichkeitsarbeit für NPO und Kultur Illustrator: Grundlagen Online-Marketing und digitale Werbung

55 auserlesene Angebote für Weiterbildung

PQ

Schreibwerkstatt Deutsch als Zweitsprache B2/C1 Zeitmanagement und Arbeitsorganisation mit Outlook Atelier «Web entwickeln mit Open Source» Fit in Grammatik und Stil: Knack-nüsse Selbst bewusst «Nein» sagen – ein Kurs für Frauen Schreiben zur Selbsterkenntnis SVEB-Zertifi kate Mehr Zeit – mit Zeitmanagement Digitale Fotografi e: Einstieg Modul-Bildungsgang: Praxisausbilder/in (SVEB FA-M1) Glückskompetenz in Alltag und Beruf Coaching für Führungs-

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55 auserlesene Angebote für Weiterbildung

PQ

74 EB NAVI #6

IDEEN ZÜNDEN

7-Punkte-Schrei-ben

– Ideen, Gedanken in Gang setzen – Vorbewusstes hervorholen – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Perspektivenwechsel – Originalität – Staunen und spielen

B I L D – Assoziieren – Flow, Intuition – Narratives Denken aktivieren – Überwindung von Schreib- und Denkblockaden

– Sprache(n) einüben

3 1 58

Bisoziation mit Bildern

– Erfindung / Innovation – Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen – Perspektivenwechsel – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Lösungen suchen, fühlen, finden

B I L D – Service-Design – Bildhaftes Assoziieren und Denken aktivieren

– Inspiration – Lösungsansätze aus anderen Themenfeldern generieren

– Kontext-Denken – Ideensammlung – Distanz schaffen – Teamwork

3 2 52

Brainstorming reloaded

– Erfindung / Innovation – Ideen generieren, sammeln – Perspektivenwechsel – Lösungen suchen, fühlen, finden – Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen

B I L D – Ideensammlung – Freies Assoziieren – Fantasie, Flow – Priorisieren, Hierarchisieren der Ideen

– Teamwork – Konsensfindung

4 2 57

26 Kreativitätstechniken im Überblick Kreativität ist heute überall gefragt, in allen Feldern und Branchen, auf allen Stufen. Drum haben wir die Kursleiterinnen und Kursleiter aus allen Themenberei-chen gebeten, jene Kreativitätstechnik zu verraten, welche sie selbst in Alltag und Beruf gewinnbringend einsetzen.

Zusammengekommen sind 26 Techniken, die Sie auf den Seiten 26 bis 71 beschrieben finden. Auch haben wir nach dem konkreten Nutzen, nach Anwendungsmöglichkeiten und der Eignung der Technik im Kreativitätsprozess gefragt.

Sie können diese Techniken für Ihre eigene Arbeit oder für die Freizeit ausprobieren, nutzen, abändern, erweitern, miteinan-der kombinieren usw. Wann und wofür Sie welche Technik und mit welchem Aufwand einsetzen können, zeigt Ihnen die folgende Übersicht.

Technik

Funktio

nen 1

Phasen im

Kreativ

-

Anwendungs-

Nutzen 3

Aufwand 4

Seitemöglic

hkeiten

proze

ss 2

1 siehe Seite 25 2 Beschreibung, Informationsanordnung, Lösung, Darstellung (siehe Seite 24) 3 im Hinblick auf konkrete Problemlösung (1–5); 1 = wenig, 5 = viel 4 für Vorbereitung, Durchführung, Zeitdauer (1–5); 1 = wenig, 5 = viel

IDEEN ZÜNDEN 75

Aufwand 4

Seite

Clustering – Ideen in Gang setzen – Vorbewusstes hervorholen – Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Ideen ordnen / Muster erkennen – Lösungsansätzen Gestalt geben

B I L D – Thema / Problemstellung auf-fächern / vertiefen

– Erfahrungsschatz nutzen – Freies Assoziieren – Fokussieren – Intuition fördern – Hemmschwellen überbrücken – Optische Darstellung

3 1 66

Dadaistischer Gedicht-Generator

– Innovation – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen – Perspektivenwechsel

B I LD – Zufall nutzen, Intuition – Infragestellen von Bekanntem – Neuordnung der Dinge – Auflockerung, Flow – Spass

2 1 70

Écriture automa-tique

– Ideen in Gang setzen – Vorbewusstes hervorholen – Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Lösungen finden – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

B I L D – Assoziieren – Anknüpfen an Erfahrungsschatz – Überwindung von Schreib- und Denkblockaden

– Selbstreflexion – Flow, Intuition – Sprache(n) einüben

3 1 26

Gruppenpuzzle – Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Ideen ordnen / Muster erkennen – Ideen weiterentwickeln, optimieren

B I L D – Problemanalyse – Aufgliederung von Fragestellun-gen in Unterfragen

– Rollenspiele – Kooperation / Diskussion – Teamwork – Gezielte Problemlösung

3 3 60

Hierarchisches Mind-Map

– Ideen ordnen / Muster erkennen – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Konzepte erarbeiten

B I L D – Vortragsvorbereitung – Auswendiglernen – Optische Darstellung von Lösungen – Assoziieren und Selektieren – Priorisieren von Informationen / Lösungen

– Reihenfolgen festlegen

4 2 46

Kano-Modell – Erfindung / Innovation – Probleme beschreiben – Ideen ordnen – Lösungen finden – Perspektivenwechsel

B I L D – Produkt-/Dienstleistungsdesign – Kundenbedürfnisse abklären – Schwachstellen evaluieren – Teamwork / Inderdisziplinarität – Grafische Darstellung

4 5 62

Technik

Funktio

nen

Phasen im

Kreativ

-

Anwendungs-

Nutzen

Aufwand

Seitemöglic

hkeiten

proze

ss

76 EB NAVI #6

56

Kollektives Notiz-buch (Brainwriting)

– Erfindung / Innovation – Ideen sammeln – Dinge verknüpfen – Konzepte erarbeiten – Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen

B I L D – Gezielte Problemlösung – Organisationsentwicklung – Produkt-/ Prozessoptimierung – Teamwork

4 4 44

Kompostieren – Erfindung / Innovation – Ideen sammeln – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Ideen Gestalt geben – Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen

B I L D – Kreative Gärprozesse – Modebranche – Kreativindustrie – Innovation / Trendsetting – Zukunftsplanung

4 5 31

Kopfstandtechnik – Perspektivenwechsel – Originalität: neue Wege beschreiten – Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Staunen und spielen – Lösungen finden

B I L D – Innovation – Produkt-, Service-Design – Denkblockaden auflösen – Horizonterweiterung – Konkrete Lösungen durch Umkehr-schluss entwickeln

4 1 37

Kreative Pause – Perspektivenwechsel – Vorbewusstes hervorholen – Neue Wege beschreiten – Staunen und spielen – Lösungen finden

B I L D – Reflexionspause – Geistige Erholung – Loslassen – Durchbruch vorbereiten – Blockaden-Abbau

3 1 50

Kritikasterei und Polemik

– Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Originalität: neue Wege beschreiten – Perspektivenwechsel – Staunen und spielen – Erfindung / Innovation

B I L D – Kritisch hinterfragen – Kreative Energie und Ideen aus Widerspruch gewinnen

– Ausschlussverfahren: suboptimale Lösungen ausschliessen

– Aus Fehlern lernen – Denken schärfen – Qualitätsmassstäbe und Haltung einüben

3 2 64

Methode 635 – Erfindung / Innovation – Ideen sammeln – Dinge verknüpfen – Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen

B I L D – Ideenfindung – Unternehmensentwicklung – Werbung, Marketing – Prozessoptimierung – Teamwork

4 1 40

Mit sich selber ver-netzt via OneNote

– Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Ideen sammeln, ordnen – Gestalten / Ideen Gestalt geben / Ausdruck verleihen

B I L D – Informationen kombinieren – Vernetzung – Ideen festhalten – Zugriff auf Ideen sichern – Teamwork

2 3 56

Technik

Funktio

nen

Phasen im

Kreativ

-

Anwendungs-

Nutzen

Aufwand

Seitemöglic

hkeiten

proze

ss

IDEEN ZÜNDEN 77

Aufwand

Seite

NeuroTricks – Ideen sammeln – Dinge verknüpfen – Vorbewusstes hervorholen – Ideen ordnen / Muster erkennen – Ideen Gestalt geben

B I L D – Vorbereitung unter Zeitdruck – Freies Assoziieren – Informationen ordnen, hierarchisieren – Schematische Darstellung – Zeitmanagement – Teamwork

4 3 28

Notausgänge aus der Routine

– Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Vorbewusstes hervorholen – Perspektivenwechsel

B I L D – Routinebrechen – Inspiration, Anregung – Kreativflaute beenden – Reflexion – Horizonterweiterung

3 2 48

Osborn-Checkliste – Erfindung / Innovation – Ideen sammeln, ordnen, gestalten – Originalität – Lösungen suchen – Perspektivenwechsel

B I L D – Produkt-/Dienstleistungsdesign – Innovation – Optimieren von Prozessen und Produkten

– Teamwork

3 4 32

Schreiben oder gar nichts

– Ideen, Gedanken in Gang setzen – Ideen Gestalt geben / Ausdruck verleihen

– Vorbewusstes hervorholen – Lösungen erarbeiten

B I L D – Erste Fassungen erarbeiten – Längere Schreibprojekte – Disziplin – Motivation – Durchhaltevermögen – Dranbleiben

3 4 61

Sechs Denk-Hüte – Erfindung / Innovation – Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Ideen sammeln – Ideen Gestalt geben / Ausdruck verleihen

– Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen – Perspektivenwechsel – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Lösungen suchen, fühlen, finden – Perspektivenwechsel

B I L D – Design, Entwicklung, Kreativ-branche

– Verschiedene Denkarten problem-bezogen nutzen

– Emotionen einfliessen lassen – Rollenspiel – Teamwork, lösungsorientierte Diskussionskultur

– Bunte Visionen kreieren

5 3 68

Skizzieren unter-wegs

– Gestalten / Ideen Gestalt geben / Ausdruck verleihen

– Erfindung / Innovation – Ideen sammeln – Originalität: neue Wege beschreiten – Vorbewusstes hervorholen – Konzepte erarbeiten

B I L D – Bilderwelten – Gestalterische Entwicklung – Gestaltung, Werbung – Lernen, memorieren – Ideen entwickeln, festhalten

5 2 42

Technik

Funktio

nen

Phasen im

Kreativ

-

Anwendungs-

Nutzen

Aufwand

Seitemöglic

hkeiten

proze

ss

78 EB NAVI #6

Spazierend Lösun-gen erlaufen

– Ideen, Gedanken in Gang setzen – Neue Wege beschreiten – Vorbewusstes hervorholen – Lösungen suchen, fühlen, finden – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Perspektivenwechsel

B I L D – Entscheidungs- und Klärungspro-zesse

– Lösungsvarianten abwägen, entscheiden

– Selbstreflexion – Lernen – Sich von Lösungen überraschen lassen

3 1 39

Wahrnehmen – Assoziieren – Fragen

– Probleme und Lösungen wahr-nehmen, beschreiben, befragen

– Vorbewusstes hervorholen – Gestalt verändern

B I L D – Design und Gestaltung – Wertfreies Ausloten des Problemfelds

– Reflexionspause – Abstand gewinnen – Weiterentwicklung von Lösungs-ansätzen

– Denkmuster aufbrechen

3 2 36

Walt-Disney- Technik

– Erfindung / Innovation – Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Ideen sammeln – Ideen Gestalt geben / Ausdruck verleihen

– Originalität: neue Wege beschreiten – Staunen und spielen – Perspektivenwechsel – Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Lösungen suchen, fühlen, finden – Perspektivenwechsel

B I L D – Design, Entwicklung, Kreativ-branche

– Verschiedene Denkarten problem-bezogen nutzen

– Emotionen einfliessen lassen – Rollenspiel – Teamwork – Visionen kreieren

5 2 34

Worldcafé – Probleme erkennen, wahrnehmen, beschreiben

– Dinge verknüpfen / Zusammenhänge schaffen

– Ideen ordnen / Muster erkennen – Ideen weiterentwickeln, optimieren – Lösungen suchen – Konzepte erarbeiten – Perspektivenwechsel

B I L D – Grossgruppenarbeit – Problemanalyse – Lösungssammlung – Konsensfindung – Optische Darstellung von Lösungsansätzen

3 4 54

Technik

Funktio

nen

Phasen im

Kreativ

-

Anwendungs-

Nutzen

Aufwand

Seitemöglic

hkeiten

proze

ss

IDEEN ZÜNDEN 79

VORSCHAU

Quaibrücke

Bahnhofstrasse

Klosbachstra

sse

Forchstrasse

Asylstrasse

Theaterstrasse

rasse

Steinwiesstr.

Münsterbr.

Rathausbr.

Rämist

rasse

matquai

Zeltweg

Kant

onss

chu

Dolderstr.

Bhf. Stadelhofen

Kunsthaus

Minervastrasse

Höschgasse

Dufourstrasse M

ühlebachstassse.

Zollikerstrasse

Fröhlich

strass

e

Feldeggstr.

Riesbachstrasse

Bellerivestrasse

Utoquai

Pfauen KunsthausTram 3, 5, 8, 9,Bus 31

Kreuzplatz Klusplatz

Quaibrücke

Seefeldstrasse

Kreuzstrasse

Paradeplatz

Bellevue

PZürichsee

1511

24

2

4

11

58

915

24

33

Bus 33 bis Höschgasse

Tram 2/4 bis Feldeggstrasse

EB ZürichKantonale Berufsschule für WeiterbildungBildungszentrum für Erwachsene BiZERiesbachstrasse 118008 Zürich

So erreichen Sie unsTram Nummer 2/4 bis FeldeggstrasseBus 33 bis Höschgasse

So kontaktieren Sie [email protected] 0842 843 844

So finden Sie uns im Netzwww.eb-zuerich.chwww.facebook.com/EBZuerichwww.plus.google.com/+ebzürichwww.twitter.com/ebzuerich

EB Zürich Wege zur WeiterbildungDie EB Zürich ist die grösste Weiterbildungsinstitution

der Schweiz, die von der öffentlichen Hand getragen wird.

Ein Klick auf die Maus, ein Blick aufs Smartphone, ein Stick im Computer: Daten, Daten, Daten. Wir geben sie preis, bewusst oder unbewusst, sie flie-ssen ein ins grosse Datenmeer und fül-len dieses jeden Tag weiter an. Schät-zungen gehen dahin, dass sich in der Zeitspanne von 2010 bis 2020 das Datenvolumen weltweit rund um den Faktor 40 vergrössern wird. Wird uns das das Leben vereinfachen? Werden wir weniger Angst vor Krankheiten haben müssen, weil alles berechenba-rer wird? Aber bleibt uns dann noch eine Privatsphäre?

EB Navi 7 greift einige dieser Fragen auf und sorgt so für Orientierung bei der Überfahrt im Datenmeer.

© S

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Aufwand

Seite

Deutsche Sprache und Text

FremdsprachenInformatik / Publishing

WeiterbildungDigitale MedienManagementSoftwareentwicklungKommunikationDeutsch als ZweitspracheSelbstorganisationBerufs-/Erwachsenenbildung

Kantonale Berufsschule für Weiterbildung wRiesbachstrasse 11, 8008 ZürichTelefon 0842 843 844, www.eb-zuerich.ch