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Radolfzell überwindet das Feinripp-Image. Jahrzehnte prägte Schiesser den Standort. Jetzt sind Hunderte Arbeitsplätze in neuen Branchen entstanden
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Standortporträtecon
o.de
Standortporträt
Radolfzell
econo 4/2010 · 1. Apr i l 2010 Foto: Michael Bode
Die Frage steht für MichaelGentile durchaus im Raum:Gehen? Oder bleiben? Vor
vier Jahren denkt er darüber nach.Da bereitet er seine Selbstständigkeit mit der Agentur Marke Gentilevor. Die Frage ist nur: wo? Gentile:„Ich habe mir dann meine Heimatstadt näher angeschaut und warüberrascht: Es hat einen unheimlichen Entwicklungsschub gegeben.“Gentile bleibt Radolfzell treu, er findet die neu entstandene Mischungaus Dienstleistern und produzierendem Gewerbe „richtig spannend“.Die Überraschung des Werbers ist
typisch für die Einschätzung desStandorts Radolfzell am Bodensee.Die Stadt hat mit 82 Metern denhöchsten Kirchturm am See und mit16 Kilometern den längsten Uferanteil. Sie ist die einzige Stadt, die
den Zusatz „am Bodensee“ im Namen führt. Doch richtig ins Bewusstsein rückt sie trotz 30000 Einwohnern erst jetzt.Das kann man historisch begrün
den: Die Stadt wurde nie touristischgeprägt. In Radolfzell wird gearbeitet. Gottfried Allweiler gründet1860 eine Schmiede. In der Kücheneben dem Herd installiert er seinenSchmelzofen. Das erste Produkt:eine Feuerlöschspritze, bei der einHeizapparat das Einfrieren verhindert. Es ist der Grundstein für denAufstieg von Radolfzell.
Im Jahr 1875 kommt der Schweizer Fabrikant Jacques Schiesser indie Stadt. Zunächst näht er Unterwäsche im Tanzsaal eines Gasthauses,schon 1876 bezieht er eine eigeneFabrikhalle. Vier Jahre später beschäftigt Schiesser 280 Mitarbeiter.
Das Schicksal von Radolfzell istdamit besiegelt. Die beiden Unternehmen begrenzen die Innenstadtgen Norden, die Bahnlinie wird1863 in den Süden ans Seeufer gelegt. Das ist aus damaliger Sicht eineunbrauchbare Fläche.Über Jahrzehnte sind Allweiler
und Schiesser wichtige wirtschaftliche Impulsgeber. Die AllweilerPumpen sind bis heute weltweit gefragt.Schiesser hat indes 2009 Insolvenzbeantragt. Insolvenzverwalter Volker Grub gibt dem FeinrippSpezialist neuen Schwung. Seit derInsolvenzeröffnung im Mai 2009fuhr Schiesser einen Gewinn vonrund drei Millionen Euro ein, bei 82Millionen Euro Umsatz. Der Verkaufder Firma an einen privaten Investorsteht bevor, der Modedesigner Wolfgang Joop ist interessiert.
Radolfzell überwindet das Feinripp-Image. Jahrzehnte prägte Schiesser den
Standort. Jetzt sind Hunderte Arbeitsplätze in neuen Branchen entstanden
Die Stadt am Bodensee
68 Politik • Standort Radolfzell
4/2010 · 1. Apr i l 2010 econo
Eine Stadt mit Potenzial:Radolfzell am Bodenseeerfindet sich gerade neu
odenseeDie Schieflage von Schiesser
keimt bereits Ende der 1990erJahre.Da beginnt die Eigentümerfamiliemit Rationalisierungen und Verlagerungen. Ein schwerer Schlag fürRadolfzell. Rund 1000 Arbeitsplätzewerden am Ende fehlen. Doch dieEigentümer beweisen Größe: Siegründen die Hesta. Das Unternehmen soll die ehemaligen SchiesserImmobilien aufpolieren und vermarkten. Das Herzstück ist dasSchiesserAreal direkt bei der Innenstadt. Mit 13 Hektar ist es doppeltso groß wie die Altstadt selbst.Die Arbeit von Hesta setzt den
Wandel in Gang. „Für die Stadt wardas ein wichtiger Impuls“, sagt OBJörg Schmidt. Seit 2000 ist er Verwaltungsoberhaupt, hat den Strukturwandel erlebt. In der Zeit bisheute erfindet sich Radolfzell neu.
Inzwischen sind die SchiesserFlächen verwertet. 55 MillionenEuro sind in neue und sanierte Gewerbe und Wohnflächen geflossen.600 Arbeitsplätze wurden erhalten,400 neue sind entstanden. So hatdie Spedition Multisped das ehemalige Logistikzentrum in Beschlaggenommen: Von hier aus geht Kleidung von Strellson, Windsor oderauch Schiesser auf die Reise in dieLäden Europas. Radolfzell ist weiterdie heimliche Modehauptstadt? OBSchmidt: „Wenn man es so nennenwill, sage ich nicht Nein.“Doch richtig spannend ist es ab
seits der Mode. „Nach langem Stillstand hat es eine richtig positiveEntwicklung gegeben“, umschreibtes der Werber Gentile. Seine Agentur für Markenentwicklung undführung hat sich etabliert und be
schäftigt drei Mitarbeiter. Die Kunden sitzen im Dreiländereck. Gentile: „Das ist einer der Vorteile: Vorhier aus ist man schnell überall.“Das sagt auch Frank Mader, Leiter
der Niederlassung Radolfzell derSteuerberatungsgesellschaft WS Süd.Ende 2009 wurde der Standort eröffnet. Warum? Mader: „Der Standort ist spannend und zentral.“Schaut man sich die neue Bran
chenstrukur an, bekommt das Wortspannend einen besonderen Klang:Elexxion entwickelt DentalLasersysteme und Dr. Walser Dental konstruiert und fertigt Instrumente fürZahnärzte. Der ITDienstleister Sybitgehört mit 105 Mitarbeitern zu denführenden Systemhäusern. Das Teamum Geschäftsführer Thomas Regelerealisierte das OlympiaInternetPortal der ARD für Vancouver.
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econo 4/2010 · 1. Apr i l 2010
Foto: Michael Bode
Einwohner 30 296davon weiblich 15 679Kaufkraft/Einwohner 19 960 EuroBevölkerungsplus bis 2025 2,46 Prozent
BeschäftigungArbeitsplätze 11 120Sozialversicherungspfl. B. 11 200Produz. Gewerbe 40,2 ProzentDienstleister 22 Prozent
Handel/Verkehr 36,6 ProzentEinpendler 6900Auspendler 5600Arbeitslosenquote 5,3 Prozent
SteuernGewerbesteuer 350Grundsteuer A 320Grundsteuer B 320Kaufkraftkennziffer 105,3
Zentralitätskennziffer 100Zentralitätskennziffer Innenstadt 100
Freie GewerbeflächenGewerbegebiet Nord 2 haGewerbegebiet Seelenhof 0,7 haGrundstückspreise/qm 70–90 Euro
VerkehrsinfrastrukturAutobahn A81, 10 Minuten
Bundesstraßen B33, vierspurigBahnhof stündliche Verbindungen nach
Stuttgart, Zürich, MünchenFlughafen Friedrichshafen, 60 Km
Zürich, 90 KmStuttgart, 160 Km
OrtsteileBöhringen, Güttingen, Liggeringen, Mar-kelfingen, Möggingen, Stahringen
Ganz neu im Portfolio derStadt ist der PersonaldienstleisterGet2gether. „Wir bieten Personalleasing. Personalberatung undUnternehmensberatung“, sagt Geschäftsführer Jürgen Hoffmann.Vom Start weg hat er namhafteKunden und mehrere Mitarbeiter.Spannend ist es auch im Radolf
zeller Innovations und Technologiezentrum RIZ, einem ehemaligen Kasernengebäude im Nordender Stadt. Der langgestreckte Baumit 15000 Quadratmetern Flächeist prägnant und bietet vor allemStartups und kleineren Unternehmen Platz. 21 Firmen und Dienstleister haben sich seit der Eröffnung 2002 angesiedelt, 400 Arbeitsplätze sind entstanden.„Dieser Erfolg tut gut“, bringt es
Wirtschaftsförderer Daniel Seefelder auf den Punkt. Hinter ihm liegtein Haufen Arbeit. Vor ihm einnicht minder großer. Denn der
Umbau der Stadt beginnt jetzt erstrichtig. Gespräche über die Ansiedlung eines Familienhotels undbades mit Investoren laufen. Mitdem Projekt Stadt – Bahn – Seeerobert sich Radolfzell das Bodenseeufer zurück (siehe Seite 76).
Auch die Innenstadt ist imUmbruch.So entwickelt CityManagerin Barbara Ehniß ein Programm gegenLeerstände. Und klebt in einemersten Schritt auffällige Hinweisein leere Schaufenster: „Das ist besser als jede wilde Plakatiererei.“
Aber auch Petra Heintze, Direktorin des Sprachdienstleisters CarlDuisberg Centren, bringt sich ein.Das Zentrum, eines von bundesweitsieben, zieht pro Jahr Hunderte nationale und internationale Schüler,leitende Angestellte und Firmenchefs in die Stadt. Allewollen schnellund individuell Sprachen lernen.Das Zentrum stößt räumlich an seine Grenzen, eine Erweiterung tutnot. Heintze schwebt eine Kombination aus Lehrräumen und Cafévor: „Das fördert den Austauschmit den Radolfzellern.“Manchmal wird Michael Genti
le der Schwung des neuen Radolfzells zu viel. Dann geht er ans Uferdes städtischen Kurgebiets Mettnau: „Nirgendwo kriegt man besser den Kopf frei.“ Dirk Werner
www.radolfzell.de
70 Politik • Standort Radolfzell
Das Innovations- und Technologiezentrum RIZ in Radolfzell
Stahlbau Schauenberg GmbH • Wilhelm-Schauenberg-Str. 15 –17 • 79199 Kirchzarten • Telefon +49 7661 397-0 • Fax +49 7661 397-155
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Radolfzell ...
... liegt mir !
„Radolfzell setzt neue Zeichen und ent-
wickelt sich positiv. Seit der Eröffnung
des seemaxx und der SeeMeile befindet
sich der Handelsstandort Radolfzell im
Wandel. Nicht nur im Bereich Bekleidung
und Schuhe spricht die Stadt heute Kun-
den an, die Qualität und Vielfalt suchen.
Das zieht auch unsere Schweizer Nach-
barn über die Grenze.“
Caroline Kannenberg,Inhaberin Lieblingsstück Schuhe & Accessoires
„Die Allweiler AG gehört zu den großen
Firmen in Radolfzell und ist damit auch
ein bedeutender Arbeitgeber. Für produ-
zierende Unternehmen wie uns liegt die
Attraktivität des Standortes in der Kom-
bination von einzigartiger Umgebung mit
hohem Freizeit- und Erholungswert und
guter Infrastruktur.“
Dr. Michael Matros, Vorstand und CEO Allweiler AG
„Eine schöne freundliche Kleinstadt mit
einzigartiger Landschaft, die alle Mög-
lichkeiten bietet, die Sportarten zu be-
treiben, die ich liebe und deren Outfit ich
in meinem Ladengeschäft auch anbiete.
Radolfzell ist überschaubar, man kennt
sich und das gibt Verlässlichkeit für den
Kunden.“
Markus Knam, Inhaber Yeti-Sport
„Für unsere Folienfabrik ist der Standort
Radolfzell ideal, weil wir uns mitten im
sogenannten „3-Länder-Eck der Verpack-
ungsindustrie“ befinden. Wir haben hier
optimale Infrastrukturanbindungen und
durch die Dienstleistungsorientierung
der Stadtverwaltung läuft die Zusam-
menarbeit schnell und reibungslos. Un-
sere Stadt ist einfach ein Ort zum Wohl-
fühlen.“
Angela van der Goten, Geschäftsführerin Fora GmbH
„Für mich als Reiseunternehmer ist einer-
seits die gute Anbindung ans Fernstraßen-
netz wichtig. Andererseits macht die Lage
direkt am See unsere Stadt sehr attraktiv.
Über Mittag mit dem Fahrrad zum Essen
in die Innenstadt oder in den Yachthafen.
Das nenne ich Lebensqualität. Arbeiten
wo andere Urlaub machen - das schätzen
auch meine Mitarbeiter.“
Matthäus Kögel,Geschäftsführer Kögel Touristik GmbH & Co.KG
„Die Attraktivität von Radolfzell wächst
von Jahr zu Jahr. Die Stadt bietet ideale
Gegebenheiten für Unternehmen wie etwa
das Tagungsangebot im neuen Milch-
werk. Die direkte Lage am See, eine ein-
ladende Altstadt und ein abwechslungs-
reiches Freizeitprogramm tragen ihren
Teil ebenfalls dazu bei. Ich lebe und ar-
beite gerne hier.“
Petra Laibach,Geschäftsführerin Laibach GmbH Karosseriebau
Caroline Kannenberg
Markus (Max) Knam
Matthäus Kögel
Petra Laibach
Dr. Michael Matros
Angela van der Goten
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econo 4/2010 · 1. Apr i l 2010
Fotos: Michael Bode, Stadt Radolfzell
Wirtschaftsförderer Daniel Seefelder
nimmt sich beim Unternehmer-
Forum zurück. Die Zukunft ist wichtig
OhneAllüren
72 Politik • Standort Radolfzell
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4/2010 · 1. Apr i l 2010 econo
Sie sind an diesem Abendnicht wegen ihm hier. Damacht sich Daniel Seefelder
keine Illusionen. Trotzdem betrittder Radolfzeller Wirtschaftsförderer die Bühne des Tagungszentrums Milchwerk. Er legt vor denrund 300 Firmenchefs, Handwerkern und Freiberuflern Rechenschaft für das vergangene Jahr ab.Das jährliche UnternehmerForumist dafür der richtige Ort.Es ist aber nicht der passende
Zeitpunkt für schwülstige Reden,für Allüren. Seefelders Rechenschaft ist prägnant und knapp. „ImVordergrund des Forums steht derAustausch, wir wollen Impulseund Denkanstöße geben“, formuliert der Wirtschaftsförderer.Damit ist das Forum eine Art
Prototyp dessen, was Kasim Mohamed, Junior Consultant beimKelkheimer Zukunftsinstitut, andiesem Abend den Zuhörern anMegatrends aufzeigt. Denn einerdieser Trends lautet: „Das Ergebnis steht im Mittelpunkt. Nichtwie es zustande kommt“, so der
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Das neue Herzstück
Hesta GmbHSchützenstraße 2478315 [email protected]: 0 77 32/94 09 99-0Telefax: 0 77 32/94 09 99-90
UnternehmenDie Hesta GmbHwurde 1999 alsTochtergesellschaft der Schwei-zer Hesta-Gruppe gegründet.Aufgabe der GmbH ist die Ver-waltung und Vermarktung derehemaligen Immobilien derSchwesterfirmaSchiesser AG.Dasgrößte Projekt ist dieUmnutzungdes 13 Hektar großen Schiesser-Areals in Radolfzell, das doppeltso groß ist wie die RadolfzellerAltstadt. In diesem Gebiet wur-den mehr als 1000 Arbeitsplätzegesichert und neu geschaffen.
Kontakt
Die Umstrukturierungen bei der Schiesser AGgaben den Anstoß. Innerhalb von nur drei Jah-ren gelang es der eigens gegründeten Hesta
GmbH nahezu alle Flächen auf dem Gelände desModeherstellers zu sanieren und an Unternehmen undDienstleister zu vermieten. In Zusammenarbeit mitder Stadt Radolfzell wurde das Areal neu strukturiertund sinnvoll an die Altstadt angegliedert.Entstanden ist ein modernes Stadtquartier mit groß-
zügiger, fußläufiger Anbindung an Innenstadt undBodensee. Das Quartier bietet hochwertige Wohnun-gen, Handels-, Gastronomie- und Dienstleistungs-
flächen sowie moderne Gewerbeeinheiten. Hierzugehört das Hesta Logistik Center und der Jahr100Bauals Zentrum für Gesundheit, Handel und Dienstleis-tung sowie das Seemaxx Outlet Center Radolfzell, einmodernes Outlet Center für Bekleidung, das Marken-produkte bis zu 70 Prozent reduziert anbietet. Herz-stück des Quartiers bildet seit 2007 die Seemeileentlang des Jahr100Baus. Durch die attraktive Archi-tektur in Verbindung mit hochwertiger Bepflanzungist eine attraktive Promenade entstanden.Für das Engagement erhielt Hesta den Flächenrecy-
clingpreis Baden-Württemberg 2008.
Die Hesta GmbH hat in
Radolfzell Brachflächen
zum Stadtquartier
umgebaut. Dafür gab
es sogar einen PreisDas Seemaxx Factory Outlet Center Radolfzell ist ein Projekt der Hesta
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to:H
esta
Kasim Mohamed, Junior Consultant des Zukunftsinstituts, zeigte beimUnternehmer-Forum die Trends in Sachen Leben und Arbeiten auf
28Jährige. Es ist eine Absage anstarre Arbeitszeiten, an feste Bürosund Schreibtische. Mohamed:„Das Büro wird künftig nur nochein Treffpunkt sein.“Im Kontext mit den weiteren
Megatrends des Experten wirdden Radolfzeller Unternehmernrasch klar: Man muss mit alldemnicht einverstanden sein. Aber
man kommt nicht umhin, sich aufdie Änderungen einzulassen. Dennangesichts von Demografie undFachkräftemangel sind die Arbeitnehmer in einer guten Position.Allerdings verzichten sie dafür auffeste Arbeitsverträge und müssensich stetig weiterbilden. Eine Last?Mohamed: „Untersuchungen zeigen, dass in Ländern, in denen
heute schon geringe Arbeitsplatzsicherheit und hohe Bildung Standard sind, eine höhere Lebenszufriedenheit herrscht.“ Deutschlandrangiert allenfalls im Mittelfeld.Fulminant führt Mohamed die
Radolfzeller von einem Trend zumnächsten, erzählt von der Nachhaltigkeit und „Very Important Babys“,von der weltweit wachsendenMittelschicht und dass die USA undEuropa künftig nicht mehr die Gewinner der Globalisierung seinwerden: „Sie werden nur noch einPlayer sein.“ Muss das Sorgen machen? „Die Absatzmärkte werdendamit größer, weil mehr Leute sichGüter leisten können.“ Langer Applaus begleitet Mohamed am Endevon der Bühne. Und seine Thesenwerden im Foyer noch lange diskutiert. Für Wirtschaftsförderer Seefelder ist das eine Genugtuung:„Das Ziel ist erreicht.“ wer
www.zukunftsinstitut.de
econo 4/2010 · 1. Apr i l 2010 Foto: Michael Bode
Radolfzell denkt um: „Wir machen zu wenig aus unseremStandort am See“, sagt OB
Jörg Schmidt im EconoInterview.Nun nutzt die Stadt unter anderemden Wandel bei Schiesser für neueStrukturenund investiert zudemzehnMillionen Euro in den Bahnhof.Herr Dr. Schmidt, ist SchiesserFluch oder Segen für die Stadt?➤ Jörg Schmidt: Schiesser ist nachwie vor ein Segen. Es gibt in der Geschichte einer Stadt immer wiederWeichenstellungen von besonderemAusmaß. Die Ansiedlung von Schiesser war so eineWeichenstellung undich kann mir weiterhin die Stadtohne Schiesser nicht vorstellen.Schiesser hat wieder für eineWei-chenstellung gesorgt: Die Stadtsteckt im Strukturwandel.➤ Schmidt: Ja, Schiesser hat unseinen Strukturwandel beschert. Aberman muss sehen, was Radolfzelldank Schiesser alles erreicht hat. Dasmöchte niemand missen.Wie fällt die Bilanz aus?➤ Schmidt: Schiesser hatte in Radolfzell mehr als 2000 Mitarbeiter.Inzwischen sind es deutlich untertausend Beschäftigte. Auf der anderen Seite sind viele bei Schiesser freigewordenen Flächen wiederbelebtworden und es sind neue Arbeitsplätze entstanden. Wir haben auchein Gründerzentrum, das sehr gutangenommen wird. Die Bilanz fälltalso durchaus positiv aus.Der Strukturwandel hat die Chan-ce auf einen Stadtumbau beschert.Wie ist der Stand?➤ Schmidt: Vorweg: Schiesser warin den letzten Jahren nicht das einzige Thema, wir hätten uns auchunabhängig von der Frage Schiesserum die Themen Bahnzugang, Erreichbarkeit Seeufer oder Stärkungdes Tourismus gekümmert. Gleich
OB Jörg Schmidt über
den Strukturwandel
und die Chancen im
Tourismus durch den
Umbau der Stadt
„Wir finden die Nische“
wohl: Auf dem SchiesserAreal ist dieKonversion soweit abgeschlossen.Die Brachflächen sind neu belebtundwir hatten jetzt den Spatenstichfür den zweiten Bauabschnitt derWohnbaubebauung im Bereich derehemaligen Markthallen.Wie groß ist die Investition?➤ Schmidt: Es werden rund 55Millionen Euro investiert.Schiesser begrenzt die Innenstadtauf der einen Seite, das Eisen-bahnareal die andere. Wieso wirdauch dort umgebaut?➤ Schmidt: Weil wir in der Stadtder Meinung sind, dass Radolfzellam Bodensee – wir sind die einzigeStadt, die diesen Zusatz tragen darf– zu wenig aus seiner Lage macht.Der Bahnhofsbereich trennt die Stadtvom See ab. Beim Bau der Bahn um1860 hatman auf andere DingeWertgelegt. Es wurde sogar ein großerHafen für den Güterumschlag vomRhein bei uns geplant. Inzwischenhaben sich die Prioritäten aber verändert und wir müssen mehr imBereich Tourismus machen.Ist der Zug in Sachen Tourismusam See nicht abgefahren?
➤ Schmidt: Im Gegenteil: Wir haben in den letzten Jahren deutlichsteigende Gästezahlen. UnsereChance ist, dass sich der Tourismusständig wandelt. Der Trend geht zuKurzurlauben und Städtereisen, esgibt künftig aber auch eine starkeAufhebung der Trennung von Arbeiten und Urlaub. Vor diesem Hintergrund finden wir unsere Nische inBadenWürttemberg. Wir kopierenaber keine Konzepte von anderen,sondern gehen unseren ganz eigenen Weg.Herzstück des Umbaus ist derBahnhofsbereich. Wird Spaten-stich noch in diesem Jahr sein?➤ Schmidt: Aktuell gehen wir indie Detailplanung. Dabei sind wirauf Partner wie die Bahn angewiesen. Die ziehen zwar sehr gut mit,aber ein Datum für den Spatenstichkann ich noch nicht nennen.ZehnMillionen Euro soll das Herz-stück insgesamt kosten.Wasmussdie Stadt aufbringen?➤ Schmidt: Wir rechnen mit 60Prozent Zuschüssen vom Land. ZweiMillionen sind fest zugesagt, weiterevier stehen in Aussicht. Damit muss
die Stadt rund vier Millionen Eigenmittel aufbringen.Kann die Stadt das schultern?➤ Schmidt: Wir haben das Geld.Beim Verkauf von 49 Prozent unserer Stadtwerke an die Thüga habenwir uns imGemeinderat in die Handversprochen, das Geld liegen zu lassen. Und ich bewundere es wirklich,dass der Gemeinderat bislang jederVerlockung widerstanden hat, dasGeld anderweitig einzusetzen.Also haben Sie den 13. Juni 2013weiter fest im Kalender?➤ Schmidt: (lacht) Ja, zum Jubiläum der Eisenbahnlinie möchtenwirein BobbycarRennen vom Rathaushinunter zum See veranstalten. Dasschaffenwir auch. wer
Jörg Schmidt (SPD) ist seitdem Jahr 2000 OB in Radolf-zell am Bodensee. Der gebür-tige Pforzheimer studierteRechtswissenschaften undpromoviertemit einer Disser-tation über den Rechtswis-senschaftler Otto Koellreut-ter. Der 49-jährige Schmidt istverheiratet.
74 Politik • Standort Radolfzell
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Die Überzeugungstäter Wirtschaftsrevision Süd GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaftWS Süd GmbHSteuerberatungsgesellschaft
Karlsruher Straße 2178048 Villingen-SchwenningenTelefon: 0 77 21/9 98 18-0Telefax: 0 77 21/9 98 [email protected]
Niederlassung RadolfzellSchützenstraße 8478315 RadolfzellTelefon: 0 77 32/8 23 67-0Telefax: 0 77 32/8 23 67-20
NiederlassungSeit November 2009 arbeitenWS Süd undWirtschaftsrevisionSüd in Radolfzell. ImAprilwirddieNiederlassung feierlich eröffnet.
Kontakt
Diese Kanzlei ist ungewöhnlich. „17 unserer 37Mitarbeiter sind Berufsträger. Eigentlich ist daseine Unstruktur“, sagt ClemensMöhrle. Zusam
men mit Christof Kühling und Georg Hilpert ist er GesellschafterGeschäftsführer derWS Süd GmbH und derWirtschaftsrevision Süd GmbH. Andererseits passt dieStruktur genau zumWSAnspruch: „Wir fühlen uns demMittelstand verpflichtet.“ DieMandanten finden bei denzwölf Steuerberatern, drei Wirtschaftsprüfern und zweiRechtsanwälten immer den richtigen Ansprechpartner.Überhaupt sind die Gesellschafter in der Kanzlei
Überzeugungstäter. Um sich dem Mittelstand widmenzu können, wurde 2006 WS Süd und Wirtschaftsrevision Süd als MBO in VillingenSchwenningen gegrün
det. „In der Kanzlei vereinen wir breiten Erfahrungsschatz“, so die Gesellschafter.So haben sich die Berater beispielsweise im Bereich
der Umsatzsteuer Renommee erarbeitet, bringen dasWissen zudem in viele Veranstaltungen ein. Aber auchThemen wie Umstrukturierungen, Lohnsteuer, Firmensanierung und Fragen zum Export nimmt sich dieKanzlei an. „Bei unserer Struktur können wir die unterschiedlichsten Aspekte vertiefen“, betonen die Gesellschafter.Dem folgt auch die Niederlassung Radolfzell. Deren
Leiter und Prokurist Andreas Mader knüpft am Bodensee an den Anspruch der Kanzlei an: „Wir sind derAnsprechpartner für den Mittelstand in der Region.“
Die Kanzlei WS Süd hat
eine Unstruktur.
Deshalb kann sie dem
Mittelstand gut helfenDie Gesellschafter Georg Hilpert, Clemens Möhrle, Christof Kühling undProkurist Andreas Mader (v.l.)
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econo 4/2010 · 1. Apr i l 2010 Foto: Michael Bode
Die Zukunft hängt bei Monika Laule an der Wand.Auf großformatigen Aus
drucken erkennt man Satellitenaufnahmen des gesamten Bahnhofsbereichs von Radolfzell. Mitfeinen Strichen sind Veränderungen eingezeichnet. Laule ist Leiterin des Fachbereichs AllgemeineVerwaltung im Rathaus Radolfzell.
Monika Laule verantwortet bei der Stadtverwaltung eine Revolution:
Radolfzell rückt näher ans Ufer des Bodensees. Die Bürger wollen es so
Projektmit Seeblick
Monika Laule leitet denBereich Allgemeine Verwal-tung. Und das See-Projekt
Und sie trägt die Verantwortungfür die wichtigste städtebaulicheVeränderung seit Jahrzehnten: dasProjekt Stadt – Bahn – See.Für die Stadt verbirgt sich hinter
dem schlichten Dreiklang nichtweniger als eine Revolution. „Wirtragen zwar als einzige Stadt denZusatz ‚am Bodensee‘, aber dasUfer ist von der Stadt abgeschnit
ten“, umschreibt OB Jörg Schmidtdie Situation. Das ist historischgewachsen. Als um 1860 dieBahnlinie kam, gaben die Radolfzeller die Ackerflächen im Hinterland nicht preis. Also planten dieIngenieure die Schienensträngeeben entlang des Ufers, teilweisewurde sogar Gelände aufgeschüttet. Seeblick? Erholungswert? Damals Worte ohne Wert.Das ändert sich. Monika Laule:
„Das Projekt ist von den Bürgern ineiner Zukunftswerkstatt als oberstes Leitprojekt angestoßen worden.“ Die Bürger wollen aus derInnenstadt endlich auf den Seeblicken. Nicht mehr auf Schienenund Bahnhofsgebäude in Nachkriegsarchitektur. Handel und Gastronomie wollen das ebenfalls,weil es zusätzliche Qualität bedeutet. Schließlich hat die Stadt inSachen Tourismus noch Potenzial.Deshalb ist die Verwaltung in
einer komfortablen Position: DieEinwohner ziehen mit. Das wurdeunlängst in einer Bürgerversamm
lung deutlich. Kritische Stimmen?Fehlanzeige. Laule: „Diese Stimmung darf man nicht enttäuschen.“Deshalb überlässt sie auf den
rund 14 Hektar Fläche nahe derInnenstadt nichts dem Zufall. Diekünftige Nutzung wird detailliertgeplant, erste Verträge hat dieBahnTochter Aurelis mit Aldi abgeschlossen. Die Genossen der ZGwerden ebenfalls in ihren Marktinvestieren. Die Stadt hat sich 3,5Hektar der alten Bahnflächen für1,75 Millionen Euro gesichert.
Dort sollen Güterhallen künftiggastronomisch genutzt werden,die alten Gütergleise kommenweg. Es wird ein Investor für einHotel mit Seeanbindung gesucht.Herzstück des Projekts ist aber die„Seetorquerung“: Ein breiter, hellerDurchgang wird unter den Schienen durchgebaut, ein Teil desBahnhofs dafür abgerissen. DerBlick wird frei von der Innenstadtaufs Ufer. Bei Monika Lauble imBüro kann man das bereits erleben.An der Wand auf Papier. wer
76 Politik • Standort Radolfzell
Das Leitprojekt Stadt – Bahn – Seereduziert das Bahngelände auf dasnoch notwendige Maß. Unter an-deremwird die Zahl der Fahrgleisevon sechs auf vier reduziert. 14Hektar Flächen stehen anschlie-ßend für eine Neunutzung zurVerfügung, die in fünf Teilberei-chen entwickelt werden. Unteranderem für Einkaufsmärkte, Park-flächen und Gastronomie. DasKernstück des Projekts ist der Per-
sonenbahnhof. Aktuell lässt dieStadtverwaltung die Kosten fürvier Varianten einer neuen Unter-führung berechnen. Zudem sollein Teil des Bahnhofs abgerissenund neu gebaut werden.Das Projekt ist aber nicht die ein-zige aktuelle Entwicklung: Sowur-den in der Innenstadt der Luisen-und der GerberplatzmitWohnun-gen, Büros und Ladengeschäftenneu gestaltet.
4/2010 · 1. Apr i l 2010 econo
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