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D 5778 ISSN 1619-7372 Nr. 4 · November 2007 · 58. Jahrgang www.rkw-magazin.de 11 Gastkommentar: Prof. Bernd Kriegesmann 14 Ressourceneffizienz 26 Good Practice: Flexibles Produktionssystem i n n o v a t i o n k o m m u n i k a a t i o n k o o p e r a t i i o n n o r r g a n i s s a t t i o n n m o t i v a t i i o n n k o m p e t e n z moderne p r o d u k t i o n D

RKW Magazin RKW Magazin 4-07 · transfer im deutschen Innovationssystem eine starke Kraft. Das gilt insbesondere in den neu-en Bundesländern“, betonte Rachel. ... deutsche Wiedervereinigung

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D 5778ISSN

1619-7372

Nr. 4 · November 2007 · 58. Jahrgang www.rkw-magazin.de

11 Gastkommentar: Prof. Bernd Kriegesmann

14 Ressourceneffizienz

26 Good Practice: Flexibles Produktionssystem

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Workshop in Warschau am 13. Dezember 2007Das Thema CSR ist bei kleinen und mittle-ren Unternehmen wenig verankert und wurde eher als Strategie großer Konzerne angesehen. Bei grenzüberschreitender Ge-schäftstätigkeit spielt CSR kaum eine Rolle. Auch im deutsch-polnischen Kontext war das Thema CSR bis vor Kurzem unbekannt. Das RKW Kompetenzzentrum hat mit Studien, Workshops und einem Leitfaden dazu beigetragen, dass deutsche Unter-nehmen mit Niederlassungen in Polen Hilfestellungen erhalten, wie sie sich auf angemessene Weise gesellschaftlich in beiden Ländern engagieren können.

Jetzt geht es darum, die verschiedenen Anspruchsgruppen eines Unternehmens in die CSR-Strategie einzubinden. Sie werden nach ihren Erwartungen be-fragt. Die Ergebnisse aus Polen und Deutschland werden am 13. Dezember 2007 in Warschau präsentiert.

CSR aus Sicht der StakeholderIn zusammenwachsenden Märkten Deutschland und Polen

Q CSR als Aktionsfeld für die Stake -holder in Deutschland und Polen

Q CSR-Ansprüche der Stakeholder an die Unternehmen in Polen und Deutschland

Q Die Rolle der Regierungsorgani -sationen, Gewerkschaften, NGOs in der CSR-Debatte

Q Die Rolle der Business-Organi -sationen in der Förderung von CSR-Initiativen im Mittelstand

Q Die Bedeutung des Dialogs mit Stakeholdern aus Sicht eines Unternehmens

Die Referenten aus Deutschland:

Prof. Dr. Andreas Troge Umweltministerium „Die Rolle der Umweltpolitik in CSR-Aktivitäten“ (angefragt)

Dr. Gunter Schall – Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) –„CSR: Verantwortung von Unternehmen oder ein Thema für Wirtschaftsverbände“

Rainald Thannisch Deutscher Gewerkschaftsbund„Warum ist CSR für Arbeitnehmervertretungen in Deutschland ein Thema?“

Die Referenten aus Polen:

Michael Häusler Deutsche Botschaft WarschauGrußwort

Piotr Pyszak Gewerkschaft „Sierpień ‘80”„Gewerkschaften in den Fabriken der deut-schen Investoren in Polen“

Tomasz Odziemczyk Verband polnischer Konsumenten „Das Bewusstsein der polnischen Konsumenten im Bereich CSR”

Beata Adamczyk Wirtschaftsministerium„CSR und die öffentliche Verwaltung in Polen“

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Liebe Leserinnenund Leser,

Thema:Moderne Produktion

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Produzierende Unternehmen bilden den Kern einer prosperierenden Wirtschaft. Der Titel „Exportweltmeister“ beruht auf Autos und Ma-schinen, die von hier aus in alle Welt gehen. Selbst wenn manchmal vom „postindustriellen Zeitalter“ die Rede ist, Industriebetriebe sind der Nukleus, um den herum sich die Dienstleis-tungswirtschaft erst erfolgreich entwickeln kann. Innovative Produkte „made in Germany“ für die Lösung komplexer Aufgaben, hochwer-tige Waren und Güter sowie produktnahe Dienstleistungen schätzen die nationalen und internationalen Kunden. Häufig sind es mittel-ständische Unternehmen, die ihnen das bieten.

Wir stellen einige der wahrlich globalen, hoch innovativen und doch oft wenig bekann-ten Unternehmen vor. Die Beispiele zeigen, dass die Unternehmen ihre Stärken nur vertei-digen können, wenn sie permanent innovie-ren. Sie entwickeln neue Produkte, verbessern ihre Prozesse, optimieren ihre Organisation.

Sie sind Schlüsselakteure im deutschen Innovationssystem. Darüber diskutierte An-fang November das RKW-Kuratorium im Bundesministerium für Forschung und Tech-nologie. Lesen Sie den Bericht von dieser Veran-staltung.

Selten haben wir so viele Good-Practice-Bei-spiele in einem RKW-Magazin versammelt wie in dieser Ausgabe. Sie unterstreichen die Viel-falt der Betriebe und die individuellen Wege zu

einer modernen, erfolgreichen Produktion. Die Ansatzpunkte sind häufig ähnlich: Standardi-sierung vermindert den Abstimmungsbedarf, beispielsweise beim Bauen mit vielen Beteilig-ten. Günter Blochmann berichtet vom Projekt „Artikelkatalog“. Ressourceneffizienz spart Kosten und nützt der Umwelt. Die Instrumente dafür zeigt Peter Jahns von der Energieeffi-zienz-Agentur NRW. Wir bemühen uns, dies stärker in die Betriebe zu tragen; wie, das kön-nen Sie ebenfalls nachlesen.

Ganz zentral für eine erfolgreiche Produkti-on sind jedoch die Beschäftigten und ihre Kom-petenzen. Das Stichwort „Fachkräftemangel“ taucht in den Firmenbeispielen auf, ebenso die Anstrengungen der Unternehmen zur Qualifi-zierung ihres Personals. Alle Veränderungen gelingen nur mit den Menschen im Betrieb. Produktivität steigt und fällt mit der Produktiv-kraft Mensch – eine Erkenntnis, die heute so richtig ist wie zu Beginn der Industrialisierung.

Viele Anregungen bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihr W. Axel ZehrfeldGeschäftsführer

INHALT

Nachrichten für den Mittelstand

Gute Chancen in Sachen Produktivität 04

Deutsche Industrie erfolgreich konsolidiert 05

Ingenieurmangel trifft vorallem den Mittelstand 06

My Open Factory: Der neue Standard für den überbetrieblichen Datenaustausch 06

Neue Prämie für gemeinnützige Forschungseinrichtungen 07

RKW trauert um Bettina Ardelt 07

Schwerpunkt

Produktion flexibel und produktiv organisieren 08

Innnovation in der Produktion Gastkommentar 11

Innovationsgeist – Vorraussetzung für erfolgreiche Mittelständler 12

Ressourceneffizienz – Impulse für ein zukunftsfähiges Wirtschaften 14

Arbeit satt – Wirtschaftswunder im Hochlohnland 16

„Guanxi“ – Produktion in deutsch-chinesischen Kooperationen 20

Prozessoptimierung am Bau 22

roduktivitätssprünge durch hochflexibles Produktionssystem 24

RKW-Arbeitskreis zu Gast bei John Deere in Mannheim 26

Innovationsmotor Mittelstand 28

Weiterbilden mit dem RKW 32

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Nachrichten für den Mittelstand

EXPERTENPLATTFORM „RESSOURCENKOMPETENZ“

Die Bundesregierung hat in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt, dass bis 2020 die Ressourcenproduktivität verdoppelt werden soll. Gleichzeitig wächst der Anteil der Material- und Energiekosten im verarbeitenden Gewerbe. Traditionell wird mit technischen Neuerungen oder besserer überbetrieblicher Abstimmung versucht, die Kosten zu senken. Diesem Fokus entspricht, dass in den meisten produzierenden Unternehmen Innovationen und Verbesserun-gen gemäß einem konventionellen Managementverständnis den Optimierungsbestrebungen des Managements und der Expertise von Ingenieuren/Fachkräften zugeschrieben werden. Neue verbesserte Lösungen – auch für die Entwicklung und den Einsatz Ressourcen sparender Verfahren – werden top down durchgesetzt. Das RKW ist mit vielen anderen Experten überzeugt, dass diese Sichtweise zu kurz greift. Auch die Beschäftigten in der Produktion können Impulse für neue Lösungen geben. Ihre Prozessnähe und ihr Erfahrungswissen können wertvolle Quellen für größere Ressourcen-effizienz sein. Erweitert um diese Dimension, wird Ressourceneffizienz zu einer Frage der Ressourcenkompetenz. Allerdings ist zu klären, wie dieses identifiziert, entwickelt und effizient genutzt werden kann. Dazu soll eine interdisziplinäre Expertenplattform Hinweise geben, die das RKW Kompetenz-zentrum einrichten will. Angesprochen werden Fachleute und Praktiker aus den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung, Arbeitsgestaltung und Wissensmanagement. Das RKW Kompetenzzentrum mit seiner sozialpartnerschaftlichen Plattform und das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) mit seiner Erfahrung mit Projekten zum arbeits-prozessnahen Lernen und der Entwicklung personalwirtschaftlicher Instrumente werden die Expertenrunde moderieren. Weitere Informationen gibt der Koordinator des Themenfelds „Personalentwicklung“, Dr. Thomas Hoffmann.

[email protected]

>> Ideen sollen in Deutschland nicht nur entwickelt, sondern hierzulande auch zu Produkten, Verfahren und Dienstleistungen führen. Das ist das Ziel der Hightech-Strate-gie der Bundesregierung. Verstärkte Koope-rationen von Hochschulen und Forschungs-einrichtungen mit der Wirtschaft sind ein Weg dahin. Mit der Forschungsprämie für die öffentliche Forschung und der neuen Forschungsprämie zwei für gemeinnützige Forschungseinrichtungen setzt das Bundes-ministerium für Bildung und Forschung

(BMBF) ein deutliches Signal, dass sich die Zusammenarbeit vor allem mit kleinen und mittleren Unternehmen lohnt.

Wirtschaft und Wissenschaftvernetzen

„Wir gehen jetzt einen weiteren wichtigen Schritt, um Wirtschaft und Wissenschaft bes-ser zu vernetzen und für einen schnelleren Technologietransfer in Deutschland zu sor-gen“, erklärte Thomas Rachel, Parlamentari-scher Staatssekretär im BMBF, zum Start der

Neue Prämie für gemeinnützige Forschungseinrichtungen

Forschungsprämie zwei Anfang Oktober 2007. „Die gemeinnützigen Forschungs ein rich tung -en sind für den Wissens- und Technologie-transfer im deutschen Innovationssystem eine starke Kraft. Das gilt insbesondere in den neu-en Bundesländern“, betonte Rachel.

Bis zu 100.000 Euro pro Forschungsauftrag

Die Forschungsprämie zwei ergänzt die im Fe-bruar 2007 gestartete Forschungsprämie für die öffentlichen und staatlich anerkannten Hochschulen sowie die gemeinsam von Bund und Ländern finanzierten Forschungseinrich-tungen. Jetzt gilt auch für die gemeinnützi-gen Forschungseinrichtungen: Rückwirkend ab dem 1. Januar 2007 können diese für jeden für ein Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitar-beitern durchgeführten Forschungs- und Ent-wicklungsauftrag (FuE) eine Forschungsprä-mie beantragen. Die Höhe beträgt 25 Prozent des Auftragsvolumens mit einer Untergrenze von 2.500 Euro und einer Obergrenze von 100.000 Euro pro FuE-Auftrag.

Flexibel einsetzbar

Die Prämienmittel können flexibel zur Stär-kung des Wissens- und Technologietransfers eingesetzt werden. Damit kann die Prämie sowohl für Forschung und Entwicklung, Validierung von FuE-Ergebnissen als auch für Strategieentwicklungen im Technologie-transfer, Weiterbildungs- oder Kommunika-tionsvorhaben verwendet werden. Das Bun-desforschungsministerium stellt bis Ende 2009 insgesamt 125 Millionen Euro für die beiden Forschungsprämien zur Verfügung.

Weitere Informationen www.forschungspraemie.deD

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Deutsche Industrie erfolgreich konsolidiertIfo Institut: Unternehmen mit Auslandsinvestitionen besonders stark

>> Trotz der erheblichen Belastung durch die deutsche Wiedervereinigung hat die deutsche Industrie im internationalen Vergleich durch frühzeitige Konsolidierungsmaßnahmen insge-samt ihre starke Position erhalten. Dies zeigt ei-ne Unternehmensbefragung des Münchner ifo Instituts. Besser entwickelt haben sich dabei Un-ternehmen, die Auslandsinvestitionen vor al-lem zur Erschließung zusätzlicher Märkte vor-genommen hatten. Diese verzeichneten in den vergangenen Jahren per saldo der Meldungen sogar ein Beschäftigungswachstum im Inland. Wer gute Produkte hat und wächst, wächst im Ausland und im Inland zugleich, ohne dass da-mit freilich eine Kausalbeziehung begründet würde. Unternehmen, die wegen des Kosten-drucks vor allem auf Investitionen in Niedrig-lohnländer setzten, wiesen per saldo einen über-durchschnittlichen Beschäftigungsabbau auf.

Zwar internationalisieren deutsche Indus-trieunternehmen verstärkt Beschaffung und Produktion, betonen aber gleichzeitig die strate-gische Bedeutung des einheimischen Standorts. Dies hat verschiedene Gründe, die sich in erster Linie auf Innovationsfaktoren und die Quali -fikation des Personals beziehen. Im System -geschäft, aber auch bei hochtechnologischen Vorprodukten, hält man es für einen Wettbe-werbsvorteil, wenn Innovationen im engen, re-gionalen Entwicklungs- und Produktionskon-text auf dem Markt eingeführt werden, oftmals zusammen mit einem inländischen Erstkun-den. Dies gilt besonders bei der Entwicklung technologisch anspruchsvoller Produkte und Schlüsselkomponenten.

Allerdings ging die erfolgreiche Konsolidie-rung mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands einher. Während die Unternehmen wettbewerbsfähig blieben, ist die Wettbewerbsfä higkeit eines

Großteils der ehemals beschäf tigten Arbeitneh-mer verloren gegangen. Deutschland kann sich an diese Entwicklung nur dadurch erfolgreich anpassen, indem es sich mehr denn je auf inno-vative Produktionen konzentriert und gleich -zeitig die Standortbedingungen für industrielle Tätigkeiten verbessert. Dazu, schreibt das ifo In-stitut, gehören flexiblere Löhne, mehr Mut zur Marktwirtschaft und weitere Reformen im Bil-dungswesen.

„EURODUCTIVITY“– PROJEKTTEAM IN BERLIN

Bereits zum dritten Mal trafen sich im September 2007 die Partner des Projekts „Euroductivity – Development of an E-Training Programme on Productivity“. Dieses Mal lud das RKW Kompe-tenzzentrum die Kolleginnen und Kollegen aus Produktivitätszentren und anderen Wirtschafts-förderungseinrichtungen in der Türkei, Polen, Slowakei und Rumänien nach Berlin ein.

Ziel der europäischen Partnerschaft ist es, ein E -Training-Programm zum Thema „Produktivi-tät“ zu entwickeln. Zentrales Thema des Treffens war die Auswertung der die Ergebnisse der Studie „Productivity and Productivity Management Problems in Manufacturing Industries“. Die Studie wurde in jedem der beteiligten Länder durchgeführt und schließt die Phase der Bedarfs-analyse ab. Als nächstes soll ein Curriculum entwickelt werden. Die Partner entschieden sich hierbei für ein modulares Konzept. Damit sollen studierende Ingenieur-, Wirtschafts- und Ver-waltungswissenschaften ihre Kenntnisse über das Produktivitätskonzept erweitern und sich besser auf produktivitätskritische Aufgaben vorbereiten können. Die Ergebnisse werden beim nächsten Treffen diskutiert, das im Frühjahr 2008 in Polen stattfindet. Das Projekt wird aus Mit-teln des EU-Programms „Leonardo da Vinci“ gefördert.

Ergebnisse der Studie und weitere Informationen:

www.rkw.de http://euroductivity.mpm.org.tr

Die Studie basiert auf einer Auswertung von 1.205 Fragebogen deutscher Unternehmen und ist als ifo Forschungsbericht 36 „Positionierung der deutschen Industrie im globalen Konsolidie-rungsprozess“ erschienen. Neben dem verarbei-tenden Gewerbe wurden Chemische Industrie, Maschinenbau, Elektrotechnik und Straßen-fahrzeugbau vertiefend betrachtet.

www.ifo.de

Einige Projekt partner waren zum ersten Mal in Berlin. Bei einer Spree-Fahrt und einer Besichtigung des Reichstages hatten sie die Gelegenheit, die Hauptstadt kennenzulernen.

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>> Der deutschen Wirtschaft fehlen Tausende Ingenieure. Das jedenfalls hat eine Studie des Vereins deutscher Ingenieure (VDI) ergeben. Rund 57 Prozent der Unternehmen rechnen danach mit weiter steigendem Ingenieurbe-darf. In den vergangenen zwölf Monaten wa-ren rund 60.000 Stellen im Ingenieurwesen zu besetzen, aber nur für etwa 43.000 freie

Jobs konnten Fachkräfte gefunden werden. Das ergibt einen bundesweiten Mangel von 17.000 Ingenieuren. Doch während der VDI über Fachkräfteschwund klagt, vermeldet die Bundesagentur für Arbeit rund 65.000 Inge-nieure ohne Arbeit. Nach Angaben der VDI-Studie liegt dies meist an den mangelnden Branchenkenntnissen, gefolgt von den zu ge-

ringen Qualifikationen und der mangelnden Berufserfahrung. Besonders schwierig gestal-tet sich die Besetzung der gesuchten Stellen in Forschung und Entwicklung.

Die Bundesagentur für Arbeit nennt ei-nen weiteren Grund: Beinahe die Hälfte der arbeitslosen Fachkräfte ist älter als 50 Jahre. Die Technikbranche setzt aber vor allem auf junge, flexible, gut ausgebildete und mög-lichst günstige Arbeitnehmer. Ingenieure über 50 gelten bei der Bundesagentur für Ar-beit daher als „schwer vermittelbar“.

In manchen Fällen sind die Bewerber aber auch entweder zu sehr spezialisiert, ha-ben hohe Gehaltserwartungen oder auch einen Hang zu geringer Mobilität. Das sind insgesamt schwierige Konstellationen für Unternehmen, um neue Mitarbeiter einzu-stellen. Den deutschen Maschinenbauern fehlen rund 7.000 gut ausgebildete Ingenieu-re. Der Arbeits kräftemangel bremse erheb-lich das Wachstum der boomenden deut-schen Schlüs sel industrie, berichtete der Verband Deutscher Maschinen- und Anla-genbau (VDMA) in Frank furt. Rund 40 Pro-zent der Firmen müssten wegen unbesetzter Stellen Unteraufträge an andere Unterneh-men vergeben, ebenso viele Firmen hätten Leiharbeiter eingestellt. Elf Prozent würden die Arbeit deswegen ins Ausland verlagern. Viele Aufträge könnten nicht zur vereinbar-ten Lieferzeit abgearbeitet werden. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Verbandes unter seinen 3.000 mittelständi-schen Mitgliedern.

„Die Hälfte der bundesdeutschen Maschi-nenbauunternehmen betrachtet den derzei -tigen Mangel an qualifizierten Ingenieuren als wachstumshemmend“, berichtet der Ver-band.

Ingenieurmangel trifft vor allem den MittelstandMehr als 17.000 Stellen sind offen

Nachrichten für den Mittelstand

MY OPEN FACTORY: DER NEUE STANDARD FÜR DEN

ÜBERBETRIEBLICHEN DATENAUSTAUSCH

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus ist die kooperative Zusammenarbeit mittelständischer Unternehmen bei der Entwicklung und Herstellung komple-xer Produkte. Ebenso liegt im Management dieser leistungsfähigen Zuliefernetzwerke eine be-sondere Stärke der Branche. Unter dem Projektnamen My Open Factory haben das For-schungsinstitut für Rationalisierung (FIR) und das Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) der RWTH Aachen gemeinsam mit namhaften Industriepartnern und ERP-Herstellern einen neuen Quasi-Standard für das überbetriebliche Auftragsmanagement entwi-ckelt. Die einheitliche Kommunikationslösung soll hier Briefpost, Fax und Telefon ersetzen. Ende Oktober wurden die Ergebnisse beim VDMA präsentiert.Das Leistungsvermögen der Einkaufsabteilungen halte mit den Anforderungen nicht Schritt, sa-gen Praktiker. Wenn eine Vielzahl von Teilen beschafft werden müsse, würde bei „C-Teilen“ schon mal aus Kapazitätsgründen auf Kostenvergleiche verzichtet. Dazu kommt, dass Mittel-ständler solche Anfragen meist per Telefon, Fax oder Briefpost abwickeln – ein zeitraubendes und fehleranfälliges Verfahren. Mit My Open Factory werden die Medienbrüche in der Auftragsabwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen beseitigt. Für Firmen, die ihr ERP-System nicht in das Netzwerk integrieren möch-ten oder keine betriebliche Software nutzen, steht ein webbasiertes Terminal – ein sogenanntes Cockpit – zur Verfügung. Die Koordinationsplattform für den Datenaustausch zwischen Maschi-nenbauern und ihren Zulieferern haben einige Unternehmen getestet. Anfang 2007 wurde eine Genossenschaft gegründet, die unabhängige Standards für die Interoperabilität von ERP-Syste-men entwickeln und erfolgreich am Markt etablieren soll. Nutzer von My Open Factory können sich auf die Unabhängigkeit und die Innovationsfähigkeit des Netzwerks aus ERP-Anbietern und Forschungseinrichtungen verlassen. Dies steigert die Investitionssicherheit in das Zukunftsthe-ma Integrationsfähigkeit.

www.myopenfactory.org

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RKW trauert um Bettina ArdeltDie langjährige Geschäftsführerin des RKW Hessen, Bettina Ardelt, ist am 28. Septem-ber 2007 im Alter von 61 Jahren gestor-ben. Die Diplom-Kauffrau kam 1993 zum RKW als Leiterin des Beratungsteams in der Landesgruppe Hessen. Drei Jahre später übernahm sie dort die Geschäfts-führung. Sie blieb auch Geschäftsführerin, nachdem sich das RKW Hessen Anfang 2000 wie alle Landesgruppen verselbst-ständigt hatte. Zum 1. September dieses Jahres hat sie die Geschäftsführung der RKW Hessen GmbH an Sascha Gutzeit und Jürgen Müller übergeben.

Bettina Ardelt hat sich über ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin im RKW Hessen hinaus im RKW engagiert. Sie gehörte dem Fachbeirat „Mensch und Arbeit“ an und vertrat die zwölf Landesverbände im Verwaltungsrat des RKW Kompetenz -zentrums. Sie setzte sich vehement für die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen ein. Wesentliche Themen -felder und Projekte gingen maßgeblich auf ihre Initiative zurück. Das RKW trauert um eine überzeugte Streiterin für Rationalisie-rung und Innovation und wird ihr ein ehren-des Andenken bewahren.

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>> Bessere Produktivität ist zuerst und vor al-lem eine Frage der Gestaltung von Arbeitspro-zessen, der Arbeitsorganisation und der Kom-petenzentwicklung der Beschäftigten. Die Frage, welche Möglichkeiten vor allem in Eu-ropa Erfolg versprechen, stand im Zentrum der ersten europäischen Produktivitätskonfe-renz in Finnland. Der Zusammenschluss der europäischen Produktivitätszentralen, EANPC (European Association of National Productivi-ty Centres) hatte dazu im Herbst 2006 eingela-den.

Dank neuer Technologien eröffnen sich bisher ungeahnte Möglichkeiten zur Produk-tivitätssteigerung, die die europäischen Un-ternehmen noch viel stärker nutzen müssen, wenn sie langfristig im internationalen Wettbewerb bestehen wollen. „Moderne In-formationstechnologie erlaubt viel effektive-re Nutzung von Information“, so einer der Hauptredner. Umgekehrt führe das aber auch zu größeren Investitionen in noch mehr In-formationstechnologie. Andere Redner be-tonten die notwendigen Investitionen in die Qualifizierung der Beschäftigten. In der zu-sammenwachsenden Welt zeige sich Produk-tivität in der Kraft des Einzelnen und der Art und Weise, wie er oder sie mit anderen ir-gendwo auf dem Globus zusammenarbeiten könne. Vertikale Integration sei wichtiger als die horizontale, wenn Produktivität vorange-bracht werden soll.

Europa habe gute Chancen, wenn es sich auf seine Stärken konzentriere: Die wissens- und servicebasierte Produktion, so dicht wie möglich am Kunden. Wenn es dann noch ge-linge, Innovationen schneller in erfolgreiche Produkte umzusetzen und dabei auch Risiken einzukalkulieren, seien gute Voraussetzungen gegeben. Der Generaldirektor Unternehmen

und Industrie der EU-Kommission, Gert-Jan Koopmann, sah die europäischen Unterneh-men gut aufgestellt, um ihre Produktivität noch erheblich zu steigern.

Der Präsident der EANPC, Peter Rehn-ström, betonte, dass das aber nicht heißen müsse, härter zu arbeiten. Vielmehr gehe es darum, „smarter“ zu arbeiten. Gesundheit spiele eine wichtige Rolle, denn nur wer kom-petent sei und sich wohl fühle, könne pro-duktiv sein und damit letztlich seinen Ar-beitsplatz sichern. Ein Beispiel aus Finnland zeigte, dass ein Unternehmen Nachteile wie einen abgelegenen Standort mit gut qualifi-zierten und hoch motivierten Mitarbeitern durchaus ausgleichen kann. Allerdings sind die Einflussgrößen für die Produktivität sehr komplex. Investitionen in die immateriellen Ressourcen, beispielsweise also in die Perso-nalentwicklung oder die Unternehmenskul-tur, führen ebenso wenig linear zu höherer Produktivität wie verstärkte Forschung und Entwicklung. Nur wenige Firmen seien wirk-lich in der Lage, die Investitionen in die im-materiellen Ressourcen zur Steigerung der Produktivität zu nutzen. Der Umgang mit Er-fahrungen und Wissen ist in den Unterneh-men schwierig und umstritten.

Die zweite europäische Produktivitäts-konferenz wurde Ende Oktober in der Slowa-kei veranstaltet.

www.eanpc.org

Gute Chancen in Sachen ProduktivitätEuropa muss sich nur auf seine Stärken konzentrieren

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produktio>> In Deutschland beschäftigte das verarbei-tende Gewerbe im Jahr 2006 gut 7,4 Mio. Per-sonen (davon 7,1 Mio. abhängig Beschäftigte) in circa 45.000 Unternehmen. Diese erwirt-schafteten knapp ein Viertel des Bruttoin-landsprodukts. Fast 98 Prozent der Unterneh-men zählen zum industriellen Mittelstand, der rund 40 Prozent der Industriearbeitsplätze stellt und ein Drittel des Industrieumsatzes er-wirtschaftet. Im Maschinen-, Anlagen- und Automo bilbau sowie der Chemieindustrie entfallen mehr als zwei Drittel des Umsatzes auf den Export. Der im Vergleich zu den USA und anderen EU-Staaten vergleichsweise hohe Anteil der industriellen Produktion an der Ge-

Produktion flexibel und produktiv organisieren

ABSTRACT

Eine leistungs- und wettbewerbsfähige In-dustrie bleibt auch weiterhin von zentraler Bedeutung für Innovation, Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung in Deutsch-land. Dass sich der Wertschöpfungsanteil der deutschen Industrie zugunsten des Dienstleistungssektors deutlich verringert, ist kein Beleg für die schwindende Bedeu-tung der industriellen Produktion.

Vielmehr zeigt sich darin eine grundlegen-de Veränderung im Wertschöpfungspro-zess: Tertiäre Vorleistungen sowie unter-nehmensnahe und produktbegleitende Dienstleistungen nehmen zu. In Kombinati-on mit der Sachgüterproduktion bilden sie einen starken Verbund, auf den immerhin gut 30 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung entfallen.1 Um ihre Wett -bewerbsfähigkeit zu erhalten, muss die deutsche Industrie wandlungsfähig bleiben und ihre Produktion rational organisieren.

Autor: Wolfgang Schröter Koordinator des Themenfeld „Produktions- und Dienstleistungssysteme“ des RKW Kompetenzzentrums [email protected]

samtwirtschaft ist weder ein Nachteil noch ein Zeichen für wirtschaftsstrukturellen Rück-stand. Er zeigt vielmehr, dass die Spezialisie-rung der deutschen Wirtschaft, die bei der Pro-duktion höherwertiger Güter moderne Technologien in „klassische“ Produkte inte-griert, Wettbewerbsvorteile bietet. Daraus re-sultiert die anhaltend hohe industrielle Ex-portquote.2

Auch die Binnenkonjunktur kann vom Muster der Qualitätsproduktion profitieren, wie die aktuelle Bestandsaufnahme (Oktober 2007) einer „klassischen“ Industriebranche zeigt: „Im Ausland ist man nicht mehr in der Lage, die Forderungen der deutschen Kunden

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angemessen zu bedienen. Der deutsche Ma-schinen- und Anlagenbau benötigt oft gerin-ge Stückzahlen und kurze Lieferzeiten – für ausländische Betriebe häufig unmöglich zu realisieren. Die Folge ist eine Rückverlage-rungswelle, die zusammen mit dem derzeiti-gen Aufschwung zu einem massiven Auf-tragseingang in den [deutschen] Gießereien geführt hat.“3

Globale Wettbewerbsfähigkeit

Die deutsche Industrie profitiert davon, dass ihre Struktur zurzeit sehr gut der weltwei- ten Nachfrage nach Investitionsgütern ent-spricht. Das wird nicht automatisch so blei-ben. Auch Schwellenländer und aufstreben-de Industrienationen realisieren zunehmend Effizienzvorteile im Bereich der mittleren bis höherwertigen Technologiegüter. Zwei Bei-spiele:

Q China und Indien haben ihre Forschungs- und Entwicklungskapazitäten deutlich aufge-stockt. Bezogen auf Ausgaben und Personal-einsatz liegen sie im weltweiten Vergleich auf den vorderen Rängen.

Q Die chinesische Stahlindustrie, deren Mo-dernisierung auch durch Lieferungen der deutschen Stahlwerksausrüster gefördert wird, dringt verstärkt in den Exportmarkt für Edelstahl ein, der bislang westlichen und vor allem deutschen Produzenten vorbehalten war: „Wir wollen unseren Anteil hochwer -tiger Produkte deutlich erhöhen“, betonte der Chef des chinesischen Stahlverbands auf der diesjährigen Weltstahltagung in Berlin.4

Der Abbau von Handelsbarrieren, die Öff-nung der asiatischen Märkte und die EU-Osterweiterung bieten deutschen Unter neh -men zwar die Chance, ihre gute Position im internationalen Wettbewerb zu stärken. Zu-gleich erhöht sich aber der Konkurrenzdruck. Unternehmen mit hohem Ar beits kosten an -teil und unterdurchschnittlicher Mit ar bei ter -qualifikation sind häufig gezwungen, Arbeits -plätze auszulagern. Neben der internationalen

Konkurrenzsituation müssen Unternehmen aber auch die erhöhte Sensibilität für um -weltgerechtes Verhalten und die steigenden Energie- und Rohstoffpreise berücksichtigen. Weitere Herausforderungen sind gesellschaft-liche Veränderungen wie die demographische Entwicklung mit ihren Folgen für Belegschaf-ten und Arbeitsmärkte.

Hinzu kommen hausgemachte Probleme: Die Umsetzung neuer Ideen in Produkt- und Prozessinnovationen erfolgt nach wie vor eher zögerlich. Es fehlt häufig eine effektive und effiziente Integration neuer Technolo-gien in Produktionsprozesse und -systeme. Die Produktion wird eher kurzfristig und re-aktiv modernisiert, fast ausschließlich durch Produktinnovationen ausgelöst und bleibt meist einseitig auf Techniken ausgerichtet, ohne die Organisationsstrukturen und Ar-beitsbedingungen anzupassen.5

Ganzheitliche Modernisierung

An Ideen und Konzepten zur Optimierung in-dustrieller Strukturen und Prozesse fehlt es ebenso wenig wie an Beratungsangeboten und einer leistungsfähigen Produktionsfor-schung. Für Unternehmen des industriellen Mittelstands stellt sich eher die Frage, wie und mit welchen Instrumenten sie „ganzheitli-che“ Lösungen zur Unternehmensmoderni-

sierung realisieren können. Hierfür gibt es kein Patentrezept. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Es gibt aber be-währte allgemeine Grundsätze, an die zu er-innern ist:

Q Betriebliche Optimierungen, auch wenn sie an Einzelproblemen ansetzen, sollten sich nicht auf die notwendige Veränderung ein-zelner Funktionen/Bereiche des Unterneh-mens beschränken, sondern im Zusammen-hang mit den Wertschöpfungsprozessen betrachtet werden.

Q Eine intelligente Organisation betrieblicher Leistungsprozesse setzt sowohl auf den Ein-satz neuer Technologien als auch auf die wechselseitigen Beziehungen von Technik, Organisation und Arbeit.

Q In modernen Wertschöpfungsprozessen sind Produktion und Dienstleistung eng mit-einander verbunden. Wettbewerbsfähige in-dustrielle Produkte können nur unter Ver-wendung neuen Wissens und innovativer Dienstleistungen hergestellt werden. Pro-duktbegleitende und unternehmensnahe Dienstleistungen können andererseits nicht ohne Sachgüterbezug erbracht werden.

Entsprechend liegt der Unternehmensmoder-nisierung ein weit gefasstes, über Forschung und Entwicklung (FuE) hinausgehendes Inno-

Matrix eines ganzheitlichen innovationsverständnisses

S. Kinkel, G. Lay, J. Wengel, Innovation: Mehr als Forschung und Entwicklung. Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung Nr. 33, Mai 2004. S. 11.

PROZESS

PRODUKT

TECHNISCH NICHT-TECHNISCH

FUE-BASIERTEPRODUKTINNOVATION

INNOVATIVE PRODUKT- DIENSTLEISTUNGS-

KOMBINATION

INNOVATIVEPROZESSTECHNIK

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vationsverständnis zugrunde. Das Fraunho-fer-Institut Systemtechnik und Innovations-forschung gibt eine gute Orientierung über Erfolg versprechende Innovationsaktivitäten und deren Kombination.6

Q Eine Innovationsstrategie, die auf FuE und daraus resultierende neue hochwertige Pro-dukte setzt, ist und bleibt notwendig. Sie reicht aber nicht aus.

Q Produktbegleitende oder industrielle Dienst-leistungen ergänzen das materielle Produkt und „bilden in ihrer Verbindung eine neue Qualität der Problemlösung“.Sie können ein Schritt auf dem Weg vom Sachgutproduzen-ten zum Problemlöser sein.

Q Innovative Produktionstechnik zielt auf die Optimierung der Fertigungsprozesse und er-möglicht eine kundenindividuelle, schnelle-re, hochwertigere und genauere Produktion.

Q Wettbewerbsvorteile lassen sich schließ-lich auch durch innovative Organisations-konzepte erreichen, die die Aufbau- und Ab-lauforganisation optimieren.

Einzelne oder verschiedene miteinander kom-binierte Innovationspfade können je nach ge-schäftsstrategischer Ausrichtung und konkreter Rahmenbedingung zu höherer Wettbewerbsfä-higkeit und stärkerem Wachstum beitragen.

Innovationskompetenz auf mehreren Schultern

Voraussetzung erfolgreicher Innovationen sind individuelle Kompetenz, also Wissen, Fähigkei-ten und Einstellung der mit Innovationen be-fassten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die neben den fachlichen Kenntnissen erforderli-chen methodischen und vor allem sozialen Kompetenzen sind in kleineren Unternehmen erfahrungsgemäß eher selten anzutreffen, weil sie meist an einzelne Schlüsselpersonen gebun-den sind (Eigentümer, Geschäftsführer, Spezia-listen). Deren Ausfall kann zu erheblicher Be-einträchtigung der Innovationsaktivitäten führen. Ausbau und Entwicklung von Innovati-onskompetenz „auf mehreren Schultern“ sind

deshalb ein zentrales Handlungsfeld für den in-dustriellen Mittelstand.

„Deutschland ist immer noch ein Land mit überdurchschnittlichem Wertschöp-fungsbeitrag der Industrie“, beurteilte Micha-el Hüther vom Institut der deutschen Wirt-schaft die Situation der deutschen Industrie im Jahr 2005, also noch vor dem Einsetzen des aktuellen Wirtschaftsaufschwungs.7 Wie stark könnte eine bereits jetzt wettbewerbsfä-hige Industrie werden, wenn sie konsequent ihre noch vorhandenen Schwächen behebt?

www.destatis.de > Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen > Input-Output-Rechnung

ANMERKUNGEN1 Hüther, Michael: Deutschland – Industrie-standort mit Perspektive. In: RKW-Magazin Nr. 4, Dezember 2005. S. 9. Zum Verhältnis von Produktions- und Dienst-leistungswirtschaft siehe auch Peter Kalm-bach [u. a.]: Die Bedeutung einer wettbe-werbsfähigen Industrie für die Entwicklung des Dienstleistungssektors. Überarbeitete Fassung des Schlussberichts zum Projekt 22/02 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Die Studie kann im Internet unter BMWi > Wirtschaft > Industrie abgerufen werden.

2 Statistisches Bundesamt: Industrie erwirt-schaftet fast ein Viertel des Bruttoinlands -produkts. Pressemitteilung Nr. 158 vom 13. April 2007 und Angaben des Bundes -ministeriums für Wirtschaft und Techno- logie Im Internet ist sie zu finden unter BMWi > Wirtschaft > Industrie.

3 Gießereien im Aufwind. Qualitativ hoch -wertige Gussprodukte aus Deutschland sind gefragt. In: Gießerei-Praxis Nr. 10, 2007. S. 359.

4 Hoffritz, Jutta: Angst vor mageren Jahren. Weltweit laufen die Geschäfte der Stahl -konzerne glänzend – doch Chinas Überkapa-zitäten könnten zu einer ernsten Bedrohung der europäischen Konkurrenz werden. In: DIE ZEIT Nr. 42, 11. Oktober 2007. S. 36.

5 Kleiner, Matthias [u. a.]: Untersuchung zur Aktualisierung der Forschungsfelder für das Rahmenkonzept „Forschung für die Produk -tion von morgen“. Abschlussbericht. Dortmund, Februar 2007. S. 50 f.

6 Kinkel, Steffen; Gunter Lay; Jürgen Wengel: Innovation – Mehr als Forschung und Ent-wicklung. Wachstumschancen auf anderen Innovationspfaden. Mitteilungen aus der Pro-duktionsinnovationserhebung Nr. 33. Karlsru-he: Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Mai 2004. Siehe auch: Voigt, I.: Innovationserfolgt auf neuen Wegen, in: RKW-Magazin Nr. 4, Dezember 2004, S. 26f.

7 Hüther, Michael: Deutschland – Industrie-standort mit Perspektive. In: RKW-Magazin Nr 4, Dezember 2005. S. 9.

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>> Mit dem Empfinden eines erhöhten Inno-vationsdrucks und dem Erkennen, dass Inno-vationen für morgen nicht aus Rationalisie-rungsprogrammen von gestern sprudeln, sind die Innovationsbemühungen in Deutschland wieder intensiviert worden. Im Fokus stehen dabei Produktinnovationen, während der Pro - duktionsbereich eher nachrangig behandelt wird. Tatsächlich sind Innovationen in der Produktion jedoch oft Voraussetzung für er-folgreiche Produktinno vationen, schaffen die Grundlagen für höhere Produktqualitäten oder stellen die operative Exzellenz sicher, die erst die Basis für wettbewerbsfähige Produkte ist. Trotz höherer Innovationsaufwendungen ist aber sowohl der Anteil echter Marktneu-heiten als auch die Quote von Prozessinnova-tionen mit Kostensenkungs- bzw. Qualitätsstei-gerungseffekten rückläufig.

Offensichtlich klafft eine Lücke zwischen der programmatischen Offenheit für Neues und dem tatsächlichen Innovationsverhal-ten. Die Ursachen sind vielfältig. Beim Inno-vieren wird sehr schnell klar, dass man beste-hende Strukturen und Prozesse in Frage stellt, dass der Verlust lieb gewordener Privilegien droht, dass Bereiche aufgegeben werden müs-sen, in denen man kompetent ist. Das ist ein schmerzhafter Prozess, den viele meiden und die kurzfristig bequemere Alternative der Be-sitzstandswahrung vorziehen. Aber auch we-niger interessengesteuerte Barrieren blockie-ren Innovationen in der Produktion:

Q Ungelöste technische Anpassungs- und Kompatibilitätsprobleme verursachen hohe Anlaufkosten, weil Innovationen nicht mit der bestehenden Fertigungskette harmonieren.

Q Schwer abschätzbare Risiken mit Blick auf Sicherung der Produktqualität oder Aufrecht-erhaltung der Produktionsfähigkeit sind mit Kundenerwartungen nicht vereinbar.

Q Unzureichende Integrationsfähigkeit neuer Produktionskonzepte oder -techniken in die per-sonellen, organisatorischen und technischen Konfigurationen führen zu hohen Flopraten.

Personelle, organisatorische und technikbe-dingte Barrieren behindern so den einzelbe-trieblichen Entstehungs- und Diffusionsprozess von Innovationen. Im Ergebnis werden echte Innovationen verschoben, so lange es geht und die Optimierung des Bestehenden forciert.

Will man die Entwicklung und Umsetzung echter Innovationsideen auch gegen Wider-stände forcieren, sind die kreativen Kräfte zu aktivieren. Wirkliche Ausbrüche aus gewohn-ten Bahnen verlaufen dabei nicht über die schlichte Übernahme modischer Konzepte oder entspringen administrierenden Vorschlagswe-senstrukturen. Auch gut gemachte KVP-Pro -zesse, die für kleinschrittige Verbesserungen unerlässlich sind, schaffen kaum Innovations-sprünge in der Produktion. Innovationen ent-stehen vielmehr aus Versuchen und Irrtümern sowie aus Lernprozessen dezentraler Innovati-onskräfte, die oft im Untergrund arbeiten und erst an die Oberfläche kommen, wenn sie vom Erfolg überzeugt sind. Es sind immer Einzelne bzw. kleine Gruppen, die auch gegen den Main-stream Ideen entwickeln und gegen Widerstän-de umsetzen. Innovationsprojekte entfalten nur Dynamik, wenn sie an Personen mit (Eigen-) Interesse am Projekterfolg gebunden sind. Die-se „Partisanengruppen“ brauchen dabei Rah-menbedingungen, unter denen sie ihre Poten-ziale zur Entfaltung bringen können:

Q Zunächst sind Handlungsfreiräume zu si-chern, indem innovative Kräfte von Routine-arbeiten entlastet, aus den verkrusteten alten Netzwerken entkoppelt, Ressourcen ohne die kontraproduktiven Kontrollschleifen der ein-gefahrenen Regulierungssysteme bereitge-stellt und Projektschritte durch die Unterneh-mensleitung abgesichert werden.

Q Handlungsfreiräume allein stellen aber nicht sicher, dass etwas passiert. Ohne daran gekoppelte Erwartungen geraten sie schnell zu „Spielwiesen“. Neben die Freiräume müssen daher noch Handlungsanreize durch die Art der Aufgabenstellung selbst, mit dem Projekt verbundene Karrierechancen oder die Aussicht auf herausfordernde Folgeprojekte treten.

Innovationen in der ProduktionDem kreativen Engagement zur Entfaltung verhelfen –Gastkommentar von Dr. Bernd Kriegesmann

So aufgestellt meiden die „Partisanen“ runde Tische, an denen der Konsens für Verände-rungen gesucht wird, Entscheidungen für echte Innovationen aber nicht zustande kom-men. Diese Trupps gehen weit mehr expe -rimentell vor, indem sie Innovationsmög -lichkeiten ausloten, Umsetzungsvarianten austesten, ihre Konzepte weiterentwickeln und die Umsetzung erneut versuchen. Die Er-mutigung und Befähigung, selbstständig zu handeln und neue Wege zu beschreiten, ist oft der einzig mögliche Weg, das Potenzial de-zentraler Innovationskräfte zu entfalten und Impulse für die Produktion von morgen zu schaffen.

ZUM AUTOR

Professor Dr. Bernd Kriegesmann, Jahrgang 1963, Dipl.-oec., Dr. rer. oec., Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr- Universität Bochum. Von 1989 bis 1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Innovationsforschung (IAI) Bochum e. V., von 1991 bis 1993 Fachrefe-rent beim Bundesministerium für Forschung und Technologie (Innova tions för de rung), von 1993 bis Februar 2000 Geschäftsführer des IAI. Seit März 2000 ist Kriegesmann Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhoch-schule Gelsenkirchen, seit Juli 2002 Vor-standsvorsitzender des IAI und Mitglied in ver-schiedenen Arbeitskreisen und Beiräten. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, Heraus-geber der „Berichte aus der angewandten Innovationsforschung“ sowie der Reihe „Innovation: Forschung und Management“. [email protected]

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>> Nomen war diesmal nicht Omen: Ausge-rechnet im „Hinterland” präsentierten sich sehr fortschrittliche Unternehmen aus Hes-sen. In diesem Teil des Kreises Marburg- Biedenkopf in Mittelhessen liegt Daupthetal-Buchenau. In dem kleinen Ort ist das Unter -nehmen Roth Industries GmbH & Co. KG be-heimatet, das Anfang Oktober Gastgeber für den Hessischen Mittelstandstag war. Roth In-dustries feiert in diesem Jahr seinen 60. Ge-burtstag und ist ein Paradebeispiel für die „Hidden Champions“ unter den deutschen Herstellern. Ursprünglich als Handwerksbe-trieb für Betonerzeugnisse gegründet, hat sich das Unternehmen mehrfach neu erfun-

den und sieht seine Kernkompetenz heute in der Kunststoffverarbeitung in den beiden Geschäftsbereichen „Gebäudetechnik“ und „Industrietechnik“. Mit einigen seiner Pro-duktinnovationen hat Roth im Laufe der Jahre Maßstäbe für die Branche gesetzt, bei-spielsweise mit einer revolutionären Verle-getechnik für Fußbodenheizungen, dem „Ta-ckersystem“. Heute setzt Roth Schwerpunkte auf Produktsysteme zur regenerativen Ener-gieerzeugung wie Solarsysteme und Wärme-pumpen, die wirtschaftliche Energielagerung in Speichersystemen und die Energievertei-lung. Jüngste Innovation ist ein Regelungs-system, Roth Energielogik, das die verschie-denen Systeme intelligent verknüpft. Hoch innovativ, auch ausgezeichnet mit dem In-novationspreis TOP 100, vertreibt die Roth Gruppe ihre Produkte international. Produk-tionsstätten besitzt das Unternehmen in Euro pa und den USA, aber 60 Prozent der weltweit 1.100 Beschäftigten des Familien-betriebs arbeiten in Mittelhessen.

Komplexe Prozesse beherrschen

Roth Industries kann offensichtlich hervor-ragend, was ausländische Kunden bei deut-schen Herstellern besonders schätzen: Sie können komplexe Prozesse gestalten und managen. Darauf wies der hessische Wirt-schaftsminister Alois Rhiel hin, der zum Mit-telstandstag eingeladen hatte.

Daher verwunderte es niemand unter den rund 200 Zuhörern, dass auch die beiden anderen vorgestellten Firmen überwiegend in Hessen produzieren und einen großen Teil ihrer Produkte in alle Welt verkaufen. Auch sie kommen aus der „tiefsten“ Provinz und sind doch in ihrer Sparte führend.

Beispielsweise die Sälzer GmbH aus Mar-burg. Seit mehr als 25 Jahren ist Sälzer füh rend in Entwicklung und Technologie einbruch-, durchschuss- und spreng wir -kungs hemmender Bauelemente. Regierun-gen, Mi li tär, Botschaften, Industrie, Banken, Flughäfen, Polizei, Strafvollzug und private

Kunden weltweit setzen auf die Kreativität und Erfahrung des Familienbetriebs. Über 500 Patente und Prüfzertifikate belegen, dass die Produkte wirksam gegen Explosio-nen, Feuer, Einbruch, Ausbruch, Strahlung oder Beschuss schützen. Heinrich Sälzer und seine Tochter Elke Sälzer zeigten spektakulä-re Bilder von Tests und von realen Terroran-schlägen, die dank ihrer Produkte für die Menschen in den Gebäuden glimpflich ab-gingen.

Um Sicherheit geht es auch beim dritten Firmenbeispiel. Hier stehen „Wegwerfarti-kel“ für die Arbeitssicherheit im Zentrum: Handschuhe. Mit knapp 200 Beschäftigten produziert die KCL Kächele-Cama Latex GmbH aus Eichenzell in der Rhön Handschu-he für den Profibereich. Ein großer Abneh-mer ist die Chemiebranche, allein 140.000 Gefahrstoffe sind in einer Datenbank gespei-chert. Rund 30 Neuheiten bringt KCL jedes Jahr auf den Markt, die in engem Kontakt mit den Anwendern und im eigenen Labor entwickelt werden und nicht so leicht nach-zuahmen sind. Mehr als die Hälfte der Pro-dukte geht in den Export, auch in die klassi-schen Billiglohnländer. KCL sieht das als Beweis dafür, dass Qualität und Know-how mehr zählen als der Preis. Trotzdem hat KCL gegen Produktpiraterie zu kämpfen.

101 Gründe für den Standort

Drei Beispiele für innovative Mittelständler in Hessen, die sich nicht auf ihren Erfolgen ausruhen, sondern immer weiter forschen und entwickeln. Ähnliche Leuchttürme lie-ßen sich überall in deutschen Landen fin-den, oft fernab der Ballungsgebiete. Famili-enbetriebe, in denen wie bei Roth und Sälzer die nächste Generation bereits im Unterneh-men mitarbeitet. Mittelständler, die in Deutschland produzieren, weil sie hier ver-wurzelt sind, aber auch, weil sie hier die Rahmenbedingungen finden, um erfolg-reich zu sein. Für die deutschen Unterneh-men behält Deutschland nach einer aktuel-

Innovationsgeist – Voraussetzung für erfolgreiche MittelständlerBeim Hessischen Mittelstandstag präsentieren sich fortschrittliche Unternehmen

ABSTRACT

Deutsche Hersteller verkaufen gut: Der Export boomt, der Konjunkturmotor brummt. Offensichtlich sind deutsche Unternehmen schon „um so viel besser wie sie teuerer sind“ – wie eine Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel lautete. Ihre Stärken sind Produkte und Problemlösungen, die ein sehr spezielles Know-how verlangen. Die Einzigartigkeit der Unternehmen, die Begeisterungsfähigkeit der Beschäftig-ten und ihr Innovationsgeist sind die wichtigsten Zutaten für den modernen Produktionsstandort Deutschland – das zeigte beispielhaft der Hessische Mittel-standstag.

Autorin: Ulrike [email protected]

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len Studie des ifo Instituts eminente Be - deutung, weil es immer noch über ein leis-tungsfähiges Bildungswesen, ein breites Po-tenzial qualifizierter Arbeits kräfte und eine hervorragende Verkehrs- und Telekommu-nikationsinfrastruktur verfügt. (Positionie-rung der europäischen und deutschen Indus-trie im globalen Konsolidierungsprozess, 2007) Immer wieder finden sich diese Plus-punkte auch unter den „101 Gründen für den Standort Hessen“, die das RKW Hessen bei Unternehmen gesammelt hat und die Unternehmer aus anderen Bundesländern sicher unterstreichen würden.

Als weitere Stärke des Innovationsstand-orts Deutschland gilt nach der ifo-Studie auch die Hochschul-, Forschungs- und Aus-bildungsumgebung. Die Unternehmen be-tonten die gute Ausstattung und die Koope-rationsmöglichkeiten mit Hochschulen und Forschungsinstituten.

Darauf wiesen auch die Referenten beim Mittelstandstag hin. Wer hier noch „Berüh-rungsängste“ habe, sollte die rasch überwin-den und den Kontakt zu den regionalen Hochschulen suchen. Sowohl bei Forschung und Entwicklung als auch bei der Ausbil-dung biete die Kooperation viele Vorteile. Ei-nig waren sich der Wirtschaftsminister, Ver-bandsvertreter und Unternehmer im Lob des dualen Studiums, das in Mittelhessen bei-

spielsweise mit der FH Gießen-Friedberg an-geboten werde.

Mittelstandsspezifisches Innovationsmanagement

Enge Kontakte zu Hochschulen könnten auch zwei Defizite ausgleichen, die Horst Geschka, Professor an der TU Darmstadt und Unterneh-mensberater bei vielen Mittelständlern, ge-funden hat: Informationsdefizite und fehlen-de Innovationsstrategie. Seine These lautete, dass die Erfolgsfaktoren des Innovationsmana-gements von Großkonzernen für Mittelständ-ler entweder nicht passen oder irrelevant sind. Die mittelständischen Unternehmen sind so heterogen, dass sie je nach Situation völlig unterschiedliche Stärken haben. Geschka hat sieben Typen von Innovatoren im Mittelstand identifiziert, begonnen von den technologie-getriebenen Innovatoren über die Technolo-gieführer auf solider kaufmännischer Basis bis hin zu den saturierten Unternehmen, die sich eher „durchwurschteln“ statt dynamisch Neues zu entwickeln.

Weitere Hürden kamen beim Mittel-standstag in einer Podiumsdiskussion zur Sprache. Der Präsident der IHK Dillenburg, Uwe Hainbach, nannte das Stichwort „Fach-kräftemangel“. Mittelhessen müsse sich als attraktive Region präsentieren, deswegen be-teilige sich die IHK auch am regionalen Bünd-

nis für Familien. Ebenso wichtig ist es aber, junge Leute für technische Berufe zu begeis-tern. Finanzschwachen Unternehmen könne es auch helfen, sich mit einer kleinen Gruppe von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in der Region zusammenzusetzen und Innovationen zu entwickeln. Man müsse stets nach der zukünftigen Anwendung fra-gen. Denn wer nur nachahme, was andere schon anbieten, sei sofort dem Preiswettbe-werb ausgesetzt.

www. roth-werke.dewww.saelzer.dewww.KLC.de

Premiere: Zum 1. Mal fand der Hessische Mittel-standstag in einem Unternehmen statt und traf auf großes Interesse. 200 Gäste kamen zu Roth Industries nach Daupthetal.

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>> Ressourceneffizientes Wirtschaften ist ein wichtiger Schlüssel, um den Weg hin zu einer nachhaltigeren Entwicklung zu eröffnen. Die steigenden Rohstoffpreise zeigen, dass es Zeit zum Handeln ist. Mit weniger mehr errei-chen: Diese Faustregel führt nicht nur zu we-niger Beeinträchtigungen bei der Rohstoffge-winnung, sondern vermindert auch das Entstehen von Schadstoffen und Abfällen. Ei-ne intelligente Nutzung von Ressourcen, die Kreislaufführung von Einsatzstoffen in der Produktion, die Substitution von Hilfs- und Betriebsstoffen durch solche auf Basis nach-wachsender Rohstoffe – das sind nur einige von vielen Beispielen zur Steigerung der Res-sourceneffizienz.

40 Prozent MaterialkostenFür die Wirtschaft sind Material- und Energie-verbrauch wichtige Kriterien. Ob im Rahmen dieser Überlegungen realisierbare und wir-kungsvolle Maßnahmen entwickelt und eingesetzt werden, hängt vor allem davon ab, inwieweit der Ressourcenverbrauch als Kos-tenfaktor und seine Reduzierung als Beitrag für mehr Wettbewerbsfähigkeit wahrgenom-men werden. Während viele große Unterneh-men bereits intensive Anstrengungen in die-sem Bereich unternehmen, verfügen kleine und mittlere Unternehmen hier oft nicht über die notwendigen Kapazitäten.

Unternehmen sind immer gefordert, in ih-rer Produktion mögliche Innovationspoten-ziale aufzuspüren und – wenn wirtschaftlich darstellbar – zu nutzen, um so die Wettbe-werbsfähigkeit ihres Produktionsstandortes bzw. ihrer Produkte zu sichern und zu verbes-sern. Insofern stellt die Erschließung von Res-sourceneffizienz-Potenzialen an sich keine neue Herausforderung dar. Ihre Nutzung wird jedoch oft nicht strategisch verfolgt, da zum Beispiel andere Kostenfaktoren wie etwa Per-sonalkosten einfacher zu identifizieren und mögliche Einsparungen einfacher zu berech-nen sind. Dagegen sind die innerbetrieblichen Stoffströme gerade in kleinen und mittelstän-dischen Unternehmen oft nicht ausreichend

identifiziert. Führt man sich vor Augen, dass nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsmi-nisteriums durchschnittlich 20 Prozent der Bruttoproduktionskosten durch Personal-, aber 40 Prozent durch Materialkosten verur-sacht werden, so werden diese Potenziale schnell deutlich.

Ressourceneffizienz: Umsetzungsstrategien in NRW

Die auf Initiative des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums gegründete Effizienz-Agentur NRW (EFA) ist mit 18 Mitarbeitern die zentrale Anlaufstelle für produzierende kleine und mittlere Unternehmen in Nord-rhein-Westfalen in allen Fragen des Produkti-onsintegrierten Umweltschutzes (PIUS) sowie zur Ressourceneffizienz. Ziele ihrer Arbeit sind weitreichende strategische und techni-sche Verbesserungen im Sinne der Ressour-ceneffizienz – durch neue Strategien, inno-vative Technologien und ökologisch orientierte Maßnahmen.

Der Erfolg zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die von der EFA entwickelten Beratungs-angebote, die in der EFA-Toolbox zusammen-gefasst sind, zunehmend auch in anderen Bundesländern nachgefragt und adaptiert werden, so in Rheinland-Pfalz, Baden-Würt-temberg, Bayern und Hessen.

Die EFA-Toolbox zum ressourcen -effizienten Wirtschaften

Die Effizienz-Agentur NRW entwickelt ge-meinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Wissen-schaft und Politik eine Reihe von speziellen Methoden zur Stärkung der Ressourceneffi-zienz. Über 700 Projekte konnten seit dem Jahr 2000 mit kleinen und mittleren Unternehmen initiiert werden.

Die Erfahrungen aus NRW zeigen, dass den Betrieben daran gelegen ist, mit erprob-ten Beratungsmethoden eine strategische Analyse zu ressourceneffizienten Potenzialen durchzuführen, anhand derer sich Maßnah-men entwickeln und abbilden lassen. Für den Unternehmer ist es hierbei eine deutliche Un-

RessourceneffizienzImpulse für ein zukunftsfähiges Wirtschaften

ABSTRACT

Seit 1870 ist Deutschland laut wirtschafts-historischen Berechnungen 17-mal produktiver geworden. Die Ressourcen-produktivität stieg zwar auch, konnte den wachsenden Ressourcenverbrauch infolge der Industrialisierung aber nicht ausglei-chen. Die zunehmende Verknappung der Rohstoffe spiegelt sich in steigenden Preisen und langen Lieferzeiten wider. Deshalb gilt es heute mehr denn je, die Ressourcen effizienter zu nutzen, um bei steigendem Wirtschaftswachstum die natürlichen Ressourcen zu schonen. Würde für uns als Nutzer der wirkliche Preis für den erheblichen Ressourcen -einsatz an der Kasse in Rechnung gestellt, könnten wir uns die meisten, heute all -täglichen Produkte nicht mehr leisten.

AUTOR

Dr. Peter Jahns studierte Maschinenbau, Fachrichtung Verfahrenstechnik an der Uni-versität-Gesamthochschule Essen. 1986 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bergbauforschung GmbH, Essen (heute DMT-Deutsche Montantechnologie GmbH), und promovierte 1991. Anschließend war er im Bereich Altlastensanierung bei der RUT-Ruhrkohle Umwelttechnik, Bottrop, als Lei-ter Anlagentechnik tätig, zusätzlich ab 1996 Prokurist im BRZ Herne Bodenreinigungs-zentrum GmbH. Seit 1999 ist er Leiter der Effizienz-Agentur NRW, Duisburg, die 1998 vom nordrhein-westfälischen Umweltminis-terium gegründet wurde. E-Mail: [email protected] www.efanrw.deD

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terstützung, wenn ihm ein neutraler Partner als „Coach“ bei der Entwicklung dieses Kon-zeptes zur Seite steht. Erst danach sind die klassischen Formen der Förderprogramme wie Investitionszuschüsse oder zinsverbillig-te Darlehen gefragt, wie sie in unterschied-lichster Form seitens der Länder, des Bundes oder der Europäischen Union angeboten wer-den.

Die EFA deckt mit ihrer Toolbox alle wich-tigen Bereiche der Wertschöpfung ab: Pro-duktion, Produktgestaltung und Kostenrech-nung.

Im Bereich Produktion

Der ®PIUS-Check als prozessorientierte Stoff-stromanalyse zur Steigerung der Ressourcen-effizienz gibt dem Unternehmer einen klaren Überblick über die Stoffströme und die Anla-gentechnik in seinen Prozessen. Zusammen mit einem Berater, den der Unternehmer aus-wählt, werden zwei bis drei konkrete Ansätze zur ressourceneffizienteren und kostengüns-tigeren Produktion aufgezeigt. So wurden bei-spielsweise durch den Einsatz des PIUS-Checks seit seiner Einführung im Jahr 2000 über 400 Projekte in Unternehmen gestartet und insgesamt Einsparungen von 16 Millio-nen Euro ermittelt.

Mit dem Ökoeffizienz-Check Handwerk wird ein speziell auf die Anforderungen von

Handwerksbetrieben entwickeltes Instru-ment angeboten, mit dem weitere Möglich-keiten zu ökonomisch und ökologisch effi-zienteren Prozessen aufgezeigt werden.

Der Instandhaltungs-Check beinhaltet Methoden und Tools zur Optimierung der In-standhaltung produzierender Unternehmen, wodurch Ressourcen geschont werden. Ziel ist die Einbindung der Instandhaltung in die strategische Unternehmensplanung.

Im Bereich Produkt

Die EFA hat mit dem „JUMP-Tool“ ein Instru-ment zur Verbesserung von Produktentwick-lungsprozessen unter Berücksichtigung von Umweltaspekten entwickelt. Im Rahmen von Workshops werden den Verantwortlichen im Unternehmen Methoden der systematischen und umweltorientierten Produktentwicklung vermittelt.

Im Bereich Kosten

Die Ressourcenkostenrechnung RKR® leistet die betriebswirtschaftliche Erfassung der ressourcenbezogenen Kostensenkungspo-tenziale. Neben den Entsorgungskosten müssen auch der Einkauf der Rohstoffe, der Wirkungsgrad und die Auslastung der Pro-duktionsanlagen sowie die Gemeinkosten – um nur einige der relevanten Kosten zu nennen – berücksichtigt werden, was oft

aufgrund der dafür nicht ausgelegten Kos-tenrechnung nicht geschieht. Mit der RKR ist eine verursachergerechte Kostenzuord-nung möglich, die Daten transparent und ein kontinuierliches Controlling möglich. So können Verbesserungspotenziale im Sine eines effizienteren Ressourceneinsatzes identifiziert werden.

Die PIUS-Finanzierung der EFA weist da-rüber hinaus den Weg zu attraktiven Finan-zierungsmöglichkeiten bei anstehenden In-vestitionen, etwa durch die Vermittlung entsprechender Förderprogramme oder alter-nativer Finanzierungskonzepte wie beispiels-weise das Contracting.

Der Funke muss überspringen: Ressourceneffizientes Wirtschaften ist ein wichtiger Schlüssel, um den Weg hin zu einer nachhaltigeren Entwicklung zu eröffnen.

REM-BOTSCHAFTER

Materialeffizienz und Energieeffizienz sind zentrale Themen für das RKW Kompetenz-zentrum. Gemeinsam mit weiteren Partnern kümmert es sich beispielsweise mit einer neuartigen Qualifizierung für Berater darum, dass das Thema Energieeffizienz in die Un-ternehmen getragen wird, auch wenn es nicht ausdrücklich zum Beratungsauftrag gehört. Maßnahmen zur rationellen Energie-nutzung (REN) werden selten ergriffen, ob-wohl es viele rentable investive und organi-satorische Maßnahmen gibt. Dabei liegen die Potenziale sehr häufig im Bereich der Querschnittstechnologien, die branchen-übergreifend eingesetzt werden und einfa-cher zu optimieren sind als prozessspezifi-sche Technologien. Ausgesuchte Berater werden zur „REN-Botschaftern“ und im Rahmen eines Pilotprojekts 200 Unter -nehmen für die Thematik sensibili sieren.

Das Vorhaben wird im Rahmen des BMBF-Forschungsprogramms „Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor Klimawirkungen“ durch den Projektträger Umweltforschung und -technik im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (Pt-DLR/Umwelt) gefördert. Förderkennzeichen: 01 LS 05078.

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>> Glückliche Zeiten für Gießereimanager. Es klingt beinahe zu schön, um wahr zu sein. Die Friedrich Wilhelms-Hütte in Mülheim/ -Ruhr kommt nicht mehr mit der Arbeit nach. Die Auftragsbücher sind randvoll, das Unter-nehmen sucht händeringend qualifizierte Mitarbeiter.Ihre Meisterwerke hat die Fried-rich Wilhelms-Hütte, kurz FWH genannt, an diesem Augustwochenende im neu gebauten Teil der Gießereihalle, direkt hinter der Haupteinfahrt für alle sichtbar platziert. Aus gutem Grund: Die Belegschaft „der Hütte“, wie die Beschäftigten ihre Gießerei nennen, feiert sich und den anhaltenden Geschäftserfolg des Unternehmens. „Über 1.700 Mitarbeiter und ihre Angehörigen werden kommen, die Gie-ßerei und ihre Produkte besichtigen und na-türlich auch richtig gut feiern“, sagt Heinz Wiebelhaus, kaufmännischer Geschäftsfüh-rer der Friedrich Wilhelms-Hütte. Guter Guss wird in Mülheim schon lange produziert, von vielen, die heute dort beschäftigt sind, arbeite-ten bereits Väter und Großväter an der Fried-rich-Ebert-Straße. Die Qualität der Belegschaft war immer Garant für die Stärke des Standor-tes. Es sind vor allem die älteren Beschäftigten, die sich auch noch an die weniger guten Zei-ten Anfang und Mitte der 90er Jahre erinnern. Heute sind die Auftragsbücher voll. Neue Kun-den müssen vor allem Geduld mitbringen, denn derzeit ist „die Hütte“ komplett ausge-bucht. „So eine Boomphase, wie wir sie derzeit mitmachen, habe ich noch nie erlebt“, meint Reiner Eschen, technischer Geschäftsführer der FWH. Es geschehen also noch Wunder, echte Wirtschaftswunder im Hochlohnland Deutschland.

Teamgeist ist wichtig

Wiebelhaus und Eschen ergänzen sich vor-züglich. Als kompetentes Duo bringen sie seit einigen Jahren FWH voran. Der eine küm-mert sich um die Zahlen, In- und Outputs, Rendite und Cashflow, das sind die Eckwerte des Betriebswirts, mit denen er jongliert; der andere ist der Techniker, der Ingenieur, der Mann vom Fach, der „seine“ Gießerei moder-

nisieren will. Eschen weiß, dass neue Schmel-zöfen gebaut werden müssen, eine moderne Strahlanlage für die Gussnachbehandlung ist bereits zu besichtigen, und die Chargierhalle soll auch noch im Rahmen der gewachsenen Nachfrage nach gegossenen FWH-Komponen-ten vergrößert werden. „Es ist eine wahre Freude in dieser Zeit, eine Gießerei zu leiten. Wir sind alle auf Wachstum programmiert“, meint Eschen, der mit seinem technischen Sachverstand immer vorausschauend argu-mentiert. Die neuen Anlagen, die zur Kapazi-tätserweiterung der Eisengießerei beitragen werden, sollen das Unternehmen in die Lage versetzen, dem Kundenkreis die gewünschten

Arbeit sattWirtschaftswunder im Hochlohnland: Die Friedrich Wilhelms-Hütte aus Mülheim ist komplett ausgebucht

AUTORMichael Franken, Düsseldorf@xxxxxxxxxxxxxx

Gussteile schneller in großen Mengen liefern zu können. Die Finanzierung des Ausbaus der vorhandenen Kapazitäten ist in trockenen Tü-chern. „In einer ersten Ausbauphase werden wir rund 4,5 Millionen Euro in die Erneue-rung des Schmelzbetriebs der Eisengießerei, in die Hallenerweiterung und in den Ausbau des Maschinenparks stecken“, erklärt Heinz Wiebelhaus. Etwa die gleiche Summe will die Geschäftsführung ab 2008 investieren.

Ungewöhnlicher Aufwärtstrend

Die vergangenen fünf Jahre waren bereits für Geschäftsführung und Belegschaft der FWH so etwas wie das goldene Zeitalter im gerade

Heinz Wiebelhaus (links) und Reiner Eschen blicken als Geschäftsführer der Friedrich Wil -helms-Hütte optimistisch in die Zukunft. Die Geschäfte laufen gut. Für weiteres Wachs- tum brauchen sie dringend neue Mitarbeiter.

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erst angebrochenen 21. Jahrhundert. Dabei stand am Anfang zunächst einmal nur ein Ge-fühl von Unsicherheit, denn keiner wusste so genau, wie es mit der Hütte weitergehen würde, als sie zum 1. Oktober 2001 von der Thyssen Umformtechnik und Guss GmbH, Bochum, an die Georgsmarienhütte-Unter-nehmensgruppe (GMH) verkauft wurde. Nach anfänglichen Zweifeln wurde schnell klar, dass der Standort Mülheim nicht nur erhalten werden sollte. „Mülheim sollte vor allem auch ausgebaut werden. Die Hütte sollte komplett in die mittelständischen Strukturen der Gusssparte der GMH Holding GmbH inte-griert werden“, erinnert sich Wiebelhaus. Das

Unternehmen erhielt von der Holding wirt-schaftliche und finanzielle Eigenständigkeit und behielt als Kapitalgesellschaft den Tradi-tionsnamen Friedrich Wilhelms-Hütte bei.

Wiebelhaus, ein echtes Ruhrgebietsge-wächs, ist von Anfang an dabei, er hat die Umgestaltung von Thyssen zum GMH-Betrieb mit mittelständischer Ausprägung hautnah erlebt. In Dortmund hat Wiebelhaus Betriebs-wirtschaft studiert, bei Hoesch erwarb er sei-ne ersten beruflichen Sporen im Stahlbe-reich. Neben der Leitung des operativen Geschäfts der FWH war er auch vor sechs Jah-ren noch in Personalunion für alle anderen Gießereiaktivitäten der GMH zuständig. „Erst

im vorigen Jahr ist die FWH am Standort in Mülheim gesellschaftsrechtlich getrennt wor-den, und zwar in eine separate Eisenguss GmbH und in eine Stahlguss GmbH“, sagt Wiebelhaus. Beide Unternehmenszweige flo-rieren wie selten zuvor. Beim Eisenguss konn-te der Umsatz in den vergangenen fünf Jahren von 28,3 auf 52,3 Millionen Euro fast verdop-pelt werden. Erst vor knapp drei Jahren wur-de der Produktbereich Windenergie neu in das Portfolio der Eisengießerei aufgenom-men. „Diese Entscheidung war goldrichtig“, sagt Heinz Eschen, und strahlt wie jemand, der weiß, dass er zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Riecher für einen neuen Absatz-

Aktuell liefert FWH drei von diesen gegossenen Rotornaben und Achszapfen pro Woche an den Turbinenbauer Enercon.

Endkontrolle an einem Zylinderkurbel -gehäuse, das für den Bau eines Schiffs -motors vorgesehen ist.

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markt hatte. Allein in diesem Jahr wird die Hütte dort rund zehn Millionen Euro Umsatz machen. Produziert werden Blattadapter, Maschinenträger, Achszapfen und Rotorna-ben für nahezu alle bekannten Windturbi-nenbauer in Deutschland. Alleine drei Rotor-naben der 1,5-MW-Klasse werden pro Woche für die größte deutsche Windkraftschmiede Enercon gegossen. „Die Produktion der Wind-kraftkomponenten läuft im Serienbetrieb. Dabei geht es vor allem um reproduzierbare Qualität in Guss, die bei uns in Serie herge-stellt wird“, so Eschen. Viel verspricht sich der Gießereiingenieur, der 1981 sein Diplom in Duisburg gemacht hat, vom weiteren Ausbau der Windenergie vor den deutschen Küsten und auf den weltweit wachsenden interna -tionalen Märkten. Derzeit werden neue Di-mensionen bei der Windkraft mit 5-MW- Anlagen Realität. „Bei dieser Entwicklung wollen wir dabei sein. Wir verstehen uns als Manufaktur, die nachhaltige Produkte her-stellt. Teile und Komponenten, auf die unsere Kunden zählen können“, sagt Eschen, Absol-vent der „Duisburger Gießereischule“, der zu Beginn seiner beruflichen Entwicklung bei Georg Fischer in Mettmann gearbeitet hat und dort für den Kupolofen, sprich für den Schmelzbetrieb verantwortlich war. Eschen hat verschiedene Gießereien kennengelernt, bis er 1995 zur FWH kam. „Ich kann mich nicht erinnern, egal in welcher Gießerei ich gearbeitet habe, dass es jemals so gut gelaufen ist wie heute.“

In allen Marktsegmenten, die hauptsäch-lich von der Eisengießerei bedient werden, und dazu zählen der Energiebereich, inklusi-ve die Windkraftbranche, und vor allem der Schiffsbau, müssen sich die Kunden mittler-weile auf längere Lieferzeiten einstellen. Die umsatzstärkste Produktgruppe ist der Bereich der Zylinderblöcke (rund 30 Prozent), gefolgt von der Windenergie (20 Prozent), dem Ma-schinenbau (etwa 18 Prozent) sowie den Gas- und Dampfturbinen und den Stahlwerksko-killen (je circa 16 Prozent). „Bei den Zylinder-blöcken und der Windenergie kann man

Für Formerei und die Kern -macherei der Gießerei werden dringend zehn neue Mitarbeiter gesucht.

Die Friedrich Wilhelms-Hütte hat sich auf die Herstellung besonders großer Gussteile spezialisiert.

Seit Anfang 2007 ist der neue Schmelzofen in Betrieb.

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durchaus von einer Sonderkonjunktur spre-chen“, meint Heinz Wiebelhaus. Die Fried-rich Wilhelms-Hütte gehöre ohne Zweifel zu den Profiteuren der Globalisierung. Je mehr Waren und Produkte über die Weltmeere ge-schippert werden, desto mehr Motorenge -häuse für Dieselaggregate werden benötigt, die große Transportschiffe antreiben. Mehr Trans portschiffe bedeuten mehr Motoren, und immer mehr Motoren brauchen immer mehr gegossene Zylinderblöcke. Und die wer-den selbstredend in der Eisengießerei in Mül-heim gegossen. Tonnenschwere Gehäuse für neue Schiffe, die ihre Fracht rund um den Globus transportieren. „So einfach kann man von der Globalisierung profitieren“, sagt Wiebelhaus.

Mehr Umsatz auch beim Stahlguss

Nicht ganz so gewaltig wie im Eisenguss wa-ren die Wachstumszuwächse im Stahlguss. Dort konnte der Umsatz binnen fünf Jahren von 2003 bis 2007 von 26,9 Millionen Euro auf 43,5 Millionen Euro gesteigert werden. „Mit diesem Wachstum sind wir sehr zu -frieden“, meint Geschäftsführer Wiebelhaus. Überall, wo nach Öl gebohrt wird, können bei der Exploration vor Ort Stahlgusskomponen-ten aus Mülheim zum Zuge kommen. Egal, ob in Saudi-Arabien, in Texas oder im Golf von

Mexiko. Die umsatzstärkste Produktgruppe beim Stahlguss ist der Bereich Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Oil Tools, dazu zählen zum Beispiel Gehäuse für Bohrstangen; er macht etwa 55 Prozent aus. Es folgen die Be-reiche Verschleißsektor (21 Prozent), Fahr-zeugbau (19 Prozent) und das Projektgeschäft Guss am Bau (etwa 5 Prozent).

Beide Gießereien, also der Eisen- und der Stahlgussbereich, sind spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von technisch besonders anspruchsvollen und komplexen Guss- und Konstruktionsteilen. Die beiden Gießerei-GmbHs der FWH setzen auf Werk-stoffentwicklung, eine ingenieurmäßige Kun-denbetreuung, Prozessoptimierung und auf einen hoch qualifizierten Mitarbeiterstamm. In Summe gewährleisten diese Standortfakto-ren die Aufrechterhaltung und die Weiterent-wicklung des hohen Qualitätsniveaus.

Qualifiziertes Personal gesucht

Innovationen – das ist das Stichwort für Rei-ner Eschen. Nur mit neuen Entwicklungen lasse sich die Führungsposition der FWH in vielen Bereichen auf Dauer auch halten. Zum Halten der Wettbewerbsposition braucht das Unternehmen dringend neue Mitarbeiter. Zwischen 2003 und 2007 wurden 142 neue Beschäftigte angestellt, ein Zuwachs von 26 Prozent. Auch bei den Auszubildenden liegt die FWH traditionell weit vorne. Der Kontakt zu Schulen wird besonders intensiv gepflegt, es werden regelmäßig Praktika angeboten. Die Zahl der Auszubildenden ist von 25 im Jahr 2003 auf 38 in diesem Jahr angestiegen, ein Plus von rund 52 Prozent. Wiebelhaus und Eschen wissen, nur mit qualifizierten Mitarbeitern lässt sich der eingeschlagene Wachstumskurs auf Dauer halten und weiter ausbauen. „Aktuell haben wir ganz erhebli-che personelle Engpässe in der Formerei und in der Kernmacherei zu überbrücken. Wir su-chen händeringend zehn neue Mitarbeiter für diese beiden Arbeitsbereiche“, erklärt Eschen. Das Problem: Der Markt ist wie leerge-

fegt. Auf Stellenanzeigen, die vom Ruhrge-biet bis zum Sauerland geschaltet wurden, meldete sich nur ein Bewerber.

FWH zieht jetzt alle Register. Große Hoff-nung hegt man nun auf Arbeitssuchende aus nicht gießereispezifischen Berufen, die sich durchaus in der Formerei und der Kern -macherei einarbeiten können. „Wir denken an Leute, die eine neue Herausforderung suchen, die über eine abgeschlossene Aus -bildung in einem technischen Beruf verfü-gen. Das könnten zum Beispiel Betonbauer oder Schlosser sein“, meint Geschäftsführer Heinz Wiebelhaus. Geschäftsführung und der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Janje-vic haben sich für eine offensive Jobsuche ausgesprochen. Sie setzen dabei ihre Hoff-nungen auch auf die Generation „50 plus x“. „Der letzte Mitarbeiter, den wir eingestellt haben, der war Mitte fünfzig, er hat sich bes-tens bewährt. Der Mann ist hoch motiviert“, meint Janjevic. Wiebelhaus, Eschen und Janjevic sind davon überzeugt, dass die aktu-ellen Erfolge nicht zuletzt auch Ergebnis ei-ner erfolgreichen Personalpolitik der Hütte sind. Doch vom Boom der vergangenen Mo-nate sind alle ziemlich überrascht worden. Dass die FWH es geschafft hat, seit fast fünf Jahren stets verbesserte Ergebnisse vorzule-gen, macht die beiden Geschäftsführer opti-mistisch. Die Hütte setzt in vielen Feldern auf Tradition und Moderne, genau darauf bauen Wiebelhaus und Eschen nun bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. „Wer als Ar-beitssuchender zu uns kommt, der kann sich hier voll einbringen und auf Dauer auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz bauen“, sagt Wie-belhaus. Geschäftsführung und Betriebsrat haben nur ein Ziel: mit mehr Mitarbeitern den Jahresumsatz weiter auszubauen. Und die Chancen stehen gut, vorbei sind die Zei-ten, da man Kunden suchen musste. „Die rennen uns die Bude ein, denn wir wissen, was bei den Kunden ankommt“, erzählt Eschen, der noch weiß, wie es ist, wenn eine Gießerei mit Ergebnisrückgängen zu kämp-fen hat.

Wolfgang Janjevic ist Betriebsrats-vorsitzender der FWH. Er will auch äl-teren Arbeits-suchenden der Generation „50 plus x“ eine Chance geben.

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>> Die Automobilindustrie in China boomt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Pkw-Produktion in etwa verzehnfacht. Maßgeblich dazu beigetragen haben deutsche Hersteller wie Volkswagen oder BMW, die so wie andere international renommierte Auto-mobilhersteller mit chinesischen Partner un -ternehmen Joint Ventures gebildet haben.

Seit Ende der 1990er Jahre haben sie viele ihrer Zulieferer gedrängt, auch vor Ort zu produzieren. Mittlerweile ist der Markt jedoch so attraktiv geworden, dass Zulieferer aus eigenem Antrieb Werke eröffnen. Aber auch sie werden angehalten, Joint Ventures mit Zu lieferbetrieben chinesischer Pkw-Her-steller einzugehen, die meistens über ein gruppen eigenes Lieferantennetzwerk verfü-gen.

Gleiche Qualität – andere Bedingungen

Deutsche Zulieferer stehen vor der Heraus -forderung, Produkte in gleicher Qualität wie in Deutschland produzieren, dabei aber er-hebliche technologische und qualitative Un-terschiede zu Joint Venture-Partnern und lo-kalen Lieferanten überbrücken zu müssen. Zusätzlich müssen sie in den Joint Ventures Strukturen und Abläufe des chinesischen Partners so integrieren, dass kohärente und effiziente Unternehmen entstehen.

Für den Erfolg ist es entscheidend, dass interkulturelle Schnittstellen zwischen deut-schen Fachkräften und chinesischen Kollegen durch verlässliche persönliche Beziehungen ausgeglichen werden. Diese Schnittstellen ent stehen zwar auch in eigenen Tochterge -sell schaften sobald chinesische Arbeitskräfte eingestellt werden. In Joint Ventures jedoch müssen neben kulturellen Unterschieden auch bestehende Hierarchie- und Macht -strukturen beim Partnerunternehmen durch-brochen werden, die aufgrund der vertikal integrierten Unternehmensgruppen in der chi ne sischen Automobilindustrie besonders stark ausgeprägt sind.

Schnittstellen im operativen Geschäft in Joint Ventures können je nach Personalkon -figuration entweder auf Managementebene, zwischen Management und Bereichsleitern oder zwischen diesen und der Arbeiterschaft entstehen. Das operative Management wird bei ungefähr gleichen Kapitalanteilen übli-cherweise doppelt mit Managern beider Part-nerunternehmen besetzt. Vielfach ist es die Regel, dass General Manager und Deputy Ge-neral Manager nach einer vereinbarten Zeit ihre Positionen tauschen. Diese Positionen besetzen deutsche Zulieferer meistens mit Personal aus dem Mutterunternehmen. Zum Teil werden auch Bereichsleiter (zum Beispiel für Produktion, FuE, Finanzen) entsandt.

Guanxi – eine soziale Schlüsselkompetenz

Die effiziente Koordination der Schnittstellen geht nur über den Aufbau sogenannter guan-xi, verlässlicher persönlicher Beziehungen, die wiederum nur entstehen können, wenn sich deutsche Fachkräfte an die akzeptierten sozialen Handlungsmuster in China halten. Guanxi sind reziproke und langfristige Bezie-hungen, die sowohl instrumentellen als auch emotionalen Charakter haben. Letzterer be-ruht auf einer festgestellten oder konstruier-ten persönlichen Gemeinsamkeit. Baut man guanxi zu einer Person auf, so eröffnet das gleichzeitig den Zugang zu deren guanxi-

Netzwerk. Um die Beziehung aufzubauen und zu erhalten, muss man die andere Person gut kennen und ihr bei passenden Anlässen durch Unterstützung Respekt erweisen (ren-qing). Dies gilt gegenseitig. Unterbleibt dies, nimmt die Reputation oder das „Gesicht“ des-jenigen, der seiner informellen Pflicht nicht nachkommt, im Netzwerk Schaden.

Das Phänomen des „Gesichts“ (mianzi) ist eng mit guanxi verbunden. „Gesicht“ ist die im Netzwerk wahrgenommene soziale Positi-on eines Individuums, die mit der Rollenaus-übung zusammenhängt. „Gesicht“ kann als eine Investition in das persönliche Netzwerk angesehen werden: je mehr „Gesicht“ jemand hat, desto attraktiver erscheint er für guanxi. „Gesichtsverlust“ durch öffentlich vorge-brachte Schuldzuweisungen beispielsweise, oder Manager, die die Fassung verlieren, führt zu einer Herabstufung des Betreffenden im sozialen Gefüge.

Deutsche Manager oder Bereichsleiter scheitern, wenn sie chinesische Mitarbeiter alleine durch ihre Position in der Unterneh-menshierarchie führen wollen und versu-chen, fehlende Mitarbeitermotivation durch Druck herbeizuführen. In mehreren der un-tersuchten Unternehmen in China hatten sich deutsche Fachkräfte zum Teil so weit iso-liert, dass sie keinen Einfluss auf ihre Kolle-gen und Mitarbeiter ausüben konnten. Oft mussten sie oder sogar komplette Teams aus-getauscht werden, weil ansonsten der Bruch in den Joint Ventures irreparabel gewesen wä-re. So sind ausländische Führungskräfte ohne guanxi zu wichtigen Akteuren auf chinesi-scher Seite und Zugang zu Beziehungsnetz-werken nur begrenzt in der Lage, Prozesse wirkungsvoll anzustoßen und die Ressourcen der chinesischen Mitarbeiter zu nutzen.

Drei bewährte Methoden

Interkulturelle Kurse helfen, ein erstes Ver-ständnis für soziale Strukturen und Hand-lungsmuster in China zu entwickeln. Darüber hinaus muss aber auch die Bereitschaft und Fähigkeit vorhanden sein, eigene Verhaltens-

„Guanxi“ – Produktion in deutsch-chinesischen KooperationenVerlässliche persönliche Beziehungen sind wichtig für Schnittstellen in Joint Ventures

ABSTRACT

Der Beitrag zeigt, wie sich institutionelle und technologische Eigenarten des deut-schen und chinesischen Innovationssys-tems auf Kooperationen zwischen Unter-nehmen aus den zwei Ländern auswirken. Er basiert auf einer Untersuchung von Lie-ferantenbeziehungen und Joint Ventures deutscher Automobilzulieferer in China, die 2006 erschienen ist.

Autor: Dr. Heiner [email protected]

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weisen in Frage zu stellen und sie an das neue soziale Umfeld anzupassen. Nach Analyse der Vorgehensweise deutscher Automobilzuliefe-rer in China scheinen sich dafür drei Metho-den zu bewähren:

(1) Deutschen Fachkräften wird ein chinesi-scher Assistent zur Seite gestellt, der ihnen im Umgang mit chinesischen Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite steht. Der Erfolg hängt aber von der Bereitschaft der Fach kräfte ab, die Assistenten in betriebliche Ent schei -dungen zu integrieren, ihre Ratschläge ernst-haft zu reflektieren und sie nicht beispiels-weise nur als Dolmetscher zu nutzen.

(2) Damit auch eine Annäherung von chinesi-scher Seite an die deutsche Unternehmenskul-tur und dort gängige Interaktionsmuster statt-finden kann, wird Schlüsselpersonal zeitweise auch in Deutschland eingesetzt. So wird es auf die erwartete Rollenausübung und Interakti-onsformen mit deutschen Kollegen einge-stimmt.

(3) Deutsche Unternehmen, die nur lokales Personal einsetzen, sollten Mitarbeiter einstel-len, die in Deutschland studiert oder gearbei-tet haben und die Kommunikation mit und die Kontrolle der Zweigstelle übernehmen können. Durch die langjährige Erfahrung in

Die Abbildung veranschaulicht Aufbau und organisatorische Einbindung eines typischen deutsch-chinesischen Automobilzulieferer-Joint Ventures in China.

Deutschland können solche Mitarbeiter auch mit dem Personal des Mutterunternehmens effizient kommunizieren.

Die Ergebnisse resultieren aus einer Un-tersuchung von Werken deutscher Automo-bilzulieferer in China. In anderen Industrien werden Investoren nicht immer mit einer ver-gleichbaren Machtkonstellation der Unter-nehmensgruppen konfrontiert und können aus dem Grund auch einfacher Tochtergesell-schaften (WFOEs – Wholly Foreign Owned Enterprises) gründen. Alleine dadurch wird das Konfliktpotenzial in der Kooperation mit chinesischen Unternehmen deutlich verrin-gert. Interkulturelle Schnittstellen müssen aber trotzdem überbrückt werden, nicht zu-letzt, weil jedes Unternehmen neben den in-ternen Arbeitsbeziehungen auch externe Be-ziehungen zu Lieferanten, Behörden oder Dienstleistern meistern muss. Auch hierzu sind guanxi unentbehrlich.

W Literatur

Depner, H. (2006): Transnationale Direktinves-titionen und kulturelle Unterschiede: Lieferan-ten und Joint Ventures deutscher Automobil-zulieferer in China. Bielefeld: Transcript.

Hwang, K.-k. (1987): Face and favor: The Chinese power game. In: American Jour-nal of Sociology (Jg. 92), S. 944-974.

Kasperk, G./Woywode, M./Kalmbach, R. (2006): Erfolgreich in China. Strategien für die Automobilzuliefererindustrie. Berlin, Heidelberg, New York: Springer.

Reisach, U./Tauber, T./Yuan, X. (2003): China – Wirtschaftspartner zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ein Seminar für Praktiker. 3. Auflage. Frankfurt/Main: Ueberreuter.

Wang, H. (2001): Weak state, strong networks. The institutional dynamics of foreign direct investment in China. Oxford: Oxford University Press.

Deutscher Automobilhersteller

Joint VentureAutomobilhersteller

ChinesischerAutomobilhersteller

Aufsichtsrat(Board of Directors)

Arbeiterschaft

Bereichsleiter A Bereichsleiter B

Operatives ManagementGeneral Manager A General Manager B

ZuliefererJoint Venture

JV-Partner BChinesischerGruppen-Zulieferer

JV-Partner ADeutscher Zulieferer

stellt

entsendet

kontrolliert

interkulturelle Beziehung im Falle des Einsatzes von Expatriates

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Prozessoptimierung beim BauenNeutraler Artikelkatalog soll neuen Datenstandard setzen

ABSTRACT

In kaum einer anderen Branche gibt es so viele Schnittstellen wie in der sehr arbeitsteiligen Bauwirtschaft. Bauherren, Planer, bauausführende Unternehmen, Unterauftragnehmer und Facility Manager müssen vielfältig zusammenarbeiten. Um ein Bauprojekt wirtschaftlich umzu -setzen, müssen einerseits die internen Prozesse in den Unternehmen verbessert und andererseits ein Ablauf mit optimierten Schnittstellen eingerichtet werden. Informations- und Kommunikationstechno-logien auf Basis von Standards ermög -lichen medienbruchfreie elektronische Geschäftsprozesse und entsprechende Einsparungspotenziale.

Autor: Günter Blochmann [email protected]

der Bedarf, den Artikelkatalog bereits in der Planung und auch im Facility Management nutzen zu können.

Das Beispiel „Tür“

Die Planung von Bauvorhaben erfolgt meis-tens mittels CAD über die grafische und/oder alphanumerische Darstellung und Beschrei-bung von Bauteilen. So ist „ein neues Dach“, „eine neue Wand“ oder auch „eine neue Tür“ zu planen, zu kalkulieren und auszu führen.

Eine vergleichbare Situation zeigt sich im Facility Management. Die Branche arbeitet ge-genwärtig daran, eine ergebnisorientierte Be-schreibung der Leistungen zu ermöglichen. Dazu verwenden sie Bauteile zur Beschrei-bung von Wartungs- und Instandsetzungs-leistungen. Allerdings ist für die Kalkulation von Angeboten eine Transformation der Bau-teile in die einzelnen Kostenbestandteile wie Dienstleistungen, Materialien und gegebenen falls weitere Kostenarten erforder-lich, wie das teilweise für den Bau bereits um-gesetzt ist.

Das Beispiel „Tür“ zeigt, dass bauteilba-sierte Produktbeschreibungen mit Hilfe neu-traler Bauteile im gesamten Bauablauf benö-tigt werden.

In einer beispielsweise mit einem CAD- oder CAFM- System (Computer Aided Faciliti-ty Management) erstellten Bauzeichnung wird die Tür als Symbol oder Objekt darge-stellt. Im Neutralen Artikelkatalog muss die Tür als Bauteil vollständig beschrieben wer-den. Türblatt, Zarge, Abmessungen, Art der Bänder oder Schloss und Beschlag sind festzu-legen. Dies muss natürlich jeweils mit kon-kreten konstruktiven, kostenrelevanten und der Einbausituation entsprechenden Materia-lien und Eigenschaften der Einzelteile erfol-gen. So wird für eine Feuerschutztür T30 ein Feuerschutzschloss und eine Feuerschutzzar-ge oder auch ein Feuerschutzblockrahmen T30 benötigt.

Über eine derartige Zuordnung von ein-zelnen Produkten/Artikeln zu einem Bauteil kann nicht nur der Bezug zur Planung herge-

>> Damit die Beteiligten in den unterschiedli-chen Phasen – Planung, Bau, Wartung – rei-bungslos miteinander kommunizieren kön-nen, müssen die komplexen „Einzelteile“ eines Bauwerks eindeutig beschrieben sein. Für den Planer ist eine Tür ein Symbol in sei-ner Zeichnung. Für das ausführende Unter-nehmer heißt das, verschiedene Teile für eine Tür einkaufen zu müssen. Der Bauherr muss eventuell aussuchen, wie Türblatt, Griff und Rahmen aussehen sollen. Dieses komplexe Zusammenspiel würde mit Hilfe von EDV leichter zu bewältigen sein.

Durchgängige EDV-Unterstützung über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden ist bisher immer noch eher Vision als Wirklich-keit. Dabei ist unbestritten, dass dies die Wettbewerbschancen von kleinen und mittel ständischen Bauunternehmen und Pla-nungsbüros wesentlich verbessern würde. Kosten und Risiken könnten minimiert und gleichzeitig die Qualität verbessert werden. Auch Bauherren würden durch erhebliche Einsparungen bei den Bau- und Bewirtschaf-tungskosten profitieren.

Neutrale Artikeldaten

Einheitliche und herstellerneutrale Artikel-daten sind ein wichtiges Instrument für die Optimierung der komplexen Prozesse im Bau-wesen. Die herstellerneutrale Beschreibung von Produkten erlaubt den Aufbau einer ge-meinsamen Datenbasis, die in allen Prozessen von allen am Bau Beteiligten in allen Lebens-zyklusphasen eines Gebäudes genutzt wer-den kann. Einen Prototyp dieses „Neutralen Artikelkatalogs“ hat die Firma f:data GmbH im Rahmen eines geförderten BMWi-Projekts erarbeitet. Damit ist die Baubranche für die Anwendung von Datenstandards zur Unter-stützung bauspezifischer Planungs-, Kalkula-tions- und Beschaffungsprozessen sensibili-siert worden. Vor allem kleine und mittelständische Bauunternehmen bestätig-ten, dass ein derartiges Datensystem als ein-heitlicher und für alle nutzbarer Datenstan-dard benötigt wird. Gleichzeitig zeigte sich

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stellt werden, sondern auch die Verbindung zwischen den Bauteilen und den zu beschaf-fenden Produkten.

An dem Türbeispiel wird deutlich, welche Komplexität sich aus der Anwendung des Neutralen Artikelkatalogs in der Planung er-geben kann. Dabei sind neben den dargestell-ten produktspezifischen Zusammenhängen auch noch die bauteilabhängigen Mengen -relationen in den neuen Funktionalitäten für den Artikelkatalog zu berücksichtigen. Als Beispiel sei hier erwähnt, dass für einen Waschtisch ein Ablaufventil mit Geruchsver-schluss und zwei Eckventile benötigt werden. Gezeichnet wird der Waschtisch – zu kal -

kulieren und getrennt zu beschaffen sind je-doch Waschtisch, Ablaufeinzelteile und bei-de Eckventile mit der Armatur.

Entwicklung des Neutralen Artikelkatalogs

Damit künftig bauteilbezogene Artikeldaten genutzt werden können, haben Mitte des Jah-res die Arbeiten an einer prototypischen Lö-sung für einen herstellerneutralen Artikelka-talog in der Bauplanung und im Facility Management begonnen. Die Unternehmen f:data GmbH (Weimar) und Dr. Schiller & Partner GmbH (Dresden) entwickeln die Soft-ware, die RG Bau im RKW hat die Aufgabe

ZUSAMMENFASSUNG

Das Projekt „Ausbau des Neutralen Artikel-katalogs – Prototypische Lösung für die Anwendung von Klassifikationen und Standards in der Bauvorbereitung und im Facility Management“ wird vom BMWi gefördert. Die Rationalisierungs-Gemein-schaft Bauwesen führt projektbegleitend Transfermaßnahmen durch.Ziele des Projekts sind:1. Ausbau des Neutralen Artikelkatalogs

für neutrale Bauteile2. Ausbau des Neutralen Artikelkatalogs

für digitale Gebäudemodelle3. Prototypische Erarbeitung CAD- unabhängiger Bauteile4. Exemplarische Lösung für KMU- Anwendungen des Katalogs in Bau- und-Facility Management

Bestehende Klassifikationen und Stan-dards wie. eCl@ss und GAEB-Datenaus-tausch werden angewendet. Die fachliche Projektbegleitung erfolgt durch einen Ar-beitskreis/Projektbeirat. Für den Ergebnis-transfer werden mit Unterstützung der RG Bau Fachpublikationen, Messen, Kongres-se und Fachveranstaltungen genutzt, bei-spielsweise während der Messen Build IT/Bautec in Berlin im Februar 2008.

Die Grafik stellt branchenspezifisch Datensysteme, Prozesse, Schnittstellen- und Daten -standards dar sowie den Neutralen Artikel katalog als Kern. Sie verdeutlicht das Ziel und den projektgemäßen Lösungsansatz.

Quelle: f:data GmbH

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übernommen, die Projektergebnisse projekt-parallel umzusetzen. So sollen frühzeitig Rückmeldungen von den künftigen Anwen-dern ermöglicht werden, die in die inhaltli-che Weiterentwicklung des Vorhabens ein-fließen. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-nologie.

CAFM-Planung CAD-PlanungArchitektur/Statik

CAD-PlanungSanitär/Heizung/Klima

CAD-PlanungElektro/Beleuchtung

BeschaffungMaterial/Leistungen

LeistungsverzeichnisAusschreibung

GAEBDatenaustauch

GAEBDatenaustauch

IFC- Datenaustauch

IFC-Datenaustauch

Bauprodukten-richtlinie EU/D

Feuerschutz T30

DIN, ENBaunormen

KalkulationKostenberechnung

STLB-BauProduktkat.

NeutralerArtikelkatalog

Neutrale Bauteile

Tür

BIMBauwerks-

modelle

Tür + Zarge + Beschlag + ...

Bauausführung

Feuerschutztür Dekorit T30-1-40

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>> Um als Produktionsstandort wettbewerbs-fähig zu sein, müssen alle Prozesse, Abläufe und jeder Handgriff auf die neuen Anforde-rungen ausgerichtet werden. Die vielen For-men der Verschwendung müssen aufgedeckt und durch intelligentes Organisieren von Ar-beitsabläufen alle Kapazitäten an der jeweils richtigen Stelle eingesetzt werden. Bei Elma als fertigendes Industrieunternehmen ge -hörte dazu die Entwicklung und Umsetzung eines ganzheitlichen Produktionssystems, das sich mit allen Prozessen am Wertstrom orientiert und diesen optimal unterstützt. Ausschlaggebend für die Einführung waren neben Kostendruck das sich ändernde Bestell-

verhalten der Kunden und neue Marktanfor-derungen, die sich in Mischaufträgen mit ge-ringen Stückzahlen bei immer weiter verkürzten Lieferzeiten niederschlugen. „Die Kunden bestellen nicht mehr auf Lager, son-dern genau nach Bedarf. Hierfür erwarten sie kürzeste Lieferzeiten“, so Daniel Sauter, Lei-ter Produktion und Logistik. „Ziel musste des-halb eine Produktion sein, die fließt und sich unmittelbar an die Kundennachfrage anpas-sen kann. Die außerdem Durchlaufzeiten re-duziert, Engpässe beseitigt, vorhandene Kapa-zitäten optimal ausnutzt, teure Bestände niedrig hält und hundertprozentige Liefer-treue erreicht, auch wenn plötzlich große Aufträge kommen.“

Umstrukturierung mit allen Beteiligten

Elma beschloss 2002, die Umstrukturierung der Produktion mit Montage- und Material-flussoptimierung ohne externe Beratung an-zugehen. Das Projektteam besuchte Semina-re, schaute sich nach den Erfolgsrezepten in anderen Firmen um und las gemeinsam Bü-cher japanischer Experten, unter anderem über das „Toyota-Produktionssystem“. „Diese bewusste Entscheidung für einen Weg ohne Beratung hat die Motivation der Mitarbeiter bei der Umsetzung stark erhöht und den Pro-zess der Veränderung deutlich beschleunigt“, unterstreicht Dr. Andreas Klinkenberg, Mit-glied der Geschäftsleitung und des Projekt-teams. „Die Mitarbeiter wurden von Anfang an voll einbezogen, sie sprechen heute von ‚ihrem System‘. Auch wenn sie dem Vorha-ben zu Beginn recht skeptisch gegenüberstan-den: Die bisherige Montage an Einzelarbeits-plätzen sollte in eine Fließfertigung in Montagelinien umgestaltet werden. Zudem sollten die fast ausnahmslos vorhandenen Sitzarbeitsplätze der bisherigen Werkstattfer-tigung durch Steharbeitsplätze in den hoch-flexiblen Linien ersetzt werden.“ Nach dem ersten Workshop zum Aufbau einer neuen Linie, bei dem die Mitarbeiter eingebunden waren, wandelte sich die Sichtweise recht

schnell. „Da die Ergonomie am Arbeitsplatz deutlich besser und der Output an den neuen Linien deutlich höher als an den alten wurde, konnten es die meisten kaum erwarten, in die neue Montageform integriert zu werden“, schildert Daniel Sauter seine Erfahrungen. Förderlich für den Projekterfolg war auch, dass der Betriebsratsvorsitzende von Elma als Leiter der Arbeitsvorbereitung von Anfang an dem Projektteam angehört hat. „Er war über-zeugt, dass dies die richtige Weichenstellung für die Zukunft ist und hat so einen wesentli-chen Beitrag zur Akzeptanz der Änderungen geleistet“, so Daniel Sauter.

Quantensprünge in der Produktivität

Als Hauptwerkzeug zur Umsetzung von Ver-änderungen wurden Workshops genutzt, bei denen im Team mit den betroffenen Mitarbei-tern innerhalb von ein bis drei Tagen neue Lö-sungen für optimierte Abläufe gesucht und dann direkt umgesetzt wurden.

Ziel war ein Produktionsstart der jeweils umgestalteten Linie am Morgen nach dem Workshop auf einem deutlich höheren Pro-duktivitätsniveau als vorher. Die Ergebnisse wurden am Abend des letzten Workshopta-ges von den Mitarbeitern der Geschäftsleitung präsentiert.

Die Workshops entpuppten sich als wah-re Quantensprünge für die Produktivitätsver-besserung. Für die kleinen Schritte zwischen den Workshops hat Elma ein sogenanntes 6S-System zur Verbesserung der Abläufe und von Ordnung und Sauberkeit eingerichtet. Dabei untersucht ein Auditor jeden Monat die Linien und deckt mit den Mitarbeitern weite-re Verbesserungspotenziale auf, die dann bis zum nächsten Audit umgesetzt sein müssen.

Eine sichere Materialversorgung ist Grund -voraussetzung für eine hohe Produktivität. Bei Elma wird das Ziel durch verschiedene Arten von Kanban-Systemen (Kanban ist das japanische Wort für Karte) erreicht. Dadurch wird eine Selbststeuerung bei der Materialver-sorgung, hohe Sicherheit für die Verfügbar-

Produktivitätssprünge durch hochflexibles ProduktionssystemElma hat Werkstattfertigung abgelöst

ABSTRACT

Die Firma Elma Hans Schmidbauer GmbH & Co KG in Singen am Hochrhein, ein in-novatives Familienunternehmen mit 200 Mitarbeitern, hat sich zu einem heimlichen Weltmeister auf dem Gebiet der Ultra-schall-Reinigungstechnologie gemausert und exportiert mittlerweile in rund 70 Län-der. Angestoßen durch radikal geänderte Rahmenbedingungen im globalisierten Wettbewerb, ist bei Elma innerhalb kürzes-ter Zeit der Sprung von einer weitgehend werkstattorientierten Produktion mit ho-hem Steuerungsaufwand zu einem effekti-ven, hochflexiblen Produktionssystem ge-lungen. Und dies ohne externe Beratung bei geringen Kosten. Der Hersteller hoch-moderner Ultraschallreinigungsgeräte be-liefert Unternehmen aus den Bereichen Optik, Elektronik, Halbleitertechnik, Auto-motiv, Medizintechnik und Feinmechanik.

Autor: Dr. Andreas Klinkenberg www.elma-germany.comD

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keit erzielt. Weil das benötigte Material be-reits an den Montagelinien zur Verfügung steht, kann ein neuer Auftrag sofort nach Ein-gang in die Produktion eingesteuert werden.

Die Kanban-Systeme gehen auch direkt zu den Lieferanten. Eine leere Materialbox ist für den Lieferanten der Auftrag, sie innerhalb ei-ner festgelegten Wiederbeschaffungszeit zu füllen und direkt der Montage wieder zur Ver-fügung zu stellen.

One-Piece-Flow

Inzwischen findet bei Elma keine Baugrup-penmontage mehr statt, stattdessen wird der sogenannte „One-Piece-Flow“ von der Vorfer-tigung bis zum Versand realisiert. Ein weite-rer Produktivitätssprung entstand durch die Umstellung auf Auftragsfertigung.

Mit dem gesamten Maßnahmenpaket ist es Elma gelungen, sowohl die Lieferzeiten als auch die Sollvorgabezeiten für die Montage zu halbieren. Die Weichen für weitere Pro-duktivitätssprünge mittelfristig sind bereits gestellt. Dafür, so Dr. Andreas Klinkenberg, sorge bei Elma die enge Verzahnung der Un-ternehmensbereiche Produktion und Ent-wicklung mit dem Ziel einer montagegerech-ten Produktgestaltung. Die Verantwortung dafür liegt bei den Mitarbeitern der Produkti-on, die die Entwürfe aus der Entwicklung un-ter diesem Gesichtspunkt genauestens prüft. Schließlich müssen sie später das Produkt er-folgreich und mitunter über mehrere Jahre produzieren. Im Zuge der Restrukturierung hat das Unternehmen ein erfolgreiches strate-gisches und operatives Forschungs- und Ent-wicklungsmanagement entwickelt, das eben-falls Vorzeigecharakter hat und das Interesse vieler „lernender Firmen“ auf sich zieht.

Daniel Sauter, Leiter Produkti-on und Logistik, und Dr. Andre-as Klinkenberg, Mitglied der Geschäftsleitung

Zweimal jährlich – am TOP-Gastgebertag in Singen – gewährt Elma „lernenden Unternehmen“ Einblick in die neuen Montagelinien. Hier erklärt Produktionsleiter Daniel Sauter (Bildmitte) die Endmontage der Serien-Ultraschallgeräte.

Montagelinie für 70 Varianten im One-Piece-Flow.

Unten: Cockpit-Arbeitsplatz innerhalb einer Montagelinie.

ELMA:

Elma ist als „BestPractice-Unternehmen“ in den Bereichen Produktionslogistik und FuE-Management zweimal im Jahr Gast-geber bei TOP, der BMWi-Initiative Technologieorientiertes Besuchspro-gramm. Unternehmer aus ganz Deutschland kommen nach Singen, um sich über erfolgreiche Lösungsstrategien auszu -tauschen.

www.top-online.deD

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>> 10. Oktober 2007, Mannheim. Es war das dritte Treffen des RKW-Arbeitskreises „Wei-terentwicklung kompetenter Arbeitssysteme – Perspektiven der Gruppenarbeit“. Gastge-ber war Peter Bless, Mitglied des Arbeitskrei-ses und Mitarbeiter des Bereichs Industrial Engineering Services & Organisationsent-wicklung in den John Deere Werken Mann-heim. Auf der Agenda standen der Erfah-rungsaustausch über Kompetenzentwicklung und die Umsetzung des Tarifvertrags über das Entgelt-Rahmenabkommen (ERA-TV) im Zu-sammenhang mit der Gruppenarbeit.

Gruppenarbeit bei John Deere

Erster Programmpunkt war eine Werksfüh-rung. Dabei erfuhren die 20 Teilnehmer, dass die John Deere Werke in Mannheim Deutsch-lands größter Hersteller und Exporteur land-wirtschaftlicher Traktoren sind. Als Nach -folge-Unternehmen des Traktorenwerks der Heinrich Lanz AG setzt John Deere seit 1956 die Tradition des Traktorenbaus am Standort Mannheim fort.

Zu Beginn der 90er Jahre geriet dieser Standort in die Diskussion. Doch die John Dee-re Werke konnten durch die Umstrukturie-rung der Fabrik und die gleichzeitige Einfüh-rung von teilautonomer Gruppenarbeit ihre Produktivität und Qualität und damit ihre in-ternationale Wettbewerbsfähigkeit enorm verbessern. Dies gelang auch durch die Ent-wicklung ganzheitlicher Tätigkeiten in der Montage und die Beteiligung der Mitarbeiter an der Optimierung von Produktionsabläufen (KVP).

Eine konsequente Umsetzung der Grup-penarbeitsidee mit einhergehendem Hierar-chieabbau und einer Konzentration auf Kernkompetenzen in den Montage- und Ferti-gungsbereichen (Getriebefertigung, Rahmen-fertigung, Kabinenproduktion in Bruchsal, Endmontage und Farbgebung sowie die Pro-duktentwicklung) senkte die direkten und indirekten Herstellungskosten. Die Qualität wurde verbessert und die Innovationszyklen wurden deutlich verkürzt.

Bei der Besichtigung der Werkshallen waren die vielen Infotafeln, auf denen die Gruppen ih-re Ziele, Spielregeln und Produkte vorstellten, nicht zu übersehen. Der Werksführer erklärte, dass die Gruppensprecher von der Gruppe ge-wählt werden und verantwortlich für die Selbstorganisation wie beispielsweise Schicht- oder Urlaubsplanung sind. Die traditionelle Funktion des Meisters gibt es nicht mehr.

Kompetenzentwicklung – das Lerninsel-Konzept bei John Deere

Im engen Zusammenhang damit stand auch die letzte Station der Werksführung. Etwas abgelegen von den übrigen Werkshallen liegt die „Lerninsel Montage“, kurz: LIMO. Entstan-den ist die LIMO Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der Umstrukturierung und der Ein-führung von Gruppenarbeit.

Der verantwortliche Trainer Peter Zankl erklärte den Besuchern das Konzept: Sechs Mitarbeiter unterschiedlichster Bereiche und Hierarchieebenen des Unternehmens bauen dort innerhalb von 15 Tagen gemeinsam ei-nen Traktor. Sie bekommen außer einer gro-ben Einführung keinerlei Anleitung, sondern müssen sich aus verschiedenen Quellen selbst über die notwendigen Arbeitsschritte infor-mieren. Das bedeutet, sie befragen Kollegen aus einzelnen Produktionsmodulen oder re-cherchieren in Datenbanken. Für jeden dieser Traktoren gibt es einen realen Auftrag. Stellt die Gruppe einen sogenannten „0-Fehler-Traktor“ her, darf sie bei der Auslieferung an den Kunden dabei sein. Damit der Effekt der Maßnahme im Alltag nicht gleich wieder „verpufft“, arbeiten die Teilnehmer der LIMO innerhalb der nächsten 90 Tage an einem ei-genen KVP-Projekt.

Ziel der Lerninsel ist es nicht, einen Trak-tor herzustellen, sondern Gruppenarbeit zu trainieren. Im Vordergrund stehen laut Peter Zankl

Q die Entwicklung von Fach- und Methoden-kompetenzen sowie Sozial- und Persönlich-keitskompetenzen

Perspektiven der Gruppenarbeit werden vor Ort erlebbarRKW-Arbeitskreis zu Gast bei John Deere in Mannheim

ABSTRACT

Zum dritten Mal traf sich der Arbeitskreis „Weiterentwicklung kompetenter Arbeits-systeme – Perspektiven der Gruppenar-beit“ zum Erfahrungsaustausch. Gastgeber war diesmal die deutsche Unternehmens-zentrale des US-amerikanischen Landma-schinenherstellers John Deere in Mann-heim. Im Arbeitskreis sind sowohl namhafte, international agierende Unter-nehmen vertreten wie John Deere & Com-pany als auch mittelständische Familien-unternehmen aus den Branchen Metallverarbeitung, Fahrzeugbau, Zuliefer-industrie und Chemische Industrie. Die Treffen sind ein Diskussionsforum über die aktuellen Herausforderungen der Arbeits-gestaltung und -organisation sowie die Weiterentwicklung kompetenter Arbeits-systeme, insbesondere hinsichtlich der Gruppenarbeit.

Autoren Kathrin Tetzel [email protected]

Verantwortlich für den Arbeitskreis: Jörg Hentrich [email protected]

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Q die Vermittlung relevanter Leitbilder und Unternehmensvisionen sowie

Q der Transfer der Erfahrungen in die tägliche Arbeit.

Zur Werksführung baute die 111. Gruppe in der LIMO an ihrem Traktor. Dieser Tag war für die Gruppe auch der Tag der Übergabe des Traktors an die Qualitätskontrolle, die darü-ber entschied, ob Nacharbeiten notwendig sind oder die Gruppe bei der Übergabe an den Kunden dabei sein wird.

Entlohnungsgestaltung – Implementierung des ERA-TV

Das Thema Entlohnungsgestaltung stand als nächster Punkt auf der Tagesordnung. Es wur-de bereits bei den letzten Treffen kontrovers diskutiert. Während auf der einen Seite Prä-mienentlohnung als wichtige Grundlage und zentrale Stellschraube für die Weiterentwick-lung von Gruppenarbeit betrachtet wurde, sah man auf der anderen Seite den Zeitlohn als die geeignete Entlohnungsform an. Dabei können Gruppenprämiensysteme kontrapro-duktiv sein, da sie unter Umständen weniger Leistungsfähige ausgrenzen.

Eine wichtige Herausforderung aus der Sicht des Expertenkreises in diesem Zusam-menhang war die Umsetzung des Tarifvertrags über das Entgelt-Rahmenabkommen (ERA-TV). Den Impuls gab Rüdiger Schwind, Mit-glied des RKW-Fachbeirats „Mensch und Ar-beit“ und Leiter Industrial Engineering Services & Organisationsentwicklung bei John Deere in Mannheim. Er berichtete über die Er-fahrungen mit der Einführung des ERA-TV im eigenen Hause.

Die grundlegende Erkenntnis war: Die Umsetzung des ERA-TV ist keine Umstellung, sondern ein Neuanfang mit neuen Herausfor-derungen. Insbesondere folgende Empfeh-lungen konnten Rüdiger Schwind und seine Kollegen geben:

Q Offene und konsistente Kommunikation mit allen Betroffenen

Q Frühzeitige Einbeziehung des Betriebsrats, Einplanung von Schulung und Qualifikation

Q Direkte Einbindung der ersten Führungs-ebene in den Veränderungsprozess

Q Bildung eines Projektteams (spätestens ab einer Betriebsgröße von mehr als 400 Mitar-beitern)

Q Zentrale Organisation der Implementie-rung, bei mehreren Standorten

Q Paritätische Kommission ist sinnvoll, Festle-gung von Vorgehensweise und Regeln

Q Abschluss von Betriebsvereinbarungen, wo sinnvoll

Q Frühzeitiges Überdenken bestehender Re-gelungen: Fortschreibung, Überarbeitung oder Neuregelung?

Q Sensible Behandlung von Funktionsbe-zeichnungen, da sie Einfluss auf die wahrge-nommene Wertschätzung haben

Q Beachtung von Schnittstellen und Abhän-gigkeiten, bspw. mit der EDV- oder Personal-abteilung

Q Belastungsregelungen erfordern hohe Auf-merksamkeit und Einverständnis

Q Beachtung und aktive Mitgestaltung von Standortpolitik, Aufbau von Vertrauen

Die Teilnehmer des Treffens (v. l. n. r): Carsten Böker, Carl Zeiss MicroImaging GmbH; Judith Hennemann, Continental Teves; Jana Schmucker, emz-Hanauer GmbH & Co. KGaA; Peter Böckl, emz-Hanauer GmbH & Co. KgaA; Marcus Breede, Continental Teves; Matthias Wächter, ZF Sachs AG; Christiane Braun, Karl Mayer Textilmaschinenfabrik GmbH; Kurt Dittrich, E. + H. Wetzer GmbH u. Co. KG; Nina Feller, ZF Sachs AG; Dr. Ernst Bartels, ZF Sachs AG; Siegfried Baier, Ing.-Büro Baier; Michael Matern, Vorwerk Elektrowerke GmbH & Co. KG; Jörg Hentrich , RKW Kompetenzzentrum; Thomas Hardwig, THR consult; Holger Möhwald, Möhwald Unternehmensberatung; Sigurd Jönsson, Evonik Industries AG; Reiner Wiese; Athmer oHG; Peter Bless, John Deere Werke; Peter Moldenhauer, Dorma GmbH; Christina Wippermann, John Deere Werke; Peter Zankl, John Deere Werke.

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In der Diskussion wurde klar, dass – auch und besonders bei der Einführung des ERA-TV – Überlegungen zu einer zentralen Frage notwendig sind.

Welche Kriterien für die Qualität von Gruppenarbeit gibt es und wie kann man die-se messen? Dieser Frage wird sich der RKW-Arbeitskreis bei seinem nächsten Treffen im April 2008 annehmen.

Welche Vorteile bietet Gruppenarbeit?

Gruppenarbeit gilt seit einem halben Jahr-hundert als ein Organisationskonzept mit großem Rationalisierungs- und Humanisie-rungspotenzial. Eine breitere Aufmerksam-keit erhielt sie allerdings erst mit den Erfol-gen japanischer Produktionskonzepte zu Beginn der neunziger Jahre. Die Auseinander-setzung mit „Lean Production“ führte in zahl-reichen Unternehmen zum Paradigmen-wechsel von der „menschenleeren Fabrik“ zum „Mitarbeiter im Mittelpunkt“. Gruppen-arbeit schien nicht nur die angemessene Form für schlanke und flexible Produktions-prozesse zu sein, sondern entsprach auch der Forderung der Arbeitswissenschaft nach einer menschengerechten Arbeitsgestaltung.

Ist Gruppenarbeit also das Patentrezept für eine flexible, hoch produktive und menschen-gerechte Arbeit? In jüngster Zeit sind hierzu

von verschiedenen Seiten Zweifel geäußert worden. So wird beispielsweise die Wirtschaft-lichkeit der Selbststeuerung von Arbeitsgrup-pen sowie der Integration von Produktions- und Planungsaufgaben wieder in Frage ge-stellt. Arbeitswissenschaftliche Untersuchun-gen kommen zu dem Ergebnis, dass die mit Gruppenarbeit verbundene Verantwortung und Koordinationsleistung von den Beschäf-tigten als hohe Belastung empfunden werden.

Gruppenarbeit ist ein hochaktuelles und sehr produktives Arbeitsmodell – darüber sind sich die Praktiker einig. Durch Gruppen-arbeit sind Ausschuss und Nacharbeit um bis zu 80 Prozent gesunken. Verbesserungsvor-schläge (insbesondere von Gruppen) haben signifikant zugenommen. Motivation und Ar-beitssicherheit sind gestiegen. Der Return on Investment (ROI) von Gruppenarbeit liegt bei etwa 1,3 Jahren. Gruppenarbeit ist allerdings auch sehr dynamisch und unternehmensspe-zifisch, das heißt sie erfordert eine ständige Weiterentwicklung und es gibt keinen Kö-nigsweg für ihre Gestaltung. Dies wird als ei-ne wichtige Voraussetzung dafür gesehen, im welt weiten Wettbewerb weiterhin erfolg-reich produzieren zu können. Ein Mitglied des Arbeitskreises fasste zusammen: „Grup-penarbeit ist sicherlich die produktivste Form der Arbeitsorganisation, aber auch die pflege-bedürftigste.“

ÜBER DEN GASTGEBER

John Deere & Company betreibt mit über 47.000 Mitarbeitern Werke in 11 Ländern und verkauft seine Produkte in über 160 Ländern. Die Produktpalette des Unterneh-mens umfasst sowohl landtechnische Pro-dukte als auch Baumaschinen, Forstma-schinen und Kommunaltechnik sowie Maschinen für die Rasen-, Grundstücks- und Golfplatzpflege. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Finanzdienstleistungen an. In der Bundesrepublik beschäftigt John Deere rund 5.300 Mitarbeiter an den Standorten Mannheim, Bruchsal und Zwei-brücken.

Die Werke in Mannheim sind die zweitgröß-te Fabrik des Unternehmens überhaupt und der größte Produktionsstandort außerhalb der USA. Auf einer Fläche von 46 Hektar arbeiten derzeit rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Produziert werden Trakto-ren von 72 PS bis 160 PS Motorleistung mit Ausstattungsvarianten für die unterschied-lichsten Einsätze in der Landwirtschaft, aber auch im Forst- und Kommunalbereich. Auf dem deutschen Traktorenmarkt liegt John Deere mit einem Anteil von mehr als 20 Prozent derzeit an der Spitze.

HEADLINE

Die Ergebnisse des RKW-Arbeitskreises werden unter anderem in Form von Faktenblättern festgehalten.

Aktuelle Themen: Q Wirtschaftlichkeit von Gruppenarbeit Q Einbettung von Gruppenarbeit Q Der Gruppensprecher Q Gruppenentwicklung

Kostenloser Download und weitere Informationen: www.rkw.de > RKW Kompetenzzentrum

> Themen / Projekte > Arbeitsgestaltung > AK „Gruppenarbeit“

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>> Gastgeberin der Jahressitzung 2007 war Bundesforschungsministerin Annette Scha-van. Sehr aktuell war das Thema, denn einen Tag zuvor hatte sie auf dem Innovati-onskongress eine erste Bilanz der Hightech-Strategie gezogen: „Das Innovationsklima in Deutschland hat sich nachhaltig verbessert. Die Hightech-Strategie wird in der deut-schen Wirtschaft als Aufbruchsignal wahr-genommen.“ Nach einer aktuellen Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschafts-forschung (ZEW) ist für 37 Prozent der Unternehmen Forschung und Innovation heute wichtiger sind als noch vor einem Jahr. Mit einem Zuwachs von 7,5 Prozent werden die Investitionen in Forschung und Entwicklung im laufenden Jahr laut ZEW stärker zunehmen als bisher angenom-men.

Mittelstand profitiert von High-Tech-Strategie

Susanna Schmidt, Leiterin der Abteilung Strategie und Grundsatzfragen im BMBF, die die kurzfristig verhinderte Ministern bei der Kuratoriumssitzung vertrat, hob das Engage-ment des Hauses für die kleinen und mittle-ren Unternehmen hervor. Mehr als ein Drit-tel der Fördermittel für Forschung und Entwicklung (FuE), die das BMBF an die Wirt-schaft vergeben hat, gingen an mittelständi-sche Unternehmen. Sie erläuterte die erst jüngst gestarteten Maßnahmen des BMBF wie die Förderinitiative KMU innovativ. Mit dem stark vereinfachten Antragsverfahren dieser Förderinitiative habe man auf die von KMU-Seite immer wieder genannten Monita reagiert. Dennoch müsste sich die Politik im-mer wieder fragen, wie denn die Bedingun-gen für das Gelingen von Innovationen im Mittelstand noch zu verbessern seien. Neben dem Fachkräftemangel nannte sie auch die finanziellen Rahmenbedingungen wie bei-spielsweise die steuerliche FuE-Förderung. Derzeit würden in einer interministeriellen Arbeitsgruppe hier entsprechende Modelle auf dem Hintergrund der wachsenden inter-

nationalen Konkurrenz geprüft. Sie ermun-terte die Kuratoriumsmitglieder zu Anre-gungen und Stellungnahmen dazu.

Christiane Krajewski, frühere Finanz -ministerin im Saarland und in Berlin, gab zu bedenken, dass es für den Staat auf der Aus-gabenseite egal sei, ob er steuerlich subven-tioniere oder über eine direkte Förderung. Letzteres sei aber transparenter und auch zielgerichteter. Ludwig Baumgarten, Vor-standsmitglied des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt, erinnerte daran, dass Innovationsvorhaben von Mittelständlern scheiterten, weil sie oft die in den Förderpro-grammen geforderten Eigenanteile nicht aufbringen könnten. Hans-Christoph Noack von Frankfurter Allgemeine Zeitung be-fürchtete vor allem Mitnahmeeffekte. Die Unternehmen würden Innovationen doch nur dann anstoßen, wenn sie sich davon einen Nutzen versprechen. Susanna Schmidt betonte noch einmal das Ziel einer mög -lichen steuerlichen FuE-Förderung: 21 OECD-Staaten hätten dieses Instrument be-reits, zusätzlich zu der „ordentlichen Pro-jektförderung“. Daher bestünde die Gefahr, dass Unternehmen ihre FuE-Abteilungen in entsprechende Länder verlagerten. Dieses sollte verhindert werden.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deut-schen Bank, Clemens Börsig, bezweifelte die Hypothese. Bei einer steuerlichen Förderung sei ordnungspolitisch zu klären: verfahre nach dem Gießkannenprinzip oder setze man Schwerpunkte. Wer setzt dann die Schwerpunkte, fragte er. Es gehe um die Rahmenbedingungen, unter denen in den Unternehmen Innovationen entstünden. Die Kosten, der Personalmangel und lang-wierige Genehmigungsverfahren seien die Hürden.

Fachkräftemangel führt zu Wertschöpfungsverlust

Eckhard Franz, Leiter der Abteilung Mittel-standspolitik im Bundeswirtschaftsministeri-um, erinnerte daran, dass sich die Innovati-

Innovationsmotor Mittelstand

ABSTRACT

Vor dem Kreis des RKW-Kuratoriums die hohe Bedeutung des Mittelstands für die Innovationsfähigkeit in Deutschland zu betonen, bedeute Eulen nach Athen zu tragen, so einer der Teilnehmer an der Jahrssitzung im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Diskussion konzentrierte sich daher auf die Inno- vationspolitik für kleine und mittlere Unter-nehmen.

Autorin: Ulrike Heitzer-Priem [email protected]

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onsförderung in den letzten Jahren stark verändert habe. Sie sei technologieoffen, und mit dem HighTech Gründerfond und ERP Innovationsdarlehn gäbe es auch das notwen-dige Wagniskapital. Den Personalengpass musste er zugestehen. Nach einer vom BMWi in Auftrag gegebenen Studie konnten im letz-ten Jahr 165.000 gar nicht und 64.000 Stellen erst verzögert besetzt werden. Besonders gravierend waren die Engpässe bei Mathema-tik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Daraus hat das Institut der deut-schen Wirtschaft in der Studie einen Wert-schöpfungsverlust von rund 18,5 Mrd. Euro errechnet - das entspricht 0,8 Prozent des BIP.

Und der eigentliche Engpass bei den Fachkräf-ten käme erst in einigen Jahren, so Eckhard Franz.

Sehr rasch war die Diskussion dann beim zentralen Thema Qualifizierung. Die beiden Professoren Günter Spur und Wolfgang Maß-berg warfen einen kritischen Blick auf die Umstellung der Diplom- auf Bachelor/Master-Studiengänge. Susanna Schmidt erläuterte, dass man die Auswirkungen dieser Umstel-lung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beur-teilen könnte. Wichtig war allen dreien, die Abbrecherquoten in den naturwissenschaftli-chen und technischen Studiengängen deut-lich zu senken.

Reinhard Dombre vom DGB-Bundesvorstand wies darauf hin, dass auch unterhalb der akademischen Ausbildung die qualifizierten Facharbeiter fehlten. Hans-Jörg Bullinger er-gänzte, der Begriff „Facharbeiter“ habe für viele junge Leute keinen guten Klang. Die Verbindung der betriebliche Ausbildung mit dem Studium an einer Berufsakademie sei ei-ne gute Alternative. Der Ingenieurmangel sei schon drastisch, unerklärlich der geringe Frauenanteil in diesen Disziplinen. Hier sei noch viel zu tun.

Gerade hier, so Susanna Schmidt, setze die nationale Qualifizierungsinitiative an, die die Bundesregierung in den nächsten Wo-

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chen starten wird. Dabei werde das gesamte Bildungssystem in den Blick genommen von der frühkindlichen Bildung über die Ausbil-dung bis hin zur Weiterbildung. Dabei gehe es auch darum, mehr Durchlässigkeit im Bil-dungssystem herzustellen.

Kundennähe und Kooperation

Im zweiten Teil der Kuratoriumssitzung richteten die beiden Referenten Clemens Börsig und Harald Schartau den Blick wieder stärker auf die Unternehmen selber. Börsig verglich die den deutschen Mittelstand mit dem französischen. So seien 60 Prozent der deutschen Unternehmen mit 10 bis 49 Be-schäftigten innovativ, aber nur 27 Prozent der französischen. Und obwohl nur 8 Pro-zent der Mittelständler angeben, kontinuier-liche FuE zu betreiben, kommen rund 20 Prozent der Patentanmeldungen von ihnen. Nirgendwo sei der Mittelstand so ein wichti-ger Innovationstreiber wie in Deutschland. Häufig entwickelt er seine Innovationen in Kooperation. Börsig nannte das Beispiel der Automobilzulieferer, die „Co-Innovatoren“ seien. Nur weil sie so leistungsfähig und in-novativ seien, hätten die großen Hersteller ihre Fertigungstiefe verringern können. Drei Trends hat Börsig identifiziert, die Mittel-ständler zu noch mehr kooperativen Innova-tionen zwingen werden:1. Erfolgreiche Produkte entstehen immer häufiger aus der Kombination verschiedener Disziplinen.2. Die Produktzyklen werden immer kürzer.3. Die Entwicklungskosten steigen rapide und müssen auf mehrere Schultern verteilt wer-den.

Harald Schartau, früherer Wirtschaftsmi-nister in Nordrhein-Westfalen, schloss daran an, dass Marktnähe das eigentliche Labor für Innovationen im Mittelstand sei. Auch gehe es nicht nur um die Technik, sondern meistens um Weiterentwicklung in den Bereichen Um-welt, Logistik, bei den Werkstoffen, ergänzen-den Dienstleistungen oder besserer Verfügbar-keit. Auch er plädierte für Kooperationen.

Unternehmen könnten beispielsweise mit re-gionalen Hochschulen auch Personal austau-schen. Effektiver als punktuelle Kooperatio-nen sei die tagtägliche Vernetzung. Eine wichtige Rolle spielen Hochschulen und Un-ternehmen auch dabei, Kinder und Jugendli-che für Technik zu begeistern. Er wünscht sich feste Patenschaften zwischen Schulen und Unternehmen. „Wenn die Ausbildung das A sei, so sei die permanente Qualifizierung das O“, sagte Schartau. Ausbildung müsse sich an-passen an die kleiner werdenden Unterneh-men. Der Begriff „Abschlussprüfung“ vermitt-le einen falschen Eindruck, der Zwang zu Innovationen verbiete Qualifikationsverluste.

Die Innovationsförderung sollte nach seiner Meinung schwerpunktmäßig günstige Struk-turen und Kooperationen fördern.

In der abschließenden Diskussion be-stärkten die Redner noch einmal, wie ent-scheidend die Qualifizierung für die Innovati-onsfähigkeit ist. Innovationen entstünden immer häufiger an den Rändern der traditio-nellen Wissensgebiete, auch darauf müsse sich die Innovationsförderung und Hoch-schulausbildung einstellen. Das Schlusswort kam von Professor Bullinger: Wenn man im-mer nur in den Fußstapfen des Besten hinter-herlaufe, könne man nicht überholen. Aber genau das sei die Aufgabe.

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