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Reise ins Innere von Tschernobyl In der Sperrzone von Tschernobyl ist die Strahlung fast überall weniger hoch als in den Alpen oder in Rom. Trotzdem gibt es tödliche Gefahren, wie eine Studienreise zeigte. Dr. Walter Rüegg, 23. April 2016 Die Reise Immer wieder werde ich gefragt, ob eine Reise nach Tschernobyl nicht gefährlich sei. Natürlich gibt es Gefahren. Ich wurde jedenfalls einer Dosis ausgesetzt welche etwa der halben Tödlichen entsprach, ein Kollege kam sogar recht nahe an die Tödliche heran. Doch der Reihe nach. Vom 6. bis 12. September 2015 konnte ich als Mitglied einer informellen, 12-köpfigen amerikanischen Expertengruppe Tschernobyl und Umgebung besuchen. Die Gruppe war sehr heterogen zusammengesetzt, mehrere Universitätsforscher, aber auch Strahlenschutzfachleute, Katastrophenexperten, eine Reaktoroperateurin - und ich als „Privatgelehrter“. Organisiert wurde die Exkursion vom Strahlenschutzbeauftragten einer amerikanischen Universität und einem Feuerwehr-Strahlenexperten. Wir logierten während des ganzen Aufenthaltes im einzigen „richtigen“ Hotel von Slavutych, mit überraschend gutem westlichen Komfort. Diese Stadt wurde nach der Reaktorkatastrophe vom 26. April 1986 in aller Eile als „Ersatzstadt“ für die evakuierte Stadt Pripyat gebaut. Jede Sowjetrepublik musste ein Quartier bauen, entsprechen bunt ist ihr Erscheinungsbild: Abbildung 1 Die Stadt Slavutych, etwa 45 km vom Unglücksreaktor entfernt (Bild im Tschernobyl- Museum von Slavutych, Aufnahme bewilligt). Die meisten der heute im Kraftwerk Tschernobyl Beschäftigten wohnen in Slavutych und pendeln täglich zum 45 km entfernten Kraftwerk. Auch wir benutzten jeden Morgen einer dieser Züge. Die Fahrt führt über menschenleere Waldgebiete, ein Teil der Strecke liegt in Weissrussland. Eine nennenswerte Strahlung misst man erst in der Nähe des Kraftwerkes. Noch im Zuge wurden wir

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ReiseinsInnerevonTschernobyl InderSperrzonevonTschernobylistdieStrahlungfastüberallwenigerhochalsindenAlpenoderinRom.TrotzdemgibtestödlicheGefahren,wieeineStudienreisezeigte. Dr.WalterRüegg,23.April2016

DieReiseImmerwiederwerdeichgefragt,obeineReisenachTschernobylnichtgefährlichsei.NatürlichgibtesGefahren.IchwurdejedenfallseinerDosisausgesetztwelcheetwaderhalbenTödlichenentsprach,einKollegekamsogarrechtnaheandieTödlicheheran.DochderReihenach.Vom6.bis12.September2015konnteichalsMitgliedeinerinformellen,12-köpfigenamerikanischenExpertengruppeTschernobylundUmgebungbesuchen.DieGruppewarsehrheterogenzusammengesetzt,mehrereUniversitätsforscher,aberauchStrahlenschutzfachleute,Katastrophenexperten,eineReaktoroperateurin-undichals„Privatgelehrter“.OrganisiertwurdedieExkursionvomStrahlenschutzbeauftragteneineramerikanischenUniversitätundeinemFeuerwehr-Strahlenexperten.WirlogiertenwährenddesganzenAufenthaltesimeinzigen„richtigen“HotelvonSlavutych,mitüberraschendgutemwestlichenKomfort.DieseStadtwurdenachderReaktorkatastrophevom26.April1986inallerEileals„Ersatzstadt“fürdieevakuierteStadtPripyatgebaut.JedeSowjetrepublikmussteeinQuartierbauen,entsprechenbuntistihrErscheinungsbild:

Abbildung 1 Die Stadt Slavutych, etwa 45 km vom Unglücksreaktor entfernt (Bild im Tschernobyl-Museum von Slavutych, Aufnahme bewilligt).

DiemeistenderheuteimKraftwerkTschernobylBeschäftigtenwohneninSlavutychundpendelntäglichzum45kmentferntenKraftwerk.AuchwirbenutztenjedenMorgeneinerdieserZüge.DieFahrtführtübermenschenleereWaldgebiete,einTeilderStreckeliegtinWeissrussland.EinenennenswerteStrahlungmisstmanerstinderNähedesKraftwerkes.NochimZugewurdenwir

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mündlichundschriftlichdarüberinformiert,wasmaninder„ExclusionZone“machendarfundwasnicht.DurchUnterschriftmusstemanbestätigen,dassmanallesverinnerlichthat.VieledieserVorschriftensindheuteübertrieben(z.B.darfinderganzenZonenichtsberührtwerden),werdenaberandererseitsauchnichtmehrganzernstgenommen.

Abbildung 2 Einfahrt des Pendelzugs Slavutych-Tschernobyl.

Abbildung 3 Das zu unterschreibende Formular regelt genau was man darf und was nicht.

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DieKatastropheVordemBesuchderKraftwerksblöckestandeneineReihevonVorträgen(z.T.bereitsinSlavutych)aufdemProgramm.Besondersinteressant:EinehemaligerReaktoroperateurvonBlock3erläutertedengenauenAblaufderExplosionimUnglücksblock4,dienachfolgendenAbbildungenstammenausseinemVortrag(Aufnahmenbewilligt).DasDramabegannbereitsinderVorbereitungsphasefüreinenSicherheitstest.EinAbsenkenderLeistungauf25%warvorgesehen,durcheineFehlmanipulationoderdurcheinenElektronikdefektsacktesiejedochauf1%ab.InjederVorlesungüberReaktorphysiklerntman,dassdanneineschwere„Xenonvergiftung“einsetzt,derReaktormussfüretwazweiTageganzabgeschaltetwerden(dasXenonbautsichdannab).DasProblem:DasXenonwirktwieeineVollbremsung,einstabilerBetriebistnichtmehrmöglich.AberdenTestwolltemanunbedingtdurchführen,alsomangabVollgas:PraktischalleSteuerstäbewurdenbiszumAnschlagausgefahren.DieLeistungstiegtrotzdemnuraufkümmerliche7%.AlsdereigentlicheTesteingeleitetwurde(AbschaltungderTurbine)stiegdieLeistungausphysikalischenGründen(Dampfblasenentstanden)plötzlichan,dieNotabschaltungwurdemanuelleingeleitet.Abereswarschonzuspät.

Abbildung 4 Die kritische Phase nach Beginn der Notabschaltung, wenige Sekunden vor der Explosion. Im unteren Teil des Bildes (violette Linien) ist die vertikale Verteilung des Neutronenfluss (und damit die Leistung) für drei Steuerstabstellungen abgebildet.

Eigentlichunglaublich:DieseReaktorenverfügtenüberkeineSchnellabschaltung,dieganzausgefahrenenSteuerstäbe(„Vollgasstellung“)benötigen15-20Sekundenbissievölligeingefahrenwaren(„Vollbremsung“).Schlimmernoch:UmbeimNormalbetriebdieLeistungzumaximierenbestandendieSpitzenderSteuerstäbeausGraphit(gelbeTeileinAbbildung4).DiesesGraphiterhöhteindenerstenpaarSekundendesEinfahrensdenNeutronenfluss(unddamitdieLeistung)imunterenTeildesReaktors.DerZustanddesunstabilenReaktorskippteplötzlichauf

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Vollgas.DieLeistungstieglawinenartigan,innert4Sekundenaufden100-fachenNominalwert.DeruntereTeildesReaktorkerneserhitztesichaufüber3000°C,dasKühlwasserverdampfteexplosionsartig.DerentstehendeDampfdruckwarsogewaltigdasserdengesamtenReaktorkern(mitAbschirmungsdeckeltotalumdie3000t)wieeineRaketeetwa40mhochindieLuftsteigenliess.DerReaktordrehtesichdabeiumfast180°,dannerfolgteeinezweite,nochstärkereExplosion,verursachtdurchdasentstehendeKnallgas.DeruntereTeildesReaktorswurdeinStückegerissenundindieUmgebunggeschleudert.DerganzeAblaufistinAbbildung5dargestellt,der„Flug“desReaktorsdauerte4-5Sekunden.

Abbildung 5 Ablauf der Zerstörung des Reaktors. Beschriftungen und Pfeile vom Autor eingefügt.

DerobereReaktorteilmitdemschwerenBetondeckelfielindenReaktorschachtzurück(sieheAbbildung6).MansiehtindieserAbbildungdievielenBrennstoffrohreausdemReaktordeckelherausragen.DerBrennstoffindiesemoberenReaktorteildürftesichnochteilweiseindiesenRohrenbefinden.DiemeistensowjetischenReaktorendieserZeitbestandenausBündelnvoneinzelnenBrennelementrohren,direktabgeleitetvondenerstenmilitärischenTypen.TrotzdenbekanntenInstabilitätendiesesReaktortypswurdesowohleineSchnellabschaltungalsaucheinContainmentalsüberflüssigangesehen.

WeristSchuld?AufdieFrageandenReaktoroperateur,obseineKollegenvomKatastrophenblock4Fehlergemachthaben,lautetediespontaneAntwort:Nein.Etwaseinschränkendfügteerhinzu,dass

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zumindestkeineBetriebsvorschriftenverletztwordenseien1.DieseReaktionisttypisch:DieUkrainerschiebenallesaufdie„Konstruktionsfehler“desrussischenReaktorsab.FürdieRussenhingegenistdieignoranteukrainischeMannschaftanallemschuld.Werhatrecht?Beide:NurdasZusammentreffenvoneinernichtinstruiertenMannschaftmiteinem„heiklen“ReaktortypohneSchnellabschaltungkonntezueinersolchenKatastropheführen.

Abbildung 6 Oberes Ende des zerstörten Reaktors von Block 4. Die rötliche Farbe stammt von der Beleuchtung.

Einesistklar:DerReaktorhattekeine“Konstruktionsfehler”.BeidenReaktorender60erund70er-JahrewurdedieLeistungoptimiert,dieSicherheitwarkeinzentralesThema(wieauchbeidenFukushima-Reaktoren,ebenfallseinProduktdieserZeit).DierussischenKonstrukteurewarensichderSchwächendesDesignssehrwohlbewusst,dieBetriebsvorschriftenhabendiesentsprechendberücksichtigt.DiesfunktioniertabernurbeieinergutenSicherheitskultur,unddiesefehltevollkommen:ImKraftwerkLeningrad1kames1974,demerstesBetriebsjahrmiteinem„Tschernobyl-Typ“,zuverschiedenenernsthaftenProblemen:UnteranderemerfolgteeinepartielleKernschmelzemitteilweiserZerstörungdesReaktorkernes.DreiMitarbeiterstarben.Und1982tratimBlock2vonTschernobylebenfallseineKernschmelzeauf.InbeidenFällenwurdenbeträchtlicheMengenradioaktiverSubstanzenfreigesetzt(keinContainment!).Lehrendarauswurdenkaumgezogen,imGegenteil,alleswurdestrenggeheimgehalten.

1RätselhafterweisesinddiespezifischenBetriebsvorschriftenfürdiesenReaktor„verschwunden“.OhneZweifelsinddieallgemeinenVorschriftenfürdiesenReaktortypmassivverletztworden(z.B.minimaleAnzahlSteuerstäbeimReaktor),unklaristaberderInstruktionsgradderMannschaft.

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DerSarkophagEinandererinteressanterVortragbetrafdenBaudesSarkophags.DerVortragendewarein„Liquidator“dererstenMonate,einerderLeiterdesBaues–undhatmireinengehörigenSchreckeneingejagt:AlserstrammenSchrittesdenSaalbetrat,fragteeralserstes(überdieDolmetscherin),werWalterRüeggsei.Ichzucktezusammen,insolchenStaatenkannmanvielesfalschmachen.AlsichzögerndmeineHandaufstreckte,kameraufmichzuundbegrüsstemichherzlich.DieDolmetscherinklärtemichauf:Ichseigenaugleichaltwieer(Jahrgang1941).InderPauseunterhieltenwirunswiealteBekannte.ÜberdieseinerzeiterhalteneStrahlendosiswollte

ersichnichtsorechtäussern.Wennichihnrichtigverstandenhabe,dürfteneseinige100mSvgewesensein(heuteeineHorrordosis,sieheBox1).OffensichtlichhattedieStrahlungkeinenegativeWirkungentfaltet,imGegenteil:Manwürdeihmhöchstens60Jahregeben(sieheAbbildung7),eristdynamischundfitwieeinTennisschuh.Undzwarbuchstäblich:InseinerFreizeittrainierterdieTennisjuniorenvonSlavutych.Alservernahm,dassichauchnochTennisspiele,wollteerunbedingtmitmirspielen.DerengeTerminplanunsererGrupperettetemich.DerBaudesSarkophagseinigeMonatenachderKatastrophewar,unterBerücksichtigungdersehrschwierigenUmstände,eine

Meisterleistung.AberheuteisterineinemschlechtenZustand.Erkönnteeinstürzen,insbesonderebeieinemschwerenErdbeben.Dichtisterauchnicht(manberichtetvonüber100m2offenerFlächen),Vögelfliegenreinundraus.ImInnerndesSarkophagsherrschenStrahlendosen,diemehrereZehnerpotenzenhöhersindalsinderUmgebungdesKraftwerkes.

Box 1: Was ist ein Sievert (Sv)? Sievert(Sv)isteinMassfürdiebiologischeWirkungeinerStrahlendosis,berücksichtigtStrahlenartundbetroffenesOrgan/Gewebe,beiEinnahmeauchdieVerteilungdesRadionuklidsimKörperunddieAusscheidungsrate.4-5Svaufeinmal(Schockdosis)sindin50%derFälletödlich.ErsteEffekte(1%ErhöhungderKrebstodesrateimAlter)könnenerstabca.0.1Sv(100mSv)Schockdosisnachgewiesenwerden(Hiroshima).Abetwa1SvSchockdosiswirdman„strahlenkrank“,dieSymptomesindpraktischdiegleichenwiebeieinerstarkenChemotherapie(waskeinWunderist,inbeidenFällenwerdendiegleichenZellenangegriffen).WirddiegleicheDosisübereinelängereZeitspanneverteilt,istdieWirkungwesentlichkleiner,umwievieliststarkumstritten.DerheutigeGrenzwertfürdieBevölkerungliegtbei1/1000Sv(1mSv)proJahr.

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Abbildung 7 Erste Phase des Baus des Sarkophags um den explodierten Block 4. Der Vortragende, Jahrgang 1941, war in leitender Stellung vor Ort tätig.

Seit2007isteineriesigeneueHülleinBau,Abbildung8zeigtdenZustandimSeptember2015.ManerkenntdirekthinterderneuenHülledenSarkophagumBlock4,sowiedieBlöcke3,2und1.NachderFertigstellungsolldieneueHülleüberdenbestehendenSarkophaggeschobenwerden.

Abbildung 8 Neue Hülle aus einem Stahlgerüst, innen und aussen verkleidet mit Stahlplatten, Kostenpunkt ca. 2 Milliarden $. Im Hintergrund die Blöcke 4, 3, 2 und 1.

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DasKraftwerkImKraftwerkselberbesuchtenwirdieverschiedenenBlöcke.Abbildung9zeigtunsereExpertengruppeimKontrollraumvonBlock2.

Abbildung 9 Unsere Expertengruppe im Kontrollraum von Block 2. Dieser Reaktor wurde 1991 stillgelegt.

DieunbeschädigtenReaktorenderBlöcke1,2und3wurdennachdemUnglückweiterbetrieben,aberumgehendmitvielenzusätzlichenSicherheitsmassnahmenaufgerüstet(füretwa400Millionen$).Unteranderemwurdeeine„richtige“Schnellabschaltungeingebaut(kanndenReaktorin1-2Sekundenstoppen),zudemverunmöglichenverschiedeneUmbauteneineexplosiveLeistungsexkursion.Einneues„Tschernobyl“miteinemmassivenAustrittvonradioaktivenSubstanzenkannausphysikalischenGründenausgeschlossenwerden(eine„normale“Kernschmelzeabernicht).Trotzdem:SehrzumÄrgerderUkrainermusstensieaufDruckderEuropäerdieReaktorenderBlöcke1,2und3abschalten(denletztenimJahre2000).InRusslandsindimmernoch10dieser(aufgerüsteten)„Tschernobyl“-ReaktorenimBetrieb(Stand2015),ernsthafteProblemegabesniemehr.FürdieUkrainerwardieStilllegungeinökonomischesProblem:JederBlockhätteproJahrfürgegeneinehalbeMilliarde$Stromproduziert.EingewisserAusgleicherfolgtedurchdiefinanzielleUnterstützung(insbesondereSicherheitsaufrüstungen)beianderenKraftwerken.DieUkraineverfügtheuteüberinsgesamt15ReaktorenrussischerBauart,damitwirdrund50%deselektrischenStromeserzeugt.Diesezwischen1981und2006inBetriebgenommenenDruckwasserreaktorengehöreneinerneuerenGenerationan,siebesitzeneinContainmentundsindmittlerweilesicherheitstechnischaufeinemwestlichenNiveau.

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Abbildung10zeigtdaslanggestreckteTurbinengebäude,dahinterbefindensichdievierReaktorblöcke.GanzhintensiehtmandieneueHülle.DieStrahlungsintensitätandiesemEndedes

Kraftwerkesistüberraschendtief(0.16uSv/h),ähnlicheWertemisstmanüberallaufderWelt.EinGrundfürdietiefenWerte:DerBodenistmitSteinplattenbelegt,dieseschirmeneinengrossenTeilderStrahlungab.ÜberNaturbodenwardieStrahlungdeutlichhöher,wirmassentypisch0.5-2uSv/h.InderNähevomBlock4stiegdieStrahlungaufetwa10uSv/h.DirektanderWanddesSarkophags(Zugang„normalerweise“strengverboten,aberwirwarenkeine„normale“Gruppe)registriertenwirWerteüber100uSv/h.

OhneVergleichesinddieseDosis-Angabenwenigaussagekräftig,mankannsienichteinordnen.EinigeVergleicheermöglichtBox2.IndenmeistenBerichtenfehlensolcheVergleiche,aberwiesonstsollmansicheinBildmachen?Manberuftsichallenfallsaufdie„normale“Strahlung(liegtjenachOrtzwischen0.04uSv/hund100uSv/h),oderaufdieGrenzwerte(liegenmittlerweileweitunterdernatürlichenStrahlung,sieheBox3).

StattVergleichefindetmannichtbesondershilfreicheAusdrückewie:„Todeszone“,„radioaktivestrahlendeHölle”,„…Sperrgebiete,derenBetretenunmittelbarlebensgefährlichseinkann”(Zitateaus:DiestrahlendeWahrheit,M.Arnold,U.Fitze,2015,ISBN:978-3-907625-77-4).

Box 2: Die Natur und die „normale“ Strahlung Umeskurzzumachen:Esgibtsienicht,die„normale“Strahlung,ebensowenigwiedas„normale“Essenoderden„normalen“Untergrund.IneinemKubikmeterErdebefindensichimMitteletwa5gNatururan(fastimmerdieHauptursachedernatürlichenStrahlung).Eskönnenaberauch100malwenigeroder100malmehrsein.EntsprechendvariiertauchdieStrahlung:InAlicante,Spanien,massichWerteum0.04uSv/h(1uSv=1/1'000'000Sv),inZürichum0.1uSv/h,inRom0.2bis0.6uSv/h.InvieleneuropäischenRegionen(z.B.Süditalien,Piemont,MassiveCentral,Schwarzwald,Erzgebirge,Alpen)findetmanSpitzenwertezwischen0.5undüber10uSv/h,oftinbekanntenKurorten.RekordverdächtigeWertevonüber100uSv/h(bzw.1Sv/J!)misstmaninRamsar,einembeliebtenKurortinIran,sowieamStrandvonGuarapari,Brasilien(genannt„cidadesaude“,die„gesundeStadt“).AlledieseWertebetreffendieleichtmessbareexterneStrahlungausdemBodenundausdemWeltall.DiegesamtenatürlicheStrahlendosisistabertypisch2bis5malhöher.DerGrund:DieBestrahlungdurchdieverschiedenenradioaktivenElementeinunseremKörper,aufgenommendurchLuft(Radon)undNahrung(HautbeitragvonKaliumundKohlenstoff,beidesindvonNaturausradioaktiv).

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Abbildung 10 Blick vom südlichen Ende des Kraftwerkes. Die Strahlung ist hier recht tief (0.16 uSv/h), in Bülach/Schweiz ist sie höher (eines meiner Lieblingslokale befindet sich dort).

Abbildung 11 Der alte Sarkophag, Zustand September 2015. Die Strahlung im Abstand von 100 m beträgt etwa 10 uSv/h.

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ImInnerenvonBlock4Eine„Exkursion“insInneredesSarkophags,z.B.indenKontrollraum4,seilebensgefährlich,deshalbvölligunmöglichundstrengverboten(wurdeunsamerstenBesuchstagerklärt).Aberwirwaren,wiebereitserwähnt,offenbarkeine„normale“Besuchergruppe.Geholfenhatwohlauch,dasszweiMitgliederunsererGruppefliessendRussisch/UkrainischsprachenundsichmitdenlokalenSittenundGebräuchenauskannten.Abersogenauwillichesgarnichtwissen,jedenfallskamenwirinBlock4hineinundkonntendenKontrollraumgründlichbesichtigenundausmessen.IndievölligzerstörteReaktorhalleoderindieRäumedirektunterdemReaktor(StrahlungbismehrereSv/h)konntenwirnichtgehen,dortistesbeilängeremAufenthalt(mehralsetwaeinehalbeStunde)tatsächlichlebensgefährlich.AbgesehendavonsinddieTrümmerinstabil.IndenzugänglichenGängenumdenBlock4herummassenwirStrahlenintensitätenvontypisch10uSv/h,mitSpitzenbisetwa200uSv/h.DerHauptteilderStrahlungwirdheutevonCs-137erzeugt.WährendderKatastropheherrschtenhierIntensitätenvonbiszueinigen10Sv/h,tödlichinnert5-30Minuten.AmschlimmstenwardieStrahlunginderReaktorhalle,direktnebendemzerstörtenReaktorkern:InnertetwaeinerMinutetödlich.MehrereTagelanghattemankaumInformationenüberdieHöhederStrahlung,geeigneteStrahlenmessgerätefehltenweitgehend.ZudembehauptetendieVerantwortlicheneinenvollenTaglangsteifundfest,dassderReaktornichtzerstörtsei.DieFolgen:Etwa1000Einsatzkräftewurdensehrstarkbestrahlt,über130wurdenschwerstrahlenkrank,30verlorenihrLeben2.

2https://en.wikipedia.org/wiki/Individual_involvement_in_the_Chernobyl_disaster:ListederammeistenBetroffenenmitindividuellenAngaben.

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Abbildung 12 Autor im Kontrollraum vom Unglückblock 4, ca. 40 m von der völlig zerstörten Reaktorhalle entfernt. Ein doppelter Schutzanzug ist Pflicht, über dessen Notwendigkeit kann man sich streiten.

DerKontrollraum4befindetsichrund40mvonderzerstörtenReaktorhalleentfernt.DickeBetonwändeverhinderteneinedirekteEinwirkungderExplosionen,konntenaberdasEindringenvonradioaktivenSubstanzennichtverhindern(teilsdurchdieLuft,teilsvonderBelegschafthineingebracht).DieStrahlendosiserreichtesehrhohe,beilängeremAufenthaltlebensbedrohendeWerte(20’000-50'000uSv/h).AnatoliDyatlov,stellvertretenderChefingenieurdesKraftwerkesundLeiterdesVersuches,erlitteinenahezutödlicheStrahlendosisvon3.9Sv(wennmandenAngabentrauenkann).Erstarb10JahrenachdemUnglück,imAltervon64Jahren3,aneinemHerzinfarkt(nachdemerwegenseinenFehlentscheidungen5JahreimGefängnisverbrachthatte).HeuteistdieStrahlungimKontrollraumaufrelativharmlose5uSv/habgeklungen,sieheAbbildung13.DerRaumistineinemtrostlosenZustand,allesistvoneinerdickenStaubschichtüberzogen,praktischalleInstrumentewurdenausgebaut.OffizielldientensiealsErsatzteilefürdieanderenReaktoren,inoffiziellwurdensieals„Souvenirs“mitgenommen,manchmaltauchensieaufdemSchwarzmarktwiederauf.

3TrotzderlebensbedrohendhoherStrahlendosislebteerdeutlichlängeralsDurchschnittseinerZeit(ca.60Jahre).

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Abbildung 13 Die Strahlung im Kontrollraum 4 beträgt heute etwa 5 uSv/h. Zum Vergleich: Während des Fluges Kiev-Zürich mass ich über 3 uSv/h, bei Flügen nach USA oder Asien kann sie bis gegen 10 uSv/h steigen. Während der Katastrophe betrug die Strahlung 20'000 – 50'000 uSv/h.

DiehochradioaktivenAbfälleDievierTschernobyl-ReaktorenhabenimLaufederZeiteinigenhochradioaktivenAbfallerzeugt,voralleminFormvonabgebranntenBrennstäben.DieLagerungwirdsehrpragmatischangegangen.DieAbfällewerdeningrosse,relativdünnwandigeStahlzylinderverpackt.Diesesinddoppelwandig,dieLuftdazwischenwirdständigüberwacht.EinallfälligesLeckkannleichtfestgestelltwerden.DieseBehälterwerdenhorizontalineinemBetonbunkergelagert,leichtherausholbar,sieheAbbildung14.DieBunker,etwa1kmvondenReaktorenentfernt,sindheute(2016)nochimBau,sollenaberbaldinBetriebgenommenwerden.DieLagerungistfüreinenZeitraumvonhöchstens100Jahrenvorgesehen.DieIdeedahinter:DieabgebranntenBrennstäbederTschernobyl-Reaktorenbestehenzuetwa97-98%4ausunverbrauchtemUran.MehrerekommerzielleReaktortypendernächstenGenerationkönnensolche„Abfälle“alsBrennstoffbenutzen.VorallemRusslandundChinawerdensolcheReaktoreningrössererZahlbauen(verschiedenePrototypenlaufenschon),wahrscheinlichauchSüdkorea,IndienundvielleichtauchwestlicheIndustriestaaten.MiteinergewissenBerechtigungerwartendieUkrainerdeshalbdassihre„Abfälle“in20bis30JahrenalsBrennstofffürdieseneuenReaktorenbenutztwerdenkönnen.Ein(extremteures)EndlagertiefunterderErdeistnichtvorgesehen.PlanB:Nach100JahrenkannmandieBunkeruntereinerzusätzlichenmeterdickenBetondeckevergraben.Diesesolltemindestens500Jahrehalten.DannistdergefährlichsteTeilderAbfälle,diestarkstrahlendenund„beweglichen“Spaltprodukte,praktischvollständigzerfallen.Die

4AbgebrannteBrennelementevondenbeiunsüblichenLeichtwasserreaktorenbestehenzuetwa95%ausunverbrauchtemUran.

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übriggebliebenen„unbeweglichen“radioaktivenSchwermetallestellenkeinegrosseGefahrmehrdar(istimWestenallerdingsstarkumstritten,dieMeinungenreichenbiszu„extremgefährlich“).

Abbildung 14 Etwa 1 km neben den Reaktorblöcken werden die Bunker zur Lagerung der hochradioaktiven Abfälle gebaut.

PripyatDieStadtPripyatliegt3-4kmvomKraftwerkentfernt,imGebietdesgrösstenFallouts.Dieetwa50'000Bewohnerwurdenalsersteevakuiert.HeuteherrscheimmernocheinegefährlichhoheStrahlendosis,wennmandenvielenBerichtendarüberindenMedienglaubendarf(beliebteBezeichnungen:„Todeszone“,„radioaktivstrahlendeHölle“,usw.).Trotzdemfindeteinreger„Katastrophentourismus“statt,ganzeBusladungenvonTouristenausKievergiessensichtäglichüberdieStadt.DiesystematischenPlünderungenundderüberallsichtbareVandalismusvermittelneindüsterenBild,habenabernichtsmitderStrahlungzutun.UnsereGruppeistkreuzundquerdurchPripyatgewandert,dabeihabenwirtausendevonMesspunktenerfasst.AufdenasphaltiertenoderbetoniertenStrassenwardieStrahlungrechttief(zumindestaufdenmoosfreienTeilen),typischum0.2-0.3uSv/h,sieheAbbildung15.SolcheWertemisstmanauchbeiuns.ÜberNaturbodenundganzbesondersübereinemdervielenMoosbeetestrahltes

Box 3: Grenzwerte DiebestenHumandatenverdankenwirdenÜberlebendenvonHiroshimaundNagasaki.Unter100mSvSchockdosiskonntenkeinenegativenEffektegefundenwerden.WirddiegleicheDosisübereinelängereZeitspanneverteilt,istdieWirkungwesentlichkleiner.HochwertigeHuman-undTierstudienweisenaufeineSchwelleum1Sv/Jahrhin.TrotzdemvertretenheutealleBehördendiekonservativeHypothese,dassauchdiekleinsteStrahlendosisschädlichsei.ManberuftsichaufdasVorsorgeprinzipbzw.darauf,dassnocheinigesunklarist.UnddiePolitikforderteinNullrisiko.EntsprechendtiefwerdenheutedieGrenzwerteangesetzt:1mSvproJahrist„erlaubt“.DasDilemma:DienatürlicheStrahlungführtzuwesentlichhöherenDosen,imExtremfall(KurorteRamsarundGuarapari)biszurTausendfachen.DieUmgebungenvonTschernobylundvonFukushimawurdenaufGrundsehrtieferGrenzwerte(1-20mSv/J)evakuiert.KonsequenterweisemüsstemanauchgrosseTeilederAlpenevakuieren(Strahlungbisüber30mSv/J),ganzbesonderswennmanjeweilsdielebenslänglichakkumuliertenDosenvergleicht.

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wesentlichstärker,diemeistenWertelagenum1-2uSv/hherum,mitSpitzenvonetwa4uSv/h(gemessenin1mHöhe).

Abbildung 15 Strahlung auf einer der Hauptstrassen von Pripyat, 0.22 uSv/h.

Abbildung 16 Der Kulturpalast im Zentrum von Pripyat, vor der Katastrophe (Bild im Tschernobyl-Museum von Slavutych, Aufnahme bewilligt).

ImZentrumvonPripyatbefindetsichderKulturpalast.Abbildung16zeigtdiesesGebäudevorderKatastrophe(linksimBild).InAbbildung17siehtmandenheutigenZustand.DieAufnahmehabeichübereinerstarkvermoostenStellegemacht.MooseliebenKalium,wereinschönesMoosbeet

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will,solltedeshalbreichlichmitKaliumdüngen.CäsiumistchemischmitKaliumengverwandt(stehtimPeriodensystemunterhalbKalium).DasMoosverwechseltCäsium-137mitKaliumundnimmtesbegierigauf.WennmanalsoinFalloutgebietennachstarkstrahlendenStellensucht,wirdmanüberMoosflächenschnellfündig.Cs-137istübrigensmitAbstandfürdengrösstenTeilderStrahlendosisderBevölkerungverantwortlich(auchinFukushima).

Abbildung 17 Kulturpalast, 2015. Die Strahlung über einem Moosbeet ist relativ hoch (2 uSv/h)

DieStrahlungimInnerenderGebäudeliegtmeistensimBereichzwischen0.1und0.2uSv/h,Wertedieauchbeiunsüblichsind.EinBeispielausdemKulturpalastmit0.11uSv/hzeigtAbbildung18.WenneinGebäudeeinigermassendichtistundmanwährenddesradioaktivenNiederschlagsalleFensterundTürenschliesst,dringennurminimeMengenradioaktiverSubstanzeninsInnere.DieexterneStrahlungwirddurchdasMauerwerkweitgehendabgeschirmt,zudemreduziertschonderAbstanddieStrahlung.GanzoffensichtlichwirdauchkeineRadioaktivitätvonAussenindieGebäudeverschleppt,trotzDutzende,wennnichtHundertevonBesucherntäglichundvölligdemoliertenFensternundTüren.DereinfacheGrund:PraktischallerradioaktiverStaubistschonlängstvonWindundRegenweggeblasenoderweggeschwemmtwordenoderintiefereErdschichtengewandert.

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Abbildung 18 Die Strahlung im Innern des Kulturpalastes ist ähnlich tief wie in unseren Gebäuden: 0.11 uSv/h. Man beachte den Vandalismus, auch massivste Glasscheiben wurden systematisch zerstört.

DiehöchstenStrahlungswerteinPripyatregistriertenwirübereinemMoosbeet:11uSv/h,gemessenineinigencmAbstand(sieheAbbildung19).ZumVergleich:MeinealteTissot“Seastar”ausden50er-Jahren,mindestens15JahrelangTagundNachtgetragen,strahltdankdenRadium-Leuchtziffernauchheutenochmitetwa14uSv/h.AndereUhrenausdieserZeitkönnennochstärkerstrahlen,ichmassWertebis200uSv/h(!).Ichhabeabgeschätzt,dassdievielenMillionenRadium-Leuchtzifferuhren(hergestelltzwischenca.1915und1965)dieMenschheitmiteinerähnlichhohenKollektivdosisbedachthabenwiedergesamteFalloutvonTschernobyl.

Abbildung 19 Die höchste in Pripyat gemessene Strahlung war 11.1 uSv/h, über einem Moosbeet. Zum Vergleich meine alte Tissot „Seastar“, strahlt mit 14.5 uSv/h. Und läuft heute noch.

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DasDilemmaDiedurchschnittlicheStrahlungwährendmeinesgesamtenAufenthaltesinPripyatbetrug1.0uSv/h(MittelwertaussämtlichenMessungen,alle10sec.eineMessung).DiesentsprichteinerJahresdosisvon8.8mSv.AllerdingsbewegtenwirunszumgrösstenTeilausserhalbderGebäude,suchtenbewusstnach„heissen“StellenundlegtendieMessgerätedarüber.EinheutigerBewohnerdürftekaumüber5mSvkommen,selbstwennersichvorwiegendimFreienaufhält.DiesentsprichtetwadernatürlichenDurchschnittsdosisinderSchweizundinvielenanderenTeilenderWelt.EliminiertmanalleMoosbeete,kannmanmitetwa3mSvrechnen.DazukommtnochdieinnereBestrahlung:ErnährtmansichzurHauptsachevonlokalenLebensmitteln,könntendurchschnittlichnochetwa1-2mSvdazukommen.EsgibtvieleUntersuchungendarüber(auchmitGanzkörperzähler),meistrechnetmanmit10%-20%derexternenDosis.DieGrünenimEuropäischenParlamenthabeneinensehrkritischenBerichtüberdieFolgenvonTschernobylherausgegeben(„TORCH“-Bericht,2006:TheOtherReportonChernobyl).IndiesemBerichtwirddieinnereDosisderBevölkerungindenFalloutgebietenaufetwa30%derExternengeschätzt(vorallemdurchCs-137).DergleicheBerichtanerkenntausdrücklich,dassdienatürlicheStrahlunggenaugleichwirktwiedie„künstliche“.Weiterwirdvermerkt,dasskeineerhöhteAnzahlMissgeburtenregistriertwurde(wohlabermehrereTausendSchilddrüsentumorebeiKindern,zumGlückpraktischimmergutheilbar).DasgrosseDilemma:InAnbetrachteinerPripyat-Dosisvon5mSv/JahrmüsstemankonsequenterweiseauchgrosseTeiledereuropäischenAlpenzurTodeszoneerklären.DieDosenerreichenWertebisüber30mSv/Jahr(inklusivederinnerenBestrahlung).DiesverdankendieAlpenbewohnerdemüberdurchschnittlichenGehaltvonUranoderThoriumimGestein.DasgleichegiltauchfürTeilevonSchwarzwald,Erzgebirge,MassifCentral,Süditalien,Piemont,usw..DiesesDilemmabestehtauchimFallevonFukushima(mitwesentlichwenigerFalloutalsbeiTschernobyl).AufGrunddesVorsorgeprinzipsundderheutigenForderungnachNullrisikowurdendieGrenzwerteimmerweitergesenkt,bisunterdienatürlicheStrahlung(dieabervomGrenzwertausgenommenist).ReinjuristischmüssendieAlpenalsonichtevakuiertwerdenundichkannweiterhinWandernundSkifahrengehen.Umesnochmalsklarzusagen:EsbestehteinbreiterwissenschaftlicherKonsens,dassdienatürlicheStrahlunggenaugleichwirktwiedie„künstliche“.EineUnterscheidungmachtphysikalischkeinenSinn.

Tschernobyl-StadtundAsti(Piemont)WirhabenauchdieStadtTschernobylbesucht,etwa15kmsüdlichdesKraftwerkesgelegen.DieStadtliegtebenfallsinder„verbotenen“Zone,füreinedauerndeBesiedlungnichtfreigegeben.AllerdingsbefindensicheinigeVerwaltungsgebäudederZoneinderStadt,sowieauchUnterkünftefürEinsatzkräfteundsogareinkleinesHotel(sahnichtgutaus,würdeichnichtempfehlen).DieStadtist,ganzimGegensatzzuPripyat,ineinemgutenZustand.InderStadtgibtesauchillegaleBewohner(indergesamtenSperrzonemehrereHundert),siewerdenvondenBehördentoleriert.SieernährensichfastausschliesslichvonlokalenProdukten.UnsereMessungenzeigtenetwasErstaunliches:DieStrahlungindieserStadtliegttypischzwischen0.1und0.2uSv/h,unddamittieferalsinvielenanderenStädtenaufdiesemPlaneten.InRomz.B.istdieexterneStrahlungmeistüber0.2uSv/h,zusammenmitderinternenStrahlung

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mussmanmitmindestens0.5uSv/hrechnen.AuchinweitenTeilendesPiemontsstrahltesstärkeralsinTschernobyl,sieheAbbildung21.

Abbildung 20 Tiefe Strahlungswerte (0.08 uSv/h) am Rand von Tschernobyl-Stadt.

Abbildung 21 Strahlung im Zentrum von Tschernobyl (0.10 uSv/h). In dieser Stadt strahlt es wesentlich weniger als in vielen anderen Städten auf dieser Erde.

AusderTatsache,dassdieSperrzoneimmernocheineSperrzoneist,wirdgeschlossen,dassderAufenthaltgefährlichseinmuss.DieZoneseifürhundertevonJahren,oderauchfürtausende

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odergarzehntausendevonJahrenunbewohnbar(jenachQuelle).ManargumentiertmitdenteilweisesehrlangenHalbwertszeitengewisserFalloutelemente(vorallemPlutonium),obwohldieselanglebigenElemente

1. NureinensehrkleinenBruchteildesFalloutsausmachen2. Nurschwachstrahlen(jelängerdieHalbwertszeit,destoschwächerdieStrahlung,ein

Naturgesetz)3. VondennatürlichvorhandenenlanglebigenradioaktivenElementen,wieUran,

mengenmässig(undauchradiotoxisch!)indenSchattengestelltwerden:Durchschnittlichfindetmanetwa5gNatururanundetwa15gThoriumprom3Erde.UndvieleZerfallsprodukte,wieRadium,RadonundPolonium,sindgefährlicheralsPlutonium.

Wiedemauchsei,esisteineleichtzuüberprüfendeTatsache,dassheutedieStrahlungdesFalloutsaufeinenwinzigenBruchteilderUrsprünglichenabgesunkenist,typischauf1/10'000oderweniger.Oftistsiekaumnochnachweisbar.InweitenTeilenderSperrzonedominiertdienatürlicheStrahlung.NurinunmittelbarerUmgebungdesUnglückreaktorsgibtesnochvereinzeltStellenmithoherStrahlungsintensität(höheralsdiehöchstennatürlichenWerte,100uSv/h).

Gefährlich?Immerwiederwerdeichgefragt,obeinesolcheReisenichtgefährlichsei.NatürlichgibtesGefahren.DawäreneinmaldievielenwildenWölfe,sieheAbbildung22.AuchdasKletternimhalbzerfallenenBlock5(imHalbdunkeln,mitvielentiefenSchächten)warnichtohneGefahr.Aberwirklichgefährlichwaretwasanderes.IchwurdejedenfallseinerDosisausgesetztwelcheetwaderhalbenTödlichenentsprach.Daskamso:AmletztenTagorganisierteunserlokalerGuideeinetolleAbschiedspartyineinerDatscha.DabeiwardasTrinkenvonselbstgebranntem„Wodka“(60%!)obligatorisch,sieheAbbildung23,manbeachtedieinteressantegrünlich-giftigeFarbe.IchhabeinmeinemganzenLebennochnieetwasGrauenhafteresgetrunken,Benzindürftebesserschmecken.MitMühe,NotundList(esgelangmirmanchmal,meinWodka-GlasheimlichmitWasserzufüllen)kamichmit3-4Gläserndavon,entsprichtrund100gAlkohol,etwa50%dertödlichenDosis.DieNachwehendauerten2Tage.EinKollegesetztesichunvorsichtigerweisedirektnebenunseremGuide.ErkonntekaumkneifenundverpasstedietödlicheDosisnurknapp.NocheinTagspäterwarerkaumansprechbar.EinandererKollege(ex.US-Navy)konnteerstaunlichgutmithalten.AberunserGuideschlugalle,erdürfteandiesemAbenddiedoppeltetödlicheDosisgetrunkenhaben,ohnesichtbareWirkung.EinmedizinischesWunder.VermutlichwurdeeralsehemaligerRotarmistdurchintensivesTrink-Traininggründlichimmunisiert.UndeinhäufigesTrainingistinderUkraine,selbstbeieinemdurchschnittlichenMonatseinkommenvonnuretwa150$,nochfinanzierbar:DerWodkawarfüretwa1$dieFlaschezukaufen,kaumteureralsdieMilchimLaden.DietraurigeFolge:Biszu200'000alkoholbedingteTodesfälleproJahr5.

5Berechnetaus:http://voxukraine.org/2015/03/28/life-expectancy-in-ukraine-why-is-it-so-low/

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Abbildung 22 Die Umgebung des Kraftwerkes hat sich (fast) ohne Menschen in ein üppiges Naturparadies verwandelt. Allerdings sollte man sich vor Wölfen in acht nehmen, aber auch Wildschweine, Bären und Bisons sind nicht ganz harmlos.

Abbildung 23 Selbstgebrannter Wodka, ca. 60%. Kostet etwa 1$ pro Liter. Man beachte die ordentlich grossen Gläser. Das Glas muss mit einem Schluck geleert werden (anders bringt man das Zeugs auch gar nicht runter). Die tödliche Dosis liegt für Ungeübte bei etwa 6 Gläsern.

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NachtragIchhabeinmeinemBerichtganzbewusstnichtsüberdiegesundheitlichenLangzeitfolgenderKatastrophegeschrieben.DenndamitverlässtmandieexakteWissenschaft.GoogleScholarregistriertheute(2016)über225'000wissenschaftlicheArbeitenunterdemStichwort„Chernobyl“.MankannleichteineUnmengeArbeitenfindendiezumSchlusskommen,dassdieStrahlungschädlichwaroderimmernochist.EbensoleichtfindetmaneineUnmengeArbeitendiekeineodersogarpositiveAuswirkungenbelegen.DieQualitätderArbeitenschwanktzwischenunbrauchbarundhochwissenschaftlich.Undsokommtes,dassmansichdarüberstreitet,ob50odervieleMillionenTodesfälleaufdasKontoderStrahlunggehen.EsgibtzweiGründefürdieseSituation:1.ParallelzumNiedergangderSowjetunioninden80er-und90er-JahrenfandeinedramatischeAbnahmederLebenserwartungstatt,vonetwa65Jahreauf57(Männer).DiesistgezwungenermassenaufeinemassiveVerschlechterungdesGesundheitszustandeszurückzuführen.Krebs-,Herz-Kreislauf-undInfektionskrankheitennahmensehrstarkzu,Millionenstarbenvorzeitig(indergesamtenehemaligenSowjetunion,auchimfernenSibirien).WenndieMenschen20Jahrefrühersterbenalsbeiuns,istderallgemeineGesundheitszustandvergleichsweisesehrschlecht,mitoderohneFallout.2.SämtlichederStrahlungzugeschriebenenLangzeitfolgenkommenauch„natürlich“vor.Esistnichtmöglich,beieinerKrankheit(z.B.Krebs)festzustellen,obdieStrahlungsieverursachthat.VerschlechtertsichderGesundheitszustandeinerBevölkerung(Punkt1.),kannmansomitauchderStrahlungdieSchuldgeben.ImFallevonHiroshima/NagasakiistdieSituationvieleindeutiger:ErstenswardieStrahlenbelastungderbetroffenenBevölkerungsehrvielhöher(bis100mal)undzweitenswurdendieUntersuchungenmiteinemMilliardenaufwandäusserstprofessionelldurchgeführt.ManstreitetsichhöchstensumFaktor2.BeiTschernobylistmansichzumindesteinigüberdieFolgendersehrhohenStrahlendosendererstenTageundWochen:Etwa50Todesopfersinddaraufzurückzuführen,sowieeinigeTausendSchilddrüsentumorebeiKindern.ZiemlicheinigistmansichauchüberdieDosen,welchedieumliegendeBevölkerungerhaltenhat(dieselassensichaucheinfachmessen).DieseDosenliegenpraktischausnahmslosweitunterdernatürlichenStrahlung.EigentlichwürdemankaumstrahlenbedingteLangzeitfolgenerwarten.MitHilfevon(umstrittenenundunbeweisbaren)Risikomodellen,welcheannehmendassauchdiekleinsteDosisschädlichist,könneneinige1000biseinige10'000vorzeitigeTodesopfererrechnetwerden.Eindeutignachweisenwirdmandiesaberniekönnen.EineausserordentlicheBehauptung(kleineStrahlendosensindstarkgesundheitsschädlich)verlangtauchausserordentlicheBeweise,insbesonderewenndieBehauptungdembisherigen115-jährigenWissenüberdieWirkungenvonkleinenDosenwiderspricht.IndenbetroffenenGebietenkannmandasgesamteSpektrumvonAnsichtenhören:"DieStrahlungistanallemSchuld"oder“DieStrahlungistvölligirrelevant”.DieersteAnsichtiststärkerverbreitet,einmöglicherGrund:MillionenhabendenStatusvon“Strahlenopfern”undbekommendeshalbfinanzielleZuwendungenundverschiedenePrivilegien.DiesewürdenentfallenfallsmanderStrahlungkeinenegativenAuswirkungenzuschreibenkann.DiewirtschaftlicheSituationdieserMenschenistkatastrophal,sehrvielesindaufsolcheZuwendungenangewiesen.