2
Politiker wird Stallknecht Sein Vater starb an Krebs, als er 18 war. Mit 26 ist SIMON LÜSCHER Bauer des Jahres! Als Preis geht Regierungs- rat und Harley-Fan MARKUS DIETH beim Bio-Pionier misten und füttern. JIL TEXT WERNER DE SCHEPPER FOTOS PASCAL MORA S imon Lüscher, 26, zeigt auf ein Bild seines Ho- fes. «Sehen Sie diese Linde hier vor dem Stall. Sie wurde ge- pflanzt bei der Geburt meines Va- ters. 52 Jahre später schlug ein Blitz in diese Linde ein. Es war das Jahr, wo mein Vater starb. So hat alles seinen Kreislauf.» «Zwei Tage nach Simons 18. Ge- burtstag, er war gerade im dritten Lehrjahr als Landwirt, starb sein Vater an Krebs», erklärt seine Mutter Marianne, 53. «Es war für uns alle eine riesige Herausforde- rung.» Simon half ihr, wo er konn- te, und übernahm früh viel Ver- antwortung. Er machte aus dem elterlichen Hof mit 25 Hektaren Land einen Bio-Modellbetrieb. «Ständig denke ich darüber nach, den Kreislauf im Betrieb so natur- nah wie möglich nachzubilden. Echter Cowboy Nach vier Stunden Arbeit im Stall und auf dem Feld darf der Aargauer Landwirtschafts- minister Markus Dieth die Bio- Rinder auf die Weide lassen. Handarbeit Als Politiker ist Dieth ein «Büro- gummi». Trotz- dem macht er mit der Heuga- bel bella figura. Wenn nichts verlorengeht, ist das auch finanziell richtig.» Sechs Uhr in der Früh. Klug und klar sind Lüschers Anwei- sungen an Regierungsrat Markus Dieth, 51, für die Arbeit im Kuh- stall: «Nach der Verteilung des Silograses kannst du pro zwei Tiere eine Schaufel Zuckerrüben- schnitzel geben. Das Gras hat Ei- weiss, und die Rüben enthalten Kohlenhydrate.» Markus Dieth nickt und verteilt das Futter, als würde er jedes Wochenende bei Lüschers aushelfen. «Mir gefällt diese Arbeit. Auch wenn ich selber als gelernter Anwalt eigentlich ein Bürogummi bin.» Bevor Dieth CVP-Regierungsrat wurde, war er Gemeindeammann von Wet- tingen AG, er gilt als umgänglich. «Als Anwalt habe ich vor allem Scheidungen gemacht, und wäh- rend dem Studium war ich Gärt- ner und mehrere Jahre bei der Flughafenpolizei. Mit meiner Frau 1Msire'e war ich auch DJ und Barkeeper», erzählt er lachend. «Aber so früh am Morgen schon so viel geschwitzt, das habe ich noch nie.» Nun legt er für die 30 Kühe im Laufstall Stroh aus. Asphalt-Cowboy: Regierungsrat Dieth nimmt - die Harley, um rechtzeitig bei . Bauer Lüscher in Holziken AG - - , orn Stall zu sein. - «Die werden später als Bio-Weide- rinder von der Migros verkauft», sagt der Jungbauer. Er lässt ihnen übrigens die Hörner. «Eine Kuh ohne Hörner ist wie ein Mensch, der lispelt», erklärt er dem Landwirtschaftsminister. «Hör- ner sind wichtig für ihre Kommu- nikation, fallen sie weg, fehlt was.» Kurz vor sieben gehts in den warmen Geflügelstall, wo 2000 Kü- ken darauf warten, vom Politi- ker gefüttert zu werden. «Markus, schau gut, dass kein Bibeli im Trog ist, sonst begräbst du es mit dem Futter.» Heute dürfen die 18 Tage Tag der offenen Hoftüren Am 2. Juni zeigen über 200 Bau- ern, was sie machen. Mehr Infos: offene- hoftueren.ch 48 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 49

Politiker wird Stallknecht - Dieth€¦ · FOTOS PASCAL MORA S imon Lüscher, 26, zeigt auf ein Bild seines Ho-fes. «Sehen Sie diese Linde hier vor dem Stall. Sie wurde ge-pflanzt

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Politiker wird

    Stallknecht Sein Vater starb an Krebs, als er 18 war. Mit 26 ist SIMON LÜSCHER Bauer des Jahres! Als Preis geht Regierungs-rat und Harley-Fan MARKUS DIETH beim Bio-Pionier misten und füttern.

    JIL

    TEXT WERNER DE SCHEPPER FOTOS PASCAL MORA

    Simon Lüscher, 26, zeigt auf ein Bild seines Ho-fes. «Sehen Sie diese Linde hier vor dem Stall. Sie wurde ge-

    pflanzt bei der Geburt meines Va-ters. 52 Jahre später schlug ein Blitz in diese Linde ein. Es war das Jahr, wo mein Vater starb. So hat alles seinen Kreislauf.»

    «Zwei Tage nach Simons 18. Ge-burtstag, er war gerade im dritten Lehrjahr als Landwirt, starb sein Vater an Krebs», erklärt seine Mutter Marianne, 53. «Es war für uns alle eine riesige Herausforde-rung.» Simon half ihr, wo er konn-te, und übernahm früh viel Ver-antwortung. Er machte aus dem elterlichen Hof mit 25 Hektaren Land einen Bio-Modellbetrieb. «Ständig denke ich darüber nach, den Kreislauf im Betrieb so natur-nah wie möglich nachzubilden.

    Echter Cowboy Nach vier Stunden Arbeit im Stall und auf dem Feld darf der Aargauer Landwirtschafts-minister Markus Dieth die Bio-Rinder auf die Weide lassen.

    Handarbeit Als Politiker ist Dieth ein «Büro-gummi». Trotz-dem macht er mit der Heuga-bel bella figura.

    Wenn nichts verlorengeht, ist das auch finanziell richtig.»

    Sechs Uhr in der Früh. Klug und klar sind Lüschers Anwei-sungen an Regierungsrat Markus Dieth, 51, für die Arbeit im Kuh-stall: «Nach der Verteilung des Silograses kannst du pro zwei Tiere eine Schaufel Zuckerrüben-schnitzel geben. Das Gras hat Ei-weiss, und die Rüben enthalten Kohlenhydrate.» Markus Dieth nickt und verteilt das Futter, als würde er jedes Wochenende bei Lüschers aushelfen. «Mir gefällt diese Arbeit. Auch wenn ich selber

    als gelernter Anwalt eigentlich ein Bürogummi bin.» Bevor Dieth CVP-Regierungsrat wurde, war er Gemeindeammann von Wet-tingen AG, er gilt als umgänglich. «Als Anwalt habe ich vor allem Scheidungen gemacht, und wäh-rend dem Studium war ich Gärt-ner und mehrere Jahre bei der Flughafenpolizei. Mit meiner Frau 1Msire'e war ich auch DJ und Barkeeper», erzählt er lachend. «Aber so früh am Morgen schon so viel geschwitzt, das habe ich noch nie.» Nun legt er für die 30 Kühe im Laufstall Stroh aus.

    Asphalt-Cowboy: Regierungsrat Dieth nimmt

    - die Harley, um rechtzeitig bei.

    • Bauer Lüscher in Holziken AG -

    - , orn Stall zu sein.

    -

    «Die werden später als Bio-Weide-rinder von der Migros verkauft», sagt der Jungbauer. Er lässt ihnen übrigens die Hörner. «Eine Kuh ohne Hörner ist wie ein Mensch, der lispelt», erklärt er dem Landwirtschaftsminister. «Hör-ner sind wichtig für ihre Kommu-nikation, fallen sie weg, fehlt was.»

    Kurz vor sieben gehts in den warmen Geflügelstall, wo 2000 Kü-ken darauf warten, vom Politi-ker gefüttert zu werden. «Markus, schau gut, dass kein Bibeli im Trog ist, sonst begräbst du es mit dem Futter.» Heute dürfen die 18 Tage

    Tag der offenen Hoftüren Am 2. Juni zeigen über 200 Bau-ern, was sie machen. Mehr Infos: offene-hoftueren.ch

    48 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 49

  • winimesem

    -

    fzucht Regierungsrat Dieth füttert 2000 Bio-Küken Stall, bevor sie erstmals raus auf die Weide dürfen.

    use Das Zmorge von imons Freundin Cdline (I. rd von tter Marianne dem Temporärmitarbeiter Markus serviert.

    Bibeli-Transport Markus Dieth fährt mit Bauer Lüscher 18 Tage alte Bibeli zu den Weideställen.

    1270 rZSO Swissline

    «Ich habe als Gärtner, D.J und Flughafenpolizist gejobbt, aber das war nie so streng!»

    REGIERUNGSRAT MARKUS DIETH

    alten Küken erstmals aus dem geschlossenen Stall hinaus auf die Weide. Damit die Bibeli während ihrer Mastzeit immer frisches Wei-degras haben, hat Bauer Lüscher solarbetriebene mobile Ställe ge-baut, die er über die Weiden hin-weg verschieben kann, damit keine Narben entstehen. Für all diese in-novativen und unternehmerischen Ideen wurde Simon Lüscher Ende 2018 zum Bauer des Jahres gekürt.

    Nach dem Zmorge gehts aufs Feld. Dort sticht Lüscher mit dem Spaten ein Stück Erde aus dem Acker: «Diese Erde ist unsere Grundlage. Sie gehört nicht mir, schon meine Grosseltern haben sie bearbeitet. Markus, siehst du die Würmer? Die sehe ich gern.

    Wenn der Boden zu verdichtet ist, hats keine mehr.» — «Wie alt wer-den eigentlich so Würmer?», fragt Dieth. «Etwa fünf Jahre.»

    Draussen wirds warm. Zeit, die Bibeli mit dem Hoflader raus-zubringen, damit sie 80 Tage alt als Bio-Freilauf-Poulet verkauft werden können. Regierungsrat Markus Dieth fährt den Traktor mit den Bibeli-Kisten sanft raus. Der Tag bei Lüscher hat ihm die Augen geöffnet. «Eigentlich war mein Geschenk an Simon, als Knecht helfen zu kommen, vor al-lem ein Geschenk für mich. Simon hat mir den Kreislauf des Lebens auf seinem Hof so gut erklärt, dass ich gern wiederkomme, wenn er das will. Anruf genügt!» •

    50 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE

    20190405-091639-mfvxPage 1

    20190405-091648-mfvxPage 1