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Erstellt von: M.A. Robin Kellermann, TU Berlin Berlin, Januar 2017 Elektronische Ticket- und Verkehrszugangssysteme: Vergleichende Analyse internationaler Fallbeispiele

Elektronische Ticket- und Verkehrszugangssysteme ... · Verkehrsanbieter MTR, KCRC, KMB, Citybus und HYF gründeten dazu die „Creative Star Limited“ in deren organisatorischen

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Erstellt von: M.A. Robin Kellermann, TU Berlin

Berlin, Januar 2017

Elektronische Ticket- und Verkehrszugangssysteme: Vergleichende Analyse internationaler Fallbeispiele

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Elektronische Ticket- und Verkehrszugangssysteme: Vergleichende Analyse internationaler Fallbeispiele

VERS (VERkehrszugangsSysteme): Einfluss der Nutzerbeteiligung auf Einstellungen zu Verkehrszugangssystemen

Technische Universität Berlin Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre (IBBA) Fachgebiet Arbeitslehre & Technik Sekr. MAR 1-1, Marchstraße 23, 10587 Berlin [email protected] www.zukunftsticket.berlin

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Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG 5

2. HONG KONG – OCTOPUS CARD 8 2.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE 8 2.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 10 2.3 AKZEPTANZ UND ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 11 2.4 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 12

3. TOKIO – SUICA 14 3.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE 14 3.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 15 3.3 ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 16 3.4 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT UND KOMMUNIKATION BEI EINFÜHRUNG 16 3.5 KRITIKPUNKTE UND WIDERSTÄNDE 17 3.6 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 17

4. PEKING – TRANSPORTATION SMART CARD (“YIKATONG”) 19 4.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE 19 4.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 21 4.3 ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 21 4.4 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT UND KOMMUNIKATION BEI EINFÜHRUNG 21 4.5 KRITIKPUNKTE UND WIDERSTÄNDE 22 4.6 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 22

5. GATINEAU – MULTI SMART CARD 23 5.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE/HINTERGRUND 23 5.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 23 5.3 AKZEPTANZ UND ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 24 5.4 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT UND KOMMUNIKATION BEI EINFÜHRUNG 24 5.5 KRITIKPUNKTE UND WIDERSTÄNDE 25 5.6 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 25

6. NEW YORK – SMARTLINK 26 6.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE/HINTERGRUND 26 6.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 26 6.3 AKZEPTANZ UND ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 27 6.4 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 27

WASHINGTON – SMARTRIP CARD 28 7.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE/HINTERGRUND 28 7.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 28 7.3 AKZEPTANZ UND ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 29 7.4 KRITIKPUNKTE UND WIDERSTÄNDE 29 7.5 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 30

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8. LONDON – OYSTER CARD 31 8.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE 31 8.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 32 8.3 AKZEPTANZ UND ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 33 8.4 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT UND KOMMUNIKATION BEI EINFÜHRUNG 34 8.5 KRITIKPUNKTE UND WIDERSTÄNDE 34 8.6 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 35

9. PARIS – PASSE NAVIGO / PASSE NAVIGO DÉCOUVERTE 37 9.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE/HINTERGRUND 37 9.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 37 9.3 AKZEPTANZ UND ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 38 9.4 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 38

10. VERKEHRSVERBUND RHEIN-RUHR – PERSONALISIERTE CHIPKARTEN FÜR ABONNENTEN 39 10.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE/HINTERGRUND 39 10.2 SYSTEMCHARAKTERISTIK UND TECHNISCHE UMSETZUNG 40 10.3 AKZEPTANZ UND ENTWICKLUNG DER NUTZUNGSSTATISTIKEN 40 10.4 ZUKUNFT DES SYSTEMS/AUSBAUPLÄNE 41

11. VERGLEICHENDE ZUSAMMENFASSUNG 42 11.1 VERGLEICHSMATRIX 48

LITERATURVERZEICHNIS 49

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1. Einleitung

Kontaktlose Chipkarten („Smart Cards“) sind weltweit zu einem festen Alltagsgegenstand geworden. Ob als Zugangskontrolle, Speichermedium oder interoperables Zahlungsmittel, Chipkarten im Kreditkartenformat haben auf Grundlage der Datenübertragung durch RFID- bzw. NFC-Technologie ein enormes Potential für Servicemehrwerte und Prozessbeschleunigungen in jeglichen Einsatzbereichen entwickelt.

Smart Cards sind dabei jedoch alles andere als neu. Bereits 1969 meldeten die deutschen Ingenieure Dethloff und Göttrup die Idee einer Plastikkarte mit integriertem Schaltkreis zum Patent an. Dieser sogenannte „Identifizierungsschalter“ konnte eine Information aufnehmen bzw. sie einer bestimmten Bedeutung zuordnen und fungierte somit als erster elektronischer Schlüssel (DPMA 2014). Auf diesem Patent aufbauend geht die heutige massenhaft verteilte Form der Smart Card jedoch insbesondere auf die Weiterentwicklungen von Motorola und Bull in den 1970er Jahren zurück (Blythe 2004).

Zum größten Einsatzbereich der nunmehr bald 50 Jahre alten Technologie ist in den letzten 15 Jahren der Sektor des öffentlichen Personennahverkehrs geworden. Gegenwärtig ist die Smart Card die weitverbreitetste Form des E-Ticketing (STOA 2014), da sie auf bewährter Technologie basiert, relativ günstig zu produzieren und aus Sicht der Fahrgäste als robust, einfach und transportabel gilt. So macht der ÖPNV-Markt nach Schätzungen rund 50% aller insgesamt verkauften kontaktlosen Chipkarten aus (Finkenzeller 2003, 359). Da der Massenverkehr eine inhärente Notwendigkeit zur permanenten Überprüfung von Fahrtberechtigungen aufweist, kann die kontaktlose Datenübertragung beim Einsatz zur automatischem Fahrpreisberechnung bzw. automatischen Zugangskontrolle ihre Vorteile hier besonders effizient ausspielen.

Diese Vorteile werden auf Seiten der Betreiber in tagesaktuellem Wissen über Fahrgastströme, Effizienzsteigerungen oder Einsparpotentialen im Vertrieb sowie in der Erhöhung der Fälschungssicherheit von Fahrscheinen gesehen (Ackermann 2007, Fischer 2007), wobei für die Nutzerseite eine Reduzierung von Wartezeiten, eine Erhöhung der Reiseflexibilität oder etwa die Reduzierung von kognitiven Zugangshemmnissen propagiert werden (Langheinrich 2007, VRR 2016). Die Ziele und Erwartungen des kombinierten Einsatzes von E-Tickets und RFID-gestützten Zugangskontrollsystemen liegen hoch und werden demnach seit Jahren als „beträchtlicher Modernisierungsschritt für den ÖPV“ (Kossak 2005, 14) gepriesen. Sie sollen den Nachverkehr für Kunden (insbesondere Spontan- und Gelegenheitsfahrer) attraktiver machen, sollen interne Potenziale der Verkehrsunternehmen erschließen, zusätzliche Einnahmen durch marktübergreifende Verflechtungen generieren und nicht zuletzt Interoperabilität und überregionale Integration gewährleisten, sodass Fahrgäste perspektivisch mit nur einem (elektronischen) Ticket jedes beliebige Verkehrsunternehmen eines Landes nutzen können.

Dennoch besteht für den deutschen Verkehrsmarkt keine homogene Befürwortung der Technologie, weshalb bis vor kurzem noch kein entscheidender Durchbruch des E-Tickets vermerkt werden konnte und Deutschland nach aussichtsreichen Pilotphasen international in puncto E-Ticketing noch vor wenigen Jahren als „Entwicklungsland“ galt (ebd.). Stattdessen wird für die deutsche Verkehrsforschung und -praxis eine gespaltene Diskussion zwischen euphorischer Befürwortung und kritischer Zurückhaltung konstatiert in der E-Tickets oftmals „mit Zielen und Hoffnungen überfrachtet“ (ebd.) werden. Auf absehbare Zeit wird daher von einem Nebeneinander

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konventioneller und neuer elektronischer Medien (auch als Rückfallebene bei Systemabstürzen) ausgegangen, was wiederum eine doppelte Belastung für die Verkehrsunternehmen bedeutet und die ökonomischen Rahmenbedingungen zur Einführung von E-Ticketing abermals verschlechtern könnte.

Angesichts der in der deutschen ÖPNV-Landschaft eher zurückhaltenden Umsetzung automatisierter Ticket- und Verkehrszugangslösungen auf der einen und der Vielfalt weltweiter Beispiele und Erfahrungen auf der anderen Seite, sollen mit dem vorliegenden Bericht internationale Fallstudien automatisierter Ticket- und Verkehrszugangssysteme beleuchtet und schließlich vergleichend betrachtet werden. Ziel dieses Panoramas technischer Lösungen auf drei Kontinenten ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Problemlagen und Akzeptanzentwicklungen aufzuarbeiten, die einerseits informativ als auch handlungsleitend für Umsetzungsstrategien im deutschen Kontext wirken können.

Dazu werden im Folgenden neun internationale Beispiele meist großer Städte bzw. Metropolregionen mit immensen Passagiervolumen beleuchtet.

Asien Hong Kong – Octopus Card

Tokio – Suica Card Peking – Transportation Smart Card (“Yikatong”)

Nordamerika Gatineau – MULTI Card

New York – SmartLink Card

Washington D.C – SmarTrip Card

Europa London – Oyster Card

Paris – Passe Navigo Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) – E-Tickets für Abonnenten

Die Analyse dieser Fallbeispiele erfolgte auf Grundlage von „desk research“, insbesondere der Auswertung von Presseartikeln, Jahresberichten der verantwortlichen Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbänden, statistischen Kennzahlen, Videobeiträgen von Fahrgästen, aber nicht zuletzt auch fachwissenschaftlicher und öffentlicher Auseinandersetzungen zu Akzeptanz, Problemlagen und der Bedeutung des Systems über den jeweiligen Verkehrsraum hinaus.

Folgende qualitative und quantitative Beschreibungsebenen wurden dazu als deskriptive Kategorien gewählt:

� Hintergrund/Entstehungsgeschichte � Systemcharakteristika/technische Umsetzung, � Akzeptanz/Entwicklung der Nutzungsstatistiken, � Öffentlichkeitsarbeit/Kommunikation, � Kritikpunkte/Widerstände, � Zukunft des Systems/Ausbaupläne1

1 Da die Informationen punktuell nicht für jedes Fallbeispiel gleichwertig zugänglich oder verfügbar waren, konnten stellenweise nicht alle Kategorien vollständig abgedeckt werden.

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Nachdem die Fallbeispiele entlang dieser Kategorien beleuchtet wurden, bildet ein anschließendes Vergleichskapitel interpretativ-kontextualisierende Einblicke in Gemeinsamkeiten, Unterschiede und generelle Auffälligkeiten der neun Fallbeispiele.

Projektkontext

Dieser Bericht bildet einen Teilaspekt der Forschungsarbeit des BMBF-geförderten Projektes VERS (VERkehrszugangsSysteme). Das übergeordnete Ziel des Projektes VERS liegt in der Beantwortung der Forschungsfrage, inwiefern die Partizipation der Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs bei der Ausgestaltung von RFID-basierten Verkehrszugangssystemen Einstellungen ändern und damit eine höhere Aufgeschlossenheit für neue technische Lösungen gefördert werden kann. Dazu werden zunächst die Einstellungen gegenüber IT-basierten, insbesondere RFID-gestützten Verkehrszugangssystemen erhoben, die Gründe für eine ablehnende Haltung gegenüber solchen Systemen identifiziert und schließlich untersucht, ob und inwiefern unterschiedliche Partizipationsverfahren (Kurzplanungszelle und Online-Dialog) Lösungsansätze darstellen, um auf der individuellen Ebene Nutzen und Kosten abzuwägen und Einstellungen gegenüber innovativen Verkehrszugangsangeboten zu verändern. Auf der gesellschaftlichen Ebene beabsichtigt das Projekt damit, die unproduktive Konfrontation zwischen IT-Wirtschaft und kritischer Zivilgesellschaft aufzubrechen. Neben dem methodischen Beitrag der Erörterung des Einflusses von Partizipation auf die Technikakzeptanz werden den Akteuren des öffentlichen Verkehrswesens zudem mit einem Bürgergutachten und einem Strategiepapier konkrete Handlungsempfehlungen einer nutzergerechten Technikentwicklung präsentiert, um möglichen Nutzungs- und Akzeptanzkonflikten bei der Einführung RFID- und NFC-gestützter Verkehrszugangssysteme im Sinne des „Privacy by Design“- Konzepts (BfDI 2014) schon im Vorfeld zu begegnen.

Der vorliegende Bericht ermöglicht eine Kontextualisierung des Forschungsgegenstandes bzw. die Einordnung und Anschlussfähigkeit der Handlungsempfehlungen im internationalen Rahmen.

Weitere Informationen zum Projekt: www.zukunftsticket.berlin

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2. Hong Kong – Octopus Card

Abb. 1 - Octopus Card (Quelle: Octopus Card Holdings Ltd.)

2.1 Entstehungsgeschichte 1979 führte Hong Kong als eine der weltweit ersten Städte ein automatisches Bezahlsystem für Fahrkarten auf Basis von Magnetstreifenkarten ein. Das Bezahlsystem kam jedoch zunächst nur bei einem lokalen Transportunternehmen, MTR Corporation Limited, zum Einsatz. Im Zuge neuer technischer Entwicklungen und mit Perspektive auf Effizienzpotentiale und Synergieeffekte entschieden sich 1994 die führenden Transportunternehmen Hong Kongs dazu, im Sinne einer zukunftsweisenden Nahverkehrsstrategie elektronische Tickets in Form von Chipkarten auf Basis kontaktloser Übertragungstechnologie (RFID) einzuführen. Die fünf großen privaten Verkehrsanbieter MTR, KCRC, KMB, Citybus und HYF gründeten dazu die „Creative Star Limited“ in deren organisatorischen Rahmen fortan die Octopus Card entwickelt wurde. Der Vorteil der kontaktlosen Chipkarten gegenüber den in Hong Kong seit den 1980er Jahren verwendeten magnetischen Karten lag darin, dass keinerlei Berührung mit einem Kontaktpunkt mehr erforderlich wurde bzw. die Magnetstreifenkarte nicht in ein Lesegerät eingeführt werden musste, was eine Beschleunigung des Passagierflusses im geschlossenen Systems Hong Kongs ermöglichte. Die Octopus Card brauchte zudem nicht wie bisher die Magnetstreifenkarte separat aus der Brieftasche genommen werden, sondern konnte auch durch andere Materialien hindurch verwendet werden. So kann etwa die Karte auch durch ein Portemonnaie hindurch gelesen werden. Nach dreijähriger Testphase kam es am 01.09.1997 zur Einführung der Octopus Card, die heute als weltweit erstes integriertes, kontaktloses Ticketsystem im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs gilt und Vorreiter für viele weitere, insbesondere asiatische, Implementierungen wurde. Die Adaptation des Systems verlief sehr zügig. Allein in den ersten drei Monaten wurden bereits circa drei Mio. Karten ausgehändigt. Grund für diese starke Durchdringung war der Umstand, dass unter anderem die MTR von ihren Nutzern den Austausch ihres alten Tickets gegen die neue Octopus Card verlangte, da dieses nach Ablauf einer dreimonatigen Frist nicht mehr valide gewesen wäre. Parallel zur Nahverkehrsfunktion expandierte die Octopus Card durch politische Weichenstellungen seit 2000 überaus erfolgreich in weitere verkehrsunabhängige Bereiche wie beispielsweise den Einzelhandel. Heute gilt die Octopus Card nicht nur bei Kunden, sondern auch bei Händlern als ein

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Abb. 2 - Entwicklung der Octopus Card von 1994 bis 2012 (Quelle: Octopus Holdings Ltd.)

beliebtes Zahlungsmittel, da sie eine relativ preiswerte Möglichkeit zur Kundenbindung bietet. Ähnlich wie das in Deutschland bekannte PAYBACK-System, können mit der Octopus Card Punkte gesammelt werden (Loyalty Program), die später in Prämien oder einen Gutschein eingetauscht werden können. 3,2 Mio. registrierte Octopus Cards sind derzeit bereits in dieses Kundenbindungsinstrument eingeschrieben (Octopus.com 2016). Die Datentransfergeschwindigkeit beim Zahlvorgang ist hierbei mit circa 1,0 Sekunden jedoch etwas langsamer als beim Einsatz in den Transportmitteln. Bis zum Januar 2002 wurden mehr als 9 Mio. Octopus Cards ausgegeben, 2011 waren es 20 Mio. (AECOM 2011). Gegenwärtig sollen 24 Mio. Karten im Umlauf sein (Octopus.com 2016). Einen enormen Nutzerzuwachs verzeichnete die Karte dabei mit einer Reihe von Regierungsentscheidungen Hong Kongs, die bspw. in den Jahren 2003 und 2004 veranlasste, 18.000 Parkuhren auf das Octopus System umzustellen. Das technische System hinter der Octopus Card wurde mittlerweile in die ganze Welt exportiert. So kommt es neben vielen asiatischen Metropolen ebenfalls in den Niederlanden, Dubai und Neuseeland zum Einsatz, wird jedoch zumeist den standortspezifischen Begebenheiten angepasst.

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2.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung Im geschlossenen System des öffentlichen Personennahverkehrs in Hong Kong wird ein Check-in/Check-out-Verfahren genutzt. Die Octopus Card wird beim Betreten der Station vor das Lesegerät gehalten. Der Check-in erfolgt innerhalb von 0,3 Sekunden. Beim Verlassen des Bereiches erfolgt ein identischer Vorgang. Hierdurch wird die zurückgelegte Distanz berechnet und der entsprechende Betrag vom Guthaben der Karte abgebucht. Das Lesegerät gibt beim Check-out ein akustisches und ein optisches Signal und zeigt dabei dem Fahrgast den auf der Karte verbleibenden Restbetrag an. Der auf der Karte gespeicherte Geldbetrag kann in allen MTR-Stationen wieder aufgeladen werden. Die Karte wird dazu in ein Aufladeterminal gegeben an dem für Kunden die Option besteht, das Guthaben per Bareinzahlung oder, wenn die Karte dementsprechend verifiziert wurde, Guthaben durch Belastung des Bankkontos aufzuladen. Ebenso ist es möglich, die Aufladung bei bestimmten Einzelhändlern vorzunehmen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer automatischen Aufladung, wenn ein Betrag in Höhe von 10HK$ unterschritten wird. Fast 2 Mio. der ausgegebenen Karten nutzen bereits diesen Service des „Auto top-up“ (Octopus.com 2016). Je nach Kreditinstitut können max. 250HK$ oder 500HK$ aufgeladen werden. Um den finanziellen Verlust bei Diebstahl möglichst gering zu halten, verfügt die Karte über einen Maximalbetrag in Höhe von 1000HK$ (ungefähr 100€). Ebenso darf sie nicht um mehr als 35HK$ überzogen werden. Im technischen Sinne ist die Octopus Card eine wiederaufladbare, berührungslose Chipkarte, die mit einem RFID-Chip ausgestattet ist. Das System wurde vor der Einführung von der Firma AES ProData im Auftrag der Star Ltd. entwickelt und implementiert. AES ProData zeigte sich dabei verantwortlich für Aufbau, Betrieb und Wartung der eingesetzten Technik. Die Nutzung der Octopus Card basiert auf der Technologie der Near Field Communication (NFC), einer Spezifizierung der RFID-Technik, die ebenfalls die Identifizierung eines Objekts mit Hilfe elektromagnetischer Wellen gewährleistet. Dafür werden zwei verschiedene Komponenten benötigt. Zum einen ein Transponder – hier die Octopus Card selbst – mit einem kennzeichnenden Code. Zum anderen ein Lesegerät zum Auslesen des auf der Karte gespeicherten Codes. Als Transponder ist in der Octopus Card dazu ein 13.56 FeliCa Mikrochip der Firma Sony verbaut. Dieser kann für mehrere Dienste gleichzeitig verwendet werden, so kann die Karte zum Beispiel wahlweise als Mitarbeiterausweis oder elektronisches Portemonnaie fungieren. Die Karte selbst wird durch elektromagnetische Wellen des Lesegerätes (bspw. an den Einlasskontrollen) aktiviert, deren Standardfrequenz 13.56 MHz beträgt. Die transferierten Daten werden mit einer Geschwindigkeit von 212 oder 424 kbps übertragen. Dies entspricht laut Hersteller einer Highspeedabwicklung mit 0,1s für einen Informationsaustausch (Sony Global 2016).

Abb. 3: Aufbau eines FeliCa-Chips (viblo.asia)

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Kunden der Octopus Holding Ltd. haben verschiedene Optionen eine Karte zu erwerben. Es gibt sowohl Leih- als auch Kaufoptionen. Hierbei besteht die Möglichkeit die Karte zu personalisieren und verschiedene Daten darauf zu speichern. Beim Erwerb der Octopus Karte mit Leihoption ist keine Registrierung des Kunden nötig. Die Karte wird ohne Ausweiskontrolle gegen einen Pfand in Höhe von 50HK$ ausgehändigt. Der Käufer bleibt anonym, denn die Karte enthält nur eine Seriennummer sowie den aufgeladenen Geldbetrag, nicht jedoch personenbezogene Daten. Bei Rückgabe der Karte können, nach Abzug einer Bearbeitungsgebühr, der Pfandbetrag und das Restguthaben ausbezahlt werden. Für die pfandbasierte, anonymisierte Octopus Card besteht ebenfalls die Möglichkeit die Karte nachträglich zu personalisieren. In diesem Fall werden auf der Karte weitere personenbezogene Daten hinterlegt. Hierzu gehören beispielsweise Bankdaten, die eine automatische Aufladung und die Bezahlung in Einzelhandelsgeschäften ermöglichen. Ebenso muss die personalisierte Octopus Card mit einem Foto und dem Namen der Besitzerin bzw. des Besitzers ausgestattet werden. Bei Verlust der Karte besteht die Möglichkeit, diese unter einer Servicenummer umgehend sperren zu lassen und somit das darauf gespeicherte Geld gegen eine Bearbeitungsgebühr erstattet zu bekommen. Hierbei wird jedoch nur ein Betrag ausgezahlt, der drei Stunden vor der Verlustmeldung auf der Karte enthalten war. Als weitere Option zum Erwerb der Octopus Card besteht für den Nutzer die Möglichkeit eine Reihe weiterer Nutzermedien jenseits der Chipkarte zu kaufen, auf denen der Mikrochip verbaut ist. So erfreuen sich individualisierte Schmuckstücke – wie beispielsweise Uhren oder Anhänger – großer Beliebtheit. Die Octopus Card kann an diesen Items befestigt werden und kostet 180HK$ (ca. 20€). Ebenso können die Chips in Form eines Aufklebers am Mobiletelefon befestigt werden. Zusätzlich wird die Octopus Card in regelmäßigen Abständen als limitierte Edition mit diversen stadttypischen Motiven angeboten. Kurzum, die Chiptechnik liegt in der Tendenz, sich immer mehr in verschiedene alltägliche Nutzermedien zu integrieren, um einerseits das Vergessen der Karte zu minimieren und zum anderen die technische Funktionalität ein Stück weit zu personalisieren. Perspektivisch könnte somit schließlich das Mitführen einer zusätzlichen Karte gänzlich obsolet werden. Die gekauften Karten bzw. individualisierten Gegenstände, die mit Octopus-Technologie ausgestattet sind, enthalten alle Features der personalisierten Leihkarten, so etwa auch die Speicherung der letzten 20 Transaktionen.

2.3 Akzeptanz und Entwicklung der Nutzungsstatistiken Seit dem Jahr der Einführung der Octopus Card hat sich das System stark weiterentwickelt. Die Kompatibilität mit vielen weiteren regionalen Transportunternehmen ist seit Einführung der Karte stark angewachsen. Ebenso wurde mit dem Einzelhandelssektor ein neuer Geschäftsbereich erschlossen, der auf Grundlage älterer Statistiken bereits mehr als ein Drittel des gesamten Transaktionsvolumens ausmachte. Mittlerweile akzeptieren über 100 verschiedene Akteure die Karte als Zahlungsmittel, was sich in einem täglichen Transaktionsvolumen von 50 Millionen HK$ niederschlägt. Der wachsende Anteil der verkehrsunabhängigen Transaktionen - 36% der Transaktionen waren bspw. im Jahr 2009 nicht-transportbezogenen Dienstleistungen zuzurechnen (Finextra 2010) - ist vor dem Hintergrund einer Win-Win-Situation zu erklären. Teilnehmende

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Dienstleister und Einzelhändler schätzen, dass sich durch Einsatz der Octopus Card weniger Bargeld in den Kassen ansammelt, da viele Zahlungen bargeldlos geleistet werden. Dies führt dementsprechend zu einer höheren Sicherheit und geringeren Kosten für Geldtransporte oder Versicherungen. Auf der anderen Seite läuft der Kundenverkehr durch die schnellen Bezahlabläufe flüssiger und sorgt auf Seiten der Kunden für größere Zufriedenheit. Zudem kann wie erwähnt über das Medium der Octopus Card eine Kundenbindung durch Bonusprogramme initiiert werden. 99% der 7 Mio. Einwohner Hong Kongs besitzen heute eine der 24 Mio. im Umlauf befindlichen Octopus Cards und nutzen die bargeldlosen Services der Karte (Octopus.com 2016). Die Systemvorteile schnellerer und berührungsfreier Transaktionen generieren kürzere Wartezeiten bei Zugangskontrollen und an Kassen und haben bewirkt, dass in Hong Kong viele Dinge des alltäglichen Lebens einzig und allein nur noch mit der Octopus Card gezahlt werden. Auf 1.000 Einwohner fallen in Hong Kong fast 3.000 eingesetzte Karten, was die Octopus Card neben der Smart Card in („Yikatong“) in Peking und der Oyster Card in London zur meistgenutzten Smart Card weltweit macht (AECOM 2011, 28). Die Karte ist – ausgehend von der Nahverkehrsfunktion – zu einem integralen und mitunter ikonischem Bestandteil der Stadtgesellschaft Hong Kongs gereift. Entscheidender Vorteil für die Kunden ist dabei nicht zuletzt, dass vor Antritt der Fahrt keine Tarifkenntnisse notwendig werden. Beim Check-out wird der Fahrpreis automatisch am Terminal berechnet, angezeigt und entsprechend eingezogen. So zeigte sich bereits drei Jahre nach der Markteinführung, dass die Octopus Card in Bussen das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel war, denn gerade dort waren die Reisenden zuvor darauf angewiesen, passend mit Bargeld zu zahlen (Octopus Holdings Ltd. 2014). Zudem erhält man bei Einsatz der Octopus Card im Nahverkehr einen Preisnachlass im Vergleich zum Kauf eines Einzeltickets in Papierform. Die Abrechnung kann zudem soweit flexibilisiert werden, dass beispielsweise bei Einsatz der Karte außerhalb der Verkehrsspitzen geringere Gebühren berechnet werden, um somit einen höheren Anreiz zu schaffen, Verkehrsmittel in wenig ausgelasteten Zeiten zu nutzen und so den Auslastungsgrad des Verkehrssystems zu optimieren. Der Erfolg der Karte ist jedoch nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass bereits die vorausgegangene Magnetstreifenkarte eine hohe Nutzerrate aufwies und es zudem wie in London bereits ein geschlossenes System vorhanden war und somit seitens der Fahrgäste keine neuen Nutzungsroutinen entwickelt werden mussten. Das Vorhandensein des geschlossenen Systems bewirkte wesentlich geringe Investitionskosten als andernorts und erlaubte dagegen, die finanziellen Ressourcen in den Ausbau zusätzlicher (akzeptanzsteigernder) Servicefunktionen fließen zu lassen (STOA 2014).

2.4 Zukunft des Systems/Ausbaupläne Die zukünftige Planung der Octopus Card sieht die Integration weiterer Verkehrsanbieter im Umland sowie die kontinuierliche technische Weiterentwicklung der Karte vor. Aktuell werden die Entwicklung zum E-purse und die Einrichtung kontaktloser Bezahlverfahren vorangetrieben, die in Zukunft nicht nur den Bargeldeinsatz, sondern schließlich auch die Octopus Card selbst obsolet machen könnten. Bereits seit 2013 ist es möglich mit NFC-fähigen Endgeräten ein kontaktloses

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Bezahlverfahren anzuwenden, das keinen Erwerb der Octopus Card mehr benötigt, sondern die Octopus-Funktion in ein NFC-fähiges Smartphone integriert.

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3. Tokio – Suica

3.1 Entstehungsgeschichte

Die Suica Card wurde im November 2001 nach einem dreimonatigen Testlauf in Form einer kontaktlosen Chipkarte eingeführt. Nach weitreichenden Vorerfahrungen mit Magnetkartensystemen bestand die Motivation zur Umstellung auf den fünf folgenden konzeptionellen Säulen: Verbesserung des Service, Erhöhung der Sicherheit, Systemwandel, Kostenreduktion und Eröffnung neuer Geschäftsfelder (Miki 2014).

Die Abkürzung Suica steht für "Super Urban Intelligent CArd" (dt. intelligente Großstadt-Karte) und ist zugleich ein Wortspiel mit den japanischen Wörtern für "zügig, leicht" und "Karte", somit also "suika“, was wiederum dem japanischen Wort für Wassermelone entspricht. Die Buchstaben "ic" sind hervorgehoben, um die Chipkartentechnik hervorzuheben.

Im November 2003 wurde die Suica versuchsweise erstmals als elektronische Geldbörse zum Bezahlen in Bahnhofskiosken und zur Nutzung von Schließfächern eingesetzt. Diese Funktion ist inzwischen auch nach Vorbild der Octopus Card Hong Kongs auf viele andere Geschäfte ausgeweitet worden, was seit Einführung des Kartensystems eine immer größere Popularität der Karte bewirkte. Neuerdings findet die Suica auch Einzug in das eCommerce, so akzeptieren bereits einige Online-Warenhäuser (bspw. Amazon) die Zahlung mit Suica.

NTT Docomo, der mit Abstand größte Mobiltelefonanbieter Japans, bietet seit 2006 Mobiltelefone mit integrierter Suica-Funktion an. Diese bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die Kartenaktivität und Kontenstand jederzeit zu überprüfen sowie Aufladungen online zu übernehmen. Seit Juni 2003 kann die Karte zudem mit einer von JR (Japan Railway) ausgegebenen Kreditkarte (VIEW Suica Card, Bic Suica) kombiniert werden. Sie bietet den Vorteil, die Karte einerseits als reguläre prepaid-Karte mit aufladbarem Guthaben oder alternativ als Kreditkarte mit monatlicher Rechnungstellung zu nutzen.

Zunächst nur gültig im Nahverkehr rund um die Metropolregion Tokio, wurde die Suica seit 2003 sukzessive auch in den von JR East betriebenen Eisenbahnstrecken (Tohoku und Joetsu) sowie im Großraum Sendai, Niigata und Osaka eingeführt und mit den lokalen (konkurrierenden) Kartenprodukten kompatibel gemacht. Die Ausweitung auf Privatbahnen, U-Bahnen und Busse in Osaka und Tokio wurde seit 2005 schrittweise umgesetzt. Seit 2014 ist die Suica Card nunmehr mit der gesamten Vielfalt der japanischen Smartcard-Landschaft und somit landesweit kompatibel. Dies bedeutet, dass mit Suica nicht nur die Nutzung von 52 Eisenbahnlinien (ausgenommen Hochgeschwindigkeitszüge Shinkansen) ermöglicht wurde, sondern heute kann an fast der Hälfte aller japanischen Bahnhaltstellen, in knapp 28.000 Buslinien und in fast 350.000 Geschäften und Restaurants mit Suica bargeldlos bezahlt werden (JR East 2016).

Abb. 4 - Suica Card, Japans populärste Mobilitäts- und Geldkarte (Quelle: JR East)

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Kontaktlose Bezahlfunktionen bestehen seitdem im September 2016 Suica in den Umfang der Apple Pay Funktion integriert wurde. Somit ist es bspw. möglich, direkt mit dem Smartphone oder einer Apple Watch an einem Lesegerät ein- und auszuchecken.

3.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung

Die Suica ist im technischen Sinne eine berührungslose, wiederaufladbare elektronische Fahrkarte in Form einer kreditkartengroßen Chipkarte, die insbesondere im Gebiet von Tokio-Kanto im Bahnverbund der East Japan Railway Company (JR East) benutzt wird. Die Karte enthält einen RFID-Chip (Radio Frequency Identification), der von Sony unter dem Namen FeliCa entwickelt wurde. Dieselbe Technik wird auch für elektronische Fahrkartensysteme in Hong Kong (Octopus Card) oder Singapur (EZ-Link) eingesetzt.

Suica kann in den seit den frühen 1970er Jahren aufgebauten geschlossenen Systemen (bspw. Tokioter Metro) als Smartcard berührungslos, durch einfaches Streifen über ein Lesegerät zur Öffnung der Zugangsbarrieren und somit für eine automatisierte und bargeldlose Fahrpreisberechnung genutzt werden. Dabei ist es nicht notwendig, die Karte aus der Geldbörse zu entnehmen, wodurch ein deutlich schnelleres Bezahlen als mit Bargeld oder eine auch eine Beschleunigung gegenüber dem Zugangsverfahren mit Magnetstreifenkarten erreicht wird. Der Vorteil des beschleunigten Zu- und Abgangs ist im japanischen Kontext keinesfalls zu gering zu schätzen. Automatische Ticketsysteme müssen in Japan aufgrund der überfüllten Verkehrsverhältnisse eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit als im europäischen oder nordamerikanischen Kontext mitbringen: „The required gate performance of 60 persons per minute is about double that of Europe and North America. Since traffic through manned ticket gates was estimated to be more than 80 persons a minute it was assumed that more ticket gates would be

Abb. 5 - Einsatzgebiet der Suica Card inkl Kombitibilität der Vielzahl bestehender lokaler Kartensysteme (Quelle: JR East)

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needed. Unlike the sturdy gate doors in Europe and North America, Japanese gates were designed for easy flow and are softer to prevent contact injury“ (Miki 2014, 57). Die Transaktionsdaten werden unter der Identifikationsnummer der Karte in einem zentralen System abgespeichert. Getätigte Umsätze und Fahrten können nachträglich in einer Buchungshistorie abgerufen und ausgedruckt werden, was einen hohen Grad an Transparenz über die geleisteten Zahlungen bzw. Möglichkeiten zu eventuellen Revisionsansprüchen im Falle fehlender Buchungen schafft. Die Karte kann für 2.000 Yen an Schaltern oder am Fahrkartenautomat gekauft werden, nicht jedoch per Telefon oder über das Internet. Der Preis enthält ein Pfand von 500 Yen, das bei Rückgabe der Karte zurückerstattet wird. Die verbleibenden 1500 Yen können sofort nach Kauf für Fahrten oder Einkäufe benutzt werden. Auflademöglichkeiten bis zu max. 20.000 Yen bestehen nur an ausgewählten Fahrkartenautomaten und nur – wie in Japan üblich – per Bareinzahlung. Das verbleibende Guthaben der Smartcard wird bei jedem Check-in und bei jedem Check-out an den Lesegeräten der Zugangsbarrieren angezeigt.

Es gibt zwei Arten von physischen Suica-Karten, eine Suica-IO-Karte, die als Fahrkartenersatz für Bahnfahrten benutzt wird und eine Pendler-Karte (Suica Commuter Pass), die für die Fahrt zwischen zwei Orten (beispielsweise Wohnort - Arbeitsplatz bzw. Schule) gilt. Die Pendler-Karte kann auch als ganz gewöhnliche Suica-IO-Karte benutzt werden. Beide Kartenarten besitzen die Sekundärfunktion einer Geldkarte. Zudem gibt es seit 2006 die Möglichkeit, Mobile Suica zu nutzen. Dabei wird mithilfe der NFC-Schnittstelle am Telefon und auf Grundlage einer vorregistrierte Kreditkarte ermöglicht, Fahrkarten per Telefon zu erwerben und die Zugangsschranken zum Verkehrssystem per Telefon zu öffnen.

3.3 Entwicklung der Nutzungsstatistiken

Im April 2006 nutzten etwa 16 Mio. Menschen die Suica Card. Dank der erweiterten Kompatibilität mit vielen weiteren landesweiten Verkehrsträgern und Kartensystemen seit dem Jahr 2014 und wegen der unkomplizierten Nutzbarkeit als allgemeines Zahlungsmittel erfreute sich die Suica immer breiterer Beliebtheit. Bis heute wurden mittlerweile mehr als 59,2 Millionen Karten veräußert und 42 Millionen Menschen nutzen sie regelmäßig, was sie zur am weitverbreitetsten und am häufigsten benutzten Smartcard Japans bzw. zu einem integralen Bestandteil der gesellschaftlichen Infrastruktur gemacht hat. Täglich werden ca. 5 Mio. Transaktionen für Fahrkarten oder anderweitige Bezahlvorgänge registriert, Tendenz weiter steigend (JR East 2016).

3.4 Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation bei Einführung Im Gegensatz zur Einführung elektronischer Ticketingsysteme in anderen Metropolen (etwa London) wurde die Suica-Card weniger mit speziellen Tarifvergünstigungen gegenüber Papier- oder Magnetkartentickets beworben. Zwar bestehen im Zentrum der Ballungsräume minimale

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Vergünstigungen (im Cent-Bereich) bei Nutzung der Smartcard, doch die entscheidenden Nutzungsvorteile, die den Erfolg der Suica erklären, liegen stärker im Bereich des beschleunigten Zugangs und der bargeldlosen Bezahlung. Mehr noch als die Tarifvergünstigungen sind es diese Aspekte, die vor dem Hintergrund der überfüllten japanischen Ballungs- und Verkehrsräume die wohl ausschlaggebenderen Argumente einer Umstellung auf automatisierte Ticket- und Verkehrszugangssysteme darstellen.

3.5 Kritikpunkte und Widerstände Sobald eine Fahrt zwischen oder außerhalb des Suica-Raums beendet wird, muss die Karte beim Auschecken einem Servicemitarbeiter übergeben werden, der die entstandene Differenz berechnet und eine Art Interimsticket aushändigt. Dieser Umstand ist besonders für ausländische Touristen schwer verständlich und bereitet Probleme für einen möglichst flüssigen Betriebsablauf. Zudem muss beim Kauf von Einzelfahrscheinen die beim Check-in in das Lesegerät gesteckte Fahrkarte unbedingt wieder aufgenommen werden, um sie für den Check-out zu verwenden. Das Aufnehmen des Tickets wird oft vergessen, was den erfolgreichen Check-out in der Zielstation verhindert. Technische Probleme treten häufiger in Form des „Card Clash“ auf. Sobald mehrere der in Japan weit verbreiteten (lokalen) Kartensysteme in der Brieftasche eng nebeneinander gelagert werden, treten beim Kartenlesegerät häufig Leseprobleme auf. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Karte bei Kontakt mit metallischen Gegenständen entmagnetisiert wird und das aufgeladene Guthaben dadurch ersatzlos verfällt. Problematisch ist zudem für ausländische Gäste der kulturelle Umstand, dass in Japan die Barzahlung dominiert. Sobald die guthabenbasierte Suica-Card aufgeladen oder neu erworben werden muss, benötigt man Bargeld. Kreditkartenzahlungen sind an den Automaten nicht möglich. Dazu ist die Aufladung und der Kauf nur an diesen stationären Automaten möglich und nicht wie etwa in London in einer Vielzahl von Geschäften, per Telefon oder Online.

3.6 Zukunft des Systems/Ausbaupläne

Der Betreiber JR East hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der täglichen Transaktionen mit der Suica Card von derzeit 5 Mio. bis auf 8 Mio. Transaktionen im Geschäftsjahr 2021 zu steigern (JR East 2016, 42). Darüber hinaus soll die Kompatibilität von noch weiteren japanischen Kartensystemen vorangetrieben werden. So ist bspw. die Nutzung der Suica-Karte zwischen oder außerhalb einiger Kartensysteme derzeit noch nicht möglich. Auch die Nutzung des Hochgeschwindigkeitszuges Shinkansen oder spezielle Bustransfers zu Flughäfen sind derzeit noch nicht ins Anwendungsspektrum der Suica Card integriert. Mit Erhöhung der Kompatibilität werden weitere Effizienz- und Einsparpotentiale verbunden, wie z.B. die Reduzierung von Verkaufsautomaten und einer damit verbundenen Erhöhung des Raumangebotes innerhalb von Bahnhöfen. Die Beseitigung des Platzmangels gilt als ein Aspekt, der im dichtbesiedelten Japan eine große Rolle spielt. Frei gewordene Flächen könnten jedoch wiederum auch Raum für neue Geschäftsflächen ermöglichen, die lukrativ vermietet werden und neue ökonomische Möglichkeiten bieten könnten. Weitere

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Zukunftsvision des Betreibers JR East ist zudem die noch stärkere Verschränkung der Karte mit Geschäftsfeldern außerhalb des Transportwesens sowie der Ausbau des auch im japanischen Kontext als zukunftsweisend erkannten „mobile payment“.

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4. Peking – Transportation Smart Card (“Yikatong”)

Abb. 6 – „Yikatong“ Smart Card (Quelle: Beijing Municipal Administration and Communications Card)

4.1 Entstehungsgeschichte

Peking ist eine der am schnellsten wachsenden Metropolen der Welt. Mit dem Stadtwachstum geht der Zuwachs an motorisiertem Individualverkehr und damit verbundenen Verkehrs- und Emissionsproblemen einher. Um dem stetig wachsenden Verkehr Herr zu werden, wurde in Peking ein gigantisches U-Bahn-Netz errichtet, das stets erweitert wird und im Sinne der Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs eines der günstigsten Tarife weltweit besitzt. Die günstigen Tarife bewirken besonders in den morgendlichen und abendlichen Spitzen eine gewaltige Verkehrsnachfrage, die mithilfe effizienter Zugangstechnologien möglichst beschleunigt abgefertigt werden muss.

Vor diesem Hintergrund wurde 2003 die Transportation Smart Card (meist nur als „Yikatong“ bezeichnet) zunächst testweise auf der U-Bahn-Linie 13 und auf einigen Buslinien eingeführt. Seit Mai 2006 wurde daraufhin das gesamte U-Bahn-Netz Pekings als auch das gesamte Busnetz in den Einsatzbereich der Yikatong integriert und in diesem Zuge die papierbasierten Monatskarten auf kontaktlose Chipkarten umgestellt.

Parallel zu dieser Erweiterung und Umstellung akzeptierten immer mehr Geschäfte den Erwerb und die Aufladung der Karten in ihren Verkaufsflächen. Bereits kurz nach Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten und der massenhaften Distribution von Chipkarten wurden noch im Monat der Einführung (Mai 2006) täglich bereits mehr als 4 Mio. Transaktionen verzeichnet (Visit Beijing 2011). In den Folgejahren entwickelte sich die Yikatong durch Integration von Bezahlfunktionen für Taxis, Parkgebühren, Kinobesuche, Fitnessstudios, Fahrradleihsysteme, Fernbuslinien, Telefonzellen oder auch für Mautgebühren oder Einkäufe in Supermärkten zur weltweit wohl vollwertigsten Multifunktionskarte.

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Abb. 7 - Multimodaler und multifunktionaler Nutzungsumfang der "Yikatong" (Quelle: Beijing Municipal Administration and Communications Card)

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4.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung Die „Yikatong“ ist eine kontaktlose, wiederaufladbare Chipkarte, die durch einen passiven RFID-Chip auf MIFARE-Basis Informationen speichern und übertragen kann.

Die Karte ist gegen eine Kaution von 20 RMB an 170 stationären Aufladepunkten erhältlich. Diese befinden sich jeweils in U-Bahnstationen, aber auch an einigen Bushaltestellen, Supermärkten und Postämtern. Neben diesen 20 RMB kann der Fahrgast selbst entscheiden, wie viel Geld auf die Karte geladen werden soll. Die Yikatong wird beim Eintreten der Station einfach über ein Lesegerät gehalten und erlaubt damit analog zu anderen Check-in/Check-out-Verfahren den Zu- und Abgang in einem geschlossenen System. Beim Check-out wird schließlich ein Minimalfahrpreis von 2 RMB von der Karte abgezogen.

Die multifunktionale Smartcard ist übertragbar und in der Regel nicht personalisiert, sodass bei Verlust kein Guthaben erstattet werden kann. Fahrten müssen dabei innerhalb von vier Stunden absolviert werden, andernfalls wird eine Extragebühr von 3 RMB erhoben.

4.3 Entwicklung der Nutzungsstatistiken

Im Gegensatz zu den nach Einführung schnell wachsenden Nutzerzahlen in vergleichbaren Metropolen mit geschlossenen Systemen wurde die Yikatong unter Pendlern anfänglich kaum genutzt, da ihre Vorteile noch begrenzt, die Pfandgebühr relativ hoch war und der Anwendungsbereich auf den wenigen U-Bahn- und Buslinien vorerst nur sehr geringe Einsatzmöglichkeiten bot.

Nach weitreichender Systemintegration wurden bis Ende 2011 jedoch insgesamt 41,76 Millionen Karten ausgegeben (Qianlong 2012). 2015 wurde angegeben, dass die Zahl der veräußerten Smart Cards bereits sogar die Zahl von 70 Millionen überstiegen hätte (China.org 2015). Diese Dimensionen lassen den Schluss zu, dass die Yikatong die weltweit meistgenutzte Smartcard im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs ist.

4.4 Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation bei Einführung Die Yikatong wurde wie bereits oben erwähnt mit starken tariflichen Anreizsystemen ausgestattet. Fahrgäste, die Yikatong nutzen, bekommen gegenüber den regulären papierbasierten Einzelfahrten einen Nachlass von 50% oder mancherorts 60%. Bei Metrofahrten, die summiert im Monat einen Fahrpreis von 100 RMB übertreffen, wird ein Rabatt von 20%, bei monatlichen Fahrpreisen von über 150 RMB sogar eine Preisreduktion von 50% ermöglicht. Insbesondere für Pendler wurde so die Yikatong zur fast schon zwingenden Alternative zum Papierfahrschein. Die starken Rabattierungen sollen für die vielen Langstreckenpendler zudem die stetig steigenden Fahrpreise abfedern. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist neben den tariflichen Anreizen und den weiten Einsatzgebieten jenseits des Nahverkehrs der starke Fokus auf individuelle Personalisierungsmöglichkeiten der Yikatong. So

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bietet der Betreiber – ähnlich wie in Hong Kong – eine Vielzahl selbstgestaltbarer Items an, die die Yikatong zum persönlichen Artefakt erheben und zum tagtäglichen Begleiter machen können.

4.5 Kritikpunkte und Widerstände Bei Einführung der Yikatong zahlten sich zunächst die avisierten Vorteile nicht aus. Statt der Zeitersparnis im Verkehrszugang sorgte das Aufladen der Karte an den nur wenigen Aufladeterminals für lange Schlangen und verlagerte die Wartezeiten lediglich weg von operativen Betrieb hinein in neue Bereiche. Neben den vertrieblichen Defiziten wurde die Einsatzmöglichkeit zunächst nur auf wenige Linien beschränkt, was die Nutzerakzeptanz in den ersten Jahren der Einführung drastisch minimierte.

4.6 Zukunft des Systems/Ausbaupläne Neben dem Verkauf der herkömmlichen Smart Cards will die Verkehrsgesellschaft BMA in naher Zukunft fünf Millionen funkfähige Armbänder verkaufen, die die Transportkarte dauerhaft am Körper des Fahrgastes verankern, sodass die Yikatong nie mehr vergessen oder verloren werden kann.

Darüber hinaus bestehen mittelfristig Pläne, die Verknüpfung sämtlicher städtischer Services auf einer Karte zu realisieren. In den letzten Jahren wurden in Peking millionenfach Patientenkarten und Sozialversicherungskarten auf jeweils eigenständigen Smart Cards ausgehändigt, die nun zusammen mit der Yikatong zu einer Karte (‚Beijing Tong’) vereinigt werden sollen, um sämtliche städtische Dienstleistungen zentralisiert zugänglich (und kontrollierbar) machen zu können (PSFK 2015).

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5. Gatineau – Multi Smart Card

5.1 Entstehungsgeschichte/Hintergrund 1998 führte das kanadische Verkehrsunternehmen Société de transport de l’Outaouais (STO) in Gatineau, einem 240.000 Einwohner zählendem Vorort von Kanadas Hauptstadt Ottawa, als eines der ersten Unternehmen der westlichen Hemisphäre kontaktlose Smart Cards für ausgewählte Fahrgastgruppen ein. 2001 stattete STO schließlich seine gesamte Busflotte von 200 Fahrzeugen vollständig mit einem Lesegerät und einem GPS-Sender aus und etablierte einen flächendeckenden elektronischen Check-in bei Zustieg. Erwähnenswert ist dieses Fallbeispiel hier deshalb, weil STO als nur mittelgroßes Verkehrsunternehmen und einem vergleichsweise kleineren Passagiervolumen (20 Mio. Fahrten/Jahr) das erste Verkehrsunternehmen in Nordamerika war, das diese Innovation in der Breite umsetzte. STO präsentierte sich zu jener Zeit im kanadischen Kontext als Pionier und gewichtiger Akteur im Bereich des elektronischen Ticketings und der automatisierten Fahrpreisberechnung. Der Zeitpunkt der Implementierung erfolgte im internationalen Vergleich noch vergleichsweise sehr früh und wurde noch vor den international vielzierten Beispielen London (Oyster Card) oder Tokio (Suica oder Pasmo Card) realisiert. Nach mehreren Erneuerungen des bestehenden Kartensystems erfolgte 2012 die Ausgabe einer neuen Generation von „high-tech smart cards“ und das stärkere Branding des elektronischen Ticketsystems als MULTI Card. Bereits zuvor realisierte STO die Kompatibilität der Karte mit dem wesentlich größeren benachbarten Verkehrsraum OC Transpo (Stadtverkehr Ottawa), eine Erweiterung der Chipkarte um die Geldkartenfunktion mit einer maximalen Guthabensumme von 110$ sowie die Ermöglichung der Guthabenaufladung über das Internet. Die Multi Card kann nur exklusiv an vier Servicestandorten gegen eine Gebühr von 8$ (kein voraufgeladenes Guthaben und keine Erstattung bei Rückgabe) erworben werden. Die Zugangshürden zum Erwerb sind allgemein jedoch recht hoch. Zum Erhalt berechtigt sind nur in Quebec gemeldete Einwohner. Zudem müssen neben dem Wohnsitznachweis noch weitere Dokumente (Altersnachweis, Nachweise einer Krankenversicherungskarte oder Führerschein) vorgelegt werden, die den Erhalt der Karte erst ermöglichen.

5.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung Der Einsatz der Multi Card erfolgt ausschließlich beim Einstieg in die Busse. Dabei wird ein aktiver Check-in der Multi Card an einem Lesegerät erforderlich. Der Ausstieg erfolgt ohne aktive Mitwirkung des Fahrgastes, da im Verkehrsraum von STO lediglich Pauschaltarife bestehen. Da die meisten Multi Cards personalisiert und daher nicht übertragbar sind, muss als Besonderheit in Gatineau beim Check-in das auf der Karte abgebildete Foto des Fahrgastes gezeigt werden, um den Fahrer oder der Fahrerin die tatsächliche Fahrtberechtigung nachzuweisen.

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Der Datenfluss wird – charakteristisch für eine Vielzahl anderer implementierter Systeme – durch vier Subsysteme realisiert (Morency, Trépanier und Agard 2007). Lesegeräte in den Bussen übertragen die Check-in-Daten der Fahrgäste zunächst in ein integriertes Informationssystem, das im Sinne des Datenschutzes Nutzerdaten und Check-in-Informationen getrennt voneinander speichert. Diese Daten werden mit einem betrieblichen Informationssystem (Busrouten, Fahrer, Fahrzeugnummern etc.) und einem Abrechnungssystem zur korrekten Fahrpreisberechnung verknüpft. Monatlich werden in diesem Verfahren 600.000 Transaktionen registriert und abgerechnet.

Abb. 8 - Schema des in Gatineau angewendeten Smart Card Information Systems "SIVT" (Pelletier, Trépanier und Morency 2011, 560)

5.3 Akzeptanz und Entwicklung der Nutzungsstatistiken Seit Einführung der Smart Card sind nach Angaben der Verkehrsgesellschaft mehr 80% der Fahrgäste im Besitz einer Multi Card (STO 2015), was für den hohen Akzeptanzgrad des Transfers auf ein elektronisches Ticketsystems spricht. Dabei setzten 86% der Fahrgäste die Smart Card für direkte Fahrten ohne Umstiege ein (Devillaine, Munizaga und Trépanier 2012), was die vergleichsweise geringe Komplexität des Systems und zugleich eine vor diesem Hintergrund erstaunlich hohe Zahl an Smart Card-Nutzern widerspiegelt. Die einfache Handhabung des elektronischen Ticketings im STO-Verkehrsraum dürfte somit nicht zuletzt als ein positiver Faktor dafür gelten, dass im entsprechenden Verkehrsraum die Fahrgastzahlen zwischen 1995 und 2006 insgesamt um 50% gestiegen sind.

5.4 Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation bei Einführung Der Aspekt der Datensicherheit und des Datenschutzes schien STO seit Einführung der Multi Card ein

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zentraler Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit gewesen zu sein. So wird in vergleichsweise stärkerem Maße als in den anderen Fallbeispielen auf einer Vielzahl von Kommunikationskanälen appelliert, dass der Datenschutz durch die Anonymisierung der Daten bei einem Check-in-Vorgang absolut gewährleistet wird. Aufgrund der erhobenen Verkehrsdaten werden maßgeschneiderte Angebote geschaffen von denen die Fahrgäste profitieren können. So werden bspw. mit dem Ziel saisonale Nachfragelücken abzufedern, Busfahrten an Dezember-Wochenenden aktiv mit vergünstigten Tarifen beworben.

Zudem wird durch Cross Marketing-Aktionen für Vergünstigungen beim Kauf von Waren geworben, die bei Vorzeigen der Multi Card rabattiert bezahlt werden. Als Anreizsystem für online-Aufladungen der Multi Card finden zudem regelmäßig Geschenkaktionen statt.

5.5 Kritikpunkte und Widerstände Die hohen Einstiegshürden im Erwerb der Multi Card können als vergleichsweise nutzerunfreundlich eingeschätzt werden. Zudem können Gelegenheitsfahrer, Gäste oder Touristen die elektronische Fahrkarte nicht erwerben. Es wird zudem kein „fare capping“ praktiziert, was zwar im Falle eines Pauschalpreises für die Busnutzung auch nicht notwendig erscheint, jedoch im Falle eines Umstiegs in eine benachbarte Verkehrsregion (OC Transpo, Ottawa) zu überhöhten Abrechnungen führen könnte. Als weiterer Kritikpunkt könnte gelten, dass der einmalige Kaufpreis der Multi Card in Höhe von umgerechnet ca. 6€ recht hoch liegt und nicht als Pfand rückerstattet werden kann.

5.6 Zukunft des Systems/Ausbaupläne

STO versucht auf Grundlage der seit vielen Jahren generierten Daten mithilfe von Data Mining-Methoden in Zukunft das Transportangebot noch effizienter und zugleich kundenorientierter zu gestalten bzw. mehr über die Nutzungsgewohnheiten der Fahrgäste zu erfahren. Dazu setzt STO auf eine „open data policy“ bei der Forschung und wirtschaftlichen Akteuren Zugriff auf die vielfältigen (anonymisierten) Datensätze gewährt wird.

Das Ziel der Datenanalyse liegt für STO dabei insbesondere auf die Erstellung genauerer Modelle zu spezifischen Routenverläufen, raumzeitlichen Verhaltensvorhersagen und daraufhin zu treffenden baulichen Anpassungen.

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Abb. 9 - Quelle: PATH

6. New York – SmartLink

6.1 Entstehungsgeschichte/Hintergrund

SmartLink ist eine kontaktlose Smart Card im Kreditkartenformat, die als elektronisches Ticket der Port Authority Trans-Hudson (PATH), einem Schnellbahnsystem zwischen Manhattan und den westlich gelegenen Städten New Jerseys (Jersey City, Hoboken, Harrison, Newark), zum Einsatz kommt. Das System gilt als ein Vorreiter des Einsatzes elektronischer Tickets in der New Yorker Verkehrslandschaft und wurde 2007 als Ersatz der papierbasierten QuickCard eingeführt. Die Kosten für die Systemumstellung auf das elektronische Ticketsystem wurden mit 73 Mio. $ beziffert (New York Times 2006). SmartLink kann gegen Barzahlung von 5 $ Gebühr an Automaten jeder PATH-Station gekauft oder online bestellt/registriert werden, ohne dass persönliche Daten auf der Karte selbst gespeichert werden. Mit Erhalt der SmartLink Card kann die Karte ohne Gültigkeitsverlust mit Paketen von Einzelfahrten aufgeladen werden (Abstufung 40, 20 oder 10 Fahrten). Die Maximalanzahl vorausbuchbarer Fahrten beträgt 140 Einzelfahrten, wobei mit steigender Menge an aufgeladenen Fahrten die Rabattierung steigt. Im Gegensatz zu dem sonst üblichen Verfahren eines aufladbaren Geldbetrags entspricht bei der SmartLink Card der eingezahlte Geldbetrag demnach sogleich dem Äquivalent von 10, 20 oder 40 Fahrten. Die Umrechnung des Guthabens in eine Einzelfahrt bzw. die Beachtung von Mindestbeträgen für den Fahrtantritt wird somit nicht notwendig. Alternativ kann die Karte mit einer Tageskarte, einer Wochenkarte oder einem (personalisiertem) Monatspass aufgeladen werden. Das Fahrtguthaben kann an Automaten, bei Online-Registrierung mit hinterlegten Kreditkartendaten manuell oder automatisch bei Unterschreitung eines festgelegten Mindestguthabens an Fahrten aufgeladen werden (auto top-up). Die gegenseitige Kompatibilität mit der wesentlichen größeren New Yorker Verkehrsgesellschaft MTA (Metropolitan Transportation Authority) ist bislang nicht gegeben. Nutzerinnen und Nutzer einer MetroCard (magnetkarten- und kontaktbasiertes Ticketingsystem der MTA) können jedoch das Bahnnetz der PATH mit ihrer Karte nutzen.

6.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung Die SmartLink Card muss bei Zugang und Abgang von den wenigen Stationen der PATH Schnellbahnen im Check-in/Check-out-Verfahren per kontaktloser Aktivierung am Lesegerät eingesetzt werden, um Zugangsschranken zu öffnen. Dabei muss die Karte nicht aus der Brieftasche

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genommen werden. Technologie und Zugangsverfahren entsprechen damit den Standards vieler anderer Beispiele im großstädtischen Massentransporteinsatz.

6.3 Akzeptanz und Entwicklung der Nutzungsstatistiken PATH verzeichnete 2015 76,6 Mio. Fahrten, was einem täglichen Passagieraufkommen von ca. 260.000 Fahrten entspricht (PATH 2015). 2010 wurden bereits mehr als die Hälfte aller Fahrten mit der Smart Card absolviert und weitere 38% der Fahrgäste nutzten zudem bereits das elektronische Ticket der MetroCard (NJ.com 2010). Heute wird mittlerweile fast jede Fahrt mit einem elektronischen Ticketsystem abgerechnet, da die papierbasierten Tickets nicht mehr verkauft bzw. in kartenbasierte Systeme umgetauscht werden mussten. Die Umstellung auf ein kartenbasiertes System war somit für Fahrgäste alternativlos. Dies war jedoch nur möglich, weil sich die SmartLink Card seit ihrer Einführung 2007 ohnehin bereits großer Beliebtheit erfreute, insbesondere im direkten Vergleich mit dem New Yorker System der MetroCard. Im Einsatz der MetroCard ist es nötig, die Magnetstreifenkarte beim Check-in an den physischen Zugangsbarrieren kontaktbasiert durch einen Schlitz zu ziehen, was oftmals nur mangelhaft funktioniert und mittlerweile zur kollektiven Defiziterfahrung des New Yorker Nahverkehrssystems stilisiert wurde. Vor diesem Hintergrund wird immer wieder die Einfachheit der kontaktlosen (und wesentlich zuverlässiger funktionierenden) SmartLink Card gepriesen und umgekehrt mit vergleichendem Blick auf PATH die Rückständigkeit des New Yorker Systems der MTA moniert.

6.4 Zukunft des Systems/Ausbaupläne Seit mindestens zwei Jahrzehnten besteht in der New Yorker Nahverkehrslandschaft die Vision einer übergreifenden Ticketlösung, die die bestehenden Nahverkehrsnetze von Jersey, Manhattan und weiterer Netze unter Nutzung eines einzigen Ticketsystems kombiniert. Die Einführung der SmartLink Card im Jahr 2007 galt in diesem Zusammenhang als wichtiger Meilenstein zu dieser Systemintegration. Ein konkreter Zeitplan für die übergreifende Systemverschränkung ist jedoch nicht ersichtlich. Die Kosten für eine Erweiterung der SmartLink Card auf das New Yorker U-Bahnsystem und die Busse wurden indes mit 300 Mio. $ veranschlagt, was angesichts der großen Infrastrukturausgaben eine derzeit kaum aufzubringende Zusatzherausforderung darstellt. Finanzielle Ressourcen werden derzeit und in absehbarer Zeit vielmehr in der Modernisierung der maroden und durch Hurrikans beschädigten Infrastruktur Manhattans und Jerseys sowie in der Modernisierung der MetroCard gebunden werden müssen, die in Zukunft nach dem Muster Londons verstärkt auf kontaktlose Bezahlverfahren setzen möchte (New York Times 2006).

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Washington – SmarTrip Card

7.1 Entstehungsgeschichte/Hintergrund Die SmarTrip Card der Washington Metropolitan Area Transport Authority (WMATA) wurde bereits 1999 zunächst exklusiv im Bereich der Metrorail eingeführt und gilt damit als erstes kontaktloses SmartCard-System der USA (Greater Washington 2011), das zudem mit über 2 Mio. ausgegebenen Karten eines der erfolgreichsten Systeme Nordamerikas ist. Es wurde im Laufe der Jahre stetig in Bezug auf Interoperabilität mit weiteren innerstädtischen Verkehrsträgern, Dienstleistungen (z.B. Nutzung von Parkhäuser) und angrenzenden Verkehrsräumen erweitert (insbesondere der Maryland Transit Administration (MTA). Neben der Metrorail ist die Smart Card auch für den Metrobus, den D.C. Circulator und einige Vorort-Busse nutzbar. Seit Juni 2016 werden in der Metrorail nur noch ausschließlich SmarTrip Cards als Zahlungsmethode akzeptiert. „Farecards“, 1977 als technische Revolution eingeführte Papierfahrscheine mit Magnetstreifen, werden somit nicht mehr ausgegeben oder akzeptiert. Der Transfer von Papiertickets zu elektronischen Tickets wurde zuvor durch die stufenweise Verteuerung des Papiertickets seit 2008 stetig vorangetrieben. Die WMATA-Kampagne zur Umstellung wurde stellenweise derart energisch verfolgt, dass Papiertickets pauschal um 1$ teurer als der SmarTrip-Tarif verkauft wurden (Washington Post 2012).

7.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung Die SmarTrip Card wurde bis 2010 von Cubic Transportation Systems (siehe auch Oyster Card London) und seit 2014 von Accenture produziert und wird in einem geschlossenen (Metro) oder offenen System (Metrobus) eingesetzt in dem der Fahrgast die Karte bei Zu- bzw. Abgang zu den Stationen an entsprechende Lesegeräte halten muss. Mittels dieses Check-in/Check-out-Verfahrens werden die Zugangsschranken geöffnet und der korrekte Fahrpreis berechnet. Dabei muss wie für die kontaktlose RFID-Übertragungstechnologie üblich, die Karte nicht aus der Brieftasche genommen werden. Die zuvor in Washington eingesetzte papierbasierte „farecard“ musste noch in einen Schlitz gesteckt werden, was vergleichsweise mehr Zeit in Anspruch nahm und im Gegensatz zur SmarTrip Card ein weniger langlebiges Medium darstellte. Erhältlich ist die SmarTrip Card online, an allen Metro-Stationen und mehreren Shops und Supermärkten der Stadt gegen eine Gebühr von 2$. Sie kann mit einem Maximalguthaben von 300$

Abb.20 - SmartTrip Card (Quelle: WMATA)

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aufgeladen werden. Die Online-Registrierung vermittelt dabei die zusätzlichen Vorteile eines Auto-Reload, einer Nutzungshistorie, einem Management mehrerer Karten oder das bessere Handling im Fall von Verlust, Beschädigung oder Diebstahl. So kann in letzterem Fall etwa das Guthaben abzüglich einer Servicegebühr von 5$ ausgezahlt werden. Das verbleibende Guthaben auf der Karte wird beim Check-in und Check-out an den Lesegeräten angezeigt.

7.3 Akzeptanz und Entwicklung der Nutzungsstatistiken Die lange Reihe von Kampagnen zur Umstellung von Papier- auf Chipkartentickets samt finanzieller Anreiz- bzw. Strafmaßnahmen zeigt Erfolge. 2015 nutzten bereits fast 90% aller Fahrgäste der Metrorail und des Metrobus die SmarTrip Card (NBC 2015). Seit der vollständigen Umstellung der Metrorail auf das SmarTrip-System dürfte hier bereits von einer gänzlich vollzogenen Umstellung auf elektronische Tickets zu sprechen sein. Die Metro von Washington ist dabei mit ca. 750.000 täglichen Fahrten die nach der New Yorker Metro meistfrequentierte Metrostrecke der USA. Wesentlicher Kundenvorteil der SmarTrip Karte ist neben der Vereinfachung und Beschleunigung des Ticketkaufs die besonders deutliche Tarifvergünstigung in Bussen und der Metrorail. Als weiterer Nutzungsanreiz ist das Parken bei Einsatz der Karte an Wochenenden und Feiertagen kostenlos und steigert abermals die bereits hohen Akzeptanzwerte des Systems.

7.4 Kritikpunkte und Widerstände Nach Einführung der SmarTrip Card wurde lange Zeit die zu knapp bemessene Infrastruktur zur Aufladung der Karten kritisiert. So war es – wie bspw. auch in Peking – viele Jahre lang nur in ausgewählten Metrostationen und den Servicecentern möglich, die Karte zu erwerben oder aufzuladen, was lange Warteschlangen verursachte. Seit 2008 wurde die Vertriebsstruktur stark erweitert, sodass bis 2012 nunmehr alle Metrostationen mit Automaten ausgestattet wurden und zudem Geschäfte und Handelsketten in die Vertriebsstruktur aufgenommen wurden. Technische Probleme des Herstellers Cubic verursachten zudem den kritischen Umstand, dass die Aufladung der Karte in den Anfangsjahren sogar nur per Barzahlung in einem Bus möglich war. Im Gegensatz zum System der Oyster Card in London bietet WMATA derzeit kein „price-capping“ an. Fahrgäste müssen daher im Falle mehrerer Fahrten an einem Tag möglicherweise mehr zahlen als den Preis einer Tageskarte. Als weiterer Kritikpunkt gilt, dass die Plastikkarte leicht zerbrechlich sei und der eingesetzte Chip auf der SmarTrip Card bei Berührung mit einer Kreditkarte nicht mehr funktionsfähig wäre. Zwar wird im Falle der Dysfunktion das Guthaben auf eine neue Karte transferiert, allerdings nur mit oftmals großer zeitlicher Verzögerung.

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7.5 Zukunft des Systems/Ausbaupläne Wachstumsprognosen sehen bis 2020 eine Zunahme des Passagieraufkommens auf täglich 1 Mio. Fahrten voraus. Entscheidend für die Gewährleistung dieses Passagieraufkommens ist aus Sicht von WMATA neben dem allgemeinen Ausbau der Leistungsfähigkeit auch die Einführung eines zeitgemäßeren Zahlungssystems. Für 2020 ist daher nach Ablauf einer Pilotphase die Einführung eines elektronischen Bezahlsystems („New Electronic Payments Program“) vorgesehen mit dem der Fahrgast nicht mehr die SmarTrip Card, sondern sein Smartphone, seine Kredit- bzw. EC-Karte oder ein anderes Zahlungsmedium an die Lesegeräte der Zugangsschranken hält und daraufhin der Fahrpreis direkt von einem hinterlegten Konto eingezogen wird. Erwerb oder Aufladung der SmarTrip Card an Automaten würden somit überflüssig werden, weshalb – ähnlich wie in London – die Nutzung der SmarTrip Card auf mittlere Sicht zurückgehen dürfte. Zudem sollen speziell für Studenten ausgegebene Karten, die einerseits als Mobilitäts- und Identifikationsausweis dienen, für die Zahlung und zugleich den Zugang zu speziellen Orten (bspw. Universitäten) nutzbar gemacht werden.

Weiterer Vorteil der Umstellung auf ein neues Zahlungssystem ist der Umstand, dass die korrekte Abrechnung der Transaktionen der SmarTrip Card derzeit relativ kostspielig ist. So würden aktuell für jeden eingenommenen Dollar 12 bis 13 Cent für Personalkosten, Abrechnung und Wartung gezahlt. Mit Einführung eines neuen kontaktlosen Zahlungssystems bis 2020 würden laut WMATA bis zu 35 Mio. $ jährlich eingespart werden können (Wahsington Post 2013).

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Abb. 31 - Oyster Card im Einsatz (Quelle: Transport for London)

8. London – Oyster Card

Greater London ist mit 8,6 Mio. Einwohnern (ONS 2016) auf einer Fläche 1.572 km² einer der weltweit bedeutendsten innerstädtischen Verkehrsräume. Aufgrund der historischen Persistenz Londons als Wirtschafts- und Kulturmetropole haben technische und regulative Innovationen im Verkehrsbereich eine lange Tradition. Bei derzeit durchschnittlich 31 Mio. Fahrten pro Tag (davon 43 % im ÖPNV; 22 % Bus & Tram, 11 % Underground, 1 % DLR, 9 % Rail) spielt der ÖPNV dabei heute wieder eine zunehmend wichtige Rolle. Seit 2001 ist die ÖPNV-Nutzung um 7 Prozentpunkte gewachsen, was zum einen auf eine Reihe stadtpolitischer Steuerungsmaßnahmen (etwa die City Maut) zurückzuführen ist, die den motorisierten Individualverkehr weniger attraktiv gemacht haben, aber nicht zuletzt auch auf innovative Wege im Bereich des Verkehrszugangs. So gilt in jüngster Zeit das öffentliche Nahverkehrssystem Londons seit Einführung der Oyster Card im Jahr 2003 als vielzitiertes Erfolgsmodell in puncto elektronischem Ticketing.

8.1 Entstehungsgeschichte Die Einführung der Oyster Card steht in der Linie einer kontinuierlichen Entwicklung innovativer Überlegungen zur Einführung elektronisch gestützter Fahrkarten. Bereits 1982 führte die federführende Verkehrsgesellschaft Transport for London (TfL) Magnetstreifenkarten ein, um eine Beschleunigung des Verkehrszugangs mithilfe alternativer Nutzermedien zu erreichen. Die seit den 1990er stark wachsende Verkehrsnachfrage verursachte jedoch in steigendem Maße immense Probleme. Die räumlichen Kapazitäten der Bahnhöfe konnten dem Zuwachs an Fahrgästen nicht mehr standhalten. In den Spitzenzeiten am Morgen und Abend mussten daher die Zugangsbarrieren geöffnet bleiben, was den Zweck der Barrieren konterkarierte und die Zahl von Schwarzfahrern erhöhte. Vor diesem problematischen Hintergrund der zunehmenden Zahl an Fahrgästen und den Schlangenbildungen vor den Ticketschaltern und Automaten, sollte das neue System der elektronischen Fahrkarten vor allem dem Ziel der Beschleunigung des Zugangs und dem automatisierten Ticketerwerb entsprechen. Diese Zielstellungen gelten heute als erreicht, so sind Schlangen nach Einführung der Oyster Card vielerorts verschwunden oder wurden stark verkleinert. Auch die Anzahl der Einzeltickets konnte drastisch minimiert und auf kontinuierlich einsetzbare, kartenbasierte Tickets umgestellt werden. Betreiber des Systems/von Teilsystemen ist ein PPP (Public Private Partnership) bzw. PFI (Public Financing Initiative) zwischen folgenden Partnern:

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• TfL (Transport for London, Auftraggeber) und • TranSys Consortium (Betreiber):

o EDS (Electronic Data Systems, seit 2008 Teil von HP Enterprise Services; Aufgabe:

Management der techn. Systeme) o Cubic Transportation Systems (Management des Alltagsgeschäfts) o Fujitsu und WS Atkins (Shareholder)

Seit Einführung der Oyster Card im Jahr 2003 wurde der Einsatzradius der Smartcard aufgrund der großen Akzeptanz und Nutzungspraxis stets erweitert. 2009 wurde die Oyster Card auch als Zahlungsmedium bei Thames Clippers (London River Boat Services) akzeptiert und die Integration von National Rail im Großbereich London konnte bis 2012 abgeschlossen werden. Der Umsatz von TfL lag im Geschäftsjahr 2015/16 bei ca. 5,3 Milliarden Pfund (TfL 2016, 123), was bedeutet, dass sich der Umsatz gegenüber dem Geschäftsjahr 2001/2002 (Mio. 518 £) verzehnfachte. Von 2019 an verfolgt TfL gar noch größere Ziele und strebt innerhalb der kommenden Jahre an, keinerlei staatliche Subventionen mehr zu benötigen: „From 2019 we will cover all day-to-day running costs from our own income. This means that London will be the only major world city transport network not to require an operational subsidy from central Government” (TfL 2016, 66). Teil des wirtschaftlichen Erfolgs bildet der Umstand, dass TfL mit der Vermarktung und Lizensierung der innovativen Verkehrszugangssysteme ein einträgliches Geschäftsfeld entwickelt hat. So wurde etwa jüngst das kontaktlose Bezahlsystem an die New Yorker Nahverkehrsgesellschaft MTA lizenziert. Mit den Einnahmen von 15 Mio. Pfund sollen wiederum die Fahrpreiserhöhungen in London für die kommenden vier Jahre eingefroren werden (Daily News 2016).

8.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung Die Oyster Card ist eine elektronische Fahrkarte, die auf einer kontaktlosen Smartcard mit RFID-Chip (Mifare-Technologie von NXP Semiconductors) im Kreditkartenformat gespeichert wird. Sie kann in London und Umgebung für den Nahverkehr (Bus, U-Bahn, Straßenbahn, Light Rail, Fähren) sowie für den nationalen Fernverkehr (National Rail) im Großraum London eingesetzt werden. Gegen ein Pfand von fünf Pfund kann die Karte an Automaten, Verkaufsstellen, per Telefon oder über das Internet erworben auf den gleichen Wegen per Bareinzahlung bzw. Überweisung mit einem Guthaben von max. 90 Pfund aufgeladen werden. Zudem besteht die Möglichkeit, das Guthaben bei Unterschreitung eines definierten Schwellenwertes automatisch aufzuladen (Auto top-up). Neben der Prepaid-Funktion (beworben als „Pay-as-you-go“) werden Zeitkarten (Travelcards, Online-Registrierung notwendig) sowie Visitor Cards (Oyster Card speziell für Touristen) und Oyster Photo Cards für Fahrgäste mit Anspruch auf kostenlose oder ermäßigte Fahrten (Studenten, Soldaten etc.) angeboten. Alle Karten basieren auf RFID-Technologie und fungieren als zum Teil übertragbares Zugangsmedium zum Verkehrssystem bzw. zum Fahrzeug. Das Verfahren zur In-Out-Erfassung variiert mit den Verkehrsträgern. Bei Betreten der teils geschlossenen Systeme von National Rail, der Underground, Overground oder DLR (Docklands Light

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Rail) wird die Oyster Card kurz an ein Lesegerät gehalten. Bei erfolgreichem Abgleich des auf der Karte gespeicherten Guthabens öffnet sich die Zugangsschranke (Check-in). Wird das System verlassen, muss die Karte abermals an ein Lesegerät gehalten werden, um die Zugangsschranke zu öffnen bzw. den korrekten Fahrpreis zu ermitteln (Check-out). Der Fahrpreis wird anhand des Start- und Zielbahnhofs nach einem Zonenmodell ermittelt, bei dem die Innenstadt Zone 1 bildet (teuerste Tarifzone) und weitere acht Zonen jeweils ringförmig um die nächstniedrigere Zone herum liegen. Hat ein Zielbahnhof keine Durchgangssperre (z.B. Regionalbahnstationen außerhalb der Innenstadt), muss die Karte beim Verlassen trotzdem „ausgecheckt“ werden, da sonst der Fahrpreis für die theoretisch längstmögliche Strecke (ca. 9 Pfund) belastet wird. Bei den Londoner Verkehrsbetrieben TfL heißt der Vorgang innerhalb eines teiloffenen Systems ohne physische Barrieren daher auch „Touch-in/Touch-out“. Das Lesen und Schreiben der Oyster Card an den Terminals zum Ein- und Auschecken erfolgt dabei – ähnlich wie etwa in Hong Kong – in weniger als 300 ms (Langer und Roland 2010). Bei Fahrten mit Bussen und Straßenbahnen muss die Karte nur beim Einstieg an ein Lesegerät gehalten werden und wird aufgrund der nicht vorhandenen physischen Zugangsbarrieren in den Fahrzeugen ebenfalls als „Touch-in“ bezeichnet. Durch Berechnung eines Einheitspreises erfolgt der Ausstieg ohne aktiven Check-out. Die In-Out-Erfassung im teiloffenen System der Busse und Straßenbahnen erfolgt somit de facto als Check-in/Be-out, wenngleich ohne automatische Erkennung beim Ausstieg. Für das Pay-as-you-go-Verfahren mit distanz- und zonenabhängiger Fahrpreisermittlung gilt eine so genannte Price capping-Regelung, nach der man pro Tag für beliebig viele getätigte Fahrten mit beliebigen Verkehrsmitteln höchstens mit dem Preis einer One-Day-Travelcard (Tageskarte) belastet wird. Bezüglich der Tarifstruktur werden zudem Vergünstigungen auf weniger frequentierten Strecken oder in „off-peak-hours“ (4-9 Uhr morgens) angeboten.

8.3 Akzeptanz und Entwicklung der Nutzungsstatistiken Wurden im Jahr der Einführung der Oyster Card 2002/2003 nicht einmal 1% der Fahrten mit der Oyster Card getätigt, so waren es im Jahr 2006/2007 bereits 73% aller Fahrten (Zietz und Petersen 2008). Heute werden sogar mehr als 85% aller Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in London mit der Oyster Card abgerechnet, bei Bussen sogar 90% (TfL 2013). Kurz nach Einführung bewerteten 98% der Befragten in einer Langzeitstudie die Karte als Gewinn (Department for Transport, 2009). Mit mehr als 43 Mio. ausgegebenen Karten bezeichnet Transport for London die Oyster Card daher heute nicht ohne Grund gern als „the world’s most popular smartcard” (TfL 2016, 2). Tatsächlich ist diese Einschätzung – zumindest gemessen an den im Umlauf befindlichen Karten – aufgrund der Dimension der Pekinger Yikatong-Karte (70 Mio. Karten im Umlauf) jedoch zu relativieren. Der dennoch bahnbrechende Erfolg der Oyster Card ist auch in diesem Fallbeispiel auf die klaren Nutzungsvorteile zurückzuführen. Sei es die Beschleunigung des Boardings, die Langlebigkeit der Chipkarte, die Integration mit fast allen Londoner Verkehrsmitteln oder die flexiblen Auflademöglichkeiten; die Fahrgäste schätzen die generelle Vereinfachung und Beschleunigung der alltäglichen Mobilitätspraxis. So kann mit dem Check-in mittels elektronischer Fahrkarte der Einstieg

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bei Bussen drei Mal schneller erfolgen, die Kapazität beim Durchschreiten von Zugangsschranken beim Einsatz der Oyster Card gegenüber dem Einsatz von Papiertickets mehr als verdoppelt werden (TfL 2013). Zudem bietet die elektronische Fahrkarte eine Nachvollziehbarkeit der eigenen Fahrten an. Dazu kann von TfL eine komplette 8-Wochen-"Touch"-Historie angefordert werden (auch online als komplette Nachvollziehbarkeit der Reisekette inkl. Umstiege abrufbar). Die große Akzeptanz und weitverbreitete Nutzungspraxis des Systems mit der elektronischen Fahrkarte bewirkte für TfL aufgrund großer Einsparpotentiale im Vertriebswesen einen enormen wirtschaftlichen Erfolg. Da derzeit nur noch bei fünf Prozent der Fahrten eine Interaktion mit Ticketverkaufsstelle stattfindet, konnte der Vertriebsprozess optimiert und die Anzahl der Beschäftigten deutlich reduziert werden: „In just over a year“, so ein Sprecher von TfL, „the cost of collecting fares has dropped from about 14 percent of revenues to just below 9 percent with expectations that it will reduce further to around 6 percent resulting in massive cost savings“ (TfL 2016, 34). Die Einsparungen werden dabei direkt in den Ausbau des Systems reinvestiert und kommen somit wiederum den Fahrgästen zugute. Trotz der Kostenersparnisse sind die Fahrpreise seit Einführung der Oyster Card 2003 leicht gestiegen, etwa für Einzelfahrscheine der Underground von £2.80 auf £3.80.

8.4 Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation bei Einführung Als Anreizsystem zur Umstellung von herkömmlichen Papiertickets auf die Oyster-Nutzung diente eine bis heute gültige Vergünstigung des Oyster-Tarifs gegenüber der Barbezahlung von Papiertickets. Ein Einzelticket für Bus oder Straßenbahn kostet 2,40 £, der Einzel-Oyster-Fahrpreis 1,40 £, wobei gleichzeitig eine Preiskappung auf 4,40 £ für beliebig viele Fahrten an einem Tag erfolgt (nur Bus und Tram). Ein Einzelticket für Underground, DLR und London Overground kostet 4,50 £, der Einzel-Oyster-Fahrpreis 2,10 £. Gleichzeitig erfolgt eine Preiskappung auf 7 £/8,40 £ (off-peak/peak, d.h. außerhalb und in Stoßzeiten) für beliebig viele Fahrten an einem Tag. Die Kombination aus Preisanreizen und Komfort- und Nutzenvorteilen bewirkte eine sukzessive Steigerung der Nutzerzahlen der elektronischen Fahrkarte, sodass sogar eine vollständige Einstellung des konventionellen Tarifs (pay-as-you-go und travelcards aus Papier) angestrebt wird, um zukünftig noch mehr Einsparung bei Vertriebskosten zu generieren.

8.5 Kritikpunkte und Widerstände Technische Kritikpunkte am System der Oyster Card betreffen überwiegend die punktuelle Störanfälligkeit der Leseterminals. 2011 wurden bspw. etwa 0,5 % aller Reisen nicht bzw. fehlerhaft ausgecheckt worden. Die Einnahmen, die durch Nachforderungen bei den ca. 14,4 Millionen registrierten Fällen von versäumtem bzw. fehlerhaftem Auschecken generiert wurden, lagen im Jahr 2011 bei ca. 62 Mio. £. Trotz dieser technischen Fehler kann das System als verhältnismäßig zuverlässig gelten. Probleme bestehen des Weiteren bei zu enger Mitführung von RFID-fähigen Karten. So entstehen bspw. Zahlungsprobleme wenn beim Check-in die Oyster Card zu nah an kontaktloser Bezahlkarte (z.B. Kreditkarte) liegt („Card-Clash“).

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Da die Einführung der Oyster Card sukzessive Einsparpotentiale im Bereich des Vertriebs und des personalbedienten Verkaufs ermöglichte, wurde der Personalabbau weit vorangetrieben. Folge dieser Effizienzsteigerungen und des zukünftig weiter sinkenden Personalbedarfs sind immer wieder aufflammende Streiks der U-Bahnfahrer und des Verkaufspersonals in den Servicezentren, die den Pendleralltag der Metropole empfindlich treffen (BBC News 2016). Die Sicherheit der Oyster Card wurde im Laufe des Oyster Card-Einsatzes immer wieder auf die Probe gestellt. Nachdem es 2008 der Chaos Computer Club schaffte die Verschlüsselung der Karte zu knacken und es noch im gleichen Jahr niederländischen Forschern gelang, sogar eine Oyster Card zu klonen und mit ihr frei durch London zu fahren (Alphr 2008), reagierte TfL mit einer neuen Sicherheitsstrategie und der Ausgabe neuer Karten mit einer Reihe von Sicherheitsupdates. Ein „Datenklau“ der Oyster-Card-Nutzerdaten ist jedoch bislang nicht bekannt geworden. Weitere datenschutzrechtliche Kritikpunkte liegen im Zusammenhang mit der elektronischen Fahrkarte bestehen in der immer häufigeren Nutzung von Oyster Card-Nutzerdaten für polizeiliche Zwecke im Rahmen der Präventionsarbeit zur Terrorismusabwehr.

8.6 Zukunft des Systems/Ausbaupläne Als zentrale Bestrebung gilt neben der kapazitären Erweiterung des Verkehrsangebotes die noch stärkere Erleichterung des Verkehrszugangs. Als besonders zukunftsweisend gilt in diesem Zusammenhang die Integration kontaktloser Bezahlfunktionen, die die ÖPNV-Nutzung noch einfacher und bequemer werden lassen und noch mehr Einsparpotentiale im Vertriebswesen generieren soll. Seit September 2014 ist es im Londoner Nahverkehrsraum nach mehreren Vorlaufphasen (OnePulse) nunmehr möglich, ein Ticket allein durch den Einsatz seiner Kreditkarte, dem Mobiltelefon oder anderen NFC-fähigen Nutzermedien direkt beim Check-in zu erwerben. Die Bedeutung des kontaktlosen Bezahlens ist innerhalb von knapp zwei Jahren derartig gewachsen, dass mittlerweile fast ein Drittel aller pay-as-you-go Fahrten mit kontaktlosen Bankkarten absolviert werden (TfL 2016, 6). In Zahlen ausgedrückt heißt dies laut TfL, dass innerhalb einer Woche bereits ca. 7,5 Mio. Fahrten durch die kontaktlose Zahlungsmethode abgewickelt werden und täglich weitere 25.000 Erstnutzungen hinzukommen (TfL 2016, 28). Die große Zufriedenheit der Fahrgäste mit kontaktlosen Bezahlverfahren bewirkt nicht nur eine weitere Reduzierung der kognitiven Zugangshürden und eine dementsprechend nachweisliche Zunahme der Fahrgäste, sondern evoziert ein starkes dauerhaftes Wechselverhalten von Smartcards auf kontaktloses Bezahlen: „The TfL survey found that 2/3 of users converted to contactless as their preferred method of payment after just one trial use, and another 16 percent did so within a month. Further, nearly 2/3 of users review past journeys and payment histories through the online portal, a functionality that enables TfL to offer a compelling online customer experience to contactless payment users and was not available before the conversion“ (MasterCard 2016, 4). Die Zukunft des Londoner Nahverkehrs wird demnach einen massiven Wechsel zu personalisierten Nutzermedien (Smartphone, Uhren, Armbänder etc.) erfahren, sodass sich die Transaktionen mit der Oyster Card perspektivisch reduzieren dürften.

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Abb.12: Entwicklung der Fahrten mit Nutzung kontaktloser Bezahlfunktionen (Tfl 2016, 28)

Weiteres Ziel von TfL ist es – ähnlich der Bestrebungen in Deutschland und Japan – die Integration der Oyster Card in das Netz weiterer landesweit bestehender Systeme in anderen Großstädten unter einem gemeinsamen Abrechnungsstandard zu erreichen, der es schließlich erlauben soll, mit nur einer Karte sämtliche Verkehrssysteme des Landes zu nutzen (Department for Transport 2009).

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Abb. 43- PHOTOPQR/LE PARISIEN

9. Paris – Passe Navigo / Passe Navigo Découverte

9.1 Entstehungsgeschichte/Hintergrund Paris besitzt mit den Systemen Passe Navigo bzw. Passe Navigo Découverte bereits seit 2001 ein elektronisches Ticketsystem auf Grundlage einer kontaktlosen Smart Card. Anfangs nur für Besitzer von Jahreskarten ausgegeben, wurden seit 2003 auch Semestertickets von Studenten auf das elektronische Ticketsystem umgestellt. Ab 2005 wurde die Smart Card erstmals auch für

Gelegenheitsfahrer innerhalb der Zone 1 und 2 der Verkehrsregion Île de France verfügbar gemacht, deren Zentrum Paris bildet. Seit Februar 2009 werden keine papierbasierten Zeitfahrkarten (Carte d’Orange) mehr ausgegeben. Die zuvor auf Basis der Magnetstreifentechnologie eingesetzte Carte Orange verschwand damit nach 34 Jahren Einsatzzeit aus der Pariser Nahverkehrslandschaft. Dennoch sind alternativ weiterhin auch noch Papiertickets in Form von Einzelfahrscheinen oder vergünstigten 10-Karten an Automaten, Verkaufsschaltern oder in Bussen erhältlich.

Nutzbar sind die Karten in der Region Île de France bei folgenden Verkehrsanbietern: Schnellbahnen, U-Bahnen, Busse und Seilbahnen der RATP (Régie autonome des transports Parisiens), Französische Staatsbahn (SNCF) im Raum Île de France, Optile und weitere Transportunternehmen des STIF (Syndicat des transport d‘Île de France). Darüber hinaus sind Passe Navigo bzw. Passe Navigo Découverte auch intermodal für das Fahrradausleihsystem Vélib benutzbar.

Seit 2013 wird eine neue Kartengeneration ausgegeben, die es mithilfe eines NFC-fähigen Mobiltelefon ermöglicht, die Karte unabhängig von Automaten oder einem Internetzugang aufzuladen. Die vollständige Umstellung auf ein NFC-fähiges System wird aber erst ab 2018 umgesetzt werden.

9.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung Der Passe Navigo ist eine kontaktlose Smart Card basierend auf dem Calypso Standard, der Zugang zu den geschlossenen Systemen der Metro und den halboffenen Systemen von Straßenbahnen und Vorortzügen gewährt. Der Vorzug der Umstellung auf Smart Cards liegt darin, dass der Zugang vier Mal schneller als mit alten Magnetstreifenkarten und erfolgen und sich somit der Verkehrsfluss beim Zu- und Abgang beschleunigen soll. Zudem ist von Vorteil, dass die Lesegeräte für die Smart Card wesentlich wartungsfreundlicher als die Lesegeräte für die Magnetstreifenkarte und daher kosteneffizienter sind. Es werden zwei Kartentypen angeboten. Eine personalisierte Ausführung mit Zeitkartenfunktion für Pendler und Vielfahrer (Passe Navigo) oder eine guthabenbasierte und anonymisierte Karte für Gelegenheitsfahrer (Passe Navigo Découverte). Während die guthabenbasierten Karten kostenlos

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erhältlich sind, wird die Karte mit der Zeitkartenfunktion gegen eine Gebühr von 5€ verkauft. Das Angebot einer anonymisierten Karte wurde auf Druck von datenschutzrechtlichen Bedenken als Alternativoption wenige Jahre nach der flächendeckenden Verbreitung der personalisierten Karte eingeführt. Zur Verifizierung der Fahrberechtigung muss bei Besitz des personalisierten Passe Navigo zusätzlich entweder ein Foto aufgedruckt oder ein Ausweisdokument mitgeführt werden. Alle Pässe können an Automaten, Ticketschaltern oder über das Internet aufgeladen werden.

9.3 Akzeptanz und Entwicklung der Nutzungsstatistiken 2007 lag die Nutzungsrate des elektronischen Ticketings bereits bei 75% (OBS 2008). Bis Anfang 2009 wurden bereits mehr als 4,5 Mio. Karten in Umlauf gebracht, davon ca. 1,5 Mio. mit aufgeladenen Monatskarten und ca. 1 Mio. mit Jahresabonnements (LaCroix 2016). Mit der vollständigen Umstellung des Systems im Jahre 2009 besteht nunmehr nur noch ein marginaler Prozentsatz von Gelegenheitsfahrer, die kein elektronisches Ticket benutzen. Technische Probleme sind kaum nennenswert. Kritisiert werden dagegen zumeist die regelmäßigen Preissteigerungen. Zudem wurden trotz der 2007 eingeführten anonymisierten Wahloption des elektronischen Tickets für den Großraum Paris immer wieder datenschutzrechtliche Mängel am Passe Navigo Découverte laut. So wurde etwa konstatiert, dass die vollständige Anonymität der Karte nicht gewährleistet wird und es potentiell möglich sei, mit einem Mehraufwand Bewegungsprofile der Fahrgäste anzulegen. Im Sinne des Datenschutzes werden die Transaktionsdaten nunmehr nicht länger als zwei Tage gespeichert.

9.4 Zukunft des Systems/Ausbaupläne Bis 2021 soll im Rahmen einer breit angelegten 400 Mio. € teuren Modernisierungsstrategie des Pariser Nahverkehrs der Papierfahrschein in der Metro verschwunden sein. Dazu sollen die bestehenden elektronischen Ticketsysteme in „Navigo Smart“ umbenannt werden. Abonnements sollen dann direkt per Smartphone heruntergeladen werden können. Das Smartphone soll über NFC-Datenübertragung zudem an den Lesegeräten der Stationen den Zugang ermöglichen, zum primären Nutzermedium des Pariser ÖPNV zu werden. 60% der in Frankreich genutzten Smartphones würden dafür bereits mit der NFC-Technologie ausgestattet sein, sodass es bereits heute eine ausreichend kritische Masse zum Systemwechsel gäbe. Auch Bankkarten sollen nach Londoner Vorbild im kontaktlosen Bezahlverfahren als Zugangsmedium verwendet werden können. Die Ausdehnung des NFC-basierten Zugangsverfahrens soll darüber hinaus auch auf das Fahrradverleihsystem, Taxis oder Carsharing-Dienstleistungen ausgeweitet werden (Le Figaro 2016).

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10. Verkehrsverbund Rhein-Ruhr – Personalisierte Chipkarten für Abonnenten

10.1 Entstehungsgeschichte/Hintergrund Als größter deutscher und nach eigenen Angaben einwohnerstärkster und größter Nahverkehrsballungsraum Europas (8,1 Mio. Einwohner, ca. 1,2 Milliarden Fahrgäste/Jahr) gilt der

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) als Pionier auf dem Gebiet elektronischer Ticketsysteme in Deutschland und beschäftigt sich mit einem eigens gegründeten „Kompetenzcenter Elektronisches Fahrgeldmanagement“ (KCEFM) bereits seit 2003 erfolgreich mit der Einführung von E-Tickets und RFID-basierten Verkehrszugangssystemen. Heute zählt der Verkehrsverbund ca. 1,5 Mio. Nutzer/innen einer personalisierten Chipkarte.

Für seine Abonnement-Kunden setzt der VRR seit 2003 ausschließlich nur noch elektronische Tickets im Chipkarten-Format ein. Zeitfahrkarten existieren somit nur noch als Datensatz, der auf dem Chip in der Kundenkarte verschlüsselt wird. Das herkömmliche Papierticket wird für Abonnenten somit obsolet. Lesbar wird dieses E-Ticket ausschließlich durch elektronische Lesegeräte, die die Ticketdaten durch ein Sicherheitsmodul entschlüsseln können. Einzel-, 4er- und (Kurz-)Zeittickets für Gelegenheitsfahrer sind jedoch auch weiterhin als Papierfahrscheine erhältlich (10er-Karten und Tagestickets allerdings nur via App).

Von 2007 bis 2010 hat der VRR diese E-Tickets auf den deutschlandweiten Standard VDV-Kernapplikation umgestellt. Somit hat sich der VRR eTicket Deutschland angeschlossen, dessen Ziel es ist, Fahrgästen eines Verkehrsunternehmens auch Fahrten in Gebiete anderer Verkehrsunternehmen abzurechnen, ohne eine neue Chipkarte zu benötigen. Perspektivisch soll es somit möglich sein, dass Fahrgäste sich nicht in die Tarifstruktur eines anderen Verkehrsunternehmens einarbeiten müssen, weil das Abrechnungssystem des eTicket Deutschland den Preis für die Verbindung zwischen Start- und Endpunkt automatisch berechnet. Das System ist somit etwa vergleichbar mit der japanischen Suica Card, die landesweit in einer Vielzahl von Verkehrsregionen und Verkehrsmitteln einsetzbar ist.

Abb. 54 - Abo-Ticket 2000 (Quelle: VRR)

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10.2 Systemcharakteristik und technische Umsetzung

Der Zugang zu den Verkehrsmitteln im VRR erfolgt in Abgrenzung zu den anderen vorgestellten Beispielen in einem offenen System. Die Fahrtberechtigung wird im VRR-Gebiet seit 2010 standardmäßig in Form eines Einstiegskontrollsystems (EKS) abgeprüft. Dazu wird die Chipkarte beim Zustieg über das Lesegerät gehalten, um dem Fahrgast (in Bussen auch dem Fahrer) die Validität des Tickets im Display des Lesegerätes (Ampelprinzip) anzuzeigen. Die elektronische Einstiegskontrolle gilt unter der Vorgabe der Beibehaltung eines offenen Systems als unkomplizierte und leicht handzuhabende Methode der Ticketprüfung. Dabei können jedoch nur Zeitkarten mit elektronischem Chip erfasst werden. Zeit- und Barfahrscheine aus Papier müssen in Bussen auch weiterhin vom Fahrer auf ihre Gültigkeit kontrolliert werden. Bei Ticketkontrollen in Stadt-, Straßenbahnen und Nahverkehrszügen im VRR setzen Kontrolleure zudem mobile Prüfgeräte ein. Mittelfristig soll bei

allen Verkehrsunternehmen im VRR eine elektronische Ticketkontrolle in Bussen eingeführt werden.

Die Datenübertragung der Chipkarte erfolgt über die kontaktlose RFID-Technologie. Ausgegebene Chipkarten entsprechen der Norm ISO 14443, die den kontaktlosen Datenaustausch im absoluten Nahbereich von weniger als etwa 10 Zentimetern beschreibt. Die Chipkarten sind demnach nicht fähig, über mehrere Zentimeter oder gar Meter hinweg gelesen zu werden. Auf der Chipkarte sind Fahrtberechtigungen gespeichert. Die Fahrtberechtigungen enthalten Angaben zur zeitlichen und räumlichen Gültigkeit des Fahrausweises sowie Name und Geburtsdatum des Besitzers.

10.3 Akzeptanz und Entwicklung der Nutzungsstatistiken

Mittlerweile wurden 1,5 Mio. Abonnementkunden mit RFID-basierten Chipkarten ausgestattet. Insbesondere jüngere Fahrgäste begrüßten laut VRR die Systemumstellung auf ein elektronisches System sowie die Akzeptanz der elektronischen Einstiegskontrolle. 2015 wurden nur noch 8,1% der Fahrten im Bartarif und somit als Papierticket ausgegeben, mehr als 90% aller Fahrten wurden daher bereits mit elektronischen Tickets absolviert (VRR 2016).

Testläufe der elektronischen Einstiegskontrolle (EKS) zeigten, dass nur bei 2% aller EKS-Prüfungen zu Lesefehlern kam, wobei die Ursache entweder defekte Chipkarten oder falsche Handhabung waren (NIAG 2011). Auch der Datenschutz ist laut Aussage des VRR beim EKS-System ausreichend gesichert: „Personenbezogene Daten des Inhabers werden bei der Prüfung nicht erfasst. Bei der elektronischen Ticketkontrolle wird nur geprüft, ob die Abo-Karte gültig ist oder nicht. Die Daten, welche auf der Chipkarte abgelegt sind, lassen den Anwendern weitgehende Anonymität. Theoretisch wäre das Erzeugen von Bewegungsbildern bei flächendeckenden Kartenkontrollen möglich. Auch wenn es die technischen Möglichkeiten bei den Verkehrsunternehmen bereits gäbe, was zurzeit nicht der Fall ist, so würden diese die entsprechenden Daten nicht speichern und zum Ausspähen ihrer Fahrgäste

Abb. 15 (Quelle: VRR)

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nutzen. Dies garantieren die Verträge, welche die Verkehrsunternehmen mit den Kunden schließen. Zudem besteht die Möglichkeit, nicht personengebundene Fahrausweise zu nutzen. In diesem Fall besteht auch theoretisch keine Möglichkeit der Ausspähung“ (VRR 2016).

Kritik wird bezüglich eines befürchteten Personalabbaus in Folge der Effizienzgewinne geäußert. So wird bspw. seitens des VCD (Verkehrsclub Deutschland) mit der Ausweitung der elektronischen Fahrscheine mit einem weiteren Abbau von Verkaufsstellen in Nordrhein-Westfalen gerechnet. Zudem bleibt zweifelhaft, ob die Systemumstellungen tatsächlich zu den erwarteten Vorteilen führen bzw. ob Kosten und Nutzen angesichts des hohen Investitionsaufwands und der relativ kleinen Zielgruppe der Gelegenheitsfahrer in vernünftigem Verhältnis stehen. Statt in neue Technologien zu investieren, so lautet eine Forderung von Kritikern der Umstellung auf ein flächendeckendes Check-in/Check-out-Verfahren, sollten die Mittel genutzt werden, um ein deutschlandweit einheitliches Tarifsystem umzusetzen (fairkehr 2009).

10.4 Zukunft des Systems/Ausbaupläne Das komplexe Tarifsystem innerhalb des VRR (27 Verkehrsunternehmen und Eisenbahngesell-schaften) erfordert aktuell, dass sich der Fahrgast vor Antritt einer Fahrt mit dem Tarifmodell und den Produkten auseinandersetzen muss. Er muss die Erwerbs- und Zahlungsmöglichkeiten kennen und diese Kenntnisse, z.B. an Fahrkartenautomaten mit unterschiedlichen Bedienoberflächen, erfolgreich anwenden. Diese Hemmschwelle soll perspektiv durch die Einführung eines Check-in/Check-out-Verfahrens zum Ziel der automatischen Fahrpreisermittlung vereinfacht werden. Die Vision des VRR lautet, dass der Fahrgast einmalig eine Smart Card erwirbt oder sein Smartphone nutzt und bei Fahrtantritt eincheckt und am Ende jedes Fahrtabschnitts wieder auscheckt. Auf Basis dieser Daten würde der Fahrpreis unter Berücksichtigung von Umstiegen, Mehrfachnutzungen, Vergünstigungen oder Rabatten automatisch berechnet werden (KCEFM 2014). Das in viel anderen Städten bereits etablierte System wird dabei jedoch im Vergleich zu den meisten Verkehrssystemen der Weltmetropolen wahrscheinlich – wie in Deutschland typisch – ein offenes bleiben und andere Herausforderungen (bspw. bezgl. Der noch immer notwendigen manuellen Kontrolle) schaffen. Die Vorteile des geplanten Ausbaus digitaler Anwendungen liegen nicht nur auf Seiten der Fahrgäste, sondern auch die Verkehrsunternehmen können profitieren. Durch Senkung der Nutzungshürde, so die Hoffnung, kann eine Mehrnutzung generiert und damit eine weitere Einnahmesteigerung erreicht werden. Zudem können Vertriebskosten gesenkt, Prozesse zwischen Verbund und Verkehrsunternehmen verbessert sowie durch moderne, flexible Tarifierung weitere Einnahmen erwirtschaftet werden. Das Smartphone und die Chipkarte werden im Zuge dieser avisierten automatischen Fahrpreisberechnung als die geeignetsten und favorisierten Nutzermedien angesehen (VRR 2016).

Während bei der Umstellung auf E-Tickets die Abonnementkunden im Mittelpunkt standen, werden somit also im VRR zukünftig auch nützliche Lösungen für Gelegenheitsfahrer entwickelt, die es noch einfacher machen, Tickets direkt mit dem Smartphone zu erwerben und die ÖPNV-Nutzung attraktiver machen. Das Papierticket dürfte im Zuge dieser kommenden Ausbaustufe noch weiter auf dem Rückzug sein, ohne jedoch als Rückfallebene völlig aus der Nahverkehrslandschaft des VRR zu verschwinden.

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11. Vergleichende Zusammenfassung

Die Bedeutung elektronischer Ticket- und Verkehrszugangssysteme hat in den letzten zwei Jahrzehnten stetig zugenommen. Insbesondere im großstädtischen Kontext sind jene Systemumstellungen weltweit – und weit über die neun hier vorgestellten Beispiele hinaus – zu einem festen Bestandteil geworden und haben die öffentliche Nahverkehrslandschaft grundlegend reformiert.

Die Motivation zur Umstellung auf elektronische Ticketing- und Verkehrszugangssysteme basierte dabei in allen vorgestellten Fallstudien mehr oder minder explizit auf den sechs folgenden konzeptionellen Säulen:

1) Verbesserung des Service (Flexibilität, Nachvollziehbarkeit eigener Fahrten etc.) 2) Minimierung der Zugangshemmnisse (insbesondere für Gelegenheitsfahrer) 3) Erhöhung der Sicherheit (Fälschung, Missbrauch, Kontrolle etc.) 4) Kapazitätssteigerungen (insbesondere im asiatischen Kontext) 5) Kostenreduktion durch Personalreduktion und Effizienzsteigerungen durch tagesaktuelle

Daten und Maßnahmen zur Optimierung der Fahrzeugauslastung und des Linienmanagements

6) Eröffnung neuer Geschäftsfelder jenseits der Transportdienstleistung (insbesondere in Asien)

Im Zuge dieser Entwicklung sind Verkehrsunternehmen heute zu Datendienstleistern geworden, die mithilfe der Analyse von „Big Data“ nicht nur ihre eigenen Planungen verbessern und neue Kenntnisse über das Mobilitätsverhalten ihrer Kunden gewinnen können, sondern bei gleicher Datenerhebung bessere Möglichkeiten der Vergleichbarkeit zu anderen Systemen erhalten (Morency, Trépanier und Agard 2007, Pelletier, Trépanier und Morency 2011, Bagchi und White 2005). Darüber hinaus stellen viele Verkehrsunternehmen (insbesondere TfL in London) ihre Daten als „Open Data“ für die Forschung oder für die Entwicklung von Apps zur Verfügung, die mitunter wiederum den Fahrgästen als Serviceverbesserung zugutekommen. Kurzum, Mobilität und Informationstechnologien konvergieren zunehmend, wobei nunmehr tagesaktuelles Wissen über die Verkehrsströme und Nutzungspraktiken das Primat der langfristigen Planung um eine zukünftig kurzfristigere Planung ablösen könnte.

Im Folgenden werden nun abschließend einige ausgewählte Untersuchungsaspekte in vergleichender Perspektive zusammengefasst und in einer Vergleichsmatrix dargestellt.

Zeitpunkt der Betriebseinführung

Alle in den Fallbeispielen vorgestellten Ticket- und Verkehrszugangssysteme wurden in einem Zeitspektrum von 10 Jahren zwischen 1997 und 2007 implementiert. Dieser Zeitraum kann somit als paradigmatisch für den Generationswechsel in der automatisierten Fahrpreiserhebung von magnetkartenbasierten hin zu Smart Card-basierten Lösungen gelten und wiederum als Zwischenstufe hin zur kommenden Generation mobiler Ticketlösungen und kontaktloser Bezahlverfahren.

Asiatische Städte nahmen in dieser Evolutionsstufe eine klare Vorreiterrolle bezüglich Einführungsdatum, abgesetzter Karten, Nutzerstärke oder auch angebotener Funktionsvielfalt ein.

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Diese Entwicklung ist nach STOA (2014) aus folgenden Gründen zu erklären. Die hohe Bevölkerungsdichte und die enorme Verkehrsnachfrage setzen in asiatischen Metropolen besonders hohe Ansprüche an eine effiziente Abwicklung des Personenverkehrs. Neben den Rahmenbedingungen einer starken Marktsegregation sind Transportanbieter asiatischer Metropolen zudem oftmals in eine stark diversifizierte Unternehmensstruktur eingebunden, die jenseits der Transportdienstleistung auch Aktivitäten in Immobilienwirtschaft, Einzelhandel oder Tourismus etc. unterhält. Die Funktionserweiterung der Smart Card und die Verknüpfung anderer Wirtschaftsbereiche wird daher aus intrinsischen Interessenlagen heraus attraktiv und vergleichsweise stärker verfolgt. Weiterer Grund für diese zeitliche Vorreiterrolle ist der Umstand, dass in asiatischen Metropolen bereits auf die vorhandene Infrastruktur eines geschlossenen Systems aufgebaut werden kann und nicht zuletzt, dass technische Innovationen auf eine innerhalb der asiatischen Bevölkerungen vergleichsweise hohe Technikaffinität treffen.

Technologien und Nutzermedien

Die eingesetzte Technologie ist mit fallspezifischen Ausprägungen ein auf einem Medium eingesetzter Chip, der über kontaktlose Datenübertragung per RFID bzw. NFC ausgelesen werden kann. Nutzermedien sind überwiegend kontaktlose Chipkarten aus Plastik im Format einer Kreditkarte, im asiatischen Kontext vermehrt jedoch auch personalisierte Medien wie Armbänder, Anhänger oder Uhren, die eine noch stärkere Verschränkung des elektronischen Tickets mit der persönlichen Alltagswelt repräsentieren. Ausgehend dem weltweit ersten großflächigen System der Octopus Card (1997) wurde der Systemstandard von vielen weiteren Städten adaptiert, wenn auch standortspezifischen Begebenheiten angepasst.

Ähnlich globalisiert wie der Technologieeinsatz sind auch die technischen Probleme gelagert. Sie treten fallbeispielübergreifend meist im „Card Clash“ (fehlerhaftes Auslesen bei zu großer Nähe zu anderen kontaktlosen Karten) oder der potentiellen Gefahr einer Entmagnetisierung der Karte (inkl. Guthabenverlust) auf. Dennoch sind insgesamt nur relativ wenige technische Störungen oder Fehlabrechnungen zu verzeichnen, weswegen die Systemstabilität der untersuchten elektronischen Ticketsystemen insgesamt als gegeben bzw. die Technologie als zuverlässig, robust und etabliert eingestuft werden kann.

Systemcharakteristika

Fast alle vorgestellten Fallbeispiele verfügten über geschlossene Systeme, wobei jedoch innerhalb einer Stadt auch oftmals mehrere Systeme nebeneinander existieren (Mezghani 2008). Während die Metrolinien der vorgestellten Fallbeispiele flächendeckend mit geschlossenen Systemen ausgestattet waren, sind die Bus- und Schnellbahnlinien oftmals als halboffene oder offene Systeme ohne durchgängige Zugangsschranken gestaltet. Als Zugangsverfahren findet ganz überwiegend ein Check-in/Check-out-Verfahren Anwendung (in London sprachlich leicht abgewandelt als Touch-in/Touch/out), bei dem sich der Fahrgast mit dem Nutzermedium Chipkarte bzw. Smartphone aktiv an einem Lesegerät anmelden und sich bei Verlassen des Verkehrssystems aktiv auschecken muss, um den korrekten Fahrpreis abzurechnen und vom Kartenguthaben abzuziehen. Vollautomatisierte Fahrpreisberechnungen über Funk (Check-in/Be-out bzw. Be-in/Be-out) waren dagegen noch in keiner der Fallstudien zu finden.

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Die technischen Ähnlichkeiten der vorgestellten Systeme in Bezug auf die eingesetzte Technologie, Systemcharakteristika und Zugangsverfahren können dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Implementierung nirgends ohne Ein- und Anpassungen an den jeweiligen lokalen Kontext geschehen können: „The exact nature of stakeholder arrangements, as well as the geographic, socio-economic and technical preconditions, are not transferrable from one case to the other. A one-size-fits-all solution does not seem desirable and feasible. Instead, a user interface is needed that is compatible with other applications, but takes into account the diversity of contexts. It should offer different payment options, include local fare policies, respect data privacy requirements and it should be open to further development“ (STOA 2014, 4).

Funktionsvielfalt

Im Hinblick auf die Zusatzfunktionen des elektronischen Tickets jenseits der reinen Transportfunktion nehmen wiederum asiatische Städte eine Vorreiterrolle ein. Hong Kong und insbesondere Peking stehen mit der zusätzlichen Nutzung der Smart Card als akzeptiertes Zahlungsmittel in einer Vielfalt von Serviceeinrichtungen an der Spitze der Integrationsbestrebungen. Dabei variiert die Integrationstiefe von ÖPNV-nahen Dienstleistungen (Shopping von Reisebedarf in Bahnhöfen bzw. Bahnhofsnähe) bis hin zur Vollintegration kommunaler Services, externer Zugangskontrollen (Registrierung der Anwesenheit in Schulen und Universitäten, Hong Kong) oder gar amtlicher Identitätsnachweise (Peking, Washington). Angesichts des wachsenden Umfangs nicht-verkehrsbezogener Transaktionen im asiatischen Kontext (Octopus Card 2009: 36%) könnte gar der Eindruck entstehen, dass das elektronische Ticketsystem mancherorts vielmehr lediglich als Markteröffnung für ein erfolgreiches Geschäftsmodell (Erhebung von Transaktionsprovisionen) fungierte. Ausgehend von einer etablierten Verkehrsfunktion reifen somit aktuell Kartensysteme zur zentralisierten Zugangs,- Bezahl- und Ausweisfunktion. Die Verschränkung mit eCommerce bzw. Geldkartenfunktionen diente in den vorgestellten Beispielen übergreifend als ausgesprochen wirkungsvoller Schlüssel, nicht nur um die Mehrnutzung des ÖPNV zu gewährleisten, sondern um eine Transformation der Verkehrsunternehmen von Verkehrs- zu Serviceanbietern zu bewerkstelligen.

Im europäischen Kontext ist die dagegen Erweiterung um eine Bezahlfunktion transportunabhängiger Dienstleistungen vergleichsweise wenig bis überhaupt nicht ausgeprägt. Trotz der mittlerweile gefallenen technischen Barrieren zur funktionalen Integration weiterer Dienstleistungen liegen die Zielsetzungen im europäischen Kontext derzeit offenbar vornehmlich in der transportbezogenen Serviceverbesserung und in der Interoperabilität mit anderen Verkehrsträgern (Car Sharing, Fahrradleihsysteme etc.). Daneben setzen die europäischen und nordamerikanischen Fallbeispiele zukünftig eher auf den Ausbau kontaktloser Bezahlverfahren (Washington, London, Paris) als auf die Verschränkung von eCommerce- und Geldkartenfunktionen. Diese abweichenden Fokussetzungen sind wohl nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der oben geschilderten Organisationsstruktur der anbietenden Verkehrsunternehmen zu erklären, die sich weniger als Mischkonzerne mit angeschlossener Transportdienstleistung, sondern im Kern als Transportdienstleister verstehen. Umso mehr erstaunt es, dass bspw. die Oyster Card in London trotz der fehlenden Funktionserweiterung um eine Bezahlfunktion im Einzelhandel derart akzeptiert und angesichts des Verbreitungs- und Nutzungsgrades zu einem derartigen Erfolgsmodell gereift ist.

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Nutzungspraxis und Akzeptanzgrad

Die Nutzungstiefe und der Akzeptanzgrad sind bei allen untersuchten Kartensystemen als sehr hoch zu bezeichnen, wobei die im Umlauf befindlichen Karten von Fall zu Fall rein quantitativ stark schwanken. Während etwa in Washington 2 Mio. Karten zirkulieren, sind es in Hong Kong 24 Millionen, Tokio 60 Millionen und in Peking gar 70 Millionen Karten. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl zeigt sich somit wiederum Hong Kong in der Spitzenposition. Hier kommen auf 1.000 Einwohner mehr als 3.000 genutzte Octopus Cards. Der prozentuale Anteil der Nutzung elektronischer Tickets am Gesamtticketaufkommen schwankt dabei ebenfalls in einem (hohen) Spektrum von 75% (Paris) bis zu fast 100% (Metro in Washington, PATH Link in New York City/New Jersey). Somit hatte eine Reihe von Systemen papierbasierte Tickets bereits vollständig durch elektronische Tickets substituiert oder die vollständige Substitution steht kurz bevor. Der Systemübergang wurde vielerorts jedoch wohlgemerkt dadurch beschleunigt, dass oftmals keine Wahloptionen zur Verfügung standen, sondern die Verkehrsanbieter schlichtweg einen Zwang zur Umstellung auf ein elektronisches Ticket erzeugten (bspw. New York, Washington, Hong Kong). Als weitere Strategie zur Erhöhung der Nutzung elektronischer Ticketsysteme fungierten vielerorts Anreize über Rabattierungen elektronischer Tickets gegenüber Papiertickets. Diese können mitunter sehr stark ausfallen (Peking, Washington, London) oder nur im minimalen Cent-Bereich liegen (Tokio). Jenseits der normativen Maßnahmen waren jedoch die klaren Nutzungsvorteile ausschlaggebend für den Erfolg der Kartensysteme. Beschleunigung des Boardings, Langlebigkeit der Chipkarte, Integration mit anderen lokalen und regionalen Verkehrsmitteln, Vertriebs- und Erwerbsvielfalt inkl. flexibler Auflademöglichkeiten; die Fahrgäste schätzen übergeordnet in allen untersuchten Beispielen eine generelle Vereinfachung und die Beschleunigung der alltäglichen Mobilitätspraxis.

Die Nutzungsvorteile, so zeigte sich in der Zusammenschau, werden aber erst dann wirksam, wenn sie von ausreichender Vertriebsinfrastruktur und einer ganzheitlichen Minimierung von Zugangs- und Erwerbshürden flankiert werden. So wurden die Systeme in Washington und Peking anfangs kaum genutzt, weil die Automatenstruktur zum Aufladen des Guthabens viel zu gering (nur Automaten an wenigen Stationen) ausfielen, was zu großen Protesten führte. In diesem Fall wurden die Wartezeiten schlichtweg von den Zugangsschranken in andere Bereiche verlagert. Erst mit Verbesserung der Vertriebsinfrastruktur und Bereitstellung breiter Zusatzservices (Buchung über das Internet, automatisches Aufladen im auto-top-Modus, price-capping etc.) werden demnach die Potentiale des elektronischen Ticketings seitens der Fahrgäste vollends ausgeschöpft.

Die Umstellung auf elektronische Ticketsysteme wird oftmals durch stark abweichende infrastrukturelle und politische Ausgangsbedingungen geprägt. So besteht etwa eine wesentlich höhere Nutzungsbereitschaft im Falle einer bereits bestehenden Infrastruktur geschlossener Systeme und einer damit verbunden bereits etablierten Nutzungspraxis von Magnetstreifenkarten (Hong Kong, Tokio, Washington, London). Die Umstellung auf ein neues System stellte somit in vielen Fällen aus Sicht der Fahrgäste keine Zäsur der Nutzungspraxis dar, sondern erforderte nur wenige Änderungen der Fahrgastroutinen. Da die Verkehrsunternehmen im Falle der vielerorts bereits bestehenden infrastrukturellen Voraussetzungen weniger finanzielle Ressourcen benötigten, konnten im Sinne einer Beschleunigung der Systemumstellung und einer Erhöhung der Nutzungspraxis unter anderem auch stärkere Anstrengungen in das Marketing und die Bewerbung der neuen elektronischen Ticketsysteme fließen.

Ein automatisiertes Fahrgeldmanagement trifft dagegen bei Prämisse der Beibehaltung eines offenen Systems auf ganz andere Herausforderungen. Wie im Beispiel des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr

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ersichtlich, besteht hier trotz Einführung eines elektronischen Systems nach wie vor die Notwendigkeit manueller Kontrollen, was die finanziellen Rahmenbedingungen zur Einführung elektronischer Ticketsysteme angesichts einer weiterhin bestehenden (potentiell hohen) Schwarzfahrerquote verschlechtert.

Auffällig war zudem in der Gesamtschau der Fallbeispiele, dass das kanadische Beispiel der MULTI Card in Gatineau, der Pariser Passe Navigo als auch der VRR einen vergleichsweise größeren Fokus auf Aspekte des Datenschutzes und der Datensicherheit legten, um den Erwerb und die Nutzung des elektronischen Tickets zu erwirken bzw. zu legitimieren. Diese Aspekte scheinen im asiatischen Kontext weit weniger Aufmerksamkeit zu genießen bzw. werden seitens der Nutzer weniger nachgefragt.

Zukunftsplanungen

Viele großstädtische Verkehrsregionen haben innovative Lösungen fabriziert, die jedoch im nationalen Kontext als Insellösungen erscheinen, da Metropolregionen oftmals nicht dieselben nationalen oder transnationalen Standards erfüllen mussten und dadurch vielerorts größeren Gestaltungsspielraum erlangten (STOA 2014, 19). Um diese Insellösungen zu integrieren, wird in Zukunft die landesweite Vernetzung und Kompatibilität der E-Ticketsysteme ein zentrales Ziel bilden. Vor allem Großbritannien, Deutschland und Japan zeigen hier starke Bestrebungen zur interoperablen Systemintegration über die jeweiligen Tarifgrenzen hinweg, um auf lange Sicht ein integriertes Ticketing anzubieten, das die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs so einfach und attraktiv wie möglich macht. Japan kann dabei im Bestreben der landesweiten Interoperabilität mit der Fülle bestehender lokaler und regionaler Kartenprodukte – insbesondere auch im Hinblick auf die eTicket Deutschland-Bestrebungen bis zum Jahr 2019 (DIE ZEIT 2017) – vielleicht als bestes Vorbild genannt werden.

Darüber hinaus wird in naher Zukunft die Bedeutung kontaktloser Bezahlverfahren ganz entscheidend zunhemen und mit ihr die Bedeutung des Smartphone und der Chipkarte als die primären Nutzermedien (VRR 2016). Paris, Tokio, London, Hong Kong, der VRR oder auch Washington verfolgen aktive Strategien zur Umstellung auf kontaktlose Bezahlverfahren mittels Smartphone oder Kreditkarte, um den Verkehrszugang noch weiter zu vereinfachen und dabei zugleich Effizienzsteigerungen zu bewirken. Momentan werden noch immer 5-15% der Umsätze in Verkehrsunternehmen für das Sammeln, die Abwicklung und die materielle Vertriebsinfrastruktur (Automaten, Verkaufsschalter etc.) aufgewendet (Smart Card Alliance 2010). Die Einführung von kontaktlosen Chipkarten hat hier bereits immense Einsparpotentiale bewirkt (siehe etwa London) bzw. die hohen Investitionskosten gerechtfertigt. Die Umstellung auf kontaktlose Bezahlverfahren wird diesen Trend der Einsparpotentiale im Vertrieb noch weiter verstetigen. Wie das Beispiel der WMATA in Washington verdeutlicht, werden allein mit der Umstellung auf kontaktlose Bezahlverfahren bis 2020 bis zu 35 Mio. $ eingespart, was in Städten mit einem wesentlich größeren Verkehrsaufkommen im ÖPNV proportional stärke Dimensionen annimmt. London strebt als Resultat dieser Effizienzsteigerungen sogar an, ab 2019 erstmal keinerlei öffentliche Subventionen mehr zu benötigen, was einer historischen Zäsur gleichkommen würde.

In London werden dazu heute bereits 2/3 der Gelegenheitsfahrten mit kontaktlosen Bezahlverfahren absolviert. Diese Entwicklung reflektiert somit ein erneutes Wechselverhalten von Smartcards auf kontaktloses Bezahlverfahren, die schließlich mittelfristig die derzeit mancherorts noch als

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„Revolution“ bezeichneten Smartcards obsolet werden lassen dürften. Der evolutionäre Zyklus von Magnetstreifenkarten über kontaktlose Smart Cards hin zu kontaktlosen Bezahlsystemen mit direktem Kontoeinzug ist somit bereits in vollem Gange.

Die zukünftigen Planungen streben darüber hinaus eine noch weitreichendere Integration von transportbezogenen und nicht-transportbezogenen Dienstleistungen auf einer Karte an. Allerdings stellt sich dabei die Frage der Limitation einer solchen Zentralisierung und somit die Frage, ob die Menschen angesichts steigender Datenschutzsensibilität diese Serviceintegration tatsächlich auch wollen und nachfragen (Evans, et al. 2015).

Der schnelle Wandel technologischer Systeme macht es indes für eine Vielzahl von Verkehrsunternehmen immer schwieriger, sich langfristig für eine neue Technologie zu entscheiden. Zu schnell könnte die über Jahre hinweg eingeführte Systemumstellung bei Einführung schon wieder als veraltet und überholt gelten. Innovationen bremsen somit paradoxerweise Innovationen. Zudem sind politische Entscheidungsprozesse länger als Innovationszyklen und erschweren die Wahl der „richtigen“ Investitionsentscheidung (STOA 2014, 6).

Dennoch wird die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien im Zuge dieser anhaltenden und auf der Entscheidungsebene vielerorts komplexen Transformationen in Zukunft noch stärker begriffen werden als „enabling technology for the formation of a single multimodal transportation system that does not distinguish between transport modes“ (STOA 2014, 1). Die Trennung der Verkehrsarten könnte somit durch die technologischen Angebote endgültig überwunden werden und somit Mobilität nicht nur theoretisch als integratives und vielschichtiges Phänomen, sondern zunehmend auch physisch und praktisch als intermodales Serviceangebot verstanden werden.

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11.1 Vergleichsmatrix

Hong Kong – Octopus Card

Tokio – Suica Card Peking – Smart Transportation Card

Gatineau – MULTI Card

New York – SmartLink Card

Washington – SmartTrip Card

London – Oyster Card

Paris – Passe Navigo

VRR – elektronische AboTickets

Betriebseinführung 1997 2001 2003 1998 2007 1999 2003 2001 2003

System offen/geschlossen

geschlossen (Metro), offen (Bus, Bahn, Tram)

geschlossen (Metro, Bahn), offen (Bus)

geschlossen (Metro, Bahn), offen (Bus)

offen geschlossen geschlossen (Metro), offen (Bus)

geschlossen (Metro, Bahn), halbgeschlossen (Light Rail, DLR, National Rail), offen (Bus)

geschlossen (Metro),

offen (Tram, Bus)

offen

Nutzermedien Kontaktlose Chipkarte (personalisierbar), individualisierte Items

Kontaktlose Chipkarte, Smart-phone, individualisierte Items

Kontaktlose RFID-Chipkarte (Sony FeliCa), individualisierte Items

Kontaktlose Chipkarte (personalisiert)

Kontaktlose Chipkarte (personalisierbar)

Kontaktlose Chipkarte, Smartphone

Kontaktlose Chipkarte, Smartphone

Kontaktlose Chipkarte, Smartphone

Kontaktlose Chipkarte, Smartphone

Integrierte Verkehrsmittel

Metro, Bus, Bahn, Tram, Express Train, Fähre, Zahnradbahn

Bahn (außer Shinkansen), Metro (durch Kompatibilität mit PASMO Card), Tram, Bus

Metro, Bahn, Bus Bus Bahn (NYC – New Jersey)

Metro, Bus Metro, Bus, Bahn (Light Rail), Tram, Fähre

Metro, Bus, Bahn (Light Rail), Tram, Fähre

Bus, Bahn, S-Bahn, Stadtbahn, Schwebebahn (Wuppertal)

Fahrpreisermittlung Check-in/Check-out Check-in/Check-out, stellenweise nur Check-in (spez. Busse)

Check-in/Check-out Check-in bzw. Einstiegskontrolle (EKS)

Check-in/Check-out Check-in/Check-out bzw. nur Check-in (Metrobus)

„Touch-in/Touch-out“, nur „Touch-in“ (Busse, Tram)

Check-in/Check-out bzw. nur Check-in (Bus, Tram)

Nur Check-in als Einstiegskontrolle (EKS) bei Zustieg in Bussen des Verbundgebiets

Nutzungsquote bzw. Karten im Umlauf

99% (24 Mio.) 59 Mio. 70 Mio. 86% ca. 95% (Schätzung) 90% (<2 Mio.) 85% (ÖPNV gesamt), 90% (Busse), 43 Mio.

ca. 95% (4,5 Mio.) 90% (Summe aller elektronischen Tickets)

Zusatzleistungen Geldkartenfunktion Geldkartenfunktion, Schließfachnutzung

Geldkartenfunktion, kommunale Services, Identitätsnachweis

/ / Identitätsnachweis (Studenten)

Visitor Oyster Card: Rabattierung Restaurant, Galerien etc.)

Fahrradverleihsystem, Car Sharing, Taxi

/

Tarifmerkmale gegenüber konventionellem Einzeltarif

5-10% Rabattierung Marginale Rabattierung Starke Rabattierung gegenüber konventionellen Papiertickets

Starke Rabattierung Starke Rabattierung Starke Rabattierung

Starke Rabattierung (bis zu 50% je nach Tageszeit und Zone)

Starke Rabattierung 10er-Tickets und 7-Tage-Tickets nur elektronisch erhältlich (VRR App)

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