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Foto: Dirk Brzoska SCHWERPUNKT 32 von Uwe Barthel, VNG-Vorstand Infrastruktur/Technik Der Energiemarkt steht vor einer Revolu- tion. Die Potenziale sind groß, die Risiken allerdings auch. Der rasche Umbau der Energieversorgung in Deutschland, ist eine Aufgabe, deren Dimension und Dra- matik sich den meisten Menschen erst nach und nach erschließen wird. Vor allem die Ereignisse in Japan ha- ben die Diskussion der Kernenergie so verbreitert und verschärft, dass darunter nicht selten der notwendige besonnene Blick auf die sachlichen, die energie- fachlichen Fragen leidet. VNG kann hier wertvolle Hilfestellung geben, vor allem aber Lösungen anbieten, die bisher in der Öffentlichkeit noch unzureichend wahr- genommen werden. Umreißen wir kurz die Situation: Heute stammen 16,5 % der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Bis 2050 sollen es 80 % der Stromerzeugung Deutsch- lands sein. Gemäß dem Energiekonzept der Bundesregierung sind 35 % am Brut- tostromverbrauch schon bis 2020 vorge- sehen. Dies bedeutet eine Verdopplung des Anteiles der erneuerbaren Energien in nur 9 Jahren. Schon heute bereitet die volatile Ein- speisung erneuerbarer Energien aus Windkraft und Photovoltaik den Betrei- bern von Stromübertragungs- und Verteil- netzen große Sorgen. Steigt dieser Anteil weiter, ohne dass tiefgreifende Investiti- onen vorgenommen werden, kompliziert sich die Versorgung durch das Nord-Süd- Gefälle bei Produktion und Verbrauch. Der Bedarf an Speicherung zur Harmonisie- rung von Produktion und Verbrauch er- reicht beachtliche Dimensionen. Die vorhandenen und in der Entwicklung befindlichen Verfahren zur Stromspei- cherung können nur kurze Zeitspannen überbrücken. Windflauten und Wochen verminderter Sonneneinstrahlung bedeu- ten Ungewissheit. Der dringende Bedarf an Speicherverfahren, die längere Zeiträume abdecken können, liegt auf der Hand. Revolution auf dem Energiemarkt – Erdgasinfrastruktur wird zu einem Schlüssel- faktor in Deutschland. Der Stromspeicherbedarf erreicht mög- licherweise bereits im Jahre 2020 etwa 40 Mrd. kWh. Ein Ausbau erneuerbarer Energien in den geplanten Größenord- nungen verlangt entsprechend belastbare Langzeitspeicher. Ähnlich beurteilt das die Ethik-Kommission „Sichere Energieversor- gung“ in ihrem Abschlussbericht und regt an, eine nationale, respektive EU-weite Stromversorgungsreserve in Höhe einer halben Jahresproduktion aufzubauen. Erfolgversprechend – und in seiner Ka- pazität konkurrenzlos – erscheint hierfür das durch das Fraunhofer Institut IWES entwickelte Konzept der Methanisierung. Es handelt sich um die Umwandlung von Wasser mittels regenerativ gewonnenen Stroms durch Elektrolyse in den Energie- träger Wasserstoff und die nachfolgende katalytische Reaktion mit Kohlendioxid zu Methan, dem Hauptbestandteil des natür- lichen Erdgases. Auf diesem Wege könnte die existierende Gasinfrastruktur in völlig neuen Dimensionen genutzt werden. Bereits heute erreicht das Speichervo- lumen der Gasinfrastruktur ca. 230 Mrd. kWh. (Zum Vergleich: Die Speichermög- lichkeiten der Stromnetze betragen gegen- wärtig 0,04 Mrd. kWh, hauptsächlich in Pumpspeicherwerken.) In Gaskraftwerken oder – noch effizienter – mittels Kraft-Wär- me-Kopplungsanlagen kann die Rückver- Infrastruktur

mg2011_2_RevolutionEnergiemarkt

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SCHWERPUNKT 32 Foto:DirkBrzoska mediumgas2|2011 33 Die Grafik zeigt (v. l. n. r.) das Volumen der Stromspeicher in Deutschland, den Mittelwert des Bedarfs an Stromspeichern aus unterschiedlichen Studien für 2020 und das aktuelle Speicher- volumen der Gasinfrastruktur in Deutschland. 0,04Mrd.kWh Gasinfrastruktur230Mrd.kWh

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SCHWERPUNKT

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vonUweBarthel,VNG-VorstandInfrastruktur/Technik

DerEnergiemarktstehtvoreinerRevolu-tion.DiePotenzialesindgroß,dieRisikenallerdingsauch.DerrascheUmbauderEnergieversorgunginDeutschland,isteineAufgabe,derenDimensionundDra-matiksichdenmeistenMenschenerstnachundnacherschließenwird.

VorallemdieEreignisseinJapanha-bendieDiskussionderKernenergiesoverbreitertundverschärft,dassdarunternichtseltendernotwendigebesonneneBlick auf die sachlichen, die energie-fachlichenFragenleidet.VNGkannhierwertvolleHilfestellunggeben,vorallemaberLösungenanbieten,diebisherinderÖffentlichkeitnochunzureichendwahr-genommenwerden.

UmreißenwirkurzdieSituation:Heutestammen16,5%derStromproduktionauserneuerbarenEnergien.Bis2050sollenes 80 % derStromerzeugung Deutsch-landssein.GemäßdemEnergiekonzeptderBundesregierungsind35%amBrut-tostromverbrauchschonbis2020vorge-sehen.DiesbedeuteteineVerdopplungdesAnteilesdererneuerbarenEnergieninnur9Jahren.

SchonheutebereitetdievolatileEin-speisung erneuerbarer Energien aus

WindkraftundPhotovoltaikdenBetrei-bernvonStromübertragungs-undVerteil-netzengroßeSorgen.SteigtdieserAnteilweiter,ohnedasstiefgreifendeInvestiti-onenvorgenommenwerden,kompliziertsichdieVersorgungdurchdasNord-Süd-GefällebeiProduktionundVerbrauch.DerBedarfanSpeicherungzurHarmonisie-rungvonProduktionundVerbraucher-reichtbeachtlicheDimensionen.

DievorhandenenundinderEntwicklungbefindlichen Verfahren zur Stromspei-cherung können nur kurzeZeitspannenüberbrücken. Windflauten und WochenverminderterSonneneinstrahlungbedeu-tenUngewissheit.DerdringendeBedarfanSpeicherverfahren,dielängereZeiträumeabdeckenkönnen,liegtaufderHand.

RevolutionaufdemEnergiemarkt–ErdgasinfrastrukturwirdzueinemSchlüssel-faktorinDeutschland.

DerStromspeicherbedarferreichtmög-licherweisebereits imJahre2020etwa40 Mrd.kWh.EinAusbauerneuerbarerEnergien in den geplanten Größenord-nungenverlangtentsprechendbelastbareLangzeitspeicher.ÄhnlichbeurteiltdasdieEthik-Kommission„SichereEnergieversor-gung“inihremAbschlussberichtundregtan,einenationale,respektiveEU-weiteStromversorgungsreserveinHöheeinerhalbenJahresproduktionaufzubauen.

Erfolgversprechend–undinseinerKa-pazitätkonkurrenzlos–erscheinthierfürdasdurchdasFraunhofer Institut IWESentwickelteKonzeptderMethanisierung.EshandeltsichumdieUmwandlungvonWassermittelsregenerativgewonnenenStromsdurchElektrolyseindenEnergie-trägerWasserstoffunddienachfolgendekatalytischeReaktionmitKohlendioxidzuMethan,demHauptbestandteildesnatür-lichenErdgases.AufdiesemWegekönntedieexistierendeGasinfrastrukturinvölligneuenDimensionengenutztwerden.

BereitsheuteerreichtdasSpeichervo-lumenderGasinfrastrukturca.230Mrd.kWh.(ZumVergleich:DieSpeichermög-lichkeitenderStromnetzebetragengegen-wärtig0,04Mrd.kWh,hauptsächlichinPumpspeicherwerken.)InGaskraftwerkenoder–nocheffizienter–mittelsKraft-Wär-me-KopplungsanlagenkanndieRückver-

Infrastruktur

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Gasspeichervolumen2011Prognose2020Stromspeichervolumen2011

Gasinfrastruktur230Mrd.kWh

VNGAG27,5Mrd.kWhbenötigtesStrom-

speichervolumen20Mrd.kWh

0,04Mrd.kWh

Die Grafik zeigt (v. l. n. r.) das Volumen der Stromspeicher in Deutschland, den Mittelwert des Bedarfs an Stromspeichern aus unterschiedlichen Studien für 2020 und das aktuelle Speicher-volumen der Gasinfrastruktur in Deutschland.

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stromungdannjenachBedarferfolgen.EinePilotanlageläuftbereitsamZentrumfürSonnenenergie-undWasserstoff-For-schunginStuttgart.

Das dichte Gasnetz bietet eine gera-dezu verblüffende Option, erneuerba-reEnergienbedarfsgerechtundamOrtdesVerbrauchsbereitzustellen.VNGistfürProjektedieserArteinebenso leis-tungsfähigerwieerfahrenerPartner.Wirallewerdenzusammenagierenmüssen,wenndergigantischeStrukturumbauun-seresEnergiesystemsgelingensoll.DerDialogzwischenTransportnetzbetreibernfürStromundGasüberdieoptimaleFormderNetznutzungundeinesnotwendigenNetzausbauszurEinbindungderErneu-erbarenstehtaufderAgendaganzoben.

GemäßderdenaII–StudieexistierteinAusbaubedarf des ÜbertragungsnetzesaufderStromseitevon3.600kmbiszumJahre2020.DochbereitsjetztzeigensichvielerortsProbleme,dieausdermangeln-denAkzeptanzdieserMaßnahmeninderBevölkerungundderHöhederInvestitio-nenresultieren.Eswäreunentschuldbar,diesenPunktjewiederirgendwoundir-gendwannzuvernachlässigen.WirhabenmeinesErachtensanzuerkennen,dassausdemZieldreieckderEnergiewirtschaft–Wirtschaftlichkeit,Versorgungssicherheit,Umweltverträglichkeit–einViereckgewor-

denist.DievierteEckeistdieAkzeptanz.WerNetzlückenschließenwill,sollteun-

bedingtauchKenntnislückenschließen.SowerdenNichtfachleutewohlverblüfftseinzuerfahren,dassman300MWproStundestattübereineHöchstspannungs-leitungauchmittelseinernur10cmdickenGasleitungtransportierenkann.Dieseistnaturgemäß unsichtbar und erdverlegtoderistgarlängstvorhanden.MithoherWahrscheinlichkeit ist im Dialog einevolkswirtschaftlicheOptimierungerreich-bar,diezugleicheineBeeinträchtigungderLandschaftbeimunvermeidlichenNetz-ausbauinDeutschlanddeutlichverringertodermancherortsgarausschließt.

VNGbefasstsichintensivdamit,ihrenWegundihrenBeitragbeimUmbauderEnergiestruktur zu bestimmen. Nebender Beteiligung an der DVGW-Innovati-onsoffensiveprüftVNGz.B.eineigenesPilotprojekt,umdieWirksamkeitderGe-samtkette von der Methanisierung biszurWiederverstromungauszulotenundabzubilden.

Ausdrücklichbegrüßenwirdiegemein-sameFörderinitiativeEnergiespeichervonBMWi,BMUundBMBF,wofürFördermittelinHöhevon200MillionenEurozurEnt-wicklungvonTechnologienderStromspei-cherungbereitgestelltwerdensollten.DiePolitikhatoffenbarweitgehenddieSchlüs-

selrollederEnergiespeicherungerkannt.DemErdgasgebührtausSichtvonVNGbeiderausstehendenNeufassungdesEner-giekonzeptesderBundesregierungeinevorrangigeBerücksichtigung.

NiemandsollteheutevonUnternehmenPrognosen, also letztlich Vermutungendarübererwarten,welchesProblem,mitwelcherWahrscheinlichkeitwoauftaucht,wasüberhaupt„nachmenschlichemEr-messen“passierenkönnte.Zukunftlässtsich–ironischgesagt–bekanntlicherstdannkorrektdarstellen,wennsiebereitsVergangenheitist.Beiunseremenergie-politischenDenkengehtesumunterneh-merischeEntscheidungenundumhoheVerantwortunggegenüberderGesellschaft.Esistdahernebensächlich,waswirunsallesvorstellenkönnen.DieHauptsacheist,dasswirunsdaraufeinstellen,jeglicheneuenSituationenschnell,entschlossenundauchmit„unkonventionellen“MittelnundMethodenzubeherrschen.

BisherhatDeutschlandenergiepolitischnurdieRichtungfestgelegt.DiepraktischenProblemekommenerstnoch.Deshalbers-tens:WenndiePolitikInvestitionenindieGasinfrastrukturhabenwill,musssiederGaswirtschaft langfristige Perspektivengeben.Undzweitens:JetztistdieZeitderzigtausendenUnternehmerundallerum-weltbewusstengagiertenBürger.