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Nationaler Bienenaktionsplan - bund.net · Doch nicht nur der Parasit Varroa-Milbe ist daran schuld, sondern vor allem di\ e intensive Landwirtschaft mit ihrem hohen Pestizideinsatz

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Die Bienen sind in GefahrVor allem in intensiv landwirtschaftlich genutzten Gegenden sindVerluste von Honigbienen-Völkern und eine Schwächung der Bie-nen zu beklagen. Im Frühjahr 2017 sind außergewöhnlich vieleVölker gestorben, Imker melden Verluste von bis zu 50 Prozent.1

Den Parasiten Varroa-Milbe als Hauptursache zu benennen, wirddem Problem nicht gerecht. Vielmehr wird das Immunsystem derBienen durch Hunger (fehlende Blühpflanzen, ausgeräumte Land-schaften), einseitige Ernährung (Monokulturen) und Pestizide sostark geschwächt, dass sie anfälliger gegenüber Krankheiten undParasiten sind.

Empfindlicher noch als Honigbienen sind die Wildbienen. Der an-haltende Schwund bei den Arten und den Individuenzahlen ist dra-matisch. Von den über 550 in Deutschland beheimateten Wild-bienenarten sind laut Roter Liste mittlerweile 197 Arten gefährdet,31 vom Aussterben bedroht und 42 Arten stehen auf der Vorwarn-liste. Auch in anderen europäischen Ländern sieht es nicht besseraus: Erstmals wurde 2014 die europaweite Situation der Wildbie-nenarten durch die Weltnaturschutzunion untersucht – mit alar-mierendem Ergebnis. Fast jede zehnte Wildbienenart ist in Europavom Aussterben bedroht.2

Bienen für Landwirtschaft und Ökosystem unverzichtbarBienen und andere bestäubende Insekten sind die Grundlage un-serer Ernährung. Sie sind für die Bestäubung vieler Kulturpflanzenim Gartenbau und in der Landwirtschaft unverzichtbar. Zwei Drit-tel unserer Nahrungspflanzen sind auf bestäubende Insekten an-gewiesen. Honigbienen und Wildbienen stellen einen großenökonomischen Wert dar. Ihre Bestäubungsleistung wird weltweitauf 200 bis 500 Milliarden Euro pro Jahr3 geschätzt. Darüber hi-naus sind Bienen unverzichtbar für den Fortbestand von Wild-pflanzen, von denen wieder andere Tierarten abhängig sind. DasBienensterben hat somit auch negativen Einfluss auf Arten- undIndividuenzahlen von anderen Insekten, Vögeln und Säugetierenund somit auf das Funktionieren des gesamten Ökosystems.

Die Gründe für das Sterben von Wildbienen und Bienenvölkern lie-gen hauptsächlich in der industriellen Landwirtschaft. Diese istvon Überdüngung, dem Einsatz chemisch-synthetischer Pestizidesowie dem Verlust von vielfältigen Strukturen wie Hecken, Feld-rainen und Blühflächen gekennzeichnet.

Bienenaktionsplan zum Schutz der BienenDer jetzige Trend des Artenverlusts muss gestoppt und die Bienengeschützt werden. Nur so können wir Ökosysteme erhalten unddamit auch unsere eigenen Lebensgrundlagen sichern. Anlässlichder internationalen UN-Biodiversitätskonferenz im Dezember 2016in Mexiko wurde eine „Koalition der Willigen für Bestäuber“ ge-gründet, der auch Deutschland angehört. Auch Bundeslandwirt-schaftsminister Christian Schmidt hat sich anlässlich der inter-nationalen Bienenkonferenz Ende März 2017 in Berlin für denSchutz der Biene ausgesprochen. Geeignete Maßnahmen hat dieBundesregierung jedoch nicht ergriffen.

Dafür ist es nun höchste Zeit. Die Bundesregierung muss jetzteinen nationalen Bienenaktionsplan entwickeln und zügig umset-zen. Bienenschutz muss zur ressortübergreifenden Querschnitts-aufgabe werden und die Ziele zum Schutz von Bestäubern inmöglichst vielen Bereichen (Umweltschutz, Landwirtschaft, Bil-dung, Verkehr, Stadtentwicklung, Bauen) verfolgt werden.

Eckpunkte eines nationalen Bienenaktionsplans

1. Bestäuber besser vor Pestiziden schützen

Eine besondere Gefahr für bestäubende Insekten geht vom hohenPestizideinsatz aus. 35.000 Tonnen reiner Pestizidwirkstoff wurdenim Jahr 2015 in Deutschland in der Landwirtschaft, auf kommuna-len Flächen und in Hobbygärten ausgebracht. In der Tendenz neh-men sowohl die Menge der Pestizide als auch die Wirkintensität dereinzelnen Stoffe zu. Fast alle Kulturen werden mehrmals im Jahrmit Pestiziden behandelt. Die Folgen dieser Spritzreihen sowie dieKombinationseffekte der Einzelwirkstoffe sind weitgehend unbe-kannt.

Maßnahmen:• Verbot von für Bestäuber besonders gefährlichen Pestiziden wieNeonikotinoiden: Die Gefährlichkeit von Neonikotinoiden (eineGruppe von Insektiziden) für Bienen ist vielfach wissenschaftlichbelegt. So schwächen Neonikotinoide zum Beispiel das Immun-system von Honigbienen, was die Bienen anfälliger für Krank-heiten und Parasiten wie die Varroa-Milbe macht. DieBundesregierung muss mit einem nationalen Neonikotinoid-Ver-bot vorangehen und sich auf EU-Ebene für ein unbefristetes Ver-bot aller Neonikotinoide einsetzen.

1 http://deutscherimkerbund.de/download/0-4072 IUCN (2014): European Red List of Bees3 IPBES (2016): Bestäuber: Unverzichtbare Helfer für weltweite Ernährungssicherheit und stabile Öko-systeme

Aktuelle Gefährdungssituation von Honig- undWildbienen

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• Keine Wiederzulassung von Glyphosat: Das Herbizid Glyphosatzerstört Lebensräume, so dass Insekten wie Wildbienen wenigeroder keine Nahrung mehr finden. Glyphosat darf keine Wieder-zulassung mehr erhalten. Es ist ein Ausstiegsszenario zu entwi-ckeln, das den sofortigen Stopp jeglicher Anwendung vonGlyphosat in blühenden Pflanzenbeständen beinhalten muss.

• Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide bei der Bewirt-schaftung von kommunalen Flächen: Die Kommunen sollten bie-nenfreundlich und pestizidfrei werden und einen Beschluss dazufassen. Die Alternativen zum Pestizideinsatz sind mehrjährigeStauden mit reichem Blütenangebot sowie mechanische undthermische Verfahren. Nicht nur für Bienen und Wildbienen sinddiese Maßnahmen vorteilhaft, sondern auch für die menschlicheGesundheit und die Lebensqualität.

• Auslistung von bienengefährlichen Pestiziden aus Baumärktenund Gartenzentren: Im Hobbygarten ist der Einsatz von Pestizi-den wirtschaftlich nicht notwendig und wegen oft mangelnderSachkunde nicht verantwortbar.

2. Vorhandene Lebensräume erhalten, wiederher-stellen und neue Lebensräume schaffen

Unseren Bienen und anderen Insekten fehlen Lebensräume undNahrung. In Deutschland werden täglich 69 Hektar Land für neueSiedlungen und Verkehrsflächen versiegelt.4 Die Flächenkonkurrenzwird stärker, die Landwirtschaft wird intensiver und exportorien-tierter. Das führt zur Umwandlung von Brachflächen und Grünlandin Ackerland, oft mit Monokulturen, die den Bienen keine Trachtmehr bieten. Wiesen werden eher und häufiger gemäht, so dass diePflanzen nicht mehr zur Blüte kommen. Das entzieht den Bienendie Nahrung.

Maßnahmen:• Identifizierung von Standorten, die Lebensraum für seltene undbedrohte Bestäuber-Arten sind und strenger Schutz dieser Ge-biete: Bienenlebensräume können kleinräumig als geschützteBiotope im Sinne von § 30 Bundesnaturschutzgesetz und groß-räumig zum Beispiel durch eigene Naturschutzgebiete gesichertwerden.

• Erhalt aller Reste der extensiven alten Kulturlandschaft: Streu-obstwiesen, Raine, Brachflächen bzw. noch erhaltene Reste davonbieten wertvollen Lebensraum für seltene und gefährdete Wild-bienenarten. Doch solche Flächen fallen immer noch Flurbereini-gungen zum Opfer. Notwendig ist die Reduzierung des allgemeinenLandschafts- und Flächenverbrauches, insbesondere ein Versiege-lungsstopp von wertvollen Lebensräumen für Bestäuber.

• Schaffung von vielfältigen Strukturen in der Kulturlandschaft:Es müssen geeignete und großflächige Lebensräume (extensiveWiesen und Weiden, Randstreifen und Blühflächen mit heimi-schem Saatgut, Hecken etc.) angelegt werden, in denen BienenNahrung und Lebensräume finden. Diese neuen Lebensräumemüssen Teil eines Biotopverbundes werden. Der Gesamtlebens-raum der Wildbienen setzt sich aus einem Mosaik kleinerer Lebensräume (Habitate) zusammen. Viele Arten finden in einemHabitat Nahrung und Baumaterial, nisten aber in einem anderen.Deshalb ist es besonders wichtig, dass diese Teil-Lebensräumemiteinander verbunden sind. Das „Bundeskonzept Grüne Infra-struktur“ des Bundesamts für Naturschutz stellt den Vernet-zungsbedarf auch an den für Bienen wichtigen Trocken-lebensräumen dar.5 Nun müssen diese Konzepte in der Flächezügig konkrete Umsetzung finden.

3. Landwirtschaft umgestalten

Die Bundesregierung muss die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP)nutzen, um die bäuerliche und ökologische Landwirtschaft voran-zubringen. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die mit der Naturwirtschaftet, statt gegen sie. In Deutschland stehen jährlich Direkt-zahlungen im Wert von über fünf Mrd. Euro zur Verfügung. Von diesem Betrag werden nur 4,5 Prozent in die zweite Säule umge-schichtet. Eine Umschichtung bis zu 15 Prozent wäre jedoch möglich.

Maßnahmen:• Mehr Mittel für die zweite Säule: 15 Prozent der Direktzahlun-gen sind aus der ersten in die zweite Säule umzuschichten.Damit bekommen die Bundesländer die finanzielle Möglichkeit,mehr Gelder für die Umstellung auf Ökolandbau und z. B. fürAgrarumweltmaßnahmen bereit zu stellen. Diesen Beschlussmuss die Bundesregierung der EU-Kommission bis zum 1.8.2017mitteilen, damit er für 2018 wirksam werden kann. Davon wür-den die kleinstrukturierte, standortgebundene bäuerliche Land-wirtschaft und damit auch der Umwelt- und Naturschutzprofitieren.

• Einführung und Verstärkung von bienenfreundlichen ackerbau-lichen Maßnahmen wie z. B. vielfältigere Fruchtfolgen, Misch-kulturen und der Einsatz von Nützlingen statt Insektiziden. DieLandwirtinnen und Landwirte müssen dabei beraten und unter-stützt werden.

• Ökologische Vorrangflächen (ÖVF) ausweiten: Auf den ökologi-schen Vorrangflächen müssen Randstreifen, Feldgehölze und an-dere wichtige Strukturelemente stärker gefördert werden.Pestizide haben auf ÖVF nichts zu suchen. Der ÖVF-Anteil ist ab

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4 Statistisches Bundesamt (2017): Nachhaltige Entwicklung in Deutschland – Indikatorenbericht 2016

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dem Jahr 2018 von fünf auf sieben Prozent zu erhöhen. DieseFlächen sollen Landwirtinnen und Landwirte als Lebensräumezum Beispiel für bestäubende Insekten zur Verfügung stellen.

• Für den Anbau von Energiepflanzen müssen insektenbestäu-bende Blühpflanzen-Mischungen ohne Pestizideinsatz als Alter-native zum Mais angebaut werden.

4. Zulassungsverfahren für Pestizide reformieren

Eine Reform des Zulassungsverfahrens ist dringend geboten. DieBundesregierung muss sich auf EU-Ebene und national dafür starkmachen. Das derzeitige Zulassungsverfahren für Pestizide leistetkeinen ausreichenden Schutz von Mensch, Tier und Umwelt.

Maßnahmen:• Die Auswirkungen von Pestiziden auf sensible Arten wie z. B. ge-fährdete Wildbienen müssen zukünftig berücksichtigt werden.Da Insekten in der Agrarlandschaft nicht nur einem Pestizid aus-gesetzt sind, müssen mögliche Kombinationseffekte verschiede-ner Wirkstoffe beachtet werden. Weiterhin ist es notwendig, dieEffekte durch wiederholte Anwendung von Spritzmitteln zu be-achten.

• Es muss eine industrieunabhängige Prüfung der subletalen Ef-fekte sowie der Langzeitfolgen von Pestiziden unter realistischenBedingungen erfolgen, deren Ergebnisse in die Zulassungsver-fahren einfließen müssen.

• Untersucht werden muss künftig, wie sich Pestizide auf die Ent-wicklungsstadien von Bienen und Bienenvölkern auswirken, wel-chen Einfluss Pesizide auf die Lebensdauer sowie die kognitivenFähigkeiten einer Biene haben und wie Pestizide die Überwinte-rungsfähigkeit eines Volkes beeinträchtigen.

• Die notwendigen Zulassungsprüfungen dürfen nicht mehr vonden antragstellenden Pestizidfirmen, sondern müssen von un-abhängigen wissenschaftlichen Instituten durchgeführt werden.Die Studien müssen über einen industrieunabhängig verwalte-ten Fonds finanziert werden, der aus Gebühren der antragstel-lenden Firmen gespeist wird.

• Transparenz ist dringend notwendig. Alle im Zulassungsverfahreneingereichten Studien müssen öffentlich zugänglich und durchandere Wissenschaftler überprüfbar sein. Zur Transparenz gehörtauch die Information, welche Expertinnen und Experten beteiligtsind und wer sie warum benannt hat, inklusive einer etwaigenfrüheren oder aktuellen Zusammenarbeit mit der Industrie.

In vielen Bereichen sind mangelnde Kenntnisse über die enorme Be-deutung von Bienen und anderen Bestäubern für unsere Öko-sys-teme festzustellen. In der Landwirtschaft fehlen häufig Informa-tionen oder finanzielle Möglichkeiten, um Alternativen zu den Pes-tiziden einzusetzen. Bienen-Expertinnen und -Experten sind rar undoft ausschließlich ehrenamtlich tätig.

Maßnahmen:• Verstärkung der Forschung zu Alternativen zum Pestizideinsatzin der Landwirtschaft.

• Erhöhung der Zahl der Bienenexpertinnen und -experten aufallen Ebenen. Finanzielle Ressourcen und Fachkenntnisse zumSchutz von Bienen und anderen Bestäubern müssen auf Bun-des- und kommunaler Ebene sowie bei den landwirtschaftlichenBeraterinnen und Beratern zur Verfügung gestellt werden.

• Verbesserung von Aus- und Fortbildung zum Thema Bienen-schutz. So muss zum Beispiel in landwirtschaftlichen Berufs-schulen der Stellenwert von Bestäubern für die Biodiversität zumfesten Lehrplaninhalt werden.

• Einführung eines Langzeit-Monitorings von Insekten in Deutsch-land, um die Entwicklung von Insektenarten zu beobachten undMaßnahmen zum Schutz von Insekten bewerten zu können.

Weitere Informationen:

www.bund.net/bienenaktionsplanwww.aurelia-stiftung.de

www.bund.net

5 Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2017: Bundeskonzept Grüne Infrastruktur

5. Weiterbildung und Forschung intensivieren