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Psychische Stärke

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Psychische Stärke in German Language

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Inhalt Theoretischer Teil ....................................................................................................................... 4

    Einleitung................................................................................................................................... 4

    3.1 Mit gesellschaftlichen Vorurteilen umgehen ...................................................................... 5

    3.1.1 Fallbeispiel: Brief "Lass uns gemeinsam spielen" ......................................................... 5

    Praktischer Teil ............................................................................................................................ 9

    3.1.2. Vorurteile berwinden (Reflexionsbung) .................................................................. 9

    Theoretischer Teil ..................................................................................................................... 11

    3.2 Selbstwertgefhl ............................................................................................................... 11

    3.2.1 Wie man positives Selbstwertgefhl erkennt ............................................................ 11

    3.2.2. Wie man geringes Selbstwertgefhl erkennt ............................................................ 12

    3.2.3. Drei Mglichkeiten, das Selbstwertgefhl zu steigern .............................................. 13

    Praktischer Teil .......................................................................................................................... 15

    3.2.4 berlegungen zu Affirmationen ................................................................................. 15

    3.2.5 bung: Wir knnen uns selbst damit beeinflussen, was wir zu uns sagen ............... 16

    3.2.6. Persnliche Geschichte: Die Mutter eines Familienmitglieds mit Autismus ............ 17

    3.2.7. Untersttzung bei der Entwicklung eines positiven Selbstwertgefhls (Reflexionsbung) ............................................................................................................... 18

    3.2.8. Praktische bung: Strkung des Selbstwertgefhls .................................................. 21

    3.2.9. Beispiele zur Reflexion .............................................................................................. 21

    3.2.10. Selbsteinstufungstest (Rosenberg Selbstwertskala) ............................................... 27

    Theoretischer Teil ..................................................................................................................... 28

    3.3. Kommunikation in der Familie ......................................................................................... 28

    3.3.1. Faktoren, die die Kommunikationsebene beeinflussen knnen ............................... 29

    3.3.2. Strategien fr eine effektive Kommunikation in einem familienzentrierten Kontext ............................................................................................................................................. 32

    Praktischer Teil .......................................................................................................................... 32

    3.3.3 Zuhren ...................................................................................................................... 33

    3.3.4 Was Sie als Eltern vermeiden sollten (Reflexionsbung) ........................................... 36

    3.4. Test zur psychischen Strke von Eltern ............................................................................ 39

    Praktischer Teil .......................................................................................................................... 40

    3.5. Ermutigende und lobende Worte .................................................................................... 40

    3.6. Vervollstndigen Sie die folgenden Stze mit passenden Wrtern ............................ 41

    3.7. Positives Denken .............................................................................................................. 42

    2

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Theoretischer Teil ..................................................................................................................... 43

    3.7.1 Was ist positives Denken? - Wie Sie Ihr Familienmitglied mit Behinderung frdern knnen ................................................................................................................................. 43

    3.7.2 Knnen Menschen mit Behinderung das Konzept des positiven Denkens verstehen? ............................................................................................................................................. 43

    3.7.3 Wie knnen Eltern positives Denken frdern? .......................................................... 46

    3.7.4 Wichtige Punkte, an die wir denken sollten............................................................... 47

    Praktischer Teil .......................................................................................................................... 48

    3.7.5 bungen zum positiven Denken ................................................................................ 48

    3.7.6 Wie man positives Verhalten frdern kann ............................................................... 49

    Praktischer Teil .......................................................................................................................... 54

    3.7.7 Tipps zum positiven Denken ...................................................................................... 54

    3.7.8. bung zum positiven Denken ................................................................................... 55

    3.7.9 Reflexion ..................................................................................................................... 56

    3.7.10 bung: "Warum es nicht offensichtlich ist" ............................................................. 56

    3.7.11. bung "Selbsteinstufung des Glcks" ..................................................................... 56

    3.7.12 bung "Positives Denken - Dankbarkeit und Zuversicht" ........................................ 58

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Theoretischer Teil

    Einleitung Eine weit verbreitete Definition beschreibt Empowerment (psychische Strke) als "... einen

    bewussten, fortlaufenden Prozess ..., der dafr sorgt, dass Menschen, die nicht denselben

    Anteil an wertvollen Ressourcen haben, einen besseren Zugang zu diesen Ressourcen und

    strkere Kontrolle ber diese Ressourcen erhalten." (Cornell Empowerment Group, 1999, S. 2).

    In diesem Modul definieren wir Empowerment als "... einen Prozess, der Familien Zugang zu

    Kenntnissen, Fhigkeiten und Ressourcen gibt, die es

    ihnen ermglichen, positive Kontrolle ber ihr eigenes

    Leben zu gewinnen und ihre Lebensqualitt zu

    verbessern." (Singh, 1995, S. 13). Dazu zhlen wichtige

    Aspekte von Selbstwirksamkeit, das Gefhl, Kontrolle

    zu haben, das Erfllen persnlicher Bedrfnisse und

    die Nutzung des eigenen Wissens, um die Bedrfnisse

    von Familienmitgliedern mit Behinderung

    zufriedenzustellen und deren Strken zu erkennen.

    Abb. 3.0 Weit du was? Ja, das kannst du!

    Das Hauptziel des Moduls ist es, den Eltern/Angehrigen die Botschaft "Ja, du kannst" sowohl

    fr sich selbst als auch fr ihr Familienmitglied mit Behinderung ans Herz zu legen. Dies betrifft

    drei wichtige Punkte: das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefhl und vor allem das Wissen,

    dass Sie Ihr eigenes Leben und das Leben Ihres Familienmitglieds mit Behinderung

    beeinflussen.

    Dieses Modul legt besonderen Wert auf die individuelle Strkung der Eltern/Angehrigen.

    Wenn Sie als Elternteil/Angehrige/Angehriger das Gefhl haben, Ihr Familienmitglied mit

    Behinderung bentigt externe psychologische Untersttzung, so zgern Sie bitte nicht und

    nehmen Sie mit einer Expertin/einem Experten Kontakt auf. Psychologische Untersttzung

    finden Sie ber Empfehlungen von Menschen, denen Sie vertrauen, oder Sie wenden sich an

    Ihre rztin/Ihren Arzt oder an ein psychosoziales Betreuungszentrum.

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.1 Mit gesellschaftlichen Vorurteilen umgehen

    3.1.1 Fallbeispiel: Brief "Lass uns gemeinsam spielen"

    Abb. 3.1 Kinder beim Spielen auf dem Schulhof

    "Lassen Sie uns ein Spiel spielen - die Positionen wechseln! Stellen Sie sich vor, dass Sie

    Ballspiele lieben, aber an einen Stuhl gefesselt sind und sich nicht befreien knnen.

    Ihre KollegInnen laufen an Ihnen vorbei, spielen mit dem Ball, lachen, haben Spa und

    bemerken Sie nicht einmal. Sie brechen in Trnen aus, aber niemand kann die Trnen

    trocknen - auch Sie selbst nicht.

    Stellen Sie sich vor, dass Sie noch zur Schule gehen und die Klassensprecherin/der

    Klassensprecher sind. Pltzlich verstehen Sie kein Wort von dem, was Ihre LehrerInnen

    unterrichten. Sie finden es schwierig, sich zu konzentrieren und mit den Unterlagen zu

    arbeiten. Sie werden nicht einmal bewertet, whrend andere Hefte voller "Sehr gut"

    sind. Dann gibt es eine Feier. ber Sie wird nichts oder nur etwas ganz Kurzes gesagt.

    Sie nehmen nicht an Schulveranstaltungen teil und Ausflge sind fr Sie tabu. Alle

    lachen Sie aus und starren Sie an... Trnen laufen Ihnen ber das Gesicht, aber sie

    bleiben alleine...

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Zu Ihrem Glck ist das nur ein Spiel, aber fr mich ist das mein Leben!

    Es gibt unzhlige Mglichkeiten, aber spielen wir doch zusammen in einem Team und

    ndern die Regeln: Obwohl ich nicht aus dem Stuhl aufstehen kann, knnen Sie mir

    den Ball herwerfen und mich anlcheln. So kann ich beim Spiel mitmachen. Wenn ich

    dem Unterricht nicht folgen kann oder die Aufgabe nicht verstehe, helfen Sie mir und

    untersttzen Sie mich. Nehmen Sie mich so an, wie Sie sich selbst annehmen, auch

    wenn man mit mir anders umgehen muss, es schwieriger ist, mit mir zu sprechen oder

    mir zu schreiben. Keine Trnen, nur Lcheln...

    Wir sind bereits im gleichen Team - SPIELEN WIR DOCH EINFACH!"

    Abb. 3.2 Darstellung der Gesellschaft

    Viele Annahmen und Beurteilungen, die ber Menschen mit Behinderung und deren

    Familien getroffen werden, werden vor dem Hintergrund eines medizinischen

    Modellansatzes getroffen. Dies ist zwar in einem sozio-kulturellen Kontext, in dem ein

    medizinisches Verstndnis von Behinderung dominiert, nicht weiter berraschend,

    man muss jedoch auch davon ausgehen, dass diese Annahmen und Beurteilungen

    "ohne Bercksichtigung der relevanten Fakten und Argumente" vorgenommen

    werden, d. h. auf Vorurteilen beruhen.

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Vorurteile finden nicht isoliert statt, sie sind Teil dessen, wie Diskriminierung auf der

    persnlichen Ebene zum Ausdruck gebracht wird. Voreingenommene Beurteilungen

    werden aus einer Position heraus getroffen, in der Menschen der Ansicht sind, dass sie

    ziemlich genau wissen, worum es geht, weil "es ja auf der Hand liegt". Die Gesellschaft

    erinnert uns immer wieder - zum Beispiel durch die Darstellung in den Medien - daran,

    dass Behinderung ein tragisches Einzelschicksal darstellt: Wenn nicht darauf

    hingewiesen wird, dass diese sogenannte "Wahrheit" ein verzerrtes Bild darstellt,

    werden die Menschen keinen Grund haben anzunehmen, dass es sich anders verhlt.

    Voreingenommene Haltungen gegenber Menschen mit Behinderung sind das

    unvermeidliche Ergebnis der Teilnahme an einer Gesellschaft, die Behinderung als

    persnliche Tragdie oder als individuelles Problem sieht. Manchmal spielen - trotz

    bester Absichten - Familien unwissentlich eine Rolle dabei, eine positive Identifizierung

    mit der Behinderung zu verhindern.

    Abb. 3.3 Eine Familie

    Eltern/Angehrige erkennen oft vllig zu Recht, dass die Fhigkeiten ihrer Tchter und

    Shne bei weitem das berwiegen, was von Fachleuten und/oder Angehrigen als

    "Einschrnkung" definiert wird. Wenn Behinderung als krperliche Einschrnkung, als

    etwas, das mit dem Krper nicht stimmt, oder als unerwnschter Unterschied gesehen

    wird, kann es vorkommen, dass man seine Familienangehrigen ermutigt, sich selbst

    "nicht als behindert" anzusehen. Wenn jedoch junge Menschen mit Behinderung

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    lernen, sich selbst "gleich" wie ihre Geschwister ohne Behinderung zu sehen, fhrt das

    oft dazu, dass sie ihre Identitt als "behinderter Mensch" fr sich ablehnen.

    Auch spezielle Einrichtungen und Schulen frdern diese Art des Denkens hufig. Sie

    betonen stndig die Wichtigkeit der Normalitt. Sie ermutigen junge Menschen mit

    Behinderung, "Normalitt" als groartiges Ziel zu sehen, auf das man hinarbeiten

    sollte. Dadurch sehen sie aber ihre Behinderung als etwas Negatives, das sie

    berwinden oder vermeiden sollten.

    So haben junge Menschen mit Behinderung zwar eine Komfortzone, solange sie im

    Schutz der Familie und der Schule sind; gleichzeitig bereitet sie das jedoch nicht auf die

    Vorurteile und Schwierigkeiten vor, denen sie als Erwachsene in einer Gesellschaft

    ausgesetzt sind, die auf der Annahme konzipiert wurde, dass es keine Menschen mit

    Behinderung gibt.

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Praktischer Teil

    3.1.2. Vorurteile berwinden (Reflexionsbung)

    Abb. 3.4 Unterschiede respektieren

    Was knnen Sie als Elternteil/Angehrige/Angehriger tun, um gesellschaftliche

    Vorurteile zu berwinden?

    1. Geben Sie dem Umfeld so viele Informationen wie mglich ber

    Behinderungen - sagen Sie, wie ihre Wirklichkeit aussieht.

    2. Ermglichen Sie es anderen Menschen, Ihr Kind mit Behinderung zu treffen,

    lassen Sie es nicht zu, dass es isoliert wird.

    3. Denken Sie daran, dass positive Einstellungen schon im frhen Alter entstehen

    knnen. (Siehe Modul 4).

    4. Verstecken Sie Ihr Familienmitglied mit Behinderung nicht, sondern versuchen

    Sie, anstatt der Schwchen und der Behinderung ihre/seine Strken und

    Fhigkeiten aufzuzeigen.

    5. Teilen Sie die Erfolgsgeschichten Ihres Familienmitglieds mit Behinderung mit

    Ihrem Umfeld, auch wenn Sie der Ansicht sind, dass es sich nur um kleine

    Schritte handelt.

    RESPEKT fr die

    UNTERSCHIEDE

    GEGEN DISKRIMINIERUNG

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    6. Die Gesellschaft braucht gute Beispiele und ermutigende Geschichten von

    Menschen mit Behinderung, die trotz ihrer Grenzen ein sogenanntes "normales

    Leben" fhren.

    7. Wenn es Ihnen mglich ist, nehmen Sie an Treffen mit anderen Eltern teil und

    erzhlen Sie von Ihren Herausforderungen, Problemen und positiven

    Leistungen. Das kann Ihnen helfen, mehr Selbstvertrauen und Strke zu

    gewinnen.

    8. Denken Sie daran, dass Vorurteile nicht deshalb entstehen, weil die

    Gesellschaft aus schlechten, negativen oder ablehnenden Menschen besteht,

    sondern weil sie ber Behinderungen und deren Konsequenzen zu wenig

    informiert sind.

    9. Als Elternteil/Angehrige/Angehriger knnen Sie am besten erzhlen, wie es

    sich mit Behinderungen verhlt, und Sie knnen dabei die Fhigkeiten anstatt

    der Behinderung in den Vordergrund rcken.

    Fragen:

    Welche eigenen Beobachtungen haben Sie in Bezug auf die Bildung von Haltungen und

    Einstellungen gemacht?

    Warum sind Haltungen und Einstellungen so wichtig fr den sozialen Wandel?

    Wie wrden Sie die Bildung von Haltungen und Einstellungen auf lokaler und breiterer

    Ebene in der Gesellschaft beeinflussen? Welche Rolle wrden Sie einnehmen?

    Was war Ihre wichtigste Erkenntnis, nachdem Sie diesen Abschnitt gelesen haben?

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Theoretischer Teil

    3.2 Selbstwertgefhl

    3.2.1 Wie man positives Selbstwertgefhl erkennt

    Abb. 3.5 Das Selbstwertgefhl von Eltern

    Das Selbstwertgefhl zeigt, wie wir uns selbst bewerten; es steht dafr, wie wir

    unseren Wert fr die (Um-)Welt wahrnehmen und wie wertvoll wir denken, dass wir

    fr andere sind. Das Selbstwertgefhl wirkt sich auf unser Vertrauen in andere, auf

    unsere Beziehungen und auf unsere Arbeit aus - es beeinflusst beinahe jeden Teil

    unseres Lebens. Ein positives Selbstwertgefhl gibt uns die Strke und Flexibilitt,

    Verantwortung fr unser Leben zu bernehmen und mit unseren Fehlern zu wachsen,

    ohne Ablehnung zu frchten.

    Im Folgenden zhlen wir einige uere Anzeichen fr ein positives Selbstwertgefhl

    auf, die wir Ihnen als Elternteil eines Kindes mit Behinderung ans Herz legen wollen:

    x Vertrauen; x Selbstbestimmtheit (Suche nach einer klaren Richtung fr mgliche Lsungen); x nicht-beschuldigendes Verhalten; x Bewusstsein fr persnliche Strken; x die Fhigkeit, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen;

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    x die Fhigkeit, Fehler anderer zu akzeptieren; x Optimismus; x die Fhigkeit, Probleme zu lsen; x eine unabhngige und kooperative Einstellung; x die Fhigkeit, mit einer breiten Palette von Emotionen umzugehen; x die Fhigkeit, anderen zu vertrauen; x eine gute Einschtzung der persnlichen Grenzen; x die Fhigkeit, gut fr sich selbst zu sorgen; x die Fhigkeit, Nein zu sagen.

    3.2.2. Wie man geringes Selbstwertgefhl erkennt Ein Mensch mit geringem Selbstwertgefhl fhlt sich hufiger unwrdig, unfhig und

    inkompetent.

    Hier sind einige Anzeichen, mit Hilfe derer Sie sowohl Ihr eigenes Selbstwertgefhl als

    auch das Ihres Familienmitglieds mit Behinderung berprfen knnen:

    x negative Sicht des Lebens; x perfektionistische Haltung; x Misstrauen gegenber anderen - auch gegenber denjenigen, die Zuneigung

    zeigen;

    x beschuldigendes Verhalten; x Angst davor, Risiken einzugehen; x das Gefhl, ungeliebt und nicht liebenswert zu sein; x Abhngigkeit - Entscheidungen anderen berlassen; x Angst davor, sich lcherlich zu machen.

    Ein geringes Selbstwertgefhl baut sich oft ein Leben lang auf und tief verwurzelte

    Gefhle und Verhaltensweisen loszulassen, ist keine leichte Aufgabe.

    Es gibt einige einfache, positive Gedankentechniken, die man anwenden kann, um das

    Selbstwertgefhl zu steigern. Man nennt sie Affirmationen.

    12

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Affirmationen sind Mut machende Botschaften, die wir uns jeden Tag sagen knnen,

    bis sie Teil unserer Gefhle und berzeugungen sind. Affirmationen funktionieren am

    besten, wenn man entspannt ist. Da Menschen jedoch oft verrgert sind, wenn sie

    negativ ber sich selbst denken, mssen sie den negativen Botschaften

    mglicherweise mit positiven begegnen.

    3.2.3. Drei Mglichkeiten, das Selbstwertgefhl zu steigern Es gibt drei weitere Faktoren (Pretis 2013), die sich auf Ihr Selbstwertgefhl auswirken

    knnen. Sie stehen im Zusammenhang mit Zeitmanagement.

    Abb. 3.6 Die Familie eines Kindes mit Behinderung

    1. Bestimmen Sie Ihre Werte

    Um ein hohes Selbstwertgefhl zu haben, ist es unabdingbar, Ihr Leben im Einklang mit

    Ihren tiefsten Werten zu leben. Menschen, die ihre Werte genau kennen, wissen,

    woran sie glauben. Sie weigern sich, ihre Werte zu kompromittieren, und sie lieben

    und respektieren sich selbst viel mehr als Menschen, die sich nicht darber klar sind,

    was ihnen wirklich wichtig ist.

    Damit stellt sich natrlich die folgende Frage: "Wie viel Wertschtzung bringen Sie sich

    und Ihrem Leben entgegen?" Menschen, die sich selbst wertschtzen, nutzen ihre Zeit

    gut, denn sie wissen, dass Zeit Leben ist. Ihre Handlungen erwecken in Ihnen Gefhle,

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    die weitgehend mit den jeweiligen Handlungen bereinstimmen. Wenn Sie also so

    handeln, als ob Ihre Zeit sehr wertvoll wre, bewirkt die Handlung, dass Sie selbst sich

    wertvoll und bedeutend fhlen. Indem Sie Ihre Zeit gut einteilen, knnen Sie

    tatschlich auch Ihr Selbstwertgefhl steigern.

    2. Das Streben nach Selbstkontrolle

    Der zweite Faktor, der Ihr Selbstwertgefhl beeinflusst, ist Ihr Gefhl der Kontrolle

    ber Ihr Leben, das Gefhl der Selbstkontrolle ber Ihre Handlungen.

    Alles, was Sie ber Zeitmanagement lernen und dann in Ihrem Familienleben

    anwenden, wird Ihre Selbstkontrolle und Ihre Kontrolle ber Ihr Leben steigern.

    Dadurch fhlen Sie sich wirkungsvoller. Sie fhlen sich produktiver und

    leistungsfhiger. Das wiederum erhht Ihr Selbstwertgefhl und verbessert Ihr

    persnliches Wohlbefinden.

    3. Wissen Sie, was Sie wollen?

    Der dritte Faktor, der einen direkten Einfluss auf Ihr Selbstwertgefhl hat, beschreibt

    Ihre aktuellen Ziele sowie die Manahmen, die Sie ergreifen, um diese Ziele zu

    erreichen. Je mehr Ihre Ziele und Handlungen mit Ihren Werten bereinstimmen,

    desto besser fhlen Sie sich. Wenn Sie an etwas arbeiten, woran Sie glauben und das

    im Einklang mit Ihren natrlichen Talenten und Fhigkeiten steht, werden Sie Ihre

    Arbeit besser machen knnen.

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Praktischer Teil

    3.2.4 berlegungen zu Affirmationen Beginnen Sie jeden Tag mit einem Blick in den Spiegel und sagen Sie sich eine positive

    Botschaft. Ersetzen Sie beispielsweise die Aussage "Ich als Elternteil habe einen

    dummen Fehler gemacht und man kann sich auf mich nicht verlassen.", durch "Ja, ich

    habe einen Fehler gemacht, aber ich habe daraus gelernt. Das hat mich klger

    gemacht."

    Die folgenden Affirmationen knnen Ihnen helfen, an einem positiven Selbstbild zu

    arbeiten:

    x Ich respektiere mich und andere. x Ich bin liebenswert und sympathisch. x Ich bin zuversichtlich und ich zeige das. x Ich sorge fr mich selbst. x Ich baue liebevolle, gesunde Beziehungen auf. x Ich bin mir selbst und anderen eine gute Freundin/ein guter Freund. x Ich bin eine gute Mutter/ein guter Vater/eine gute Angehrige/etc. und sie/er

    kann sich auf mich verlassen.

    x Ich akzeptiere mich so, wie ich bin. x Ich sehe groartig aus. x Das Leben ist gut und ich bin gerne ein Teil davon. x Mit einem Familienmitglied mit Behinderung zu leben, ist eine

    Herausforderung aber keine Tragdie fr mich und meine Familie.

    Die Praxis zeigt, dass Menschen mit einem hohen Selbstwertgefhl glcklicher und

    kompetenter sind. Sie erkennen Signale anderer schneller und knnen dadurch auf

    andere Menschen rascher und sensibler reagieren. Smalls Forschungen zeigen, dass es

    eine Beziehung zwischen dem Selbstwertgefhl der Eltern und ihrer Verhaltensweise

    gegenber ihren Familienmitgliedern gibt.

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.2.5 bung: Wir knnen uns selbst damit beeinflussen, was wir zu uns sagen Wir knnen unser Ich damit beeinflussen, was wir uns sagen. Menschen mit geringem

    Selbstwertgefhl sagen sich selbst, dass sie nicht gut sind, nichts Gutes machen,

    wertlos sind. - berlegen Sie sich bitte eine Aussage, die Ihr geringes Selbstwertgefhl

    widerspiegelt, schreiben Sie sie auf und nehmen Sie sich ein wenig Zeit, um darber zu

    reflektieren. Dann formulieren Sie eine Aussage, die das Gegenteil aussagt. Schreiben

    Sie sie auch nieder und reflektieren Sie auch darber. Wenn etwa die Aussage mit

    geringem Selbstwertgefhl lautet "Ich mache nie etwas richtig und werde nie eine

    zuverlssige Mutter/ein zuverlssiger Vater sein.", lautet das Gegenteil der Aussage

    beispielsweise "Du kannst Dinge richtig machen und wirst eine zuverlssige Mutter/ein

    zuverlssiger Vater werden."

    Dann berlegen Sie sich, wie positives Denken zu Ihrer Menschenwrde beitragen

    kann. Schreiben Sie Beispiele wie die folgenden nieder:

    x Sie und Ihr Familienmitglied mit Behinderung sind wertvoll. x Sie und Ihr Familienmitglied mit Behinderung sind etwas Besonderes. x Sie haben gute Ideen. x Sie sind in der Lage, eine gute Mutter/ein guter Vater/ etc. zu sein. x Sie machen Ihre Sache sehr gut. x Sie sind lustig.

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  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.2.6. Persnliche Geschichte: Die Mutter eines Familienmitglieds mit Autismus

    Abb. 3.7. Ani und ihr Sohn Georgi

    Mein Name ist Ani Shileva und ich bin die Mutter eines Sohnes mit Autismus. Die

    Erziehung meines Sohnes ist eine groe Herausforderung fr mich und manchmal ist

    es schwierig zu beurteilen, ob ich richtig reagiere. Mein Sohn heit Georgi und er ist

    ein sechzehn Jahre alter junger Mann mit Autismus. Er hat ernsthafte kommunikative

    und kognitive Schwierigkeiten. Durch die Teilnahme an europischen Projekten zum

    Thema Behinderung ist mir klar geworden, dass ich durch meinen Wunsch, fr die

    Weiterentwicklung meines Sohnes zu arbeiten, oft seinen persnlichen Raum verletzt

    und Anforderungen an ihn gestellt habe, die er nicht erfllen kann. So provoziere ich

    negative Reaktionen seinerseits und verschlechtere unsere Interaktion.

    Seit ich mich in einem Verein fr Eltern von Kindern mit Behinderung engagiere,

    verhalte ich mich vorsichtiger und nehme auf seine Stimmungen und Fhigkeiten

    Rcksicht. Ich habe eingesehen, dass ich sein Recht, sich selbst zu entscheiden, verletzt

    oder eingeschrnkt habe. Nun achte ich im Alltag (z. B. beim Essen, in Bezug auf seine

    Freizeit und seine Ausbildung) mehr auf seine Entscheidungsfreiheit. Einen Menschen

    mit Behinderung zu pflegen, ist fr uns als Eltern eine Lebensaufgabe und stellt uns des

    fteren auf die Probe. Auch wir brauchen Untersttzung und die Trainings, an denen

    17

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    ich teilnahm, haben mich psychisch sehr gestrkt. Ich wurde bei der Erziehung meines

    Sohnes sensibler und flexibler. Ich erzhlte auch dem Rest meiner Familie, was ich

    gelernt hatte, und so konnten wir einige Differenzen vermeiden. All dies hat mich

    selbstbewusster und mutiger gemacht. Meine Arbeit als Projektkoordinatorin bedeutet

    stndige Kommunikation mit Menschen mit Behinderung und deren Angehrigen. Ich

    empfand schon immer Respekt fr diese Personengruppe, aber jetzt bin ich geduldiger

    und ermutige sie, ihr Potenzial zu entwickeln und keine Angst zu haben, fr ihre

    Absichten einzustehen.

    3.2.7. Untersttzung bei der Entwicklung eines positiven Selbstwertgefhls (Reflexionsbung) Manche Eltern sind sich dessen bewusst, dass ein gutes Selbstwertgefhl mit sozialem

    Erfolg und dem Erfolg im Leben verknpft ist. Sie erkennen jedoch manchmal nicht,

    wie leicht man dem Selbstwertgefhl schaden kann. So zeigen Forschungen

    beispielsweise, dass Menschen mit Lernverzgerung besonders hufig unter geringem

    Selbstwertgefhl leiden, dass sie aber davon profitieren, wenn ihre Eltern und

    Angehrigen sie bei der Entwicklung eines positiven Selbstwertgefhls untersttzen.

    Denken Sie ein wenig ber die folgenden Fragen nach:

    x Was luft mit Ihrem Kind gut? x Fragen Sie Ihre anderen Kinder, was mit der Schwester/dem Bruder gut luft? x Was sind Ihre Kommunikationszeichen? x Beteiligen sich der Vater/die Mutter oder andere Angehrige?

    1. Helfen Sie Ihrem Familienmitglied dabei, sich besonders und wertgeschtzt zu

    fhlen. Einer der Hauptfaktoren, die dazu beitragen, dass Familienangehrige

    Hoffnung entwickeln und strker werden, ist die Anwesenheit von mindestens einem

    Erwachsenen, der das Familienmitglied dabei untersttzt, sich angenommen und

    wertgeschtzt zu fhlen. Das muss ein Erwachsener sein, der die Probleme des

    Familienmitglieds nicht ignoriert, aber sich auf die Strken konzentriert. Als Elternteil

    knnen Sie dazu "spezielle Zeiten" whrend der Woche reservieren. Wenn Ihr

    18

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Familienmitglied mit Behinderung jung ist, kann es auch hilfreich sein, wenn Sie

    Folgendes sagen: "Wenn ich dir vorlese oder mit dir spiele, gehe ich nicht ans Telefon,

    wenn es klingelt, denn diese Zeit ist nur fr dich!" Whrend dieser "speziellen Zeiten"

    sollten Sie Dinge machen, die Ihr Familienmitglied gerne macht, sodass sie/er die

    Mglichkeit hat, sich zu entspannen und ihre/seine Strken hervorzuheben.

    2. Untersttzen Sie Ihr Familienmitglied bei der Entwicklung von

    Problemlsungsfertigkeiten und dabei, Entscheidungen zu treffen. Ein hohes

    Selbstwertgefhl steht in Verbindung mit guten Problemlsungsfertigkeiten. Wenn Ihr

    Familienmitglied beispielsweise Schwierigkeiten mit einer Freundin/einem Freund hat,

    knnen Sie es bitten, sich ein paar Mglichkeiten zur Lsung der Situation zu

    berlegen. Keine Sorge: Wenn Ihr Familienmitglied nicht sofort eine Lsung parat hat,

    knnen Sie ihr/ihm dabei helfen, mgliche Lsungsmglichkeiten abzuwgen. Sie

    knnen auch Rollenspiele einsetzen, um Ihrem Familienmitglied verschiedene Schritte

    zur Problemlsung aufzuzeigen.

    3. Vermeiden Sie (ab-)wertende Kommentare; finden Sie stattdessen positivere

    Formulierungen. Hufig klingt etwa dieser Kommentar anklagend: "Rei' dich

    zusammen und bemhe dich mehr." Stattdessen knnen Sie sagen: "Wir knnen uns

    bessere Mglichkeiten berlegen, die dir helfen werden, zu lernen." Menschen mit

    Behinderung sind nicht so defensiv, wenn man das Problem als "Strategie" bezeichnet,

    die man ndern sollte, anstatt als fehlende Motivation. Dieser Ansatz verstrkt auch

    die Problemlsungsfertigkeiten.

    4. Seien Sie einfhlsam. Es gibt Eltern, die aus ihrer eigenen Frustration heraus etwas

    wie das Folgende sagen: "Warum hrst du mir nicht zu?", oder: "Warum schaltest du

    nicht dein Hirn ein?" Wenn Ihr Familienmitglied mit Behinderung Schwierigkeiten mit

    dem Lernen hat, sollten Sie einfhlsam sein und ihr/ihm sagen, dass Sie von

    ihren/seinen Schwierigkeiten wissen. Dann knnen Sie aus den Schwierigkeiten eine

    Herausforderung machen und gemeinsam mgliche Lsungen berlegen.

    19

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    5. Lassen Sie Ihrem Familienmitglied Wahlmglichkeiten. Das verringert auch

    Machtkmpfe. Fragen Sie zum Beispiel Ihr Familienmitglied, ob sie/er gerne fnf oder

    zehn Minuten vor dem Schlafengehen erinnert werden wrde, sich bettfertig zu

    machen. Diese kleinen Entscheidungen legen die Grundsteine fr das Gefhl der

    Kontrolle ber das eigene Leben.

    6. Vergleichen Sie die Geschwister nicht miteinander. Es ist wichtig, Geschwister nicht

    miteinander zu vergleichen und die Strken jedes einzelnen Familienmitglieds

    hervorzuheben.

    7. Heben Sie die Strken Ihres Familienmitglieds hervor. Leider haben viele

    Jugendliche, vor allem in Bezug auf die Schule, eine negative Meinung von sich.

    Machen Sie eine Liste mit den Strken Ihres Familienmitglieds. Whlen Sie eine dieser

    Strken und berlegen Sie, wie Sie sie verstrken knnen. Wenn Ihr Familienmitglied

    etwa eine groartige Knstlerin/ein groartiger Knstler ist, stellen Sie ihre/seine

    Kunstwerke aus.

    8. Schaffen Sie Mglichkeiten zu helfen. Geben Sie Ihren Familienangehrigen

    Mglichkeiten zu zeigen, dass es etwas gibt, das sie der Welt geben knnen. Ihr

    Familienmitglied in wohlttige Arbeiten (z. B. Kunsttherapie-Werkstatt) einzubeziehen,

    ist nur ein mgliches Beispiel. Anderen zu helfen, strkt sicherlich das Selbstwertgefhl

    jedes Menschen.

    9. Haben Sie in Bezug auf Ihr Familienmitglied realistische Erwartungen und Ziele.

    Realistische Erwartungen geben Ihrem Familienmitglied die Mglichkeit zu verstehen.

    Die Entwicklung von Selbstbestimmung geht Hand in Hand mit dem Selbstwertgefhl.

    10. Helfen Sie Ihrem Familienmitglied mit Behinderung dabei, die Natur ihres/seines

    Problems zu verstehen. Einige Menschen haben in Bezug auf ihre Probleme und

    Behinderungen falsche Vorstellungen, die ihre Notlage noch schlimmer machen. (Ein

    Familienmitglied mit Behinderung sagte beispielsweise, er sei mit nur einem halben

    20

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Gehirn zur Welt gekommen.) Mit realistischen Informationen hat Ihr Familienmitglied

    mit Behinderung ein strkeres Gefhl der Selbsteinschtzung und erkennt auch, dass

    man etwas tun kann, um die Situation zu verndern.

    11. Gestatten Sie es Ihrem Familienmitglied mit Behinderung nicht, Fehler

    ausschlielich mit der Behinderung zu rechtfertigen. Es gibt Familienmitglieder mit

    Behinderung und deren Eltern, die versuchen, Fehler mit der Behinderung zu

    rechtfertigen. Doch nicht immer entspricht das der Realitt. Das Familienmitglied mit

    Behinderung sollte dazu ermutigt werden, ihre/seine Strken einzusetzen, um diverse

    Alltagssituationen zu bewltigen.

    3.2.8. Praktische bung: Strkung des Selbstwertgefhls Im Folgenden finden Sie einige Vorschlge zur allgemeinen Strkung des

    Selbstwertgefhls.

    x Konzentrieren Sie sich immer auf die Strken Ihres Familienmitglieds mit Behinderung.

    x Akzeptieren Sie Ihr Familienmitglied und geben Sie ihr/ihm das Gefhl, dass sie/er so geschtzt und geliebt wird, "wie sie/er ist".

    x Zeigen Sie Ihrem Familienmitglied mit Behinderung den gleichen Respekt wie den Familienmitgliedern ohne Behinderung.

    x Loben Sie Anstrengungen und Verbesserungen, nicht nur gute Leistungen. x Sagen Sie Ihrem Familienmitglied mit Behinderung, dass Sie an sie/ihn glauben. x Achten Sie darauf, dass Ihre Ansprche und Erwartungen nicht so hoch sind,

    dass sie entmutigen und Fehler provozieren.

    3.2.9. Beispiele zur Reflexion Beispiel 1

    F: Ich habe eine 5-jhrige Tochter mit Behinderung. Sie geht in den Kindergarten und

    ist manchmal wirklich sehr unzufrieden mit sich selbst. Zum Beispiel musste sie in der

    Gruppe einmal etwas ausarbeiten, wo es darum ging, zu sagen, warum sie etwas

    21

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Besonderes ist. Sie reagierte sehr negativ und sagte, sie sei berhaupt nicht besonders

    und es gebe nichts Besonderes an ihr. Auch wenn sie schwierige Aufgaben nicht

    erfllen kann oder etwas verschttet, ist sie sehr unzufrieden mit sich selbst.

    Irgendwelche Vorschlge, wie man ihr Selbstwertgefhl aufbauen kann?

    A: Wenn Kinder mit dem Kindergarten beginnen, fangen sie oft an, sich mit ihren

    KameradInnen auf allen Ebenen zu vergleichen. Oft kann man dann beobachten, wie

    der Selbstwert fllt und das Selbstbild sich verschlechtert, vor allem wenn sie/er von

    Natur aus sehr streng mit sich selbst ist. Ermutigen Sie sie in allem, was sie macht, und

    helfen sie ihr dabei, realistische Erwartungen an sich selbst zu haben. Achten Sie

    bewusst auf Aktivitten, Talente und Interessen, die es ihr ganz natrlich ermglichen,

    selbstsicher zu handeln.

    Beispiel 2:

    F: Mein Sohn hat ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) und eine zentralauditive

    Verarbeitungsstrung, die letzten Juni diagnostiziert wurde. Er geht dieses Jahr in die

    siebte Klasse und hat wegen seiner auditiven Verarbeitungsstrung seit etwa sechs

    Monaten einen Tutor, was ihm sehr gut tut. Leider hat er ein so geringes

    Selbstwertgefhl, dass er, wenn etwas (z. B. beim Sport oder bei Schularbeiten) nicht

    gleich funktioniert, aufgibt und sich weigert, es noch einmal zu versuchen. Er hatte

    immer schon Schwierigkeiten mit der Koordination und war noch nie besonders gut im

    Sport, aber pltzlich kommt alles zusammen und jetzt bemht er sich gar nicht mehr.

    (Er hat es dieses Jahr mit Ringen versucht und war zeitweise wirklich gut.) Er hat eine

    sehr intelligente Schwester und einen sportlich talentierten Bruder und ich glaube

    wirklich, er kann es vermutlich mit beiden aufnehmen. Wie kann ich ihm dabei helfen,

    den Wunsch zu entwickeln, etwas anderes zu versuchen, als einfach nur fernzusehen?

    Er ist immer so entmutigt; es kommt mir vor, als habe er stndig eine dunkle Wolke

    ber seinem Kopf. Ich habe ihm Kunst, Musik, Sport - einfach alles - angeboten, aber er

    nimmt einfach nichts an. Vielen Dank fr Ihren Input.

    22

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    A: Das ist eine echte Herausforderung, mit der viele Eltern konfrontiert sind. Auch

    wenn Ihr Sohn von der Hilfe, die er erhalten hat, profitiert, hat er eine Geschichte, die

    zu ihm sagt: "Das kannst du nicht!" Dieser Hintergrund wiederholter Frustrationen und

    Misserfolge kann einen so erheblichen Einfluss auf das Selbstverstndnis eines

    Schlers mit Lernverzgerung oder ADHS haben, der so stark ist, dass jede neue

    Aufgabe sehr entmutigend scheint. Wie so viele andere Kinder, hat auch Ihr Sohn

    gelernt, dass es eine Mglichkeit ist, dieses Szenario von Versagen und Scham zu

    vermeiden, wenn er einfach nichts Neues macht - nichts, was irgendein Risiko in sich

    bergen knnte. Ich kenne Menschen, die diesen Punkt berwinden konnten, weil es

    Erwachsene (in der Regel nicht die Eltern) gab, die ihnen den Weg zu risikoloseren

    Aktivitten geebnet haben, was ihnen ermglichte, ihre Fertigkeiten immer mehr

    auszubauen. Hier einige Beispiele: Eine Schauspiellehrerin in einer Mittelschule, die

    einen schchternen Jungen bittet, die Beleuchtung fr eine Schulauffhrung zu

    steuern; der Leiter einer Pfadfindergruppe, der einen Jugendlichen persnlich dazu

    einldt, an einer speziellen Gruppeaktivitt teilzunehmen; ein Schulwrter, der eine

    Schlerin mit einer wichtigen Funktion betraut, die der Schule hilft; eine

    Schuldirektorin, die persnlich alles liest, was ein Schler mit Lernschwierigkeiten

    geschrieben hat; ein Gymnasiast, der als "groer Bruder" fr ein jngeres

    Familienmitglied agiert und gemeinsam mit ihm lernt, wie man neue Dinge (z. B.

    Amateurfunk oder Gebrdensprache) angehen kann; eine Kunstlehrerin, die eine

    schchterne angehende Knstlerin bittet, ihr bei den Vorbereitungen zu verschiedenen

    knstlerischen Aktivitten zu helfen (und sie dazu ermutigt, als "knstlerische

    Assistentin" der Klasse ein Vorbild zu sein); ein Geistlicher, der einen Schler dazu

    einldt, an einem Projekt in der Kirche, in der Moschee oder im Tempel mitzuhelfen

    oder im Chor mitzusingen.

    Im Mathematikunterricht kann man SchlerInnen helfen, ihre Versagensngste in

    Zusammenhang mit traditionellen Unterrichtsanstzen zu berwinden, wenn man sie

    beispielsweise darum bittet, ein dreidimensionales Modell, das ein mathematisches

    Konzept beschreibt, zu bauen, anstatt 20 bungen auf einem Arbeitsblatt zu lsen. Ich

    hoffe, dass einige dieser Vorschlge Ihrem Sohn und anderen dabei helfen, sich besser

    zu fhlen in Bezug auf sich selbst und auf das, was sie zu unserem Leben beitragen.

    23

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Beispiel 3:

    F: Ich habe eine achtjhrige Tochter, die seit sie zwei war in einer Sonderbetreuung ist.

    Sie hat eine vierjhrige Schwester, die sehr gescheit ist. Die Vierjhrige beginnt schon

    zu lesen, whrend die Achtjhrige nicht einmal annhernd so weit ist. Die Achtjhrige

    beginnt schn langsam, ihre Behinderung zu erkennen, und whrend die Vierjhrige

    lter wird und Ziele erreicht, habe ich festgestellt, dass die Achtjhrige scheinbar

    Rckschritte macht; sie versucht nichts und scheint leicht aufzugeben. Wie kann ich die

    Vierjhrige weiterhin frdern, ohne das Selbstwertgefhl der Achtjhrigen vllig zu

    zerstren?

    A: Es ist wirklich schwer fr ein Familienmitglied mit Lernschwierigkeiten, wenn es ein

    jngerer Bruder oder eine jngere Schwester berholt. Es ist sehr wichtig, dass beide

    Mdchen verstehen, was Lernschwierigkeiten sind. Zunchst sollte Ihre Achtjhrige

    verstehen, dass ihr Zustand es ihr schwer macht, zu lernen, obwohl sie klug ist. Es

    knnte hilfreich fr sie sein, an speziellen Einheiten fr Menschen mit

    Lernschwierigkeiten teilzunehmen. Es knnte auch gut fr sie sein, an einer Gruppe fr

    SchlerInnen mit Lernschwierigkeiten teilzunehmen. Vielleicht leitet ja die

    Vertrauenslehrerin in der Schule Ihrer Tochter eine solche Gruppe, oder eine

    Psychologin oder ein Sozialarbeiter in Ihrer Stadt bieten eine Gruppe an.

    Ihre jngere Tochter sollte - so gut das in ihrem Alter mglich ist - die Art der

    Behinderung ihrer Schwester verstehen. Ohne dieses Verstndnis wird es ihr

    schwerfallen herauszufinden, warum ihre Schwester so sehr fr etwas kmpfen muss,

    das ihr selbst so leichtfllt. Ohne diese Informationen knnte sie sich ber ihre

    Schwester lustig machen oder Mitleid mit ihr empfinden - beides ist nicht hilfreich.

    Vielleicht verschafft es ihr etwas Trost, wenn Ihre Tochter wei, dass es viele andere

    Kinder mit Lernschwierigkeiten gibt. Wenn sie andere Schlerinnen und Schler mit

    Lernschwierigkeiten trifft, knnte es ihr helfen zu verstehen, dass sie nicht schlecht,

    faul oder "dumm" ist, nur weil sie Schwierigkeiten mit dem Lesen hat. Sollte sie vor

    kurzem getestet worden sein, bitten Sie die Person, die sie getestet hat, die Ergebnisse

    mit ihr in einer fr sie verstndlichen Sprache zu besprechen. Sie sollten das ohnehin

    24

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    alle paar Jahre machen, denn die Kapazitt zu verstehen nimmt mit dem Alter zu. Eine

    Lernverzgerung bleibt das ganze Leben; die Menschen, die am besten damit

    zurechtkommen, sind diejenigen, die verstehen, worum es sich handelt und wie man

    auch trotz der Lernverzgerung erfolgreich sein kann.

    Beispiel 4:

    F: Unsere Siebenjhrige ging schon immer gern zur Schule. Sie wurde im vergangenen

    Jahr getestet und wre beinahe in ein Programm fr Schlerinnen und Schler mit

    Lernschwierigkeiten gekommen. Sie ist in einem individuellen Ausbildungsprogramm

    und erhlt 90 Minuten pro Woche zustzliche Untersttzung. Dieses Jahr fllt ihr

    wirklich schwer. Die groe Menge an zustzlicher Arbeit frustriert sie sehr und die

    Lehrerin macht es noch schlimmer. Sie sagt, die Lehrerin wird ungeduldig, wenn sie

    zustzliche Hilfe braucht oder die Frage nicht versteht. Unsere Tochter ist sehr

    sensibel, hat ein geringes Selbstwertgefhl und ist eher schchtern. Sollten wir sie in

    eine andere Klasse geben oder sie in dieser Klasse lassen, die sie im Inneren zerreit?

    A: Auch wenn die Lehrerin noch so nett ist, ist es die Wahrnehmung Ihrer Tochter, die

    zhlt. Sie sollten sich mit der Lehrerin und der Direktorin zusammensetzen und ihnen

    sagen, dass es Ihrer Tochter schwerfllt, in der Klasse Fragen zu stellen, weil sie glaubt,

    dass die Lehrerin dann ungehalten wird. Es knnte auch hilfreich sein, wenn die

    Direktorin oder der Vertrauenslehrer vor Ort beobachtet, wie die Lehrerin und Ihre

    Tochter miteinander umgehen um dann konstruktive Rckmeldungen zu geben. Wenn

    diese Vorgangsweise das Bewusstsein der Lehrerin in Bezug auf ihren Unterrichtsstil

    schrft, knnte das Problem gelst sein. Wenn dabei herauskommt, dass sich die

    Lehrerin angemessen verhlt, sollten Sie sicherstellen, dass sie dies auch macht, wenn

    sie nicht beobachtet wird.

    Sagen Sie dann Ihrer Tochter, dass Sie mit der Lehrerin gesprochen haben und dass Sie

    denken, dass die Lehrerin dafr sorgen wird, dass sie sich in der Klasse wohler fhlt.

    Manchmal hilft schon der Glaube daran und das Familienmitglied hat das Gefhl, dass

    die Lehrerin sie/ihn versteht und versucht, auf ihre/seine Bedrfnisse einzugehen.

    25

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Wenn Ihre Tochter keine Verbesserung versprt, wrde ich die Lehrerin bitten, sich

    auerhalb der Klasse mit Ihrer Tochter zu treffen und mit ihr ber ihre Gefhle zu

    sprechen. Vielleicht hilft es auch, wenn die Lehrerin Ihre Tochter fragt, was sie tun

    kann, damit sie sich in der Klasse wohler fhlt. Wenn sich herausstellt, dass die

    Lehrerin unsensibel ist, dann knnte ein Klassenwechsel angebracht sein.

    Da Sie sagen, dass Ihre Tochter sensibel und ihr Selbstwert gering ist, wrde ich auch

    gleich die Vertrauenslehrerin oder den Schulpsychologen hinzuziehen.

    26

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.2.10. Selbsteinstufungstest (Rosenberg Selbstwertskala) Die folgenden Aussagen beschftigen sich damit, was Sie ber sich selbst denken.

    Wenn Sie sehr zustimmen, kreuzen Sie ++ an. Wenn Sie der Aussage zustimmen,

    kreuzen Sie + an. Wenn Sie nicht zustimmen, kreuzen Sie - an. Wenn Sie berhaupt

    nicht zustimmen, kreuzen Sie -- an.

    1. Im Groen und Ganzen bin ich mit mir zufrieden. ++ + - --

    2.* Manchmal denke ich, dass ich zu berhaupt nichts tauge. ++ + - --

    3. Ich glaube, ich habe eine Reihe guter Eigenschaften. ++ + - --

    4. Ich bin in der Lage, Dinge ebenso gut zu machen, wie die meisten anderen Menschen. ++ + - --

    5.* Ich glaube, ich habe nicht viel an mir, worauf ich stolz sein kann. ++ + - --

    6.* Manchmal fhle ich mich sicherlich nutzlos. ++ + - --

    7. Ich glaube, dass ich als Mensch wertvoll bin - zumindest gleich wertvoll wie andere. ++ + - --

    8.* Ich wnschte, ich knnte mehr Respekt fr mich selbst empfinden. ++ + - --

    9.* Alles in allem neige ich eher dazu, zu glauben, dass ich ein Versager bin. ++ + - --

    10.Ich habe eine positive Einstellung mir selbst gegenber. ++ + - --

    Auswertung: ++ = 3, + = 2, - = 1, -- = 0.

    Achtung: Aussagen mit Sternchen werden umgekehrt gezhlt: ++ = 0, + = 1, - = 2, -- = 3.

    Addieren Sie die Werte fr die zehn Aussagen. Je hher der Wert, desto hher ist Ihr

    Selbstwertgefhl.

    27

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Theoretischer Teil

    3.3. Kommunikation in der Familie Eltern und Angehrige interagieren mit ihrem Familienmitglied mit Behinderung ber

    eine Vielzahl von allgemeinen Kommunikationsmodalitten einschlielich Sprache,

    Verbalisierungen, Gestik, Mimik, Telefonate usw. Spezifische Modalitten fr

    Menschen mit Hrbehinderung sind Gebrdensprache, Lormen

    (www.deafblind.com/lorm.html) und Lippenlesen.

    Kein Mensch ist in jedem Moment an jedem Tag vllig autark; im Laufe eines Tages

    kommt es zu zahlreichen Verflechtungen und Interaktionen. Kommunikation steht im

    Mittelpunkt der alltglichen Interaktionen von Familienmitgliedern. Einige Menschen

    mit krperlichen und kognitiven Beeintrchtigungen bentigen Untersttzung fr die

    Kommunikation. Kommunikation trgt zu grerer Selbstbestimmung bei. Menschen

    mit Behinderung kommunizieren mit KollegInnen, Familienmitgliedern und anderen in

    ihrem Umfeld in Bezug auf ihre Wnsche, Bedrfnisse und Entscheidungen hinsichtlich

    ihrer tglichen Aktivitten, ihrer Aus- und Weiterbildung, ihres sozialen Lebens, ihrer

    Wohnsituation oder ihrer Berufsorientierung. Die kommunikative Kompetenz

    untersttzt die Selbstbestimmung.

    Die Untersttzung einer Vielzahl von Modalitten frdert die Inklusion und die

    Selbstbestimmung fr alle Menschen, einschlielich derer mit Behinderung. Sie sind

    zuallererst Menschen und haben erst dann eine Behinderung, die sich teilweise auf

    ihren physischen und psychischen Zustand, ihre Kommunikation, ihre Fhigkeit,

    gleichberechtigt an der Familie teilzuhaben, ihre Unabhngigkeit, ihre sozialen

    Aktivitten in der Gemeinschaft sowie auf ihre Selbstverwirklichung in Bezug auf

    Ausbildung und Beruf auswirkt. Menschen mit Behinderung mssen ebenso viel wie

    andere Menschen kommunizieren. Durch Kommunikation verbinden sie sich mit

    anderen, drcken ihre innersten Gedanken aus und nehmen Einfluss auf ihr Leben und

    das Leben ihrer Eltern und anderer. Durch Kommunikation veranlassen sowohl die

    Eltern als auch der Mensch mit Behinderung Vernderungen und tragen zur

    Entwicklung der Selbstbestimmung bei.

    28

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Abb. 3.9 Kommunikation in der Familie ist wichtig

    Selbstbestimmung beinhaltet das Kommunizieren persnlicher Vorlieben ohne

    unangemessene Beeinflussungen. Zu den persnlichen Vorlieben zhlen Wnsche,

    Bedrfnisse und Meinungen. Wenn Menschen mit Behinderung ihren Eltern oder

    anderen Angehrigen gegenber ihre Wnsche und Bedrfnisse zum Ausdruck

    bringen, ist das ein Ausdruck von Selbstbestimmung. Die Fhigkeit, zunchst die

    eigenen Wnsche und Bedrfnisse feststellen zu knnen, zeigt die Macht der

    Kommunikation und frdert die Entwicklung der Selbstbestimmung.

    Kompetente Kommunikation fhrt zu grerer Selbststndigkeit und psychischer

    Strke. Menschen, die effektiv kommunizieren, sind selbststndiger und psychisch

    strker. Selbststndigkeit und psychische Strke tragen zu gesteigerter

    Selbstbestimmung bei.

    3.3.1. Faktoren, die die Kommunikationsebene beeinflussen knnen Kommunikation ist von entscheidender Bedeutung, eine Schlsselfertigkeit auf jeder

    Ebene der sozialen Interaktion und fr die erfolgreiche Entwicklung von Menschen mit

    Behinderung unabdingbar. Es gibt viele Kommunikationsmglichkeiten und bevorzugte

    Kommunikationsmethoden. Allerdings sollten sie den spezifischen Anforderungen und

    der psychischen Verfassung des Familienmitglieds mit Behinderung entsprechen.

    29

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Wir wrden Ihnen gerne einige Faktoren weitergeben, die wir bei unserer Arbeit mit

    Eltern festgestellt haben und von denen wir glauben, dass sie die

    Kommunikationsebene zwischen Eltern und Familienmitglied mit Behinderung

    beeinflussen knnen:

    x Alter und Generationenunterschied: Es kann zum Beispiel vorkommen, dass ein Familienmitglied mit Behinderung Kraftausdrcke oder unhfliche

    Ausdrcke benutzt, die die Eltern als unangemessen oder beleidigend

    empfinden. Eine Mglichkeit, diese Probleme zu berwinden, ist eine offene

    und zeitnahe Kommunikation, die auf gegenseitigem Respekt und auf Toleranz

    basiert.

    x Art und Grad der Behinderung: Einige Beeintrchtigungen (z. B. Hr- oder Sprachbeeintrchtigungen) knnen die Fhigkeit des Menschen beeinflussen,

    mit den anderen Familienmitgliedern frei zu kommunizieren. In vielen Fllen

    haben sich die Eltern ihre Kenntnisse bezglich der Kommunikation mit dem

    behinderten Familienmitglied mit eigenen Mitteln selbst beigebracht oder sie

    haben an speziellen Kursen, die von Behindertenorganisationen oder

    Schulungseinrichtungen angeboten wurden, teilgenommen. Gehrlose Eltern,

    deren Muttersprache die Gebrdensprache (GS) ist, kommunizieren mit ihrem

    gehrlosen Familienmitglied ber die Gebrdensprache. Gehrlose Eltern

    reagieren auf die Sprachentwicklung ihres Familienmitglieds angemessen, und

    passen die sprachlichen Formen an die Sprachkenntnisse des gehrlosen

    Familienmitglieds an. Gehrlose Menschen lernen die GS von ihren gehrlosen

    Eltern auf eine systematische und progressive Weise - genau wie Menschen mit

    Hrbehinderung die gesprochene Sprache von ihren Eltern ohne

    Hrbehinderung lernen. Die Sprachentwicklungsschritte gehrloser

    Familienmitglieder, die mit GS aufwachsen, entsprechen der Sprachentwicklung

    von Menschen mit Hrbehinderung, die mit gesprochener Sprache aufwachsen.

    Junge gehrlose Menschen und Menschen mit Hrbehinderung, die mit GS in

    ihrem Umfeld aufwachsen, haben einen gleich groen oder sogar greren

    Wortschatz als Menschen, die nur die gesprochene Sprache benutzen.

    Gehrlose Eltern kommunizieren mit Hilfe der GS effizient, genau und

    30

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    kompetent mit ihrem gehrlosen Familienmitglied und helfen ihm dabei, seine

    Sprache weiterzuentwickeln.

    x Inklusion eines Familienmitglieds mit Behinderung in die Regelschule: Wenn das Familienmitglied eine Regelschule besucht, entwickelt es ihre/seine

    kommunikativen und sozialen Fertigkeiten viel besser als seine Altersgenossen,

    die eine Sonderschule besuchen. Behinderte Menschen in speziellen Schulen

    stehen zwar in direktem Kontakt mit verschiedenen Expertinnen und Experten,

    die sie im Alltag untersttzen, alle Prozesse laufen jedoch in einem geschtzten

    Umfeld ab. Daher kann es, wenn das Familienmitglied die Sonderschule

    verlsst, zu Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit anderen Menschen

    ohne Behinderung - einschlielich der Eltern und anderer Angehriger -

    kommen.

    31

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.3.2. Strategien fr eine effektive Kommunikation in einem familienzentrierten Kontext

    Kommunikationsprinzip Strategien, die auf den Merkmalen der effektive Kommunikation beruhen (Briggs, 1998; Brandt, 1993; Rosin, 1996; Tuchman, 1996; Winton, 1996)

    Familienmitglieder kommunizieren auf Augenhhe

    x Frderung eines offenen Austauschs von Meinungen, Wnschen, Forderungen und Erwartungen.

    x Lassen Sie jedes Familienmitglied seine Ideen und Ansichten ausdrcken.

    x Unterschtzen Sie nicht die Ideen des Menschen, mit dem Sie kommunizieren, und werten Sie sie nicht ab.

    x Kritisieren Sie nicht einfach nur, sondern schlagen Sie Alternativen vor.

    x Sollte es ein Kommunikationsproblem geben, konzentrieren Sie sich nicht darauf, sondern suchen Sie kluge Lsungen.

    Familienmitglieder kommunizieren eindeutig, wenn sie Informationen weitergeben.

    x Machen Sie Ihren Standpunkt kurz und bndig deutlich.

    x Verwenden Sie eine Sprache, die verstndlich ist.

    x Vermeiden oder erklren Sie ungewhnliche Wrter oder Phrasen.

    x Sprechen Sie mit Ihrer Familie ber die Strken und Bedrfnisse Ihrer Familie.

    Die Familienmitglieder hren einander wirklich zu.

    x Hren Sie aufmerksam zu und unterbrechen Sie die sprechende Person nicht.

    x Nehmen Sie Blickkontakt auf. x Bleiben Sie entspannt - schreien Sie nicht. x Stellen Sie Fragen, wenn Sie Ihr

    Familienmitglied nicht verstehen.

    Zusammenfassend kann man sagen, dass ein gutes innerfamilires

    Kommunikationsmuster zum Aufbau des notwendigen Selbstbewusstseins beitragen

    und jene falschen Glaubensstze abbauen kann, die jemand in Bezug auf sich selbst

    vielleicht hat.

    Praktischer Teil

    32

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.3.3 Zuhren

    Abb. 3.10 Hren Sie Ihrem Familienmitglied mit Behinderung zu

    Im familiren Umfeld hren die Familienmitglieder einander nicht immer zu. Dies fhrt

    zu verschiedenen Schwierigkeiten, die die eigene Leistung, die

    Problemlsungskompetenz und die Interaktion mit anderen beeinflussen.

    33

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Als Eltern knnen Sie den folgenden zehn Merkmalen folgen, wenn Sie gut zuhren

    mchten. Markieren Sie Ihre Antwort auf einer Skala von 1 bis 5 (5 ist die hchste

    Punktzahl) und finden Sie heraus, in wie weit Sie das jeweilige Merkmal besitzen.

    1 2 3 4 5Ich halte Blickkontakt mit meiner/meinem Verwandten.Ich stelle klrende Fragen.Ich zeige Interesse und bemerke die Gefhle, die meine Familienangehrige/mein Familienangehriger fhlt.Ich umschreibe das von meiner/meinem Angehrigen Gesagte noch einmal, um zu zeigen, dass ich es richtig verstanden habe.Zuerst versuche ich zu verstehen, dann versuche ich verstanden zu werden.Ich bin bereit, meine Reaktionen zu kontrollieren.Ich antworte mit Lcheln, Nicken oder Umarmungen, wenn es passt.Ich konzentriere mich besonders auf die Situation und lenke mich nicht ab.Ich reagiere verantwortungsvoll auf das, was ich hre.Ich bleibe beim Thema.

    34

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    KANN ICH ZUHREN?Die folgenden zehn Merkmale beschreiben schlechte Angewohnheiten in Bezug auf

    das Zuhren. Markieren Sie mit einer Skala von 1 bis 5 (5 ist die schlechteste

    Bewertung) die jeweilige Aussage und stellen Sie fest, in wie weit Sie das Merkmal

    besitzen. Seien Sie ehrlich mit sich selbst. Sich einzugestehen, wie man zuhrt, ist der

    erste Schritt in Richtung Vernderung und Verstehen Ihres Familienmitglieds mit

    Behinderung.

    1 2 3 4 5Ich unterbreche meine Angehrige/meinen Angehrigen oft.Ich ziehe rasch Schlussfolgerungen.Ich vollende die Stze meiner/meines Angehrigen.Ich wechsle das Thema ohne Vorankndigung.Ich ziehe meine Schlussfolgerungen, bevor ich alles gehrt habe.Ich bin nicht voll konzentriert.Ich gebe keine Antworten.Ich bin besorgt.Ich gehe sofort in die Defensive.Ich denke ber meine Antwort nach, bis meine Angehrige/mein Angehriger spricht.

    Schlussfolgerung: Schreiben Sie Ihre Antworten auf und berlegen Sie sich, was es

    bedeutet zuzuhren und warum Zuhren wichtig ist.

    bung:

    Denken Sie an eine Situation, in der Sie im Zuge eines Gesprchs mit Ihrem

    Familienmitglied mit Behinderung versucht haben, zuzuhren. Was haben Sie

    gemacht?

    ............................................................................................................................................

    Beschreiben Sie das Ergebnis.

    ............................................................................................................................................

    Beschreiben Sie, was Sie tun wrden, wenn sich die Situation wiederholen wrde, und

    bercksichtigen Sie dabei das, was Sie aus dem oben Gesagten gelernt haben.

    35

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    ............................................................................................................................................

    Was wrden Sie anders machen?

    ............................................................................................................................................

    3.3.4 Was Sie als Eltern vermeiden sollten (Reflexionsbung) Kommunikation ist ein fortlaufender Prozess, an dem verschiedenen Parteien und

    Interessen beteiligt sind. In Ihrem Alltag kommunizieren Sie und Ihr Familienmitglied

    mit Behinderung mit verschiedenen Menschen, z. B. KollegInnen, LehrerInnen,

    AusbilderInnen, SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, Coaches, MitarbeiterInnen der

    ffentlichen Verwaltung usw.

    Als Elternteil knnen Sie die Kommunikation Ihres Familienmitglieds mit Behinderung

    mit anderen Menschen untersttzen, sollten dabei jedoch nicht zu stark eingreifen.

    Wir stellen Ihnen im Folgenden Dinge vor, die Sie nicht tun sollten, um die Isolation

    Ihres Familienmitglieds mit Behinderung im Kommunikationsprozess mit anderen zu

    vermeiden:

    1. Wenn Ihrem Familienmitglied mit Behinderung eine Frage gestellt wird,

    antworten nicht Sie statt ihr/ihm.

    2. Wenn jemand mit Ihrem Familienmitglied mit Behinderung spricht, sollten Sie

    sich nicht in das Gesprch einmischen, es sei denn Sie werden ausdrcklich

    darum gebeten.

    3. Beenden oder korrigieren Sie die Stze Ihres Familienmitglieds mit Behinderung

    nicht. Lassen Sie ihn/sie seine/ihre Gedanken ausdrcken.

    4. Lassen Sie Ihr Familienmitglied mit Behinderung seine Meinung zum Ausdruck

    bringen, auch wenn Sie nicht mit ihm bereinstimmen.

    5. Wenn Ihr Kind eine Hr- oder Sprachbehinderung hat und Sie es bei der

    Kommunikation mit anderen untersttzen, sollten Sie die Botschaft

    weitergeben, ohne den Sinn zu verndern oder etwas hinzuzufgen, nur weil

    Sie es fr richtig halten.

    36

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    6. Wenn Ihr Familienmitglied mit Behinderung eine einfache Sprache verwendet,

    versuchen Sie nicht, eine anspruchsvollere Sprache zu verwenden, weder in der

    schriftlichen noch in der mndlichen Kommunikation.

    7. Wenn Ihr Familienmitglied mit Behinderung spricht und Sie der Ansicht sind,

    sie/ihn unterbrechen zu mssen, geben Sie ihr/ihm ein diskretes Zeichen.

    8. Wenn Ihr Familienmitglied mit Behinderung jemanden zum ersten Mal trifft,

    lassen Sie Ihr Familienmitglied entscheiden, ob und wann sie/er ber ihre/seine

    Behinderung sprechen mchte.

    9. Wenn Ihr Familienmitglied die Schule oder eine Tagessttte oder hnliches

    besucht, lassen Sie sie/ihn nach der notwendigen Adaptierung und

    Untersttzung bitten; bernehmen Sie das nicht fr sie/ihn.

    10. Wenn Sie ber Ihr Familienmitglied mit Behinderung sprechen, ber- oder

    untertreiben Sie nicht, wenn Sie von ihrer/seiner Behinderung sprechen. Viele

    Menschen neigen zu bertreibungen, wenn sie ihre Emotionen und Gefhle in

    der Familie zum Ausdruck bringen. bertreibung wird eingesetzt, um

    psychische Anspannung zu lockern, kann aber die familire Harmonie stren.

    berschreiten Sie nie die Toleranzgrenze der anderen, wenn Sie ber Ihre

    Gefhle sprechen oder sie ausdrcken. Hufige bertreibungen knnen andere

    langweilen und zu Misstrauen Ihnen gegenber fhren.

    Es gibt viele praktische Tipps, mit Hilfe derer Sie die Kommunikation zwischen den

    Familienmitgliedern effektiver machen knnen. Sehen wir uns einige von ihnen an.

    Der Fokus liegt auf Prioritten und nicht auf Prinzipien: Die Familie ist der Ort, an dem

    keine strengen oder unflexiblen Regeln gelten und sich Prinzipien immer den

    Prioritten unterordnen. Sich auf Prioritten zu konzentrieren, bedeutet einfach, mehr

    Wert auf die persnlichen Vorlieben Ihres Familienmitglieds mit Behinderung zu legen

    als auf Regeln und Vorschriften. So knnen Sie beispielsweise nicht einfach eine Regel

    einfhren, nach der Ihre Familienangehrigen nach 10 Uhr nachts schweigen mssen.

    Vielleicht ist ja das die einzige Zeit fr sie/ihn, mit Ihnen und anderen zu

    kommunizieren. Fr Kommunikation gibt es keine richtige Zeit, keine richtige Art und

    37

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    keinen richtigen Ort. Die Einfhrung von Kommunikationsregeln wird den Prozess

    gnzlich offiziell machen und Ihr Familienmitglied mit Behinderung knnte anstatt des

    Liebevollen nur das Mechanische fhlen.

    Seien Sie positiv: Negative und sarkastische Kommunikation wird die Wrme eines

    Familiengesprchs zerstren. Kritisieren Sie nicht zu sehr und sehen Sie nicht alles

    gleich negativ. Es gibt Menschen, die im Gesprch mit anderen, besonders mit

    Familienmitgliedern, sehr sarkastisch sind. Das zerstrt die Stimmung der Gesprche

    mit Ihrem Familienmitglied mit Behinderung und er/sie knnte sich bewusst aus der

    Familienkommunikation zurckziehen. Sie knnen korrigierend eingreifen, sollten

    jedoch versuchen, so positiv zu sein wie mglich. Positive Kommunikation ist viel

    einflussreicher und effektiver als Kritik. Kreative Kritik kann der Familie helfen,

    definieren Sie aber immer Grenzen fr Kritik. Achten Sie darauf, dass die

    Kommunikation wertschtzend, ermutigend, untersttzend und beruhigend ist.

    Lassen Sie es nicht nur verbal sein: Lassen Sie die Kommunikation mit Ihrem

    Familienmitglied mit Behinderung mehr als nur ein sprachlicher Ausdruck sein. Die

    Anwesenheit von Eltern vermittelt den Kindern Sicherheit, Liebe und Obsorge, vor

    allem, wenn sie eine Behinderung haben und ein Gefhl von Wrme brauchen.

    Reichern Sie Ihre Kommunikation mit Gesten der Zuneigung an. Ein Kuss, eine

    Umarmung, eine Wertschtzung, eine Daumen-hoch-Geste usw. drckt mehr aus, als

    Worte sagen knnen.

    Seien Sie klar, sanft und przise: Klar, sanft und przise sollte man in jeder

    Kommunikation sein, auch in der Kommunikation innerhalb der Familie. Lassen Sie

    keine Leerstellen, die anderen Raum fr Annahmen und Interpretationen bieten.

    Wenn Sie etwas zu Ihrem Familienmitglied mit Behinderung sagen, machen Sie Ihren

    Standpunkt auf angenehme Art und Weise deutlich. Wenn Sie bei der Kommunikation

    ruhig und sanft sind, ldt das Ihr Familienmitglied ein, aufmerksam und kooperativ zu

    sein.

    38

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.4. Test zur psychischen Strke von Eltern Beurteilen Sie, inwieweit jede Aussage auf Sie zutrifft. Verwenden Sie dazu die

    folgende Skala: 3 = trifft voll und ganz auf mich zu; 2 = trifft in einem gewissen Ausma

    auch mich zu; 1 = trifft nicht auf mich zu; 0 = ich kann mich nicht entscheiden.

    1. Ich glaube, dass ich Ressourcen habe, um die Alltagssituationen in meiner Familie zu bewltigen.

    2. Ich wei, dass man sich auf mich als Elternteil verlassen kann. 3. Auch in schwierigen Lebenssituation, die in meiner Familie

    vorkommen, kann ich etwas Positives sehen.

    4. Ich wei, dass mein Familienmitglied mit Behinderung sehr wertvoll ist und viele Strken hat.

    5. Hinter der Behinderung meines Familienmitglieds sehe ich Chancen fr sie/ihn.

    6. Ich glaube, dass mein Familienmitglied mit Behinderung eine gleichberechtigte Brgerin/ein gleichberechtigter Brger der Gesellschaft ist.

    7. Wenn ich mein Familienmitglied mit Behinderung nicht selbst untersttzen kann, wei ich, wer uns helfen kann.

    8. Ich kann meinem Familienmitglied mit Behinderung aufmerksam zuhren, auch wenn ich nicht mit ihrer/seiner Position einverstanden bin.

    9. Ich kann den Standpunkt meines Familienmitglieds mit Behinderung verstehen.

    10. Ich wei, was das Beste fr mein Familienmitglied mit Behinderung ist. 11. Ich lasse mein Familienmitglied entscheiden, wann sie/er ihre/seine

    Behinderung offenlegen mchte.

    12. Ich kenne die zur Verfgung stehenden Untersttzungsangebote fr mein Familienmitglied mit Behinderung in Bezug auf ihren/seinen alltglichen Bedarf und auf den Aus- und Weiterbildungsbedarf.

    13. Trotz meiner Bedenken lasse ich mein Familienmitglied mit Behinderung ihre/seine eigenen Erfahrungen machen.

    14. Ich wei, wie ich reagieren muss, wenn sich jemand unangemessen gegenber meinem Familienmitglied mit Behinderung verhlt.

    15. Ich fhle mich ruhig, wenn mein Familienmitglied mit Behinderung mit Freundinnen und Freunden ohne Behinderung Spa hat.

    16. Ich fhle Dankbarkeit, wenn jemand die Fhigkeiten meines Familienmitglieds mit Behinderung erkennt.

    17. Ich glaube, dass mein Familienmitglied mit Behinderung die Fhigkeiten und Ressourcen hat, um mit schwierigen Alltagssituationen fertig zu werden.

    18. Ich akzeptiere Kritik in Bezug auf die Anstze, die ich in der Interaktion mit meinem Familienmitglied mit Behinderung verwende.

    39

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    19. Ich akzeptiere, dass die Zukunft meines Familienmitglieds mit

    Behinderung von ihr/ihm abhngt und nicht von meinen Entscheidungen und Handlungen.

    20. Ich wei, dass ich als Mensch Bedrfnisse und Wnsche habe, die genauso viel wert sind, wie die meines Familienmitglieds mit Behinderung.

    21. Ich vernachlssige mein Privatleben nicht. 22. Ich bin fr verschiedene Untersttzungsmglichkeiten offen, die ich in

    Bezug auf die Pflege und das Wohlbefinden meines Familienmitglieds mit Behinderung in Anspruch nehmen kann.

    Berechnen Sie bitte Ihre Punktezahl. Wenn das Endergebnis unter 33 liegt, schauen Sie

    sich einfach die Schulungsunterlagen von E-SUNET noch einmal genauer an. Darber

    hinaus knnten Sie mit einer Expertin/einem Experten auf dem Gebiet der

    Behinderung Kontakt aufnehmen und Untersttzung bei den herausfordernden

    Themen in Anspruch nehmen. Wenn Ihr Endergebnis ber 33 liegt, sind Sie gut

    informiert, gut vorbereitet und psychisch stark - vielleicht mit Untersttzung der

    Schulungsunterlagen von E-SUNET.

    Praktischer Teil

    3.5. Ermutigende und lobende Worte Menschen blhen auf, wenn sie positive Aufmerksamkeit erhalten. Jeder Mensch muss

    sich geliebt und geschtzt fhlen. Versuchen Sie doch einmal, einige der Phrasen aus

    der folgenden Liste in Ihren Alltag einzubauen.

    Hier einige Worte des Lobes und Zuspruches:

    x Ja. x Gut. x Fein. x Sehr gut. x Sehr fein. x Ausgezeichnet. x Fantastisch.

    40

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    x Das stimmt. x Wunderbar. x Mir gefllt die Art und Weise, wie du das tust. x Ich bin stolz auf dich. x Das ist gut. x Wow! x Sehr schn! x Gut gemacht! x Das luft groartig. x Das ist gut fr dich. x Genau so funktioniert das! x Das ist viel besser! x Okay, du machst das schon viel besser. x Das ist perfekt. x Gute Idee. x Was fr eine clevere Idee. x Gut gemacht.

    3.6. Vervollstndigen Sie die folgenden Stze mit passenden Wrtern

    Ich mag die Art und Weise, wie du ______

    Genauso ______

    Ich habe bemerkt, dass du ____

    Weiter so! Es hat mir mit dir Spa gemacht ______

    Du machst ______ immer besser.

    Es war sehr verantwortungsvoll von dir, als du ______

    Ich schtze die Art und Weise, wie du ______

    Du machst das groartig!

    Du bist die/der Beste!

    Du hast eine gute Erinnerung.

    41

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Das ist wunderschn!

    Ich mag dein ______

    Ich mag die Art und Weise, wie du ______, ohne dass man dich fragen/erinnern

    musste.

    Klar bin ich froh, dass du meine Tochter/mein Sohn bist.

    Jetzt hast du es!

    Ich liebe dich.

    Ich glaube dir.

    Du kannst das.

    Versuche es weiter...

    Los geht's...

    Mache weiter mit...

    Gib nicht auf...

    Sie knnen darber sprechen, wie Sie sich fhlen, und Sie knnen es ZEIGEN:

    x Lcheln, Nicken, auf die Schulter/das Knie klopfen, Winken. x Signale oder Gesten der Zustimmung oder des Verstndnisses:

    "High five", die Wange berhren, Kitzeln, Lachen (mit, nicht ber), auf den

    Rcken klopfen, Umarmen.

    3.7. Positives Denken

    Abb. 4.7 Glckliche Familie

    42

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Theoretischer Teil

    3.7.1 Was ist positives Denken? - Wie Sie Ihr Familienmitglied mit Behinderung frdern knnen Positives Denken ist eine Geisteshaltung, die Situationen auf konstruktive Weise

    wahrnimmt. Das bedeutet nicht, Negatives zu ignorieren. Vielmehr erkennt jemand,

    der positiv denkt, eine Situation und geht produktiv an sie heran.

    Positives Denken ist am effektivsten bei neutralen Lebensereignissen, wie etwa an

    einem neuen Arbeitsplatz anfangen, eine neue Lehrerin kennenlernen oder am ersten

    Tag in der Schule. In diesen weniger eindeutigen Begegnungen trgt unsere Sicht das

    grte Gewicht.

    3.7.2 Knnen Menschen mit Behinderung das Konzept des positiven Denkens verstehen? Ja. Positives Denken ist eine angeborene Fhigkeit, die teilweise auf kognitiven

    Vernderungen von der mittleren Kindheit bis zur Reife basiert. Es kann jedoch

    whrend des gesamten Lebens von sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, wie

    behinderungsbedingte Barrieren, begrenzter Zugang zu sozialen Aktivitten der

    Gemeinschaft, Mangel an Mglichkeiten fr Ausbildung und berufliche Verwirklichung,

    geringes Familieneinkommen usw. beeinflusst werden.

    In der frhen Kindheit geben die Eltern einfache binre Anleitungen in Bezug darauf,

    wie Emotionen funktionieren: "Wenn du zu einer Geburtstagsfeier gehst, wirst du

    glcklich sein."; "Wenn du deinen Finger mit einer Nadel verletzt, wirst du traurig

    sein."; "Wenn deine Mitschler mit dir spielen und nicht an deine Behinderung

    denken, wirst du glcklich sein."; "Wenn du in den Pausen alleine bist, whrend deine

    Freundinnen ohne Behinderung auf dem Schulhof spielen, wirst du wahrscheinlich

    traurig sein." Im Alter von fnf Jahren werden diese Richtlinien bis in die mittlere

    Kindheit immer komplexer.

    Fnfjhrige sind in der Lage, Gedanken mit Emotionen zu verbinden.

    Es wurde ein Rollenspiel mit 90 Kindern im Alter zwischen fnf und zehn Jahren

    organisiert. Jedes Kind wurde gebeten, sich sechs Szenen anzuhren, in denen jeweils

    43

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    zwei Charaktere vorkamen. Die Charaktere erleben gemeinsam die gleichen positiven

    Situationen (und fhlen sich wohl), die gleichen negativen Situationen (und fhlen sich

    schlecht) oder mehrdeutige Situationen (und fhlen sich okay). Danach hat ein

    Charakter einen positiven Gedanken, whrend der andere einen negativen Gedanken

    denkt. So lernen zum Beispiel in einer mehrdeutigen Szene die Charaktere eine neue

    Lehrerin kennen. Ein Charakter denkt negativ: "Sie wird gemein sein und uns eine

    Menge Hausaufgaben geben.", whrend der andere positiv denkt: "Wir werden Spa

    mit ihr haben und sie wird uns Geschichten vorlesen."

    Nachdem sie die Reaktionen der Charaktere erklrt hatten, fragten die Moderatoren

    die Kinder, was sie darber dachten, und nahmen ihre Antworten auf. Die Studie

    zeigte, dass bereits fnfjhrige Kinder die Grundstze des positiven Denkens verstehen

    konnten: Mit einem positiven Gedanken fhlt man sich besser und mit einem

    negativen Gedanken fhlt man sich schlechter. Auerdem gelingt es Kindern besser,

    den Einfluss des positiven Denkens in mehrdeutigen Situationen zu verstehen.

    Etwas ltere Kinder sind noch besser darin, positives Denken anzuwenden. Viele

    Studien zeigen, dass Sieben- und Achtjhrige Ablenkung dazu nutzen, um mit Angst

    fertig zu werden. Auf die Frage, wie sie mit der Angst vor Spritzen beim Arzt umgehen,

    meinten sie, sie dachten an eine schne Zeit, wie zum Beispiel an Eis essen. Im

    Gegensatz dazu arbeiten jngere Kinder in der Regel mit greifbareren Ablenkungen,

    wie etwa dem Spielen mit einem Spielzeug.

    Unabhngig vom Alter gilt: Menschen, die positiv denken, sind widerstandsfhiger.

    Wenn es gefrdert wird, ist das positive Denken ein leistungsfhiges

    Bewltigungswerkzeug und frdert die Widerstandsfhigkeit. Menschen mit und ohne

    Behinderung lernen, besser mit Enttuschungen des Lebens umzugehen: nicht in eine

    Sportmannschaft aufgenommen werden, in einem Schulprogramm abgelehnt werden

    oder einen Test nicht bestehen. Es gibt eine Reihe von Fllen, in denen Menschen mit

    Behinderung darin geschult wurden, optimistisch zu denken, und die Ergebnisse

    zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, spter Depressionen zu entwickeln, geringer ist.

    Auch hier zeigt sich, dass positiv denkende Menschen widerstandsfhiger sind.

    44

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    45

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    3.7.3 Wie knnen Eltern positives Denken frdern? Seien Sie ein Vorbild

    Je optimistischer die Eltern sind, desto besser versteht ein Mensch mit Behinderung

    die Grundstze des positiven Denkens. Interpretieren Sie die Dinge in Ihrem eigenen

    Leben auf eine positive Art und Weise. Bringen Sie das offen und im Gesprch mit

    Ihrem Familienmitglied mit Behinderung zum Ausdruck.

    Abb. 4.8 Emotionenkreis

    Vor dem ersten Tag in der Schule knnen Sie beispielsweise sagen: "Morgen ist der

    erste Tag in der Schule. Was sind all die guten Dinge, auf die du dich freust?" - Wenn

    das Kind mit Behinderung Angst empfindet, helfen Sie ihr/ihm dabei, ihre/seine

    Gedanken umzudeuten: Warum denken wir nicht ber die positiven Dinge nach, die

    ekstatisch energisch

    erregt locker nervs munter

    kribbelig

    AUFGEREGT

    GLCKLICH

    TRAURIG

    BSE

    VERNGSTIGT

    EMPFINDSAM erfllt

    zufrieden froh

    ausgefllt selbstzufrieden

    optimistisch erfreut

    niedergeschlagen melancholisch

    trbselig trauernd entmutigt deprimiert untrstlich gereizt

    grollend beleidigt

    aufgebracht wtend rasend tobend

    nervs ngstlich

    berspannt erschrocken voller Panik

    vertraut liebevoll

    warmherzig mitfhlend

    berhrt freundlich

    sanft

    46

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    heute in der Schule passieren knnten? - Du wirst neue Kinder kennenlernen, die bald

    deine Freunde sein werden. Du knntest von dir erzhlen und was du gerne magst und

    die Lehrerin wird dich dabei untersttzen, neue ntzliche Fhigkeiten zu erwerben. Es

    wird dir gefallen, mit deinen Klassenkameraden zu spielen. Wenn du zur Schule gehst,

    hast du die Mglichkeit, deine Talente zu zeigen.

    Je frher ein Mensch lernt, diese Technik anzuwenden, desto effektiver wird er sie

    benutzen knnen.

    Leugnen Sie nicht, wenn etwas Schlimmes passiert

    Positives Denken bedeutet nicht, dass Negatives geleugnet wird. Wenn Ihr

    Familienmitglied mit Behinderung beispielsweise einen gebrochenen Arm hat, tun Sie

    die Schmerzen nicht einfach ab: "Das tut weh und ich verstehe, dass du dich darber

    aufregst." Zeigen Sie ihr/ihm dann, wie sie/er die negative Situation umdeuten kann:

    "Denken wir doch ber all die coolen Dinge nach, die wir mit dem Gips machen

    knnen: Wie wre es mit lustigen Zeichen und Sprchen oder Unterschriften deiner

    Freundinnen und Freunde?" Diese Umdeutungstechnik hilft dabei, die

    Widerstandsfhigkeit des Menschen mit Behinderung zu strken.

    3.7.4 Wichtige Punkte, an die wir denken sollten x Positives Denken ist eine Geisteshaltung, die Situationen auf konstruktive

    Weise wahrnimmt.

    x Menschen mit und ohne Behinderung ab einem Alter von fnf Jahren sind in der Lage, die Grundlagen des positiven Denkens zu verstehen.

    x Menschen mit und ohne Behinderung knnen das positive Denken mit zunehmendem Alter immer besser verstehen.

    x Wenn man es kultiviert, ist positives Denken ein leistungsfhiges Bewltigungswerkzeug und hilft dabei, die Widerstandsfhigkeit eines

    Menschen aufzubauen.

    x Eltern knnen positives Denken frdern, indem sie als Vorbilder fungieren.

    47

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    x Leugnen Sie nie eine negative Situation oder ein negatives Gefhl. Dann helfen

    Sie Ihrem Familienmitglied mit Behinderung dabei, es auf eine positive und

    produktive Weise zu betrachten.

    x Positives Denken kann sowohl Ihnen als auch dem Menschen mit Behinderung helfen, leichter zu leben.

    x Positives Denken kann Ihnen auch helfen, die Behinderung Ihres Familienmitglieds anderen Menschen gegenber auf eine positiven Art und

    Weise darzustellen.

    x Positives Denken hilft Ihnen dabei, Lsungen zu finden und mit behinderungsbedingten Einschrnkungen umzugehen.

    x Positives Denken hilft Ihnen dabei, zur richtigen Zeit die richtigen Menschen zu finden, die Sie in verschiedenen Situationen untersttzen knnen.

    x Positives Denken hilft Ihnen dabei, sich auf die Ressourcen und nicht auf die Lcken zu konzentrieren.

    Praktischer Teil

    3.7.5 bungen zum positiven Denken Versuchen Sie diese bung, wenn Sie mehr Zeit damit verbringen wollen, sich positive

    Gedanken ber Dinge zu machen, die gut gegangen sind. - Menschen, die diese bung

    zum positiven Denken machen, sagen, dass sie glcklicher, sorgenfreier und weniger

    traurig sind.

    1. Nehmen Sie sich jeden Tag in der nchsten Woche 10 bis 15 Minuten vor dem

    Einschlafen und schreiben Sie drei Dinge auf, die am Tag gut gelaufen sind und

    warum. Das kann etwas so einfaches sein wie "Mein Sohn hat mich heute

    Morgen nett angelacht." Es kann aber auch etwas ganz Groes sein: "Ich habe

    unseren Familienurlaub gebucht."

    2. Unter jedem "Das lief heute gut" schreiben Sie auf, was Sie dafr getan haben.

    Wenn Sie zum Beispiel geschrieben haben: "Mein Sohn hat mich heute Morgen

    48

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    nett angelacht.", knnten Sie schreiben: "Ich habe ihn angelacht und er hat

    zurckgelacht."

    3. Das mag sich vielleicht zunchst seltsam anfhlen, wird aber mit mehr bung

    leichter. Probieren Sie es einfach eine Woche lang aus. Schauen Sie sich Ihre

    Notizen am Ende der Woche an.

    4. Erzhlen Sie auch Ihrer Familie und Ihren Freundinnen und Freunden von dieser

    bung.

    3.7.6 Wie man positives Verhalten frdern kann

    Abb. 4.9 Scott Hamiltons Motto: Die einzige Behinderung im Leben ist eine schlechte Einstellung(Copyrights http://feministsonar.com/2012/10/i-am-not-your-motivational-poster/)

    49

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Werfen Sie einen Blick auf die folgenden allgemeinen Empfehlungen zum positiven

    Denken. Diese sieben Empfehlungen knnen eine Grundlage fr Ihr positives Denken

    bilden und positives Verhalten so frdern, dass Ihr Alltag reibungsloser und stressfreier

    ist. Es handelt sich dabei um eine einfache nicht gegliederte Liste; der erste Punkt ist

    nicht wichtiger als der zweite und der zehnte ist nicht der unwichtigste. Die Menschen

    neigen dazu, Dinge nach ihrer Bedeutung zu ordnen - versuchen Sie also, das beim

    Lesen zu vermeiden.

    1. Entwickeln Sie eine Ja-Einstellung: Fr uns alle gilt vermutlich, dass es zu viele Neins

    im Alltag gibt. Wenn wir auf jemandes Bitte mit Nein antworten, ben wir damit groe

    Macht aus. Und es ist verlockend, diese Macht einzusetzen. Wenn wir Nein sagen,

    meinen wir oft "Ja, aber spter." Zwischen diesen beiden Aussagen liegt ein groer

    Unterschied. Das gilt auch dann, wenn wir unser Nein erklren: "Nein, jetzt nicht" Das

    Wort, das zu hren ist, ist "NEIN!!" - "Ja, das knnen wir machen, wenn wir hier fertig

    sind.", drckt viel eher aus, dass der Wunsch angekommen, beachtet und akzeptiert

    wurde. Seien wir ehrlich: Viele Menschen mit Behinderung haben gelernt, dass sie mit

    verschiedensten Verhaltensweisen ein Nein in ein Ja umwandeln knnen. Aber warum

    sollten wir sie berhaupt dazu veranlassen? Eine Ja-Antwort kann sofort eine Menge

    Probleme lsen.

    Wenn wir ja-orientiert werden wollen, ist das jedoch schwieriger, als Sie vielleicht

    denken. Es verlangt ein Neudenken unserer Reaktionen und eine Neubewertung der

    Wirkung unserer Worte. Es verlangt von uns, das Nein zu brechen, eine Gewohnheit,

    die nicht leicht zu verndern ist.

    Manche Menschen werden gegen das Nein immun, wenn es gegen Sigkeiten vor

    dem Essen gleich stark eingesetzt wird wie bei einer gefhrlichen Situation im

    Straenverkehr. Setzen Sie es also so ein, dass Nein nur dann nein bedeutet, wenn das

    Nein ein Argument darstellt und keine Ablehnung.

    2. Wahlmglichkeiten: Stellen Sie sich folgendes Gesprch und sein Ergebnis vor:

    Reinhard: He, Birgit, kmmerst du dich heute Abend um das Geschirr?

    Birgit: hm, nein.

    50

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Reinhard: Aber du bist an der Reihe! Du wirst alle anderen enttuschen! Ich muss das

    in dein Info-Heft schreiben. Bist du dir sicher, dass du dich nicht um das Geschirr

    kmmern mchtest?

    Birgit: hm, ja.

    Reinhard: Du musst aber in die Kche gehen und dich um das Geschirr kmmern. Jetzt

    sofort! Du bist heute Abend an der Reihe!

    Birgit geht in die Kche und ruft ihre Angehrigen an. Nach einer Weile wird ihre Angst

    strker und schlielich zerbricht sie einige Teller.

    Grundstzlich gilt hier: Bieten Sie keine Auswahlmglichkeiten, wenn Sie nicht wollen,

    dass die/der andere die Wahl hat. Sobald Reinhard durch seine Frage andeutet, dass

    Birgit die Wahl hat, muss er die jeweilige Entscheidung auch respektieren. Anstatt das

    zu tun, eskaliert er die Situation (meist bemerken wir das gar nicht) und zwingt sie,

    jene Entscheidung zu treffen, die er mchte. Das fhrt zu einem Problem, das htte

    vermieden werden knnen, und endet mit zerbrochenen Tellern. Man knnte

    argumentieren, dass Birgit die Teller nicht zerbricht, weil sie den Abwasch nicht

    machen mchte, sondern weil man ihr nicht zugehrt hat. Wir sollten also mit

    Wahlmglichkeiten vorsichtig umgehen. Menschen mit Behinderung brauchen sowohl

    Wahlmglichkeiten als auch Erwartungen - seien Sie sich darber im Klaren, welches

    der beiden Sie gerade einsetzen.

    3. Schaffen Sie etwas Freiraum: Eine der am hufigsten angewandten Strategien, die

    Menschen mit Behinderung fr den Umgang mit negativen Gefhlen und Situationen

    einsetzen, ist es, sich zurckzuziehen. Die Schaffung von Freiraum (in die Privatsphre

    eintauchen, um sich aus einer Situation zurckzuziehen) im Umgang mit Wut wird auch

    von ExpertInnen empfohlen (Brown, Standen, Evert, 2010 Nottingham).

    Wut braucht Raum. - Wut ist ansteckend.

    Es ist wichtig, Menschen Zeit zu geben, um sich zu beruhigen. Es gibt einen Grund

    dafr, dass Wut so oft von zugeschlagenen Tren begleitet wird. Der Knall der Tr ist

    eine Art zu sagen: "Lass mich in Ruhe!", oder "Ich muss jetzt allein sein."

    51

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    Menschen mit Behinderung haben oft das Gefhl, nicht entkommen zu knnen, oder

    sie denken nicht daran, dass sie diese Option haben, wenn sie aufgeregt sind. Sagen

    Sie einfach Folgendes zu Ihrem Familienmitglied mit Behinderung: "Ich gebe dir jetzt

    ein wenig Freiraum." Sagen Sie das freundlich und untersttzend und verlassen Sie den

    Raum. Das sollten Sie natrlich nur dann machen, wenn die Situation nicht gefhrlich

    ist. Aber auch wenn stndige berwachung notwendig ist, knnen Sie den Blick

    abwenden und Ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, um etwas Privatsphre

    zu schaffen.

    4. Der Ton macht die Musik: Wurde Ihnen schon einmal ber den Tonfall mitgeteilt,

    dass Sie "dumm" oder "unfhig" sind? Haben Sie schon jemals gesagt: "Sprich nicht in

    diesem Ton mit mir!"? Waren Sie schon einmal wtend, weil jemand mit Ihnen

    gesprochen hat, als wren Sie ein Kind?

    Wir alle haben schon unsere Erfahrungen mit einem respektlosen Tonfall gemacht. Wir

    alle wissen, was es heit, wenn wir uns nicht ber das Gesagte aufregen, sondern

    darber, wie es gesagt wurde. Wir sollten mit Kindern mit Behinderung so sprechen,

    wie wir mit Erwachsenen sprechen. Achtung: Es sind meistens die Situationen, in

    denen wir frustriert oder verrgert sind, dass wir als Eltern im Gesprch mit unseren

    Kindern mit Behinderung in den Tonfall des "berlegenen Erwachsenen" verfallen.

    5. Grenzen - Grenzen - Grenzen: Die Frage der Grenzen wurde im Zuge dieses Moduls

    bereits mehrmals angesprochen. Hier geht es nicht um Grenzen in Bezug auf Freiraum

    und Privatsphre. Und auch nicht darum, Grenzen in Bezug auf Ihre Beziehung zum

    Menschen mit Behinderung aufzubauen. Wir wollen ber andere Grenzen sprechen:

    diejenigen zwischen dem Leben eines Menschen mit Behinderung und Ihrer Meinung.

    Diesbezglich ist definitiv eine Grenze zu ziehen!

    Eine der grten Herausforderungen ist es, unsere Vorstellung zuzugeben, dass wir

    besser wissen, wie unsere Kinder ihr Leben leben sollten. Das sollten wir schnell hinter

    uns lassen. Menschen mit Behinderung werden es leid, ihr Leben analysieren,

    bewerten und kommentieren zu lassen. Wenn Sie jemals von jemandem Besuch

    hatten, die/der Ihnen stndig gesagt hat, was Sie anders und besser machen knnten,

    52

  • MODUL 3 PSYCHISCHE STRKE

    wissen Sie, welche Art von Wut ein solch "hilfreiches Feedback" hervorrufen kann.

    Vielleicht denken Sie also hin und wieder daran, dass es nicht um Sie geht und dass es

    nicht Ihr Leben ist. Am wichtigsten ist es vielleicht, sich manchmal zurckzuhalten und

    einfach zu schweige