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im WILHELM HEYNE VERLAG

Eine ausführliche Übersicht über alle Warhammer-40,000-Romane

finden Sie im Anhang dieses Buches.

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DAN ABNETT

EisenhornDrei Romane in einem Band

mit einem Vorwort und zwei Bonusgeschichten

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

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Titel der englischen OriginalausgabeEISENHORNDeutsche Übersetzung von Christian Jentzsch

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendeteFSC®-zertifizierte Papier München Superliefert Arctic Paper Mochenwangen GmbH.

Deutsche Erstausgabe 10/2012Redaktion: Catherine BeckCopyright © 2001, 2002, 2004 by Games Workshop Ltd.Umschlagbild: Clint Langley/Games Workshop Ltd.Printed in Germany 2012Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, MünchenSatz: C. Schaber Datentechnik, WelsDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN: 978-3-453-52987-8

www.heyne-magische-bestseller.de

Games Workshop, the Games Workshop logo, Warhammer and the Warhammer logo, Black Library and the Black Library logo, BL Publishing and the BL Publishing logo, Warhammer 40,000, the Warhammer 40,000 device, 40K and all associated marks, names,place names, creatures, locations, weapons, units, characters, illustrations, vehicles, unit insignia, devices, logos and images from the Warhammer world and the Warhammer 40,000universe are either ®, ™ and/or © Games Workshop Ltd. 2000-2012, variably registered in the UK and other countries around the world. Used under license to Wilhelm Heyne Verlag,München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH. All rights reserved.

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INHALT

Eisenhorn: XenosSeite 11

Im Einsatz verschollenSeite 423

Eisenhorn: MalleusSeite 457

Hintergrund für eine zusätzliche Krone

Seite 885

Eisenhorn: HereticusSeite 921

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VO RWO R T

Als David Mamet einmal gefragt wurde, woher er seineIdeen nehme, antwortete er: »Sie fallen mir ein.« Aufähnliche Weise beantwortete meine Tochter Lily einmaldie Frage, woher sie ihre Energie habe: »Von Wool-worth.« Ba-dum tish!

Da ich sehr viel weniger schlagfertig bin als diese bei-den, tue ich mich immer schwer, wenn ich nach Ideenund ihren Ursprüngen gefragt werde, und antwortenormalerweise mit einem alten Hut wie: »Manchmal,wenn ich in einem Zug sitze, fallen mir einfach Sachenein …« Oder: »Man weiß nie, wann einem eine zün-dende Idee kommt …«

Weil man es eben nicht weiß. Als Besitzer eines Ver-stands, der ebenso zuverlässig und wasserdicht ist wieein durchschnittliches Mikado-Spiel, habe ich gelernt,mir Notizen zu machen. Ständig schreibe ich mir Sachenauf, sobald mir etwas einfällt – ja, in Zügen oder Flug-zeugen, auf Sofas oder Schaukeln oder auch in derSchlange an der Kasse im Supermarkt. Einfach, damitich es nicht wieder vergesse. Ich benutze Notizbücher,alte Briefumschläge, Post-its, die Rückseite von Einkaufs-listen, die Stirn eines vorbeigehenden Kindes – was ge-rade zur Hand ist. Wenn ich dann tatsächlich eine Ideebrauche, sehe ich diese Versatzstücke durch und stoßeschließlich auf etwas, bei dem ich sage: »Ja, genau, daskönnte klappen.« Natürlich abgesehen von den Gele-genheiten, wo ich auf etwas stoße, bei dem ich sage:

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»Was ist das denn? Ein ›B‹? Welches Wort steht da?Habe ich das geschrieben?«

Also ist es mir eine Freude, sagen zu können, dass ichim Fall von »Eisenhorn« genau weiß, woher die Ideestammt. Nicht von mir.

Es gibt eine wirklich hinreißende Zeichnung, die vielevon Ihnen ganz sicher kennen. Sie trägt den Titel Inqui-sitor Tannenberg, stammt von John Blanche und wurdeverschiedentlich abgedruckt, unter anderem auch im Inquis Exterminatus. Ein Kerl mit einem Kopf voller Ka-bel, einem schwarzen Pelzmantel, einem zweiköpfigenAdler auf der Schulter und einer goldenen, ziseliertenBoltpistole in der Hand. Ja, die ist gut, nicht wahr?

Ich hatte schon einige Jahre für die Black Library ge-arbeitet und Verschiedenes veröffentlicht vor allem dieRomane über Gaunts Geister. Der düstere Albtraum voneiner fernen Zukunft, in der es nur Krieg gibt, die Ga-laxis in Flammen steht und jeder Kopfschmerzen hat,war genau mein Ding. Die Herausgeber schickten mirsämtliches neue Zeug und alle aktuellen Ergänzungen,um mich auf dem Laufenden zu halten. Und eines Tages schickten sie mir auch eine ganze Reihe Fotoko-pien: Skizzen, Umbrüche, Anmerkungen. Es sollte, ver-riet man mir, ein neues Spiel namens Inquisitor geben,und man war so begeistert von den Konzepten undIdeen der Entwickler, dass sie es mir in der Hoffnungschickten, es möge mich inspirieren – Gaunt-mäßig, so-zusagen.

Nachdem ich das Paket geöffnet und mir die Sachenangesehen hatte, war mir schnell klar, was sie meinten.Es handelte sich in der Tat um üppiges, wunderbar barockes Material. Neben anderen sehr schönen Bildernbefand sich auch John Blanches Zeichnung darunter.Und die war es dann. Ich schnappte mir das Telefon, riefbei Black Library an und sagte: »Kann ich bitte darüberschreiben?« Obwohl ich, um die Wahrheit zu sagen, in

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diesem Stadium noch gar nicht genau wusste, worum eseigentlich gehen sollte.

Sie sagten Ja (ich glaube, sie hörten die Begeisterungin meiner Stimme). Wenn ich den Roman schnell genugschrieb, sollte er ZEITGLEICH MIT DEM SPIEL erschei-nen können, und dann würde alles ganz toll und cleveraussehen, als sei es die ganze Zeit so geplant gewesen.So weit die Idee.

Ich besuchte das Studio und bekam Rat und Hilfe vonden Spieleentwicklern, vor allem von Gav Thorpe. Dannmachte ich mich an die Arbeit.

Ich glaube, was mich an Johns Zeichnung inspirierte,war die aristokratische Kleidung: der üppige schwarzeSamt der Ärmel und die Gravuren in der eleganten, gol-denen Waffe. Hier ging es nicht um das Schlachtfeld,um die Front mit Schlamm, Giftgas und gigantischenMaschinen. Hier ging es um einen Blick hinter die Linienund auf das innere Gefüge des Imperiums. Hier bot sicheine Gelegenheit zur Erforschung dessen, was man die»Heimatfront« des Warhammer-40,000-Universums nen-nen könnte: das tägliche nicht militärische Leben – beider Arbeit, bei der Ausübung der Religion, in der Frei-zeit, vor Gericht, in den Elendsvierteln. Eine Gelegenheit,Welten zu besuchen, die nicht vom Krieg eingeebnetworden waren, und festzustellen, wie die vielen Milliar-den Imperiumsbürger lebten.

Und außerdem war es eine Gelegenheit herauszufin-den, welches Böse sie im Schatten ihrer eigenen Makro-polstädte beschlich.

Aus dem Roman wurde eine Trilogie, die die Laufbahneines Mannes nachzeichnet. Andere Geschichten, vondenen hier zwei vertreten sind, spielen in diese Trilogiehinein, und die Erlebnisse einiger Hauptfiguren findenin den »Ravenor«-Romanen ihre Fortsetzung.

John Blanches Bilder hatten schon immer einen grund-legenden Einfluss auf die einzigartige Atmosphäre des

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Warhammer-40,000-Universums. Mit Stolz erkenne ichdiese Zeichnung als inspiratorische Quelle für »Eisen-horn« an. Wohin man auch schaut, beseelen Blanchesstachelige, gotische, verschnörkelte Visionen das Spiel,und ich stelle mir vor, dass man auch in diesem Bandeinen Anflug davon finden kann. Allen individuellenWidmungen zum Trotz ist dieser Sammelband also mitRespekt Mr. John Blanche gewidmet.

Sollte ich natürlich jemals herausfinden, wessen Ideees war, die Romane in der ersten Person zu schreiben,statte ich seinem Haus einen Besuch mit einem Baseball-schläger ab. Die Probleme mit dem Plot, die das verur-sacht hat …

Ach, Augenblick mal. Das war meine Idee.

Dan AbnettMaidstone, 9. August 2004

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Eisenhorn Xenos

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AUF BEFEHL SEINER HEILIGSTEN MAJESTÄTDES GOTT-IMPERATORS VON TERRA

BESCHLAGNAHMTE DOSSIERS DER INQUISITIONNUR FÜR BEFUGTES PERSONAL

AKTE 112:67B:AA6:Xad

Bitte Zugangsberechtigung eingeben

> •••••••••••••

Wird verifiziert

Vielen Dank, Inquisitor.

Sie dürfen fortfahren.

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WÖRTLICHE NIEDERSCHRIFT EINES AUFGEZEICHNETEN BILD-DOKUMENTS

ORT: MAGINORDATUM: 239.M41

AUS SERVITOR-AUFZEICHNUNGSMODUL GEBORGEN

NIEDERGESCHRIEBEN VON GELEHRTER ELEDIX, ORDO HERETICUS

DATENBANK-FAKULTÄT DER INQUISITIONFIBOS SECUNDUS, 240.M41

[Statisches Rauschen geht über in] Dunkelheit. Ent-fernte Laute menschlicher Schmerzen. Ein Lichtblitz[mögl. Laserfeuer?]. Laufgeräusche.

Bildquelle bewegt sich, sucht, wackelt. Ein paar Stein-mauern in Nahaufnahme. Noch ein Blitz, heller, näher.Ein Schmerzensschrei [Quelle unbekannt]. Ein extremheller Blitz [Bildverlust].

[Bild für 2 Minuten 38 Sekunden unkenntlich; Hinter-grundlärm.]

Ein Mann [Subjekt (i)] in langen Gewändern ruft etwas,während er nah an der Bildquelle vorbeigeht [Wortlautnicht auszumachen]. Umgebung, dunkles Gestein [mögl.Tunnel? Krypta?]. (i)s Identität ist unbekannt [nur Teil-aufnahme vom Gesicht]. Bildquelle hängt sich hinter (i)

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und beobachtet, während (i) einen Energiehammer auseiner Oberschenkelschlaufe unter dem Gewand hervor-holt. Nahaufnahme von (i)s Händen, wie sie den Schaftumklammern. Der Siegelring eines Inquisitors ist deut-lich zu sehen. (i) dreht sich um [Gesicht bleibt im Schat-ten]. (i) spricht.

STIMME (i): Los! Los, im Namen von allem, was heilig ist!Vorwärts und [Worte nicht rekonstruierbar] verfluchtenUngeheuer den Tod!

Weitere Lichtblitze, jetzt eindeutig als nahe Laser-Ein-schläge zu erkennen. Bildquellenfilter blenden nicht ab[Überbelichtung].

[Überbelichtung dauert 0 Minuten 14 Sekunden, da-nach langsame Rückkehr des Kontrasts.] Bildquelle pas-siert den hohen Steineingang einer größeren Kammer.Graues Gestein, roh behauen. Bildquelle schwenkt. Lei-chen im Eingang und zusammengebrochen auf Innen-treppe. Massive Wunden, Verstümmlungen. Steine nassvon Blut.

STIMME IM OFF [(i)]: Wo bist du? Wo bist du? Zeig dich!

Bildquelle rückt näher. Zwei menschliche Gestalten ge-hen daran vorbei nach links, verschwommen [Standbildzeigt, dass eine [Subjekt (ii)] männlich ist, etwa 40 Jahrealt, stämmig, Rüstung der Imperialen Garde [keine Insignien oder Dienstnummer], zahlreiche Gesichtsnar-ben [alt], mit einem schweren Karabiner mit Munitions-gurt bewaffnet; die andere [Subjekt (iii)] ist eine Frau,etwa 25 Jahre alt, schlank, Haut blau gefärbt, Tätowie-rungen und hautenge Rüstung einer Initiantin des Mo-rituri-Todeskults, mit einer Energieklinge [etwa 45 cmLänge] bewaffnet.

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Verschwommene Gestalten (ii) und (iii) passieren Bild-quelle. Bildquelle schwenkt herum und verharrt bei Seitenansicht von (ii) und (iii), die in ein blutiges Hand-gemenge mit Widersachern auf tieferen Treppenstu-fen verwickelt sind. Widersacher sind eine heterogeneMischung: sechs Menschen mit chirurgischen/bio-nischen Implantaten, zwei Mutanten, drei Angriffsser-vitoren [siehe beiliegende Akte zu baulichen Einzelhei-ten]. (ii) schießt mit schwerem Karabiner [Tonspur ver-zerrt].

Zwei menschliche Widersacher zerfetzt [Rauch lässtBild teilweise undeutlich werden]. (iii) trennt Mutantden Kopf ab, springt rückwärts [Annahme des Nieder-schreibenden – Bildquelle zu langsam, um zu folgen]und spießt menschlichen Widersacher auf. Bildquellebewegt sich nach unten [Bild ruckelig].

STIMME IM OFF: Maneesha! Nach links! Nach l…

Bildquelle erfasst teilweise, wie (iii) wiederholt vonEnergiefeuer getroffen wird. (iii) zuckt, explodiert. Bild-quelle wird von Blutnebel besprüht [Bild trübt sich].[Bild wird klargewischt.] (ii) brüllt, eilt vorwärts undaus dem Bild und schießt dabei mit seinem schwerenKarabiner. Jäher Kreuzfeuer-Lasereffekt [Laserstrahlenblenden Bildquellen-Optik].

[Verschiedene Lärmquellen, unverständliche Stimmen,einiges Geschrei.]

[Bild kehrt zurück.] (i) ist genau vor der Bildquelle undstürmt in eine ausgedehnte rechteckige Kammer, dievon grünen chemischen Lampen erleuchtet ist [Gesichtwird 0,3 Sekunden beleuchtet]. Subjekt (i) eindeutig alsInquisitor Hetris Lugenbrau identifiziert.

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LUGENBRAU: Quixos! Quixos! Ich habe alles dem Schwertund dem reinigenden Feuer übergeben! Jetzt du, Ungeheuer!Jetzt du, Bastard!

STIMME [nicht identifiziert]: Ich bin hier, Lugenbrau.Kharnagar wartet.

Lugenbrau (i) bewegt sich aus dem Bild. Bildquelleschwenkt. Bild ruckelig. Körperteile liegen verteilt aufKammerboden [Zusammensetzung identifiziert Subjekt(ii) als eine der neun Leichen]. Stärkere Detonation(en)in der Nähe. Bild wackelt, Bildquelle kippt zur Seite.

[Bildausfall für 1 Minute 7 Sekunden. Starker Hinter-grundlärm.]

[Bild kehrt zurück.] Lugenbrau teilweise auf der linkenSeite zu sehen, ist in Kampf verwickelt. Nachglühenvon Energiehammerschlägen bleibt mehrere Sekundenins Bild gebrannt [Bild undeutlich].Bildquelle wird ganz auf Lugenbrau gerichtet. Lugen-brau in grimmigen Nahkampf mit unbekanntem Feindverwickelt. Bewegungen zu schnell für Bildquelle, nichterfassbar. Verschwommene menschliche Gestalten [Iden-tität unbekannt, mögl. Truppen von Widersachern] kom-men von rechts. Köpfe menschlicher Gestalten explo-dieren. Gestalten gehen zu Boden.[Überbelichtung. Bildquelle fällt aus. Dauer unbekannt.]

[Bild kehrt zurück, gestört.] Verwackelte Aufnahmenvon Boden und Wand. Bildschärfe wird justiert. Bild-quelle erfasst Lugenbrau und Widersacher im Kampf[Rauchschwaden beeinträchtigen Sicht]. Kampf wie zu-vor zu hektisch für Erfassung durch Bildquelle. Star-ker Hintergrundlärm. Leuchtende Linie [mutmaßlichKlingenwaffe] spießt Lugenbrau auf. Bild wackelt [ei-

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nige Bilder unbrauchbar]. Lugenbrau opfert sich [Bildbrennt aus].

[Pause/leeres Bild von unbestimmter Dauer.]

[Bild kehrt zurück.] Nahaufnahme von Gesicht, das inBildquelle schaut. Identität unbekannt [Subjekt (iv)].(iv) ist gut aussehend, wie gemeißelt, und lächelt. DerBlick ist leer.

STIMME: (iv): Hallo, kleines Ding. Ich bin Cherubael.

Lichtblitz.

Schrei [stammt mutmaßlich von Bildquelle].

[Bild erlischt. Aufzeichnung endet.]

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E I N S

Eine kalte Ankunft.Tod in den Schlummergewölben.Einige puritanische Reflexionen.

Auf der Jagd nach dem Schwerverbrecher Murdin Ey-clone kam ich im Schlummer des Jahres 240.M41 desImperialen siderischen Kalenders nach Hubris.

Der Schlummer dauerte elf Monate von Hubris’ neun-undzwanzigmonatigem Mondjahr, und das einzige Le-benszeichen waren die Hüter mit ihren Leuchtstäbenund Thermomänteln, die in den Revieren der Hibernati-onsgruften Streife gingen.

In jenen düsteren Gewölben aus Basalt und Keramitschliefen die Edlen von Hubris, träumten in Kryptenaus Eis und warteten so auf die Schmelze, der mittlerenJahreszeit zwischen Schlummer und Vitale.

Sogar die Luft war eisig. Reif verkrustete die Gruften,und das einförmige Land war von einer dicken Eis-schicht überzogen. Am Himmel funkelten die Sternbil-der in der kuriosen beständigen Nacht. Einer davon warHubris’ Sonne, die jetzt sehr weit entfernt war. Zu Be-ginn der Schmelze würde sich Hubris wieder in diewarme Umarmung seiner Sonne drehen.

Dann würde sie zu einer flammenden Kugel anwach-sen. Jetzt war sie nur ein Lichtfunke.

Als mein Kanonenboot auf dem Landekreuz vonGruftspitze aufsetzte, hatte ich bereits einen Thermo-

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anzug mit interner Heizung und mehrere Schichten ge-fütterte Schlechtwetterkleidung angezogen, aber den-noch durchfuhr mich jetzt die gefährliche Kälte. MeineAugen tränten, und die Tränen gefroren auf meinenWimpern und Wangen. Ich erinnerte mich an die Einzel-heiten der kulturellen Einweisung, die mein Gelehrterfür mich vorbereitet hatte, und ließ zitternd mein Frost-visier herunter, da warme Luft unter der Plastikmaskezu zirkulieren begann.

Hüter, durch astropathische Rufe auf meine Landungaufmerksam gemacht, erwarteten mich an der Basis desLandekreuzes. Ihre Leuchtstäbe neigten sich zur Ehren-bezeugung in der eisigen Nacht, und die Luft dampftein der Hitze, die aus ihren Mänteln entwich. Ich nickteihnen zu und zeigte dem Anführer mein Amtssiegel. EinEiswagen wartete, ein zwanzig Meter langer Pfeil aufKufen und dornengespickten Ketten.

Er brachte mich weg vom Landekreuz, und ich ließdie blinkenden Signallichter und die gezähnte Dolch-form meines Kanonenboots in der ewigen Winternachthinter mir zurück.

Die Dornenketten wirbelten Reifwolken hinter unsauf. Vor uns war die Landschaft trotz der Lampenschwarz und undurchdringlich. Ich fuhr mit Lores Vib-ben und drei Hütern in einer Kabine, die nur vom bern-steinfarbenen Schein des Armaturenbretts erleuchtetwar. Heizöffnungen in den Ledersitzen atmeten warme,abgestandene Luft aus.

Ein Hüter reichte Vibben eine Datentafel. Sie betrach-tete sie oberflächlich und reichte sie dann an mich wei-ter. Mir ging auf, dass mein Frostvisier noch unten war.Ich hob es und suchte dann in meinen Taschen nachmeiner Brille.

Mit einem Lächeln holte Vibben sie aus den Schichtenihrer eigenen gefütterten Kleidung. Ich nickte dankend,setzte sie auf und fing an zu lesen.

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Ich rief gerade die letzte Textseite auf, als der Eis-wagen hielt.

»Prozessional Zwo-Zwölf«, verkündete einer der Hüter.Wir stiegen aus und schoben unser Visier wieder herab.Juwelen aus Reifflocken umflatterten uns in der

Schwärze und funkelten, wenn sie durch die Scheinwer-ferstrahlen des Eiswagens flogen. Ich habe von bittererKälte gehört. Wenn der Imperator mir gnädig ist, mussich sie nie wieder spüren. Beißend, lähmend und tat-sächlich bitter auf der Zunge. Jedes Gelenk in meinemKörper protestierte und ächzte.

Meine Hände und mein Verstand waren taub.Das war nicht gut.Prozessional Zwo-Zwölf war eine Hibernationsgruft

am Westende der großen Imperialen Allee. Es beher-bergte zwölftausendeinhundertzweiundvierzig Mitglie-der der herrschenden Elite von Hubris.

Wir näherten uns dem großen Monument mit in dereisigen Dunkelheit knirschenden Schritten.

Ich blieb stehen. »Wo sind die Hüter der Gruft?«»Sie machen ihre Runde«, wurde mir gesagt.Ich warf einen Blick auf Vibben und schüttelte den Kopf.

Sie schob eine Hand in ihre pelzgesäumten Gewänder.»Obwohl sie wissen, dass wir kommen?«, hakte ich

bei dem Hüter nach. »Obwohl sie wissen, dass wir er-warten, sie zu treffen?«

»Ich sehe nach«, sagte der Hüter, der auch die Daten-tafel herumgereicht hatte. Er ging die Treppe empor,und das Phosphorlicht auf seinem Stab wackelte.

Die anderen beiden schienen sich unbehaglich zu füh-len.

Ich gab Vibben einen Wink, damit wir dem Führer ge-meinsam folgten.

Wir fanden ihn auf einer niedrigen Terrasse, wo er aufdie daliegenden Leichen von vier Hütern starrte, derenLeuchtstäbe rings um sie gerade knisternd erloschen.

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»W-wie?«, stammelte er.»Bleiben Sie zurück«, sagte Vibben und zog ihre Waffe.

Die winzige bernsteinfarbene Geladen-Rune leuchtetein der Dunkelheit.

Ich zog meine Klinge und schaltete die Energie ein.Sie summte.

Der Südeingang der Gruft war offen. Goldene Licht-strahlen fielen nach draußen. All meine Befürchtungenbestätigten sich schlagartig.

Wir traten ein, wobei Vibben ihre Waffe herumwan-dern ließ und den Raum sicherte. Der Korridor warschmal und hoch und von chemischen Lichtkugeln er-leuchtet. Eindringender Reif setzte sich langsam auf denpolierten Basaltwänden ab.

Ein paar Meter weiter lag ein weiterer Hüter in einergefrierenden Blutlache. Wir schritten über ihn hinweg.Auf beiden Seiten öffneten sich Gänge, die zu den Hiber-nationsplätzen führten. In jeder Richtung reihenweiseEisbetten, die die geglätteten Basaltkammern ausfüllten.

Es war wie ein Marsch durch das größte Leichen-schauhaus des Imperiums.

Vibben wandte sich lautlos nach rechts, und ich gingnach links.

Ich gebe zu, ich war mittlerweile aufgeregt, erpichtdarauf, eine Sache zu beenden und abzuschließen, diesechs Jahre angedauert hatte. Eyclone hatte sich mirsechs volle Jahre entzogen! Jeden Tag studierte ich seineMethoden, und jede Nacht träumte ich von ihm.

Jetzt konnte ich ihn riechen.Ich schob mein Visier hoch.Wasser tropfte vom Dach. Tauwasser. Es wurde wär-

mer hier drinnen. Einige der undeutlichen Gestaltenrührten sich in ihren Eisbetten.

Zu früh! Viel zu früh!Eyclones erster Mann griff mich von Westen an, als

ich eine Kreuzung im Korridor erreichte. Ich fuhr mit

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dem Energieschwert in der Hand herum und durch-trennte seinen Hals, bevor seine Eisaxt traf.

Der zweite kam von Süden, der dritte von Osten. Unddann mehr. Mehr.

Alles verschwamm.Beim Kämpfen hörte ich heftiges Geschrei aus den

Gewölben rechts von mir. Vibben war in Schwierig-keiten.

Ich konnte sie über Kom in unseren Kapuzen hören:»Eisenhorn! Eisenhorn!«

Ich fuhr herum und schlug zu. Meine Gegner trugenallesamt Wärmemäntel und Eiswerkzeuge, die gefähr-liche Waffen darstellten. Ihre Augen waren dunkel undabweisend. Sie waren zwar schnell, hatten aber etwasan sich, das auf gedankenloses Handeln schließen ließ,wie auf Befehl.

Das Energieschwert, eine antike und elegante Waffe,vom Profos von Inx persönlich gesegnet, wirbelte inmeiner Hand. Mit fünf abrupten Manövern machte ichLeichen aus ihnen und hinterließ ihren Blutnebel in derLuft.

»Eisenhorn!«Ich fuhr herum und rannte. Ich platschte mit schwe-

rem Tritt durch einen Korridor voller Schmelzwasser.Mehr Gebrüll voraus. Ein erstickter Schrei.

Ich fand Vibben bäuchlings auf einem Kühlrohr, vonihrem gefrorenen Blut an das Unter-Null-Plastek ge-klebt. Acht Diener Eyclones lagen leblos um sie herum.Ihre Waffe war gerade außer Reichweite ihrer suchen-den Hand, die verbrauchte Energiezelle aus dem Griffausgeworfen.

Ich bin zweiundvierzig Standardjahre alt, nach impe-rialen Maßstäben in der Blüte meiner Jahre, jung nachdenen der Inquisition. Mein Leben lang habe ich in demRuf gestanden, kalt und gefühllos zu sein. Einige habenmich herzlos, rücksichtslos, sogar grausam genannt.

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Das bin ich nicht. Ich bin nicht unfähig zu emotionalenReaktionen und Mitgefühl. Aber ich besitze – undmeine Vorgesetzten sehen darin meine vielleicht größteTugend – eine außerordentliche Willenskraft. In meinergesamten Laufbahn hat es mir sehr viel genützt, michdarauf zu stützen und mich damit gegen alles zu wapp-nen, was mir diese elende Galaxis entgegenschleudernkann. Schmerzen, Furcht oder Kummer zu empfindenwäre ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann.

Lores Vibben hatte fünfeinhalb Jahre an meiner Seitegedient. In dieser Zeitspanne hatte sie mir zwei Mal dasLeben gerettet. Sie betrachtete sich als meinen Adjutantund Leibwächter, aber in Wahrheit war sie mehr eineKameradin und Kampfgefährtin. Ursprünglich hatte ichsie wegen ihrer Kampffähigkeiten und brutalen Vitali-tät aus den Klan-Elendsvierteln von Tornish rekrutiert,aber später hatte ich auch ihren scharfen Verstand, un-terkühlten Humor und klaren Kopf schätzen gelernt.

Ich starrte einen Moment auf ihren Leichnam. Ichglaube, ich könnte ihren Namen geflüstert haben.

Ich schaltete mein Energieschwert aus, schob es zurückin die Scheide und zog mich in den Schatten auf der anderen Seite der Hibernationsgalerie zurück. Ich hörtenichts außer dem zunehmend beharrlicheren Tropfendes Tauwassers. Ich zog meine Handfeuerwaffe ausdem Lederhalfter unter der linken Armbeuge, über-prüfte das Magazin und öffnete eine Kom-Verbindung.Eyclone überwachte zweifellos den Kom-Verkehr inund um Prozessional Zwo-Zwölf, also benutzte ichGlossia, eine informelle verbale Verschlüsselung, dienur mir selbst und meinen unmittelbaren Kollegen be-kannt war. Die meisten Inquisitoren entwickeln ihre ei-gene Privatsprache für vertrauliche Gespräche, undmanche sind komplizierter als andere. Glossia, derenGrundlage ich vor zehn Jahren entwickelt hatte, war

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einigermaßen komplex und hatte sich im Laufe ihrer Be-nutzung organisch entwickelt.

»Dorn wünscht Aegis, räuberische Bestien unten.«»Aegis, aufgehend, die Farben des Alls«, antwortete

Betancore sofort und korrekt.»Rosendorn, im Überfluss, durch Flamme Licht Halb-

mond.«Eine kurze Pause. »Durch Flamme Licht Halbmond?

Bestätigen.«»Bestätigt.«»Scharf Delphus Pfad! Schema Elfenbein!«»Schema abgelehnt. Schema Feuerprobe.«»Aegis, aufgehend.«Die Verbindung brach ab. Er war unterwegs. Die

Nachricht von Vibbens Tod hatte ihn so hart getroffen,wie ich erwartet hatte. Ich ging davon aus, dass diesseine Leistung nicht beeinträchtigen würde. Midas Be-tancore war ein heißblütiger, ungestümer Mann, wasmit ein Grund dafür war, warum ich ihn mochte. Undbenutzte.

Ich trat mit erhobener Waffe wieder aus dem Schat-ten. Es handelte sich um eine Flottenpistole vom TypScipio, matt verchromt und mit Elfenbeinziselierun-gen im Griff. Sie fühlte sich beruhigend schwer in mei-ner Hand an. Zehn Patronen, jede ein dicker, stumpferHammer, befanden sich im Griff-Magazin. Vier weiteresolcher Magazine lagen in meiner Hüfttasche.

Ich habe vergessen, woher ich die Scipio habe. Sie gehört mir schon seit einigen Jahren. Eines Nachts, vordrei Jahren, hatte Vibben die Platten mit ihren abgenutz-ten, maschinell eingestanzten Gravuren des Imperiums-adlers und des Flottenleitspruchs im Keramitgriff her-ausgelöst und durch Elfenbeinplatten ersetzt, die sieselbst zugeschnitten und graviert hatte. Eine allgemeinübliche Praxis auf Tornish, hatte sie mich informiert, alssie mir die Waffe am nächsten Tag zurückgab. Die Elfen-

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beinschnitzerei wirkte primitiv und zeigte auf jeder Seiteeinen schlecht ausgeführten menschlichen Schädel miteiner darum gewickelten Dornenrose, die aus einer Augenhöhle wuchs und stilisierte Blutstropfen vergoss.Sie hatte rote Edelsteinsplitter eingearbeitet, um ihrenCharakter hervorzuheben. Unter dem Schädel war meinName in unbeholfener Schrift eingeritzt.

Ich hatte gelacht. Es hatte Zeiten gegeben, als es mirbeinahe zu peinlich gewesen war, die dergestalt ban-dengezeichnete Waffe im Kampf zu ziehen.

Doch nun, da sie tot war, ging mir auf, welche Ehremir durch ihre hingebungsvolle Arbeit erwiesen wor-den war.

Ich gab mir selbst ein Versprechen: Ich würde Eyclonemit dieser Waffe töten.

Als ergebenes Mitglied seiner hohen Majestät des Gott-Imperators Inquisition neigt sich meine Philosophiederjenigen der Amalathianer zu. Der übrigen Galaxismögen die Mitglieder unseres Ordens alle gleich er-scheinen: ein Inquisitor ist ein Inquisitor, ein Wesen derFurcht und Strafverfolgung. Es überrascht viele, dasswir innerlich durch widerstreitende Ideologien gespal-ten sind.

Ich weiß, dass es Vibben überrascht hat. Ich habeeinen ganzen langen Nachmittag mit dem Versuch ver-bracht, ihr die Unterschiede zu erklären. Es ist mir nichtgelungen.

Um es ganz simpel auszudrücken: Manche Inquisi-toren sind Puritaner und manche Radikale. Puritanerglauben und vertreten die traditionelle Stellung der In-quisition, indem sie daran arbeiten, unsere galaktischeGemeinschaft von allen kriminellen und böswilligenElementen zu säubern: vom Triumvirat des Bösen –Nichtmensch, Mutant und Dämon. Alles, was der rei-nen Herrschaft der Menschheit, den Predigten des Mi-

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nistoriums und dem Buchstaben des Imperiumsgeset-zes zuwiderläuft, ist Gegenstand der Aufmerksamkeiteines puritanischen Inquisitors. Hart, traditionsbewusst,gnadenlos … das ist der puritanische Weg.

Radikale glauben, dass alle Methoden erlaubt sind,wenn sie die inquisitorische Aufgabe erfüllen. Manche,ist mir zu Ohren gekommen, setzen tatsächlich verbo-tene Hilfsmittel wie den Warpraum selbst als Waffen ge-gen die Feinde der Menschheit ein.

Ich habe die Argumente oft genug gehört. Sie entset-zen mich. Der radikale Glaube ist ketzerisch.

Ich bin ein Puritaner aus Berufung und ein Ama-lathianer aus freien Stücken. Die unbedingte Striktheitder monodominanten Philosophie lockt mich oft, aberihr haftet herzlich wenig Raffinesse an, also ist sie nichtsfür mich.

Wir Amalathianer haben unseren Namen von derKonklave auf dem Berg Amalath. Unser Anspruch be-steht darin, den Status quo des Imperiums zu erhal-ten, und wir sind bemüht, alle Personen und Organisa-tionen zu identifizieren und zu zerstören, die die Machtdes Imperiums von außen oder innen destabilisierenkönnten. Wir glauben an Kraft durch Einheit. Wandel ist der größte Feind. Wir glauben, der Gott-Imperatorhat einen göttlichen Plan, und wir arbeiten daran, dasImperium stabil zu erhalten, bis dieser Plan bekanntwird. Wir missbilligen Fraktionen und interne Strei-tigkeiten … Tatsächlich ist es eine manchmal schmerz-liche Ironie, dass unsere Überzeugungen uns zu einerFraktion innerhalb der politischen Helix der Inquisitionmachen.

Wir sind das standhafte Rückgrat des Imperiums,seine Antikörper, und bekämpfen Krankheit, Wahnsinn,Verletzung und Invasion.

Ich kann mir keine bessere Art zu dienen vorstellen,keine bessere Art, Inquisitor zu sein.

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Das also bin ich, Gregor Eisenhorn, Inquisitor, Puri-taner, Amalathianer, zweiundvierzig Standardjahre alt,Inquisitor seit achtzehn Jahren. Ich bin hochgewachsenund breit in den Schultern, stark, resolut. Ich habe be-reits von meiner Willenskraft erzählt, und Sie werdenmein Geschick mit einer Klinge zur Kenntnis genom-men haben.

Was gibt es noch zu sagen? Bin ich glatt rasiert? Ja!Meine Augen sind dunkel, mein Haar noch dunkler unddicht. Diese Dinge bedeuten wenig.

Begleiten Sie mich und lassen Sie sich zeigen, wie ichEyclone tötete.

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Z W E I

Die Toten erwachen.Betancores Temperament.

Erläuterungen von Aemos.

Ich blieb im Schatten, als ich mich so lautlos durch diegroße Gruft bewegte, wie ich konnte. Ein furchtbaresGeräusch hallte durch die tauenden Gewölbe von Pro-zessional Zwo-Zwölf. Fäuste und Handflächen, die ge-gen Sargdeckel schlugen. Heulen. Gurgeln.

Die Schläfer erwachten, die kalten Leiber wund vonder Hibernationskrankheit, und waren in ihren Särgengefangen. Keine Ehrengarde ausgebildeter Kryo-Inge-nieure wartete, um sie herauszuholen und ihre Organemit wärmenden Bioflüssigkeiten zu waschen, ihnen stimulierende Mittel zu injizieren oder die gelähmtenGlieder zu massieren.

Dank Eyclones Bemühungen wurden zwölftausend-einhundertzweiundvierzig Mitglieder der herrschen-den Klasse dieses Planeten viel zu früh in der bitterenJahreszeit Schlummer geweckt, und zwar ohne die not-wendige medizinische Aufsicht.

Ich zweifelte nicht daran, dass sie alle in wenigen Mi-nuten erstickt sein würden.

Mein Verstand ging noch einmal die Einzelheitendurch, die mein Gelehrter für mich vorbereitet hatte. Esgab einen zentralen Kontrollraum, wo ich die Eisbett-schlösser öffnen und sie zumindest alle befreien konnte.

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Aber wozu? Ohne die Wiederbelebungstrupps würdensie alle sterben.

Und wenn ich den Kontrollraum suchte, würde Ey-clone Zeit zur Flucht haben.

In Glossia unterrichtete ich Betancore von dieserZwickmühle und sagte ihm, er solle die Hüter alarmie-ren. Nach einer Pause informierte er mich, dass Entsatz-truppen unterwegs seien.

Aber warum? Die Frage war immer noch nicht beant-wortet. Warum tat Eyclone das?

Massenmord war nichts Ungewöhnliches für einenAnhänger des Chaos. Aber er musste einen Sinn nebenund außer dem Töten an sich haben.

Darüber dachte ich nach, während ich einen Flur tiefim Westflügel des Prozessionals durchquerte. HektischeSchlaggeräusche drangen aus allen Betten ringsumher,und eine stechende Mischung aus Eiswasser und Bio-flüssigkeit sprudelte aus den Ablaufhähnen und überden Boden.

Ein Schuss ertönte. Ein Laserschuss. Er verfehlte michum weniger als eine Handbreit und bohrte sich durchdie Kopfplatte eines Eisbetts hinter mir. Sofort hörte dashektische Hämmern in dem Bett auf, und das Wasser,das aus ihm ablief, färbte sich rosa.

Ich schoss mit der Scipio durch das Gewölbe, und derLärm des Schusses ließ mich zusammenfahren.

Zwei weitere Laserstrahlen zuckten mir entgegen.Ich nahm Deckung hinter einem steinernen Schott und

leerte ein Magazin in die Galerie, wobei die leeren Hülsenin der Luft rauchten, als sie beim Nachladen ausgewor-fen wurden. Heißer Korditdampf wehte mir entgegen.

Ich schwang zurück in Deckung und wechselte dasMagazin.

Noch ein paar Laserstrahlen schossen an mir vorbei,dann ertönte eine Stimme.

»Eisenhorn? Gregor, sind Sie das?«

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Eyclone, ich erkannte seine dünne Stimme sofort. Ichantwortete nicht.

»Sie sind tot, wissen Sie das, Gregor? Tot wie alle an-deren hier. Tot, tot, tot. Kommen Sie raus und machenSie’s kurz.«

Er war gut, das muss ich ihm lassen. Meine Beinezuckten tatsächlich und machten Anstalten, mich ausmeiner Deckung ins Freie zu befördern. Eyclone war ineinem Dutzend besiedelter Systeme für seine geisti-gen Kräfte und den hypnotischen Tonfall berühmt. Wiewäre es ihm sonst gelungen, diese dunkeläugigen Nar-ren dazu zu bringen, ihm zu Willen zu sein?

Aber ich habe ähnliche Fähigkeiten. Und ich habe sieweit entwickelt.

Es gibt Zeiten, da muss man Tricks des Geistes oderder Stimme vorsichtig einsetzen, um das Ziel hervorzu-locken. Und es gibt Zeiten, in denen man sie benutzt wieeinen Karabiner aus nächster Nähe.

Es war an der Zeit für Letzteres.Ich stellte mich auf den richtigen Tonfall ein, sam-

melte mich und brüllte: »Zeigen Sie sich zuerst!«Eyclone gehorchte nicht. Das erwartete ich auch nicht

von ihm. Wie ich hatte er Jahre des Widerstandstrai-nings hinter sich. Aber seine beiden Henkersknechtewaren leichte Beute.

Der erste trat gleich mitten in den Korridor der Gale-rie und ließ scheppernd seine Laserwaffe fallen. Die Scipio bohrte ihm ein Loch mitten in die Stirn und fegteihm das Hirn in einem grotesken rosa Nebel aus demHinterkopf. Der andere stolperte ebenfalls hervor, er-kannte seinen Fehler und fing an zu schießen.

Einer seiner Laserstrahlen versengte den Ärmel mei-ner Jacke. Ich drückte ab, und die Scipio bockte undfauchte in meinem festen Griff.

Das Geschoss drang unter der Nase in seinen Kopfein, zersplitterte an den Zähnen des Oberkiefers und

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sprengte ihm den Schädel weg. Er schwankte und fiel,während tote Finger immer wieder das Lasergewehr abfeuerten und die Stirnplatten der Hibernationskam-mern ringsumher zerstrahlten. Stinkendes Wasser, Bio-Flüssigkeit und Plastikfragmente strömten aus, und ei-nige Schreie wurden lauter.

Ich hörte Schritte neben dem Geschrei. Eyclone floh.Ich folgte ihm, rannte durch die Gewölbe und an Ga-

lerie um Galerie vorbei.Das Geschrei, das Hämmern … Gott-Imperator helfe

mir, das werde ich nie vergessen. Tausende Seelen, dieaufwachten und einem qualvollen Tod ins Angesichtschauten.

Eyclone sollte verflucht sein. Zur Hölle und zurück.In der dritten Galerie sah ich ihn, da er parallel zu mir

lief. Er sah mich ebenfalls. Er fuhr herum und schoss.Ich sprang geduckt zurück, und sein Laserstrahl zisch-

te an mir vorbei.Ein flüchtiger Blick war alles, was ich von ihm er-

haschte: ein kleiner, drahtiger Mann in einem braunenThermomantel mit ordentlich gestutztem Kinnbart, indessen Augen Böswilligkeit funkelte.

Ich schoss zurück, doch er lief bereits wieder.Ich folgte ihm, erblickte ihn in der nächsten Galerie

und schoss wieder.In der nächsten Galerie: nichts. Ich wartete und legte

meine äußerste Kleiderschicht ab. Es wurde warm undfeucht in Prozessional Zwo-Zwölf.

Als eine weitere Minute verstrich und immer nochnichts von ihm zu sehen war, schlich ich mit erhobenerPistole langsam die Galerie entlang zu seiner letzten Posi-tion. Ich war zehn Schritte weit gekommen, als er aus sei-ner Deckung schwang und das Feuer auf mich eröffnete.

An dieser Stelle wäre ich bereits gestorben, hättennicht die unberechenbaren Götter des Schicksals unddes Zufalls ihre Hände im Spiel gehabt.

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In dem Augenblick, als Eyclone schoss, gaben meh-rere Kryoröhren endlich nach, und heulende, nackte,mit Blasen übersäte Menschen taumelten in den Kor-ridor, streckten vereiste Klauenhände aus, jammertenund übergaben sich, blind und vom Eis verbrannt. Ey-clones Schüsse zerfetzten drei von ihnen und verstüm-melten den vierten entsetzlich. Wären sie nicht gewesen,hätten die Laserstrahlen mich erledigt.

Schritte, eilige. Er floh weiter.Ich folgte ihm durch die Galerie und übersprang die er-

schossenen Schläfer, die mich unabsichtlich gerettet hat-ten. Der verwundete Mensch war eine Frau mittleren Al-ters, die verstümmelt und nackt im Schmelzwasser lag.Sie tastete nach meinem Bein und flehte um Erlösung.Eyclones Laserstrahl hatte ihr den Bauch aufgeschlitzt.

Ich zögerte. Ein gnädiger Kopfschuss würde ihr allesersparen. Aber ich konnte nicht. Nachdem sie erwachtwaren, würde die Hierarchie von Hubris einen Gna-denschuss nicht verstehen. Ich würde hier Jahre festsit-zen und mit meinem Fall alle Instanzen ihrer Gerichtedurchlaufen müssen.

Ich schüttelte ihren verzweifelten Griff ab und gingweiter.

Halten Sie mich für schwach, makelbehaftet? HassenSie mich, weil ich meine Rolle als Inquisitor über die Be-dürfnisse eines gequälten Wesens stellte?

Wenn Sie das tun, pflichte ich Ihnen bei. Ich denke im-mer noch an diese Frau und hasse die Tatsache, dass ichsie einem langsamen Tod überlassen habe. Aber wennSie mich hassen, weiß ich eines über Sie … Sie sind keinInquisitor. Ihnen fehlt die moralische Stärke.

Ich hätte sie erledigen können, und meine Seele hättevielleicht Erleichterung gefunden. Aber das hätte meineArbeit beendet. Und ich denke immer an die vielen Tausend … vielleicht Millionen … die ohne meine Tateneinen schlimmeren Tod sterben würden.

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Ist das Arroganz?Vielleicht … und vielleicht ist Arroganz daher eine

Tugend der Inquisition. Ich würde mit Freuden ein ge-quältes Leben ignorieren, wenn ich dafür hundert odertausend mehr retten könnte …

Die Menschheit muss leiden, damit die Menschheitüberleben kann. So einfach ist das. Fragen Sie Aemos. Erweiß Bescheid.

Trotzdem träume ich von ihr und ihren blutigen Qua-len. Haben Sie wenigstens dafür Mitleid mit mir.

Ich lief weiter durch die Gewölbe der Gruft, und nachweiteren ein oder zwei Galerien ging es nicht mehr rich-tig vorwärts. Hunderte Schläfer hatten sich mittlerweilebefreit und wuselten in hektischer blinder Qual umher.Ich wich allen aus, so gut ich konnte, hielt mich von tas-tenden Händen fern und schritt über einige hinweg, diehilflos zuckend am Boden lagen. Die Geräuschkulisseihres kollektiven Heulens und Wimmerns war fast un-erträglich. Ein heißer Gestank nach Verwesung und Bio-Abfall lag in der Luft. Mehrmals musste ich mich vonHänden losreißen, die mich festhielten.

Groteskerweise machte es das Grauen leichter, Ey-clone zu verfolgen. Alle paar Schritte lag ein weitererSchläfer tot oder im Sterben da, von Mördern auf ver-zweifelter Flucht eiskalt niedergeschossen.

Ich fand eine aufgebrochene Wartungstür am Endeder nächsten Reihe und betrat ein tiefes Treppenhaus,das sich durch das ganze Bauwerk zog. Chemische Licht-kugeln in Wandhalterungen beleuchteten den Weg. Vonweit oben drangen Schüsse zu mir, und ich erklomm dieTreppe, die Pistole erhoben und im Anschlag und aufjede Biegung des Treppenhauses gerichtet, wie Vibbenes mir beigebracht hatte.

Eine Plakette an der Wand verriet mir, dass ich dieachte Etage erreicht hatte. Ich konnte Maschinenlärm

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hören, industriell und schwer. Hinter einer weiteren auf-gebrochenen Wartungstür lagen die Laufstege zu dennächsten Galerien und eine Seitenzugangsluke aus ge-bürstetem grauen Adamit, die von den aufgestempeltenRunen als Zugang zu den kryogenischen Hauptgenera-toren identifiziert wurden. Aus der Luke drangen Rauchund Lärm.

Der Kryo-Generatorenraum war riesig, seine Deckereichte bis in die pyramidenförmige Spitze von Prozes-sional Zwo-Zwölf. Die tuckernde Ausrüstung darin waralt und ausgedehnt. Die mir im Eiswagen überreichteDatentafel besagte, die Kryo-Generatoren der Hiberna-tionsgruften auf Hubris seien ursprünglich für die Ar-chenflotte konstruiert worden, mit der die ersten Kolo-nisten zu dieser Welt geflogen waren. Bei der Ankunfthatte man sie aus den riesigen Archen geschnitten unddann die Steingruften darum errichtet. Eine technoma-gische Bruderschaft, die von den Ingenieuren der Ar-chenflotte abstammte, hatte die Kryo-Generatoren überviele tausend Jahre hinweg gewartet.

Dieser Kryo-Generator war sechzig Meter hoch undbestand aus Gusseisen und in mattem Bleigrau lackier-tem Kupfer. In der Höhe wuchsen ihm Verästelungen in Form von Rohren und Wärmetauschern, die sich mitden Abzugsöffnungen in der Decke vermischten. Dieheiße Luft in dem Raum vibrierte im Lärm seines Be-triebs. Qualm und Dampf wallten hindurch, und ichwar kaum durch die Luke getreten, als mir auf Stirn undRücken der Schweiß ausbrach.

Ich sah mich um und bemerkte sofort, wo mehrereWartungsluken aufgestemmt worden waren. Die roteFarbe wies überall da Kratzer und Einkerbungen auf,wo ein Brecheisen angesetzt worden war und viele hun-dert Jahre heiliger Salben und lexmechanischer Sigillen-siegel zerstört hatte, die von den Technomagi aufgetra-gen und gewartet worden waren.

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Ich lugte durch die offenen Abdeckungen und sahviele Reihen Kupferspulen, vibrierende Gestelle undRahmen, die nass von schwarzen Schmiermitteln wa-ren, rußige Ganglien aus isolierten elektrischen Leitun-gen und tropfende ummantelte Eisenrohre. Federklem-men mit zubeißenden Metallzähnen waren an einigender Spulen befestigt, und von diesen Klemmen führtenDrähte zu einem kleinen und offensichtlich neuen Kera-mitkasten, der am Lukenrahmen befestigt war. Eine di-gitale Runenanzeige auf dem Kasten blinkte bernstein-farben.

Hier hatten Eyclones Männer künstlich den Wieder-belebungsvorgang eingeleitet. Das bedeutete, er hatteentweder einheimische Technomagi rekrutiert oder Ex-perten mitgebracht. So oder so deutete dies auf be-trächtliche Mittel hin.

Ich ging weiter und kletterte eine Leiter zu einer er-höhten Metallgitterplattform empor. Noch etwas ande-res war hier, eine rechteckige Truhe, deren längereKante eineinhalb Meter maß. Sie ruhte auf vier klauen-artigen Füßen und hatte in den Seiten eingelassene Tra-gegriffe. Der Deckel war offen, und Dutzende Kabelund Schnüre hingen heraus und verbanden sie mit denelektromechanischen Eingeweiden des Kryo-Genera-tors, die unter einer weiteren aufgestemmten Luke frei-lagen.

Ich schaute in die Truhe, wurde aber nicht schlau ausdem, was ich darin sah: Schaltkreise und komplexe me-chanische Elemente, die durch Kabelbündel miteinan-der verbunden waren. Und es gab eine Stelle, eine ge-polsterte Vertiefung im Herzen der Truhe, die eindeutigdarauf wartete, etwas von der Größe einer geballtenFaust aufzunehmen. Lose Kabelenden und Stöpsel wa-ren mit Klebeband fixiert, um jederzeit verbunden wer-den zu können. Aber eine Schlüsselkomponente diesermysteriösen Vorrichtung fehlte ganz eindeutig.

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Im Ohr summte mein Kom. Es war Betancore. Ichkonnte ihn über den Generatorenlärm kaum verstehen,während er rasch auf Glossia Bericht erstattete.

»Aegis, Himmel Auftrieb, dreimal-siebenfach, eineKrone mit Sternen. Berüchtigter Engel ohne Titel, an Dornum acht. Schema?«

Ich dachte nach. Ich war nicht in der Stimmung, nochmehr Risiken einzugehen. »Dorn, Schema Falke.«

»Schema Falke bestätigt«, sagte er mit Wonne.

Ich nahm eine Bewegung im Augenwinkel wahr, unge-fähr eine halbe Sekunde, nachdem ich die Verbindungmit Betancore unterbrochen hatte: einer von Eyclonesschwarzäugigen Männern, der mit einer älteren Laserpis-tole in der Hand durch die Hauptschleuse gelaufen kam.

Sein erster Schuss, ein blendender Ball aus rosa Licht,schmolz mit einem explosiven Bersten das Metallgelän-der der Plattform, auf der ich stand. Der zweite unddritte zischten über mich hinweg, da ich mich zu Bodenwarf, und prallten mit sengendem Knistern von dengusseisernen Wänden des Kryo-Generators ab.

Ich erwiderte das Feuer, auf dem Bauch liegend, aberder Winkel war schlecht. Zwei weitere Laserschüsse ka-men mir entgegen, und einer schnitt seitlich in die Um-randung der Plattform und bohrte eine Furche durchdas Gitter. Der Schütze hatte beinahe den Fuß der Leitererreicht.

Ein zweiter Schütze drang in die Kammer ein, derdem ersten hinterherrief. Er hatte ein starkes Autoge-wehr in den Händen. Als er mich sah, riss er es in dieHöhe, aber der Schusswinkel zu ihm war viel besser,und ich fällte ihn rasch mit zwei Schüssen in den Ober-körper.

Der andere war jetzt fast unter mir und gab einenSchuss ab, der neben meinem rechten Fuß sauber durchdas Gitter schlug.

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Ich zögerte nicht. Ich sprang auf und über das Gelän-der und fiel direkt auf ihn. Wir krachten auf den Boden,und die Wucht des Aufpralls schlug mir die Scipio ausder Hand, obwohl ich mich bemühte, sie festzuhalten.Der Mann plapperte mir irgendeinen verrückten Un-sinn ins Gesicht und hatte sich vorne an meiner Jackefestgekrallt. Ich hatte ihn bei der Kehle und am Gelenkseiner Waffenhand, das ich wegdrehte. Er schoss damitzwei Mal in die Decke über uns.

»Genug!«, befahl ich, indem ich meinen Tonfall somodulierte, dass mein Wille betont wurde, während derBefehl in sein Bewusstsein sickerte. »Fallen lassen!«

Er tat es, so eingeschüchtert, als sei er überrascht.Psionikertricks verblüffen oft jene, auf die sie Wirkungzeigen. Während er zögerte, verpasste ich ihm einenSchlag, der gut saß, und ließ ihn bewusstlos am Bodenliegen.

Als ich mich bückte, um meine Scipio aufzuheben,meldete sich Betancore wieder über Kom. »Aegis, SchemaFalke, berüchtigter Engel gefallen.«

»Dorn bestätigt. Schema Schmelztiegel wiederauf-nehmen.«

Ich machte mich wieder an die Verfolgung des Flüch-tigen.

Eyclone schaffte es in die oberen Gewölbe und nachdraußen auf eine Landeplattform, die in die schräg ab-fallende Seite von Prozessional Zwo-Zwölf eingebautwar. Der Wind war heftig. Eyclone hatte acht Mitgliederseines Kults bei sich, und sie erwarteten eine Lande-fähre, die sie in Sicherheit bringen würde.

Sie konnten nicht wissen, dass dank Betancore ihrFluchtgefährt in einem tiefen Einschlagkrater im Perma-frost ungefähr acht Kilometer weiter nördlich brannte.

Was mit heulenden, nach unten gerichteten Schub-düsen aus der stürmischen Nacht über der Landeplatt-

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form auftauchte, war mein Kanonenboot. Vierhundert-fünfzig Tonnen Panzerlegierung, achtzig Meter vom Bugbis zum Heck, die Landestützen noch ausgefahren wieSpinnenbeine, erhob es sich auf den blauglühendenSchubstrahlen. Scheinwerferlampen unter der Haken-nase wurden eingeschaltet und tauchten das Deck unddie Kultisten in grellweißes Licht.

Einige von ihnen gerieten in Panik und schossen da-rauf.

Mehr brauchte Betancore nicht. Sein Blut war in Wal-lung, sein Verstand leer bis auf die Tatsache, dass Vib-ben tot war.

Die Geschütztürme in den Enden der Stummelflügeldrehten sich und bestrichen die Plattform mit vernich-tendem Feuer. Gestein zersplitterte. Leiber wurden zer-fetzt.

Intelligenter als seine Männer, war Eyclone beim Auf-tauchen des Kanonenboots von der Plattform zur Lukegerannt.

Und dort stieß er auf mich.Er öffnete schockiert den Mund, und ich rammte die

Mündung von Vibbens Pistole hinein. Ich bin sicher, er wollte etwas Wichtiges sagen. Es interessierte michnicht.

Ich rammte ihm die Waffe so fest in den Mund, dassihm der Abzugsbügel die Vorderzähne aus dem Unter-kiefer brach. Er griff nach etwas in seinem Gürtel.

Ich schoss.Nachdem die Kugel seinen Schädel geleert und oben-

drein zerschmettert hatte, blieb ihr noch so viel Energie,über das Deck zu fliegen und von der gepanzerten Nasedicht unter dem Kanzelfenster des dort schwebendenKanonenboots abzuprallen.

»Verzeihung«, sagte ich.»Kein Problem«, gab Betancore knisternd über Kom

zurück.

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Page 42: Eisenhorn 11.07.2012 13:08 Uhr Seite 1Inquis Exterminatus. Ein Kerl mit einem Kopf voller Ka-bel, einem schwarzen Pelzmantel, einem zweiköpfigen Adler auf der Schulter und einer goldenen,

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Dan Abnett

EisenhornDrei Warhammer-40,000-Romane in einem Band

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 1360 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-453-52987-8

Heyne

Erscheinungstermin: September 2012

Alle drei Eisenhorn-Romane in einem Band mit Bonusmaterial Die Inquisition – gefürchtet, gehasst und gefährlich. Sie wacht über das Imperium derMenschheit im 41. Jahrtausend und stürmt wie ein rächender Schatten gegen die finsterenMächte des Chaos. Inquisitor Gregor Eisenhorn ist einer ihrer loyalsten Diener – bis er einRätsel lösen muss, das ihn in die Grenzbereiche zwischen Gut und Böse führt …