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Kapitel 4: Organisation des Controlling 1. Aufgabenträger des Controlling In den bisherigen Ausführungen wurden die Aufgaben des Controlling in Politik und öffent- licher Verwaltung beschrieben. Jetzt steht die Frage nach der Trägerschaft der Controlling- Funktionen (Controlling-Organisation) im Vordergrund. Sie rückt immer dann in den Mit- telpunkt der Betrachtung, wenn es festzulegen gilt, wer die Controlling-Aufgaben in einer Organisation durchführen soll. Bei der Bestimmung dieser Trägerschaft kommt es zur Zuweisung von Controlling-Funktionen zu Stellen 418 und damit zu Aufgabenträgern, wobei es nicht zwangsläufig zur Schaffung von auf Controlling-Funktionen spezialisierte Stellen kommen muß. So können die Controlling-Aufgaben auch allen Leitungsstellen (Führungs- kräften) oder anderen bereits bestehenden Organisationseinheiten zugeordnet werden. Spe- ziell mit Controlling-Aufgaben betraute Aufgabenträger bezeichnet man im deutsch- sprachigen Raum als Controller. Im Vergleich dazu hat sich im anglo-amerikanischen Sprachraum der Begriff „Controllership“ durchgesetzt. Vielfach herrscht in der Verwaltungspraxis die Auffassung vor, daß nur Controller Con- trolling-Aufgaben wahrnehmen. Diese Meinung beruht auf der falschen Annahme, daß das Controlling identisch sei mit dem Aufgabenkomplex der Controller. Eine derartige Gleich- setzung von Controlling (Funktion) und Controller (Institution) provoziert bei der Dis- kussion der Kosten-Nutzen-Relation von Controlling die Aussage, daß die Einführung von Controlling in der öffentlichen Verwaltung die Schaffung von zusätzlichen (Controller-) Planstellen erforderlich macht und somit die Kosten den schwer bis gar nicht quantifizier- baren Nutzen deutlich übersteigen. Wird ein derartiges „Mißverständnis“ gezielt in den politischen Entscheidungsprozeß über die Einführung von Controlling in der öffentlichen Verwaltung eingebracht, können die Realisierungschancen des Controlling drastisch sinken. Eine solche Argumentationsweise verschleiert darüber hinaus die Tatsache, daß die Führungskräfte (auf allen Hierarchieebenen) wesentliche Controlling-Funktionen zu erfül- len haben, die sie bis jetzt nicht oder nur in einem eingeschränkten Maße (Ziel- und Maß- nahmenplanung, Ressourcenplanung, Soll-Ist-Vergleich, Berichterstattung) wahrgenommen haben. Dieser Exkurs in die Verwaltungspraxis macht den Unterschied zwischen der funk- tionalen und institutionalen Betrachtungsweise des Controlling deutlich und zeigt die „potentiell“ negativen Auswirkungen der Gleichsetzung von Funktion und Institution auf den Implementierungserfolg des Controlling. 235 418 Stellen sind die kleinsten organisatorischen Einheiten, denen Aufgaben zugeordnet sind. 235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 235

Management- und IT-Consulting - 235 Kapitel 4: Organisation ......Kapitel 4: Organisation des Controlling 1. Aufgabenträger des Controlling In den bisherigen Ausführungen wurden

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  • Kapitel 4: Organisation des Controlling

    1. Aufgabenträger des ControllingIn den bisherigen Ausführungen wurden die Aufgaben des Controlling in Politik und öffent-licher Verwaltung beschrieben. Jetzt steht die Frage nach der Trägerschaft der Controlling-Funktionen (Controlling-Organisation) im Vordergrund. Sie rückt immer dann in den Mit-telpunkt der Betrachtung, wenn es festzulegen gilt, wer die Controlling-Aufgaben in einerOrganisation durchführen soll. Bei der Bestimmung dieser Trägerschaft kommt es zurZuweisung von Controlling-Funktionen zu Stellen418 und damit zu Aufgabenträgern, wobeies nicht zwangsläufig zur Schaffung von auf Controlling-Funktionen spezialisierte Stellenkommen muß. So können die Controlling-Aufgaben auch allen Leitungsstellen (Führungs-kräften) oder anderen bereits bestehenden Organisationseinheiten zugeordnet werden. Spe-ziell mit Controlling-Aufgaben betraute Aufgabenträger bezeichnet man im deutsch-sprachigen Raum als Controller. Im Vergleich dazu hat sich im anglo-amerikanischenSprachraum der Begriff „Controllership“ durchgesetzt.

    Vielfach herrscht in der Verwaltungspraxis die Auffassung vor, daß nur Controller Con-trolling-Aufgaben wahrnehmen. Diese Meinung beruht auf der falschen Annahme, daß dasControlling identisch sei mit dem Aufgabenkomplex der Controller. Eine derartige Gleich-setzung von Controlling (Funktion) und Controller (Institution) provoziert bei der Dis-kussion der Kosten-Nutzen-Relation von Controlling die Aussage, daß die Einführung vonControlling in der öffentlichen Verwaltung die Schaffung von zusätzlichen (Controller-)Planstellen erforderlich macht und somit die Kosten den schwer bis gar nicht quantifizier-baren Nutzen deutlich übersteigen. Wird ein derartiges „Mißverständnis“ gezielt in denpolitischen Entscheidungsprozeß über die Einführung von Controlling in der öffentlichenVerwaltung eingebracht, können die Realisierungschancen des Controlling drastisch sinken.Eine solche Argumentationsweise verschleiert darüber hinaus die Tatsache, daß dieFührungskräfte (auf allen Hierarchieebenen) wesentliche Controlling-Funktionen zu erfül-len haben, die sie bis jetzt nicht oder nur in einem eingeschränkten Maße (Ziel- und Maß-nahmenplanung, Ressourcenplanung, Soll-Ist-Vergleich, Berichterstattung) wahrgenommenhaben.

    Dieser Exkurs in die Verwaltungspraxis macht den Unterschied zwischen der funk-tionalen und institutionalen Betrachtungsweise des Controlling deutlich und zeigt die„potentiell“ negativen Auswirkungen der Gleichsetzung von Funktion und Institution aufden Implementierungserfolg des Controlling.

    235

    418 Stellen sind die kleinsten organisatorischen Einheiten, denen Aufgaben zugeordnet sind.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 235

  • 419 Staehle, Wolfgang H.: (1991b).420 Die Organisationssoziologie versteht unter einer Rolle die Summe der Verhaltenserwartungen, die

    die Organisation und ihre Mitglieder gegenüber dem Inhaber einer bestimmten Position besitzen.421 Staehle, Wolfgang H.: (1991a) S 13 ff.

    236 Organisation des Controlling

    Abbildung 146: Sichtweisen des Controlling

    Die Verteilung der Controlling-Aufgaben im Stellengefüge einer Organisation stellt eineOrganisationsaufgabe dar. Es wird bereits jetzt darauf hingewiesen, daß es für diesesZuordnungsproblem keine Ideallösung gibt, die für alle Gebietskörperschaften gilt. Die Ausgestaltung der Controlling-Organisation ist weitgehend abhängig von den spezifischenRahmenbedingungen dieser Institutionen. Die nachfolgenden Ausführungen dienen der Ori-entierung bei der organisatorischen Umsetzung des Controlling.

    2. Controlling als Aufgabengebiet der FührungskraftControlling als effektivitäts- und effizienzorientierte Steuerung der Organisationen deröffentlichen Verwaltung stellt eine Führungs- bzw Managementfunktion dar, die primär vonden Führungskräften (Politiker wie Beamte) wahrzunehmen ist. Erfüllt die Führungskraftalle Controlling-Aufgaben selbst, dann ist sie auch ihr eigener Controller. Wie die Manage-mentforschung419 zeigt, sind die Rollenanforderungen420 an Führungskräfte vielfältig.421

    SICHTWEISEN DES CONTROLLING

    FUNKTIONALE SICHTWEISE

    AUFGABEN DES CONTROLLING

    (LOSGELÖST VON DEN AUFGABENTRÄGERN)

    INSTITUTIONALE SICHTWEISE

    TRÄGER DES CONTROLLING

    (STELLEN, DIE CONTROLLING-AUFGABEN WAHRNEHMEN)

    CONTROLLERCONTROLLERSHIP

    Controller sind speziell mit Controlling-Auf- gaben betraute Stellen.

    ANDERE STELLEN

    Leitungsstellen (Füh- rungskräfte, Budget- abteilung, Interne Revision etc.)

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 236

  • Abbildung 147: Rollen von Führungskräften

    Je mehr Rollen bzw Aufgaben eine Führungskraft zu erfüllen hat, desto stärker ist sie auchgezwungen, Teilfunktionen an andere Aufgabenträger zu delegieren. Wie Abbildung 148zeigt, lassen sich „originäre“ und „derivative“ Controlling-Aufgaben unterscheiden.422

    Abbildung 148: Originäre und derivative Aufgaben des Controlling

    Der Grad der Arbeitsteilung zwischen den Führungskräften als originäre Träger der Con-trolling-Aufgaben und den derivativen Trägern der Controlling-Aufgaben hängt von derinhaltlichen Ausgestaltung des Controlling ab. Im Bereich der Controlling-Aufgaben derFührungskraft bietet sich eine ganze Reihe von Aktivitäten für eine Delegation an. Zu ihnengehören vor allem die Erfassung, Sammlung, Verdichtung und Aufbereitung jener Daten,die die Führungskraft als Grundlage für die von ihr zu treffenden und an niemanden dele-gierbaren Führungsentscheidungen benötigt.

    ORIGINÄRE FUNKTIONEN DERIVATIVE FUNKTIONEN

    Von jedem Manager wahrzuneh- mende, in ihrem Kern nicht delegierbare Steuerungsfunktion.

    Übertragung von Controlling- Aufgaben auf andere Aufgaben- träger.

    Controller (Controllership) sind jene Stelleninhaber, die aus- schließlich Controlling-Aufga- ben durchführen.

    FUNKTIONEN DES CONTROLLING

    Controlling ist Manager-Tätig-keit, d.h. Funktionsträger ist der Manager.

    ROLLEN VON FÜHRUNGSKRÄFTEN (MANAGERN)

    institutions-orientierte Rollen

    funktions-orientierte Rollen

    personen-orientierte Rollen

    interaktions-orientierte Rollen

    ArbeitgeberVorgesetzteIntrapreneursetc.

    VisionäreStrategenPlanerInnovatorenOrganisatorenVernetzerKrisenbewältigerControlleretc.

    AlleinentscheiderModeratorenMikropolitikerLernendeetc.

    FührendeGeführteEmotionsbearbeiterKonfliktlöserWissensvermittleretc.

    Controlling als Aufgabengebiet der Führungskraft 237

    422 In Anlehnung an: Gaulhofer, Manfred: (1991) S 170.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 237

  • 2.1 Nicht-delegierbare Aufgaben der FührungskraftDie Führungskraft ist dafür verantwortlich, daß in ihrem Verantwortungsbereich die Manage-mentaufgaben (Ziel- und Maßnahmenplanung, Ressourcenplanung, Ausführung, Soll-Ist-Vergleich und Berichterstattung) erfüllt werden. Sie hat durch steuerndes Eingreifen in denAusführungsprozeß sicherzustellen, daß die tatsächliche Leistungserbringung in ihrem Ver-antwortungsbereich den aus der Ziel-, Maßnahmen- und Ressourcenplanung abgeleitetenVorgabewerten (= festgelegte Steuerungskriterien) entspricht. Grundlage der (Gegen-)Steuerungsmaßnahmen der Führungskraft ist die permanente Überwachung der Aus-führungsprozesse, um sich abzeichnende Abweichungen so früh wie möglich erkennen zukönnen. Sie stellt einen der Kernpunkte der Controlling-Aufgabe der Führungskraft dar.Kündigt sich aus dem Vergleich der tatsächlichen Ergebnisse mit den Planwerten ein vor-aussichtliches Auseinanderklaffen von Ist und Soll an, so hat die Führungskraft zunächst zuprüfen, ob dadurch das Erreichen der geplanten Ergebnisse als gefährdet einzuschätzen ist.Zeigt die Überprüfung das Bestehen dieser Gefahr, so hat die Führungskraft Maßnahmenzur Verhinderung oder zumindest Minimierung der Abweichung einzuleiten. Soll-Ist-Ver-gleich und Einleitung von Korrekturmaßnahmen stellen also die weiteren Kernpunkte desControlling als Phase des Managementprozesses dar. Das Ergebnis des steuernden Ein-greifens der Führungskraft kann auch darin liegen, daß keine korrigierenden Schritte unter-nommen werden, weil zu erkennen ist, daß der geplante Realisationsgrad trotz (oder wegen)der Abweichung voraussichtlich erreicht werden kann. Ist jedoch zu erkennen, daß dieGründe für die Abweichung nicht in der mangelhaften Ausführung, sondern in unrealistischenZielvorgaben liegen, so kann das Ergebnis des steuernden Eingreifens auch in der Revisionder Vorgaben liegen. Die letztgenannte Maßnahme zeigt, daß die Controlling-Aufgabe derFührungskraft die laufende Rückkoppelung der tatsächlich realisierten Ergebnisse mit denPlanansätzen beinhaltet.423 Darüber hinaus dient der Vergleich der geplanten mit den rea-lisierten Ergebnissen auch der Beurteilung ihrer Leistungen.

    2.2 Delegierbare Aufgaben der FührungskraftUm die Phasen des Managementprozesses durchlaufen zu können, müssen Informationenund betriebswirtschaftliche Methoden (Planungs,- Budgetierungs-, Evaluierungsmethoden,Moderationstechniken etc) bereitgestellt bzw angewandt werden. Je höher die hierarchischePosition der Führungskraft ist, desto wichtiger wird diese Aufgabendifferenzierung sein. Diedenkbaren Möglichkeiten und die in der Praxis anzutreffenden Formen der konkreten Aus-gestaltung der Wahrnehmung des Controlling unterscheiden sich je nach Inhalt und Umfangder von den Führungskräften an andere Stellen delegierten Controlling-Aufgaben.

    238 Organisation des Controlling

    423 Gaulhofer, Manfred: (1991) S 169 f.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 238

  • Abbildung 149: Verteilung der Controlling-Aufgaben424

    Das Spektrum der Ausgestaltungsvarianten reicht von der Wahrnehmung sämtlicher (nichtdelegierbarer und delegierbarer) Controlling-Aufgaben durch die Führungskraft selbst biszur vollständigen Übertragung der delegierbaren Tätigkeiten an einen Controller bzw aneine eigene Controlling-Einheit. Unwesentlich dabei ist, welchen Namen die Stelle trägt, andie die Aktivitäten übertragen werden.“425 Die häufigsten „sonstigen Bezeichnungen“ sind„Betriebswirtschaftliche Abteilung“, „Betriebliches Rechnungswesen“, „KaufmännischeVerwaltung“ etc.

    3. Controlling als Aufgabengebiet des Controllers

    3.1 Aufgabenspektrum des ControllersDie Aufgabe des Controllers besteht darin, die Qualität der Steuerungsaktivitäten der Ent-scheidungsorgane durch die bestmögliche Aufbereitung der für die Entscheidung notwen-digen Informationen und Methoden zu sichern. Diese Servicefunktion beschränkt sich nichtauf die Informationsversorgung, sondern erstreckt sich auf die systembildende und system-koppelnde Koordination des Planungs-, Kontroll- und Informationssystems.426 Zu densystembildenden Koordinationsaufgaben des Controllers zählen beispielsweise die Fest-legung von Planungsperioden, Planungsverfahren, Art und Häufigkeit der Soll-Ist-Ver-gleiche und Formen der Abweichungsanalyse. Die systemkoppelnde Koordinationsaufgabebesteht in der gegenseitigen Abstimmung der Elemente des Planungs-, Kontroll- und Infor-mationssystems. Wie die Abbildung 150 zeigt, kann die Funktionstiefe und Funktionsbreitedes Controllers variiert werden.

    NICHT DELEGIERBARE CONTROLLING-AUFGABEN

    CONTROLLING-AUFGABEN

    DELEGIERBARE CONTROLLING-AUFGABEN

    ZUR GÄNZE BEI DER FÜHRUNGSKRAFT

    ZUR GÄNZE BEIMCONTROLLER

    SUMME DER VON DER FÜHRUNGS-KRAFT WAHR-GENOMMENENCONTROLLING-AUFGABEN

    Controlling als Aufgabengebiet des Controllers 239

    424 In Anlehnung an: Gaulhofer, Manfred: (1991) S 172.425 Gaulhofer, Manfred: (1991) S 171.426 Horváth, Péter: (1992) S 127 ff.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 239

  • Abbildung 150: Funktionsbreite und -tiefe der Controller-Stelle427

    Eine zu starke Ausweitung der Funktionsbreite entlang der Entwicklungslinie A – bei-spielsweise durch die Übertragung der Gesamtverantwortung über den Informationsbereich –bedroht seine Leistungsfähigkeit genauso wie ein Übermaß an Funktionstiefe entlang derEntwicklungslinie B (z. B. Erhalt von Entscheidungskompetenz). Die zu starke gleich-zeitige Ausdehnung der Funktion in beide genannten Richtungen (Entwicklungslinie C)macht den Controller zum Paradoxon: er wird zum notwendigerweise völlig überlastetenManager, zu dessen entlastender Unterstützung er eigentlich angetreten ist.428

    3.2 Beziehungsfeld: Führungskräfte und ControllerDie Führungskräfte und die Controller (bzw auch andere Träger von Controlling-Aufgaben)sind für die effektivitäts- und effizienzorientierte Steuerung der Organisationen der öffent-lichen Verwaltung verantwortlich. Die Abbildung 151 bringt diese gemeinsame Steue-rungsfunktion zum Ausdruck und läßt gleichzeitig erkennen, daß das Beziehungsfeld durch-aus auch spannungsgeladen sein kann.

    CONTROLLER-TYPFunktions-breite

    Funktions-tiefe

    Datensammlung

    AllgemeineDatenaufbereitung

    Entscheidungs-bezogene Daten-aufbereitung

    Entscheidung

    Controller als Spezialist

    Controller als Generalist

    A

    CB

    240 Organisation des Controlling

    427 Harbert, Ludger: (1982) S 250; Gaulhofer, Manfred: (1991) S 176.428 Gaulhofer, Manfred: (1991) S 175.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 240

  • Abbildung 151: Beziehungsfeld Führungskräfte und Controller

    3.2.1 Konflikte und Konflikthandhabung

    Die Controller sind Anbieter von betriebswirtschaftlichen Serviceleistungen. Die Kundenihrer Leistungen sind die Führungskräfte, und empfängerorientiertes Handeln der Controllerheißt, sich auf die Bedürfnisse der Linien-Führungskräfte einzustellen. In der Praxis wer-den zwischen den Führungskräften und den Controllern gegenseitige Verhaltenserwartun-gen entstehen, die in einem unterschiedlichen Ausmaß übereinstimmen können. So wird esFührungskräfte geben, die hinsichtlich des Controllers folgende Erwartungen haben:429

    Betriebswirtschaftlicher Diskussionspartner, loyaler Mitarbeiter, Zahlenlieferant, -aufbe-reiter, -interpret, Aufzeiger von alternativen Maßnahmen, Argumentationslieferant, Koor-dinator, Willensumsetzer, (Farb-)Foliengestalter, PC-Sachverständiger, Ghostwriter etc. Istdies der Fall, so ist es nicht verwunderlich, wenn zwischen ihnen Konflikte auftreten:430

    (1) Intra-Sender-Konflikt:Er entsteht, wenn von ein und demselben Rollensender (z. B. Führungskraft) kon-fligierende Erwartungen bzw Anforderungen an den Rollenträger (z. B. Controller)ausgehen.

    AUFGABE DER FÜHRUNGSKRÄFTESteuerung des eigenen Verantwortungsbereiches

    AUFGABE DER CONTROLLERUnterstützung der Führungskräfte bei der Steuerung

    Ausführung

    Ressourcen-planung

    Ziel- und Maß- nahmenplanung

    Soll-Ist-VergleichBerichterstattung

    Controlling als Aufgabengebiet des Controllers 241

    429 Deyhle, Albrecht / Steigmeier, Beat u. a.: (1993) S 188 f.430 Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 363.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 241

  • 431 Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 363 f.432 Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 365.433 Ziegenbein, Klaus: (1992) S 60; Kast, Fremont E. / Rosenzweig, James E.: (1985) S 344 f und die

    dort angegebene Literatur.

    242 Organisation des Controlling

    (2) Inter-Sender-Konflikt:Er wird hervorgerufen, wenn von verschiedenen Rollensendern (z. B. Führungs-kräfte) Erwartungen an den Rollenträger (z. B. Controller) ausgehen, die nicht mit-einander vereinbar sind.

    (3) Inter-Rollen-Konflikt:Der Controller muß gleichzeitig unterschiedliche Rollen erfüllen. Das unter Punkt3.1 beschriebene Paradoxon ist Ausdruck dafür. Dieser Konflikt wird sich zwangs-läufig ergeben, wenn man den Controller organisatorisch der Internen Revision oderdem Kontrollamt zuordnet und von ihm verlangt, auch bei Revisionsprojekten mit-zuarbeiten.

    (4) Rollen-Person-Konflikt:Diese Konfliktart entsteht, wenn die Erwartungen der Rollensender (z. B. Führungs-kräfte) an den Rollenträger (z. B. Controller) mit seinen Werten, Motiven und Ein-stellungen nicht im Einklang stehen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn dieFührungskraft vom Controller verlangt, auftauchende Effektivitäts- und Effizienz-defizite in seinen Berichten zu beschönigen.

    Neben Rollenkonflikten können auch Rollenambiguität (Mehrdeutigkeit von Rollenerwar-tungen) und Rollenüberlastung zu Konfliktsituationen führen.431 Rollenambiguität tritt vor allem bei unzureichenden Informationen, unklaren Aufgabenstellungen und mehrdeu-tigen Organisationsregeln auf. Für Controller in der öffentlichen Verwaltung wird siehervorgerufen, wenn sie als Stelle weit ab von den Linieninstanzen (Führungskräften) ein-gerichtet werden und über keine klare Aufgabenstellung verfügen. Darüber hinaus kann eszu einer Rollenüberlastung kommen, wenn der Controller quantitativ überfordert wird. DieFolge dieser beschriebenen Phänomene können beim Rollenträger (Controller) Verhal-tensformen wie Rückzug (Frustration), Vermeidung weiterer Kontakte mit dem Sender,Rationalisierung, Projektion oder Agression gegenüber dem Rollensender (Führungskraft)auslösen.

    Konflikte in Organisationen bzw Gruppen müssen nicht immer kontraproduktive bzwdysfunktionale Wirkungen nach sich ziehen. Vielfach benötigen Gruppen für ihre produk-tive Entwicklung sowohl Phasen der Harmonie als auch solche des Konflikts.432 Der Zusam-menhang zwischen dem Konfliktniveau einer Gruppe und ihrer Leistungsfähigkeit läßt sichdurch die Abbildung 152 veranschaulichen.433

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 242

  • Abbildung 152: Zusammenhang zwischen Konfliktintensität und Leistungsfähigkeit

    Sowohl eine zu niedrige (fehlende Ideen, Kreativität, Innovationskraft) als auch eine zuhohe Konfliktintensität (Streß, Intrigen, fehlende Integrationskraft) sind – wie die Abbildung152 zeigt – mit geringer Leistungsfähigkeit verbunden. Dagegen scheint sich eine mittlereKonfliktintensität leistungssteigernd auszuwirken.434 Für die Beziehung Führungskräfte undController bedeutet dies, daß sich Konflikte nur solange als funktional erweisen, als dieseauf der Grundlage sachlicher Argumente in einem organisatorisch geregelten Prozeßablaufoffen ausgetragen werden und eine Konflikthandhabung in Form einer Problemlösungangestrebt wird. Dysfunktionale Konflikthandhabungsstrategien sind (a) die Inszenierungdes Konflikts als Gewinner-Verlierer-Spiel verbunden mit einer Mobilisierung von Macht,(b) der Rückzug und die Isolation und (c) der Kompromiß bzw das Teilen des Streitwertes.Die Problemlösung als Konflikthandhabungsstrategie besteht darin, daß die betroffenen Par-teien (Führungskraft und Controller) die sachlichen Probleme gemeinsam im Hinblick aufdie übergeordneten Ziele analysieren und auf der Basis dieser Analyse ein gemeinsamesVorgehen erarbeiten.435

    3.2.2 Konfliktsituation Stab-Linie

    Das Spannungsverhältnis zwischen Führungskraft und Controller läßt sich an Hand der klas-sischen Funktionsteilung zwischen Stab und Linie im Entscheidungsprozeß veranschaulichen.Stabsstellen haben die Aufgabe, die Linie (Führungskraft) bei der Erfüllung ihrer Aufgabenzu entlasten. Ihnen werden gewöhnlich Aufgaben der Entscheidungsvorbereitung und derKontrolle übertragen, um die Qualität der von der Führungskraft zu treffenden Entscheidun-gen zu erhöhen. Wie die Abbildung 153 zeigt, kann der Entscheidungsprozeß (im klassisch-rationalen Entscheidungsmodell) in acht Phasen zerlegt werden.436

    hoch

    niedrig

    Leistungs-fähigkeit

    niedrig hochKonfliktintensität

    Konflikt wirkt funktional

    Konflikt wirktdysfunktional

    Konflikt wirktdysfunktional

    Controlling als Aufgabengebiet des Controllers 243

    434 Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 366.435 Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992) S 397.436 Irle, Martin: (1971).

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 243

  • Abbildung 153: Phasen des Entscheidungsprozesses

    Der Stab wird tendenziell in den Phasen 1 bis 4 und die Linie ab der Phase 5 tätig. Die Linieist an der Vorbereitung der Unterlagen für ihre Entschlüsse nicht unbedingt beteiligt. Häu-fig verlangt sie „entscheidungsreife Unterlagen“, wodurch die Linie in eine informationelleAbhängigkeit vom Stab gelangen kann. Die informationelle Abhängigkeit der Linie wirdgewöhnlich durch das subjektive Empfinden der Linie ausgeglichen, daß der Stab dem Linien-vorgesetzten unterstellt und dadurch von ihm abhängig ist. Dieses subjektive Empfindenkann soweit gehen, daß die Linie der Meinung ist, volle Handlungs – und Entscheidungs-freiheit zu besitzen. In Wirklichkeit hat sie nur die „Illusion der Entscheidungsfreiheit“.

    Grundsätzlich hat die Führungskraft Entscheidungen – die auf der Vorarbeit des Sta-bes basieren – nach außen hin zu vertreten. Wenn sie sich für eine Alternative entschließt,geht sie im Falle einer Fehlentscheidung das Risiko ein, die Verantwortung für etwas über-nehmen zu müssen, das nicht sie, sondern der Stab ausgearbeitet hat. Fehlentscheidungenkönnen auf das Innenverhältnis zwischen Stab und Linie negative Auswirkungen haben.

    Häufig fällt auch die Kontrolle des Ergebnisses einer Entscheidung (Soll-Ist-Vergleich)in das Aufgabengebiet des Stabes. Dies meist deshalb, weil er der einzige ist, der ausrei-chend informiert ist und das Problem gut genug kennt. Personen, die für das Zustande-kommen einer Entscheidung mitverantwortlich sind, neigen dazu, die Ergebnisse dieserEntscheidung zu verteidigen und sie im nachhinein zu rechtfertigen. Selbstkontrolle kanneinerseits die Arbeitsmotivation fördern, aber andererseits auch bedeuten, daß die Linie nieetwas oder zu spät über eine Fehlentscheidung erfährt.

    3.2.3 Führungskräfte und Controller als Mikropolitiker

    In Organisationen stellt die Macht eine Form des sozialen Einflusses dar, bei der eine Per-son (Stelle) über die Chance verfügt, die Verhaltensänderungen von Personen (Stellen) auchgegen den Willen anderer durchzusetzen.437 Die Führungskräfte (Linienstellen) sind inOrganisationen jene Personen, denen umfassende Entscheidungs- und Weisungsbefugnissezugeordnet werden, die ihnen Macht und Einfluß über andere Stelleninhaber (z. B. Con-troller) verleihen. Die Grundlage dieser Macht (Machtbasis) bildet die Position438, die dieFührungskraft (Leitungsstelle) im Stellengefüge einer Organisation einnimmt. Will der Con-troller die Führungskräfte zu einem effektiven und effizienten Verhalten bewegen und hat

    ErgebnisInput Problem

    Infor-mationen

    Alter-nativen

    Vergleich Entschluß Anregung Aus-führung

    Kontrolle

    7.6.5.4.3.2.1.

    8.

    244 Organisation des Controlling

    437 Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 371.438 Diese Form des sozialen Einflusses wird als Positionsmacht, Autorität, formale Macht oder legitime

    Macht bezeichnet.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 244

  • hiefür keine Positionsmacht, so muß er andere Machtmittel mobilisieren. Macht und Ein-fluß hängen nicht nur von Entscheidungsbefugnissen (formellen Regeln), sondern auch vonanderen Faktoren, wie beispielsweise dem sozialen Geschick der Person, von der Abhän-gigkeit der Führungskräfte, von den Fähigkeiten der Person (z. B. Insider-Wissen), vomAusgang früherer Konflikte und vom Einfluß anderer Beteiligter ab. Die Art und Weise, wieOrganisationsmitglieder durch taktisches Verhalten an Einfluß gewinnen und diesen geltendmachen (teilweise auch im Widerspruch zu geltenden Regeln), bezeichnet man als Mikro-politik.439 Die Mikropolitik geht davon aus, daß die Entscheidungsprozesse in Organisa-tionen nicht geplant und wertfrei verlaufen, sondern den Machtkampf von Mikropolitikernwiderspiegeln. Diese Sichtweise vom Funktionieren von Organisationen konterkarieren diein den meisten Controlling-Konzepten enthaltene klassisch-rationale Annahme, daß eineOrganisation einen völlig berechenbaren Apparat darstellt.440 Eine von Mikropolitikbeherrschte Organisation läßt sich wie folgt charakterisieren:441

    Controlling als Aufgabengebiet des Controllers 245

    439 Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992) S 158; Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 379; Bosetzky,Horst: (1991) S 287 ff.

    440 Ausnahme: Horváth, Péter: (1982) S 250 ff.441 Bosetzky, Horst / Heinrich, Peter: (1985 ) S 170.442 Bosetzky, Horst / Heinrich, Peter: (1985) S 170.

    Merkmale der Mikropolitik

    (1) Die Organisation ist eine Koalition bzw die Summe von Koalitionenpolitisch bzw mikropolitisch agierender Personen.

    (2) Konflikt, dh der Kampf aller gegen alle um größere Belohnungenbestimmt das Geschehen in der Organisation.

    (3) Rollen-, Autoritäts- und Kommunikationsstruktur der Organisation sinddas Ergebnis der Machtgewinnung und -ausübung wechselnder Koali-tionen.

    (4) Zur Erhöhung der Machtpotentiale gehen die Organisationsmitgliederund die Koalitionen Verbindungen bzw soziale Tauschbeziehungen mitFremdsystemen ein.

    (5) Macht ist die bedeutsamste Entscheidungsvariable.(6) Im Mittelpunkt der Handlungsorientierung der Organisationsmitglieder

    steht die Besetzung von innerorganisatorischen Schlüsselpositionen bzw-rollen – wie das Recht zur Verteilung von Ressourcen an die Sub-systeme, die Vertretung nach außen oder die Beseitigung von Störungenund Ungewißheit – mit Angehörigen der eigenen Koalition.

    Der Typ des Mikropolitikers zeichnet sich durch bestimmte Eigenschaften aus.442

    Eigenschaften des Mikropolitikers

    (1) Er ist vornehmlich an Machtvermehrung und -absicherung interessiert.(2) Er betreibt eine Instrumentalisierung von Menschen, Ideen, Arbeits-

    prozessen und Outputs für seine eigenen Zwecke oder die Ziele seinerKoalition.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 245

  • Dieser Mikropolitiker entspricht weithin dem Typus des „politischen Bürokraten“, ins-besondere wegen seiner Orientierung an Aushandlungsprozessen und Kompromissen undder intensiven Interaktion mit Politikern, die er mit diesen gemein hat, aber auch wegen der von beiden bevorzugten problemorientierten Vorgangsweise (anstelle der legalistisch-prozeduralen Orientierung des „klassischen Bürokraten“).443 In den meisten Organisatio-nen der öffentlichen Verwaltung (vor allem Ministerialbürokratie) sind die Handlungs-spielräume groß genug, um Mikropolitik zumindest zu bestimmten Zeiten betreiben zu kön-nen.444 Wer als Mikropolitiker – ganz gleich ob Führungskraft oder Controller – keine Feh-ler machen möchte, orientiert sich am besten an den Empfehlungen von Niccolò Machia-velli (1469 – 1527), die er in seinem Buch „Il principe“ insbesondere für Fürsten und Heer-führer formuliert hat:445

    246 Organisation des Controlling

    443 Bosetzky, Horst / Heinrich, Peter: (1985) S 170 f.444 Bosetzky, Horst / Heinrich, Peter: (1985) S 171.445 Bosetzky, Horst: (1991) S 294 f.446 im Sinne von Seilschaft, Clique, informelle Gruppe vgl.: Bosetzky, Horst: (1991) S 294.

    (3) Er neigt dazu, Ideologie und politische Inhalte lediglich als Mittel zumZweck anzusehen und orientiert sich eher an der Erfolgs- als an derGesinnungsethik.

    (4) Er verfügt über ein hohes Maß an „geliehener Autorität“, dh an Autorität,die ihm Fremdsysteme (Parteien, Gewerkschaften, Verbände) zur Ver-fügung stellen.

    (5) Er besitzt die Kunstfertigkeit der erfolgreichen Mobilisierung und Akti-vierung von Ressourcen und Hilfskräften.

    (6) Er verfügt über ein besonderes Maß an Hintergrund- und Geheimwissen,dh er weiß, wie die Entscheidungen der Oberen in Zukunft aussehen wer-den und wer aktiviert, gegen wen ausgespielt und mit wem zusammen-gebracht werden muß, damit die Weichen in die gewünschte Richtunggestellt werden.

    (7) Er neigt zu machiavellistischen Verhaltensweisen.

    Leitfaden für Mikropolitiker

    (1) Sie wählen ihre Domestiken danach aus, daß ihnen durch deren Auftre-ten und Können ein hohes Maß an Intelligenz zugesprochen wird.

    (2) Sie wählen ihre Helfer ferner danach aus, daß diese niemals die eigenen,sondern immer ihre Ziele und Interessen im Auge haben.

    (3) Sie behandeln ihre „Truppe“446 freundlich, trennen sich aber sofort vonden Helfern, deren Rache sie wegen geringfügigen Kränkungen fürchtenmüssen.

    (4) Sie unternehmen alle für ihre Domestiken unangenehmen Schritteschlagartig, während sie Belohnungen nach und nach austeilen.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 246

  • Eng verknüpft mit der Mikropolitik ist auch das Modell der „organisierten Anarchie“.447

    Die klassisch-rationalen Modelle der Entscheidungsfindung gehen davon aus, daß die Ele-mente des Entscheidungsprozesses (Entscheidungsgelegenheiten, Probleme, Lösungen undTeilnehmer) eindeutig einander zugeordnet bzw „fest aneinander gekoppelt“ werden kön-nen. Es ist klar, welche Art von Problemen bei welchen Entscheidungsgelegenheiten gelöstwerden, welche Lösungen dabei in Frage kommen und welche Teilnehmer dafür zuständigsind. Unter den Rahmenbedingungen der organisierten Anarchie (beschränktes Wissen,inkonsistente und nicht-operationale Ziele, wechselnde Teilnehmer und unterschiedlicheAufmerksamkeit der Teilnehmer) fehlt dieser feste Zusammenhang zwischen den Ele-menten. Es ist unklar, welche Lösungen zu welchen Problemen passen, welche Probleme

    Controlling als Aufgabengebiet des Controllers 247

    447 Berger, Ulrike / Bernhard-Mehlich, Isolde: (1993) S 145 ff; Strehl, Franz: (1989) S 114 ff.

    (5) Sie streben danach, bei ihren Domestiken beliebt zu sein, um in den Aus-einandersetzungen mit externen und internen Gegnern wirklich über einegeschlossene und schlagkräftige „Truppe“ zu verfügen und Ver-schwörungen gegen sich von vornherein den Wind aus den Segeln zunehmen.

    (6) Sie lassen sich niemals einen Rat aufdrängen, sie holen immer selbereinen ein.

    (7) Sie sind niemals in auffälliger Weise freigebig, sondern nur maßvoll undinsoweit, daß sie nicht als geizig gelten können.

    (8) Sie verlassen sich nicht auf die Loyalitätsbekundungen ihrer Domestiken,die während erfreulicher und krisenloser Zeiten abgegeben werden.

    (9) Sie statuieren zur Disziplinierung ihrer „Truppe“ einige wenigeabschreckende Beispiele und verführen nicht durch Milde zu abneh-mender Leistung und zu Handlungen, die ihrem Willen entgegenlaufen.

    (10) Sie konzentrieren sich voll und ganz auf ihre Führungsaufgaben, dasheißt, insbesondere auf die Erhaltung und den Ausbau ihrer Macht-position.

    (11) Sie lassen um des lieben Friedens Willen keinem Übelstand freien Lauf,sondern greifen sofort ein.

    (12) Sie passen ihre Handlungen und ihre Aussagen ohne Rücksicht auffrühere Verhaltensweisen stets veränderten Bedingungen an und propa-gieren ununterbrochen ihre guten Eigenschaften.

    (13) Sie wirken niemals weich und unentschlossen, sondern stets kraftvoll,weitblickend und dynamisch.

    (14) Sie vertreten auch dann die Sache der sie tragenden Partei bzw Gruppe,wenn diese Partei bzw Gruppe moralisch anrüchig ist.

    (15) Sie sorgen dafür, daß ihr Name mit publizitätsträchtigen Ereignissen bzwVorhaben verbunden ist.

    (16) Sie sind ständig bemüht, zumindest in ihrer Organisation und/oder Pro-fession als großer und fachlich-intellektuell bedeutender Mann bzw Frauzu erscheinen.

    (17) Sie fördern tüchtige Leute und stellen deren Leistungen heraus.(18) Sie verzichten auf die Unterstützung von Machtgruppen, von denen sie

    im Falle ihres Erfolges selber entmachtet werden können.(19) Sie vermeiden es, zum Stützpfeiler der Macht eines anderen zu werden,

    um dessen Verdächtigungen und der Gefahr zu entgehen, daß der andereihr Machtpotential selber an sich reißt.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 247

  • bei welcher Entscheidungsgelegenheit behandelt werden und welche Personen für die Ent-scheidung zuständig sind. Die Elemente des Entscheidungsprozesses (Probleme, Lösungen,Teilnehmer und Entscheidungsgelegenheiten) sind wie in einem Mülleimer (Mülleimer-Modell der Entscheidungsfindung448) zufällig verteilt. Führungskräfte und/oder Controllerals Mikropolitiker, die in einer organisierten Anarchie agieren, degenerieren das Controllingzu einem Instrument zur Verwirklichung von Eigeninteressen. Die Beurteilung, ob das ebengezeichnete Bild mit der Realität von Politik und öffentlicher Verwaltung übereinstimmt,bleibt dem „erfahrenen“ Leser überlassen.

    3.3 Anforderungen an den ControllerMittlerweile gibt es bereits unzählige empirische Untersuchungen (Befragungen, Auswer-tungen von Stellenanzeigen etc) über die Anforderungen an den Controller.449 Diese Ergeb-nisse sind mit Vorsicht zu genießen, denn sie fordern vom Controller Eigenschaften, die inSumme einem „eierlegenden Wollmilchschwein“ gleichkommen. Die nachfolgenden Aus-führungen geben einen Überblick über die fachlichen und persönlichen Anforderungen. Sie dienen auch als Orientierungshilfe für die Abfassung von Stellenanzeigen, Stellen-beschreibungen und Stellenbewertungen.

    3.3.1 Fachliche Anforderungen an den Controller

    Die Fachkenntnisse des Controllers müssen mit den schwerpunktmäßigen Arbeitsgebietendes Controllers korrespondieren. Diese Kenntnisse stehen wahrscheinlich den Sozial- undWirtschaftswissenschaften (Schwerpunkt: Betriebswirtschaftslehre) näher als den Rechts-wissenschaften. Bezogen auf die Organisationen der öffentlichen Verwaltung werdenKenntnisse aus folgenden Bereichen für notwendig erachtet:

    248 Organisation des Controlling

    448 Cohen, Michael D. / March, James G. / Olsen, Johan P.: (1988) S 294 ff.449 von Landsberg, Georg: (1990) S 345 ff; von Landsberg, Georg / Mayer, Elmar: (1988).

    Fachliche Anforderungen

    (1) Haushalts- und Rechnungswesen der öffentlichen Verwaltung(2) Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen mit Schwerpunkt Kosten-

    und Leistungsrechnung(3) Methoden der betriebswirtschaftlichen Investitionsrechnung(4) Methoden der volkswirtschaftlichen Investitionsrechnung (Kosten-

    Nutzen-Analysen)(5) Methoden des Projektmanagements (6) Konzepte und Instrumente der Organisationsgestaltung (Aufbau- und Ab-

    lauforganisation)(7) Konzepte und Instrumente der Personalarbeit(8) Moderations- und Präsentationstechniken(9) Rechtliche Grundlagen der öffentlichen Verwaltung

    (10) Fremdsprachenkenntnisse (vor allem Englisch)

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 248

  • 3.3.2 Persönliche Anforderungen an den Controller

    Die persönlichen Anforderungen beziehen sich in der Regel auf die vorberufliche Ausbil-dung, die Berufserfahrung und die Persönlichkeitsmerkmale. Der überwiegende Anteil derController in Unternehmen verfügt über einen Hochschulabschluß mit wirtschaftswissen-schaftlicher Ausrichtung. Darin dürfte die grundsätzlich positive Einstellung der Unter-nehmenspraxis zur Hochschulausbildung bezogen auf Fach- und Methodenfragen imZusammenhang mit dem Controlling zum Ausdruck kommen.450 Die Rekrutierung vonWirtschaftswissenschaftlern für Controlling-Aufgaben wird in den Organisationen deröffentlichen Verwaltung (nicht nur) auf Grund des starren und unattraktiven Besoldungs-schemas auf Schwierigkeiten stoßen. Auch die Möglichkeit, die Controller mittels Son-derverträgen „einzukaufen“, ist nur begrenzt realisierbar. Einer empirischen Erhebung derAnforderungen an einen Controller in der öffentlichen Verwaltung zur Folge ist der ideal-typische Controller in der öffentlichen Verwaltung ein betriebswirtschaftlich ausgebildeterAkademiker, der schon einige Zeit Erfahrungen in der öffentlichen Verwaltung gesammelthat.451 An die Persönlichkeit des Controllers werden vor allem folgende Anforderungengestellt:

    Controlling als Aufgabengebiet des Controllers 249

    450 Bramsemann, Rainer: (1993) S 64.451 Schmidberger, Jürgen: (1993) S 106.

    Persönliche Anforderungen

    (1) Intelligenz (analytisches Denkvermögen)(2) Soziale Kompetenz(3) Kontakt- und Überzeugungsfähigkeit(4) Zuverlässigkeit(5) Führungseigenschaft(6) schriftliche und sprachliche Ausdrucksfähigkeit(7) hohe Frustrationstoleranz (Belastbarkeit)(8) Loyalität

    3.4 Bedarf an Controller-StellenControlling ist primär eine Aufgabe der Führungskräfte des politisch-administrativenSystems (Politiker wie öffentlich Bedienstete). Erst wenn sie von der Notwendigkeit einereffektivitäts- und effizienzorientierten Steuerung des politisch-administrativen Systemsüberzeugt sind, stellt sich die Frage, ob und inwieweit sie bei ihrer Steuerungsfunktionunterstützt werden müssen. Um dies feststellen zu können, genügt es, ein Controlling-Pro-jekt zu starten und eine erfahrene Führungskraft mit der Projektleitung (Bezeichnung: Con-trolling-Einführungsbeauftragter) zu betrauen. Dabei wird es sich als notwendig erweisen,das fehlende Controlling-Know-how über externe Experten (z. B. Beratungsfirmen) zuzu-kaufen. In dieser Phase sind keine eigenen bzw zusätzlichen Controller-(Plan-)Stellen not-wendig, denn der Schwerpunkt liegt in der Überzeugung der Führungskräfte von der Not-wendigkeit des Controlling.

    In manchen Organisationen der öffentlichen Verwaltung wird aber ein anderer Wegeingeschlagen. Im Glauben, daß Controlling nur mit Hilfe von Controllern betrieben wer-den kann, werden eigene Controller-Planstellen geschaffen. Werden sie darüber hinaus auch

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 249

  • noch abseits von den wichtigen Entscheidungsinstanzen (z. B. in der internen Revision, imKontrollamt, im Präsidium) angesiedelt, dann ist den Controllern ein „kümmerliches“Dasein – fern des controllingrelevanten Geschehens – gewiß.

    Die Notwendigkeit eigener Controller-Stellen kann sich erst im Zuge von Controlling-Projekten zeigen. Ist in einem Teilbereich ein Controller-Bedarf nachweisbar, so ist zu ver-suchen, diesen im Zuge der Nachbesetzung von frei werdenden Planstellen zu decken. Willdas Controlling seinem Anspruch, die Effektivität und Effizienz zu steuern, gerecht werden,dann darf die Einführung von Controlling zu keiner Planstellenvermehrung führen. Aufdiese Art und Weise kann auch das eingangs erwähnte Killerargument „Controlling kostetmehr als es bringt!“ entschärft werden.

    Damit in den Organisationen Controlling erfolgreich betrieben werden kann, ist es vorallem notwendig, die Führungskräfte zu schulen und motivierten Mitarbeitern die Mög-lichkeit zu eröffnen, sich zu Controllern ausbilden zu lassen.

    3.5 Controlling- bzw Controller-Leitbild

    3.5.1 Notwendigkeit eines Leitbildes

    Die Notwendigkeit eines Leitbildes für das Controlling und die Controlling-Organisationergibt sich einerseits aus der Größe der Organisation (z. B. Bundesverwaltung) und ande-rerseits aus der großen Heterogenität möglicher Ausprägungen der Aufgaben von Con-trollern (oder anderen Aufgabenträgern, die Controlling-Aufgaben erfüllen). Schon für eineinheitliches Denkmuster und Sprachverständnis innerhalb des Controller-Bereiches ist des-halb eine intensive Beschäftigung mit den Grundlagen der eigenen Tätigkeit erforderlich.Es muß jedem Controller klar sein, warum er welche Aufgabe wahrnimmt und unter wel-chen Kriterien er ständig die Sinnhaftigkeit der Aufgabe sowie der Aufgabenlösung zu über-prüfen hat. Darüber hinaus schafft der intensive Diskussionsprozeß zur Gestaltung einesLeitbildes auch erhebliches Know-how über die anderen Aufgabenträger und Aufgaben-felder des Controlling-Bereichs, so daß damit die Voraussetzung für eine stellen- undbereichsübergreifende Kommunikation und Abstimmung geschaffen wird. Ein solchesLeitbild stiftet jedoch nicht nur controllerbereichsinternen Nutzen, sondern bietet auch dieGrundlage für eine aktive Kommunikationspolitik nach außen, in die von den Controllernzu „betreuenden“ Organisationseinheiten. Das oftmals in der Praxis vorzufindende Unver-ständnis oder die bewußte Fehlsicht der Funktion von Controllern („Bremser“, „Kontrol-leure“, „Zahlenknechte“) kann mit einem Leitbild als Diskussionsgrundlage aktiv ange-gangen werden.452

    3.5.2 Controlling- bzw Controller-Leitbild für die Bundesverwaltung

    Beispielsweise könnte das Controlling- bzw Controller-Leitbild für die österreichische Bun-desverwaltung inhaltlich wie folgt gestaltet werden:453

    250 Organisation des Controlling

    452 Weber, Jürgen: (1993) S 344.453 Weber, Jürgen: (1993) S 345.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 250

  • Controlling als Aufgabengebiet des Controllers 251

    Controlling in der Bundesverwaltung ist

    (1) ein zukunftsorientierter, auf die Steuerung der Effektivität, der Effizienzund des Finanzmittelbedarfes gerichteter Prozeß zur langfristigen Ver-besserung der Nutzen-Kosten-Relation von öffentlichen Leistungen zumWohle der Bürger;

    (2) eine Führungsaufgabe, die von jeder Führungskraft (Politiker wie Beam-ter) im eigenen Verantwortungsbereich wahrzunehmen ist;

    (3) eine übergreifende Servicefunktion für die Führungskräfte, die von derController-Organisation wahrzunehmen ist.

    Der Controller

    versteht sich als „betriebswirtschaftlicher Lotse“, der die Führungskräfte despolitisch-administrativen Führungssystems im Rahmen ihrer Linienaufgabe als„Berater“ bei der Steuerung der Effektivität, der Effizienz und des Finanzmittel-bedarfes unterstützt. Er trägt dabei Mitverantwortung für den Erfolg.

    Die wichtigsten Controller-Aufgaben sind:

    (1) den Politikern die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Effek-tivität, die Effizienz und den Finanzmittelbedarf im vorhinein und imnachhinein aufzuzeigen;

    (2) die politischen Rahmenvorgaben in leistungsgerechte Ziel-Vereinbarun-gen für die administrative Führungsebene umzusetzen;

    (3) für die betriebswirtschaftliche Steuerung einheitliche Methoden undInstrumente zu entwickeln;

    (4) die erforderlichen Informationen empfängerorientiert bereitzustellen;(5) die Führungskräfte zu motivieren und bei der qualitativen und quantita-

    tiven Bewertung von Maßnahmen und Projekten zur Zielerreichung zuunterstützen;

    (6) die Zielerreichung durch Soll-Ist-Vergleiche aufzuzeigen;(7) die Abweichungen zu analysieren;(8) Vorschläge für Korrekturmaßnahmen gemeinsam mit den Führungs-

    kräften zu erarbeiten.

    Für diese Aufgaben ist der Controller unmittelbar verantwortlich. Er ist nur mit-telbar für die Realisierung der Maßnahmen zur Zielerreichung verantwortlich.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 251

  • 3.5.3 Umsetzung des Leitbildes

    Dem Leitbild entsprechend kommt dem Controller die Aufgabe zu, die Steuerungsauf-gaben gemeinsam mit den Betroffenen zu erarbeiten und abzustimmen. Viele Controllersind weder persönlich noch instrumentell in der Lage, ihren Auftrag als „betriebswirt-schaftliche Lotsen“ wirksam zu erfüllen. Um diese Defizite bewältigen zu können, bedarfes neben der fundierten betriebswirtschaftlichen Fachkenntnis auch eines grundlegendenEinstellungswandels im Selbstverständnis und einer ausgeprägten Fähigkeit zur unter-stützenden Beratung. Als wesentliche Barrieren bei der Umsetzung des Leitbildes wirkenimmer wieder „Verständigungsprobleme“ und zwischenmenschliche Konfliktpotentialeinsbesondere durch die unterschiedlichen Kenntnisse, Sichtweisen und Rollen der Betei-ligten. Um diese zu entschärfen, muß der Controller beraterisch so geschult werden, daßer, ohne selbst fachlicher Experte für den jeweiligen Aufgabenbereich sein zu müssen,anhand der ihm gebotenen Information die „Denk- und Wahrnehmungsstrategie“, also die„Welt des anderen“, des Ratsuchenden, erkennen und verstehen kann. D. h. er muß lernen,selbst durch die „Brille“ der Fachabteilung und der Betroffenen zu schauen, bevor er seineRatschläge und Maßnahmen unterbreitet. Diese Fähigkeit gibt ihm dann die Möglichkeit,bei Bedarf nachvollziehbare Korrekturen und Steuerungen vorzunehmen bzw denGesprächspartnern seine Vorschläge durch Analogien und/oder entsprechende Erläute-rungen so aufzubereiten, daß diese längerfristig selbst in die Lage versetzt werden, seineÜberlegungen im Hinblick auf ihre spezifische Aufgaben- bzw Problemstellung nachzu-vollziehen und akzeptieren zu können (Hilfe zur Selbsthilfe). Dazu ist es u.a. erforderlich,in Einzel- und Gruppenarbeit entsprechende kommunikative Fertigkeiten und Instrumenteeinzuüben und zu trainieren, wie beispielsweise eine Vertrauensbasis schaffen, die „rich-tigen“ Fragen an der „richtigen“ Stelle plazieren, adäquat paraphrasieren und argumen-tieren, Analogien und Vergleiche entwickeln, Gesprächsprozesse steuern und den Umgangmit Einwänden lernen.

    252 Organisation des Controlling

    Für die erfolgreiche Umsetzung der Leitidee ist es erforderlich, daß alleMitarbeiter der Controller-Organisation ein vorbildliches Verhalten

    leben und zeigen, dh:

    (1) fachkompetentes Auftreten durch Objektivität, Sachorientierung undKonzentration auf das Wesentliche;

    (2) überzeugende Argumentation durch Aufgeschlossenheit, Einfühlungs-vermögen, Kooperationsbereitschaft und hohe eigene Motivation;

    (3) berechenbares Handeln durch offene Information, direkte Ansprache derVerantwortlichen und Einhaltung von Vereinbarungen;

    (4) faires Verhalten durch die Anerkennung der Interessen anderer Fach-bereiche und die Anwendung objektiver Maßstäbe. Das Verhalten desControllers sollte immer von dem Grundsatz geprägt sein, daß er allessachlich in Frage stellen kann, dabei jedoch nicht verletzend wirken darf.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 252

  • 4. Formen der strukturorganisatorischenEingliederung

    Bei der organisatorischen Eingliederung der Controlling-Funktionen ergeben sich eineReihe von Gestaltungsmöglichkeiten, die in der Folge näher dargestellt werden. Zu aller-erst stellt sich die Frage, welchen Aufgabenträgern die Controlling-Funktionen zugeordnetwerden sollen. Dabei bieten sich grundsätzlich folgende Varianten an:454

    Abbildung 154: Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung der Controlling-Funktionen

    Beim nicht-institutionalisierten Controlling wird auf die Schaffung von auf Controlling-Aufgaben spezialisierte Stellen verzichtet. Im Gegensatz dazu werden beim institutionali-sierten Controlling eine oder mehrere auf Controlling-Aufgaben spezialisierte Stellen ein-gerichtet. Werden mehrere Controller-Stellen geschaffen, so entsteht ein sogenannter Con-troller-Bereich. Die derivativen Controlling-Funktionen können wahrgenommen werden,ohne daß auf Controlling-Aufgaben spezialisierte Stellen eingerichtet werden. Dies ent-spricht einer völlig dezentralisierten Wahrnehmung des Controlling einerseits durch dieFührungskräfte (nicht-delegierbare Controlling-Aufgaben) und andererseits durch bereitsbestehende Stellen bzw Organisationseinheiten. Ebenso ist es denkbar, daß alle delegier-baren Controlling-Aufgaben eigenen Controller-Stellen übertragen werden.

    4.1 Nicht-institutionalisiertes ControllingDie Abbildung 155 gibt einen Überblick über Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen einesnicht-institutionalisierten Controlling.455

    ORGANISATORISCHE EINGLIEDERUNG DER CONTROLLING-FUNKTIONEN

    Nicht-Institutionalisiertes Controlling

    Institutionalisiertes Controlling

    Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung 253

    454 Welge, Martin K.: (1988) S 404.455 Weber, Jürgen: (1991) S 122; Welge, Martin K.: (1988) S 422 ff.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 253

  • Abbildung 155: Alternative Formen des Nicht-institutionalisierten Controlling

    Allgemein sind mit der Nicht-Institutionalisierung von Controlling folgende Vor- und Nach-teile verbunden:456

    Abbildung 156: Vor- und Nachteile der Nicht-Institutionalisierung

    Beim nicht-institutionalisierten Controlling können die Controlling-Aufgaben entweder aufmehrere bestehende Stellen bzw Organisationseinheiten aufgeteilt oder einer vorhandenenStelle bzw Organisationseinheit (z. B. Finanzabteilung) gebündelt übertragen werden.

    VORTEILE NACHTEILE

    Vermeidung von Überkapazitäten, wenn man die Stelle eines Con- trollers nicht vollständig ausfüllen kann.

    Höhere Motivation der Führungs- kräfte durch den Zwang zu einer intensiven Zusammenarbeit zur Lösung von Controlling-Aufga- ben.

    Problem der Suche nach einemgeeigneten Controller fällt weg.

    Dezentrale Erfüllung von Control- ling-Aufgaben erfordert die inten- sive Zusammenarbeit des Mana- gements.

    Erhöhung der Aufgaben- und Arbeitslast der Führungskräfte. Dies kann zu Akzeptanz- problemen führen.

    Motivations- und Qualifika- tionsprobleme der vorhande- nen Führungskräfte.

    Durchsetzungsschwierigkeiten.

    Geringer Mitreißeffekt bei der Implementierung des Control- ling.

    -

    -

    -

    -

    -

    -

    -

    -

    NICHT-INSTITUTIONALISIERTES CONTROLLING

    INTERNE TRÄGER DER CONTROLLING-FUNKTIONEN

    NICHT-INSTITUTIONALISIERTES CONTROLLING

    GEBÜNDELTE ÜBERTRAGUNG AUF EINE VORHANDENE

    STELLE

    Leitungsstellen TeamsBudget-bzw. Finanz-

    abteilungInterne Revision Buchhaltung Externe Träger

    AUFTEILUNG AUF MEHRERE BESTEHENDE STELLEN

    254 Organisation des Controlling

    456 Weber, Jürgen: (1991) S 121 f.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 254

  • 4.1.1 Verteilung der Controlling-Aufgaben auf alle Leitungsstellen

    Hier übernehmen die Führungskräfte neben den originären Controlling-Aufgaben auch dieprinzipiell delegierbaren Controlling-Aufgaben und leisten einen Beitrag zur system-bildenden und -koppelnden Koordination. Diese Form der Wahrnehmung der Controlling-Aufgaben birgt die Gefahr in sich, daß die effizienz- und effektivitätssteigernde Wirkungdes Controlling auf organisatorische Subeinheiten beschränkt bleibt. Darüber hinaus fehlteine zentrale Wissensbasis, ein zentraler Ansprechpartner und Promotor. Diese Defizite kön-nen nur begrenzt durch externe Berater oder durch permanente Controlling-Weiterbildungder Führungskräfte kompensiert werden.457

    4.1.2 Teamstrukturen

    Um zu verhindern, daß die Controlling-Aufgaben von den Führungskräften isoliert von-einander durchgeführt werden, empfiehlt sich eine institutionalisierte, permanente oder fall-weise Zusammenarbeit in Form von Teamstrukturen. Der wesentliche Vorteil von Teamsliegt in der Bündelung unterschiedlicher Spezialkenntnisse.458

    Beispiel: Einrichtung von Studienrichtungen und Studienversuchen an Universitäten459

    Das Genehmigungsverfahren im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschungbezüglich der Einrichtung einer Studienrichtung an der beantragenden Universität bzwFakultät erfolgt in Form einer Arbeitsgruppe, deren Mitglieder sich aus mehreren Abtei-lungen (Fachabteilungen, Studienrecht, Hochschulbudget, Stellenplan, Statistik, Raum,Bibliotheken, Hochschulplanung) zusammensetzen. Das interministerielle Verfahren bestehtaus der formalen Vorprüfung des Antrages, der inhaltlichen Prüfung des Antrages, der Ent-scheidung über den Antrag, den Vorhabensverhandlungen, der Erstellung der rechtlichenGrundlagen und der Überprüfung des Standes der Durchführung.

    Insbesondere im Rahmen des strategischen Controlling empfiehlt sich die Bildung vonTeams, um zu gewährleisten, daß die Programmentscheidungen nicht losgelöst von denRessourcenentscheidungen getroffen werden.

    4.1.3 Budget- bzw Finanzabteilung

    In den Gebietskörperschaften ist die Budget- bzw Finanzabteilung vergleichbar mit demTreasurer in Unternehmen, wobei diese Bezeichnung im deutschsprachigen Raum eherunüblich ist. Die Abgrenzung von Treasurer- und Controlling-Aufgaben hat die Control-ling-Diskussion lange Zeit beeinflußt und hat heute deutlich an Relevanz verloren. Gene-rell läßt sich sagen, daß sich das Treasuring überwiegend und das Controlling unter ande-rem mit der finanziellen Unternehmensführung von Organisationen beschäftigt.460 Diefinanzielle Unternehmensführung umfaßt einerseits den Bereich der finanz- und liqui-ditätsorientierten Aufgaben (Steuerung der Liquidität) und andererseits den Bereich der

    Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung 255

    457 Weber, Jürgen: (1991) S 124.458 Welge, Martin K.: (1988) S 427.459 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung: Handbuch für das Antrags- und Behand-

    lungsverfahren für die Einrichtung von Studienrichtungen und Studienversuchen an Universitäten.Wien 1993.

    460 Welge, Martin K.: (1988) S 429.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 255

  • kosten-, erlös- und damit ergebnisorientierten Aufgaben (Steuerung von Erfolg und Effizienz). Der erste Aufgabenbereich wird in den USA mit dem Begriff „Treasurership“bzw „Treasuring“ umschrieben. Der zweite Aufgabenkomplex zählt zum Controlling.461

    Da die vom Treasurer wahrgenommenen Aufgaben nicht gleich „Treasuring“ und die vomController wahrgenommenen Aufgaben nicht gleich „Controlling“ sind, werden vom Trea-surer offensichtlich auch Controlling-Aufgaben erfüllt. Diese bestehen in erster Linie imFinanzcontrolling bzw dem Controlling der finanziellen Ressourcen. Das Finanzcontrol-ling hat dafür zu sorgen, daß die Aufgaben des Finanzmanagement wahrgenommen undmit den Schnittstellen zu anderen Bereichen (Personalbedarf, Raumbedarf, Gerätebedarf,Nachfragesituation etc) inhaltlich und zeitlich abgestimmt werden. Die finanzielle Steue-rung einer Gebietskörperschaft und ihrer Teilbereiche erfolgt durch die Finanz- bzw Bud-getabteilung. Sie besteht im wesentlichen in der Erstellung des jährlichen Haushaltsplanes,in der Steuerung des Vollzugs des Haushaltsplanes und in der Sicherstellung der Liquidität.Wird die Ermittlung und Verteilung der Haushaltsmittel an die Leistungen der Gebiets-körperschaften gekoppelt (outputorientierte Haushaltsplanung), betreibt die Finanz- bzwBudgetabteilung Finanzcontrolling. Überträgt man der Finanz- bzw Budgetabteilung sämt-liche Controlling-Aufgaben, dann besteht die Gefahr, das Controlling auf ein Finanzcon-trolling zu reduzieren.

    4.1.4 Buchhaltung

    In Unternehmen wird das Controlling vielfach in der Rechnungswesenabteilung wahr-genommen. „Interpretiert man das Rechnungswesen als eine bestimmte Form des Infor-mationssystems, so wird deutlich, daß es vornehmlich Service- und Informationsaufgabendes Controlling übernehmen kann.“462 In der öffentlichen Verwaltung gibt es in der Regelkeine Organisationseinheiten, die die Bezeichnung „Rechnungswesen“ tragen. Am ehestenmit diesen vergleichbar sind die Buchhaltungen, die in allen Gebietskörperschaften vor-zufinden sind. In der Bundesverwaltung ist bei jedem anweisenden Organ eine Buchhal-tung463 einzurichten, die vom übrigen Verwaltungsdienst zu trennen ist. Den Buchhaltun-gen464 obliegen die Ordnung, Erfassung und Aufzeichnung der Verrechnungsdaten sowiederen Weitergabe; die Überwachung der Einhaltung der Voranschlagsbeträge; die Vorbe-reitung der Monatsnachweisungen und der Jahresabschlußrechnungen; die Abwicklung desZahlungsverkehrs; die Innenprüfung; die Überwachung der Erfüllung der Forderungen undSchulden des Bundes nach Maßgabe ihrer Fälligkeit; die sichere Verwahrung der Zah-lungsmittel und Wertsachen; die Mitwirkung an der Vorbereitung der Budgetprognose unddes Investitionsprogramms sowie an der Voranschlagserstellung. Diese Aufgabenauflistungzeigt, daß die Buchhaltungen vor allem im Rahmen des operativen Controlling entschei-dungsrelevante Informationen aus dem Rechnungswesen zu Verfügung stellen. Eine Über-tragung sämtlicher Controlling-Aufgaben auf die Buchhaltungen ist auch auf Grund vonInteressenskollisionen unzweckmäßig.

    256 Organisation des Controlling

    461 Serfling, Klaus: (1992) S 69.462 Welge, Martin K.: (1988) S 431.463 § 6 Abs 1 Bundeshaushaltsgesetz (BHG 1986).464 § 7 Abs 1 Bundeshaushaltsgesetz (BHG 1986).

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 256

  • 4.1.5 Interne Revision

    Die funktionalen Unterschiede zwischen Controlling und Interner Revision wurden bereitsim Rahmen der Klärung der Grundlagen des Controlling näher erörtert. Nun geht es um dieFrage, ob und welche Controlling-Aufgaben von der Abteilung „Interne Revision“ wahr-genommen werden. Es ist unbestritten, daß das Controlling und die Interne Revision Infor-mations- und Servicefunktionen für das Führungssystem erfüllen. Die Interne Revision wirdsich dem Controlling vor allem dort annähern, wo sie ihre Überwachungstätigkeit zukunfts-orientiert gestaltet, Effizienz- und Effektivitätssteigerungspotentiale aufzeigt und somitSteuerungsrelevanz besitzt. Diese partielle Übereinstimmung von Controlling und InternerRevision soll nicht zur Forderung führen, daß das Controlling der Abteilung „Interne Revi-sion“ zuzuordnen ist bzw daß Organisationseinheiten errichtet werden, die für die InterneRevision und Controlling zuständig sind. Die Überwachungsfunktion der Internen Revisionerfordert Unabhängigkeit und umfaßt den uneingeschränkten Datenzugang zwecks Gewähr-leistung der Datensicherheit und die Aufdeckung von Verstößen gegen Ordnungsmäßigkeitund Wirtschaftlichkeit.465 Die Zusammenarbeit zwischen der Internen Revision und ande-ren Controlling-Aufgabenträgern könnte wie folgt geregelt werden:466

    (1) Bei der Erstellung des Prüfprogramms, für die die Interne Revision zuständig ist,erfolgt eine Beratung mit dem Controller über Schwerpunkte der Prüfung.

    (2) Der Controller regt bei der Internen Revision Prüfungen bestimmter Bereiche an,weil die Daten dieser Bereiche für das Controlling besonders bedeutsam sind.

    (3) Die Interne Revision wird vom Controller über besonders bemerkenswerte Abwei-chungen unterrichtet und regt die Durchführung einer Sonderüberprüfung an.

    (4) Der Controller nimmt Prüfberichte der Internen Revision zum Ausgangspunkt für dieImplementierung eines Controllingsystems.

    (5) Das Controlling selbst ist Prüfgegenstand im Rahmen der Ordnungsmäßigkeits-,Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsprüfung der Internen Revision.

    Bei der Einführung des Controlling kann der Internen Revision auf Grund ihrer Fach- undSystemkenntnisse die Rolle des Fachpromotors zukommen. Aus dem Kreis ihrer Mit-arbeiter können sich – wie in einigen Bundesministerien der österreichischen Bundes-verwaltung der Fall – potentielle Controlling-Einführungsbeauftragte rekrutieren. Darüberhinaus ist es natürlich möglich und sinnvoll, wenn sich Revisoren für Controller-Stellenbewerben.

    4.1.6 Externe Träger

    Eine weitere Möglichkeit der organisatorischen Verankerung des Controlling besteht darin,daß dieses oder Teile davon organisationsexternen Aufgabenträgern467 übertragen werden.Potentielle Controlling-Träger stellen Consulting-(Beratungs-) Unternehmen468, Wirt-schaftsprüfungsgesellschaften und auch Experten von Universitäten dar.469 Denkbar sind

    Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung 257

    465 Heigl, Anton: (1989) S 13 f.466 Heigl, Anton: (1990) S 198; Serfling, Klaus: (1992) S 68.467 Gushorst, Klaus-Peter: (1990) S 100 ff; Amshoff, Bernhard: (1993) S 300.468 Petersen, Knut: (1991) S 157 ff; Meyer, Hansjürgen / Tanski, Joachim: (1991) S 259 ff; Witt, Frank-

    Jürgen: (1987) S 43 ff.469 Pößl, Wolfgang: (1990).

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 257

  • auch Mischformen und zwar in der Form, daß bestimmte Controlling-Aufgaben (z. B. Ent-wicklung, Modifizierung des Controllingsystems) an externe Aufgabenträger und andereControlling-Aufgaben (laufendes Controlling) internen Einrichtungen übertragen werden.Folgende Gründe können für die Wahrnehmung von Controlling-Aufgaben durch externeTräger relevant sein:470 (1) geringe Größe der Organisation, (2) zu hohe Kosten für die Ein-führung eines umfassenden Controllingsystems, (3) fehlendes qualifiziertes Personal, (4)Durchführung von zeitlich befristeten Controlling-Aufgaben (Entwicklung, Modifizierungund Implementierung eines Controllingsystems), (5) Beiziehung eines „neutralen“ Rat-gebers, der weitgehend unabhängig von internen Kompetenz- und Machtstrukturen ope-rieren kann.

    4.2 Institutionalisiertes ControllingDie Bildung eigener auf Controlling-Aufgaben spezialisierter Stellen (=Controller-Stellen)repräsentiert den organisatorischen Normalfall. Werden dabei mehrere Controlling-Stellengeschaffen, entsteht ein sogenannter Controller-Bereich, der selbst wieder strukturiert wer-den muß. Die Institutionalisierung des Controlling orientiert sich dabei grundsätzlich an derbestehenden Organisationsstruktur, wobei es natürlich zu Verschiebungen in der Aufgaben-,Kompetenz- und Verantwortungsstruktur kommen kann, aber nicht unbedingt muß. Bei derInstitutionalisierung des Controlling sind folgende Dimensionen der Organisationsstrukturrelevant:471

    Abbildung 157: Organisation des Controlling

    4.2.1 Spezialisierung (Zentralisation und Dezentralisation)

    Werden für die derivativen Controlling-Aufgaben spezialisierte Controller-Stellen geschaf-fen, so stellt sich die Frage, ob diese in einer organisatorischen Einheit zentralisiert (zen-trales Controlling) oder im Organisationsgefüge verteilt (dezentrales Controlling) wahr-genommen werden. Eine weitere Spezialisierung der Controlling-Aufgaben kann nach demKriterium „Verrichtung“ und nach dem Kriterium „Objekt“ erfolgen. Die Anwendung desKriteriums „Verrichtung“ führt zum sogenannten Funktionsbereichs-Controlling in Form

    INSTITUTIONALISIERTES CONTROLLING

    Spezialisierung (Zentralisation und Dezentralisation)

    KonfigurationEntscheidungs-

    delegation Formalisierung

    einstufiges(zentrales)Controlling

    mehrstufiges(dezentrales)Controlling

    258 Organisation des Controlling

    470 Amshoff, Bernhard: (1993) S 300.471 Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992).

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 258

  • eines Marketing- bzw Vertriebscontrolling, Forschungs- und Entwicklungscontrolling, Pro-duktions- bzw Fertigungscontrolling, EDV-Controlling, Logistik-Controlling, Beschaf-fungs-Controlling, Investitions- bzw Anlagencontrolling, Material-Controlling, Finanz-controlling und Personal-Controlling. Wird das Kriterium „Objekt“ zugrundegelegt, dannergibt sich ein Sparten- bzw Divisions-Controlling, Regions- (Länder- bzw Auslands-)Con-trolling, Beteiligungs-Controlling, Projekt-Controlling etc.

    Eine weitere Unterscheidung der Controlling-Organisation bei Anwendung des Gestal-tungskriteriums „Spezialisierung“ führt zur Differenzierung in ein „einstufiges“ und ein„mehrstufiges“ Controlling. Beim einstufigen Controlling sind alle derivativen Controlling-Aufgaben in einer Stelle bzw in mehreren Stellen, die eine organisatorische Einheit bilden,zentralisiert. Dieser zentrale Controller-Bereich nimmt für die Gesamtorganisation die deri-vativen Controlling-Aufgaben wahr. Das einstufige Controlling eignet sich eher für kleinereOrganisationen. Beim mehrstufigen Controlling gibt es neben der Controlling-Zentrale nochweitere dezentrale Controlling-Stellen (Controller). Bei diesen dezentralen Controller-Stellen kann es sich um Funktionsbereichscontroller und/oder Objektbereichscontroller(Sparten, Regionen, Projekte etc) handeln.

    4.2.2 Konfiguration (Leitungssystem)

    Die Konfiguration bzw das Leitungssystem bezeichnet die äußere Form des Stellen-gefüges.472 Folgende Punkte sind bei der Eingliederung einer Controller-Stelle in das Stel-lengefüge einer Organisation zu bedenken:

    4.2.2.1 Eigenschaften der Controlling-Stelle

    Stellen sind die kleinsten organisatorischen Einheiten, die durch die Zuordnung von (Teil-)Aufgaben auf einen einzelnen menschlichen Aufgabenträger entstehen.473 Entsprechenddem Grundsatz der Kongruenz von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung muß mit derZuweisung von Aufgaben auch eine entsprechende Übertragung von Rechten (Kompeten-zen im Sinne von Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen) und Pflichten (Verantwortungfür die Aufgabenerfüllung) einhergehen.474 Folgende Arten von Stellen werden in der Orga-nisationslehre unterschieden:475

    Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung 259

    472 Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992) S 126.473 Bühner, Rolf: (1989) S 61.474 Welge, Martin K.: (1987) S 26; Bleicher, Knut: (1991) S 36; Bühner, Rolf: (1989) S 63.475 Bühner, Rolf: (1989) S 64 ff.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 259

  • Abbildung 158: Arten von Stellen

    Die originären Aufgaben des Controlling werden von den Führungskräften bzwFührungsorganen wahrgenommen. Hinsichtlich der derivativen, d.h. von den Führungs-kräften an eigene Controller-Stellen delegierbaren Aufgaben stellt sich die Frage, ob sieLeitungsstellen oder Ausführungsstellen zuzuordnen sind. Die umfangreiche Control-ling-Literatur empfiehlt die Institutionalisierung der Controller-Stellen als Leitungs-stellen.

    (1) Die Controller-Stelle als Instanz (Leitungshauptstelle, Linienstelle)Instanzen sind mit besonderen Rechten (Entscheidungsbefugnis und Anordnungs-befugnis) und Pflichten (Verantwortung) ausgestattet. Unter der Entscheidungs-befugnis versteht man das Recht nach innen (=Führungs- und Leitungsbefugnis) undnach außen (=Vertretungsbefugnis) verbindliche Entscheidungen zu treffen. Die Wei-sungsbefugnis (=Anordnungsrecht) stellt ein Recht dar, anderen Stellen vorzu-schreiben, welche Aktivitäten zu ergreifen bzw zu unterlassen sind. Dabei könnenAnordnungsbefugnisse in fachliche und disziplinarische Weisungsbefugnisseunterteilt werden. Disziplinarische Weisungsbefugnisse verkörpern das Recht, per-sonalpolitische Maßnahmen gegenüber anderen Stellen zu ergreifen, um das Ver-halten von Personen positiv oder negativ zu sanktionieren. Fachliche Weisungs-befugnisse umfassen das Recht, die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Hand-lungsanweisungen zu treffen. Die Verantwortung ist das spiegelbildliche Gegen-gewicht zur Entscheidungs- bzw Weisungsbefugnis. Im Tilburger Modell ist derDienstcontroller gleichzeitig stellvertretender Dienstdirektor, dh seine Stelle ist alsInstanz organisiert.

    (2) Die Controller-Stelle als StabsstelleStabsstellen sind Leitungshilfsstellen, die entscheidungsunterstützend tätig sind,indem sie entscheidungsvorbereitende Aufgaben erledigen. Die Zuordnung von fach-lichen und disziplinarischen Weisungsrechten ist sowohl gegenüber Mitarbeiterneiner Stabsabteilung als auch gegenüber fachlich zugeordneten, hierarchisch nach-geordneten Stäben (Stabsstellen) möglich. Eine exakte Trennung in originäre(Linien-)Aufgaben des Controlling bei der Führungskraft und derivative Controlling-Aufgaben des Controllers ohne Weisungsbefugnisse kann in der Praxis nicht auf-

    ARTEN VON STELLEN

    LEITUNGSSTELLEN

    Leitungshauptstelle(Instanz) Leitungshilfsstelle

    STABSSTELLE ZENTRALE DIENST-LEISTUNGSSTELLE

    AUSFÜHRUNGSSTELLEN

    Hauptstelle Hilfsstelle

    260 Organisation des Controlling

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 260

  • rechterhalten werden. Die Arbeitsteilung zwischen Führungskraft und Controllerkann zu einem Verfließen der Grenzen führen, wenn der Controller zeitweise Auf-gaben der Führungskraft übernimmt.476

    (3) Die Controller-Stelle als Dienstleistungsstelle (Querschnittsbereich)Dienstleistungsstellen haben primär entscheidungsvorgelagerte Aufgaben derInformationsbeschaffung und -umwandlung zu erfüllen. Zentrale Dienstleistungs-stellen nehmen in eigenständiger Weise Linienaufgaben wahr und verfügen über einfachliches Weisungsrecht auch gegenüber nachgeordneten Instanzen der Linie. Siekönnen das Recht erhalten, Rahmenregelungen oder Richtlinien vorzugeben, umeine einheitliche und/oder wirtschaftliche Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Dar-über hinaus ist die Zuordnung von disziplinarischen Weisungsrechten gegenüber denMitarbeitern nachgeordneter Dienstleistungsstellen oder gegenüber Instanzenmöglich. Die Dienstleistungsstellen werden auch als Querschnittsbereiche bezeich-net. Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung wird gefordert, daß die Controlling-Funktion von einer Einheit wahrgenommen werden sollte, die Querschnittsfunktio-nen erfüllt (z. B. Präsidialsektion, Landesamtsdirektion, Magistratsdirektion).477 DieÜberlegungen zu einem dezentralisierten Ressourcenmanagement sprechen abergegen die „ausschließliche“ Wahrnehmung der Controlling-Aufgaben in einemQuerschnittsbereich.

    4.2.2.2 Hierarchische Eingliederung

    Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Controlling-Organisation subsidiär ist, das bedeutet,daß sie sich an der bestehenden Führungsstruktur auszurichten hat.478 Demzufolge bildendie Entscheidungsebenen bzw Entscheidungsorgane einer Organisation die Grundlage fürdie hierarchische Einordnung der Controller-Stellen. Jedes Entscheidungsorgan (unab-hängig davon, ob es sich um ein monokratisches Organ oder ein Kollegialorgan handelt) hatdie originären Controlling-Funktionen wahrzunehmen. Prinzipiell kann jede Entscheidungs-bzw Hierarchieebene mit eigenen Controller-Stellen ausgestattet werden. Um die Con-troller-Organisation „schlank“ zu halten, ist es empfehlenswert, nur jenen Führungsebeneneigene Controller-Stellen zuzuordnen, deren Entscheidungen den größten Einfluß auf dieEffektivität, die Effizienz und den Finanzmittelbedarf haben. In der Regel handelt es sichum die Entscheidungsebenen des politischen Führungssystems (Parlament, Regierung,Regierungsmitglied) und der höchsten administrativen Führungsebene.

    4.2.2.3 Struktur der Weisungsbeziehungen

    Bei der Gestaltung der Weisungsbeziehungen im Rahmen einer dezentralisierten Controller-Organisation ergeben sich folgende alternative Unterstellungsverhältnisse des dezentralenControllers.

    Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung 261

    476 Gaulhofer, Manfred: (1991) S 185.477 Budäus, Dietrich: (1988).478 Weber, Jürgen: (1990) S 605.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 261

  • Abbildung 159: Alternative Unterstellungsverhältnisse des dezentralen Controllers

    (1) Variante 1Der dezentrale Controller wird dem zentralen Controller fachlich und disziplinarischunterstellt.

    (2) Variante 2Der dezentrale Controller wird dem Zentralcontroller in disziplinarischer, dem Fach-bereichsleiter in fachlicher Hinsicht unterstellt.

    (3) Variante 3Der dezentrale Controller wird dem Zentralcontroller in fachlicher, dem Fach-bereichsleiter in disziplinarischer Hinsicht unterstellt.

    (4) Variante 4Der dezentrale Controller wird dem jeweiligen Fachbereichsleiter fachlich und disziplinarisch unterstellt.

    Bei den Varianten 2 und 3 kommt es zu einer Aufspaltung der Weisungsbefugnisse in fach-liche und disziplinarische. Auf Grund der in Organigrammen üblichen Darstellung des funk-tionalen Weisungsrechts als unterbrochene Linie werden diese beiden Formen auch als„Dotted-Line-Prinzip“ bezeichnet. Die Vor- und Nachteile479 der alternativen Unterstel-lungsverhältnisse werden in der Abbildung 160 aufgelistet.

    ZENTRAL-CONTROLLER

    FACHBEREICHS-LEITER

    ZENTRAL-CONTROLLER

    FACH-BEREICHS-

    LEITER

    FACH-LICH

    DIS-ZIPLINA-

    RISCH

    Variante 1 Variante 2

    Variante 3 Variante 4

    262 Organisation des Controlling

    479 Schüller, Stephan: (1984) S 210.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 262

  • Abbildung 160: Vor- und Nachteile unterschiedlicher Unterstellungsverhältnisse

    Eine weitere Möglichkeit, die Weisungsbefugnisse zwischen Bereichs- und Zentralcon-troller zu gestalten, besteht in einer aufgabenspezifischen Kompetenzregelung durch einedetaillierte Festlegung der zu erfüllenden dezentralen Controlling-Aufgaben.480

    4.2.3 Kompetenzverteilung (Entscheidungsdelegation)

    Hier geht es um den Umfang der Kompetenzen (Rechte) und der Verantwortung (Pflichten),die dem Träger von Controlling-Aufgaben zugewiesen werden. Damit ein Controller seineAufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann, muß er das Recht haben, Aktivitäten setzen zukönnen, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der ihm übertragenen Controlling-Auf-gaben erforderlich sind. Die umfangmäßige Übertragung von Kompetenzen bezeichnet manals Entscheidungsdelegation.481 „Mit der Zuweisung von Aufgaben und Kompetenzen wirddie Stelle zugleich verpflichtet, diese Aufgaben und Kompetenzen richtig zu erfüllen. ….Aus der Verantwortung resultiert eine Verantwortlichkeit, d.h. eine Haftung oder Belang-barkeit für fahrlässige und vorsätzliche Fehler, für die Nichtausübung von Kompetenzenund für Mißerfolge.“482 Verbindliche Entscheidungen kann eine Stelle nur innerhalb der ihrübertragenen Kompetenzen fällen. Hinsichtlich des Verhältnisses von Weisungsrecht undEntscheidungsrecht ist festzuhalten, daß Entscheidungen den Weisungen vorgeschaltet sindund daß sich die Weisungsbefugnisse aus den Entscheidungsbefugnissen ableiten.483 Hin-

    positiv negativ positiv negativ positiv negativ

    gute und ver- trauliche Zu- sammenarbeit mit der Linien- instanz

    hohe Akzep- tanz in der Linie

    guter Zugang zu formellen und informel- len Quellen

    Möglichkeit, Linieninstanz bei Entschei- dungen zu unterstützen

    starkes Ein- gehen auf Linienbedürf-nisse

    Controlling- Gesamtkon- zept wird ver- nachlässigt

    Verstärkung des Partiku- larismus

    Berichterstat- tung an den Zentralcon- troller wird vernachläs- sigt

    mangelnde Distanz und Objektivität zu Linien- aktivitäten

    einheitliche Durchführung des Control- ling-Konzeptes

    Gegengewicht bei Beteiligung an Entschei- dungen der Linieninstanz

    starke Beto- nung des inte- grativen Ko- ordinations- aspektes

    schnelle Durch- setzung neuer Konzepte

    Unabhängigkeit gegenüber Li- nieninstanzen

    schnelle Infor- mation der Zen- trale

    Spezialcontrol-ler = Spion in der Zentrale

    Informations-blockade der Linie

    Spezialcontrol-ler wird isoliert

    geringe Akzep- tanz

    wird nicht zur Entscheidungs- unterstützung herangezogen

    linienspezifi- sche Besonder- heiten werden zu wenig be- trachtet

    Kompromiß zwischen zwei Extremen

    Möglichkeit, Linienerfor-dernisse mit Controlling-notwendig- keiten zu ver- binden

    flexible Ein- flußnahme auf Spezialcon- troller

    Doppelunter- stellung = Dauerkonflikt

    wird weder von der Linie noch vom Zentral- controlling ak- zeptiert

    Objektivität und Neutralität nicht gegeben

    UnterstellungLinieninstanz

    UnterstellungZentralcontroller "Dotted-Line-Prinzip"

    Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung 263

    480 Weber, Jürgen: (1993) S 365.481 Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992) S 155.482 Hill, Wilhelm / Fehlbaum, Raymond / Ulrich, Peter: (1981) S 124.483 Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992) S 154.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 263

  • sichtlich der Relevanz für das Controlling können folgende Arten von Kompetenzen unter-schieden werden:484

    (1) AusführungskompetenzSie beinhaltet das Recht, im Rahmen einer übertragenen Aufgabe tätig zu werdenund dabei in einem gewissen Ausmaß den eigenen Arbeitsrhythmus und die eigeneArbeitsmethodik zu wählen.

    (2) VerfügungskompetenzSie bringt das Recht zum Ausdruck, über Objekte, Hilfsmittel oder Informationen zuverfügen. Diese Form der Kompetenz kann sich aber auch auf das Recht erstrecken,Informationen von anderen Stellen zu verlangen. Hinsichtlich der Informations-versorgungsfunktion des Controlling-Trägers (Controllers) kann diese Kompetenzvon Bedeutung sein.

    (3) AntragskompetenzSie besteht im Recht zu beantragen, daß (a) über einen bestimmten Gegenstand ent-schieden wird und daß (b) in einer bestimmten Richtung entschieden wird. DieseKompetenzform bedeutet für den Controlling-Träger (Controller), daß ihm die Initia-tive und die Entscheidungsvorbereitung übertragen wird. Wird ein Antrag gestellt,kann die vorgesetzte Stelle im Sinne des Antrages entscheiden, ihn abändern oderablehnen.

    (4) EntscheidungskompetenzDarunter versteht man das Recht, zwischen Handlungsalternativen zu wählen. Bei-spielsweise kann der Controller (bzw andere Controlling-Träger) im Rahmen derEinführung eines neuen Informationsversorgungssystems bei Vorliegen mehrererAlternativen entscheiden, welches der entwickelten Systeme eingeführt wird.

    (5) MitsprachekompetenzDie Mitsprachekompetenz besagt zunächst nur, daß eine Stelle A nicht unabhängigvon einer Stelle B (z. B. der Controller oder andere Controlling-Träger) entscheidenkann, sondern der Controller (bzw andere Controlling-Träger) zu konsultieren ist.Das Ausmaß des Mitspracherechts kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Dabei kannes sich um ein bloßes Anhörungsrecht, ein Mitberatungsrecht, ein Vetorecht oder umein echtes Mitentscheidungsrecht handeln.

    (6) AnordnungskompetenzSie bringt das Recht zum Ausdruck, anderen Stellen zu einem Tun zu veranlassen,also Anordnungen (Weisungen) zu geben. Anordnungen (Weisungen) sind notwen-dig, um Entscheidungen durchsetzen zu können. Die Anordnungskompetenz mußdaher jeder Stelle mit Entscheidungskompetenz zukommen, denn eine Entschei-dungskompetenz ohne Anordnungsrecht (Weisungsrecht) bleibt wirkungslos. Es istder Fall denkbar, daß eine Stelle mit Entscheidungskompetenz selbst entscheidet,aber die Anordnungskompetenz für die Durchsetzung ihrer Entscheidungen delegiert.Mit der Anordnungsbefugnis ist gleichzeitig das Kontrollrecht über die untergeord-neten Stellen verbunden. Dasselbe Kontrollrecht besteht auch bei der Delegation vonEntscheidungskompetenzen.

    264 Organisation des Controlling

    484 Hill, Wilhelm / Fehlbaum, Raymond / Ulrich, Peter: (1981) S 125; Amshoff, Bernhard: (1993)S 298 f.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 264

  • Die Frage, welche Kompetenzen dem Controller bzw anderen Controlling-Trägern im einzelnen tatsächlich zugewiesen werden, kann nicht losgelöst von Art und Umfang derControlling-Aufgaben entschieden werden. Mit Hilfe eines Funktionendiagramms kannfestgelegt werden, welche Controlling-Aufgaben, von welchen Controlling-Trägern, mitwelchen Kompetenzen und mit welcher Verantwortung zu erfüllen sind.485

    4.2.4 Formalisierung

    In der Organisationstheorie bezeichnet die Formalisierung den Einsatz schriftlich fixierterorganisatorischer Regeln in Form von Organisationsschaubildern, -handbüchern, Richt-linien und allgemeinen Arbeitsanweisungen, Stellenbeschreibungen, Funktionendiagrammeetc.486 Im Rahmen der Formalisierung kommt es zu einer Festlegung von Aufgaben-erfüllungsprozessen, in deren Rahmen dem einzelnen Controller oder anderen Controlling-Trägern eine bestimmte Handlung oder Handlungsfolge vorgeschrieben wird, die seinenHandlungsspielraum bei der Aufgabenerfüllung einschränkt.487 Die Formalisierung desControlling bezieht sich auf folgende Dimensionen:488

    Abbildung 161: Formalisierung des Controlling

    4.2.4.1 Stellenformalisierung

    Die wichtigsten Instrumente der Stellenformalisierung sind das Organisationsschaubild(Organigramm), die Stellenbeschreibung (Funktions-, Positions-, Dienstposten- oder Arbeits-platzbeschreibung) und der Geschäftsverteilungsplan.

    (1) OrganigrammDas Organigramm ist ein Stellenschaubild, das die Ordnung von Stellen oder Abtei-lungen sowie das Beziehungsgefüge zwischen Über-, Unter- und Gleichordnung zumAusdruck bringt. Aus dem Organigramm sollten die auf Controlling-Aufgaben spe-zialisierten Organisationseinheiten (Stellen, Abteilungen) ersichtlich sein.

    Stellen-formalisierung

    FORMALISIERUNG DESCONTROLLING

    Aufgaben-formalisierung

    Informationsfluß-formalisierung

    Formen der strukturorganisatorischen Eingliederung 265

    485 Welge, Martin K.: (1988) S 419.486 Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992) S 159; Welge, Martin K.: (1987) S 428 ff.487 Grochla, Erwin: (1982) S 174.488 Amshoff, Bernhard: (1993) S 301 ff.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 265

  • (2) StellenbeschreibungDie Controller-Stelle bildet die kleinste leistungsbereite organisatorische Einheit imRahmen der Aufbauorganisation des Controlling und repräsentiert einen personen-bezogenen (Teil-)Aufgabenkomplex des Controlling, der vom Personenwechselunabhängig ist. Die Stellenbeschreibung schreibt die Stellenbezeichnung (Aufga-beninhalt), die Positionierung der Stelle in der Aufbauorganisation, ihre Ziele, dieAufgaben, die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen sowie die wesentlichenBeziehungen zu anderen Stellen (Informationsbeziehungen, Vertretungsbeziehungen)fest. Sie bildet auch die Grundlage für die Stellenbewertung, die Stellenausschrei-bung und kann als Maßstab für die Leistungsbeurteilung dienen.489

    (3) GeschäftsverteilungsplanNicht in allen Organisationen der öffentlichen Verwaltung gibt es Organigrammeoder Stellenbeschreibungen für sämtliche Stellen. Häufig werden nur – für Bewer-tungszwecke – einzelne Stellen beschrieben. Um dennoch einen Überblick über dieStellen und deren Einordnung in die Aufgaben- und Organisationsstruktur verfügbarzu haben, behelfen sich Organisationen der öffentlichen Verwaltung mit sogenann-ten Geschäftsverteilungsplänen, die grob die Verteilung der Aufgaben auf die Orga-nisationseinheiten und deren Mitglieder, die Regelung der Stellvertretungen sowiein vereinfachter Form die Unterstellungsverhältnisse wiedergeben.490 Ein Blick in dieGeschäftsverteilungspläne einiger Bundesministerien zeigt, daß das Wort „Control-ling“ schon häufig verwendet wird. Aus welchen Aufgaben bzw Tätigkeiten dasControlling besteht, geht aus den Geschäftsverteilungsplänen meist nicht hervor.

    Eine Institutionalisierung des Controlling in Form von eigenen Controllerstellen erfordertgerade in der Einführungsphase eine Stellenbeschreibung bzw eine Verankerung imGeschäftsverteilungsplan bzw eine Einordnung in das Organigramm der Organisation.

    4.2.4.2 Formalisierung der Controlling-Aufgaben

    Eine Aufgabenformalisierung liegt vor, wenn für die Erfüllung von Controlling-Aufgabenspezifische Richtlinien existieren, die vom Controller bzw anderen Controlling-Trägern zubefolgen sind. Diese beinhalten vorgefertigte Problemlösungen491 (vorgeschlagene Hand-lungsweisen), die für weitgehend gleichartige, sich wiederholende oder für wahrscheinlichgehaltene Situationen anwendbar sind. Diese Aufgabenformalisierung ist insbesondere dannvon Bedeutung, wenn das Controlling nicht-institutionalisiert betrieben wird. In diesem Fallkann die Controlling-Organisation nicht in einem Organigramm dargestellt werden, sondernkann nur als Katalog von definierten Controlling-Aufgaben, beispielsweise in Form einesControlling-Handbuches, sichtbar gemacht werden.492 Derartige Controlling-Handbüchersind vorwiegend für Großorganisationen (z. B. gesamte Bundesverwaltung) zweckmäßig.Sie können in der Einführungsphase des Controlling wichtige Informations- und Über-zeugungsarbeit leisten. Darüber hinaus muß nicht jede Organisationseinheit das Rad neuerfinden.

    266 Organisation des Controlling

    489 Kübler, Hartmut: (1989) S 1491.490 Kübler, Hartmut: (1989) S 1491; Kreuser, Kurt: (1989) S 1700.491 Eine derartige formalisierte Problemlösung stellt das von der Bundesregierung beschlossene Handbuch

    für die Kalkulation der Folgekosten von Rechtsnormen dar. Siehe dazu: Bundeskanzleramt: (1992).492 Amshoff, Bernhard: (1993) S 302.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 266

  • 4.2.4.3 Formalisierung des Informationsflusses

    Eine weitere Möglichkeit, das Controlling zu formalisieren, besteht in der Informations-flußformalisierung, die Max Weber als Aktenmäßigkeit bezeichnet hat. Sie bezieht sich aufRegelungen, die vorsehen, daß bestimmte Kommunikationsvorgänge im Controlling-Bereich schriftlich (Protokolle, Dienstanweisungen, Rundschreiben, Memos etc) zu erfol-gen haben. Ein standardisiertes Berichtssystem ist Ausdruck dieser Informationsfluß-formalisierung.493

    5. Organisatorische Verankerung des Controlling inPolitik und öffentlicher Verwaltung

    Die bisherigen Ausführungen haben eine Reihe von alternativen Gestaltungsmöglichkeitenfür die organisatorische Verankerung des Controlling aufgezeigt, die bei der Implementie-rung des Controlling in Politik und öffentlicher Verwaltung bedacht werden können. DieErwartung eines „one best way“ bei der Gestaltung der Controlling-Organisation muß ent-täuscht werden. Diese Vorstellung steht nicht im Einklang mit den Erkenntnissen494 derempirischen Organisationsforschung, die zeigen, daß die organisationsindividuelle Aus-gestaltung der Strukturorganisation (Aufbauorganisation) von verschiedenen Kontext-faktoren (situative Faktoren) abhängig ist. Diese Tatsache wird auch durch die Unterneh-menspraxis bestätigt, in der sehr unterschiedliche aufbauorganisatorische Ausgestaltungs-formen des Controlling zu finden sind. Demzufolge wird es auch für die Organisationen deröffentlichen Verwaltung keine einheitliche aufbauorganisatorische Lösung geben, es seidenn, daß die Gesetzgeber oder die Regierungen für ihren Zuständigkeitsbereich eine ein-heitliche Lösung dekretieren. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Vorgangsweise istgrundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Für jede Organisation ist individuell zu entscheiden, wiedas Controlling organisatorisch verankert werden soll.

    5.1 KontextfaktorenDie Kontextfaktoren bestimmen nicht nur die Gestalt der Controlling-Organisation, sondernauch die Ausprägung des gesamten Controlling-Systems (Aufgaben, Instrumente und Trä-ger des Controlling). Auf Grund des noch geringen Entwicklungsstandes des Controlling inPolitik und öffentlicher Verwaltung gibt es weder über die relevanten Kontextfaktoren nochüber den Zusammenhang zwischen den Kontextfaktoren und der Controlling-Organisationempirisch fundierte Aussagen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können höchstens Tendenzenangegeben oder Analogien zur unternehmensbezogenen Controlling-Forschung495 gezogen

    Organisatorische Verankerung des Controlling in Politik und öffentlicher Verwaltung 267

    493 Amshoff, Bernhard: (1993) S 302 f.494 Zu erwähnen sind hier vor allem jene organisationstheoretischen Forschungen, die auf dem empi-

    risch orientierten Forschungsprogramm des situativen Ansatzes basieren. Einen Überblick überdiese Forschungsrichtung und ihre Hauptergebnisse geben: Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 47 ff;Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992); Kieser, Alfred: (1993) S 161 ff.

    495 Amshoff, Bernhard: (1993). Der Autor hat in einer theoriegeleiteten empirischen Untersuchung denZusammenhang zwischen unternehmensinternen und -externen Kontextfaktoren und den unter-nehmensindividuellen Ausprägungen des Controlling analysiert und darauf aufbauend eine Taxo-nomie von Contolling-Typen entwickelt.

    235 – 275, Org. d. Contr. 16.10.2002 11:49 Uhr Seite 267

  • werden. Aus der Vielzahl der in der Controlling-Forschung verwendeten Kontextfaktorensind offensichtlich zwei für die Organisationen der öffentlichen Verwaltung von besonde-rer Bedeutung, nämlich die Größe der Gebietskörperschaft und die Struktur des politisch-administrativen Führungssystems (Organisations- bzw Führungsstruktur).

    (1) Größe der GebietskörperschaftDie Größe einer Gebietskörperschaft (Analogie zur Unternehmensgröße) gilt alseiner der wichtigsten Kontextfaktoren der funktionalen als auch der institutionalenAusprägung des Controlling. Als Begründung wird vielfach das Differenzierungs-Integrations-Paradigma genannt, das besagt, daß mit zunehmender Größe einerInstitution die organisatorische Differenzierung (Anzahl der Stellen) steigt, die denEinsatz von Integrationsmechanismen erfordertlich macht.

    (2) Führungsstruktur der GebietskörperschaftEine weitere wesentliche Bestimmungsgröße für die Controlling-Organisation ist d