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RARE & VINTAGE 150 grand gtrs Luxus-Cutaway by Artur Lang BLONDE Lang, lang ist es her, dass Artur Lang, alias „Mastro Arturo“, im be- schaulichen Partenkirchen instrumentale Preziosen zauberte. Einzigar- tige Gitarren, deren bloße Erwähnung beim ambitionierten Kenner für stark erhöhten Blutdruck sorgt und zugleich materielle Besitzgier aus- löst. Vom Lang-Virus infiziert zu sein, bedeutet: „So eine will ich auch mal haben!“ Eine lebenslange Abhängigkeit mit geringer Aussicht auf Erfolg durch jegliche in Betracht kommende therapeutische Heilverfahren. Von Wolfgang Kramer

Luxus-Cutaway by Artur Lang

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Lang, lang ist es her, dass Artur Lang, alias „Mastro Arturo“, im be- schaulichen Partenkirchen instrumentale Preziosen zauberte. Einzigar- tige Gitarren, deren bloße Erwähnung beim ambitionierten Kenner für stark erhöhten Blutdruck sorgt und zugleich materielle Besitzgier aus-
löst. Vom Lang-Virus infiziert zu sein, bedeutet: „So eine will ich auch mal haben!“ Eine lebenslange Abhängigkeit
mit geringer Aussicht auf Erfolg durch jegliche in Betracht kommende therapeutische
Heilverfahren.
Von Wolfgang Kramer
Die Realisierung des ultimativen Kauferlebnisses strebt je- doch selbst bei prall gefüllter Geldbörse zunehmend gegen null. Die noch existierenden Instrumente verbleiben meist immer in fester Hand, egal ob Spieler, Sammler, Erben oder Spekulanten, sie geben sie nicht mehr her. Nur äu- ßerst selten wird eine Lang zum Verkauf angeboten. Dann ist blitzschnelles Handeln nötig, wer auf Zeit spielt oder gar die Preisforderung diskutiert, wird vom nächsten In- teressenten triumphierend ausgebremst. Die Chance auf eine erneute Okkasion gleicht fast dem Fund eines Gold- klumpens in der Restmülltonne. Bereits zu den Schaffens- zeiten des Meisters in den 1950er und 1960er Jahren bestand ein wahrer Numerus clausus auf den Erwerb eines Instruments aus seiner Werkstatt in der Brandstraße 8a. Die Nachfrage überstieg stets die Produktion, auf Werbung konnte verzichtet werden, es gab lediglich Schwarz-Weiß- Fotos der verschiedenen Modellvarianten zur Ansicht. Jedes Instrument wurde in allen Teilen persönlich von Hand vom Meister des Schlaggitarrenbaus gefertigt. Le- diglich die Hardware wie Mechaniken, Saitenhalter und Pickups wurde von anderen Herstellern bezogen.
Seine profunden Kenntnisse erlangte er, nach dreijähriger Lehrzeit, von 1927 bis 1945 bei verschiedenen Meistern im Instrumentenbau. In den Wirren des Zweiten Welt- kriegs wechselte er in die Flugzeugproduktion, um nach Kriegsende wieder zu seiner ursprünglichen Profession
zurückzukehren und diese 1949 mit der Meisterprü- fung zu krönen. Artur Lang baute
klassische Gitarren,
Wappengitarren und auch eine kleine Serie sogenannter Selmer-Modelle im Maccaferri-Stil. Den Schwerpunkt sei- nes Wirkens jedoch bildeten die Varianten der Schlaggi- tarren, mit denen er letztlich auch seinen legendären Ruf als bedeutendster Archtop-Bauer seiner Zeit begründete.
Ubiquität Was aber ist das unverwechselbare Alleinstellungsmerk- mal einer Lang, wie sie hier in Text und Bildern vorgestellt wird? Zu nennen sind die hervorragenden, gut abgelager- ten Tonhölzer und deren – von einem kompromisslosen Perfektionismus geprägte – makellose Verarbeitung, bei der jedem noch so kleinen Detail äußerste Sorgfalt zuteil- wurde. Sie ist hervorragend ausbalanciert, ideal für das Spiel im Stehen. „Maestro Arturo“ Lang hatte dank seiner Genialität einfach das sichere Händchen für ideales Maß und harmonische Proportion. Er verband diese Intuition mit einer absolut perfekten handwerklichen Ausführung, auf die er auch bei den einfacheren Varianten großen Wert legte. Bei seinem „All-in-one“-Prinzip machte er vom Ent- wurf über die Ausführung bis zur Versendung oder Über- gabe an den glücklichen Kunden alles selbst und hatte so alles unter Kontrolle und ließ Reibungsverlusten bei der Herstellung nicht einmal im Ansatz eine Chance. Das fer- tige Instrument war kein „Low-Budget“-Teil und hatte damit auch seinen Preis. Die noch unter uns weilenden Erstbesitzer legten für die Gitarren der Luxusserie nach eigenen Angaben gerne stolze 1.000 DM und mehr bei der Übergabe auf den Tisch des Hauses. Eine Menge Bares zu
einer Zeit, als Otto Normalverbraucher für diesen Betrag gut zwei bis drei Mo-
nate hart arbeiten musste.
Klang & Spielpraxis Klangerlebnisse sind sub- jektiv, Sound und Hand- ling von Lang-Archtops führen bei unterschiedli-
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chem Einsatz im „Testergebnis“ zu nachstehenden Schlussfolgerungen: Eine Lang wurde primär für das akustische Spiel „unplugged“ gebaut. Hier zeigt sie ihre Souveränität in einem dynamischen Klangverhalten. Schnelle und leichte Ansprache, das Plektrumspiel erzeugt bei differenziertem Anschlag ein breites Spektrum von „smooth“ über perlende Mitten bis hin zu bissig durchset- zungsfähigen Klangattacken. Für diesen Effekt benötigt man keinen Verstärker bzw. Volumen- und Tonepotis. Die schmalen Griffbretter und deren minimale Verbrei- terung zum oberen Halsende (z. B. 43/48 mm) sind für den an „modernen“ Maßen (z. B. 44/58 mm) orientierten Spieler zugegeben gewöhnungsbedürftig. Mit der Zeit stellt sich jedoch eine entspannte Situation für die Greif- hand ein und der schlanke Hals wird als sehr angenehm empfunden. In diesem Zusammenhang sei daran erin- nert, dass Artur Lang bei der Arbeit Wert auf die Wünsche seiner Kunden legte und somit erst der Zweitbesitzer eventuelle Probleme mit dem instrumentalen Maßanzug seines Vorgängers anmelden konnte. Davon abgesehen hatte ich auch in meiner eigenen Lang-Sammlung Va- riationen mit typischen „Amihälsen“.
Soweit der Vergleich mit den teuren amerikanischen Schwestern überhaupt erlaubt ist, empfand ich beim akus- tischen Spielen auf Lang-Archtops die Tonentfaltung ähn- lich einer Gibson Prewar Super 400 mit X-Brace und „Small Upper-Bout“ (schmalere obere Korpusbreite, etwa bis Baujahr Ende 1930er Jahre) oder einer kleinen 16 Inch L5 der ersten Serie. Ein feiner, aber auch leiserer Ton als z. B. bei den nachfolgenden Exemplaren, die wiederum deutlicher in den Bässen punkten. Eine Prewar Epiphone Emperor Noncutaway hingegen erzeugt mit ihren 18,5 Inch Bodywaist noch brachialere Klangattacken auf Kos- ten der tonalen Qualität, jedoch auch hier heiligte der Zweck die Mittel: Als die Verstärkerfertigung in den 1930er Jahren noch in den Kinderschuhen steckte, war ein groß- volumiges Instrument für einen Gitarristen in der Band die einzige Möglichkeit, sich mit schierer „Cutting Power“ (also ordentlich Durchsetzungsvermögen) gegen die Blä- serformation rhythmisch durchzusetzen.
Über einen Amp mittels Hals-Pickup (es muss nicht unbedingt ein DeArmond, wie hier im Bild dargestellt, sein) in moderater Lautstärke elektrisch beschwingt angespielt, sind im Gesamtbild Ähnlichkeiten mit einer Gibson Jonny Smith nicht wegzudiskutieren. Festzuhalten gilt, dass eine Lang im Grundsatz einen qualitativ hochwertigen und individuellen, mittenbe- tonten Klangcharakter hat und sich dadurch vom Tim- bre der Premium-US-Archtops unterscheidet. Darüber hinaus bietet die Lang mit ihrer eigenständigen Aus- prägung im Klangbild dem Gitarristen die Chance, sich eben damit vom gängigen Mainstream-Sound auf hohem Niveau abzusetzen und für seine Performance ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen.
RARE & VINTAGE
DETAILS Hersteller: Artur Lang Modell: Deluxe Jahr: ca. 1958 Herkunftsland: Deutschland
Gitarrentyp: Archtop Korpusformat: 17,5 Zoll Korpusbinding: 8fach w/s/w/s/w/s/w/s
Decke und Boden Zargenhöhe: 85 mm Decke: Fichte Boden: Ahorn leichte Flammung
Zargen: Ahorn leichte Flammung, mit 2 Mittenbindings F-Löcher: geteiltes Katzenauge
Kopfplattenabdeckung: graviertes vernickeltes Blech Hals: 7-teilig
Ahorn/Buche/Ahorn/Buche/Ahorn/Buche/Ahorn Halsbefestigung: eingeleimt Griffbrett:
Ebenholz, ink. Trapez Perlmutt Inlays Bünde: 23 Stück (inkl. Nullbund) Mensur: 24,8“ / 63
cm Halsbreite 1./12. Bund: 42/49 mm Elektronik: 1 x Volumen Tonabnehmer: DeAr-
mond (Rowe Industries) nachgerüstet Sattel: Kunststoff 3-lagig w/s/w Steg: Ebenholz mit
eingelegten Bundstäbchen als Reiter Saitenhalter: Lang vernickelt Mechaniken: je 3 links
und rechts, offen auf Grundpatte www.youtube.com/watch?v=yegpUS6s82E
www.archtop-guitars.de
Blonde S-Klasse Die auf den Bildern zu sehende blonde Schönheit zählt in der Modellpalette von Artur Lang zum „Top-of-the- line“-Modell. Die S-Klasse mit den typischen Attributen des mehrfachen Bindings auf der Zarge, der gravierten Silberkopfplatte, dem Ebenholzgriffbrett mit echten Perlmutteinlagen und dem voluminösen Korpus mit sat- ten 44 cm Breite und den geteilten Schalllöchern. Ein originäres Markenzeichen der Lang Archtops, diese avantgardistisch anmutende Form wie auch die Kopf- platte mit der Metallauflage, wurde später von Gustav Glaßl bei der Firma Hopf für sein Spitzenmodell „Hopf Super“ übernommen. Selbst interkontinentale Gitarren- Gurus wie James L. D’Aquisto, Schüler und auch Nach- folger von US-Archtop-Godfather John D’Angelico, bedienten sich bei Langs innovativen Accessoires, ohne jedoch den Urheber zu zitieren. Wie z. B. beim Modell D’Aquisto Solo Cutaway mit „Split Soundholes“ der 1990er Jahre (die mittlerweile auf einen siebenstelligen US-Dollarbetrag geschätzt wird): Allein der Plagiatsvor- wurf lässt sich nicht mehr justiziabel verfolgen. Alle ur- sächlich Beteiligten weilen nicht mehr unter uns und fachsimpeln inzwischen sicher flott kollegial auf Wolke sieben im Guitar Heaven zur Thematik.
Unser abgebildetes Instrument verfügt über zwei weitere typische Features einer Lang: Das Schlagbrett zitiert mit seiner geschwungen organischen Form einen Nieren- tisch im Stil der 1950er Jahre und von der Seite betrach- tet erinnert die blonde Ahorn-Zarge mit dem Mehrfach-Binding an die üppigen Buttercreme-Torten dieser Epoche. Der diskrete Charme findet seine Krö- nung in der fein ziselierten Ornamentik der Kopfplatte, auf der auch schon mal venezianische Gondeln im „Ca-
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Zum tieferen Einstieg in die Lang- Welt hier noch ein paar Literaturtipps
„Elektro-Gitarren Made in Gemany“ von Norbert Schnepel und Helmut Lemme
„Jetzt Langts aber“, Vintage-Guitar-News Nr. 11 aus dem Jahr 03/98 von W. Kramer
www.schlaggitarren.de Herbert Rittinger restauriert alte Archtops und auch Lang-Gitarren
nale Grande“ dümpeln. Das naturbelassene Nitro-Finish dokumentiert die Schönheit der verarbeiteten Tonhölzer in dreidimensionalem Tiefenglanz.