Einleitung
islang fehlten für Nordrhein-Westfalen (NRW) jähr- liche
Bestandsübersichten zu den seltenen Brutvo- gelarten und
Koloniebrütern. Teilweise waren sie in den Sammelberichten
enthalten, mussten dort aber bei den einzelnen Arten gesucht werden
(z. B. Team Sammelbericht 2014). Deshalb starten wir nun den
Versuch die Daten nach niederländischem Vorbild (Boele et al. 2015)
in übersichtlicherer Form zusam- menzustellen. Die Anzahl der
behandelten Arten beläuft sich auf 55, ist aber sicherlich noch
steige- rungsfähig.
Methode
Datenzusammenstellungen zu einzelnen Arten auf Landesebene wurden
von folgenden Personen bzw. Arbeitsgemeinschaften durchgeführt:
Joop Treep, Dr. Dietmar Ikemeyer (Flamingos), Prof. Dr. Wil- fried
Stichmann, Michael M. Jöbges & Bettina Fels (Graureiher),
Michael M. Jöbges, Michael Tillmann & Dr. Rolf Bense für die AG
Weißstorch, Hubertus Illner für die ABU (Wiesenweihe), Hubertus
Illner, Thomas Laumeier & Ingobert Rex (Rohrweihe), Jens Brune
für AG Greifvögel (Schwarzmilan), Stephanie Krüßmann, Michael
Kladny, Peter Weg- ner & Thorsten Thomas für NABU LAG Wander-
falke (Wanderfalke), Stefan Bulk, Ernst-Günther Bulk & Michael
M. Jöbges (Kranich), AG Wiesen- vogelschutz der Biologischen
Stationen NRW (Gro- ßer Brachvogel, Uferschnepfe, Rotschenkel,
Bekas- sine), Alfons Pennekamp, Dr. Dietmar Ikemeyer & Armin
Deutsch (Lachmöwe, Schwarzkopfmöwe), Achim Vossmeyer
(Trauerseeschwalbe), Barbara C. Meyer & Stefan R. Sudmann
(Flussseeschwalbe), Tobias Krause (Halsbandsittich, Alexandersit-
tich), Robert Tüllinghoff (Sumpfohreule), Stefan Brücher &
Michael M. Jöbges für EGE (Uhu), Siggi Franke & Andreas
Kämpfer-Lauenstein für AG Eulen (Steinkauz), Michael Kuhn, Michael
M.
Seltene Brutvögel und Koloniebrüter in Nordrhein-Westfalen
2014
Michael M. Jöbges & Stefan R. Sudmann
Zusammenfassung Für 55 in Nordrhein-Westfalen seltene
Brutvogelarten bzw. Koloniebrüter wird der Brutbestand im Jahre
2014 angegeben und mit den Daten aus der Kartierzeit für den
landesweiten Brutvogelatlas (2005-2009) verglichen. Für einige
Arten wird die aktuelle Bestandssituation kurz kommentiert.
Summary Rare and colonial breeding birds in North-Rhine –
Westphalia 2014 For 55 rare and colonial breeding birds in
North-Rhine – Westphalia, the number of breeding pairs in 2014 is
presented and compared to the data from the breeding bird atlas
2005-2009, accompanied by additional comments on the breeding
occurrence of some of the species.
Michael M. Jöbges, Landesamt für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz NRW, Leibnizstraße 10, D-46658 Recklinghausen;
[email protected] Stefan R. Sudmann, Eickestall 5,
D-47559 Kranenburg;
[email protected] Abgeschlossen am
4.4.2017
125M.M. Jöbges & s.R. sudMann: Seltene Brutvögel und
Koloniebrüter in NRW 2014
Jöbges & Stefani Pleines (Bienenfresser), Manfred Scholz
(Saatkrähe), Biologische Station Rieselfelder Münster (u. a.
Kolbenente, Bartmeise, Rohrschwirl, Zwergsommel).
Ergebnis
Die Ergebnisse sind in Tab. 1 zusammengestellt, wobei zum Vergleich
die Bestandsgrößen aus dem Brutvogelatlas NRW für die Jahre
2005-2009 (Grü- neberg & Sudmann et al. 2013) angegeben werden.
Einige Arten werden nachfolgend kurz kommentiert.
Schwäne bis Störche Die Schneegans brütet weiterhin ausschließlich
auf einer Insel in einem Neusser Parkgewässer (Jröne Meerke). Dort
wurden 2014 alle Eier auf behörd- liche Anordnung eingesammelt, so
dass es keinen Bruterfolg gab (Team Sammelbericht 2015). Bei der
Rotschulterente gab es eine erfolgreiche Brut im bekannten
Brutgebiet Rombergpark in Dortmund (Team Sammelbericht 2015). Mit
der insgesamt erst dritten dokumentierten Gänsesägerbrut in NRW
(AviKom 2015) scheint sich die Art zu etablieren. Für zwei weitere
Paare bestand in gleichen Raum (Ruhr-Lenne) Brutverdacht. Die
Brutpaarzahlen bei den Flamingos lassen sich wegen der Mischpaare
nicht exakt bestimmen. Ende April/Anfang Mai wurden 16 Nester
gebaut. Insgesamt wurden neun Küken beobachtet, die alle ausflogen
(Treep 2015). Die Zunahme des Kormorans in NRW steht in
Zusammenhang mit der Bestandszunahme der euro- päischen Population,
welche nach Beendigung der
starken Verfolgung der Art einsetzte und als Anpas- sung der
Bestände an die derzeitig herrschenden günstigen Umweltbedingungen
für diese Art zu bewerten ist. 2014 konnten konkret 1.185 besetzte
Kormoran-Nester gezählt werden, womit ein neuer Maximalbestand
erreicht wurde (Jöbges & Herken- rath 2017). 2014 konnte eine
erfolgreiche Brut der Zwergdom- mel im EU-Vogelschutzgebiet
Rieselfelder Müns- ter nachgewiesen werden. Leider wurde eine tote
diesjährige Zwergdommel am Straßenrand im VSG gefunden (Abb. 1;
Feldmann & Klein 2014). Für den Nachtreiher (Nycticorax
nycticorax) bestand erstmals in NRW starker Brutverdacht (AviKom
2015). Der erste Brutnachweis für diese Art steht jedoch noch aus.
In den letzten Jahren ist beim Graureiher ein Trend von
Großkolonien zur Gründung kleinerer Kolonien festzustellen. Dadurch
ist die Art in der Lage lan- desweit alle gewässer- und
nahrungsreichen Natur- räume zu besiedeln. Die Bildung von
Kleinstkolo- nie, vor allem in Fichten, erschwert die Erfassung.
Insgesamt deutet sich eine leichte Bestandsabnahme gegenüber dem
Atlaszeitraum an. Gefährdungen der Kolonien betstehen durch
Holzeinschlag an den Koloniestandorten. Zudem liegen erste Hinweise
auf Prädation durch Uhu und Waschbären (Procyon lotor) vor. Die
Verbreitung des Schwarzstorchs konzentriert sich immer noch auf die
Mittelgebirgslagen. Außer einem Brutpaar auf dem Truppenübungsplatz
Senne sind keine weitere Brutvorkommen im Tiefland
Abb. 1: Zwergdommel, Totfund, Rieselfelder Münster, MS, 16.8.2014 –
Little Bittern. © Andreas Leistikov.
126 Charadrius 51, Heft 3-4, 2015 (2017)
Vogelart 2005-2009 2014 erfasst 2014 geschätzt Trend Schwarzschwan
Cygnus atratus 5-10 4 4-10 = Weißwangengans Branta leucopsis 50-90
50 60-90 = Schneegans Anser caerulescens 5-8 3 3-4 =
Rotschulterente Callonetta leucophrys 0-3 1 1 = Kolbenente Netta
rufina 0-2 3 3-4 (+) Gänsesäger Mergus merganser 0 1-3 1-3 (+)
Truthuhn Meleagris gallopavo ? 1 5 W = Rosaflamingo Phoenicopterus
roseus 2-3 ~2 ~2 = Chile-Flamingo Phoenicopterus chilensis 5-8 ~5
~5 = Schwarzhalstaucher Podiceps nigricollis 5-8 6 6-7 = Kormoran
Phalacrocorax carbo 843-1.010 1.185 1.185 = Zwergdommel Ixobrychus
minutus 0-1 1 1 = Graureiher Ardea cinerea 2.200-2.700 2.000 2.200
? Schwarzstorch Ciconia nigra 90 100 120 ? Weißstorch Ciconia
ciconia 54 160 160 + Kornweihe Circus cyaneus 0-1 0 0 uB
Wiesenweihe Circus pygargus 18-35 29 29-32 (-) Schwarzmilan Milvus
migrans 50-80 60 60-100 + Wanderfalke Falco peregrinus 132 211 211
+ Kranich Grus grus 0-2 5 11 + Wachtelkönig Crex crex 50-150 30
30-50 - Tüpfelsumpfhuhn Porzana porzana 5-10 2 2-3 - Stelzenläufer
Himantopus himantopus 0-1 0 0 uB Großer Brachvogel Numenius arquata
630-680 703 703 = Uferschnepfe Limosa limosa 220-250 177 177 -
Bekassine Gallinago gallinago 66-86 33 33 - Rotschenkel Tringa
totanus 47-76 49 49 - Lachmöwe Larus ridibundus 4.000-6.000 6.000
6.000 + Schwarzkopfmöwe Larus melanocephalus 14 15 15-20 +
Mittelmeermöwe Larus michahellis 10-30 10 10-30 + Heringsmöwe Larus
fuscus 30-60 100 100-130 + Trauerseeschwalbe Chlidonias niger 40-62
45 45 = Flussseeschwalbe Sterna hirundo 120-166 154 154-177 (+)
Alexandersittich Psittacula eupatria 10-15 40 + Halsbandsittich
Psittacula krameri 850-1.100 1.100 = Sumpfohreule Asio flammeus 0-2
2 2 uB Uhu Bubo bubo 250-300 500 500-550 + Ziegenmelker Caprimulgus
europaeus 250-300 200 200-220 (-) Bienenfresser Merops apiaster
3-12 2 2 - Wendehals Jynx torquilla 15-20 10 10-15 = Raubwürger
Lanius excubitor 30-50 15 15-25 - Saatkrähe Corvus frugilegus
9.500-12.000 12.991 12.991 = Beutelmeise Remiz pendulinus 30-50 5
5-15 - Bartmeise Panurus biarmicus 2-3 4 4 =
Tab. 1: Brutbestandsübersicht zu seltenen Arten und Koloniebrütern
in Nordrhein-Westfalen für 2014 im Vergleich zum Atlaszeitraum
2005-2009 (Grüneberg & Sudmann et al. 2013). die Spalte
„erfasst“ gibt die Anzahl der nachgewiesenen, die Spalte
„geschätzt“ der hochgerechneten Brutpaarzahlen wieder; der Trend
die Veränderung gegenüber 2009-2014 (= stabil, (+) leichte Zunahme,
+ Zunahme, (-) leichte Abnahme, - Abnahme, ? unsicher, uB
unregelmäßig auftretende Brutvogelart. – Number of breeding pairs
of rare and colonial breeding birds in North-Rhine – Westphalia in
2014, compared to the atlas data from 2005-2009; data for 2014
counted and estimated and trend from 2005-2009 to 2014.
127M.M. Jöbges & s.R. sudMann: Seltene Brutvögel und
Koloniebrüter in NRW 2014
Vogelart 2005-2009 2014 erfasst 2014 geschätzt Trend Rohrschwirl
Locustella luscinioides 1-5 1 1-2 = Schilfrohrsänger Acrocephalus
schoenobaenus 0-3 10 10-15 + Drosselrohrsänger Acrocephalus
arundinaceus 2-5 4 4-7 = Orpheusspötter Hippolais polyglotta 0-7 10
10-20 + Ringdrossel Turdus torquatus 0-1 0 0 uB Braunkehlchen
Saxicola rubetra 200-250 180 180-200 - Blaukehlchen Luscinia
svecica 80-120 140 150-170 = Steinschmätzer Oenanthe oenanthe 10-20
10 10-15 - Grauammer Emberiza calandra 300-400 150 150-200 -
Zaunammer Emberiza cirlus 0-2 1 1 uB Zippammer Emberiza cia 15-20 5
5-7 (-)
dokumentiert. Die Zusammenstellung des landes- weiten Brutbestand
wird immer schwieriger, da aus Schutzgründen von den
Fortverwaltungen und Revierbeamten sowie ehrenamtlichen
Horstbetreu- ern keine Angaben mehr zu Brutplätzen weiterge- geben
werden. Zudem erschweren die Aufgabe von Horsten und Umsiedlungen
innerhalb der Reviere, die großräumige Aktionsradien adulter Tiere
und das Umherstreifen von Nichtbrütern die exakte Bestand-
serfassung. Insgesamt scheint sich der Brutbestand zu
stabilisieren. Dagegen wird der Brutbestand vom Weißstorch von der
AG Weißstörche in der NWO exakt erfasst. Er zeigt weiterhin eine
positive Entwicklung und betrug nun 160 Horstpaare. Die
Verbesserung der Auenlebensräume, der Feuchtwiesenschutzgebiete
sowie das Aufstellen von Nistplattformen korrelie- ren positiv mit
der Bestandszunahme.
Greifvögel bis Rallen Das Schwerpunktvorkommen der Wiesenweihe
befindet sich in der Hellwegbörde, Haarstrang und Paderborner
Hochfläche. Daneben existieren spora- dische Vorkommen in der
Kölner Bucht, Warburger Börde und im Kreis Minden-Lübbecke. Nahezu
alle Bruten finden in Getreideschlägen in der offenen
Agrarlandschaft statt, wobei der aktuelle Bestand ohne
Nestschutzmaßnahmen und ökologische Auf- wertung der Agrarflächen
nicht gehalten werden kann (Illner 2014). Im Jahre 2014 konnten
landes- weit 32 Brutpaare der Wiesenweihe nachgewiesen werden,
davon 29 Paare in der Hellwegbörde ein- schließlich Paderborner
Hochfläche und Marsberg Meerhof. Weitere Paare brüteten in den
Kreisen Minden-Lübbecke und Euskirchen (Illner 2015). Die aktuelle
Hauptverbreitung der Rohrweihe kon- zentriert sich auf die
Westfälische Bucht mit Schwer- punktvorkommen in der Hellwegbörde,
in der Lip-
peniederung Soest und Warendorf sowie auf das öst- liche
Münsterland. Hohe Siedlungsdichten erreicht der Kreis Warendorf mit
nahezu 100 Brutpaaren bzw. Revieren (Illner 2013; I. Rex, Kreis
Waren- dorf, unveröffentl.). Weiterhin auf geringem Niveau verharrt
der Brutbestand im Landesteil Nordrhein. Vereinzelt fanden auch
Bruten in der Rheinischen Börde satt, vor allem in Getreidefeldern.
Seit der Wiederbesiedlung des Landes Ende der 1980er Jahre und der
ersten erfolgreichen Felsbrut 1990 an den Bruchhauser Steinen ist
beim Wander- falken eine stetige Bestandszunahme und Arealaus-
dehnung zu beobachten (Wegner & Brücher 2013). Aktuell weist
der Wanderfalke in der Rheinschiene und im Ballungsraum Ruhrgebiet
hohe Siedlungs- dichten auf. Im Jahre 2014 konnten 211 Brutpaare
mit 344 ausgeflogenen Jungfalken registriert werden
(Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz NRW 2015). Seit dem
Nachweis der ersten erfolgreichen Kra- nichbrut 2008 im Großen
Torfmoor im Kreis Minden-Lübbecke (Bulk et al. 2008) erhöhte sich
kontinuierlich die Anzahl der erfolgreichen Paare. Zusätzlich
liegen weitere Brutzeitbeobachtungen von Revier anzeigenden
„Paaren“ und Nichtbrütern vor (Jöbges 2013, Bulk 2014). 2014
konnten elf Revierpaare, davon fünf Brutpaare mit mindestens drei
flüggen Jungvögeln festgestellt werden. Lan- desweiter
Siedlungsschwerpunkt des Kranichs ist die Bastauniederung im Kreis
Minden-Lübbecke. Eine vollständige Erfassung des nachaktiven Wach-
telkönigs ist aufgrund der jährlichen Bestands- fluktuationen nicht
möglich. Der Verbreitungs- schwerpunkt befindet sich in der
Hellwegbörde mit dem Haarstrang und der Paderborner Hochfläche
(Joest 2013). 2014 war ein Einflugjahr mit relativ hohen Beständen,
was landesweit und überregio- nal bemerkbar war. Auf einer
Teilfläche des VSG
128 Charadrius 51, Heft 3-4, 2015 (2017)
Hellwegbörde konnte Joest (2015) 38 Reviere nach- weisen. Den wohl
landesweit einzigen Brutplatz des Tüp- felsumpfhuhns stellt das
EU-Vogelschutzgebiet Rieselfelder Münster. Gegenüber dem Vorjahr
(4-6 Reviere) war das Auftreten 2014 mit 2-3 Revieren etwas
schwächer (Feldmann & Klein 2014).
Limikolen bis Seeschwalben Die Ermittlung des Brutbestands der
Wiesenlimi- kolen erfolgte durch die AG Wiesenvogelschutz, einer AG
der Biologischen Stationen in NRW, der Vogelschutzwarte im LANUV
und der NWO, dem auch weitere ehrenamtliche Naturschützer angehö-
ren. Der Bestand des Großen Brachvogels ging von 1975 bis 1984 von
730 auf 540 Revierpaare zurück. 2014 wurde mit 703 Revierpaaren
fast wieder der Wert von 1975 erreicht (Beckers et al. 2018). Dage-
gen befindet sich der Brutbestand der Uferschnepfe seit Mitte der
1970er Jahre in stetem Rückgang und erreichte 2014 mit nur noch 177
Paaren seinen bisherigen Tiefstand (Beckers et al. 2018). Auch die
Bekassine zeigt einen deutlichen Abwärtstrend und erreichte 2014
mit nur noch 33 Revieren einen neuen Tiefstwert. 1975 waren es noch
340 bis 450 Revier- paare (Beckers et al. 2018). Mittlerweile wurde
die Mittelgebirgsregion fast vollständig aufgegeben und die
Bekassine kommt schwerpunktmäßig nur noch in den Restmooren in den
Kreisen Steinfurt und Minden-Lübbecke vor. Der Bestand des
Rotschen- kels reduzierte sich von 90 Paaren (1975) auf jetzt 49
Revierpaare, wobei in den letzten Jahren eine Stabilisierung des
Brutbestands einsetzte (Beckers et al. 2018). Schwerpunkt der
Verbreitung und der Vorkommen ist das Vogelschutzgebiet Unterer
Nie- derrhein. In NRW brütet die Lachmöwe bevorzugt in Verlan-
dungszonen und auf Inseln von Abgrabungsgewäs- sern. Im Jahre 2014
konnten rund 6.000 Brutpaare erfasst werden, davon brüten allein
rund 4.500 Paare im Zwillbrocker Venn im Kreis Borken. Deut- lich
niedrige Brutbestände weisen die Rieselfelder Münster und der
Diersfordter Waldsee im Kreis Wesel auf. Die Schwarzkopfmöwe tritt
mittlerweile als regelmäßiger Brutvogel, wenn auch nur in sehr
geringer Anzahl auf. Brutvorkommen wurden bis- her nur in
Lachmöwenkolonien beobachtet, wobei es 2014 im Zwillbrocker Venn
mindestens zehn und auf dem Diersfordter Waldsee sieben Brutpaare
waren. Die einzigen Brutplätze der Trauerseeschwalbe befinden sich
im EU-Vogelschutzgebiet Unterer
Niederrhein im Kreis Kleve. Durch das Ausbrin- gen spezieller
Brutflöße (Artenschutzprojekt des Naturschutzzentrums im Kreis
Kleve e.V.) konnte eine Stabilität der Brutvorkommen erreicht
werden. Im Jahre 2014 brüteten 45 Paare (zwei Kolonien, ein
Einzelpaar) und brachten 66 Jungvögel zum Ausfliegen (Vossmeyer
& van der Winden 2017). Bei der Flussseeschwalbe wurde 2014 mit
gut 160 Paaren der zweithöchste Brutbestand registriert (nur 2003
lag er geringfügig höher). 95 % brüten am Niederrhein in den
Kreisen Wesel, Kleve und Bor- ken (sieben Kolonien); lediglich
circa sieben Paare traten in der Weseraue auf. Fast alle Bruten
fanden auf Nistflößen statt, die restlichen auf Inseln.
Papageien bis Spechte Die Sumpfohreule überwintert regelmäßig in
unter- schiedlicher Anzahl in Abhängigkeit des Kleinsäu-
gervorkommens. Bei hoher Nahrungsverfügbarkeit kommt es dann lokal
zu Brutansiedlungen, so dass 2014 zwei Brutpaare nachgewiesen
wurden. Es gab Hinweise zu weiteren möglichen Bruten, die aber
aufgrund der heimlichen Lebensweise dieser Art nicht bestätigt
werden konnten. Der Uhu findet in der Kulturlandschaft optimale
Lebensraumbedin- gungen vor. Gegenwärtig besiedelt die Art
verstärkt die Wälder und Abgrabungen im Tiefland und dringt in die
Ballungsräume vor, so dass Beobachtungen von Uhus in Städten keine
Seltenheit mehr sind Die positive Bestandsentwicklung hält
unvermindert an und erreicht mit 500 bis 550 Revierpaaren ein neues
Maximum (Jöbges 2017). Der Ziegenmelker besiedelt halboffene Heide-
und Sandtrockenrasen-Biotopkomplexe, weshalb hohe Bestände auf dem
Truppenübungsplatz Senne, den ehemaligen militärischen
Liegenschaften Borken- berge und Lavesum sowie auf der
Schwalm-Nette- Platte vorhanden sind. Witterungs- und nahrungs-
bedingt schwanken die landesweiten Bestände zwi- schen 200 bis 220
Revieren. In den letzten Jahren ist das Vorkommen in der Wahner
Heide und auf dem Flughafen Köln/Bonn, trotz umfangreicher Bio-
topoptimierung, erloschen. Ebenfalls gibt es Hin- weise, dass das
bisher stärkste Vorkommen auf dem Truppenübungsplatz Senne
rückläufig ist. Bundesweit steigt die Anzahl der Bienenfresserbru-
ten deutlich an und erreichte 2014 mit rund 1.300 Brutpaaren ein
neues Bestandsmaximum (Fachgruppe „Bienenfresser“ DO-G 2015). Die
überregionale Ent- wicklung läuft jedoch an NRW vorbei, da hier nur
ein Brutvorkommen mit zwei Paaren im Tagebau Garzwei- ler in der
Kölner Bucht bestätigt werden konnte.
129M.M. Jöbges & s.R. sudMann: Seltene Brutvögel und
Koloniebrüter in NRW 2014
NRW liegt an der nordwestlichen Verbreitungs- grenze des
Wendehalses in Deutschland (Gedeon et al. 2014). 2014 brütete die
Art nur noch mit einem Paar in der Wahner Heide bei Köln und steht
dort kurz vor dem Aussterben. Auf dem Truppen- übungsplatz Senne
konnten nur noch fünf Reviere festgestellt werden. Dagegen sind
Neuansiedlung im Kreis Höxter zu beobachten, die jedoch durch
Waschbären gefährdet sind (Prädation in Nistkäs- ten). Die Art
profitiert dort von der Pflege des Magergrünlandes und der
Schaffung von Lichtwäl- dern (B. Beinlich, pers. Mitt.).
Singvögel Die aktuelle Verbreitung des Raubwürger konzent- riert
sich nahezu auf die Mittelgebirgslagen mit dem Schwerpunkt in der
Medebacher Bucht im Hoch- sauerlandkreis. Der Brutbestand schwankt
jährlich in Abhängigkeit von der Nahrungsverfügbarkeit. Eine exakte
Erfassung der Vorkommen gestaltet sich schwierig, da die Art auch
Sukzessionsflächen und Windwurfflächen kurzfristig besiedelt. 2014
lag der Brutbestand unter dem Niveau des Atlaszeit- raumes. Die
Brutvorkommen der Saatkrähe wer- den jährlich nahezu komplett
erfasst. 2014 konnten 12.991 besetzte Nester in 318 Kolonien
gezählt werden. In den letzten Jahren pendelt sich der
Landesbestand damit bei rund 13.000 Paaren ein. Infolge von legalen
und illegalen Störungen an den Brutplätzen und Vergrämungsmaßnahmen
ist eine Tendenz der Aufsplitterung von Kolonienstandorten zu
beobachten. NRW liegt am westlichen Rand des europäischen
Brutverbreitungsgebiets der Beutelmeise. In den 1980 und 1990er
Jahren wurde das Rheinland wie- derbesiedelt. Seitdem ist ein
nahezu flächiger Rück- zug der Brutverbreitung zu beobachten.
Aktuell sind nur Bruten aus der Weseraue im Kreis Minden-Lüb- becke
bekannt. Da die Art schwierig nachzuweisen ist, kann von einer
leichten Unterschätzung des ver- bliebenen Restbestandes
ausgegangen werden, so dass der Brutbestand mit 5-15 Paaren
beziffert wird. Das einzige Brutvorkommen der Bartmeise befin- det
sich in den Rieselfeldern Münster mit aktuell vier Revieren
(Feldmann & Klein 2014). Die Blaukehlchenvorkommen sind in NRW
im Gegensatz zu anderen Regionen starken Bestands- schwankungen
unterworfen. Die Art ist zwar in der Lage rasch geeignete Habitate
zu besie- deln, verschwindet aber kurzfristig bei zu starken
Lebensraumveränderungen wieder (Pleines & Jöb- ges 2010).
Schwerpunkt der Verbreitung bilden die
Abb. 2: Außerhalb der Rieselfelder Münster gibt es in NRW nur
wenige Orte, an denen Blaukehlchen brüten (Kranenbur- ger Bruch,
Kreis Kleve, 4.6.2014). – Bluethroat. © Stefan R. Sudmann.
Vogelschutzgebiete Rieselfelder Münster und die
Schwalm-Nette-Platte mit Grenzwald und Mein- weg. In den
Rieselfelder Münster konnten alleine 116 Blaukehlchen-Reviere
nachgewiesen werden (Feldmann & Klein 2014), was etwa 70 % des
Lan- desbestands entspricht. Aktuell besiedelt die Grauammer nur
noch die Jülich-Zülpicher Börde, an anderen Stellen werden nur noch
unregelmäßig Reviere besetzt. Der landes- weite Brutbestand wird
auf nur noch 150 bis 200 Reviere beziffert und ist deshalb vom
Aussterben bedroht (Fels et al. 2014, Schieweling et al.
2014).
Dank
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen im Metho- denteil
aufgeführten Koordinatoren und AG-Leitern, bei Erich Hauth &
Dr. Andreas Skibbe (OAG Wah- ner Heide) sowie bei allen
Datenlieferanten. Leider ist es uns unmöglich eine komplette
Namensliste aller Beteiligten zu erstellen.
Literatur
130 Charadrius 51, Heft 3-4, 2015 (2017)
AviKom (2015): Seltene Vogelarten in Nordrhein-Westfalen im Jahr
2014. Charadrius 51: 109-123. Beckers, B., A. Barkow, M. Frede, P.
Herkenrath, D. Ikeme- yer, M. Jöbges, S.R. Sudmann & R.
Tüllinghoff (2018): 40 Jahre Wiesenvogelschutz in
Nordrhein-Westfalen: Entwick- lung der Brutbestände von Großem
Brachvogel Numenius arquata, Uferschnepfe Limosa limosa,
Rotschenkel Tringa totanus und Bekassine Gallinago gallinago.
Vogelwelt (an- genommen). Boele, A., F. Hustings, J. van Bruggen,
K. Koffijberg, J.-W. Vergeer, C. Plate & T. van der Meij
(2015): Kolonievogels en zeldzame broedvogels in Nederland in 2012
en 2013. Li- mosa 88: 173-191. Bulk, E.-G., S. Bulk & E. Möller
(2008): Kranich: Erster Brutnachweis in Nordrhein-Westfalen.
Charadrius 44: 126- 127. Fachgruppe „Bienenfresser“ DO-G (2015):
Jahresbericht 2014. http://www.do-g.de/fileadmin/do-g_dokumente/
DO-G_FG_Bienenfresser_Jahresbericht_2014.pdf Feldmann, B. & A.
Klein (2014): Die Brutvögel der Riesel- felder Münster.
Jahresbericht 2014 der Biologischen Station „Rieselfelder Münster“:
49-55. Fels, B., R. Joest, M. Jöbges & P. Herkenrath (2014):
Die Grauammer Emberiza calandra in Nordrhein-Westfalen – bald nur
noch eine Erinnerung? Charadrius 50: 61-74. Gedeon, K., C.
Grüneberg, A. Mitschke, C. Sudfeldt, W. Eikhorst, S. Fischer, M.
Flade, S.. Frick, I. Geiersberger, B. Koop, M. Kramer, T. Krüger,
N. Roth, T. Ryslavy, F. Schlot- mann, S. Stübing, S.R. Sudmann, R.
Steffens, F. Völker & K. Witt (2014): Atlas Deutscher
Brutvogelarten. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und
Dachverband Deutscher Avifaunisten, Hohenstein-Ernstthal und
Münster. Grüneberg, C. & S.R. Sudmann sowie J. Weiss, M.
Jöbges, H. König, V. Laske, M. Schmitz & A. Skibbe (2013): Die
Brutvögel Nordrhein-Westfalens. NWO & LANUV (Hrsg.), LWL-Museum
für Naturkunde, Münster.