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Erfahrungsbericht INN University Lillehammer 1
Erfahrungsbericht über das Auslandssemester an der „Inland Norway University of
Applied Sciences“ am Campus Lillehammer, Norwegen
Moritz Hofmann
Johannes-Gutenberg Universität
Abbildung 1: Am höchsten Punkt des Skigebiets "Hafjell", 20 Minuten entfernt von Lillehammer
Im Rahmen und unter Förderung des ERASMUS+ Stipendiums und nach Vorgabe des
ERASMUS-Büros der Abteilungs Internationales der Johannes-Gutenberg Universität Mainz
Erfahrungsbericht INN University Lillehammer 2
1. Anlass und Vorbereitung
Schon seit Beginn des Studiums an der JGU hatte ich vor, ein Auslandssemester zu
machen. Für mich gab es viele Gründe, dieses Ziel zu verfolgen: Ich wollte in vielerlei
Hinsicht mein Horizont erweitern, verschiedene Kulturen und andere Hochschulen und
Lehrsysteme kennen lernen, aber auch meine Fähigkeiten auf Englisch Artikel und
Hausarbeiten zu schreiben verbessern. Für mich bedeutet das Privileg studieren zu dürfen,
nicht nur Lehrstoff für Klausuren zu lernen, um im Anschluss wieder viel zu viel davon zu
vergessen. Die Förderung und Unterstützung des Staates und der EU für ein ausgefülltes
lehrreiches Studium ermöglicht mir, für das ganze Leben zu lernen, Erfahrungen zu sammeln
und mir ein holistisches globales Welt-, Menschen- und Werteverständnis zu erarbeiten.
Lerninhalte sind ein Teil davon, die Angebote, die der ASTA oder ERASMUS zu Verfügung
stellt zum Beispiel ein wichtiger anderer. Nur durch dieses ganzheitliche Studium, ist es mir
möglich mich heute, im Auslandssemester und in Zukunft, mich in der Gesellschaft zu
engagieren und ihr ein humanistischen Beitrag zurückgeben zu können. Das Angebot eines
Auslandssemester in Europa durch ein ERASMUS+-Stipendium inklusive viel
organisatorischer Unterstützung, habe ich dabei als ausgezeichnete Möglichkeit und
wichtigen Teil meiner Bildung wahrgenommen. Das Stipendium ermöglicht, genügend Zeit
zu haben, sich neben Lehrveranstaltungen auch mit dem Land und Menschen - sowohl aus
den entsprechenden Gastland als auch international – auseinandersetzen zu können.
Die ERASMUS-Plätze werden im Ganzjährigen Turnus zu Beginn des
Sommersemester vergeben, was dazu führte, dass die Bewerbung für ein geplantes
Sommersemester 2018 schon im Februar 2017 einzureichen war. Nach wenigen Tagen bekam
ich eine Bestätigung, dass ich einen Platz in Lillehammer (Norwegen) bekomme, was meine
erste Priorität darstellte. Beigelegt war ein Katalog an Unterlagen und Informationen, die ich
fristgerecht zu lesen, auszufüllen oder einzureichen hatte. In meinem Fall hatte danach bis
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zum Beginn des Semesters dann fast 10 Monate Zeit, was die Vorbereitungen deutlich
entspannte und zu wenig Stress führte. Ich bekam immer wieder Mails von der
Gasthochschule, dessen internationales Büro und Kontaktpersonen ich als sehr kompetent
und organisiert wahrnahm. Antworten bekam man meist innerhalb eines Tages. Das gesamte
Team war sehr nett, hilfsbereit und zuvorkommend. Die gesamte Gasthochschule war gerade
im Umbruch, was bedeutet, dass verschiedene Campi von zum Beispiel Hamar (eine ähnlich
große Stadt unweit von Lillehammer) und Lillehammer zusammen gelegt wurde und über
eine gemeinsame Plattform und Website organisiert wird. Trotz dieser Neuheit für alle
Hochschulbeteiligten machten sowohl die Kontaktpersonen als auch die Website einen sehr
strukturierten und klaren Eindruck. Die relevanten Kurse für mich waren leicht zu finden und
gut erklärt. Viele verschiedene Kurse in unterschiedlichen Bereichen wurden zu meiner
Freude in englischer Unterrichtssprache angeboten. Von der Gasthochschule wurde außerdem
viel relevantes Infomaterial über Unterkunft und das Leben und die Kultur in Lillehammer
und Umgebung bereit gestellt. Für die Unterbringung von Studenten und sämtliche Dienste
der Mensa und ähnliches an allen universitären Einrichtungen der Umgebung ist eine
Organisation namens SINN zuständig. Über dessen Website konnte ich mich über die
verschiedenen Studentenwohnheime informieren und diese auch buchen. Warmherzige
Freundlichkeit der Angestellten von SINN hatte ich per Mail schon vergebens gesucht, dafür
laufen ihre Aufgaben und Systeme aber ziemlich schnell und rund. Ich entschied mich für ein
Wohnheim („Smestad“), in dem laut Broschüre die meisten internationalen Studenten
wohnen und welches in der Mitte zwischen der Innenstadt von Lillehammer und der
Universität gelegen ist. Ich lernte die Kommilitonin kennen, die von der JGU zur gleichen
Zeit einen Platz für ERASMUS in Lillehammer bekam und plante mit ihr gemeinsam die
Anreise und andere Teile der Vorbereitung zusammen. Wir entschieden uns mit dem Auto
dieser Kommilitonin nach Norwegen zu fahren, was in unserer Sicht viele Vorteile barg, wie
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die Möglichkeit große Dinge wie Skier und Gitarre mitzunehmen, andererseits auch die
Unabhängigkeit vor Ort sicherte.
2. Unterkunft
Die Kommilitonin und ich kamen einige Tage vor Semesterbeginn mit dem Auto nach
dreitägiger Fahrt durch Nordeuropa in Lillehammer an. Wir wurden freundlich von unserem
Buddy, der uns zuvor schon zugeteilt wurde empfangen. Dieser zeigte uns auch sofort unser
Studentenwohnheim und übergab die Zimmerschlüssel an uns. Das Wohnheim ist sehr
einfach aufgebaut, die Flure wirken etwas beengend, die Zimmer mit 16 qm eher klein und
trist. Die Küche teilt man sich mit ca. 10 anderen Studenten. Einen separaten
Aufenthaltsraum gab es leider nicht. Der erste Eindruck war auf mich etwas beklemmend und
charmelos, zumal ich direkt aus meiner geliebten kleinen Wohngemeinschaft in der Mainzer
Neustadt hierherzog. Das System von SINN, dass die gut 100 Studenten im Wohnheim
zusammenhielt und halbwegs strukturierte, war dennoch gut ausgefeilt und aus meiner Sicht
sinnvoll. Der Putzplan für Küche und Flur wurde zwei mal die Woche kontrolliert und
implizierte zum Bespiel, dass jeder Studierende in etwa die gleiche Verantwortung für die
Abbildung 2: Die Gebäuderückseite vom Wohnheim "Smestad" im Sommer (Juni) und die Vorderseite im Winter (Januar)
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Sauberkeit über das halbe Jahr trug. Die Waschmaschinen konnten online reserviert und
bezahlt werden, was ein Anstehen und Streit im Waschraum gelungen unterbindet. Wie das
eigentlich immer bei der Unterkunft ist, muss man Endeffekt die richtigen Mitbewohner und
–bewohnerinnen treffen, um Atmosphäre zu schaffen und so erangierte ich mich nach einigen
Wochen mit gemeinsamen Koch- und Musikabenden ganz gut, sodass „Smestad“ doch einen
ganz besonderen und auch in meinen Erinnerung positiv besetzten Charme bekam.
3. Studium
Das Studium an der hochmodernen und technisierten Universität Lillehammer verlief in
meinen Augen reibungslos und mit positiven Ergenissen und Eindrücken. Das Semester war
für unsere Verhältnisse etwas ungewohnt in zwei Blöcke aufgeteilt. Manche Kurse hörten vor
Ostern (März) schon auf, andere
fingen danach erst an. Ich belegte
von Anfang an drei verschiedene
Kurse: einen Norwegischkurs für
Anfänger, ein Modul über
„international Peace“ mit
gesellschaftspolitischem und
historischem Inhalt und ein
fachrelevantes Modul über
Kognitive Psychologie. Damit war
ich insgesamt bei 30 ETCS fürs
ganze Semester, womit ich den
Lernaufwand leicht unterschätze.
Drei Kurse hörte sich in meinen Ohren
Abbildung 3 Høgskolen Lillehammer von Innen
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nicht nach allzu viel an, der tatsächlich Aufwand und Inhalt machte mir allerdings schnell
klar, dass ich das Ausslandssemester mit diesem Learning Agreement tatsächlich
überwiegend am Schreibtisch verbringen müsste. Schweren Herzens ließ ich „International
Peace“ (15 ETCS) nach einem Monat hinter mir, da es mit drei bis vier vorzubereitenden
Artikeln und einem Buch pro Woche den weitaus größten Aufwand darstellte und mir in der
Anrechnung meines Studiums der Psychologie wenig bringen würde. Ich tat mich mit der
Entscheidung sehr schwer, da ich das Thema äußerst spannend und sehr gut aufbereitet fand –
zumal mein Semestervorhaben wie oben erwähnt auch ausdrücklich beinhaltete, über den
eigenen fachspezifischen Tellerrand zu schauen. Für den Kurs möchte ich daher dennoch eine
ausdrückliche Empfehlung aussprechen. Der norwegische Sprachkurs bereitete mir ebenfalls
sehr viel Freude, wozu sicher der sehr enthusiastische und freundliche Lehrer einen
entscheidenden Teil zu beitrug. Trotz der Tatsache, dass in Norwegen in fast jeder denkbaren
Umgebung und Situation sehr gut und flüssig Englisch gesprochen wird, bringt einen die
norwegische Sprache auf einmal nochmal einen ganzen Satz näher an Land und Leute. Auf
einmal konnte ich, die Kinder im benachbarten Kindergarten ansatzweise verstehen oder auf
norwegisch bestellen. Auch wenn man die Sprache nicht wirklich im täglichen Umgang
braucht, lohnt sich aus meiner Sicht auch dieser Kurs, da sie dem deutschen grundsätzlich
nicht fern und leicht zu lernen ist. Die Prüfung war schon vor den Osterferien zu absolvieren
und gut zu meistern. Der Kurs in „Cognitive Psychology“ verlangte einem dann doch etwas
mehr Arbeit und Anstrengung ab. Dafür sollten wir einen eigenes Experiment planen,
durchführen und auswerten. Die Klausur Ende Mai bestand aus sieben Freitextaufgaben, für
dessen Beantwortung wir vier Stunden Zeit bekamen und ich letztendlich 18 Seiten
englischen Fließtext schrieb. Die Fragen waren weder unfair noch sehr detailliert gestellt, der
abzudeckende Stoff erstreckte sich allerdings über ein 1200 seitiges Buch. Für die
Vorbereitung brauchte ich nahezu einen Monat, der gerade auf den ganzen warmen Mai, der
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(für Norwegen äußerst ungewöhnlich) fast durchgehend Sonne und 25 Grad brachte. Dafür
konnte ich ohne große Probleme mit A, was nach deutschem System einer 1.0 entspricht,
bestehen und hoffe, mir diese Note auch an der JGU anrechnen lassen zu können.
4. Alltag und Freizeit
Dass Norwegen und dessen Natur viel zu bieten hat, war einer der Gründe, in dieses
Land zu gehen. Wie viel ich dann tatsächlich Skifahren, wandern und Ausflüge machen
würde, hatte ich mir vorher jedoch nicht genau denken können. Tatsächlich kaufte ich mir
direkt in der ersten Woche einen Liftsaisonpass für ca. 400,- EUR. Inklusive waren vier
Skigebiete in unmittelbarer Nähe und mit dem Bus ab 20 Minuten zu erreichen. Befahrbar
waren die meisten Pisten bis Mitte April. Die Schneebedingungen waren in der Saison
2017/18 so fantastisch gut, dass ich immer wieder das Erlebnis von pudrigen Pisten oder
meterhohem Tiefschnee genießen durfte, und das für fast drei Monate. Das nächste Skigebiet
(Hafjell) ist so riesig, dass man selbst nach
mehreren Stunden noch nicht mal alle
Pisten zu Gesicht bekommen kann. Mit bis
zu 30 Grad minus, war der Winter sogar
für norwegische Verhältnisse kalt und von
extrem viel Schnee begleitet. Die Uni bot
viele Sport- und Freizeitgruppen, von
denen ich einige ausprobierte, wie zum
Beispiel die Fitnesshalle im Keller des
Universitätsgebäudes (20 EUR/ Semester),
die Klettergruppe, die sich einmal die
Woche in der örtlichen Kletter- und Abbildung 4: Auf der Skipiste von Hafjell (20 min von Lillehammer)
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Boulderhalle trifft, die Outdoorgruppe, den Chor und die Meditationsgruppe. Ich besuchte
einen kostenlosen Blockkurs über „Acceptance and Commitment Therapy“, der von der
angestellten Schulpsychologin angeboten wurde. Außerdem bekam ich Zugang zum
Bandprobenraum, der mit Verstärkern und Mikrofonen ausgezeichnet ausgestattet war.
Insgesamt war ich nahezu überwältigt vom gesamten Freizeitangebot von der Universität
selbst. Man hätte gar nicht genug ausprobieren und kostenlos in verschiedene Gruppen
hineinschnuppern können. Die Stadt Lillehammer dagegen bat aus meiner Sicht begrenzte
Möglichkeiten zum Weggehen und Feiern. Ist man sich allerdings bewusst, das diese
schnuckelige Wintersportstadt gerade einmal 30.000 Einwohner zählt, gibt es dafür schon
einiges zu entdecken, wie ein internationales Kursfilm- und ein großes Literaturfestival, ein
paar gute Pubs und mindestens drei verschiedene Clubs, in denen es sich auch mal tanzen
lässt. Lillehammer sieht sich selbst als kleine Metropole, da es in der Umgebung die größte
Stadt ist und mit der Universität dann zumindest unter dem Semester auch einige junge Leute
beherbergen darf. Viele Subkulturen findet man hier leider nicht, aber Kulturangebote gibt es
proportional zur Stadtgröße schon recht viele. Dadurch begann ich selbst viel Musik mit
internationalen Kommilitonen zu machen, was von örtlichen Open-Stage-Anbieter_innen und
Abbildung 5 Kurztrip in Bøde, Nordnorwegen, um zu wandern und Nordlichter zu sehen
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Musiktechniker_innen durchaus gelobt und unterstützt wurde. Zwischendurch, an
verlängerten Wochenenden, in den Osterferien und am Ende meines Aufenthalts machte ich
mit Freund_innen aus Deutschland und vom örtlichen Wohnheim zahlreiche Ausflüge. Ziele
waren Nationalparks im Norden, die schöne Westküste mit der alten Hansestadt Bergen,
sowie Jotunheimen (nur 2,5 Stunden entfernt) oder die unmittelbar angrenzenden Berge und
Seen. Der Frühling wurde in meiner Wahrnehmung übersprungen. Die meterhohen
Schneeberge waren innerhalb weniger Wochen geschmolzen und der warme Mai überrollte
das Land mit 25 Grad und verwandelte es in eine grüne Pracht von Wiesen, Wäldern und
glasklaren Seen.
5. Fazit
Das Fazit meines sechsmonatigen Aufenthalts in Norwegen fällt sehr positiv aus.
Natürlich gehören Höhen und Tiefen genauso wie im Alltag zu Hause zum normalen Studium
dazu. Die Klausuren lösten auch mal Stress aus, eine Gruppenarbeit gestaltete sich als sehr
kompliziert und ein Bänderriss setze mich sportlich ein paar Wochen außer Gefecht. Dies
alles auf einer Fremdsprache in einem fernen Skandinavien zu meistern und zu überstehen
fiel nicht immer leicht, aber kann ist retrospektiv als lehrreich und wichtig für mein
Erfahrungsschatz betrachten. Essen und Trinken ist deutlich teurer als in Deutschland, nach
einer Zeit hatte ich allerdings raus, wie ich auch durch und mithilfe des Stipendiums gut über
die Runden komme und mir daneben auch noch kostengünstige Trips leisten konnte.
Norwegen ist perfekt für Natur- und Outdoorfreaks. Es gibt unglaublich viele Kletter- und
Wandermöglichkeiten. Den meisten Menschen merkt man an, wie naturverbunden und –
begeistert sie sind. Die Norweger_innen, die ich getroffen habe, sind höflich und hilfsbereit,
wenn auch eher kühl und reserviert und nicht so warmherzig wie im Süden. Dieses Bild hat
sich in meinen Augen tatsächlich als berechtigt erwiesen und kann für manche Menschen
durchaus gewöhnungsbedürftig sein. Stellt man seine Bedürfnisse vor dem Semester auf die
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Bedingungen in Lillehammer ein – wie zum Beispiel nicht wie in Barcelona unzählige
Möglichkeiten zum täglichen Feiern zu haben, dafür aber jeden Tag raus in auf die Piste
Skifahren zu können – ist dieser Studiumsort sehr empfehlenswert, zumal ich beim
Studienbüro, den Buddies und der Uni immer auf offene Ohren und viel Hilfsbereitschaft
selbst bei kleineren Problemen stieß.