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Das Magazin für Dialogmarketing Deutscher Dialogmarketing Verband e. V. www.ddv.de November 2014
Marketing-AutomationOhne Computer geht nichts mehr, aber
nicht immer machen sie Sinn SEITE 12
ZahlenrauschWie der Kunde im Gestrüpp der Formeln
nicht aus dem Blick gerät SEITE 16
Social CRMKundenbeziehungsmanagement via
Facebook und Co noch selten SEITE 18
dialog
„Thomas Koch und Volker Wiewerüber Eins-zu-eins-Marketing
DDV dialog November 2014
E D I T O R I A L 3
Patrick Tapp,
Präsident des
Deutschen
Dialogmarketing
Verbands
P P P KONTAKT
Deutscher Dialogmarketing
Verband e.V.
Hahnstraße 70
60528 Frankfurt
Telefon: 069 / 401276 500
Telefax: 069 / 401276 599
Internet: www.ddv.de
Redaktion:
Ludger Kersting
Telefon: 069 / 401276 516
Anzeigen:
Giuliano Fuchs
Telefon: 069/7595-1249
„Mit Zahlenkolonnen lassen
sich keine Dialoge führen“
P P Liebe Dialog-Leser,
ob beim Schlendern durch die Fußgängerzone, beim Hetzen nach dem Anschlusszug
oder beim Joggen durch den Park – immer öfter begegnen wir Menschen, die vornüber
gebeugt auf ein leuchtendes Display starren und an uns vorbeigehen, ohne nur einmal
aufzusehen. Manchmal gehöre ich auch dazu. Denn, was mein Smartphone mir
mitzuteilen hat, ist so wichtig geworden, dass alles andere nebensächlich erscheint –
hin und wieder zumindest.
Die Digitalisierung und Automatisierung der Kommunikation ist längst in unserem
Alltag angekommen. Auch im Marketing sind wir es gewohnt, uns auf Maschinen und
Computer zu verlassen. Das ist unumgänglich, denn die Komplexität der Materie ist von
Menschenhirn und Menschenhand allein nicht mehr zu bewältigen: Die Kunden wollen
auf vielfache Weise und vor allem persönlich angesprochen werden, sonst tendiert ihr
Interesse an unseren Angeboten gegen null.
Immer mehr Daten müssen erhoben, immer genauere Profile erstellt werden, um die
Kundenwünsche erfassen und befriedigen zu können. Ein Gutteil des Dialogs basiert auf
Rechenpower. Diese simple Tatsache darf uns aber nicht dazu verleiten, das Mittel und
den Zweck zu verwechseln. Die Technologie hat keine führende, sondern eine dienende
Funktion. Je stärker sie sich in den Vordergrund drängt, umso strenger müssen wir uns
aufs Eigentliche konzentrieren: den direkten Austausch mit dem Kunden. Der kann
natürlich auch über elektronische Medien geführt werden, aber nicht nur. Denn mit
jedem Medium, das sich zwischen uns und den Kunden schiebt, verliert der Austausch
an Unmittelbarkeit, laufen wir Gefahr, die Distanz zum Kunden zu vergrößern. Und den
Kontakt zu sehr auf Effizienz zu trimmen statt auf eine dauerhaft erfolgreiche Beziehung.
Der Blick auf die Zahlen ist wichtig. Aber mit Zahlenkolonnen lassen sich nun mal
keine Dialoge führen. Dies sollten wir uns stets vor Augen halten. Ich wünsche Ihnen gute
Geschäfte.
DDV dialog November 2014
4 I N H A LT
S P E C I A L : D I G I TA L I S I E R U N G U N D A U T O M AT I O N
6 Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine – Streitgespräch mit dem
Mediaexperten Thomas Koch und dem Datenmarketer Volker Wiewer
11 Digitales Dialogmarketing – Grundlagenwerk erschienen
12 Datenrausch – Der Input bestimmt den Output
16 Expertenumfrage – Mehr Automation, weniger Dialog?
18 Social CRM – Kundenbeziehungsmanagement via Facebook und Co noch nicht etabliert
M A R K E T I N G
22 Studien – Die wichtigsten Analysen im Überblick
R E C H T
24 Vertrieb – Unerkannte Tretminen bei der Vertragsgestaltung
26 Gewinnspiele – Unerfahrenheit von Minderjährigen nicht ausnutzen
I N S I D E
27 Networken – Eventformat „dialog:afterwork“ in Hamburg ist beliebt
28 ddp 2015 – Interview mit dem Juryvorsitzenden Detlef Rump
29 Neuer Standort – DDV-Geschäftsstelle jetzt in Frankfurt
30 Ausgezeichnet – AGGP-Gewinnerin Beate Koch über Mobile Marketing
31 Strategieforum – Bundesinnenminister de Maizière und FDP-Chef Lindner zu Gast
T I M E R
32 Events – Branchentermine für Dialogmarketer im Winter und Frühjahr
L E A D S
34 Wissenschaftlicher Kongress und AGGP – Impressionen von Tagung und Preisverleihung
P P P IMPRESSUMHERAUSGEBER
Deutscher Dialogmarketing Verband e.V.Patrick Tapp (v.i.S.d.P.), PräsidentHahnstr. 70, 8.OG, 60528 FrankfurtTelefon: 069/401276 500, Fax: 069/401276 599Internet: www.ddv.de
REDAKTION
Ludger Kersting (luk)Telefon: 069/401276 516, Fax: 069/401276 599E-Mail: [email protected] Thommes (ts)E-Mail: [email protected]
VERLAG
Deutscher Fachverlag GmbH, HORIZONTMainzer Landstraße 251, 60326 Frankfurt am MainInternet: www.horizont.net Geschäftsführung: Angela Wisken (Sprecherin), Peter Esser,Markus Gotta, Peter Kley, Holger Knapp, Sönke Reimers Aufsichtsrat: Klaus Kottmeier, Andreas Lorch, Catrin Lorch, Peter RußGesamtverantwortung HORIZONT: Markus GottaVerlagsleitung: Peter GerichHeinz Kort (Leitung Sales),Telefon: 069/75 95-18 75 Giuliano Fuchs (Sales Manager) Tel.: 069/75 95-12 49Timo Liebe (Teammanager Media Services) Telefon: 069/75 95-18 72Vertrieb: Heike Koch (Ltg.) Telefon: 069/75 95-19 41Marketing Sales & Services: Boris Pawlenka (Ltg.)Redaktion HORIZONT Specials und Projekte: Dr. Jochen Zimmer (Ltg.)Gestaltung: Andreas Liedtke (Ltg.), Thomas DahmenGesamtleitung Printmedien-Services: Kurt HerzigProduktion: Hans Dreier (Ltg.) Logistik: Ilja Sauer (Ltg.)Zurzeit gültige Anzeigenpreisliste vom 1.1.2014Erscheinungsweise: 4x jährlich. DDV-Mitglieder erhalten DIALOG zusammen mit HORIZONT im Rahmen ihrer DDV-Mitgliedschaft.DIALOG wird vom Deutschen Fachverlag im Auftrag des DDV produziert.
TECHNISCHE GESAMTHERSTELLUNG
Societäts-Druck, Kurhessenstraße 4-6, 64546 Mörfelden-Walldorf Gedruckt auf umweltfreundlich-chlorfreiem Papier.
Mit der Annahme zur Veröffentlichung überträgt der Autor demVerlagdas ausschließliche Verlagsrecht für die Zeit bis zum Ablauf desUrheberrechts. Diese Rechtsübertragung bezieht sich insbesondereauf das Recht des Verlages, das Werk zu gewerblichen Zwecken perKopie (Mikrofilm, Fotokopie,CD-Rom oderandere Verfahren) zuvervielfältigen und/oder in elektronische oder andere Datenbankenaufzunehmen. Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. OhneGenehmigung des Verlages ist eine Verwertung strafbar. Dies gilt auchfür die Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Daten-banken und die Vervielfältigung auf CD-Rom.
ISSN 1862-586X
Gemäß § 5 Absatz 2 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Rechtder Presse in Hessen wird mitgeteilt: Gesellschafter der DeutscherFachverlag GmbH sind: Herr Andreas Lorch, Frau Catrin Lorch, FrauAnette Lorch, Frau Britta Lorch sowie die Deutscher Fachverlag GmbH.
Ohne Automation geht im Marketing fast nichtsmehr. Denn die Abläufe werden immer komplexerund in der Kommunikation mit den Kunden istTempo Trumpf. Aber der Datenrausch birgt einigeRisiken. SEITE 12
Der Deutsche Dialogmarketing Preis (ddp) hatdurch die gleichberechtigte Würdigung vonKreation und Kampagnenerfolg an Profil gewon-nen. Der Juryvorsitzende Detlef Rump wünschtsich noch strengere Maßstäbe. SEITE 28
Der DDV und das FAZ-Institut veranstalten am24. November in Berlin ein Strategieforum zum Thema „Daten als Währung der Zukunft“.Die Keynote hält Bundesinnenminister Thomasde Maizière (CDU). SEITE 31
DDV dialog November 2014
6 D I A L O G S P E C I A L
Streitgespräch – Thomas Koch und Volker Wiewer über Digitalisierung und Automation
P P Massenkommunikation macht
Sinn, um Angebote bekanntzumachen,
aber dann geht es praktisch nur noch um
den Dialog. Darin sind sich der Media-
Experte Thomas Koch und der Daten-
Marketer Volker Wiewer einig. Wie der Dia-
log heute und morgen am besten gelingt,
darüber gehen die Ansichten der beiden
dagegen öfter auseinander. Ein Disput über
Markenwelten und Traumkunden, Daten-
fluch und Datensegen, die Agentur der Zu-
kunft und die unter Umständen nur kurze
Regentschaft des Konsumenten. Ein The-
ma drängt sich immer wieder in den Vor-
dergrund: das Spannungsfeld zwischen
Mensch und Maschine.
Die digitale Revolution krempeltnach und nach alle sozialen und wirt-schaftlichen Verhältnisse um. Inwieweit
hat sich in den vergangenen zehn Jahrenauch das Konsumentenverhalten verän-dert?Thomas Koch: Die Märkte sind viel trans-
parenter geworden. Bevor heute jemand ei-
nen Fernseher kauft, macht er sich im Netz
über die verschiedenen Angebote und Prei-
se schlau. Kommt er dann in den Laden, ist
er oft besser informiert als der Verkäufer.
Das war früher anders: Der Hersteller hat
dem Konsumenten ein Angebot gemacht
und der stand ziemlich allein damit da. Er
musste sich auf den Verkäufer verlassen,
bestenfalls hat er noch ein paar Freunde
oder Bekannte, die etwas wussten, fragen
können. Heute dagegen besitzt der Kon-
sument in der Regel einen großen Informa-
tionsvorsprung. Das macht ihn selbst-
bewusster, anspruchsvoller und mächtiger
– er kommt sich wie ein König vor.
Volker Wiewer: Ich bin davon überzeugt,
dass dieser Machtzuwachs eine vorüber-
gehende Erscheinung ist. Denn die Unter-
nehmen rüsten auf. Sie versuchen, mög-
lichst viele Informationen über den Kunden
zur Hand zu haben, sobald er den Laden
betreten und sich identifiziert hat, um ihm
das passende Angebot unterbreiten zu kön-
nen. In den kommenden fünf bis zehn Jah-
ren werden wir einen großen Wandel in die-
se Richtung erleben.
Bei der Mediennutzung lautendie Haupttrends: Digitalisierung, Mobi-lität und Individualisierung. Schlägtbald doch die Stunde der schon oft be-schworenen Eins-zu-eins-Kommunika-tion oder bleibt sie eine Schimäre?Wiewer: An der Eins-zu-eins-Kommunika-
tion führt kein Weg vorbei. Aber es dreht
„Diese Form des Marketingsist grandios“
„Viele Unternehmen kennen
ihre Kunden nicht.“
VOLKER WIEWER, TERADATA
DDV dialog November 2014
7
sich um mehr. Zum einen will der Kon-
sument in „Echtzeit“ kommunizieren – das
heißt, sofort Feedback erhalten und in der
jeweiligen Situation angesprochen wer-
den. Zum andern bleibt es nicht bei der
Kommunikation: Es geht ums Eins-zu-
eins-Marketing.
Geben Sie uns ein Beispiel, bitte.Wiewer: Ist der Kunde am Airport gelandet,
möchte er, dass seine Fluggesellschaft ihm
Vorschläge macht für ein gutes Hotel, den
schnellsten Weg dorthin und was er am
Abend unternehmen kann.
Macht Massenkommunikationüberhaupt noch Sinn?Koch: Vor wenigen Jahren haben wir noch
gedacht, Individualisierung sei bloß etwas
für bestimmte Bereiche, etwa die Autoin-
dustrie. Dagegen spiele sie bei den Fast
Moving Consumer Goods, für die 70 bis 80
Prozent der Werbegelder aufgewandt wer-
den, keine Rolle. Jetzt sehen wir, dass der
Konsument nicht nur sein Müsli selbst zu-
sammenstellen will, sondern auch seine ei-
genen Turnschuhe entwirft. Es gibt immer
mehr Märkte, wo der Konsument Spaß da-
ran findet, sich sein Produkt persönlich zu
gestalten. Zwar braucht es noch Massen-
kommunikation, um die Angebote be-
kanntzumachen, aber danach geht es so-
fort in den Dialog.
Wiewer: So ist es. In den USA erheben wir
gerade Kundendaten auf der Website von
Procter & Gamble. Das Ziel des Unterneh-
mens ist es, in den direkten Dialog mit den
Kunden zu treten. Dabei werden gleich-
zeitig auch noch die Spielregeln geändert,
indem P&G selbst zum Händler wird – bis-
her ist es nur als Hersteller aufgetreten.
Koch: Da gerät einiges ins Rutschen. Heu-
te reden die Kunden mit Procter & Gamble
auch über Windeln, das wäre vor zehn Jah-
ren noch unvorstellbar gewesen. P&G hat
große Plattformen aufgebaut, auf denen
sich die Mütter rege über Windeln austau-
schen. Das führt vielleicht nicht unmittel-
bar zu Mehrverkäufen, aber in den Dialog –
zum Wohl der Marke.
Erleben wir gerade, wie der Dia-log gegenüber der Klassik gehörig an Bo-den gewinnt?Koch: Gehörig ist ein gutes Wort dafür.
Wenn ein zweistelliger Prozentsatz an
Spendings von der Klassik in den digitalen
Dialog wandert, darf man das gehörig nen-
nen. Das geschieht zurzeit.
„Die Kunden, die sich auf
einen Dialog einlassen,
sind die Traumkunden
eines Unternehmens.“
THOMAS KOCH, TK-ONE
D
DDV dialog November 2014
8 D I A L O G S P E C I A L
Was verstehen Sie unterdigitalem Dialog?Koch: Er wird vor allem auf
Plattformen und Markenwel-
ten im Internet stattfinden.
Die Autobauer machen das
vor: Sie nutzen das Netz zur
Inszenierung ihrer Marken,
wie das die herkömmliche
Werbung niemals vermöch-
te. In diese Welten kann der
Kunde stundenlang eintau-
chen. Und je länger er es tut,
desto mehr gibt er von sich preis.
Diese Form des Marketings ist gran-
dios – wenn die Unternehmen der Ge-
fahr widerstehen, die Konsumenten auf
diesen Plattformen zu belügen. Die Dis-
play-Werbung dagegen ist gescheitert, weil
sie nicht funktioniert. Sie ist bloß eine äu-
ßerst unkreative Art der Übertragung von
TV-Werbung ins Internet.
Wiewer: Auch Suchwortvermarktung,
E-Mail-Marketing, Social und Mobile gehö-
ren zum digitalen Dialog. Diese Instrumen-
te dürfen Sie nicht vergessen.
Koch: Einverstanden.
Dialog verlangt beiden SeitenAktivität ab. Ein Konsument hat mögli-cherweise noch etwas anderes zu tun,als mit einem Unternehmen zu inter-agieren. Wie viel Zeit wird der Kundedem Austausch mit seinen Marken wid-men?Koch: Das lässt sich generell nicht sagen.
Man wird noch vieles ausprobieren müssen.
Manche werden mit ihrer Whiskey-Marke
kommunizieren, andere nicht. Wahrschein-
lich ist es jedoch so, dass niemand vier Stun-
den weniger Fernsehen guckt, um diese Zeit
im Dialog mit seiner Lieblingsbutter zu ver-
bringen. Aber wohin die Reise geht, wis-
sen wir noch nicht. Klar ist nur: Die
Kunden, die sich auf einen Dialog
einlassen, sind die Traumkunden
eines Unternehmens, seine Mar-
kenbotschafter.
Was unterscheidet gu-te von schlechter kommerziel-ler Kommunikation?Wiewer: Gute Kommunikation er-
reicht mich dann, wenn ich mich
gerade für das Produkt interessiere.
Wenn sie pfiffig und witzig gemacht
ist, kann sie mich sogar begeistern.
Warum gelingt ihr das so selten?Wiewer: Leider ist es so, dass nur ein
Bruchteil der Unternehmen Profile von
Kunden und Interessenten angelegt hat.
Die breite Mehrheit verfügt nicht über Da-
tenbanken, in denen abgespeichert ist,
welcher Konsument wann für welche The-
men offen ist, was er sich wünscht und wie
er sich verhält. Viele Unternehmen können
also nicht zielgerichtet werben, weil sie ihre
Kunden gar nicht kennen. Genauso
schlimm ist: Die meisten sind auch nicht in
der Lage, den Werbebrief oder die E-Mail
systematisch zuzustellen – sie überlassen
das dem Zufall.
Koch: Gute Werbung ist die, die ich nicht
als Werbung empfinde. Das oberste Gebot
lautet also: Sie darf nicht stören. Wenn sie
dann noch mit einem Augenzwinkern da-
herkommt oder Witz hat, wenn sie positiv
überrascht und meine Wünsche trifft, hat
sie sehr gute Chancen, mich zu erreichen.
Content-Marketing wird meistnicht als Werbung empfunden. Ist esmehr als eine Modeerscheinung?
„Wer glaubt,
alles lasse sich messen,
glaubt auch, der Mensch sei
eine Maschine.“
THOMAS KOCH, TK-ONE
Thomas Koch
Der Mediaplaner ist seit mehr als 40 Jah-
ren im Agenturgeschäft – zunächst unter
anderem als Media-Chef bei GGK in Düs-
seldorf und Ted Bates Worldwide in Frank-
furt. 1987 macht er sich mit Thomaskoch-
media in Düsseldorf selbstständig, die zur
größten unabhängigen Mediaagentur
Deutschlands avanciert. Seit 2011 berät
Koch mit seiner Firma TK-One Unterneh-
men, Medienhäuser und Agenturen. Der
62-Jährige ist regelmäßiger Kolumnist für
die „Wirtschaftswoche“ und „Werben &
Verkaufen“, außerdem Autor von Büchern
wie „Werbung nervt!“ und „Die Zielgruppe
sind auch nur Menschen“, das im Oktober
erschienen ist.
DDV dialog November 2014
9
Koch: Ganz sicher. Denn es ist kein
neues, sondern ein altes Thema.
Bevor die Werbung in Deutsch-
land in den 60er Jahren richtig
in Schwung kam, gab es vor
allem Content-Marketing –
man nannte das nur nicht so.
Bis dahin hatten die Marken
Zeit, Raum und Muße, sich zu
erklären und zu positionieren.
Das ist unter dem Druck der
Marketing-Kosten verloren ge-
gangen: Die Werbung wurde im-
mer kleiner und kürzer, bis sie
schließlich bei den Billig-Bannern im
Internet gelandet ist. Jetzt müssen wir
quasi wieder zurück zum Content.
Wiewer: Mit der Digitalisierung geht die Au-
tomatisierung einher. Darum bleibt den
Unternehmen mehr Zeit für die Kreation
von Kommunikationsmaßnahmen. Das ist
ein großer Gewinn, denn vielen Unterneh-
men mangelt es an Kreativität.
Koch: Da muss ich widersprechen. Von
der Automatisierung sind wir noch weit
entfernt. Zunächst einmal werden die Auf-
gaben erheblich komplexer und teurer.
Denn die Unternehmen müssen immer
mehr Kanäle bedienen – das erhöht die
Produktionskosten. Für die Vielzahl der
Kanäle benötigen sie Mitarbeiter, die sich
damit auskennen – das steigert die Per-
sonalkosten. Schließlich kostet auch die
Umstellung von der Massenkommunikati-
on zur Eins-zu-eins-Kommunikation mehr
Geld. Auf einen größeren Spielraum für die
Kreation müssen wir also noch eine Weile
warten.
Können Sie eine Größenordnungfür die von Ihnen prognostizierten Kos-tensteigerungen nennen?
Koch: Wenn eine Marketing-Abteilung
heute mit drei Leuten besetzt ist – die
übrigens das Pensum bisher schon
nicht schaffen –, bräuchte sie we-
nigstens noch zwei Leute dazu.
Öffnen oder versper-ren Daten den Zugang zu denKonsumenten?Koch: Solange ich möchte, dass
ein Unternehmen etwas über
mich weiß, damit es mich besser
kennt, ist alles paletti. Sobald es
aber mehr über mich weiß als ich
selbst, überschreitet es den Rubikon.
Dann wird es unangenehm.
Einer gerade veröffentlichtenUntersuchung von Deloitte zufolge wis-sen zwei Drittel der befragten Deut-schen nicht, was Unternehmen mit ih-ren Daten anstellen und wünschen da-rüber aufgeklärt zu werden. Die Hälftebefürchtet, dass die gesammelten Da-ten zu ihrem Nachteil verwendet wer-den. Was ist zu tun?Wiewer: Die Konsumenten müssen aufge-
klärt werden. Die Deutschen sind aller-
dings sehr konservativ und vorsichtig, des-
wegen wird es lange dauern, bis sie das
nötige Vertrauen gewinnen. Aber sie wer-
den sich dem Trend zur Datennutzung
nicht verschließen können. Vor allem bei
digitalen Produkten ist es oft erforderlich,
dass der Konsument Daten von sich preis-
gibt, bevor er das Produkt erwerben kann.
Das ist nicht mehr aufzuhalten, und früher
oder später werden die meisten Konsu-
menten mitziehen.
Sie setzen auf den Gewöhnungs-effekt?
„Durch die Vielzahl
der Daten, die wir sammeln
und auswerten können, wird der
Kunde berechenbarer.“VOLKER WIEWER, TERADATA
Volker Wiewer
Der 48-Jährige leitet als Vice President In-
ternational, Marketing Applications von Te-
radata den Bereich Marketing und Vertrieb
für Europa und Asien. Der US-Konzern mit
deutschem Sitz in München ist Anbieter von
Datenbank-Lösungen und Analyse-Techno-
logien, zählt weltweit rund 11.000 Beschäf-
tigte und hat im vergangenen Jahr einen
Umsatz von knapp 2,7 Milliarden US-Dollar
erwirtschaftet. In der bayerischen Landes-
hauptstadt hatte Wiewer 1999 den E-Mail-
Marketing-Dienstleister Ecircle aus der
Taufe gehoben, dessen CEO er bis zur Über-
nahme durch Teradata 2012 war. Davor ar-
beitete er bei Roland Berger und Tchibo.
D
DDV dialog November 2014
10 D I A L O G S P E C I A L
Wiewer: Auch. Ich erlebe es an mir selbst:
Für mich gehört es inzwischen dazu, meine
Daten anzugeben, wenn ich einen Song
oder einen Film herunterladen möchte.
Wenn damit Schindluder getrieben wird,
droht die Diskussion allerdings wieder von
vorn zu beginnen.
Koch: Wie ich zum Sammeln von Daten
stehe, hängt davon ab, was es mir bringt.
Wenn die Daten, die mein Arzt über mich
hat, dazu dienen, anderen besser zu hel-
fen, werde ich ihrer Verwendung sofort zu-
stimmen. Wenn mein Auto vernetzt ist, und
die Versicherung Wind davon bekommt,
dass ich öfter mal zu schnell fahre, und
mich in einen teureren Tarif einstuft, werde
ich dagegen stinksauer. Die Gefahr, dass
meine Daten im Internet missbraucht wer-
den, ist immer gegeben. Das passiert jeden
Tag und wird noch zunehmen. Deswegen
muss der Nutzer oder Konsument die Kon-
trolle darüber erhalten, wer seine Daten be-
kommt.
Was heißt das praktisch?Koch: Gute Frage. Ich kann mich natürlich
nicht den ganzen Tag damit beschäftigen,
wem ich welche Daten gebe. Aber ich muss
mir immer mal wieder Gedanken darüber
machen, ob ich zu freizügig oder naiv mit
meinen Daten umgehe. Ich muss ein Ge-
spür dafür entwickeln.
Die Frage war, wie Unternehmenbeim Umgang mit Kundendaten dasVertrauen der Konsumenten gewinnenkönnen.Wiewer: Ich empfehle einen sparsamen
Umgang mit den eigenen Daten. Wenn ich
etwas im Internet bestelle, muss ich natür-
lich meinen Namen, die Lieferadresse und
meinen Zahlungswunsch angeben. Wenn
jedoch auch nach dem Geburtsdatum und
irgendwelchen Vorlieben gefragt wird,
muss ich überlegen, ob ich das preisgeben
möchte. Das ist Vertrauenssache. Und in
den sozialen Netzwerken muss ich doppelt
vorsichtig sein. Bin ich allzu sorglos, darf
ich mich nicht wundern, wenn in einem
Bewerbungsgespräch unangenehme Din-
ge hervorgekramt werden.
Lassen Sie uns das Thema Ver-trauen noch von einer anderen Warte herbetrachten. Ein Agenturchef hat kürz-lich die Herausforderungen im Marke-ting so zusammengefasst: „Korrelati-onsanalysen, Kunden-Cluster, Tracking-Logiken, Budget-Allokationen und Cus-tomer-Journey geben den Takt vor.“ Hierist vom Kunden nur noch als Zahl dieRede. Was läuft da schief?Koch: Es gibt tatsächlich Leute, die glau-
ben, dass sich das gesamte Marketing au-
tomatisieren lässt. Das sollen sie ruhig tun.
Das wird dann so wie bei den TV-Optimie-
rungsprogrammen, die dazu geführt ha-
ben, dass ein Fleckenentferner im selben
Werbeblock erscheint wie ein Luxusauto.
Wenn alle mit Programmen arbeiten, die
nach demselben Schema funktionieren,
steigen die Chancen derjenigen Marketer,
die ihre Kunden individueller ansprechen.
Wiewer: In meinen Augen beschreibt der
Agenturchef genau das, was auf die Mar-
keter zukommt. Viele von ihnen sind noch
dem Denken in TV und Print verhaftet –
das ist heute schon veraltet und hat nicht
die geringste Zukunft. Die genannten The-
men werden künftig vielleicht zwei Drittel
der Agenturarbeit ausmachen. Wer sie
nicht beherrscht, verliert die Existenzbe-
rechtigung als Agentur. Ohne Manage-
ment und Analyse von Daten wird es nicht
mehr gehen – es sei denn in der Nische
der Kreation.
Koch: Nicht die Agenturen werden die Da-
ten auswerten, sondern die Unternehmen
selbst. Das erleben wir ja bereits, dass ei-
nige Unternehmen nicht mehr bereit sind,
ihren Dienstleistern die eigenen Daten an-
zuvertrauen. Denn sie haben gemerkt, dass
manche Agenturen – speziell Mediaagen-
turen – die Daten noch anderweitig verwen-
den. Also lernen sie, die Analysen selbst
vorzunehmen.
Wiewer:Das wäre zu begrüßen. Viele Unter-
nehmen überlassen ihren Agenturen nicht
nur die Kundendaten, sondern obendrein
gleich das ganze Marketing. Das ist grob
fahrlässig, denn beides gehört zum Kern-
geschäft der Firmen.
Wird im Marketing alles quantifi-zierbar und messbar oder bleibt nocheine menschliche Unschärfe übrig?Koch: Wir haben in den vergangenen hun-
dert Jahren – auch trotz aller wissenschaftli-
chen Bemühungen – nicht herausgefun-
den, wie Werbung funktioniert, die ja nur
ein kleiner Teil des Marketings ist. Das be-
stärkt mich in der Ansicht, dass wir es nie
ganz klären werden. Wer glaubt, alles lasse
sich messen, glaubt auch, der Mensch sei
eine Maschine.
Wiewer: Der berühmte Spruch, die Hälfte
des Werbebudgets sei hinausgeschmis-
senes Geld, es sei nur unklar, welche Hälf-
te, wird seine Gültigkeit verlieren. In Zu-
kunft wird die unkalkulierbare Rate viel-
leicht noch bei 15 oder 20 Prozent liegen,
aber nicht höher. Denn durch die Vielzahl
der Daten, die wir sammeln und auswer-
ten können, wird der Kunde berechen-
barer.
INTERVIEW: JOACHIM THOMMES
DDV dialog November 2014
11
Systematische Interaktionmit dem Kunden
Digitalisierung – Grundlagenwerk zum Thema
P P Heinrich Holland, Professor für
Betriebswirtschaftslehre an der Hoch-
schule Mainz und Autor von mehr als 20
Büchern zu Dialogmarketing-Themen, hat
34 renommierte Experten aus Wissen-
schaft und Praxis um sich geschart, um
den aktuellen Stand der Disziplin zu doku-
mentieren. Herausgekommen ist ein Wäl-
zer von 873 Seiten plus Vorwort, der
praktisch alle Facetten, die derzeit in
der Diskussion sind, beleuchtet.
„Digitales Dialogmarketing.
Grundlagen, Strategien, Instrumen-
te“ lautet der programmatische Titel
des Werks. Denn das Dialogmarke-
ting ist heute vornehmlich digital: Es
geht ums Marketing per E-Mail,
Handy und Smartphone, Social Me-
dia und Suchmaschinen, mithilfe von
Affiliates, Customer-Relationship-
Management, Web-Analytics und Big
Data, um den elektronischen Handel
via Computer und anderer Geräte.
Allein diese noch unvollständige
Aufzählung zeigt: Niemals war die Viel-
falt der Dialog-Medien so groß, nie die
Chance zur individuellen Kundenan-
sprache so hoch. Und nie die Menge
der täglich kommunizierten Werbebot-
schaften so gewaltig. All das macht
modernes Dialogmarketing komplex,
oft schwierig. Holland, der vom DDV
2004 in die Hall of Fame des Direktmarke-
tings berufen worden ist, tut deshalb gut
daran, zunächst die Grundlagen und Stra-
tegien des Dialogmarketings zu skizzieren:
Die ersten Kapitel widmen sich unter ande-
rem den Offline-Instrumenten, der Werbe-
psychologie, Kommunikationsstrategien,
Loyalisierung und Markenführung und bie-
ten einen Ausblick auf die internationale
Szene. Erst danach werden die neueren
und die neusten Werkzeuge und Medien
betrachtet. Das Buch schließt mit Beiträgen
zur crossmedialen Kommunikation und
Customer-Journey-Analyse.
Gedacht ist es für Marketer – Praktiker
wie Theoretiker – und natürlich Studieren-
de. Seine Relevanz bezieht es auch daher,
dass es eines immer wieder aufzeigt: Wer in
den digitalen Medien Menschen erfolgreich
ansprechen will, muss das Handwerk des
Dialogmarketings beherrschen. Im Kapitel
„Dialogmarketing über alle Medien“ nennt
Holland selbst noch einen weiteren Grund
für die Lektüre des Buchs: „Aufgrund der
neu entstandenen Konsumkultur erwartet
die Zielperson von einem Unternehmen,
dass es seine Probleme und Bedürfnisse
genau kennt und darauf eingeht. Dies setzt
aber einen kontinuierlichen persönlichen
Dialog und eine systematische Interaktion
mit dem Kunden und potenziellen Konsu-
menten voraus.“ Unternehmen müssten
dem Trend zur Individualisierung folgen,
wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen.
Anders gesagt: Wer Dialogmarketing be-
herrscht, sichert sein Geschäft. Wie pro-
fessionelles Dialogmarketing funktioniert,
zeigen Holland und die Co-Autoren in den
Einzelheiten auf. EDITH MAYER
Heinrich Holland (Hrsg.): Digitales
Dialogmarketing. Grundlagen, Strategien,
Instrumente. 873 Seiten, Springer Gabler,
Wiesbaden, September 2014, 79,99 Euro
(Hardcover), 62,99 (E-Book).
Blick ins Buch
„Digitales Dialogmarketing. Grundlagen,
Strategien, Instrumente“ behandelt auch
diese Themen:
P Die Facetten der Adresse –
Adressen- und Listmanagement
P Crowdsourcing-Kampagnen
P Mediaplanung im Dialogmarketing
P Telefonmarketing – Individuelle Kun-
denansprache von Mensch zu Mensch
P Internet als Marketinginstrument: Wer-
beorientierte Kommunikationspolitik im
digitalen Zeitalter
P Kampagnenmanagement
P Neue Kommunikations- und Unter-
nehmensstrategien für Marken
P Social Media & Recht – Praktische
Handlungsempfehlungen für Unterneh-
men bei Twitter, Facebook & Co
DDV dialog November 2014
12 D I A L O G S P E C I A L
Irren ist menschlich –und maschinell
Marketing-Automation – Der Input bestimmt den Output
P P Amazon-Chef Jeff Bezos brüste
sich damit, heißt es, dass all seine Entschei-
dungen auf statistischen Analysen beru-
hen. Wenn das stimmt, wäre es ein Grund,
tunlichst einen großen Bogen um Big Data
zu machen. Denn das Ergebnis, das Bezos
fürs vorige, das 3. Quartal präsentiert hat, ist
miserabel: Der Verlust des Handelskon-
zerns belief sich in den drei Monaten auf
437 Millionen US-Dollar – so hoch wie nie
seit Gründung der Firma 1994.
Gut, es könnte sein, dass die Statistik
zwar stimmt, Bezos sie aber nicht zu ana-
lysieren weiß und falsche Schlüsse aus ihr
zieht. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass
die Fragen, vor denen Amazon steht, eher
strategischer Art sind, sodass der Blick in
die Tabellen kaum Antworten liefern kann.
Warum floppt das „Fire“-Phone? Wieso er-
öffnet das E-Commerce-Unternehmen ei-
nen Laden in Manhattan? Weshalb ver-
grault es Kunden, indem es ihnen jeden
Tag einen Newsletter schickt, 365-mal im
Jahr?
Die Antwort auf die letzte Frage liegt
nahe: Weil es das Marketing den Algorith-
men überlässt statt dem gesunden Men-
schenverstand. Wer bloß ein bisschen da-
von hat, begreift, dass ein Dauerbombar-
dement mit Werbebotschaften den Kon-
sumenten verschreckt – nur der Computer
hat keinen Schimmer davon, solange es
ihm niemand steckt, und rechnet stur
FO
TO
: WAV
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AK
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TO
LIA
DDV dialog November 2014
13
nach Schema F. Der Fall zeigt: Die Fehl-
barkeit ist kein Spezifikum des Menschen,
auch seinen Werkzeugen ist sie eigen. Ein-
mal falsch programmiert, spucken die Elek-
tronengehirne nur noch Mist aus.
Dessen ungeachtet scheint unter
Marketern die Lust auf Quantifizierung,
Schemata und Berechnungen ständig zu-
zunehmen. Automatisierung ist angesagt –
in vielen Bereichen. Beispiel Online-Wer-
bung. Ein Teil der Netzanzeigen wird in-
zwischen autonom von Computern plat-
ziert: Innerhalb von Millisekunden glei-
chen sie die Profildaten eines Surfers mit
der Zielgruppe einer Kampagne ab, bu-
chen die verfügbaren Werbeplätze – oft per
Auktion – und liefern das passende Werbe-
mittel aus. Beispiel E-Commerce: Wer die
Artikel bloß in den Warenkorb legt, statt sie
auch zu kaufen, erhält am nächsten Tag
eine Erinnerungs-Mail – sofern die Adresse
bekannt ist und die Zustimmung des Emp-
fängers vorliegt. Je nach Profil lässt sich die
von einem Programm erzeugte Erinnerung
mit besonderen Angeboten, etwa Gut-
scheinen, verknüpfen.
Klar, bei einem größeren Kundenkreis
sind solche Aufgaben nicht mit einem Lap-
top zu erledigen. Defacto X, Erlangen, hält
ganze Server-Farmen mit mehreren hun-
dert Rechnern parat, wie Marcus Wailers-
bacher berichtet. Der Chief Security Officer
der CRM-Agentur beteuert aber: „Wir auto-
matisieren nur dann, wenn es Sinn macht.“
Den sieht er im Wesentlichen in diesen Fäl-
len: Erstens bei besonders komplexen und
variantenreichen Maßnahmen, etwa wenn
bei schönem Wetter in bestimmten Regio-
Je mehr Daten,
umso mehr Info-Müll
Berechnet statt zugerechnet: Otto misst die Wirkung von Online-Werbung
Was nicht gemessen werden kann, muss
dekretiert werden. Nach diesem Motto wird
häufig der Beitrag einzelner Online-Werbe-
mittel zu einem Kauf oder Vertragsab-
schluss eingestuft. Am beliebtesten ist die
„Last Cookie wins“-Version, die behauptet,
der letzte Klick sei der entscheidende. An-
dere sogenannte Attributionsmodelle pos-
tulieren etwa den ersten und den letzten
Klick oder unterschiedslos alle Werbemittel
zusammen als ausschlaggebend. Doch wie
es auch gedreht und gewendet wird – diese
Modelle bleiben graue Theorie.
Der Versandhändler Otto, Hamburg, hat vor
gut einem Jahr eine Stange Geld in die
Hand genommen, um zu erforschen, wie es
wirklich ist. Seither misst er jeden Klick auf
eigene Display-Werbung, Anzeigen in
Suchmaschinen, sozialen Netzwerken und
auf Partnerseiten, Preisvergleichsseiten,
Shopping-Portalen und auf Newsletter. Ziel
des enormen Aufwands ist es herauszufin-
den, was jedes einzelne Instrument im In-
ternet zu bestimmten Zeiten zur Konversion
beiträgt. Auf diese Weise sollen Erkennt-
nisse über die Customer-Journey gewon-
nen und – vor allem – das Budget richtig auf
die verschiedenen Instrumente verteilt wer-
den. Das Kriterium dafür ist laut Kerstin Pa-
pe, Bereichsleiterin Onlinemarketing, die
Performance. Sie werde täglich erfasst, die
einzelnen Instrumente würden monatlich
neu bewertet.
Bisher hat die ständige Überprüfung Pape
zufolge hauptsächlich zwei Ergebnisse zu-
tage gefördert: Das Affiliate-Marketing sei in
der Vergangenheit überschätzt, Display-
und Suchmaschinenwerbung dagegen sei-
en unterschätzt worden. Dies habe Otto
mittlerweile verändert. Ab Anfang des kom-
menden Jahres will der Versandhändler
auch den Verkaufserfolg messen, der durch
das bloße Sehen einer Anzeige zustande
kommt.
Nicht länger unterschätzt: Otto setzt vermehrt auf Display-Werbung.
Jens Nagel-Palomino, Newcast: „Ohne
Marketing-Automation besteht bald keine
Chance mehr, den Pott zu gewinnen.“
Marcus Wailersbacher, Defacto X: „Daten
sind keine Kompensation für Empathie.“
Alexander Windhorst, Serviceplan One:
„Marketing scheitert, wenn es nur über
Mechaniken betrieben wird.“ (v.l.n.r.)
D
DDV dialog November 2014
14 D I A L O G S P E C I A L
nen eine Autowäsche beworben werden
soll. Zweitens bei der Optimierung einer
Kampagne während ihrer Laufzeit, bei-
spielsweise um die kaufkräftigsten Kun-
den extra anzusprechen. Drittens wenn es
Schlag auf Schlag gehen muss, so, um
einem Online-Shopper während seines
Einkaufs noch ein anderes Produkt nahe-
zulegen, das ihm gefallen könnte.
Umgekehrt verzichte Defacto X auf
eine Automatisierung, wenn der Aufwand
die absehbare Ausbeute übersteigt. Dann
werde nach wie vor von Hand oder nur
teilweise maschinell gearbeitet. Wailers-
bacher: „Das Kosten-Nutzen-Verhältnis
muss schon stimmen.“
Halbautomatisch oder vollautomatisch
– diese Frage entscheidet sich bei Newcast,
Düsseldorf, unter anderem danach, ob eine
Gruppe oder eine Person adressiert wird.
Handelt es sich um ein Individuum, wird
mehr Manpower investiert, erklärt Jens Na-
gel-Palomino, CEO der Agentur, die zum Vi-
vaki-Netzwerk gehört, das wiederum Teil der
Publicis-Gruppe ist. Schon der Newcast-
Slogan „Inspired by data“ deutet darauf hin,
dass der Dienstleister Daten-, Monitoring-
und Analyse-Systeme nicht unwichtig fin-
det. „Ohne Marketing-Automation besteht
bald keine Chance mehr, den Pott zu gewin-
nen“, sagt Nagel-Palomino.
Im Datenrausch sieht sich der Agen-
turchef allerdings nicht. Er pocht darauf,
dass Menschen über die Kommunika-
tions-Strategie entscheiden. Und weiß: Je
mehr Daten die Maschine einsammelt,
umso mehr Info-Müll ist dabei. Er erinnert
sich auch an die Geschichte im Mai dieses
Jahres, als in den USA Programme an-
stelle von Surfern dafür gesorgt haben,
dass ein Großteil der Online-Anzeigen ei-
ner Mercedes-Benz-Kampagne ausge-
spielt wurde. Nicht nur Zweibeiner betrü-
gen, Software kann es auch.
Nach Nagel-Palominos Erfahrung
rüttelt die Automatisierung nicht an der
Faustformel, nach der hundert Interes-
senten angesprochen werden müssen,
um einen oder zwei zum Kaufen zu bewe-
gen. „Auch deshalb ist immer abzuwägen,
ob sich ihr Einsatz rentiert.“ Lohnt es sich,
einen Nutzer mittels Retargeting zu gewin-
nen, wenn dadurch zehn Nutzer, die sich
gestalkt fühlen, verprellt werden?
Alexander Windhorst, Geschäftsfüh-
rer Serviceplan One, München, beantwor-
tet diese Frage unmissverständlich: „Mar-
keting scheitert, wenn es nur über Me-
chaniken und Mengen betrieben wird.“
Und wer den Kunden mit einer Zielschei-
be – englisch: Target – verwechsle, habe
vom Dialogmarketing ohnehin nichts ver-
standen. Denn es basiere ja gerade da-
rauf, sich auf den Kunden einzulassen
und ihn einzubeziehen. Immer mehr Kon-
sumenten wollten auf sie zugeschnittene
Angebote und Botschaften
statt Reklame. „Das bedeutet,
dass wir sie kennen müssen.
Aber auch, dass wir uns zu er-
kennen geben.“
Windhorst plädiert für ei-
nen „schlauen Umgang“ mit Daten. Ei-
nerseits lasse sich „überraschend viel“
aus ihnen ablesen. Andererseits könnten
sie den direkten Kontakt zum Kunden und
das Einfühlungsvermögen in seine Be-
dürfnisse nicht ersetzen. Das sieht Wai-
lersbacher genauso: „Daten sind keine
Kompensation für Empathie.“ Der
Defacto-X-Mann rät auch von der Vorrats-
datensammlung ab – aus rechtlichen wie
praktischen Gründen. Das Gesetz verlan-
ge, dass der Betroffene der Speicherung
seiner Daten zustimmt, und gebiete einen
sparsamen Umgang mit ihnen. Zudem sei
es zweckmäßig, von vornherein zu wis-
Nicht nur Menschen betrügen,
Software kann es auch
Quelle: Experian Marketing Services DDV dialog November 2014
Es kommt auf die Menschen an
Gründe für die Unzulänglichkeit von Daten
Menschliche Fehler
Mangel an Kommunikation zwischen den Abteilungen
Mangelhafte Daten-Strategie
Fehlen von Technologien
Unterbesetzung
Begrenztes Budget
Mangelhafte Technologien
Mangelhafte Unterstützung durch das Senior-Management
Andere Gründe
Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich
59
31
24
22
22
20
19
14
5
Quelle: Experian Marketing Services DDV dialog November 2014
Daten sind Mängelwesen
Die häufigsten Probleme in der Praxis
Angaben in Prozent
Ungenaue Daten
Nicht genügend Informationen vorhanden
Mangel an flexiblen Daten
Mangel an Training
Unfähigkeit, Daten über mehrere Kanäle zu konsolidieren
Keine analytischen Ressourcen
Zu viele Informationen vorhanden
Andere
22
16
15
13
12
10
9
3
DDV dialog November 2014
15
Anzeige
sen, worauf man hinaus will. „Natürlich
kann man zufällig auf unerwartete Zusam-
menhänge stoßen, aber das ist nicht der
Kern der Analytik.“
Eine im Juli veröffentlichte Studie von
Experian Marketing Services in mehreren
Ländern, vornehmlich den USA und Groß-
britannien, hat ergeben, dass in neun von
zehn Unternehmen die erhobenen Daten
für Marketing und Vertrieb unvollständig,
veraltet oder auf andere Weise fehlerhaft
sind. Hierzulande hält jeder fünfte befragte
Entscheider die gesammelten Daten sogar
schlicht für unbrauchbar.
Als Hauptursachen für die Defizite
werden „menschliche Fehler“, „mangel-
hafte Kommunikation zwischen den Ab-
teilungen“ und „mangelhafte Daten-Stra-
tegie“ genannt. Erst an vierter Stelle geht
es um das „Fehlen von Technologie“. Da-
bei hat die durchschnittliche Menge an
unzulänglichen Daten im vergangenen
Jahr noch einmal zugenommen. Die Stu-
dienautoren erklären dies damit, dass mit
dem wachsenden Aufkommen auch die
Anfälligkeit für Defekte gestiegen sei. Die
gern beschworene Unbeirrbarkeit der
Zahlen ist eben doch bloß etwas fürs Mär-
chenbuch.
JOACHIM THOMMES
DDV dialog November 2014
16 D I A L O G S P E C I A L
Umfrage – Grenzen des maschinellen Marketings
1 Zahlen, Formeln, Algorithmen
– Marketer operieren zunehmend
mit statistischen Größen. Gerät
dabei der Kunde aus Fleisch und
Blut aus dem Blick?
2 Warum bleibt der direkte Draht
zum Kunden unerlässlich?
UMFRAGE: JOACHIM THOMMES
Mehr Automation – weniger Dialog?
DIETMAR KRUSE,
CEO Continental
Europe Ebiquity,
Hamburg
1 Es ist eine Gefahr, die Digitalisierung zur
Erhöhung der Prozesseffizienz zu nutzen
und nicht zur Generierung von Insights. Die
Digitalisierung mit ihren neuen Datenquel-
len und Auswertungsmöglichkeiten kann
nämlich helfen, das Verhalten von Men-
schen besser zu verstehen als in der Ver-
gangenheit. Beispielsweise gibt es in der Zu-
ordnung von Werbeeffekten in Befragungen
meist eine Verzerrung zugunsten von TV, da
Befragte gern vorgeben, Werbung im Fern-
sehen gesehen zu haben, auch wenn dies
nicht der Fall ist. Mit einem Attributionsmo-
dell, das auf Algorithmen basiert, können
solche Effekte eliminiert und der tatsächli-
che Werbeeffekt besser ermittelt werden.
2 Automatisierung und persönlicher Kon-
takt sollten sich ergänzen. Die quantitative
Analyse zeigt lediglich die Reaktion der
Kunden auf das bestehende Angebot. Fra-
gen nach dem Warum sowie Anforderun-
gen und Wünsche der Konsumenten blei-
ben jedoch unbeantwortet. Nur eine direk-
te, im besten Fall persönliche Auseinander-
setzung mit dem Kunden eröffnet die
Möglichkeit, Angebote bedarfsgerecht zu
entwickeln. Eine sorgfältige Analyse von
Zielgruppen und Bedürfnissen führt in Ver-
bindung mit gutem Targeting und wirksa-
men Botschaften zu einem effektiveren per-
sönlichen Kontakt mit potenziellen Kunden,
weil sie sich besser verstanden und ernst
genommen fühlen. Leider funktionieren
viele Targeting-Systeme aber nicht so gut
wie oft behauptet.
HARRY
WASSERMANN,
CEO SNT Deutsch-
land, Frankfurt
1 Klar kann man mit statistischen Verfahren
auf eventuell zukünftige Kaufentschei-
dungen schließen und mit gezielten auto-
matischen Angeboten Abschlüsse erhöhen.
Der Big-Data-Hype zeigt, wie viel sich Unter-
nehmen davon versprechen. Da werden zig
Millionen von Daten gesammelt, geclustert
und analysiert – um dann allerdings zum
gleichen Ergebnis zu kommen, wie wenn
man dem Kunden am Telefon zugehört oder
seine E-Mail richtig gelesen hätte. Unterneh-
men berauben sich selbst eines der wich-
tigsten Feedback-Kanäle, wenn Kunden-
kontakt – Dialog mag ich es gar nicht mehr
nennen – nur noch automatisiert erfolgt.
2 Die Auswüchse der Automatisierung
sieht man jeden Tag auf Social-Media-Platt-
formen. Da rufen Kunden verzweifelt um
Hilfe, weil sie nur noch mit automatisierten
E-Mails und Anrufbeantwortern kommuni-
zieren sollen, die ihr Anliegen nicht verste-
hen. Als Kunde komme ich doch bei vielen
Unternehmen nur noch mit einem Men-
schen in Kontakt, wenn ich etwas kaufen
soll. Dann werde ich umworben mit Rück-
rufen, Chat-Angeboten und kostenlosen
Zusatzangeboten. Aber hinterher will keiner
mehr mit mir reden. Richtig guter Service ist
heute ein massiver Wettbewerbsvorteil, weil
er selten geworden ist. Und dabei gehört oft
nicht viel dazu: den Kunden als Individuum
wahrnehmen, ihm zuhören und eine Lö-
sung für ihn suchen. Das gilt sowohl vor Ort
im Laden wie auch am Telefon und im
Schriftverkehr.
DDV dialog November 2014
17
STEFAN
VON LIEVEN,
Vorstandssprecher
Artegic, Bonn
1 Beides! Die Steigerung der Effizienz von
Abläufen im Marketing ist eine Vorausset-
zung, um überhaupt relevant – insbesonde-
re individualisiert – mit Kunden kommuni-
zieren zu können. Kunden erwarten heute
nicht weniger als ein Best-in-Class-Service-
Erlebnis. Und zwar jederzeit und in jedem
Kanal. Das ist ohne Automatisierung nicht
zu leisten. Die Wirksamkeit der Kommuni-
kation muss ebenfalls automatisiert über-
prüft werden, weil auch hier eine manuelle
Steuerung aufgrund der Komplexität nicht
mehr möglich ist. Wichtig ist jedoch die Fo-
kussierung auf ein Verständnis der Wir-
kungskette vom ersten Kontakt bis zum
Kauf – statt eines bunten Straußes an Key-
Performance-Indikatoren.
2 Kunden möchten von Unternehmen per-
sönlich wahrgenommen werden. Das be-
deutet, dass der Dialog authentisch geführt
werden muss. Automatisierung erreicht
dies durch intelligente, datengestützte Indi-
vidualisierung, allerdings hat dies auch
Grenzen. Wenn ich den persönlichen Kon-
takt suche, kann Automatisierung negativ
wirken. Persönlicher Kontakt wird daher
auch weiterhin wichtig bleiben, muss bei
steigendem Kostendruck aber effizient ein-
gesetzt werden. Marketing-Automation
kann etwa in Form von Lead-Nurturing hel-
fen, die knappe Ressource „persönlicher
Kontakt durch Sales-Mitarbeiter“ auf die
wichtigsten Leads zu fokussieren, ohne die
anderen hängen zu lassen.
ANNE M.
SCHÜLLER,
Geschäftsführerin
Marketing Consul-
ting, München
1 Zahlen, Formeln und Algorithmen sind
noch kein Wissen. Erst wenn die richtigen
Fragen gestellt und die richtigen Schluss-
folgerungen gezogen werden, entstehen
aus Daten vorteilhafte Erkenntnisse. Und
schlimmer noch: Daten kennen keine Mo-
ral – sie muss von den Menschen kommen.
Die Krux ist vor allem auch die: Zahlen sa-
gen niemals die Wahrheit. Die Ergebnisse
können immer nur so gut sein wie das Aus-
gangsmaterial, und Zahlen sind immer
auch das Resultat von Abteilungszielen und
persönlichen Interessen. Auf einer solch
zweifelhaften Basis werden oft genug die
falschen Entscheidungen getroffen.
2 Der Favorit wird immer die persönliche
Kommunikation sein. Erst durch das Erle-
ben mit allen Sinnen und das Studieren von
Gestik und Mimik können wir mit großer
Sicherheit erkennen, ob es jemand gut oder
böse mit uns meint. Wer die verbale und
nonverbale Kommunikation an allen direk-
ten Touchpoints beherrscht, ist den Online-
Algorithmen überlegen. Und das bedeutet
vor allem: bitten statt auffordern, einladen
statt aufdrängen, hinhören statt zuquat-
schen, fragen statt sagen, sich kümmern,
Interesse, Respekt und Wertschätzung zei-
gen – und natürlich verlässlich sein. Wenn
schließlich noch ein Hauch von Magie und
eine Prise „Sternenstaub“ hinzugefügt wer-
den, dann weckt das sofortiges Haben wol-
len. Wer dieses subtile Spiel mit den Emo-
tionen allerdings nicht beherrscht, vertreibt
die Leute ins Internet.
HEINRICH
HOLLAND,
Professor für BWL
an der Hochschule
Mainz
1 Es kommt immer darauf an, wie man die
Automation einsetzt. Im Zeitalter von Big
Data ist die Anwendung von multivariaten
statistischen Verfahren und Methoden der
Künstlichen Intelligenz unabdingbar, um
einerseits die Effizienz zu steigern und an-
dererseits die relevanten Angebote für die
Kunden zu selektieren. Dialogmarketing
spricht immer kleinere Marktnischen an
und nähert sich immer mehr dem One-to-
one-Marketing. Diese spitze Selektion ist
ohne Algorithmen nicht mehr zu bewerk-
stelligen. Hinzu kommt, dass die Tools des
Data-Minings anwendungsfreundlicher ge-
worden sind – auch ohne Spezialkenntnis-
se der Mathematik und Statistik lassen sie
sich im Marketing verwenden.
2 Die Gefahr besteht, dass die Unterneh-
men technikgläubig werden und die Kun-
den aus den Augen verlieren. Man sollte
niemals das Gehirn und den gesunden
Menschenverstand ausschalten und die Er-
gebnisse von Data-Mining immer kritisch
hinterfragen. Gerade die Methoden der
Künstlichen Intelligenz (neuronale Netze
und genetische Algorithmen) bergen die
Gefahr, sich zu verselbstständigen. Es ist
schwierig nachzuvollziehen, auf welchem
Weg ein bestimmtes Ergebnis zustande
kommt. Der persönliche Kontakt zum Kun-
den rückt so manches Missverständnis wie-
der gerade.
DDV dialog November 2014
18 D I A L O G S P E C I A L
Viele Chancenzum intensiven Dialog
Social CRM – Kundenbeziehungsmanagement via Facebook und Co ist den meisten Unternehmen noch fremd
P P Was für ein Paradies für Marketer: In
den sozialen Netzwerken schreiben die Leu-
te über den Bau ihres Eigenheims und ihr
Lieblingsessen, über Einkäufe und Launen,
Erlebnisse und Vorlieben. Wer also etwa die
Facebook-Seite eines aktiven Nutzers stu-
diert, erfährt viel über diesen Menschen.
Verknüpfen Unternehmen diese Erkennt-
nisse mit ihren CRM-Datenbanken, ermög-
licht das eine sehr passgenaue Ansprache.
Die Rede ist von Social CRM.
Noch gibt es nicht viele Praxisbeispiele
für diese Spielart des Customer-Relation-
ship-Managements. In puncto Social Ser-
vice gelten nach wie vor die Angebote der
Deutschen Telekom („Telekom hilft“) und
der Deutschen Bahn auf Facebook und Twit-
ter als beispielhaft. Zwar sind Kundenforen
und Communitys, wie etwa von Kabel
Deutschland und Nestlé, mittlerweile nichts
Neues mehr. Auch das Social-Media-Moni-
toring, bei dem das Social Web nach zuvor
definierten Inhalten durchsucht wird, ist vie-
lerorts Tagesgeschäft. Aber Anwendungen,
bei denen tatsächlich Profildaten eines so-
zialen Netzwerks mit einer unternehmens-
eigenen CRM-Datenbank abgeglichen, ver-
knüpft und anschließend fürs Marketing ge-
nutzt werden, sind rar – zumindest werden
sie nicht hinausposaunt. Technisch ist eine
solche Verknüpfung kein Problem. Die Zu-
rückhaltung der Unternehmen ist nicht zu-
letzt der deutschen Rechtslage geschuldet.
Zwar gibt es hierzulande in Bezug auf
Social-CRM-Aktivitäten noch keinerlei Prä-
zedenzfälle mit Verstößen gegen den Daten-
schutz oder das Wettbewerbsrecht. Aber
das ist vermutlich nur eine Frage der Zeit.
Rechtsanwalt Carsten Ulbricht von der
Kanzlei Bartsch Rechtsanwälte in Stuttgart
prüft Social-CRM-Konzepte von Unterneh-
men auf Rechtssicherheit. Und zwar immer
öfter, denn insbesondere große Werbung-
treibende beschäftigen sich verstärkt mit der
Kundenansprache im Social Web und stat-
ten ihre Marketingabteilungen mit entspre-
chenden Budgets aus. Ohne juristische Ex-
pertise traut sich kaum einer ins Getümmel.
Schon bei der Auswahl der Dienstleis-
ter sollten Unternehmen wachsam sein:
Zwar versprechen viele Social-CRM-Anbie-
ter, datenschutzkonform zu arbeiten, aber
es gilt das Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle
besser. Letztlich werde nicht der Dienstleis-
ter für Rechtsverstöße zur Verantwortung ge-
zogen, sondern der Anwender, gibt Ulbricht
zu bedenken.
Das gilt auch für die Nutzung von Soft-
ware-Tools. Facebook zum Beispiel bietet
Werbungtreibenden ein Tool namens Cus-
tom Audience an. Dabei handelt es sich dem
Unternehmen zufolge um „eine Zielgrup-
penoption für Werbeanzeigen, mit der Wer-
bungtreibende ihre bestehenden Zielgrup-
pen unter Nutzern, die Facebook verwen-
den, finden können“.
Martin P. Wider, Marketingchef des auf
Facebook-Marketing spezialisierten Unter-
nehmens Facelift in Hamburg, erklärt, wie
Custom Audience funktioniert: „Daten aus
dem eigenen CRM-System werden bei Face-
book hochgeladen und daraus die Face-
book-Teilnehmer identifiziert. Damit das da-
tenschutzkonform abläuft, werden die
E-Mail-Adressen und Telefonnummern ver-
schlüsselt an Facebook übertragen.“ Face-
book vergleiche die übermittelten sogenann-
ten Hash-Werte mit seinen eigenen Hash-
Werten und erkenne so, welche Kunden be-
reits bei Facebook registriert sind. Diese
Kunden können die Unternehmen dann ge-
zielt mit Posts oder Werbung ansprechen.
Vorbildlich: Social
Service der Deutschen
Bahn auf Facebook.
DDV dialog November 2014
19
Das Gros der deutschen
Unternehmen glaubt indessen
offenbar nicht so recht daran,
dass dieses Verfahren in
Deutschland rechtlich einwand-
frei ist: „Ich erlebe eine große
Zurückhaltung bei den Unternehmen.
Selbst wenn die Daten verschlüsselt sind,
traut sich derzeit kaum ein Unternehmen,
Custom Audience zu nutzen“, sagt Ulbricht.
Wer bei der gezielten Kundenanspra-
che via Social CRM auf der sicheren Seite
sein möchte, dem empfiehlt der Jurist, das
Opt-in des Konsumenten einzuholen. Sei es
bei der Registrierung für einen E-Mail-
Newsletter, bei Gewinnspielen und Bonus-
programmen, bei einer Microsite mit Face-
book-Log-in genauso wie bei jedem anderen
Kontaktpunkt zwischen Mensch und Marke.
Wichtig sei, dass der Konsument, der in die
Nutzung seiner über Social-Media-Plattfor-
men gewonnenen Daten einwilligt, umfas-
send über deren Verwendung aufgeklärt
wird.
Nutzer nicht nerven, kein stumpfes
Display-Retargeting betreiben und einen
konkreten Mehrwert bieten, rät Facelift-Mar-
ketingmann Wider allen Social-CRM-An-
wendern. Werde diese Regel befolgt, mach-
ten User gern bei Aktionen mit und erteilten
bereitwillig ihre Erlaubnis zur Datennutzung.
Wie das funktionieren kann, zeigt ein
Autohersteller, der namentlich nicht ge-
nannt werden will: Um an seinen auf Face-
book lancierten Promotion-Ak-
tionen teilzunehmen, aktivieren
User ihr Facebook-Log-in und
beantworten ein paar Fragen zu
Modell und Alter ihres Vehikels
sowie zu den Eigenschaften ihres
Wunsch-Wagens. „Die Kombination mit
dem Facebook-Log-in als Zugang zu den
Grunddaten der betreffenden Person sowie
spezifische Informationen über ihre Präfe-
renzen in Bezug auf Autos können jetzt ent-
weder über Facebook direkt verwendet wer-
den, um Werbung punktgenau zu adressie-
ren, oder um diese Daten in das eigene
CRM-System zu integrieren“, erläutert Wi-
der. Voraussetzung auch hier: rechtssicher
formulierte Teilnahmebedingungen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden
zugleich Facebook-Nutzer sind, ist zumin-
dest für Konsumgüterhersteller und Unter-
Quelle: Hochschule Reutlingen DDV dialog November 2014
Loyalisierung steht im Vordergrund
Ziele von Social CRM
Basis: n = 138; Angaben in Prozent
75
64
63
61
48
47
44
38
33
Stärkung der Kundenbindung
Analyse von Kundenbedürfnissen
Imagepflege
Bessere Information der Kunden
Bearbeitung von Kundenanfragen
Monitoring der öffentlichen Meinung
Förderung von Kaufentscheidungen
Erzeugung von Kunden-Feedback
Gewinnung von relevanten Kundendaten
Studie: Social CRM setzt einen Wandel der Unternehmenskultur voraus
Social CRM spielt in vielen Unternehmen
keine große strategische Rolle. Obwohl sich
die Mehrheit darüber im Klaren ist, dass es
immer wichtiger wird, verfügen die meisten
Unternehmen über keine dezidierte Strate-
gie dafür. Dies sind Ergebnisse der Studie
„Social CRM – Perspektiven von Social Me-
dia für das Kundenbeziehungsmanage-
ment“, welche die Hochschule Reutlingen
vor wenigen Tagen präsentiert hat.
Die Wissenschaftler sind in quantitativen
und qualitativen Befragungen sowie an-
hand von fünf Fallstudien Fragen zur Nut-
zung von Social CRM in B-to-B- und B-to-C-
Unternehmen nachgegangen. Folgende
Ziele haben sich als die wichtigsten heraus-
gestellt: Kundenbedürfnisse analysieren,
Kunden besser informieren, das Image
pflegen und die Kundenloyalität stärken.
Die meisten der insgesamt 138 befragten
Unternehmen setzen aktuell auf einfache
Kontaktstrategien im Social Web. Dazu zäh-
len überwiegend Kunden-Communitys und
Social-Service-Angebote. Big Data sei als
Thema zwar erkannt und strategisch rele-
vant, bisher aber kaum umgesetzt.
Alexander Rossmann, Professor für Marke-
ting und Vertrieb an der Hochschule Reut-
lingen und verantwortlich für die Untersu-
chung, zeigt sich sicher, dass es künftig
mehr Anwender geben wird. Denn profes-
sionelles Social CRM eigne sich als Diffe-
renzierungsmerkmal, da es nicht einfach
zu implementieren sei.
Als größte Hürden für die Anwender sieht
Rossmann speziell in Deutschland die
rechtlichen Bestimmungen, die in Unter-
nehmen oft noch restriktiver gehandhabt
würden, als es der Gesetzgeber verlangt.
Außerdem gebe es ein IT-Problem: Viele
Unternehmen hätten ihr CRM-Problem
noch nicht gelöst, es fehle also das Fun-
dament für Social CRM. „Das größte Pro-
blem liegt aber in der Unternehmenskultur:
Die Unternehmen müssen sich wandeln
und vom Kunden her denken.“ Dabei seien
erfahrungsgemäß nicht die Mitarbeiter das
größte Hindernis, sondern die kulturelle
Veränderung in der Führung.
Die Studie steht unter www.nextcc.com
zum Download bereit.
D
DDV dialog November 2014
20 D I A L O G S P E C I A L
nehmen mit großem Kundenkreis hoch: In
diesem Jahr sind laut ARD/ZDF-Onlinestu-
die fast 45 Millionen Deutsche online; ge-
mäß Statista waren im Januar 2014 rund 27
Millionen Deutsche bei Facebook registriert
– es dürfte sich also eine Schnittmenge mit
dem eigenen Kundenbestand ergeben.
Social CRM ist aber nicht nur im B-to-
C-Bereich, sondern auch im B-to-B-Seg-
ment relevant: So unterhält das Lübecker
Medizin- und Sicherheitstechnik-Unterneh-
men Dräger eine Facebook-Seite für Feuer-
wehrleute. Staplerhersteller Still Deutsch-
land in Hamburg feierte im Oktober den
20.000sten Facebook-Fan und Baumaschi-
nenhersteller Liebherr mit deutschem Sitz in
Biberach ist unter anderem mit seinem ei-
genen Youtube-Channel nah bei seinen
Business-Kunden.
Georg Blum, Geschäftsführer von 1A
Relations in Ebersbach an der Fils, ist über-
zeugt: „B-to-B-Lead-Gewinnung und -Quali-
fizierung in Social Media ist einfacher, als
viele denken. Es dauert manchmal länger,
aber dafür ist der Dialog intensiver.“ Seine
Empfehlung für alle B-to-B-Marketer, die ih-
re Kundenbeziehungen via Social Web pfle-
gen wollen: Als erstes sorgfältig definieren,
wer die Zielgruppe ist, als nächstes eruieren,
über welche Plattform man sie am besten
erreicht, dann relevante Inhalte formulieren
und die Zielgruppe ansprechen. Sollte ein
Kontakt zustande kommen, rät Blum drin-
gend davon ab, dem neu gewonnenen Inte-
ressenten sofort einen Prospekt oder ein An-
gebot zu senden: „Dann haben Sie verloren.
Spinnen Sie stattdessen den locker aufge-
bauten Faden mit wohldosiertem und über-
legtem Dialog weiter. Laden Sie die Person
mal zum Essen oder auf die nächste Messe
ein.“ Weil derlei Social-CRM-Aktionen Zeit
und Geld kosten, müsse wie bei der klassi-
schen Lead-Generierung bewertet werden,
ob sich das Engagement auch lohnt.
Payback in München gilt als Vorreiter
in zielgruppenspezifischem Marketing und
professioneller Dialogkommunikation. Im
März dieses Jahres beendete das Unterneh-
men nach gut zwei Jahren sein Angebot
„Payback Likes Lounge“. Die Facebook-Sei-
te war von vielen Experten als beispielhaftes
Social CRM gepriesen worden: Die Payback-
Nutzer registrierten sich – inklusive Opt-in
für die Datennutzung – für die Likes Lounge
und sammelten über die Plattform Punkte,
die auf ihre persönlichen Payback-Konten
übertragen wurden. Anreiz für die User wa-
ren Spiele und Aktionen.
Laut Unternehmensangaben war der
Aufwand hoch. Allein drei Mitarbeiter waren
mit der Pflege der Likes Lounge befasst. In
Zeiten von Ibeacons, Mobile Payment und
anderen Handelstrends investiert der Bo-
nusprogrammbetreiber sein Budget nun in
andere Projekte. Wobei allerdings Social
CRM nach wie vor einen hohen Stellenwert
habe.
Richard Welge, Marketingchef von
Payback Deutschland in München, erläu-
tert: „Wir nutzen Social Media, hier vorrangig
Facebook, auf drei Arten als zusätzlichen Ka-
nal und CRM-Tool: als Plattform für Kunden-
anfragen und Feedback, für Befragungen zu
neuen Angeboten und Services sowie als E-
Coupon-Center.“ Mit Social CRM erweitere
Payback seine Kundenbeziehungen um ei-
nen wichtigen Kanal, durch den wiederum
andere Personen einbezogen werden könn-
ten, etwa Freunde, Bekannte und weitere
Mitglieder der Community. „Man spannt also
dort ein Beziehungsdreieck auf, wo vorher
nur eine bilaterale Beziehung existierte. Die
Personen mit Bezug zu unseren Kunden
können wir dann als Botschafter nutzen.“
Für die Kundenbetreuung unterhält
Payback ein großes Service-Center. Die So-
cial-Media-Kanäle werden von einem eigens
geschulten Team betreut, das zugleich die
Schnittstelle zwischen den Kanälen Face-
book und Telefon ist. Bitten Nutzer zum Bei-
Quelle: Hochschule Reutlingen DDV dialog November 2014
Big Data noch nicht so wichtig
Welche Kernelemente sind für Ihre Social-CRM-Strategie wesentlich?
Basis: n = 138; Angaben in Prozent
Community-Management,
Beziehungsgestaltung im Social Web
Beantwortung von Kundenanfragen
via Social Media
Cross-Channel-Strategien, Vernetzung von
Social Media mit anderen Kanälen
Big Data, Integration von Kundendaten
in CRM-Prozesse
54
50
48
28
Quelle: Hochschule Reutlingen DDV dialog November 2014
Firmen möchten mehr Information
In welche CRM-Prozesse ist Social Media eingebunden?
Basis: n = 138; Angaben in Prozent
Gewinnung von Kundeninformationen
Lead-Generierung
Beschwerde-Management
Durchführung von Kundenumfragen
After-Sales-Prozesse
Betrieb von Shop-Lösungen
Sonstiges
48
46
44
37
29
8
18
Zweierlei Rechtsgrundlagen
Beim Customer-Relationship-Management
im Social Web ist eine zweistufige Prüfung
vorzunehmen. Wenn personenbezogene
Kundendaten erhoben oder verarbeitet
werden, sind Vorschriften des Bundesda-
tenschutzgesetzes zu beachten. Während
das Datenschutzrecht die Rechtmäßigkeit
der Datenerhebung regelt, bestimmt sich
die Zulässigkeit der konkreten Kundenan-
sprache – über Telefon, E-Mail oder soziale
Netzwerke – nach dem Wettbewerbsrecht.
Oft lassen sich die Anforderungen beider
Regelungsregime mit einer entsprechen-
den Zustimmungserklärung erfüllen. Bei
den rechtlichen Vorgaben ist danach zu dif-
ferenzieren, ob Verbraucher (B-to-C) oder
Geschäftskunden (B-to-B) angesprochen
werden sollen.
Quelle: www.rechtzweinull.de
DDV dialog November 2014
21
spiel über die Pinnwand der Payback-Face-
book-Seite um Antwort auf eine Frage, wer-
den sie von Mitarbeitern des Social-Media-
Teams angerufen. Im umgekehrten Fall –
wenn jemand im Service-Center anruft und
auf eines seiner Facebook-Postings verweist
– wird er zu dem spezialisierten Team wei-
tergeleitet.
Laut Payback werden Daten dabei aus
Datenschutzgründen nicht verknüpft und
keinerlei Daten in den CRM-Bestand über-
führt. Trotzdem ist Social CRM für Payback
von hohem Nutzen: Erstens lösen sich viele
Probleme von selbst, weil Kunden auf Face-
book anderen Kunden Fragen beantworten.
Zweitens ist das Unternehmen aus den
Posts der Nutzer schnell über Schwachstel-
len informiert und kann entsprechend rasch
reagieren. Drittens setzt das Unternehmen
Facebook dazu ein, neue Angebote auf ihre
Resonanz zu prüfen und zu optimieren.
Nicht zuletzt dient das im Mai aufgeschaltete
E-Coupon-Center in Facebook den Nutzern
dazu, ihre Coupons zu verwalten und ein-
zulösen – sie finden dort zugleich Promo-
tions und Content.
Das Beispiel Payback zeigt: Social
CRM muss nicht unbedingt bedeuten, auf-
wendig Opt-ins einzuholen und Daten zu-
sammenzuführen. Das Kundenbeziehungs-
management via Social Web liefert auch oh-
ne dies unmittelbares Feedback, gibt Auf-
schluss über Kundenmeinungen, ist eine
Spielwiese für neue Produkte und bietet zig
Möglichkeiten für Promotions und zur Kun-
denaktivierung. VERA HERMES
Anzeige
Martin P. Wider, Facelift, fordert dazu auf, den
Nutzern einen konkreten Mehrwert zu bieten.
Georg Blum, 1A Relations: „B-to-B-Lead-Ge-
winnung in Social Media ist einfacher, als viele
denken.“ Richard Welge, Payback, nutzt vor
allem Facebook als zusätzlichen Kanal. (v.l.n.r.)
DDV dialog November 2014
22 D I A L O G M A R K E T I N G
Kunden wollendie Datenhoheit behalten
Studien – Lesetipps für Dialogmarketer
P P Trau, schau, wem. Konsumenten
geben eigene Daten am ehesten preis,
wenn die Unternehmen ihnen genau sa-
gen, wozu sie die Daten verwenden, wenn
sie ihre Richtlinien für den Umgang mit
Kundendaten offenlegen und sich ver-
pflichten, die Daten anonym auszuwerten.
Darin sind sich Konsumenten und Unter-
nehmen einig. Differenzen bestehen dage-
gen darüber, welche Maßnahmen vertrau-
ensbildend wirken. Vor allem in drei Punk-
ten. Erstens ist es für Konsumenten viel
wichtiger, dass ihre Daten nicht weiterver-
kauft werden, als die Unternehmen dies an-
nehmen. Zweitens wollen die Konsumen-
ten sichergehen, dass Daten nicht mit an-
deren Datenquellen kombiniert werden –
auch das wird von den Unternehmen unter-
schätzt. Drittens schließlich wünschen die
Konsumenten eine externe Überwachung
der Richtlinien, während die Unternehmen
dies eher für verzichtbar halten. Das geht
aus der Untersuchung „Datenland
Deutschland – Die Transparenzlücke“ her-
vor, die Deloitte im Oktober vorgelegt hat.
Die Autoren resümieren: „Die Unter-
schiede in der Wahrnehmung, was wirklich
Vertrauen schafft, sind beträchtlich. Die
Einschätzung der Kunden sollte in die un-
ternehmerischen Entscheidungen einbe-
zogen werden, wenn das Potenzial von Da-
ta-Analytics realisiert werden soll.“ TS
Name der Studie: Datenland Deutschland
– Die Transparenzlücke
Herausgeber: Deloitte, München
Erscheinungsdatum: 8. Oktober 2014
Befragter Personenkreis: Konsumenten
sowie Vertreter von Großunternehmen
(Umsatz: mehr als 100 Millionen Euro)
Befragte Personen: 1500, 256
Preis: kostenlos
Weitere Informationen:
www.deloitte.com/de
P P Erste Eindrücke. 79 Prozent der
Deutschen nutzen ein Handy, 77 Prozent
einen Computer und jeder Zweite ein
Smartphone. In Estland dagegen liegen die
Werte bei 94 Prozent (Handy), 76 Prozent
(Computer) und 43 Prozent (Smartphone).
Das sind Ergebnisse, die das aktualisierte
„Consumer Barometer“ von Google online
parat hält. In jedem der nun insgesamt 47
vorgestellten Länder von Argentinien bis
Vietnam wurden in der Regel 1000 Onliner
befragt – meist zu ihren Surf-Gewohnheiten
und ihrem Einkaufsverhalten. Die Charts
beantworten Fragen wie diese: Gehen In-
ternet-Nutzer auch während des Fernse-
hens online? Aus welchen Gründen wird
eingekauft? Welche Plattformen werden ge-
nutzt, um Online-Videos anzuschauen? Das
mag für nette Spielereien am Feierabend
und manche schnell gestrickte Powerpoint-
Präsentation genügen. Die Daten stammen
vom Marktforschungs-Institut TNS. Das
Consumer Barometer erschien erstmals vor
vier Jahren. TS
Name der Studie: Consumer Barometer
Herausgeber: Google, Mountain View
(Kalifornien)
Erscheinungsdatum:
Update am 23. Oktober 2014
Befragter Personenkreis:
Onliner in 47 Staaten
Quelle: Deloitte DDV dialog November 2014
Konsumenten verlangen Garantien
Welche Maßnahmen würden Ihr Vertrauen in die Nutzung persönlicher Daten durch Unternehmen steigern?
Sicherheit, dass Daten nicht weiterverkauft werden
Klare Kommunikation, welche Daten zu welchenZwecken verwendet werden
Klare und einsehbare Richtlinien im Umgang mit Kundendaten
Sicherheit, dass Daten nicht mit Daten aus anderen Quellen zusammengeführt werden
Selbstverpflichtung der Unternehmen, dass Datenvollständig anonym ausgewertet werden
Externe Überwachung der Richtlinien
Vertrauen muss nicht gesteigert werden
Angaben in Prozent; Mehrfachnennungen möglich
73
60
54
52
49
47
2
Quelle: Deloitte DDV dialog November 2014
Konsumenten sind misstrauisch
Welche Befürchtungen verbinden Sie mit der Nutzung persönlicher Daten im Internet durch Unternehmen?
Weitergabe / Weiterverkauf meiner Daten an Dritte
Dass ich nicht weiß, was mit meinen Daten passiert
Dass Fremde Informationen über mich erhalten
Dass ich zu viel Werbung erhalte
Dass ich zum gläsernen Konsumenten werde
Dass die über mein Verhalten gesammelten Datenirgendwann zu meinem Nachteil verwendet werden
Dass verschiedene Datenquellen verknüpft werden
Dass ich personalisierte Werbung erhalte
Ich habe keine wirklichen Befürchtungen
Angaben in Prozent; Mehrfachnennungen möglich
72
68
62
55
53
51
45
37
2
DDV dialog November 2014
23
Befragte
Personen:
in der Regel 1000
pro Land
Preis: kostenlos
Weitere
Informationen:
www.consumer-
barometer.com
P P Social Media wird überschätzt. Je-
denfalls beim Einkaufserlebnis: Dort spie-
len Facebook und Co eine geringere Rolle
als noch vor zwei Jahren. Zu diesem Ergeb-
nis kommt die zweite Auflage des Digital
Shopper Relevancy Reports, einer Studie
der Wirtschaftsberatung Capgemini, die in
18 Staaten durchgeführt wurde. „Alles deu-
tet darauf hin, dass Social Media im Einzel-
handel und in der Konsumgüterindustrie
nicht mehr als ein Hype war“, schreiben die
Studienautoren.
Als Informationsquelle vor dem Kauf
liegt das Internet mittlerweile vor allen ande-
ren Shopping-Kanälen, sogar vor dem tradi-
tionellen Einzelhandel: Drei Viertel der Be-
fragten geben an, dass ihnen das Netz bei
ihrer Entscheidung wichtig oder sehr wich-
tig ist. Wohl auch darum schreiben die Au-
toren Social Media nicht völlig ab: „Sicher-
lich werden soziale Netzwerke in den Pha-
sen ,Aufmerksamkeit gewinnen‘ und ,Aus-
wahl‘ der Customer-Journey zukünftig eine
deutlich wichtigere Rolle spielen als bei
,Transaktion‘, ,Auslieferung‘ und der Be-
treuung nach dem Kauf“, heißt es. Der Ein-
zelhandel sei deshalb gefordert, soziale Me-
dien gezielt in den Phasen einzusetzen, wo
sie eine wertsteigernde Rolle beim Kauf ein-
nehmen können.
Über alle Länder hinweg ist der her-
kömmliche Laden nach wie vor die belieb-
teste Einkaufsgelegenheit (72 Prozent Zu-
stimmung) – allerdings nur geringfügig vor
dem Internet (67 Prozent). Eine knappe
Mehrheit (51 Prozent) gibt jedoch an, dass
sie ihr Geld künftig eher online ausgeben
möchte als in der Einkaufsstraße. Neben
der wachsenden Bedeutung von Smart-
phones insgesamt werden digitale Interakti-
onsmöglichkeiten in der Filiale von den
Konsumenten geschätzt. In der Kaufphase
sind diese bei den Deutschen sogar belieb-
ter als Callcenter, Smartphone und E-Mail.
„Mehr Technologie im stationären Handel
wäre offenbar ein willkommener Wandel
für die Verbraucher“, schlussfolgern die
Autoren.
Keine großen Vorteile erwarten die
Kunden von einer Preisgabe ihrer Daten:
Selbst wenn der Lieblingsshop die Ein-
kaufshistorie kennt – wovon jeder vierte Ver-
braucher erst gar nicht ausgeht –, bestehen
Zweifel, ob der Kundenservice auf dieser
Basis verbessert wird. Während die Hälfte
der Befragten ihrem favorisierten Einzel-
händler vertraut und annimmt, dass er ihre
persönlichen Daten verantwortungsvoll
nutzt, lehnt ein Drittel der Befragten die
Nutzung ihrer Daten aus sozialen Medien
rundheraus ab. TS
Name der Studie: Digital Shopper Relevan-
cy Report (nur auf Englisch verfügbar)
Herausgeber: Capgemini, Berlin
Quelle: Capgemini DDV dialog November 2014
Noch werden Läden bevorzugt
Digitales Einkaufserlebnis erwünscht
Herkömmlicher Laden
Website
Digitale Techniken im Laden (etwa Kiosk-Terminals)
E-Mail, Newsletter
Smartphone
Soziale Netzwerke
Callcenter
Angaben in Prozent; Abweichungen von Hundert durch Rundungen
40
36
23
21
19
16
13
32
31
30
27
23
20
18
18
19
23
23
20
19
20
5
6
10
12
12
12
14
4
8
14
17
27
32
35
Völlig unwichtig Weniger wichtig Neutral Wichtig Sehr wichtig
Agof Mobile Facts 2014-II DDV dialog November 2014
E-Mail wichtiger als Facebook
Das interessiert Smartphone-Nutzer am meisten
Wetter
Private E-Mails
Soziale Netzwerke
Chats und Messenger
Nachrichten zum Weltgeschehen
Regionale und lokale Nachrichten
Sportinformationen
Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich
76
73
66
59
52
50
38
Erscheinungsdatum: 25. September 2014
Befragter Personenkreis: Konsumenten in
18 Ländern
Befragte Personen:18000
Preis: kostenlos
Weitere Informationen:
www.de.capgemini.com
P P Mobile mögen Mails. Für rund 34
Millionen Deutsche ist das Smartphone
ständiger Begleiter. Im Vergleich zum Vor-
jahr stieg die Zahl der Nutzer um sieben
Millionen – ein Plus von 28 Prozent. Bald
ein Drittel der Taschencomputer-Besitzer
surft mit ihrem Gerät häufiger durchs Netz
als per stationärem PC – ein Plus von 41
Prozent gegenüber 2013. So steht es in den
Mobile Facts 2014-II der Arbeitsgemein-
schaft Online-Forschung (Agof). Am meis-
ten gefragt sind Wettervorhersagen und E-
Mails. TS
Name der Studie:
Agof Mobile Facts 2014-II
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Online-
Forschung, Frankfurt
Erscheinungsdatum: 25. September 2014
Grundgesamtheit:
Internet-Nutzer ab 10 Jahren
Fallzahl: 42754
Preis: kostenlos
Weitere Informationen:
www.agof.de/aktuelle-studie-mobile
DDV dialog November 2014
24 D I A L O G R E C H T
Die unerkannten Tretminenbei der Vertragsgestaltung
Vertrieb – Provisionsmodelle in der Praxis
P P Die Provisionsregelung bildet das
Herzstück jeder Vertriebsvereinbarung.
Den Vertragsparteien stehen dabei ver-
schiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur
Verfügung. Die grundlegende Entschei-
dung ist zwischen der Gewährung einer
Umsatzprovision und einer Einmalprovisi-
on zu treffen. Vor allem, wenn Dauerschuld-
verhältnisse vermittelt werden, ergeben
sich – je nach Provisionsart – Probleme, die
zumeist übersehen werden.
Umsatzprovision und EinmalprovisionDer Anspruch auf Umsatzprovision, in der
Telekommunikationsbranche auch „Airti-
me-Provision“ genannt, erlischt zumeist
mit dem Ende des Vertriebsvertrags, in je-
dem Fall mit der Beendigung des vermittel-
ten Vertrags. Sie kann aber gegebenenfalls
auch nach Vertragsende weitergezahlt wer-
den und bildet vor allem in dieser Konstella-
tion häufig eine wesentliche Motivation für
den Vertriebspartner, nachhaltige Geschäf-
te zu vermitteln, weil er dadurch auch nach
Ende seines Vertrags vom Geschäftserfolg
des Prinzipals profitieren kann.
Die Einmalprovision fällt oft höher als
die Umsatzprovision aus. Sie wird daher
von den Vertriebspartnern wegen ihrer Li-
quiditätsfreundlichkeit geschätzt. Im Ver-
triebsvertrag ist exakt zu regeln, wann die
Einmalprovision verdient ist und unter wel-
chen Voraussetzungen sie wieder entfällt.
Die sich darüber hinaus ergebenden
Vor- und Nachteile der unterschiedlichen
Provisionsarten bleiben allerdings im Ver-
borgenen und zeigen sich häufig erst, wenn
um Provisionen gestritten wird.
Die Wahl der ProvisionsartDes einen Freud, des anderen Leid? In der
Vertriebspraxis gilt diese Regel nicht ein-
schränkungslos, denn nicht wenige Unter-
nehmen sind in einer Art Zwitterstellung tätig.
Einerseits vermitteln sie Geschäfte für einen
Prinzipal, andererseits sind sie mit Unterver-
tretern vertraglich verbunden und müssen ei-
nen Perspektivenwechsel vollziehen, etwa
bezogen auf die Provisionsgestaltung.
AusgleichsanspruchGemäß § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB)
besteht nach Ende des Vertriebsvertrages
gegebenenfalls ein Ausgleichsanspruch
des Handelsvertreters
(Vertriebspartners).
Die Einzelheiten sind
kompliziert, der An-
spruch ist abhängig
davon, welche Provisi-
onsgestaltung die Par-
teien gewählt haben.
Grundidee des Gesetz-
gebers ist, dass der
Vertriebspartner einen
Ausgleich – bis zu ei-
ner Jahresprovision –
erhalten soll, wenn der
Prinzipal aus den ver-
mittelten Geschäften
weiterhin Vorteile hat,
die durch die Provision
bisher nicht in vollem
Umfang ausgeglichen
worden sind.
Das Missverhält-
nis von Leistung und
Gegenleistung drängt
DDV dialog November 2014
25
sich auf, wenn eine Umsatzprovision ge-
zahlt wird, die mit dem Ende des Vertriebs-
vertrags entfällt. Bei seinen Kalkulationen
muss der Prinzipal also berücksichtigen,
dass weitere Ansprüche des Handelsver-
treters schlummern, die vertraglich nicht
ausgeschlossen werden können und inner-
halb eines Jahres nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses geltend gemacht wer-
den müssen (§ 89 b Abs. 4 HGB). Ist da-
gegen eine Einmalprovision vereinbart, so
bestehen für den Unternehmer größere
Chancen, sich gegen den Ausgleichsan-
spruch zu verteidigen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Stutt-
gart hat in seinem Urteil vom 19.09.2012,
Az: 3 U 195/11, festgestellt, dass die Zah-
lung eines Ausgleichs ohne Provisionsver-
luste des Handelsvertreters – das heißt im
Fall der Einmalprovision – in der Regel nicht
der Billigkeit entspricht. Das von den Par-
teien vereinbarte Provisionssystem könne
nicht nachträglich über den Ausgleichsan-
spruch korrigiert werden und dem Han-
delsvertreter damit letztlich ein Mehr an
Vergütung zugebilligt werden, als der bei
Fortsetzung des Vertrags an Provision er-
halten hätte (OLG Stuttgart, a. a. O., Rz. 46).
Allerdings räumt das OLG Stuttgart in sei-
nem Urteil gleichzeitig ein, dass Ausnah-
mefälle denkbar seien, die das Entstehen
eines Ausgleichsanspruchs auch ohne den
Eintritt von Provisionsverlusten rechtferti-
gen könnten.
Abrechnung und BuchauszugGem. § 87 c Abs. 2 HGB kann der Ver-
triebspartner (Handelsvertreter) bei der
Abrechnung einen Buchauszug über alle
Geschäfte verlangen, für die ihm nach §
87 HGB Provisionen gebühren. Zwar dürf-
ten Abrechnungen inzwischen nahezu
ausschließlich digital abgewickelt werden,
aber der Buchauszug ist nach wie vor ein
Damoklesschwert über dem Kopf des
Prinzipals. Er muss alle Daten enthalten,
die für die Feststellung der Provision maß-
geblich sind (Bundesgerichtshof, Urteil
vom 21.03. 2011, Az: 8 ZR 149/99; OLG
Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2013, Az:
I-16 U 89/11).
Bei der Umsatzprovision dürfte das
vergleichsweise leicht fallen, weil Transpa-
renz in Bezug auf Umsätze in aller Regel
mühelos herstellbar ist. Kompliziert wird es
allerdings bei der Einmalprovision, denn
häufig macht der Prinzipal die Entstehung
der Provision oder das Entfallen des An-
spruchs von zahlreichen Voraussetzungen
abhängig, die er spezifizieren muss, wenn
ein Buchauszug verlangt wird. Sehr häufig
sind vertragliche Gestaltungen und fakti-
sche Abrechnungsprozesse nicht kompati-
bel, sodass der Prinzipal schon logistisch
vor einer nicht zu bewältigenden Aufgabe
steht. Die Durchsetzung etwaiger Rückfor-
derungsansprüche gegen den Vertriebs-
partner (Handelsvertreter) wird zur Illusion,
weil dieser von einem Zurückbehaltungs-
recht Gebrauch machen kann (vgl. etwa
OLG Frankfurt, Urteil vom 01.06.2012, Az:
14 U 15/12). Darüber hinaus stellt sich die
Frage von Schadensersatzansprüchen,
wenn der Prinzipal den Buchauszug in letz-
ter Konsequenz nicht so zur Verfügung stel-
len kann, dass er verwertbar ist.
TeilprovisionsanspruchIm Falle der Vermittlung von Dauerschuld-
verhältnissen wird zumeist ein „Haftungs-
zeitraum“ vorgegeben, wenn die Parteien
eine Einmalprovision vereinbaren. Der Pro-
visionsanspruch entsteht nicht oder ent-
fällt, wenn der vermittelte Vertrag innerhalb
eines definierten Zeitraums scheitert. Lan-
ge Haftungszeiträume haben gravierende
Nachteile für den Vertriebspartner (Han-
delsvertreter), weil sein Vermittlungsauf-
wand nutzlos wird, obwohl der Unterneh-
mer bei teilweiser Ausführung des Vertrags
mit dem Kunden erhebliche Vorteile hat.
Solche Kalkulationsvorstellungen des
Prinzipals verkennen allerdings, dass für ei-
nen Teilerfolg – Zahlungen des Kunden –
auch eine Teilprovision gezahlt werden
muss, denn der Vertriebspartner (Handels-
vertreter) hat Anspruch auf Provision, sobald
und soweit der Dritte (Kunde) das Geschäft
ausgeführt, folglich Zahlung geleistet hat
(OLG Hamburg, Urteil vom 12.11.2013, Az: 9
U 11/12). Bemessungsgrundlage für die Be-
rechnung des Teilprovisionsanspruchs ist
das Verhältnis zwischen tatsächlicher Lauf-
zeit und vertraglich vereinbarter Laufzeit
(OLG Hamburg, a. a. O., S. 13). Der An-
spruch kann vertraglich nicht ausgeschlos-
sen werden, denn der Teilprovisionsan-
spruch besteht gem. § 87 a Abs. 1 S. 3 HGB
„unabhängig von einer Vereinbarung“.
FazitIn allen Vertragsbeziehungen zwischen
Prinzipal und Vertriebspartnern (Handels-
vertretern) schlummern (Provisions-)An-
sprüche oder – je nach Perspektive – Risi-
ken, solchen Ansprüchen ausgesetzt zu
sein. Der Gesetzgeber schützt den Ver-
triebspartner (Handelsvertreter) und ga-
rantiert in einem gewissen Umfang die An-
gemessenheit der Vergütung. Eine Abwä-
gung von Vor- und Nachteilen im Rahmen
der Vertragsgestaltung setzt voraus, dass
insbesondere der Prinzipal eine Vorstellung
davon hat, an welcher Grenze das nicht dis-
positive Recht verläuft.
FRANZ DÄNEKAMP, DR. MELANIE KÖLLN
Rechtsanwalt Franz Dänekamp
und Rechtsanwältin
Dr. Melanie Kölln sind in der
Kanzlei Lehner Dänekamp &
Mayer in Heidelberg tätig.
sen sei. Das BDSG erlaubt zwar die
Erhebung und Nutzung personen-
bezogener Daten als Mittel für die
Erfüllung eigener Geschäftszwe-
cke, fordert dafür aber einen Bezug
zu einem Rechtsverhältnis. Dieser
bestehe hier deswegen nicht, weil
mehr Daten abgefragt würden, als
für die Durchführung des Gewinn-
spiels erforderlich. Auch weitere
Vorschriften des BDSG seien nicht
einschlägig.
Sodann hat der Wettbewerbssenat ei-
nen Verstoß gegen das Gesetz gegen den un-
lauteren Wettbewerb (UWG) angenommen (§
4 Nr. 2 UWG). Danach ist die Ausnutzung der
geschäftlichen Unerfahrenheit von Minder-
jährigen unzulässig, was hier der Fall sei.
Denn die 15-17-jährigen Teilnehmer könnten
die mit der Preisgabe der Daten und der Ein-
willigungserklärung verbundenen Nachteile
sowie die wirtschaftlichen Vorteile, die sich
das werbende Unternehmen davon ver-
spricht, nur schwer erkennen. Sie würden
eher den Reizen eines Gewinnspiels erliegen
als Erwachsene. Die Teilnah-
me geschehe zudem spon-
tan, wodurch das Risikobe-
wusstsein der Teilnehmer ver-
mindert sei.
An dieser Einschätzung
änderten die zunehmenden
Erfahrungen Jugendlicher mit
Medien nichts. Auch ergebe
sich keine einzubeziehende
Wertung daraus, dass Minder-
jährige für bestimmte Ge-
schäfte als uneingeschränkt geschäftsfähig
angesehen werden können oder nach Voll-
endung des 15. Lebensjahrs ihre Kranken-
kasse selbst wählen dürfen.
Im Ergebnis werden Gewinnspiele nicht
mehr zur Einholung von Werbeeinwilligungen
Minderjähriger eingesetzt werden können.
Veranstaltet ein Unternehmen ein herkömm-
liches Gewinnspiel für Minderjährige und er-
hebt dabei personenbezogene Daten nur zur
Abwicklung des Gewinnspiels, ist dies dage-
gen auch künftig erlaubt.
DDV dialog November 2014
26 D I A L O G R E C H T
Geschäftliche Unerfahrenheitdarf nicht ausgenutzt werden
Bestimmte Gewinnspiele für Minderjährige unzulässig
P P Der Bundesgerichtshof (BGH) hat
entschieden, dass Gewinnspiele wettbe-
werbswidrig sind, wenn sie auf die Einholung
einer Werbeeinwilligung Minderjähriger ge-
richtet sind. Dies stelle eine unzulässige Aus-
nutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit
von Kindern und Jugendlichen dar (Urteil
vom 22.01.2014 – Az. I ZR 218/12).
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-
Westfalen hatte eine gesetzliche Krankenkas-
se auf Unterlassung verklagt. Diese verteilte
während einer Messe Teilnahmekarten für
ein an Minderjährige gerichtetes Gewinn-
spiel. Folgende Felder sollten ausgefüllt wer-
den: Name, Vorname, Geburtsdatum, An-
schrift, Telefonnummern, E-Mail-Adresse
und Krankenkasse. Darunter befand sich ei-
ne „Einwilligungserklärung“ für Werbung auf
diversen Kommunikationswegen, wobei bei
unter 15-Jährigen die Unterschrift des Erzie-
hungsberechtigten erforderlich war.
Der BGH hielt dazu zunächst fest, dass
die Erhebung der Daten zu Werbezwecken
nach den Vorschriften des Bundesdaten-
schutzgesetzes (BDSG) nicht zulässig gewe-
Die Autorin Dr. Beatrice
Brunn ist Rechtsanwäl-
tin in der Kanzlei Bird &
Bird, Hamburg.
URTEIL DES MONATS Streitwert unerwünschter Werbe-Mails manchmal gering
Schlechte Zeiten für Abmahnanwälte: Der
Streitwert einer Klage auf Unterlassen der
Zusendung von Werbe-Mails kann unter
Umständen 100 Euro betragen. Dies ist ins-
besondere dann der Fall, wenn ein singulä-
rer Vorfall vorliegt, bei dem die tatsächliche
Beschwerde kaum messbar ist, entschied
das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil
vom 17.10.2013 – 6 U 95/13).
Das Gericht stellt mit der Entscheidung klar,
dass durch die Streitwertberechnung bei
unerwünschten E-Mails nicht ein möglicher
volkswirtschaftlicher Gesamtschaden kom-
pensiert werden soll, sondern allein das In-
teresse des Klägers, in Zukunft keine un-
erwünschte Werbung mehr zu bekommen.
Sollte der Streitwert als Abschreckungsin-
strument dienen, müsste er etwa in Fällen
körperlicher Belästigung oder Stalking ex-
orbitant hoch sein. Zudem müsse berück-
sichtigt werden, dass E-Mails mit wenigen
Klicks gelöscht werden können und ein Ma-
terialverbrauch, wie etwa beim Fax, gar
nicht erst anfällt. Eine irrtümlich versendete
Werbe-Mail kann daher auch mit nur 50
Euro bemessen werden.
Zu einer Vereinheitlichung der Streitwert-
berechnung bei E-Mail-Werbung führt die
Entscheidung nicht. Sie zeigt aber auf, dass
die Gerichte den Einzelfall prüfen müssen.
Zumindest nach dieser Entscheidung – die
Abmahnanwälten bei vergleichbaren Fäl-
len entgegengehalten werden kann – liegt
bei der irrtümlichen Versendung von Wer-
be-Mails an Privatpersonen nur eine gerin-
ge Beschwerde vor.
§
DDV dialog November 2014
D I A L O G I N S I D E 27
„dialog:afterwork“ inHamburg sehr beliebt
Networking im DDV
P P Das Event-Format „dialog:after-
work“ stößt im Raum Hamburg auf reges
Interesse, allein zum Sommertreffen Ende
August kamen fast 30 Gäste. Der DDV hatte
die Veranstaltungsreihe Anfang 2012 ein-
geführt, um seinen Mitgliedern fernab der
großen Jahresevents eine Plattform fürs
Networking zu bieten. Seitdem werden für
die beteiligten Regionen Hamburg, Frank-
furt, Stuttgart und München sowie neuer-
dings auch Düsseldorf viermal im Jahr Ter-
mine angeboten.
DDV-Präsident Martin Nitsche kann
sich noch gut an die Anfänge des „dialog:af-
terwork“ in der Hansestadt erinnern: „Zu-
nächst lief es ein wenig holprig an, und wir
waren froh, wenn wir fünf Mitglieder be-
grüßen konnten. Doch inzwischen ist der
dialog:afterwork zu einer festen Institution
in Hamburg geworden. Für viele Gäste ist es
inzwischen schon ein Pflichttermin.“ Das
bestätigt auch Ansgar Ellmer von E-Pro-
spect, der sich vor Ort um den Event küm-
mert. „Besonders erfreulich ist es aus mei-
ner Sicht, dass hier mehrere Generationen
von Dialogmarketern zusammentreffen. In
lockerer Atmosphäre lernen so die Jungen
von den Erfahrungen der alten Hasen und
umgekehrt.“
Die ausgefallene Location und die be-
sondere Atmosphäre sind Teil des Kon-
zepts. So konnten die Ham-
burger in der Vergangenheit
bei Sonnenuntergang den
Blick auf Hafen und Alster ge-
nießen, und die Frankfurter
trafen sich am „Strand“ eines
Restaurants im wiederbeleb-
ten Westhafen der Mainme-
tropole. Wenn die Zeit der Au-
ßengastronomie endet, findet
das Networking in ausgefalle-
nen Lounges und Restau-
rants statt.
Der nächste Termin für
Hamburg: Donnerstag, 27.
November 2014, ab 19 Uhr in
der „Oberhafen-Kantine“ in
der Stockmeyerstraße 43. Die Kosten für
den Verzehr tragen die Teilnehmer, die Plät-
ze sind begrenzt. LUK
P P P Weitere Infos:
Rubrik „Veranstaltungen“ auf
www.ddv.de
DDV wirbtum neue Mitglieder
Einkaufsgutscheine winken
P P Der DDV hat eine Aktion zur
Werbung neuer Mitglieder gestartet.
Dabei werden die Teilnehmer aufgefor-
dert, ihr Netzwerk einzusetzen, um Ge-
schäftspartner, Dienstleister oder Kun-
den von den Vorteilen einer Verbands-
mitgliedschaft zu überzeugen. Auch
wer noch nicht im DDV ist, kann sich an
der Aktion beteiligen.
Das Engagement wird honoriert:
Pro gewonnenem Mitglied gibt es eine
Prämie in Form eines Einkaufsgut-
scheins in Höhe von 300, 500 oder 800
Euro – die Höhe richtet sich nach der
Beitragskategorie des neu geworbenen
DDV-Mitglieds. Eingelöst werden kön-
nen die Gutscheine bei Anbietern wie
Amazon, Karstadt, Media-Markt, Ikea,
Obi und Douglas. Auch das empfohlene
Mitglied profitiert und zahlt 2014 keinen
Mitgliedsbeitrag mehr, kann aber trotz-
dem alle Leistungen der Standardmit-
gliedschaft in Anspruch nehmen.
DDV-Präsident Martin Nitsche:
„Bei unserem Amtsantritt als Präsiden-
tenduo haben Patrick Tapp und ich an-
gekündigt, den DDV unternehmeri-
scher auszurichten und die Wirt-
schaftskraft des Dialogmarketings
noch deutlicher zu machen. Mit einer
breiten Mitglie-
derbasis im
Rücken lassen
sich diese Ziele
leichter und
schneller ver-
wirklichen. Zu-
gleich steigt die
Bedeutung
des Verbands
bei politischen Gesprächen in Brüssel
und Berlin.“ DIA
Nette Locations (wie hier in Hamburg) gehören
zum Eventkonzept.
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DDV dialog November 2014
28 D I A L O G I N S I D E
„Der ddp ist wieder eine harte Währung“
ddp 2015 – Interview mit dem neuen Juryvorsitzenden Detlef Rump
P P Der Deutsche Dialogmarketing
Preis (ddp) hat 2014 mit einem veränderten
Juryverfahren sein Profil geschärft. Erfreut
zeigte sich der Veranstalter DDV auch über
die mehr als 50-prozentige Steigerung bei
den Einreichungen. DIALOG sprach mit
dem neuen Jury-Vorsitzenden Detlef
Rump, Rumpdialog Werbeagentur, Ham-
burg, über den wichtigsten Dialogmarke-
ting-Wettbewerb im deutschsprachigen
Raum.
Das neue Jury-Prozedere solltenoch deutlicher als bisher die gleichbe-rechtigte Bewertung von Kreation undErfolg hervorheben. Wie lautet Ihre per-sönliche Bilanz?Ich muss gestehen, dass ich etwas skep-
tisch war, aber es hat sich bei der Premiere
doch hervorragend bewährt. Nichts wird
mehr durchgewunken, nur weil es super
kreativ ist.
Was ändert sich beim ddp 2015?Die Jury wird mit der neuen Methode ver-
trauter sein und insofern werden die Ergeb-
nisse wohl noch klarer ausfallen. Das gefällt
mir schon einmal. Aber ehrlich gesagt wün-
sche ich mir sogar eine noch strengere Dis-
kussion in der Jury um die Top-Platzierun-
gen.
Im Dialogmarketing gelten ande-re Spielregeln als im klassischen Marke-ting. Was bringt es den Agenturen, beimddp einzureichen?Natürlich sind die diversen Awards presti-
geträchtig, und sie sind ohne Frage wichtig.
Beim ddp kann aber jede Agentur der ei-
genen Kreation zusätzlich ein wirtschaftli-
ches Gütesiegel verpassen. Eine Maßnah-
me oder Kampagne, die einen ddp gewinnt,
sieht eben nicht nur gut aus, die kann auch
was. So einfach ist das.
Wie können abgesprungeneAgenturen wiedergewonnen werden?
Abgesprungene Agenturen sollten überle-
gen, warum immer wieder große Marken
beim ddp ihre Arbeiten einreichen und sich
auszeichnen lassen. Der ddp ist wieder eine
harte Währung. Und das ist attraktiv für Un-
ternehmen, somit auch für Agenturen.
In diesem Jahr fand die Preisver-leihung in einer Berliner Kirche statt.Wie wichtig sind Location und Show?Ich selbst bin da relativ pflegeleicht – ich
brauche keinen roten Teppich und keine
Lachshäppchen. Vielmehr vertrete ich den
Standpunkt, dass die Verleihung selbst an-
gemessen sein muss. Es kommt also eher
darauf an, dass die Cases vernünftig aus-
gestellt sind und die Gewinner entspre-
chend gewürdigt werden können. Wenn
man danach noch feiern kann – prima.
Was wünschen Sie sich vom ddp2015?Dass er mehr strahlt denn je. Er hat jetzt ein
messerscharfes Profil und ist es wert.
INTERVIEW: LUDGER KERSTING
Detlef Rump, 50, ist Geschäftsführer der
Werbeagentur Rumpdialog in Hamburg.
Jurychef Detlef Rump legt Wert darauf, dass die Cases vernünftig ausgestellt sind. Das Foto
zeigt die Galerie mit der Short List vom ddp 2014.
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DDV dialog November 2014
29
DDV-Geschäftsstellenunmehr in Frankfurt
Nach mehr als 30 Jahren verlässt der Verband Wiesbaden
P P Mehr als drei Jahrzehnte hatte der
Verband seine Geschäfte in der hessischen
Landeshauptstadt Wiesbaden geführt.
DDV-Präsident Patrick Tapp zu den Grün-
den des Umzugs: „Frankfurt hat sich in den
vergangenen Jahren für den Verband be-
reits durch andere zeitweilig angemietete
Räumlichkeiten als idealer Standort erwie-
sen. Das Präsidium tagte dort regelmäßig
und auch viele Vorstandssitzungen, Semi-
nare und andere Veranstaltungen fanden in
der Mainmetropole statt.“ Die Gremien be-
tonten dabei stets die gute Erreichbarkeit
mit dem Zug oder Flugzeug.
Entscheidend für den Umzug inner-
halb des Rhein-Main-Gebiets war nach
Auskunft Tapps außerdem, alle Mitarbeiter
der Geschäftsstelle halten zu können und
somit die „bewährte, professionelle und für
die Mitglieder wichtige optimale Betreuung
weiterhin gewährleisten zu können“.
Am Standort „Lyoner Stern“ verfügt
der DDV neben den Büros über mehrere,
unterschiedlich groß geschnittene Konfe-
renzräume, sodass Gremiensitzungen und
Veranstaltungen in der Geschäftsstelle
durchgeführt werden können. Die neuen
Büros sind vom Hauptbahnhof Frankfurt
und dem Frankfurter Flughafen ohne Um-
wege per S-Bahn erreichbar. Es gibt auch
Parkmöglichkeiten.
Weiterhin bestehen bleibt die Berliner
Dependance des DDV. Vom Hauptstadtbü-
ro aus kümmert sich seit Juni 2011 Rechts-
anwalt Titus Goll um die Public Affairs des
Verbands.
Mit dem Umzug von Wiesbaden nach
Frankfurt kehrt der DDV an seine alte Wir-
kungsstätte zurück: Bis Ende 1983 war die
Geschäftsstelle in der Nähe des Frankfurter
Römers beheimatet. Vom Umzug in die
Bankenstadt ist auch Marc Binnewies,
DDV-Mitglied und Abis-Geschäftsführer,
angetan, dessen Firmenbüro sich in unmit-
telbarer Nähe der Geschäftsstelle befindet.
Binnewies: „Statt zum Telefonhörer zu grei-
fen, können wir jetzt unsere Anliegen auch
einmal persönlich bei einem Kurzbesuch
klären.“ Der DDV freut sich über den neuen
Nachbarn und, so Geschäftsführer Paul
Nachtsheim, „über jedes Mitglied, das bei
uns vorbeischauen möchte“. Ein Anruf ge-
nüge. LUK
Die Geschäftsstelle des Deutschen
Dialogmarketing Verbands (DDV)
ist umgezogen: Seit dem 1. November
residiert sie im „Lyoner Stern“ in der
Bürostadt Frankfurt-Niederrad.
Die neue Adresse lautet:
DDV-Geschäftsstelle
Hahnstr. 70, 8. OG
60528 Frankfurt
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DDV mitneuemLogo
Modernisierung
P P Pünktlich zum Umzug nach
Frankfurt-Niederrad präsentiert sich
der Verband mit einem modernisierten
Logo, welches das bisherige weiterent-
wickelt. DDV-Präsident Martin Nitsche:
„Die wichtigste Neuerung ist die
Sprechblase. Sie symbolisiert das Kern-
anliegen unseres Verbands: den Dialog
über sämtliche Kanäle.“ DDV-Präsident
Patrick Tapp ergänzt: „Zugleich unter-
streicht das neue Logo auch optisch,
dass der DDV auf einem stetigen Weg
der Modernisierung ist.“ Die rote
Grundfläche macht das überarbeitete
Logo zudem auffälliger als die bisherige
Version. Die Spitze links oben wird als
Designelement im kommenden, reno-
vierten Internetauftritt und bei künfti-
gen Publikationen des Verbands auf-
gegriffen werden. DIA
werden, die fehlende
physische Produktbe-
urteilung wettzuma-
chen und Sicherheits-
bedenken abzubauen.
Dabei ist auch der
technologische Fort-
schritt zu berücksichti-
gen. Schnellere Über-
tragungsbandbreiten –
etwa durch LTE – eröff-
nen neue Möglichkei-
ten im Mobile Marke-
ting. Allerdings wird es
noch einige Zeit dau-
ern, bis die Netze flächendeckend ausge-
baut und die benötigten Endgeräte ausrei-
chend verbreitet sind sowie die entspre-
chenden Mobilfunkverträge günstiger wer-
den. Derzeit liegt die Verbreitung von
4G-Netzen in Deutschland bei 41 Prozent.
Auch eine herstellerunabhängige Interope-
rabilität zwischen den parallel existierenden
Netz- und Endgerätestandards beziehungs-
weise Anwendungsformaten könnte einen
weiteren Wachstumsschub auslösen.
Unternehmen, die
sich dem Mobile Marke-
ting verschließen, gehen
das Risiko ein, mittelfris-
tig Zielgruppen- und
Umsatzpotenziale zu
verschenken. Denn
zahlreiche Konsumen-
ten erwarten bereits
heute eine Ansprache
auf mobilen Kanälen –
insbesondere von inno-
vativen Marken.
Zwar ist Mobile
Marketing bereits jetzt
von kontinuierlichen Innovationen geprägt.
Dabei handelt es sich aber häufig um von
der Technologie induzierte Innovationen.
Gerade vor dem Hintergrund der langsa-
men Adoptionsrate der Deutschen gilt je-
doch, dass sich die Aktivitäten an den Be-
dürfnissen der Konsumenten ausrichten
sollten. Denn eine „Übertechnisierung“
kann abschreckend wirken, da einige Tech-
niken erst noch gelernt werden müssen,
wie zum Beispiel Augmented Reality.
DDV dialog November 2014
30 D I A L O G I N S I D E
AGGP-Gewinnerin Beate Koch, Fachhochschule Mainz
P P Meiner Arbeit zum Thema „Analyse
der Nutzung mobiler Endgeräte im Kaufent-
scheidungsprozess – Implikationen für das
mobile Marketing von Konsumgüterherstel-
lern“ lagen zwei zentrale Fragen zugrunde.
Zunächst wurde überprüft, ob und wozu
Konsumenten Mobilgeräte während der
Kaufentscheidung einsetzen. Es bestätigte
sich, dass Nutzer die Geräte verwenden,
um ihre Kaufentscheidung zu unterstützen.
Das geschieht vorwiegend bei der Informa-
tionssuche und beim Kauf direkt, aber auch
bei der Bedarfserkennung. Die zweite Fra-
ge befasste sich mit dem Sinn von Mobile-
Marketing-Aktivitäten im Verlauf der Kauf-
entscheidung. Dabei zeigte sich, dass sich
die Bedürfnisse der Nutzer in den einzel-
nen Phasen deutlich unterscheiden – folg-
lich auch die Einsatzgebiete der Geräte. Da-
raus lässt sich schließen, dass eine Aus-
richtung des mobilen Marketings entlang
des Kaufentscheidungsprozesses sinnvoll
ist, um bedürfnisrelevante Botschaften
senden zu können.
Dem Mobile Marketing wird weiteres
Wachstum prognostiziert, insbesondere im
Konsumgüterumfeld. Das steigende Pro-
duktangebot und die Austauschbarkeit der
Produkte machen es geradezu notwendig,
sich durch innovative Marketingstrategien
vom Wettbewerb abzuheben. Je schneller
ein Produkt „dreht“, desto entscheidender
die Abgrenzung, denn Preise und Bewer-
tungen sind heute jederzeit per Handy und
Smartphone abrufbar. Für das Mobile Mar-
keting von Konsumgüterherstellern kommt
es deshalb darauf an, emotionale Kunden-
beziehungen aufzubauen. Die reine Mar-
kenkommunikation ist dabei untergeord-
net; primär sollten der Dialogaufbau forciert
und Mehrwerte geboten werden. Im Mobile
Commerce müssen zudem Wege gefunden
„Beste Masterarbeit“: Beate Koch,
Fachhochschule Mainz, untersuchte
das Mobile Marketing.
Mobile Marketing: EmotionaleKundenbeziehungen aufbauen
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AGGP: Ehrung der Gewinner in Mainz
Neben dem Beitrag von Beate Koch wurden
dieses Jahr drei weitere Arbeiten mit dem
Alfred Gerardi Gedächtnispreis ausge-
zeichnet. Ebenfalls in der Kategorie „Beste
Masterarbeit“: Dominik Brockhaus, Univer-
sität Kassel, „What are the driving factors for
customers to use webinars?“ Kategorie
„Beste Bachelorarbeit“: Fabian Schäfer,
Hochschule Furtwangen, „Crowdsourcing:
Auswirkungen von Prozesszufriedenheit
und Sense of Virtual Community auf Unter-
nehmensimage, Kundenloyalität und effek-
tives Commitment“. Kategorie „Beste Di-
plomarbeit Akademien“: Jasmin Hammer-
schmidt, BAW Bayerische Akademie für
Werbung und Marketing, „Entwicklung ei-
nes Dialogmarketing-Konzepts zur Kun-
dengewinnung für die Agenda Informati-
onssysteme GmbH & Co KG“. Die stolzen
Preisträger nahmen ihre Urkunden auf
dem 9. Kongress für Dialogmarketing An-
fang Oktober in Mainz entgegen.
P P Der DDV und das FAZ-Institut ver-
anstalten am 24. November 2014 in Berlin
das Strategieforum „Neue Spielregeln für
Unternehmen: Daten als Währung der Zu-
kunft“. Die Keynote hält Bundesinnenmi-
nister Thomas de Maizière (CDU). Im An-
schluss spricht der FDP-Bundesvorsitzen-
de Christian Lindner über „Ordnung für den
Datenmarkt – eine erste Agenda“. Außer-
dem haben unter anderem die Bundesbe-
auftragte für den Datenschutz und die Infor-
mationsfreiheit, Andrea Voßhoff, Ralph
Wiegand (CEO E-Postbrief der Deutschen
Post), der CDU-Europa-Abgeordnete Axel
Voss, Jyn Schultze-Melling (Konzerndaten-
schutzbeauftragter der Allianz) und
Rechtsanwalt Ulrich Wuermeling (Latham
& Watkins) zugesagt.
Das Strategieforum beleuchtet den
ökonomischen und volkswirtschaftlichen
Nutzen von Daten als Waren. Zugleich sol-
len Wege für einen verantwortungsvollen
Umgang mit dem wichtigen Gut Kunden-
daten aufgezeigt werden. Außerdem geht
es um die Notwendigkeit von Regeln, Ge-
setzen und Richtlinien sowie um eine kri-
tisch-konstruktive Bilanz, wie viel oder wie
wenig Bürokratie Wirtschaft, Unternehmen
und Gesellschaft brauchen.
DDV-Präsident Patrick Tapp: „Wir
freuen uns, dass wir das für unsere Bran-
che so wichtige Thema in einer so hoch-
karätigen Runde diskutieren können. Wird
die europäische Datenschutzreform in ihrer
scharfen Form so wirksam, sind nach einer
Studie des Beratungsunternehmens Deloit-
te in Europa bis zu 2,8 Millionen Arbeits-
plätze gefährdet. Das wäre vergleichbar, als
hätte man während der industriellen Revo-
lution den Kohleabbau sanktioniert.“
Die halbtägige Veranstaltung im Atri-
um der FAZ (Mittelstraße 2-4, 10117 Berlin)
beginnt um 13.30 Uhr. Die Teilnahmege-
bühr beträgt 290 Euro, DDV-Mitglieder zah-
len 150 Euro (jeweils plus Mehrwertsteuer).
Bereits im Frühjahr des vergangenen
Jahres hatte der DDV zusammen mit dem
FAZ-Institut in Berlin ein erstes Strategie-
forum zum Datenschutz durchgeführt.
Zum Fragenkomplex „Was bringt die
geplante EU-Datenschutz-Grundverord-
nung?“ konnten die Veranstalter die dama-
lige Vizepräsidentin der EU-Kommission,
Viviane Reding, und Cornelia Rogall-Grot-
he, Staatssekretärin im Bundesinnenminis-
terium, als Redner gewinnen. DIA
DDV dialog November 2014
31
Spielregeln für dieWährung der Zukunft
Strategieforum mit Innenminister de Maizière und FDP-Chef Lindner
Die Keynote hält Bundesinnenminister
Thomas de Maizière
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Andrangbeim2. Event
DialogNatives
P P Das Interesse am 2. Event der
Hamburger DialogNatives am 6. No-
vember 2014 war so groß, dass die Ver-
anstalter kurzfristig den Raum im Beta-
haus in Hamburg wechseln mussten.
Eigentlich kein Wunder, schließlich hat-
te man mehrere hochkarätige Referen-
ten für die Veranstaltung „Logo und
Brand – zeigt, was Ihr seid!“ gewinnen
können. So sprach Michael Schipper,
Inhaber der Agentur Schipper Compa-
ny, an dem Abend zum Thema „Mar-
kenpflege ist Körperpflege – die Mar-
kenführung bei DM Drogerie Markt“.
Weitere Vorträge steuerten Jörg Grün-
wald, Vice President Global Nivea
Brand Management, Beiersdorf, und
Stefan Engels von der internationalen
Anwaltskanzlei Bird & Bird bei. Zudem
wurde erstmals das neue Logo der Dia-
logNatives vorgestellt. DIA
DDV dialog November 2014
32 D I A L O G T I M E R
Branchen-Eventsim Winter und Frühjahr
Messen, Kongresse, Seminare
24. November 2014 Strategieforum zum Nutzen von DatenDer DDV und das FAZ-Institut veranstalten am 24. November 2014 in Berlin das Strategie-
forum „Neue Spielregeln für Unternehmen: Daten als Währung der Zukunft“. Die Keynote zum
Datenschutz als Wettbewerbsfaktor hält Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner stellt eine erste Agenda zur Ordnung des
Datenmarkts vor. Außerdem diskutieren unter anderem Andrea Voßhoff (Bundesbeauftragte
für den Datenschutz), Axel Voss (CDU, Mitglied des Europaparlaments), Jyn Schultze-Melling
(Konzerndatenschutzbeauftragter, Allianz) sowie Rechtsanwalt Ulrich Wuermeling mit Unter-
nehmensvertretern die Auswirkungen der Veränderungen auf die Wirtschaft und die Ver-
braucher in Deutschland und in der EU. Zum Abschluss wirft Ralf Wiegand (CEO E-Postbrief,
Deutsche Post DHL) einen Blick auf die Frage: Wie nutzen wir Daten in 15 Jahren?
Die halbtägige Veranstaltung im Atrium der FAZ (Mittelstraße 2-4, 10117 Berlin) beginnt um
13.30 Uhr. www.faz-institut.de/veranstaltungen/strategieforum-daten
2411
2./3. Februar 2015 German CRMforum in MünchenDie Konferenz zum Customer-Relationship-Management geht unter dem Motto „Näher am
neuen Kunden!“ in die nächste Runde. Fünf internationale Keynote-Vorträge, 20 Best-Practi-
ce-Beispiele und Möglichkeiten zum Networking werden am 2. und 3. Februar 2015 im
Leonardo Royal Hotel München geboten. Der DDV ist Kooperationspartner der Veranstaltung,
DDV-Mitglieder zahlen 1245 statt 1495 Euro (plus MwSt). www.germancrmforum.de
0202
24. Februar 2015 Visionäre im Dialog in BerlinMit einer weiteren Veranstaltung setzt der DDV am 24. Februar 2015 in Berlin seine Reihe
„Visionäre im Dialog“ fort. Der Zukunftsmanager und Buchautor Pero Micic hält dabei vor
Leitern namhafter Unternehmen der Callcenter-Branche und Entscheidern der Dialogmarke-
ting-Branche die Keynote. Die exklusive Veranstaltung des DDV beginnt um 19.00 Uhr im
Berlin Capital Club. www.ddv.de
2402
10. März 2015 D3con 2015 in HamburgZum fünften Mal findet am 10. März 2015 in Hamburg „Deutschlands größte Veranstaltung zur
Zukunft der Online-Display-Werbung“, so der Veranstalter, statt. Mehr als 1000 Vertreter von
Agenturen, Werbungtreibenden, Publishern und Vermarktern treffen sich für einen Tag auf der
D3con 2015 zu Vorträgen, Diskussionsrunden und zum Networking. Konkret geht es um die
Trends bei den Themen Real-Time-Advertising, Targeting und Programmatic Advertising. In
Zusammenarbeit mit dem DDV wird es auch ein praxisnahes Panel zum Thema „Verknüpfung
von CRM und Display-Advertising“ geben. DDV-Mitglieder erhalten 20 Prozent Rabatt auf die
Besuchertickets. www.d3con.de
1003
DDV dialog November 2014
33
20. März 2015 DDV-Mitgliederversammlung in FrankfurtDie jährliche Mitgliederversammlung des Deutschen Dialogmarketing Verbands findet auch
2015 wieder in der IHK Frankfurt im Gebäude der Alten Börse statt. www.ddv.de
2003
15./16. April 2015 Dialog-Marketing-Messe in ZürichDie Dialog-Marketing-Messe (DMM) ist die einzige Fachmesse der Schweiz, die sich aufs
Dialog- und Direkt-Marketing konzentriert. Ziel ist es, Marketing-Entscheidern und Direkt-
versendern einen umfassenden Überblick über die neusten Produkte, inhaltlichen Entwick-
lungen und Trends zu geben. Zahlreiche Branchengrößen präsentieren ihre Lösungen, ein
umfangreiches Vortragsprogramm rundet die Messe ab. Anhand von Best-Practice-Beispie-
len erfahren die Fachbesucher, welche Technologien und Strategien ihnen für den Dialog mit
den Kunden zur Verfügung stehen und bereits erfolgreich eingesetzt wurden. Der DDV ist
Kooperationspartner der DMM. www.dialog-marketing-messe.ch
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24./25. März 2015 Internet World in MünchenDie E-Commerce-Messe Internet World findet einmal jährlich auf dem Münchner Messegelän-
de statt. Sie ist eine reine B2B-Messe, auf der sich Aussteller mit Produkten und Dienstleis-
tungen aus dem Bereich elektronischer Handel und Online-Marketing präsentieren. Der
begleitende Kongress steht unter dem Motto „Die Zukunft des E-Commerce“.
www.internetworld-messe.de
2403
28. April 2015 1. Dialog Summit in FrankfurtBeim ersten Dialog Summit unterhalten sich mehr als 250 Experten einen Tag lang über
Trends, Entwicklungen und Erfahrungen beim E-Mail-Marketing und digitalen Dialogmarke-
ting. Die Teilnehmer erfahren im Steigenberger Airport Hotel in Frankfurt aus erster Hand,
welche Strategien künftig besonders erfolgversprechend sind. Die Top-Themen: Omnichan-
nel-Customer-Engagement, Echtzeit-Personalisierung und Predictive Analytics, Lifecycle-
Marketing-Automation. Der Summit verbindet Keynote-Vorträge mit Best Practice und Know-
how in den Unternehmen. Am Vorabend wird der E-Mailing-Award verliehen. Der Summit
wurde von Torsten Schwarz initiiert und wird von Succus Wirtschaftsforen organisiert. Der DDV
ist Kooperationspartner, seine Mitglieder erhalten Sonderkonditionen.
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AGGP-Schirmherrin Mary Victoria Gerardi-Schmid ließ
es sich nicht nehmen, die Nachwuchswissenschaftler
persönlich zu begrüßen.
Referent Steffen Kroschwald im
Dialog mit einer Teilnehmerin.
Die Pausen nutzten die Teilnehmer zum Netzwerken. Tagungsleiter, aber auch Zuhörer:
Heinz Dallmer mischte sich
zwischendurch unters Publikum.
Ralf T. Kreutzer, Professor an der Hochschule
für Wirtschaft und Recht Berlin, begeisterte
das Auditorium mit seinen Ausführungen zum
Dialogmarketing der Zukunft.
Die vier Preisträger des Alfred Gerardi Gedächtnispreises (AGGP) präsentierten stolz Urkunden und
Blumen (v.l.: Fabian Schäfer, Beate Koch, Jasmin Hammerschmidt, Dominik Brockhaus).
DDV-Vizepräsident Reinhard Pranke hob in
seiner Begrüßung die attraktiven Räumlich-
keiten des Tagungsortes hervor.
Tagung auf dem CampusRund 90 Teilnehmer verfolgten Anfang Oktober den 9. wissenschaftlichen interdisziplinären
Kongress für Dialogmarketing, der diesmal auf dem Campus der Hochschule Mainz stattfand. In
sechs Vorträgen wurde anschaulich, an welchen Themen derzeit geforscht wird. Auch die Sieger
des AGGP präsentierten die Ergebnisse ihrer Arbeiten in kurzen Referaten. Dazwischen blieb
genügend Zeit zum wissenschaftlichen Plausch.
Beliebter Treffpunkt: der Bücherstand im Foyer.
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