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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich 1/19 blog.phzh.ch/akzente Forschung und Schule – Wissenschaft verstehen lernen Seite 10 Interview: Lehrmittelautorin Monika Reuschenbach von der PH Zürich über zeitgemässen Geografieunterricht Seite 30 Serie: Besuch im Unterricht einer Berufseinsteigerin auf der Primarstufe Seite 32

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AkzenteDas Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich

1/ 19

blog.phzh.ch/akzente

Forschung und Schule – Wissenschaft verstehen lernen

Seite 10

Interview: Lehrmittelautorin Monika Reuschenbach von der PH Zürich über zeitgemässen Geografieunterricht

Seite 30 Serie: Besuch im Unterricht einer Berufseinsteigerin auf der Primarstufe

Seite 32

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 3

So lernen wir.

Arbeiten an der FES? In einem Klima der Wärme leistungsorientiert arbeiten, lehren und lernen: Möchten Sie Ihre Ideen einbringen und Ihre Schülerinnen und Schüler beim selbstverantwortlichen Lernen unterstützen?Bewerben Sie sich spontan oder auf unsere Ausschreibungen: www.fesz.ch/offene-stellenWir freuen uns darauf, Sie kennen zu lernen. Freie Evangelische SchuleWaldmannstrasse 9, 8024 Zürichwww.fesz.ch, Telefon 043 268 84 84Kontakt: [email protected]

Inhaltsverzeichnis/Editorial

Kafi , Gipfeli

Zmit tag

www . h i r s c h l i . n e t

Ohne Forschung keine Schule. Diese einfache Formel mag auf den ersten Blick etwas platt wirken, sie hat jedoch durchaus ihre Gültigkeit. So grün- den letztlich jede Unter- richtslektion und jedes Lehrmittel auf Wissen, das aus Forschungen stammt. Dieser Erkenntnis kommt die PH Zürich auch in ihrem Ausbildungs-konzept nach: Um den angehenden Lehrperso-nen ein Verständnis für die Wissensproduktion zu vermitteln, füh- ren sämtliche Studen-tinnen und Studenten im Verlauf ihres Studiums ein eigenes Forschungs-projekt durch. Dabei geht es insbesondere darum, ein strukturier-tes Vorgehen zum Er-kenntnisgewinn zu erar- beiten und einen experi-mentierfreudigen Zugang zur Realität zu entwi-ckeln. Beides benötigen Lehrpersonen zur Ent- wicklung des eigenen Unterrichts. Was dies konkret bedeutet, zeigt der Artikel ab Seite 10 zum Thema «Forschung und Schule». Wie auch Schülerin-nen und Schüler ein Zu- gang zu Fragen aus der Forschung ermöglicht werden kann, beschreibt die Reportage aus dem Zürcher Schulhaus Letzi. Student Philippe Minet führt dort im Rahmen seiner Masterarbeit mit einer Klasse Experi-mente in Natur und Tech- nik durch. Dabei zeigt sich, dass die Schüle-rinnen und Schüler be- reits nach einer Lek- tion einen wichtigen Forschungsgrundsatz verinnerlicht haben. Welcher das ist: ab Seite 19 in diesem Heft.– Christoph Hotz

Inhalt 1/2019

4 Vermischtes Gesundheitsförderung in der

Schule

7 Eine Frage, drei Antworten

Wie arbeiten Sie mit Eltern zusammen?

9 Seitenblick Alles Kinderkram?

10 Schwerpunkt Forschung und Schule

Leitartikel: Forschung als Basis für guten Unterricht

Service: Forschung für die Schule – Projekte der PH Zürich

Interview: Bruno S. Frey, Glücksforscher

Reportage: Eine Zürcher Klasse schlüpft in die Rolle von Wissenschaftlern

24 Studierendenseite Porträt, Bachelorarbeit, Kolumne

27 PH Zürich Weiterbildung: Wie sich die

Arbeitswelt 4.0 auf die Schule auswirkt

Weiterbildung: Kinder mit komplexen Behinderungen unterstützen

Ausbildung: «Damit kann man Unterricht machen, der begeistert»

Weiterbildung: «Schulinterne Weiterbildungen sind beliebt»

32 Serie «Mein Berufseinstieg» «Das Schulteam ist meine

Familie»

34 Medientipps

37 Querdenker Mein erstes Mal unterrichten

38 Instagram #takeover

38 Impressum

Verstehen, wie Wissen entsteht

Inserate

Titelbild: Forschung im Schulhaus Letzi, Foto: Nelly Rodriguez

32 Berufseinstieg: Im Unterricht von Zuzana Langenegger.

24 Porträt: Student Lorenz Vogel unterrichtet Flüchtlinge.

10 Forschung: Studierende führen ein eigenes Projekt durch.

Ich nutze die neuen

Materialien von

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für die

Elternarbeit.

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Vermischtes

A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9

Vermischtes

4 5

Gesundheitsförderung in der Schule

Wie hängen Gesundheit und Bildung zu-sammen? Am Auftaktanlass der PHZH-Reihe «Motiviert und gestärkt in der Schule» von Mitte Januar zeigten Forscher Roger Keller und Leh-rerin Pia Kuster Antworten auf. «Ich denke, wir sind uns einig, dass wir etwas für die Gesundheit tun müssen. Aber vermutlich ist unklar, was wir darunter genau verstehen», leitete Roger Keller, Leiter des Zentrums Inklusion und Gesundheit in der Schule an der PH Zürich, seine Ausfüh-rungen ein. In der Folge ging er vertiefter auf den Gesundheitsbegriff ein und stellte verschie-dene Definitionen vor – etwa Gesundheit als Freisein von Krankheit und Störungen. «Men-schen verstehen sehr unterschiedliche Dinge un-ter Gesundheit und ich kann Ihnen keine ab-schliessende Empfehlung geben, wie Gesundheit aufgefasst werden soll. Sie sollten sich jedoch über Ihre subjektiven Vorstellungen bewusst sein, da dies Ihren Umgang mit dem Thema Gesundheit wesentlich beeinflusst», gab er zu bedenken.

Anschliessend präsentierte der Forscher wissenschaftliche Erkenntnisse, wie die Gesund-heit, das Wohlbefinden, die Leistungsmotivation und der Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler mit dem Schulklima, Merkmalen des Unterrichts und der Gesundheit der Lehrperso-nen und Schulleitungen zusammenhängen. Be-legt ist beispielsweise, dass ein transformationa-ler Führungsstil, das heisst, gemeinsame Ziele,

echte Partizipation und individuelle Unter-stützung der Mitarbeitenden, zu höherer Ar-beitszufriedenheit, besserem Wohlbefinden und weniger Burnout führt.

Nachfolgend stellte Pia Kuster, Kon-taktlehrerin für Gesundheitsförderung und Prävention an der Sekundarschule Nauen in Dürnten, Praxisbeispiele für Gesundheitsför-derung in der Schule vor. Dazu zeigte sie ein Video, in dem Schülerinnen und Schüler ge-fragt wurden, woran sie eine gesunde Lehr-person erkennen. «In den Antworten gehen Kinder häufig auf den Beziehungsaspekt ein, indem sie beispielsweise sagen, dass eine ge-sunde Lehrperson motiviert und fröhlich un-terrichtet, von sich erzählt oder Geduld mit den Schülern und Schülerinnen hat», fasste Pia Kuster ihre Erkenntnisse zusammen. Be-ziehungskompetenzen sind auch der Schwer-punkt des laufenden Projekts zur Gesund-heitsförderung an der Sekundarschule Nau- en. «Die Ziele des Projekts sind Bestandteil der Jahresplanung und des Schulprogramms. Diese Verbindlichkeit ist für das Gelingen des Projekts zentral.» – Olivia Rigoni

Informationen zur Themenreihe «Moti-viert und gestärkt in der Schule»: tiny.phzh.ch/gesundheitsfoerderung

Kommende Ver-anstaltungen

21. MärzPodium Pestalozzi-anumWie geht die Schule mit der Digitali-sierung um? Diese Frage steht im Zentrum der Dis- kussion.

9./10. MaiTagung zu Partizi-pationAn der Veranstal-tung erhalten die Teilnehmenden im Rahmen von Refera-ten und weiteren Gefässen Einblick in die vielfältigen Formen von Partizi-pation.

24.MaiSymposium Perso-nalmanagementDer Anlass steht ganz im Zeichen der Profilierung und Entwicklung der eigenen Schule.

Weitere Infos: phzh.ch/veranstal-tungen F

oto: Olivia Rigoni

Fotos: Christoph Hotz

Forscher Roger Keller von der PH Zürich erläutert den Zusammenhang zwischen Gesund-heit und Schule.

Aktuelles

Schulpflegen zu BesuchZum Beginn der neuen Amtsperio-de der Zürcher Schulpflegen hat die PH Zürich Ende November die neu gewählten Behördenmitglieder so- wie die Schulpräsidentinnen und -präsidenten zu einem Begrüssungs-anlass eingeladen. Auf dem Pro- gramm standen Inputs zu zentralen Themen der Hochschule.

Schulwandbilder im Geschichts-unterrichtIm Rahmen eines Ausbildungsmo-duls im Bereich Geschichte haben Studierende Schulwandbilder aus den Jahren 1935 bis 1995 unter- sucht. Die daraus entstandenen Projekte wurden in einer Ausstel-lung gezeigt.

Projekt zu Augmented RealityEin neues Forschungsprojekt der PH Zürich beschäftigt sich mit dem Einsatz von Augmented Reality in der Lehrerbildung. Darunter wird die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung durch Einblendung von zusätzlichen Informationen bezeichnet. Die Technologie kann auch für das Lehren und Lernen genutzt werden.

Berufseinsteigende an der PHZH 300 Berufseinsteigende haben im

Die Abgeordneten kamen auch mit Studierenden der PH Zürich ins Gespräch.

Schulwandbilder waren bis in die 1980er Jahre in den Klassenzimmern weit verbreitet.

Januar eine dreiwöchige Weiterbil-dung an der PH Zürich absolviert. Die Teilnehmenden konnten aus rund 100 Angeboten auswählen.

Tanz und Podium zu antiautoritä-rer ErziehungAn einer Veranstaltung der PH Zürich und des Landes museums wurde im November mit einer Tanzvorführung und einem Podi- um der antiautoritären Erziehung nachgespürt. Rund 50 Studierende waren daran beteiligt.

Besuch von US-DelegationIm Rahmen einer Tour durch die Schweiz besuchten 14 US-Kongress- abgeordnete die PH Zürich. Im Zentrum stand das Thema Berufs- wahlorientierung.

In einem der Workshops lernten die Lehrpersonen, Erklärvideos für den Unterricht zu produzieren.

PHZH in Zahlen

Anzahl Ausleihen in der Bibliothek der PH Zürich im 2018

E-Books

195'071

Bücher

96'257

DVDs

3'894

CDs

2'431

Medienpakete (z.B. Buch plus Kartenset)

1'584

CD-ROM

1'419

Zeitschriften

967

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Meinungen

Inserate

Eine Frage, drei Antworten: Wie arbeiten Sie mit Eltern zusammen?

Vor der Zusammenarbeit mit den Eltern hatte ich zu Beginn meiner Arbeit als Lehrerin grossen Respekt, doch heute bin ich von der Wichtigkeit eines guten Zusammen-spiels überzeugt. Anfangs Oberstufe führe ich jeweils mit allen Eltern und Kindern ein Gespräch durch. Dabei lege ich besonderen Wert darauf, dass die Eltern spüren, dass ich ihrem Kind gegenüber wohlwol-lend eingestellt bin. Ist erst einmal eine positive Basis geschaffen, ist es einfacher, auch in schwierigeren Situationen gut zusammenzuarbei-ten. Elterliche Kritik nehme ich ernst und versuche, hinter die Fassa-de zu blicken. Oft stecken Ängste dahinter, die es zu klären gilt. Ich habe immer gute Erfahrungen damit gemacht, den Eltern gegen- über transparent zu sein. Neben persönlichen Auskünften haben sie jederzeit die Möglichkeit, Noten online einzusehen. Dabei bin ich darauf bedacht, auch Positives festzuhalten. Reklamationen von Eltern kommen oft dann, wenn sie negative Überraschungen erleben. Werden sie auf dem Laufenden gehalten, passiert dies kaum. Darüber hinaus finde ich es schön, zwischendurch Begegnungen zu schaffen, die nichts mit der Beur-

teilung zu tun haben. So lade ich Eltern etwa gerne ein, um die Arbeiten aus einer Themenwoche zu begutachten und gemütlich beisammenzusitzen.

Eines scheint uns allen klar zu sein: Gelingt es uns, eine wertschätzende und offene Zusammenarbeit mit den Eltern zu erarbeiten, so spüren das die Kin- der. Dies wiederum wirkt sich positiv auf das Lernen und das Klima im Schulzimmer aus. Wir führen ein kleines Heftchen – El-ternkontaktheft genannt –, in das die Eltern oder wir jederzeit schreiben können, wenn etwas ansteht. Gespräche zwischen Tür und Angel führen wir nur kurz, wenn es dringend ist. Wir möchten uns Zeit nehmen und vereinba- ren lieber Gesprächstermine. Of- fene Kommunikation, ehrlicher Austausch und immer wieder Informationen scheinen uns selbstverständlich – so entstehen Vertrauen und Wohlwollen. Wir möchten doch alle das Beste für unsere Kinder, also: Bleiben wir dran! Und wir Erwachsenen sind die Vorbilder der jungen Generati-on, umso wichtiger ist es vorzule-

Johanna Heide-Liebetrau, Unterstufenlehrerin, Henggart

Sabrina Hottinger, Oberstufen-lehrerin, Hinwil

ben, was wesentlich ist: ein respektvoller, achtsamer, freund- licher Umgang miteinander.

Die Elternzusammenar-beit hat macht- und kraftvolles Potenzial. Auf unkomplizierte Wei-se kann die Schule mit den Er- ziehungsberechtigten wesentliche Entscheide fällen zugunsten der Kinder. Da wichtige Aspekte für den Lernerfolg ausserhalb des schulischen Umfeldes liegen, lohnt sich ein vertrauensvoller Bezie-hungsaufbau zu den Eltern doppelt. Schon beim Kindergarteneintritt wird der Grundstein für eine Ko-operation auf Augenhöhe gelegt. Die Eltern also nicht möglichst rasch aus dem Zimmer scheuchen, sondern involvieren und sich der Chance des Vertrauensaufbaus bewusst sein – insbesondere im interkulturellen Kontext. Freundliche Gesten und eine echte Willkommenskultur wirken im Umgang mit Eltern Wunder. Der Einbezug in Projekte und den Unterricht unterstützt ein unbeschwertes Grundklima. So können auch Konflikte lösungsori-entiert und mit gemeinsamer Ver- antwortungsübernahme angegan-gen werden.

Roger Spiess, Schulleiter, Winterthur

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Karin Zopfi Bernasconi – Seitenblick

Alles Kinderkram?

Seitenblick

Inserate

Erdwissenschaftliches Forschungs- undInformationszentrum der ETH Zürich

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Illustration: Elisabeth Moch

Eigentlich hängt der Haus- segen schief. Der Küchenboden ist mit einer Staubschicht übersät, die einiges an Arbeit verspricht und em- pathische Gefühle für Sisyphus auf- kommen lässt. Einzig das Kind lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Es kauert auf dem Boden und hämmert die einzelnen, in Gips eingeschlosse-nen Teile des Dinosaurierskeletts frei. Die konzentrierte Stimmung besänf- tigt schnell. Minuten später sitzen bei- de auf dem Boden, unterhalten sich über die nächsten Hammerschläge und freuen sich über die bereits frei gelegten Langknochen. Schon bald wird die Riesenechse stehen; die jurassische Küchenlandschaft ärgert nun niemanden mehr.

Unschwer lässt sich erken-nen, dass die Aufmerksamkeit des Kindes und das gemeinsame Tun die Perspektive des Erwachsenen verändert haben. Wäre die Einord- nung dieser Situation nur auf kog- nitiver Ebene erfolgt, hätte die Reaktion vermutlich anders aus- gesehen. Das Ganze ist aber auch ein Lehrstück für Didaktik und Pädagogik.

Dass selbstgemachte Erfah- rungen nicht nur beim impliziten Lernen, sondern auch für explizite, schulische Lernprozesse eine wich-

tige Grundlage bilden, ist eine Binsenwahrheit. Sie lässt sich in di- daktischen Evergreens wiederfin-den, beispielsweise im sogenannten EIS-Prinzip des amerikanischen Psychologen Jerome Bruner. Im Sinne des nachhaltigen Lernens sollten im Unterricht demnach alle drei Repräsentationsformen berück- sichtigt werden – die enaktive Ebene der konkreten oder vorgestellten Handlungen, die ikonischen Dar- stellungen verstanden als bildliche Formen und die symbolischen Repräsentationen, die Inhalte durch Zeichen oder Sprache vermitteln. Die eigene Erfahrung und der selbst nachvollzogene Weg der Erkenntnis sind auch beim deutschen Pädago-gen Martin Wagenschein wesent-lich. Nach ihm bleibt Wissen, zu dem es keine Erfahrung gibt, leer. Dem Kind räumt er das Recht auf jede Frage ein – und der Lehrper-son das Recht auf jede Antwort, sofern sie dem Kind etwas aufgehen lässt. Und genau in diesem Punkt liegt unsere Kunst.

Auch der Perspektivenwech-sel stellt in der Didaktisierung von Lerninhalten einen entscheidenden Schritt dar. Es lohnt sich für alle Stoffgebiete und Stufen, gestellte Aufgaben im Voraus selber durch-

zuarbeiten, damit allfällige Hürden erkannt und Hilfestellungen abge- leitet werden können. Zu Recht wird dieser Zugang in der Lehrer-bildung mantramässig wiederholt. Die Beachtung dieses Grundsatzes trägt schnell Früchte, die Ernte wird einzig durch akuten Zeitman-gel bedroht.

Beim Beispiel der jurassi-schen Küchenlandschaft geht es mit dem Verstehen aber noch einen Schritt weiter. Die gemeinsame Erfahrung des Hämmerns und Kratzens hat nicht nur die Perspek- tive verändert, sondern ein echtes Verständnis für die Situation des Kindes ausgelöst. Es bleibt die Frage offen, ob mit diesem Ansatz der gemeinsamen Erfahrung auch in weiteren Zusammenhängen Dialoge und Prozesse anders aus- gestaltet werden könnten. So würde es mich reizen, einmal in der Rolle als Studentin eine Woche an un- serer Institution mitzulaufen. Bestimmt würde sich die eine oder andere Lernlandschaft anders präsentieren. Doch wegen akuten Zeitmangels blieb es bislang bloss beim Gedankenspiel.

Karin Zopfi Bernasconi ist Dozentin für Pädagogische Psychologie an der PH Zürich.

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Erfährt eine Lehrperson von einem Konflikt unter Schülerinnen und Schülern, sollte sie dies zeitnah mit den Beteiligten besprechen.

Schwerpunkt L

aufbahn

Im Rahmen ihrer Ausbildung führen sämtliche Studie-renden der PH Zürich ein eigenes Forschungsprojekt durch. Der experimentelle Zugang zu Wissen und das dabei erforderliche systematische Vorgehen ist von

wesentlicher Bedeutung für die Weiterentwicklung des eigenen Unterrichts. Daneben werden Entwicklungspro-zesse an den Schulen auch durch Studien von Forschen-

den der PH Zürich angestossen.

Text: Melanie Keim, Fotos: Sophie Stieger

Forschung als Basis für guten

Unterricht

Schwerpunkt Forschung u

nd S

chule

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Forschung für die Schule – ausgewählte Projekte der PH Zürich Die PH Zürich arbeitet bei einer Vielzahl ihrer Forschungsprojekte eng mit Schulen zusammen. Dabei werden die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse so aufgear-beitet, dass sie von den Lehrerinnen und Lehrern im Schulalltag genutzt werden können. Ein Überblick über vier ausgewählte Projekte.

Partizipation in der Schule stärkenIn dem Projekt wird untersucht, wie Partizipation von Schüle-rinnen und Schülern in Schulen verstanden und umgesetzt wird. Dabei führte das Forschungsteam in fünf Schulen Befra- gungen sowie Beobachtungen des Schulalltags durch. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler insbe- sondere im ausserunterrichtlichen Bereich mitbestimmen und während des Unterrichts wenig Partizipation stattfindet. Das Forschungsteam fasste die Ergebnisse zuhanden der teilnehmenden Schulen in einem Bericht zusammen und führte mit den Schulteams Workshops durch. Dabei wurden die Re- sultate gemeinsam mit den Schulteams und den Lernenden diskutiert, interpretiert und daraus Massnahmen für die Schul- entwicklung abgeleitet. Zudem erhielten alle Schulen im Kanton Zürich eine Projektzeitung mit den wichtigsten Ergeb- nissen.

Planungshilfen zur Gesundheitsförderung und PräventionIm neuen Lehrplan 21 ist Gesundheit als überfachliches Thema unter der Leitidee «Bildung für Nachhaltige Entwicklung» verankert. Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungspro-jekts haben Dozierende aus Forschung, Aus- und Weiterbil- dung Planungshilfen zur lehrplanbasierten Umsetzung von Themen der Gesundheitsförderung und Prävention im Un- terricht erarbeitet. Dazu führte das Forschungsteam zur best- möglichen Abstimmung der Planungshilfen auf die Bedürf- nisse im Schulfeld schriftliche Befragungen und Interviews mit Lehrpersonen, Schulleitungen und Mitarbeitenden von Fachstellen durch. Die Planungshilfen werden an der PH Zürich in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt und sind für alle auf einer Online-Plattform zugänglich.

Pädagogische Zuständigkeiten an TagesschulenDas Projekt untersucht, wie in Tagesschulen pädagogische Zuständigkeiten zwischen Lehr- und Betreuungspersonen ausgehandelt werden. Dazu führten die Forschenden in vier Schulen, die erst seit kurzem als Tagesschulen geführt werden, Interviews durch. Dabei zeigte sich, dass durch die neuen Formen der Zusammenarbeit unklare Verantwortlichkeiten entstehen. Dabei besinnen sich Lehr- und Betreuungspersonen einerseits auf ihren traditionellen Berufsauftrag und grenzen sich von berufsfremden Tätigkeiten ab. Andererseits nehmen sie in Bezug auf das gemeinsame pädagogische Handeln aber auch Entwicklungsmöglichkeiten wahr. Die teilnehmenden Schulen wurden während des Projekts laufend mit einem Newsletter über den Stand der Forschung sowie über Ergebnis-se und Publikationen informiert und erhielten schulspezifische Rückmeldungen. Weiter fanden gemeinsame Auftritte an Tagungen und Kongressen statt.

Integrative Förderung von Kindern mit Verhal-tensauffälligkeitenDas Unterrichten von Schülerinnen und Schülern mit Verhal- tensauffälligkeiten zählt zu den zentralen Herausforderungen im Alltag von Lehrpersonen. Im Rahmen des Forschungspro-jekts werden gemeinsam mit einer Vielzahl an Schulen schwie- rige Schulsituationen mit auffälligen Kindern anhand wissen-schaftlicher Methoden analysiert. Die Schulen planen anschlies-send zusammen mit den Forschenden der PH Zürich geeignete Massnahmen zur Bewältigung dieser Situationen. Durch diese enge Zusammenarbeit können die beteiligten Schulen und Lehrpersonen gezielt und praxisnah in ihrer Kompetenz im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten gestärkt werden.

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Ethnografisches Beobachten, Statistik oder Inter-viewtechniken würde man auf Anhieb kaum mit der Aus-bildung von Lehrpersonen in Verbindung bringen. Doch an der PH Zürich gehören Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse sowie Fragen zu Forschungsdesigns und Forschungsethik zum festen Programm aller Studien-gänge. So führen sämtliche Studierenden aller Stufen im Rahmen des Moduls «Forschung und Entwicklung» ein eigenes Forschungsprojekt durch. In parallel geführten Kursen zu unterschiedlichen Themen und Forschungsme-thoden lernen die Studierenden dabei eine spezifische Forschungsmethode kennen und gehen mit dieser einer selbständig entwickelten Fragestellung nach. Je nach Inte-

resse erforschen sie etwa mit Methoden der ethnografi-schen Forschung das Spiel von Kindern und Jugendli-chen, führen Videoanalysen von Unterrichtssituationen durch oder untersuchen vor dem Hintergrund neu etab-lierter Tagesschulen Familienbilder von Politikerinnen und Politikern. Dabei werden die Ebenen Forschung und Entwicklung immer als Einheit behandelt. Zu einem For- schungsprojekt gehören neben der analytischen Erfor-schung von Gegebenheiten und Situationen also auch Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zu deren Veränderung. So entwickeln Studierende beispielsweise Möglichkeiten, wie sie überfachliche Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern sinnvoll erheben können.

Eintauchen in die Wissensproduktion Im Grunde sind Lehrpersonen sowohl im Studium als auch später im Berufsleben ständig mit Forschungsresul-taten konfrontiert. So basieren nicht nur Unterrichtsinhal-te, sondern ebenso pädagogische und fachdidaktische Konzepte, Schulreformen oder neue Lehrmittel letztlich auf Wissen aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Der exemplarische Einblick in Forschungs- und Entwick-lungsprozesse soll das Verständnis für die Wissensproduk-tion und damit auch die Fähigkeit fördern, Resultate von Forschungs- und Entwicklungsprojekten kritisch einzu-ordnen. In den genannten Modulen steht jedoch weniger die kritische Rezeption von Forschungsresultaten im Zen-trum als vielmehr das eigene forschende Handeln der an-gehenden Lehrpersonen. «Ziel des Moduls ist es, dass die Studierenden die Forschungs- und Entwicklungsprozesse

durch das eigene Forschen kennenlernen und dadurch eine forschende Haltung entwickeln», erklärt Christine Bieri, die an der PH Zürich die Sekundarstufe 1 leitet. Es geht also darum, dass sich die Studierenden ein struktu-riertes Vorgehen zum Erkenntnisgewinn erarbeiten und einen neugierigen, experimentierfreudigen Zugang zur Realität entwickeln. Beides benötigen Lehrpersonen ge-mäss Bieri zur Entwicklung des eigenen Unterrichts. «Der Prozess der Unterrichtsentwicklung und das Vorgehen in Forschungsprojekten gleichen sich stark», sagt sie. «Will eine Lehrperson beispielsweise die eigene Klassenführung verbessern, muss sie ihr Handeln erst sinnvoll analysieren können und aufgrund dessen gezielt Massnahmen zur Ver-änderung erproben.» Wie in einem Forschungsprojekt muss sich die Lehrperson für eine Verbesserung ihres pro-fessionellen Handelns also klare Ziele setzen und geeigne-te Methoden finden können, um ihren Unterricht kritisch zu reflektieren und diesen aufgrund der Beobachtungen entsprechend anzupassen. Und dann beginnt das Beob-achten wieder von neuem.

«Unterrichtsentwicklung verläuft wie Forschung und Entwicklung kreisförmig», erklärt Bieri. Das bedeutet, dass der Forschungskreislauf nach der Erprobung einer spezifischen Intervention wieder zum Ausgangspunkt zu-rückkehrt und die Beobachtung zur Verbesserung von neuem beginnt. «Nur sind diese Kreisläufe der Erprobung im Berufsalltag selbstverständlich kürzer und verlaufen weniger systematisch», sagt Bieri. Wenn sich Studieren-de in den Kursen spezifische Forschungsmethoden aneig-nen, dann also nicht mit dem Ziel, dass sie diese im Be-rufsalltag direkt anwenden können. Vielmehr sollen sie exemplarisch erleben, wie sie mit einem systematischen Vorgehen zu sinnvollen Erkenntnissen kommen und Inter-ventionen gezielt entwickeln und überprüfen. In der Be-rufspraxis hilft so etwa ein Unterrichtstagebuch bei der Verbesserung der Klassenführung oder eine Fragebogen- erhebung in der Klasse, um die Wirkung eines neuen Lern- arrangements zu überprüfen.

Ein Beitrag zur ProfessionalisierungWährend die Studierenden den Nutzen solcher For-schungsprojekte früher noch relativ häufig in Frage stell-ten, hat sich inzwischen gemäss Bieri eine forschungs-freundliche Haltung unter den Studierenden etabliert. «Forschung und Entwicklung sind heute ein selbstver-ständlicher Teil des Studiums», gibt sie eine verbreitete Ansicht wieder. Gemäss mehreren Evaluationen ist die Akzeptanz für das Modul «Forschung und Entwicklung» hoch. «Viele Studierende schätzen die vertiefte Auseinan-dersetzung mit einem Thema», sagt Bieri. Viele sind davon überzeugt, dass das eigene Forschen zur Kompetenzent-wicklung beiträgt.

Zudem weist Bieri darauf hin, dass entdeckende, experimentelle Unterrichtsformen an den Schulen heute

Sowohl Unterrichtsinhalte als auch Lehrmittel basie-ren letzlich auf Wissen aus Forschungsprojekten.

Schwerpunkt Forschung u

nd S

chule

Schwerpunkt Forschung u

nd S

chule

weit verbreitet sind, und zwar nicht ausschliesslich in den naturwissenschaftlichen Fächern. Schülerinnen und Schü-ler entdecken beispielsweise im Deutschunterricht Gram-matikregeln, suchen nach Mustern in der Mathematik und erarbeiten sich Wissen häufig selbständig in Projekt-arbeiten, die bei einer konkreten Fragestellung ansetzen. Lehrpersonen mit einer neugierigen, forschungsorientier-ten Haltung gelingt es gemäss Bieri eher, kleine For-schungsprozesse in den Unterricht zu integrieren. Und dies sei nicht nur motivierend, sondern festige auch das Wissen.

Beachtliches ExpertenwissenEine forschungsorientierte Haltung wird im Studium an der PH Zürich nicht nur im besagten Modul gefördert,

sondern ebenso in diversen Lehrveranstaltungen sowie in den Mentoraten. Zudem schreiben die Studierenden für ihre Bachelorarbeit kleinere Forschungsarbeiten, auf Se-kundarstufe 1 werden für die Masterarbeit auch umfang-reichere Forschungsprojekte durchgeführt. Dies geschieht in Form von theoretischen Arbeiten, empirischen For-schungsprojekten mit eigener Fragestellung und eigenem Forschungsdesign oder der Mitarbeit an einem bestehen-den Forschungsprojekt der PH Zürich.

Gewisse Studierende erreichten in dieser relativ kurzen Zeit ein beachtliches Expertenwissen oder Know-how im Methodenbereich, so Bieri. Zudem finden sich unter den Studierenden, insbesondere in den Studiengän-gen für Quereinsteigende, auch Personen mit starkem Forschungshintergrund, wobei einige in ihrer Masterar-

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beit mit einem bestehenden Fach- oder Methodenwissen an Fragen aus dem Schulfeld anknüpfen. So untersuchte eine Studentin mit einem Abschluss in Literaturwissen-schaften beispielsweise, wie Lehrpersonen Schülerinnen und Schüler, die zuhause kaum Zugang zu Büchern ha-ben, für Literatur interessieren können. Oder ein Ingeni-eur ging in seiner Masterarbeit der Frage nach, wie man Mädchen bei der Berufswahl für naturwissenschaftliche und technische Berufe gewinnen kann.

Studierende, die Teilzeit studieren und bereits eine eigene Klasse unterrichten, haben zudem die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Masterarbeit ein sogenanntes Aktions-forschungsprojekt durchzuführen. Unter Aktionsforschung versteht man die systematische Untersuchung des eigenen professionellen Handelns mit dem Ziel, dieses zu verbes-sern. Über einen längeren Zeitraum untersuchen die Stu-

dierenden dabei anhand verschiedener Methoden einen Aspekt ihres Unterrichts und versuchen diesen durch ge-zielte Interventionen weiterzuentwickeln. Beispielsweise untersuchte ein Student, inwiefern er das Lernen seiner Schülerinnen und Schüler stört und wertvolle Lernprozes-se durch sein eigenes Handeln unterbricht. Eine andere Studentin erforschte, wie sich Variationen ihrer Aufgaben-stellungen auf die Einstellung ihrer Schülerinnen und Schüler zur englischen Sprache auswirkten.

Eine Gruppe von Lehrpersonen, die ein solches Ak- tionsforschungsprojekt als Masterarbeit durchgeführt hat-te, wurde zwei Jahre nach Abschluss ihres Studiums zu der Wirksamkeit ihrer Forschung befragt. Dabei gab die Mehr- heit der zwölf Befragten an, dass ihre Forschung die Fähig-keit zur Unterrichtsentwicklung verstärkt habe. Viele fühl-ten sich durch die Aktionsforschung kompetent, klare Zie-

le für eine Veränderung setzen zu können, was gerade beim Berufseinstieg angesichts der zahlreichen Herausforderun- gen schwierig sein kann, aber dennoch zentral ist.

Forschung an und mit SchulenForschung und Entwicklung hat an der PH Zürich nicht nur ihren festen Platz in der Ausbildung von Lehrperso-nen. Auch forschen professionelle Forschende der PH Zü-rich zu verschiedensten Fragen im Zusammenhang mit Schule, wobei sie häufig auf die Mitarbeit von Schulen angewiesen sind. Nur ist es für Forschende häufig nicht ganz einfach, Schulen für die Teilnahme an einem For-schungsprojekt zu gewinnen. Denn das Schulfeld wird von verschiedenen Seiten stark beforscht. So fragen Schulen neben professionellen Forschungsteams von Pädagogi-schen Hochschulen auch andere Bildungsinstitutionen für die Mitarbeit bei Studien an. Und auch im Rahmen stu-dentischer Forschungsarbeiten, Masterarbeiten oder Qua-lifikationsarbeiten auf CAS- oder MAS-Stufe werden Stu-dien an Schulen durchgeführt. Für die Schulleitungen und genauso für Lehrpersonen bedeutet die Beforschung durch Externe oft einen zusätzlichen Zeit- und Organisa-tionsaufwand neben dem bereits fordernden Schulalltag.

«Wenn wir Schulleitungen für eine Zusammenarbeit ge-winnen wollen, müssen wir ihnen den Mehrwert eines Forschungsprojekts an ihrer Schule klar aufzeigen kön-nen», sagt Patricia Schuler, die an der PH Zürich das Forschungszentrum für Professionalisierung und Kom-petenzentwicklung leitet. Meistens können die Forschen-den dabei klar aufzeigen, inwiefern die Schule direkt von einem Projekt profitieren kann. «Forschungs- und Ent-wicklungsprojekte an Schulen kann man als Teil des Schulentwicklungsprozesses betrachten», sagt Schuler. «Wenn wir einen Aspekt des Schulalltags an einer Schule beforschen, halten wir den Lehrpersonen und der Schul-leitung auch einen Spiegel vor und können damit Ent-wicklungsanstösse geben», erklärt sie. Ein Handlungsbe-darf wird manchmal sogar bereits bei der Datenerhebung ersichtlich. So etwa, wenn eine Frage zum Schulprofil in einem Gruppeninterview ganz unterschiedliche oder gar widersprüchliche Antworten auslöst.

Gewöhnlich entscheidet die Schulleitung, ob ein Projekt an einer Schule durchgeführt werden kann. Da-

mit ist jedoch noch nicht über die Teilnahme der einzel-nen Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler oder El-tern entschieden. Denn diese bestimmen selbst, ob sie befragt oder beobachtet werden dürfen. So muss die Teil-nahme an Forschungsprojekten gemäss den geltenden forschungsethischen Standards stets freiwillig sein. Wenn sich Schulen für die Teilnahme an einem Forschungspro-jekt entschieden haben, seien die meisten Beteiligten sehr offen, sagt Schuler. Generell habe sie kaum schlechte Er-fahrungen bei der Erforschung von Schulen gemacht.

Experten und Expertinnen im FeldWenn Forschende ihre Daten erhoben und ihre Schlüsse gezogen haben, ist die Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schule noch nicht beendet. Denn die Forschenden lassen den Beforschten immer Einblicke in die Erkenntnisse ihrer Forschung zukommen. Diese werden von Fall zu Fall an-ders an die Schulen zurückgebracht. Je nach Wunsch prä-sentieren die Forschenden ihre Resultate nur und zeigen mögliche Herausforderungen für die Schule auf, oder sie schlagen konkrete Lösungsansätze vor und diskutieren diese mit dem Lehrpersonenteam. Oft werden Lösungs-wege in Workshops gemeinsam mit dem Team der jeweili-gen Schule erarbeitet. Und bisweilen laden die Forschen-den der PH Zürich Lehrpersonen oder Schulleitungen für gemeinsame Vorträge an Symposien oder Tagungen ein. Gemäss Schuler geht es dabei nicht einfach um eine Illus-tration der Forschungsresultate durch einen Einblick in die Praxis. «Ich verstehe Lehrpersonen als Expertinnen und Experten im Feld. Und deren Erfahrungswissen ist für die Forschung sehr wichtig», so Schuler.

Grundsätzlich werde Forschung heute stärker als Austausch auf Augenhöhe verstanden, sagt Schuler. In Forschungsprojekten der PH Zürich wurden Beforschte auch schon aktiv in die Forschung miteinbezogen, etwa bei einem Forschungsprojekt zur räumlichen Gestaltung von Tagesschulen an der Tagesschule Zug. Neben konven-tionellen Erhebungsmethoden wurden die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler auch durch diese selbst einge-fangen. So machten die Kinder Fotos von Räumen und Aussenorten, kommentierten diese schriftlich und stellten auf Plakaten zusätzlich Optimierungsmöglichkeiten vor. «Wenn eine Schule aktiv beteiligt ist an der Forschung, wird sie Resultate einer Untersuchung eher umsetzen», nennt Schuler einen wichtigen Vorteil der partizipatori-schen Forschung. Das Projekt an der Schule Zug diente letztlich als Modell, wie Schulen sich selbst beforschen und so Schulentwicklungsprozesse gezielt vorantreiben können. Die Abgängerinnen und Abgänger der PH Zürich haben für solche Prozesse die notwendigen Kompetenzen. Dank der eigenen Forschungserfahrung können sie schu-lische Situationen nicht nur gezielt analysieren, sondern kennen mögliche Wege, um Innovationen zu erproben und Entwicklungsprozesse anzustossen.

Das Erfahrungswissen der Lehrerinnen und Lehrer ist für die Forschung sehr wichtig.

Im Modul «Forschung und Entwicklung» lernen die Studierenden spezifische Forschungsme-thoden kennen und gehen einer selbständig entwickelten Fragestellung nach.

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«Forschen macht glücklich, weil man so viel ausprobieren kann»Bruno S. Frey gilt als einer der einflussreichsten deutschsprachigen Ökonomen. Der Glücksforscher bezeichnet Neugierde für die Umwelt und Begeisterung für die Sache als zentrale Merkmale von guten Forschenden. Die Förderung dieser Eigenschaften sei auch Aufgabe der Schule.

Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

Akzente: Sie sind seit Jahren emeritiert, sind als Forscher aber immer noch aktiv. Was fasziniert Sie daran?Frey: Etwas herauszufinden, was noch nicht existiert, und gegenteilige Positionen zu den üblichen Meinungen aufzubauen, hat mich immer gereizt. Schon in der Schule wollte ich mehr wissen, als unterrichtet wurde. Ich mag mich noch gut an mein erstes Geschichtsbuch über den römischen Kaiser Claudius erinnern. Dass man über eine vergangene Zeit so viel erfahren kann, hat mich fasziniert. Und mir war bewusst, dass jemand herausfinden musste, wie diese Personen gelebt haben. Bei mir waren die Begeisterung für das, was mich umgibt, und die Neugierde ausschlaggebend für meinen Werdegang. Die akademische Laufbahn hat sich dann ergeben, wobei ich auch viel Glück gehabt habe.

Hat die Schule etwas zu dieser Neu-gierde beigetragen?Bei mir scheint das wohl genetisch zu sein (lacht). Auch meine Geschwister und mein Vater, der kein Akademiker war, hatten eine solche Neugierde. Doch ich wurde auch von guten Lehrern gefördert. Ganz stark beeinflusst wurde ich neben zwei Professo-ren durch einen Lehrer im Gymnasium, der mir durch die Literatur eine neue Welt eröffnen konnte. Eigentlich war er Franzö- sischlehrer, doch er hatte eine solche Be- geisterung für die deutsche Gegenwartslite-ratur, dass er mit uns fast nur über deutsche Literatur sprach und Autoren wie Heinrich Böll zu uns an die Schule einlud. Heute würde das natürlich nicht mehr gehen. Doch es wäre gut, wenn solche aussergewöhnlichen Lehrer, die etwas anders, aber mit Begeisterung unterrich-ten, an der Schule toleriert würden.

Was braucht es, um erfolgreicher For- scher zu werden?Neben der Begeisterung für die Sache braucht es einen langen Atem, wenn sich nicht sofort Resultate zeigen. Und man muss fähig sein, Erkenntnisse auch in Publi- kationen zu übersetzen. Ich habe sehr intel- ligente Assistenten gehabt, die am Ende weniger erfolgreich waren als andere brave «Schaffer», weil sie ihre Überlegungen nicht auf den Punkt bringen konnten. Bei der För-derung von Nachwuchsforschenden musste ich immer auch darauf hindeuten, wie wich- tig Disziplin ist.

In ihrer Ausbildung an der PH Zürich führen Studierende eigene Forschungs-projekte durch. Ziel ist, dass sie mit einer forschenden Haltung den eigenen Unterricht verbessern können. Was ist Ihre Meinung dazu?Eine forschende Lehrperson ist doch das beste Vorbild, das es gibt. Wenn Schülerin-nen und Schüler sehen, dass ihr Lehrer sich für vieles interessiert, nicht zu allem eine fixe Meinung hat und offen ist für Lösungen, ist das nur positiv. Bei solchen Arbeiten ist der Prozess wichtig, dass man sich in etwas vertieft, etwas selbständig erarbeitet und mit anderen Leuten agiert. In Zukunft wird eine solche offene, suchende Haltung in vielen Berufen wichtiger, weil stumpfe, repetitive Tätigkeiten durch intelligente Maschinen ersetzt werden.

In der Volksschule wird ein forschender Zugang zu Themen und Phänomenen gefördert. Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich Wissen auch selbstän-dig in Projektarbeiten. Diese Entwick-lung befürworten Sie als Forscher wahrscheinlich.

Über Bruno S. Frey

Bruno S. Frey kam 1941 in Basel zur Welt. Er studierte Na- tionalökonomie an der Universität Basel, wo er auch promovier- te und habilitierte. Mit 29 wurde er Professor für Finanz- wissenschaften an der Universität Kon- stanz, danach folgten weitere Professuren für Volkswissen-schaften und Verhal- tensforschung.

Frey machte sich einen Namen mit der Anwendung der Öko- nomie auf fachfremde Bereiche wie Politik oder Kunst und The- men wie Terrorismus oder Familie. Zudem erweiterte er öko- nomische Modelle des menschlichen Verhaltens um psy- chologische und soziologische Aspek-te. Einer breiten Öf- fentlichkeit ist er bekannt für seine Studien zu Glück. Frey erhielt für sei- ne Forschung zahl- reiche Auszeichnun-gen. Heute ist er Forschungsdirektor des von ihm mitge-gründeten Forschungs- instituts CREMA (Cen-ter for Research in Economics, Manage-ment and the Arts) und Gastprofessor an der Universität Basel. Er ist verhei- ratet, wohnt in Zürich und reist viel und gerne.

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Auf jeden Fall. Die Schule soll die Neugierde für die Umwelt fördern, dass man sich fragt, wieso etwas ist, wie es ist. Meine Fragestellungen kommen fast immer aus dem Alltag. Ich lese etwas in der Zeitung oder sehe etwas beim Spaziergang durch die Altstadt und stelle mir Fragen dazu. Die Schule scheint diese Neugier auch tatsächlich zu wecken. Die jungen Leute, die ich treffe, sind auf jeden Fall alle sehr interessiert und motiviert. Ich erhalte immer wieder Interviewanfragen von Ma-turandinnen, die zum Thema Glück forschen, interessan-terweise sind es immer Frauen. Und das Niveau dieser Arbeiten ist erstaunlich hoch.

Haben die Forschungs-Skills bei Jungen also zugenommen?Technische Fähigkeiten wie Statistik- oder Englischfähig-keiten haben bei jungen Forschenden gewaltig zuge- nommen. Was in der akademischen Welt aber leider ab- genommen hat, ist die Begeisterung für ein Thema, eine Fragestellung. Junge Forschende beginnen oft mit der Frage, wo es brauchbare Daten gibt. Überdies fördert der starke Publikationsdruck die Begeisterung für eine Sache gar nicht. Wenn man ständig veröffentlichen muss, tendiert man dazu, auch weniger interessante Fragen zu

behandeln, nur weil sich dazu ein Paper schreiben lässt. Damit geht auch Kreativität verloren. Zu Beginn sollte man nicht zu stark auf den Output achten.

Doch Forschung sollte immer einen konkreten Output haben?Letztlich schon. Man soll der Öffentlichkeit ja auch et- was kommunizieren können. Schliesslich steht Wissen-schaft im Dienst der Gesellschaft.

In Zeiten von Fake News werden auch immer wie- der wissenschaftsfeindliche Tendenzen in der Gesellschaft thematisiert. Wie sollen Forschende sich dazu verhalten?Ich sehe hier eine grosse Verpflichtung der Wissenschaft-ler, komplexe Sachverhalte verständlicher zu kommuni-zieren. Sie müssen einer breiten Öffentlichkeit erklären können, worum es geht in ihrer Arbeit und warum ihre Forschungsfragen wichtig sind. Eigentlich kann man Lai- en alles erklären, zumindest in den Geistes- und Sozial-wissenschaften. Forschende sollten also wieder besser er- klären können, was sie tun, und Ergebnisse präsentieren, die nicht völlig trivial sind. Ich habe dafür einen Gross-mutter-Test. Forschungsresultate müssen mehr zeigen, als die Grossmutter auch schon wusste.

Aber Forscherinnen und Forscher müssen doch auch die unspektakuläre Aufgabe übernehmen und das, was man gemeinhin als gesunden Men-schenverstand bezeichnet, wissenschaftlich überprüfen? Richtig. Aber damit Forschung sinnvoll ist, muss dazu auch ein Gegensatz vorhanden sein. Anhand der Glücks-forschung kann ich das gut erklären. Meine Grossmutter hätte wohl gedacht, dass es für das eigene Glück wichtig ist, materiell gut ausgestattet zu sein. Aber es gibt heute manche Leute, die sagen, dass Glück gar nichts mit materiellem Wohlbefinden zu tun hat. Wir konnten mit unserer Forschung belegen, dass die Grossmutter Recht hatte, dass Geld unser Glück also beeinflusst.

Sie erforschen seit Jahrzehnten, was Leute glück-lich macht. Gehört forschen dazu? Ja, forschen macht glücklich. Und zwar, weil man Neues erkunden und so vieles ausprobieren kann. Das ist befreiend. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, aber auch empirisch belegen. Man weiss aus der For-schung, dass Leute in freien, selbstbestimmten Berufen in der Regel glücklicher sind, obwohl sie im Durch- schnitt weniger verdienen, härter arbeiten und ein grösse-res Risiko haben. Forschende sind zwar institutionell eingebunden, aber in der Regel wird ihnen nicht vorge-schrieben, was sie erforschen. Diese Autonomie in der Forschung trägt zum Glück bei.

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Rodrigo hält den Messzylinder unter den Wasser-hahn. Während ein dünner Strahl ins Gefäss fliesst, kneift er ein Auge zu und beobachtet die Messlinie genau. Bei 100 Milliliter zieht er den Zylinder rasch zurück und kippt den Inhalt in den gelben Plastikbecher. Nachdem der Erstsekundarschüler dieselbe Handlung zweimal wieder-holt hat, ist das Gefäss fast voll. «Noch 20 Milliliter», schätzt seine Mitschülerin Naomi und neigt den Kopf zum Becherrand, während Rodrigo tröpfchenweise auf-füllt, bis sich der Wasserspiegel leicht wölbt. Beim nächs-ten Tropfen läuft das Gefäss über. Es bildet sich eine klei-ne Lache auf dem Pult.

Eben waren die Schülerinnen und Schüler des Zürcher Schulhauses Letzi an diesem Dezembermorgen noch schlaftrunken ins Chemiezimmer geschlichen und hatten sich gähnend an ihre Plätze verdrückt. Doch nun, eine halbe Stunde später, wirken sie hellwach. Schliesslich steht etwas Besonderes auf dem Programm: An Stelle des Klassenlehrers gestaltet ein Student der PH Zürich die Doppelstunde. Die 18 Jugendlichen dürfen selber in die

Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schlüpfen und erfahren, wie diese arbeiten. Und was sie nicht wissen: Gleichzeitig ist der Unterricht Gegenstand eines Forschungsprojekts. Im Rahmen seiner Masterarbeit testet Philippe Minet verschiedene Unterrichtsformen aus und vergleicht sie miteinander. Er will herausfinden, wie sich kooperative Lernformen auf den Wissenszuwachs auswirken. «Während der Zusammenhang zwischen Sozi-alkompetenzen und kooperativem Lernen bereits mehr-fach untersucht wurde, gibt es hier noch kaum Studien», sagt der 23-Jährige.

Rollenzuteilung hilft Trittbrettfahren vermeidenBevor die Klasse jetzt experimentiert, befasste sie sich in Vierergruppen mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Dabei ging sie nach dem sogenannten Think-Pair-Share-Muster vor. Dabei gilt es, zuerst einen Text alleine zu lesen und sich darüber Gedanken zu machen. Jede Schülerin und jeder Schüler hat dazu eine bestimmte Rolle zugeteilt bekommen; während die einen zum Bei-

Kooperativ lernen mit Wasser, Waage und WürfelZusammen oder allein? Diese Frage beschäftigt Philippe Minet in seiner Masterar-beit. Der angehende Sekundarlehrer untersucht, ob sich kooperatives Lernen auch für die Naturwissenschaften eignet und ob die Schülerinnen und Schüler dabei fach-lich dazulernen. In einer Zürcher Versuchsklasse wirkte sein Unterricht auf jeden Fall anregend.

Text: Andrea Söldi, Fotos: Nelly Rodriguez

Bruno S. Frey: «In Zukunft wird eine suchende Haltung in vielen Berufen wichtiger.»

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Zur Berechnung des Fassungsvermögens des Be- chers führt die Klasse den Versuch mehrfach durch.

Student Philippe Minet untersucht in seiner Masterarbeit, wie sich kooperatives Lernen auf den Wissenszuwachs auswirkt.

Bevor es ans Experimentieren geht, befasst sich die Klasse in Vierergruppen mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens.

Ein Teil der Klasse arbeitet alleine. Diese Schüler bilden in der Masterarbeit die Kontrollgruppe.

Mit dem Messzylinder lässt sich am besten bestimmen, wie viele Milliliter in dem Messbecher Platz haben.

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didaktische Methode häufiger in sprachlichen Fächern oder in Bereichen mit Diskussionspotenzial zum Einsatz als in den Naturwissenschaften. Doch auch naturwissen-schaftliche Fächer könnten vermehrt davon profitieren, ist Keller überzeugt. «So können die Kinder während eines grossen Teils der Lektion selber aktiv sein. Das vermittelt ein ganz anderes Bild der Chemie oder Physik, als wenn der Lehrer vorne etwas zeigt, das diejenigen in den hinte-ren Reihen nur halb mitbekommen.»

Generell werde der Nutzen der kooperativen Lern-formen unterschätzt, sagt der Dozent, der regelmässig Weiterbildungen zu diesem Thema erteilt und Lehrer-teams coacht. «Das Vorurteil hält sich hartnäckig, dass starke Schülerinnen und Schüler die Aufgabe an sich reis-sen und schwächere sich drücken.» Dabei hätten Praxiser-fahrungen und die Forschung gezeigt, dass das Phänomen der Trittbrettfahrer deutlich überschätzt wird. Kooperati-ves Lernen beinhalte weit mehr als banale Gruppenarbei-ten, stellt Keller klar. Wichtig sei, dass die Aufgabenstel-lung sorgfältig durchdacht sei. Das Think-Pair-Share- Modell, kombiniert mit der Zuteilung verschiedener Rollen, stelle sicher, dass sich jeder Einzelne selber mit der Materie beschäftigt. Denn er weiss, dass er im Austausch mit dem Kollegen etwas liefern muss, und entwickelt des-halb einen gewissen Ehrgeiz.

Naturwissenschaften hautnah erfahrenAuch aus Sicht der Naturwissenschafts-Didaktik sei Phi- lippe Minets Ansatz interessant, sagt Pitt Hild, der für die Betreuung des naturwissenschaftlichen Teils der Master-arbeit zuständig ist. Im neuen Lehrplan 21 würden über-geordnete Aspekte der Naturwissenschaften noch stärker gewichtet als bisher, sagt der PHZH-Dozent. Dazu gehö-ren zum Beispiel die Genauigkeit der Messmethoden und die Wiederholbarkeit von Versuchen. «Die Schüler und Schülerinnen sollten praktische Erfahrungen machen können und lernen, wie Forschende ticken.»

Es sei nicht einfach, Unterrichtsmaterialien mit einfachen, praktischen Versuchen zu finden, weiss Hild. Denn das neue Lehrmittel für die Oberstufe sei erst in Entwicklung. In der didaktischen Fachliteratur stiess Phi- lippe Minet schliesslich auf zwei einfache Experimente, die sich sowohl für das kooperative als auch für das indivi-duelle Lernen eignen. Neben jenem mit dem Wasserbe-cher wählte er eines, bei dem die jungen Wissenschaftler Salzwasser von Leitungswasser unterscheiden müssen, ohne mit der Zunge zu probieren. Als Lösungsmöglichkei-ten boten sich Wägen, Verdampfen oder die Bestimmung der Dichte mit einem Karottenstück an: Während es im Leitungswasser versinkt, schwimmt es im Salzwasser.

Die Begeisterung der Jugendlichen für die Natur-wissenschaften ist Philippe Minet ein wichtiges Anliegen. «Besonders Physik und Chemie kommen im Stoffplan eher zu kurz», findet der angehende Sekundarlehrer, der

vor dem Gymnasium selber zwei Jahre in der Sekundar-schule verbracht hat. In sein Studienprofil hat er deshalb unter anderem Mathematik und Naturwissenschaften ge-wählt. Mit geeigneten Experimenten gelinge es meist, auch die Mädchen abzuholen, macht Minet die Erfah-rung. «Sie haben es weniger gern, wenn etwas explodiert, sprechen aber umso mehr auf Farben an.» Im Schulhaus Letzi absolvierte der Student aus Geroldswil bereits sein Schlusspraktikum und konnte so das Vertrauen des Leh-rerteams gewinnen. Die Eltern informierte er mittels Brief über seine Studie.

Grundsatz des Forschens erfasstDie Vierergruppe von Rodrigo und Naomi ist unterdes-sen bei der dritten Durchführung ihres Versuchs ange-kommen. Jedes Mal hat sie ein anderes Ergebnis erhal-ten: Fasst der Wasserbecher nun 315, 320 oder gar 325 Milliliter? Eliane dokumentiert die Resultate auf dem vorbereiteten Blatt. Neben dem Messzylinder nehmen die Jugendlichen nun auch noch die Holzwürfel zu Hilfe und füllen das Gefäss. Weil es rund ist, eignet sich die Methode aber kaum zur Bestimmung des Fassungsver-mögens, erkennen sie schnell. Es entstehen zu viele Lü-cken zwischen den Würfeln.

«Wenn man das Wasser schneller hineinleert, läuft das Gefäss sofort über», hat Nemanja festgestellt. Beim langsamen Füllen dagegen wölbe sich der Wasserspiegel zuerst leicht über den Rand, teilt er seine Erfahrung beim Austausch mit anderen Gruppenmitgliedern. Dass am Schluss kein eindeutiges Resultat vorliegt, regt Rodrigo zu kritischer Reflexion an: «Wir hätten den Versuch ein viertes Mal durchführen sollen.» Diesem Schluss stimmt Chiara zu: «Man muss ein Experiment so lange machen, bis man mindestens zweimal auf das gleiche Ergebnis kommt.»

Einen wichtigen Grundsatz wissenschaftlichen Ar-beitens haben also die meisten Schülerinnen und Schüler an diesem Morgen verinnerlicht, wie sich auch bei der ab-schliessenden Online-Befragung zeigt. «Es war abwechs-lungsreich und wir konnten viel selber machen», sagt Ra-chel. Die sachgerechte Auswertung der Antworten wird Minet in den nächsten Monaten noch herausfordern. Auch den theoretischen Teil der Masterarbeit muss er fer-tig verschriftlichen, bis er sie voraussichtlich im nächsten Sommer einreicht. «Ich habe viel gelernt, das ich später anwenden will», sagt der Student.

Im ersten Teil der Arbeit lesen die Schülerinnen und Schüler selbständig einen Text.

Die Schülerinnen erkennen schnell: Holzwürfel eignen sich nicht zur Bestimmung des Fassungsvermögens.

spiel unklare Begriffe markieren, notieren sich andere Fra-gen, die der Text beantwortet. «Damit versuche ich zu ver-meiden, dass einzelne passiv bleiben und zu Tritt- brettfahrern werden», erklärt Minet. In der Pair-Phase werden die Erkenntnisse in der Gruppe diskutiert. Die Möglichkeit zum Austausch decke gleichzeitig das natür-liche Bedürfnis ab, miteinander zu sprechen, sagt Minet. «So kommt es weniger zu Störungen.» Dann folgt der Ver-such mit dem Wasserbecher. In der darauf folgenden Sha-re-Phase trifft sich je eine Person aus jeder Gruppe zu ei-nem Erfahrungsaustausch. Damit sollen die frischen Erkenntnisse in Worte gefasst und gefestigt werden. Wäh-rend die Schüler und Schülerinnen selber aktiv sind und mit anderen interagieren, hält sich Minet vorwiegend im Hintergrund. «Ich muss nur hin und wieder etwas steu-ern», sagt der angehende Sekundarlehrer, der sich bereits einmal im Rahmen einer Arbeit an der PH Zürich mit kooperativen Lernformen befasst hat.

Philippe Minet führt die beiden Doppelstunden mit drei verschiedenen Sekundarschule-A-Klassen der ersten Stufe durch. Während zwei davon in kooperativer Form lernen, arbeiten diejenigen der Kontrollklasse indi-viduell. Sie können den Text nicht mit anderen bespre-chen, dürfen unbekannte Begriffe dafür aber auf dem

Smartphone nachschauen. Die Experimente führen sie alleine durch. Am Anfang und am Schluss der vier Lekti-onen füllen alle drei Klassen einen Fragebogen am Com-puter aus. Sie müssen zum Beispiel Aussagen bewerten wie: «Es ist nicht wichtig, Experimente mehr als einmal durchzuführen, um Ergebnisse abzusichern» oder «Natur-wissenschaftliche Theorien verändern und entwickeln sich mit der Zeit». In der Auswertung wird Minet die Antwor-ten vergleichen und herausfinden, ob sich der Wissenszu-wachs bei den verschieden unterrichteten Klassen unter-scheidet. Es ist ihm bewusst, dass die Stichprobe etwas klein ist, um repräsentative Aussagen zu machen. Wichtig ist ihm jedoch, dass die drei Klassen möglichst ähnlich sind – also aus dem gleichen Schulhaus, derselben Stufe und im gleichen Niveau. «So kann ich Störfaktoren aus-schliessen», sagt er. Auch hätte eine breiter angelegte Stu-die den Rahmen einer Masterarbeit gesprengt.

Mehr als eine GruppenarbeitDie Anwendung der kooperativen Lernform in den Na-turwissenschaften sei innovativ, findet Dozent Martin Kel-ler, der die Masterarbeit von Philippe Minet betreut. «Ich bin beeindruckt von diesem zweigleisigen Ansatz», sagt der Spezialist für kooperatives Lernen. Generell komme diese

«Wir hätten den Versuch ein viertes Mal durchfüh-ren sollen.»

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Studierendenseite

Studierendenporträt

Der junge Mann malt ein Fahrzeug an die Tafel. «Ist das eine Zug?», fragt die Mitschülerin. Lorenz Vogel korrigiert: «Es heisst ein Zug.» Der Student der Sekun-darstufe 1 repetiert mit seinen Schü- lerinnen und Schülern die Begriffe zum Themenbereich Bahnhof. Jede Woche unterrichtet er mit einem Kollegen eine kleine Klasse von Menschen aus dem Asylbereich. Der 29-Jährige engagiert sich im Projekt «Deutsch für alle», seit er vor ein- einhalb Jahren im Rahmen eines Studienmoduls eine Doppellektion für die Migranten gestaltet hat. Das kostenlose Angebot findet in den Räumen der PH Zürich statt und wird von ehrenamtlich arbeitenden Studierenden durchgeführt. «Ich mache das aus Überzeugung», sagt Vogel. «Bessere Sprachkenntnisse

sind die Grundlage für die Integra- tion.» Zudem lerne er selber viel dabei, sagt der angehende Lehrer, der später vielleicht im DaZ-Bereich unterrichten oder mit Erwachsenen arbeiten möchte.

Bevor er sich für Päda-gogik entschied, studierte der Zürcher fünf Semester Rechtswissen-schaften. Das sei interessant gewe- sen, sagt er. Doch eine Berufstätig-keit als Jurist habe er sich nicht vorstellen können. «Ich wünschte mir mehr direkten Kontakt mit Men- schen.» Zudem wollte Vogel seiner Affinität für Sprache mehr Raum geben. Als Nebenjob arbeitet er nun im Schreibzentrum der Hochschule, wo er Mitstudierende bei Schreibar-beiten unterstützt. Und in der Frei- zeit schreibt Vogel gern selber Ge-

schichten. Zudem beschäftigt er sich regelmässig mit Pfeilbogenschies- sen. «Das fokussiert mich. Es ist eine Art Meditation.» Den grössten Teil seiner freien Zeit wendet er jedoch für das Projekt «Deutsch für alle» auf. Neben dem Unterricht orga- nisieren die Studierenden für die Geflüchteten Aktivitäten wie Ball- oder Frisbee-Spiele, Feste sowie Aus-flüge an die Berufsmesse. «Es sind tolle Menschen», betont Lorenz Vogel. Als ihn kürzlich ein junger Mann aus Afghanistan zum Essen in die Asylunterkunft einlud, realisierte er, in was für trostlosen Zuständen diese Menschen leben. Dies habe ihn in seinem Engagement bestärkt, sagt er: «Es ist für mich etwas vom Sinn- vollsten und Gewinnbringendsten überhaupt.» – Andrea Söldi

Lorenz Vogel studiert an der PH Zürich auf der Sekundar-stufe 1.

Foto: Nelly Rodriguez

Studierendenseite

Die Bachelorarbeit

Sprachen sind zum Teil verwandt. Wer Ähnlichkeiten zwischen den Strukturen oder auf Wortebene erkennt, hat oft einen Vorteil beim Erlernen einer neuen Fremdsprache. Wie dieser Effekt in der Schule besser genutzt werden kann, hat Alissia Sahli in ihrer Ba- chelorarbeit untersucht. Zudem hat sie sich damit befasst, wie Lehr- personen bei den Kindern eine positive Haltung gegenüber Spra- chen fördern können. Mit der Glo- balisierung, der multikulturellen Gesellschaft und der Digitalisierung wird die Mehrsprachigkeit immer wichtiger. Besonders Kinder mit ei- ner anderen Muttersprache ver- fügen bereits über Vorerfahrungen, wenn sie in der dritten Klasse mit Englisch und in der fünften mit Französisch beginnen. Bei ihrer Literaturrecherche ist die Auto- rin auf den sogenannten ELBE-An-satz gestossen, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben von Be-griffen in drei Sprachen zusammen-setzt: Eveil aux langues, Language awareness, Begegnung mit Spra- chen. Er bezeichnet eine Grundhal-tung, mit der die Kinder zum Ent- decken und Wertschätzen sprach- licher Vielfalt gebracht werden sollen.

In einer fünften Klasse in Winterthur hat Alissia Sahli selber drei Unterrichtssequenzen im Sinne des ELBE-Ansatzes durch- geführt. Einerseits verglich sie mit den Schülerinnen und Schülern französische, englische und deut- sche Begriffe sowie Satzstrukturen und liess sie Gemeinsamkeiten suchen. Sie erkannten zum Beispiel, dass sich das französische «le forêt» und das englische «the forest» gleichen, während das deutsche «der Wald» nicht verwandt ist. Bei der Brücke dagegen ist es umgekehrt:

«The bridge» gleicht dem deutschen Wort, jedoch nicht dem französi-schen «le pont». Weiter erstellten die Kinder ein persönliches Sprachen-porträt: Sie malten die Umrisse ei- nes Kindes mit verschiedenen Farben aus, von denen jede für ei- ne Sprache steht. Ein Junge zum Beispiel kolorierte Kopf und Ober- körper je hälftig Blau für Schwei- zerdeutsch und Rot für seine Mut- tersprache Albanisch. In den Bei- nen kommen Schwarz für Hoch- deutsch, Braun für Englisch, Dun- kelblau für Französisch vor und in der Fussspitze sogar ein kleiner Fleck Gold für Arabisch, das er in der Moschee hört. Die Visualisie-rungen dienten als Grundlage für ein Gruppengespräch über die sprachliche Identität. Im Anschluss an die Lektionen führte die Stu- dentin der Primarstufe zwei In- terviews mit einem Mädchen und einem Knaben. Dabei zeigte sich, dass die beiden grundsätzlich Freude haben an den Fremdspra-chen und ihnen teilweise auch im Alltag begegnen. Die Vorkenntnisse im Englisch finden beide hilfreich beim Lernen von französischen Wörtern. Nur die Tests mögen sie nicht.

Durch die Bachelorarbeit hat sich für Alissia Sahli bestätigt, dass die Integration von Vorwissen im Sprachunterricht wichtig ist. Die 23-Jährige, die seit dem Sommer in Winterthur eine erste Klasse un- terrichtet, hat für sich ein Raster für guten Fremdsprachenunterricht er- stellt. Diese Kriterien wird sie sich nochmals vor Augen halten, wenn sie mit ihren Drittklässlern im Sommer 2020 das Englisch in An- griff nehmen wird. – Andrea Söldi

Die Bachelorarbeit von Alissia Sahli ist online publiziert: blog.phzh.ch/akzente

Ich sitze da und starre auf die beträchtliche Liste mit Vorsät-zen. Leere Worte und Versprechun-gen, nichts weiter. Worte, die eine Bedeutung haben sollten. An den meisten Vorsätzen scheitert man doch sowieso, aber warum? Ich vermute, es liegt an der Jahreszeit: Wir setzen uns die Vorsätze im Winter. Draussen ist es kalt und nass, man würde am liebsten den ganzen Tag im Bett verbringen, mit einer Tasse heis- sem Kakao, Kuschelsocken und der neusten Folge «The Big Bang Theory». Im Winter bin ich unglaublich träge und es fällt mir schwer, mich für irgendetwas zu motivie-ren. Mir fehlt dafür die Energie. Ich stehe morgens auf und es ist dunkel und abends komme ich nach Hause und wer hätte es gedacht: Es ist schon wieder dunkel. Das ist doch einfach deprimierend, diese ewige Dunkelheit, wie soll man denn so die antreibende Kraft für irgendwas finden? Vielleicht müsste man sich die Vorsätze im Sommer setzen, allerdings wäre es dann bereits zu spät für die Bi- kinifigur. Zum jahreszeitbedingten Schei- tern kommt die willkürliche Wahl unserer Vorsätze hinzu. Es kommt mir so vor, als würden wir uns diese nur setzen, weil wir stets unter Leistungsdruck stehen. Die Erwartung, immer schöner, besser oder was auch immer zu werden, ist wohl irgendwann einfach zu viel. Selbst für den stärksten Willen. Martina Berchtold ist Studentin auf der Primarstufe und Tutorin im Schreibzentrum der PH Zürich.

Die lieben guten Vorsätze

Ausstudiert – die Studierenden-kolumne

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PH Zürich – Weiterbildung

Inserate

Digitalisierung prägt die aktuelle Arbeitswelt. Neue Technologien, agile Arbeitsformen, mobil-flexible Arbeits-plätze und digitale Vernetzung von Mensch und Maschine beeinflussen, wie und wo wir heute und in Zukunft arbei-ten. Das Internet verändert dabei massgeblich unsere Vor-stellungen von Arbeit und auch die Rolle des Menschen in der Arbeitswelt. Seit 2011 bezeichnet «4.0» als Kurzformel die Umwälzungen der digitalen Transformation. Arbeits-welt 4.0 steht für das Arbeiten während der laufenden vier-ten industriellen Revolution. Während IT-Technologien bereits während der dritten Welle der Industrialisierung in den 1970ern eine grosse Rolle spielten, war die zweite Wel-le durch Elektrizität geprägt und die erste durch mechani-sche Produktion mithilfe von Wasser- und Dampfkraft ab Ende des 18. Jahrhunderts.

Wie gelingt die digitale Transformation?Arbeitswelt 4.0 bedeutet konkret, dass über das mobile Internet und weitere neue Technologien Teile unserer Lebens- und Arbeitswelten datentechnisch erfasst, ver-netzt, ausgewertet und optimiert werden können. «Über mobile Geräte wie Smartphones und Laptops sind Men-schen potenziell immer und überall vernetzt. Dadurch entstehen neue Arbeitsprozesse, Geschäftsmodelle, Or-ganisationsstrukturen, neue Berufsbilder und neue An-

forderungen an Mitarbeitende», sagt Sarah Genner, wis-senschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum «Medienbildung und Informatik» an der PH Zürich.

Doch wie gelingt uns als Gesellschaft, als Volks-wirtschaft und im Sinne der kommenden Generationen eine erfolgreiche digitale Transformation? «Es liegen bereits zahlreiche Trend-Reports zum Thema Digitali-sierung vor», so Sarah Genner. So geben etwa Consul-tingfirmen regelmässig Ratschläge für neue Business- Modelle, Wirtschaftswachstum und Effizienzsteigerung, die dank digitaler Transformation, künstlicher Intelli-genz und Big Data möglich werden sollen. Dabei wer-den immer wieder auch umfangreiche Anpassungen des Bildungssystems gefordert. «Beim Thema Digitalisie-rung werden von verschiedenster Seite Meinungen ein-gebracht, was die Kinder lernen müssen, um im Jahr

2050 erfolgreich zu sein, und wie sich die Schulen ent-wickeln müssen, um die Kompetenzen der Zukunft zu lehren», fügt Sarah Genner an.

Hier setzt die Podiumsdiskussion an der PH Zürich im Rahmen der Informatiktage von Mitte März an. Exper-tinnen und Experten diskutieren dabei darüber, was die Umwälzungen in der Arbeitswelt 4.0 für das Schweizer Bildungssystem und die Schule bedeuten. Dabei wird die Frage im Zentrum stehen, welche Kompetenzen in einer digital geprägten Arbeitswelt gefragt sind und inwiefern der Lehrplan 21 die Kinder und Jugendlichen vorbereitet auf die Jobs der Zukunft und ein Leben im digitalen Zeit-alter. Als Einstieg in die Diskussion wird Sarah Genner in einem Referat einen Überblick über das Thema geben.

Weitere Informationen: tiny.phzh.ch/arbeitswelt

Wie sich die Arbeitswelt 4.0 auf die Schule auswirkt

Die zunehmende digitale Vernetzung ver-ändert die Arbeitswelt. Dies wirkt sich auch auf die Bildung aus. Wie sich die Schule für die Arbeitswelt 4.0 rüstet, ist Mitte März Thema einer Veranstal-tung an der PH Zürich im Rahmen der In-formatiktage 2019.

Text: Rahel TschoppFoto: Christoph Hotz

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Geschichten erzählen mit Print.Wir formen aus Ihren Wörtern Emotionen.

Fit werden für die Zukunft: Die Arbeitswelt 4.0 wird massgeblich von mobilen Geräten bestimmt.

Podium Pestalozzianum 2019Analoge Wege zur digitalen Bildung

Donnerstag, 21. März 201918.30 - 20.30 Uhr

Kosmos, Lagerstrasse 104, 8004 Zürich (Nahe Hauptbahnhof)

Die Digitalisierung aller Lebensbereiche beschleunigt sich. Und was macht die Schule? Diese Frage stellt sich Tag für Tag. Und kann

nur analog beantwortet werden, denn es gibt dazu mehr als nur zwei Antworten.

Kann die Digitalisierung Hoffnungen auf ein erfolgreiches und zukunftsfähiges Lernen

erfüllen? Verändert sie die Ziele der Bildung? Werden herkömmliche Kompetenzen, Methoden

und Inhalte überflüssig – oder jetzt erst recht interessant?

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 29A K Z E N T E 1 / 2 0 1 928

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PH Zürich – Weiterbildung

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Der Begriff «Bildung» wird im Lehrplan 21 als ein offener, lebenslanger und aktiv gestalteter Entwicklungs-prozess des Menschen definiert. Aufgabe der Volksschule ist es, ihre Lernangebote so zu gestalten, dass diese Ent-wicklung bei allen Schülerinnen und Schülern bestmög-lich gewährleistet wird. Hier setzt das Projekt der PH Zürich und der Hochschule für Heilpädagogik an, wel-ches die zwei Hochschulen im Auftrag von 19 Deutsch-schweizer Kantonen sowie des Fürstentums Liechten-stein und unter der Federführung des Kantons Zürich durchführen. «Wir möchten die Schulen dabei unterstüt-zen, dass auch Kinder und Jugendliche mit komplexen Behinderungen die im Lehrplan 21 definierten Bildungs-ziele erreichen können», sagt Co-Projektleiterin Judith Hollenweger von der PH Zürich.

Damit dies gelingt, ist je nach Ausprägung der Be-hinderung des Kindes eine Anpassung des Unterrichts erforderlich. Dazu brauche es ein breites Verständnis von «fachlichem Lernen», so Judith Hollenweger. «Die Fach-bereiche werden in unserem Konzept deshalb erweitert. Dies ermöglicht es, verbindliche Inhalte gemäss dem in-dividuellen Lern- und Entwicklungsstand des Kindes zu vermitteln.» Der erweiterte Fachbereich «Sprachen» etwa umfasst so auch elementare Lernerfahrungen mit Schrift, Kommunikation und Medien, welche im Fachbereich «Sprachen» bereits vorausgesetzt werden.

Erweiterung der überfachlichen KompetenzenGleichzeitig erhalten bei Kindern mit komplexen Behin-derungen die überfachlichen Kompetenzen zusätzliche Bedeutung. Die überfachlichen Kompetenzen sind im Lehrplan 21 in die Fachbereiche eingearbeitet und be-schränken sich auf die schulisch relevanten Aspekte. Bei allen anderen überfachlichen Kompetenzen wird davon ausgegangen, dass diese vor oder ausserhalb der Schule erworben werden. Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen des Projekts nun sogenannte Befähigungsberei-

che entwickelt, welche die überfachlichen Kompetenzen systematisieren und erweitern. «Die Befähigungsbereiche repräsentieren die für alle Menschen zentralen Hand-lungs- und Erfahrungsdimensionen und -aspekte», so Judith Hollenweger.

Bei der konkreten Unterrichtsplanung werden die entsprechenden Befähigungsbereiche individuell mit den erweiterten Fachbereichen in Bezug gebracht. Als drittes und letztes Element kommen dabei die gemäss der «In-ternationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Be-hinderung und Gesundheit (ICF)» definierten Lebensbe-reiche hinzu. Diese umschreiben die für alle Menschen wichtigen Bereiche, in denen Probleme gelöst respektive Aktivitäten ausgeführt werden müssen – beispielsweise in den Bereichen «Bewegung und Mobilität» oder «Umgang mit Menschen». Dabei wird je nach Ausprägung der Be-hinderung des einzelnen Kindes die Beteiligungsmög-lichkeit in diesen Lebensbereichen individuell definiert. Gemeinsam mit den Befähigungsbereichen und den er-weiterten Fachbereichen bilden die Lebensbereiche so ein Konstrukt aus drei Ebenen, die alle zueinander in Beziehung gebracht werden und die Grundlage für die Gestaltung des Unterrichts bilden.

Verabschiedung im Mai Um die breite Abstützung des Projekts im Schulfeld ge-währleisten zu können, wurde der von der PH Zürich und der Hochschule für Heilpädagogik erarbeitete Ent-wurf Ende 2018 in einem Hearing von Vertreterinnen und Vertretern der Projektkantone, von Fachpersonen der Regel- und Sonderpädagogik aus der Schulpraxis und aus Hochschulen sowie von Vertretungen der Fach- und Schulverbände diskutiert. Die anschliessende Über-arbeitung nahm die dabei eingeflossenen Inputs auf. Die Verabschiedung ist für den kommenden Mai geplant. Anschliessend wird das Dokument den Projektkantonen zur Einführung in den Schulen übergeben.

Kinder mit komplexen Behinderungen unterstützen

Gemeinsam mit der Hochschule für Heilpädagogik entwickelt die PH Zürich eine Ergän-zung zum Lehrplan 21, die Lehrpersonen und Heilpädagoginnen bei der Erarbeitung von individuellen Lernangeboten für Schülerinnen und Schüler mit komplexen Behinderungen unterstützt. Damit wird gewährleistet, dass der Lehrplan 21 für alle Kinder und Ju-gendlichen als verbindlicher Rahmen zur Anwendung kommt.

Text: Christoph Hotz

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 A K Z E N T E 1 / 2 0 1 930 31

Akzente: Welches ist die Hauptstadt von Surinam?Monika Reuschenbach: Da habe ich wirklich keine Ahnung.

Sie heisst Paramaribo. Sie scheinen als promo-vierte Geograf in und Professorin nicht besonders beschämt zu sein über diese Wissenslücke.Nein. Ganz und gar nicht. Wäre Paramaribo jedoch aus

geografischer Sicht relevant, beispielsweise weil die dortige Bevölkerung zurzeit am stärksten wächst oder die Stadt ein Zentrum für den Handel oder Abbau eines seltenen Rohstoffs ist, dann würde ich jetzt wohl mit rotem Ge- sicht vor Ihnen sitzen.

Gehört das Auswendigkennen von Hauptstädten nicht mehr zum Bildungskanon modernen Geo-grafieunterrichts?Städte, Länder oder Flüsse sind natürlich nach wie vor wichtig, doch das ausschliessliche Auswendiglernen gehört seit längerer Zeit nicht mehr dazu. Schliesslich soll Geografieunterricht junge Menschen ja auf mehr vorbereiten als auf den ersten Platz im Spiel «Stadt-Land-Fluss». Moderner Unterricht stellt das Verstehen von Phänomenen und Prozessen auf der Erde ins Zen- trum sowie ihre Wechselwirkungen mit dem menschli-chen Handeln. Didaktisch knüpft er zudem enger an den Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler an als früher.

Wie lernen Schülerinnen und Schüler denn heute, sich geografisch zu orientieren?Exemplarisch lässt sich das an der leeren Schweizer- und Weltkarte im neuen Lehrmittel «Weltsicht» aufzei-gen. Auf diesen tragen die Schülerinnen und Schüler alle geografisch relevanten Informationen ein, die sie im Zusammenhang mit dem unterrichtsrelevanten Thema gelernt haben. Stehen beispielsweise «Verkehrswege» im Zentrum, dann werden unter anderem der Rhein ein- gezeichnet sowie die Städte Basel und Rotterdam. So wächst die anfänglich leere Karte allmählich und die Einträge werden mit thematisch verknüpften Lerninhal-ten gelernt.

Bei dem Lehrmittel «Weltsicht», das Sie anspre-chen, waren Sie als Projektleiterin federführend. Es wurde 2018 mit dem «World-Didac-Award» und der Goldmedaille der «Best European Learn- ing Material Awards» ausgezeichnet. Erstaunten Sie diese Ehrungen?Sehr sogar. Natürlich erachteten wir «Weltsicht» selbst ebenfalls als gelungen, aber das geht wohl allen so, die Lehrmittel entwickeln. Die Preise waren eine grosse Überraschung und Freude für das gesamte Entwick-lungsteam. Was mich besonders freut an diesen Aus-zeichnungen ist die symbolische Anerkennung der immensen Arbeit und Kreativität, die wir alle in dieses Projekt investiert haben.

Weshalb war der Aufwand für dieses Lehrmittel so hoch?Insgesamt stecken rund fünf Jahre Entwicklungsarbeit in diesen drei Bänden. Lehrmittelentwicklungen sind

«Damit kann man Unterricht machen, der begeistert»

Akzente: Denise Da Rin, Sie führen zusammen mit Ihrem Team sogenannte schulinterne Wei- terbildungen durch. Was ist das Besondere an diesem Format?Denise Da Rin: Die schulinternen Weiterbil-dungen setzen dort an, wo die Schulen in ihren Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozessen stehen. Das Programm wird dabei in enger Ab- sprache mit der Schule entwickelt. Das Format eignet sich insbesondere dann, wenn ein Schul- team gemeinsam eine Fragestellung bearbeiten möchte.

Akzente: Welche Themen werden von den Schulen besonders stark nachgefragt?Denise Da Rin: Im letzten Jahr standen bei vielen Schulen der Lehrplan 21 und die Kompe-tenzorientierung im Zentrum. Des Weiteren häufen sich Anfragen für den Kindergarten zu den Themen Fördern und Beurteilen und zur Sprachförderung von Kindern und Jugendli-chen, die Deutsch als Zweitsprache sprechen. Daneben gibt es auch Themen, die immer aktuell sind, etwa die Frage nach den Erfolgsfaktoren guten Unterrichts.

Akzente: Wie sieht der Ablauf einer solchen schulinternen Weiterbildung konkret aus, beispielsweise zum Thema Fördern und Be- urteilen? Denise Da Rin: Wir führen in der Regel in einem ersten Schritt ein Planungsgespräch mit der Schulleitung und nach Möglichkeit auch mit Lehr- personen durch. Dieses dient einer Standort-analyse und den Zielsetzungen der Weiterbil-dung und klärt beispielsweise die Frage, ob eine gemeinsame Beurteilungspraxis gepflegt wird und ob die Bewertung der Schülerleistun-gen kriterienorientiert und damit vergleich-bar ist. Danach folgen die Vorbereitung sowie die Durchführung der Weiterbildung. Diese besteht in der Regel aus halb- oder ganztägi-gen Inputs von unseren Fachleuten sowie Arbeits- und Austauschphasen mit dem Schul-team.

– Christoph Hotz

grundsätzlich immer aufwendig, weil sehr viele Perso-nen aus verschiedenen Bereichen und mit unterschied-lichen Interessen und Prioritäten zusammenarbeiten. Entsprechend viele Ressourcen müssen deshalb für Aus- handlungs- und Koordinationsprozesse bereitgestellt werden. Bei «Weltsicht» kommt aber hinzu, dass es sich um eine Neukonzeption handelte, weshalb alles von Grund auf neu erarbeitet werden musste. Das betrifft nicht nur die Inhalte und die didaktische Ausrichtung, sondern auch die gesamte Gestaltung, die Tests im Schulfeld sowie zahlreiche weitere Bereiche. Insbeson-dere die teilweise Neukonzeption von Themen und die Schaffung einer komplett neuen Aufgabenkultur er- forderten einen hohen Arbeitseinsatz.

Was gefällt Ihnen am besten an diesem ausge-zeichneten Werk? Ich würde sagen, seine Klarheit und Strukturiertheit. Kein einziges gestalterisches Element oder Bild ist zufällig eingesetzt und die Texte wurden in aufwendigen Prozessen so lange reduziert, bis in altersgerechter

Sprache nur noch die Essenz übrigblieb. Zudem sind die Bilder, Texte, Karten und Grafiken des Lehrmittels in klarer Struktur miteinander verbunden. Das schafft Orientierung und erleichtert das kompetenzorientierte Unterrichten und das Lernen aus meiner Sicht unge-mein. Damit kann man begeisternden Geografieunter-richt machen.

Geografie hat Stunden eingebüsst auf der Lektio-nentafel der Volksschule. Betrübt Sie das?Natürlich hätte ich es gerne anders, doch die Entschei-de über Lektionentafeln fallen anderswo. Deshalb konzentriere ich mich lieber auf das, was ich mit meiner Arbeit bewegen kann. Indem ich etwa Lehrpersonen an der PH Zürich für den Geografieunterricht zu begeis-tern versuche oder Lehrmittel mitentwickle, die es trotz schwindenden Lektionen erlauben, die geografischen Kompetenzen von künftigen Generationen effizient aufzubauen. Und das betrübt mich keinesfalls.

«Schulinterne Weiterbildungen sind beliebt»

Denise Da Rin, Leiterin Zentrum Unterricht und Lernen der PH Zürich

Das unter der Projektleitung von Monika Reuschenbach entwickelte Geografie-Lehr-mittel «Weltsicht» wurde 2018 mehrfach ausgezeichnet. Im Interview gibt die Pro- fessorin und Dozentin für Geografie und Geografiedidaktik an der PH Zürich Ein-blicke in den modernen Geografieunter-richt und ihr Werk.

Text und Foto: Christian Wagner

Monika Reuschenbach, Dozentin für Geografie und Geografiedidaktik an der PH Zürich.

PH Zürich – Weiterbildung

PH Zürich – Ausbildung

«Geografieunterricht soll auf mehr vorbereiten als auf den ersten Platz im Spiel ‹Stadt-Land-Fluss›. »

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 A K Z E N T E 1 / 2 0 1 932 33

Mein Berufseinstieg

Lehrerinnen und Lehrer sei gerade in den ersten Monaten wichtig gewesen, als sie frisch vom Studium kam. Das ers-te Jahr sei hart gewesen. Das hing einer-seits damit zusammen, dass sie direkt eine gemischte Klasse aus Erst- und Zweit-klässlern übernehmen musste. Anderer-seits habe es überraschend viel Energie gekostet, sich im Schulhaus zurechtzufinden. «Am An-fang wusste ich nichts – nicht einmal, wo ich die Tuben mit Flüssigkleber finde.»

Vorbereitung ist allesDie grösste Schwierigkeit aber sei, dass man viel weniger Zeit habe, um sich auf eine Lektion vorzubereiten als während des Studiums. Umso wichtiger sei es, dass sie die Zeit im Studium gut genutzt habe. «So kann ich fer-tige Unterlagen von meinen damaligen Praktika einfach aus der Schublade herausziehen und direkt einsetzen.» Überhaupt habe die PH Zürich sie gut und vorausschau-end auf ihren Beruf vorbereitet. «Damals haben wir den Sinn dahinter nicht erkannt, wenn wir wieder einmal ei-nen Tag bis ins letzte Detail und auf fünf Minuten genau vorbereiten mussten. Dank diesen Fleissübungen weiss ich heute aber, was es braucht, um einen Schultag erfolg-reich zu gestalten.»

Feuer und FlammeNach der Pause treffen sich alle Kinder zum Abschluss des Vormittags. An einer Stellwand sind Bilder vom klei-nen Drachen Kokosnuss aufgehängt. Langenegger fragt: «Wer kann mir anhand der Bilder erzählen, was der kleine Drache bisher erlebt hat?» Die Schülerinnen und Schüler diskutieren engagiert. Nach einer Weile lässt sie ein lang-gezogenes «Schschsch …» verstummen. In der Gruppe werden die Bilder nun geordnet und die Geschichte nacherzählt. Bevor Langenegger das letzte Kapitel vor-liest, fragt sie, ob sich jemand neben seinem jetzigen Sitz-nachbarn nicht konzentrieren könne. Einige Kinder wechseln den Platz. Damit ist die Bühne frei für Kokos-nuss und den scheinbar viel zu ängstlichen Piraten Pieter Backbord.

Ein schöner Morgen sei es gewesen, sagt Zuzana Langenegger, nachdem sich die letzten Schülerinnen und Schüler auf den Heimweg gemacht haben. «Das schönste an meinem Beruf ist die Begeisterungsfähigkeit der Kin-der», sagt sie unvermittelt. «Es braucht nicht viel, dass sie Feuer und Flamme sind. Und sie stecken sich damit sofort gegenseitig an. Diese glänzenden Kinderaugen zu sehen, macht alle Mühen und Anstrengungen vergessen.» Serie «Mein Berufseinstieg» In der Serie «Mein Berufseinstieg» begleiten wir in diesem Jahr Berufseinsteigende in ihrem Schulalltag - vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe 2.

«Luca … schreibt man das ganz normal?», fragt Lea. Im Schulzimmer herrscht emsiges Treiben. Lea steht mit einigen Kindern um zwei Schultische herum und trägt Name, Alter, Muttersprache und Geburtsort ihrer Kameradinnen und Kameraden in einer Tabelle ein. In einer anderen Ecke des Schulzimmers veranstalten vier Kinder ein Rollenspiel. Etwas weiter lauschen zwei Schüler aufmerksam einem Hörspiel. Und neben dem Klavier basteln vier Mädchen aus Pfeifenputzern farbige Figuren.

Voneinander lernenIm Schulhaus «In der Höh» in Volketswil ist der Donners-tagmorgen immer speziell: Drei Unterstufenklassen wer-den gemeinsam unterrichtet und arbeiten in gemischten

Zweierteams an verschiedenen Posten. Primarleh-rerin Zuzana Langenegger ist für das Programm des heutigen Morgens verantwortlich und leitet gut fünfzig Kinder gemeinsam mit zwei weiteren Lehre-rinnen an. Sie hat im Sommer 2017 ihre Ausbildung an der PH Zürich abgeschlossen und unterrichtet seither in Volketswil. Unterrichtsformen mit durch-mischten Jahrgängen faszinieren Langenegger. Sie ar-beitet jeden Tag mit unterschiedlich alten Kindern, denn selbst ihre reguläre Klasse vereint Zweit- und Drittklässler. «Gerade für eine junge Lehrerin wie mich sind gemischte Klassen natürlich eine grosse Herausfor-derung», gibt sie zu. «Aber sie machen den Unterricht abwechslungsreicher und führen zu einer spannenden Dynamik. So kann in einem Zweierteam der Zweitkläss-ler beispielsweise das Vorlesen üben und der Erstklässler das Textverständnis.»

Freiheiten und LeitplankenDie Lektion ist zu Ende. Die Kinder schliessen ihre Ar-beiten ab und machen sich auf den Weg in den Kultur-raum. Sie sprechen, diskutieren und rufen wild durchei-nander. Trotz all der Lebhaftigkeit und vermeintlichen Unordnung scheinen die Leitplanken bekannt zu sein und respektiert zu werden. Im Kulturraum angekom-men, setzen sich die Schülerinnen und Schüler in einem grossen Kreis auf den Boden. Eine Lehrerin beginnt, rhythmisch zu klatschen. Die Kinder steigen ein. Die Gespräche verebben wie von selbst. «Das klappt nicht immer so gut», erzählt Langenegger mit einem Schmun-zeln. «In solchen Situationen zeigt sich, dass unsere Schülerinnen und Schüler schon ab der ersten Klasse sehr selbstständig arbeiten und sich selbst organisieren müssen. Wir Lehrerinnen und Lehrer sind nur dafür da, sie auf dem Weg zu begleiten und ihnen bei Prob-lemen zu helfen. Dies bringt relativ grosse Freiheiten mit sich, mit denen umzugehen sie lernen müssen. Aber Regeln und Grenzen gibt es selbstverständlich auch bei uns.» Nach einem gemeinsamen Lied lässt sie die Kinder den bisherigen Schultag Revue pas-sieren. «Gab es heute eine Aufgabe, die ihr beson-ders schwierig fandet?», fragt sie. «Was hat euch beson-ders viel Spass gemacht?» Die Schülerinnen und Schüler diskutieren mit ihrem Sitznachbarn, bevor sich Einzelne im Plenum äussern.

Träume und Startschwierigkeiten«Schon im Kindergartenalter war es mein Traum, Lehre-rin zu werden», erzählt Langenegger. «Ausserdem bin ich hier in Volketswil in ein grossartiges Team eingebunden. Meine Kolleginnen und Kollegen sind meine Familie. Im Moment bin ich sogar damit beschäftigt, für den Früh-ling ein Team-Wochenende in meiner Heimatstadt Prag zu organisieren.» Die Unterstützung durch die anderen

Serie – M

ein B

erufseinstieg

Gemeinsamer Unterricht mit drei Klassen

Zuzana Langenegger: «Schon im Kindergar-ten war es mein Traum, Lehrerin zu werden.»

« Das Schulteam ist meine Familie»

Grosse Freiheiten und eigenständiges Lernen bestimmen in Volketswil den Schulalltag. Berufseinsteigerin Zuzana Langenegger gibt Einblick in einen Unterrichtsmor-gen und erklärt, weshalb sie heute von Arbeiten profitiert, die sie im Studium noch als nervig empfand.

Text: Maurice Desiderato, Fotos: Dieter Seeger Grosse Lebendigkei t, klare Lei tplanken

«Es braucht nicht viel, und die Kinder sind Feuer und Flamme», sagt Zuzana Langenegger.

Serie – M

ein B

erufseinstieg

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BILDER UND MIGRATION

Der Doppeladler, der während der Fussball -WM 2018 für Schlagzei-len gesorgt hat, ist auch im vorliegenden Buch eine Art Star. Das Selfie eines albanischen Jugend-lichen, dessen Handy-rückseite einen Doppel-adler zeigt, ziert den Buchumschlag. Die Frage, mit welchen Praktiken Jugendliche mit familiä-rem Balkanbezug ihre kulturelle Identität in den sozialen Medien aushan-deln und konstruieren, steht am Anfang von Christian Ritters Studie. Da in der digitalen Kom- munikation das Visuelle besonders ausgeprägt ist, liegt es nahe, dass dem bildlichen Selbstausdruck von Jugendlichen grosses Gewicht beigemessen wird. Nationale Symbole spielen in bildlichen In- szenierungen eine beson-dere Rolle. So wird der Doppeladler auf Flaggen, Tätowierungen, Alltagsge-genständen und in der Geste mit den verschränk- ten Daumen gezeigt. Die Studie erklärt anhand eines eindrücklichen Da- tenmaterials, wie Jugend-liche Ethnizität als soziale Ressource nutzen.– Thomas Hermann

Ch. Ritter. Post-migrantische Balkan-bilder.

Zürich: Chronos, 2018. 266 Seiten.

GLOBI UND DIE POLITIK

Demokratie ist ein wert-volles Gut und keine Selbstverständlichkeit. Damit sie verstanden und bewahrt werden kann, erklärt Globi, der blaue, gut gelaunte Vogel ihre Grundlagen und ihre Ge- schichte. Auf seiner Reise wird Globi von Helvetia begleitet und unterstützt. Er besucht unter ande-rem das Bundeshaus in Bern, interviewt Ignazio Cassis, befragt Kinder und Jugendliche zu ihren Bedürfnissen, trifft Wil- helm Tell und besucht eine Primarschule in Männedorf. Das «Sach-buch für Kinder» ist reich bebildert und voller ak- tueller Bezüge. Hervorzu-heben ist, dass den The- men Kinderrechte und Medien als vierte Gewalt Raum gegeben wird. In- dem wir als Lesende alles aus Globis Perspektive kennen lernen, wird ein spielerischer Umgang mit dem oft unbeliebten und ernsten Thema Politik möglich. Auch Erwachse-ne mit und ohne Migrati-onshintergrund profitie-ren von Globis anschauli-cher und unterhaltsamer Einführung in die Schweizer Demokratie.– Peter Holzwarth

S. Glättli, M. Zollinger. Globi und die Demokratie.

Zürich: Orell Füssli, 2018. 120 Seiten.

Medientipps

Medientipps

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ES WERDE LICHT!

Der dritte Band der lose zusammengehörenden Mäuse-Geschichten um Meilensteine der Mensch-heitsgeschichte widmet sich Thomas Alva Edison, dem vermeintlichen Er- finder der Glühbirne. Die Frage ist, wer genau den Draht zum Glühen ge-bracht hat. Edison hat die seit Mitte des 19. Jahrhun-derts existierende Metho-de lediglich weiterentwi-ckelt und verbessert. Zwei Mäuse und ihr Erfin-dungsreichtum spielen da- bei eine grosse Rolle. Torben Kuhlmann legt ein umfangreiches, narratives (Sach-) Bilderbuch mit fiktiven Elementen vor. Die Geschichte wird ergänzt mit einem kurzen, informativen Faktenteil am Schluss. Die braune Mäusewelt und die blaue Unterwasserwelt lassen stilistisch den Steampunk anklingen. Die grossen Illustrationen sind pers-pektivisch interessant und die weissen Panels erin-nern an alte Fotos. Der dialogreiche Text ergänzt die Bilder und ist voller witziger Anspielungen.Ein Tauchabenteuer für Erfinder und Entdecker ab 7 Jahren.– Carolina Luisio Meyer

T. Kuhlmann. Edison: Das Rätsel des ver-schollenen Mauseschat-zes.

Zürich: NordSüd Verlag, 2018. 108 Seiten.

FÜHREN DURCH WIRKEN

Lehrpersonen erleben Geführtwerden als blo-ckierend, Führungsperso-nen dagegen vermissen mitunter ihre eigene Wir- kung. Der vorliegende Sammelband liefert Mo- delle, Reflexionen und Anregungen für die Füh- rungspraxis. Führen be- deutet, in Komplexität, Unsicherheit und Ambiva-lenz zu steuern und zu entscheiden, oftmals ohne

Routine. Fachleute aus dem deutschsprachigen Raum – u. a. Referierende am Symposium Personal-management der PHZH – richten sich an Schullei-tungen. Die fünf Teile zu Innovation, Leistung, Management, Beziehung und Führungspersönlich-keit bieten Überblick und regen an. Mutig ist der Fokus «Beziehungen pfle- gen und Arbeitsfähigkeit erhalten»; pointiert sind die Beiträge zur Füh-

rungspersönlichkeit: «Wenn Sie nicht sich sel- ber führen können, dann geben Sie es auf, andere zu führen» (W. Schmid). Karl Mäder und Erika Stäuble zeigen in ihrer Sammlung: Führung muss auch in der Bildung stetig entwickelt werden. – Monique Honegger

K. Mäder, E. Stäuble, Hrsg. Wirken statt blockieren: Führung in Bildung und Schule.

Bern: Hogrefe, 2018. 275 Seiten.

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Foto: Christoph Hotz

3 4 5Manchmal fehlen uns buch- stäblich die Worte. Da müssen keine überwälti-genden Gefühle im Spiel sein. Es kann schlicht vorkommen, dass sich im umfangreichen Lexikon unserer Sprache kein geeigneter Ausdruck findet. In ihrem liebe-voll gestalteten Buch «Lost in Translation» (DuMont 2017) porträ-tiert Ella Frances San-ders 51 Wortperlen aus der ganzen Welt, für die es in anderen Sprachen keine passende Entspre-chung gibt. Sollte das illustrierte Bändchen wider Erwarten in einem Stapel ungelesener Bü- cher landen, so haben die Japaner dafür we- nigstens ein Wort: Tsun-doku.

Mit «Total verrückte Wör- ter» (360 Grad Verlag 2018) legen Nicola Edwards und ihre Illust-ratorin Luisa Uribe eben- falls eine bunte Samm-lung unübersetzbarer Wörter aus aller Welt vor. Kinder ab 8 Jahren ler-nen hier nicht nur 29 exotische Begriffe ken-nen, sondern erfahren in informativen Kurztexten einiges über die ver-schiedenen Herkunfts-länder, deren Sprachen und Gebräuche. Jemanden, der schnell friert, nennt man im Spanischen «friolero». Oder haben doch die Schweizer den «G’frörlig» erfunden?

Ein Blick in «Versunkene Wort-Schätze» (Dudenver-lag 2016) zeigt, dass wir mitnichten in die Ferne schweifen müssen, um einheimische Wortlücken zu füllen. Die Fundgrube überjähriger Vokabeln dokumentiert schnurrige Idiome, Redeblumen und jede Menge Wörter, die zusehends in Vergessen-heit geraten und uns womöglich bald fehlen werden. Manch ein Aus-druck, der weiland à la mode war, könnte uns hinfort wieder zupass-kommen oder gleichwohl für mehr lexikalische Vielfalt sorgen.– Daniel Ammann

Wörter auf Reisen

APP IN DIE ZUKUNFT

In QualityLand gibt es für jedes Problem eine App. Man braucht sich nicht über ein schreiendes Kind aufzuregen, sondern lässt ihm beim Arzt einen Hor- monchip einpf lanzen und drückt auf dem Quali-tyPad die Taste beruhi-gen. Eine Portion Proges-teron lässt das Kind im Nu verstummen. Etwas komplexer wird es bei selbstfahrenden Autos. Wer soll bei einem Unfall überfahren werden, ein Milliardär oder eine Grup- pe von Kindern? Das kommt ganz auf den Besitzer des Fahrzeugs an, denn die eine Moral gibt es nicht, das Auto des Umweltschützers hat eine andere als jenes des Dro-gendealers. Fest steht: In QualityLand kosten mo- ralisch enthemmte Autos mehr und die Lösung der moralischen Dilemmas bleibt den Maschinen überlassen. Für Menschen lautet die Antwort auf alle Fragen, die sie betreffen, «ok». Sollen Maschinen künftig menschlicher und Menschen digitaler wer-den? Diese Frage stellt sich den Lesern von Marc-Uwe Klings Dysto-pie. Noch gibt es mehr Antwortoptionen als «ok». – Martina Meienberg

M. Kling. Quality-Land.

Berlin: Ullstein, 2017. 384 Seiten.

Besprechungen weiterer Titel: blog.phzh.ch/akzente/rubrik/medientipps

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Querdenker

Illustrationen: Elisabeth Moch

Inserate

Experimentieren, beobachten, auswerten, anwenden

Natur und Technik

Alle Infos zum Experimente-Labor, dem Zusatzmaterial sowie zum Experimentehaus für Kindergarten und Vorschule unter www.schubi.com

• 90 Experimente für den NMG-Unterricht in den Klassen 3–6

• mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Forscheraufträgen, Zusatzinfos • Themen: Energie, Kraft, Licht & Schall, Sinne, Strom & Magnet, Luft, Wasser, Stoffe

Querdenker

Mein erstes Mal unterrichtenAnna-Tina Hess: Mein erstes Mal war noch vor der PH. 2016 an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Dort hatte ich als Radioprofi den Auf- trag, Studierenden beizubringen, wie man einen Radio- beitrag macht.

Blau-grauer Linoleumboden, weisse Wände, beige Tische, grelles Neonlicht, das Summen des Bea- mers und dann ganz plötzlich und unerwartet das Pochen meines Blutes in den Ohren. Lampenfieber! Mit jedem Studenten, der das Zimmer betrat, wurde es heftiger. Es sollten bald die wahrscheinlich schlimms- ten zehn Minuten meines Lebens beginnen.

Ich kürze sie hier folgendermassen ab: Trockener Mund, schweissnasse Hände, feuerroter Kopf, zitternde Stimme. Die nervöse Irrfahrt hatte erst ein Ende, als ich kapitulierte: «Es tut mir leid, aber ich bin furchtbar nervös. Ich mache das hier zum ersten Mal», erklärte ich der Klasse. Die Studierenden lächelten versöhnlich und vielleicht ebenso erleichtert wie ich. Ab da ging es besser. Gut wäre anders gewesen.

Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Weil ich über mein erstes Mal an der PH wohl nicht hätte schreiben können, ohne dass Sie sich langweilen. Denn mein erstes Mal vor einer Horde Teenagern verlief un- spektakulär gut. Keine Nervosität, keine zitternde Stimme, kein trockener Mund. Über mein drittes oder fünftes Mal hätte ich dann doch das eine oder andere zu berichten. Von Französisch, das keiner versteht, von Über- und Unterforderung, von fehlenden Schlüssen und schief laufenden Übergängen. Ich bin froh, brachte ich mein erstes Mal vor Studierenden hinter mich.

Georg Gindely: Eigentlich hatte ich mir genau das gewünscht: vor einer Klasse zu stehen und ihr etwas beizubringen. Ich hatte es mir nur ganz anders vor- gestellt. Schliesslich bin ich Experte für gute Reden. Ich sei unterhaltsam, witzig und berührend, sagen alle. Bis auf die Schülerinnen und Schüler der 3. Sek, vor denen ich jetzt zum ersten Mal stehe und versuche, den Un- terschied zwischen Present perfect und Past simple zu erklären. Die finden das, was ich sage, stinklangweilig. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Ich finde es auch stink- langweilig, wie ich das Thema rüberbringe.

Da merke ich: Es ist nicht nur das Vorbereiten und Halten der Lektionen, das ich lernen muss, son- dern auch das Scheitern. Während einer Deutschstunde eine Woche später sehe ich, wie meine Mentorin die Hände vors Gesicht schlägt, als ein Schüler auf meine Frage, wer Anne Frank war, mit «Die Frau von Hitler?» antwortet.

In solchen Momenten sehne ich mich zurück nach den Zeiten, als ich während der Redaktionssitzung auf meine Schuhe gucken und anschliessend im Internet surfen konnte, weil ich keinen Auftrag gefasst hatte. Aber war das nicht genau mit ein Grund, die Quereinstiegaus- bildung zu beginnen? Ich wollte mehr Lebendigkeit in meinem Berufsalltag. Das habe ich nun davon.

Ich habe wirklich etwas davon. Es gibt immer häufiger kleine Lichtblicke. Plötzlich funktionieren einzelne Lektionen, und die Schülerinnen und Schüler sind engagiert dabei. Ich scheitere immer noch oft. Aber ich scheitere besser. Und fühle mich so lebendig wie lange nicht mehr.

Anna-Tina Hess und Georg Gindely studieren seit Herbst 2018 im Querein-stieg an der PH Zürich. Zuvor waren beide als Journalisten tätig. Sie schreiben an dieser Stelle über ihre ersten Erfahrungen als Lehrpersonen.

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Ein Unternehmen der FO-Gruppe

«Akzente» erscheint viermal jährlich, 26. Jahrgang, Nr. 1, Februar 2019, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule Zürich. Redaktionskommission: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Daniel Ammann, Anne Bosche, Christa Kappler, Martina Meienberg, Michael Prusse, Mirija Weber. Redaktionelle Mitarbeit in dieser Ausgabe: Melanie Keim, Olivia Rigoni, Angela Roos, Andrea Söldi, Christian Wagner. Adresse: Pädago-gische Hochschule Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, [email protected], phzh.ch/akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich. Layout: Gianna  Mischol, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Gewerbestrasse 18, 8132 Egg, Tel. 043 833 80 60, Fax 043 833 80 44, [email protected], ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.– inkl. Porto, phzh.ch/abo. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.

Impressum

Fotos: Angela Niedermann

Inserate

Instagram #takeover

Die Fotografin Angela Niedermann, Oberstufenlehrerin und Teilnehmerin am Grund- lagenkurs Medien und Informatik an der PH Zürich.

Zur Rubrik Jeweils für zwei Wochen übernimmt eine Person aus dem Bildungsumfeld den Instagram-Account der PH Zürich (@phzuerich) und fotografiert während dieser Zeit in ihrem Be- rufsalltag – in diesem Fall von Anfang bis Mitte Januar 2019. Die besten Bilder erscheinen an dieser Stelle in der Rubrik «Instagram #takeover».

Instagram #takeover

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1 — Das Subnetz ist aufgebaut - jetzt sollen Dateien zwi-schen den Subnetzen ausgetauscht werden - was sich schwieriger gestaltete als ge-dacht...

2 — Winter in der Nähe von Winterthur

3 — Spiel Netzwerk: Am Schluss der zweiten Lektion sollte jeder eine Datei (Bild, Ton, Text oder Virus!) aus einem anderen Subnetz «bestellt» und «gelie-fert» bekommen haben

- hat leider nicht funktioniert... Neues Ziel für Montag!

4 — Yes! Alle Computer haben ihre Datei erhalten. Jetzt steht die Planung für die eigene Webseite an...

5 — Skizze einer Webseite auf Papier - wir werden am Freitag damit beginnen!

6 — Reges Treiben am Himmel - Mittwochnach-mittag - Ruhe im Schulzimmer

7 — Morgen soll pro-grammiert werden...

8 — Wer weiss, ob wir nächste Woche unsere eigenen Webseiten programmieren kön-nen... Eine Startseite wäre schon toll!

9 — Das wars mit meinem Takeover der #phzh! Die modernen und mobilen Medien sind nicht mehr wegzudenken aus unse- rer Welt - also sollten wir alle lernen, besser und versierter damit umzugehen. Lebenslan-ges Lernen!

Page 21: Akzente 1/19 - PH Zürich...Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich 1/19 blog.phzh.ch/ akzente Forschung und Schule – Wissenschaft verstehen lernen Seite 01 Interview:

Die eigene Führungskompetenz weiterentwickeln

WEITERBILDUNG UND BERATUNG

Führungsaufgaben erfordern ein differenziertes und reflektiertes Handeln in unterschiedlichsten Funktionen und Rollen. Die berufsbegleitenden Lehrgänge bieten Leitungspersonen von Bildungsorganisationen die Gelegenheit, ihre Expertise zu erweitern.

CAS Pädagogische SchulführungErweitern und vertiefen Sie Ihr pädagogi-sches Wissen als Führungsperson einer Bildungsorganisation mit:– Unterschiedlichen Modulen zu den

Themen Lernen und Führen– Praktikum oder Hospitation an Schulen– Studienreisen

CAS SchulmanagementErgänzen Sie Ihre pädagogischen Führungs-kompetenzen gezielt mit betriebswirtschaftli-chen Kenntnissen: – Finanzielle Führung von Schulen– Marketing und Imagepflege– Strategische und operative Schulführung

CAS PersonalentwicklungSetzen Sie sich vertieft mit einem Teil des Personalmanagements, der Personalentwicklung, auseinander:– Einblicke in die Arbeit von Personal-

entwicklerinnen und -entwicklern in der Wirtschaft

– Zehntägige Praxiserfahrung in einem Unternehmen

– Reflexions-Workshops

Informationen und Anmeldungphzh.ch/cas