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München, 22.-23. Oktober 2011
Synkopen: Vermeiden von Überdiagnostik
Professor Dr. Stefan Sack, FESCKlinik für Kardiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin
Zentrale Notaufnahme, Sektion Innere MedizinStädtische Klinikum München GmbH –
Klinikum Schwabing
Akut- und Notfälle in der Inneren Medizin
Guidelines - Leitlinien
www.dgk.orghttp://leitlinien.dgk.org/ Kardiologe 2011;5:5-12
Guidelines - Leitlinien
www.escardio.orgEur Heart J 30:2631-2671 (2009)
40 Seiten
Guidelines - Leitlinien
www.dgk.orghttp://leitlinien.dgk.org/ Kardiologe 2010
Definition:Leitlinien sind systematisch entwickelte Feststellungen ("statements"), um die Entscheidungen von Klinikern und Patienten über angemessene Gesundheitsversorgung für spezifische klinische Umstände ("situations") zu unterstützen.
Unterscheidung zwischen Richtlinien und Leitlinien
Richtlinie
ist die Regelung des Handelns oder Unterlassens, die von einer rechtlich legitimierten Institution konsensiert, schriftlich fixiert und veröffentlicht wurde, für den Rechtsraum dieser Institution verbindlich ist und deren Nichtbeachtung definierte Sanktionen nach sich zieht.
Leitlinie
ist eine systematisch entwickelte Entscheidungshilfe über die angemessene ärztliche (pflegerische) Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen, sie ist eine wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Handlungsempfehlung und Orientierungshilfe im Sinne von Handlungs-
und Entscheidungskriterien, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss.
Leitlinien (Guidelines)
Leitlinien (Guidelines)
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie –Herz-und Kreislaufforschung
Evidence based Medicine
Empfehlungsgrad (Experten)
I IIa IIb
Evidenzgrad
AV >>> N V >> N V > = N
BV >>> N V >> N V > = N
CV >>> N V >> N V > = N
V = Vorteil, N = Nachteil
Definition
Synkope (T-LOC = transient loss of consciousness)ist keine Erkrankungist ein Symptom vielschichtiger Ursachenist ein vorübergehender Bewußtseinsverlust infolge einer zerebralen Minderperfusion
Plötzlich einsetzendKurze DauerSpontan reversiblerVollständige Erholung
Pathophysiologie der Synkope
Eine Synkope tritt ca. 6-8 Sekunden nach Unterschreiten eines zerebralen Perfusiondrucks von 60-70 mm Hg auf.
BP = CO x TPVR: CO und/oder TPVR Synkope
Konditionen, die fälschlicherweise als Synkope diagnostiziert werden
Beschwerden mit partieller oder vollständiger LOC aber ohne zerebrale Hypoperfusion:
Epilepsie
Metabolische Entgleisungen (Hypoglykämie Hypoxie, Hyperventilation mit Hypocapnie)
Intoxikation
Vetrebrobasilärer TIA (transient ischemic attack)
Konditionen, die fälschlicherweise als Synkope diagnostiziert werden
Beschwerden ohne Beeinträchtigung des Bewußtseins:
Catalepsie
Drop attacks
Funktionell (psychogene Pseudosynkope)
TIA (infolge Karotisstenose)
Synkope im Kontext einer T-LOC
Klassifikation der SynkopenAutonom nerval vermittelte Synkope (Reflexsynkope)
Othostatische Synkope Kardiogene Synkope(Kardiovaskuläre oder Rhythmogene Synkope)
Vasovagale Synkope (Neurokardiogene Synkope)-
Emotionaler Stress: Angst, Schmerz, Anblick, Geräuch, Geruch
- nach längerem Stehen unter Anspannung
Primär autonome Dysregulation -
Parkinson Erkrankung, Multisystematrophie, Demenz)
Bradykardie-
Sinusknotensyndrom
(Brady-Tachy-Syndrom)
- AV-Knoten- Devicedysfunktion
Situationssynkope- Husten, Niesen-
Gastrointestinale Stimulation
(Schlucken, Stuhlgang, Viszeralschmerz)
- Miktion (post mictionem)- nach Belastung- postprandial- Andere (Lachen. Blasinstrumente)
Sekundäre autonome Dysregulation-
Diabetes, Amyloidose, Urämie, Rückenmaksverletzung
Tachykardie- Supraventrikular-
Ventrikulär (idiopathisch, sekundär bei struktureller Herzerkrankung oder Ionenkanalerkrankung, z.B. Brugada-Syndrom, Long-QT-
Syndrom)
Karotissinus-Syndrom Drogen/Medikamenten-induzierte orthostatische Hypotension-
Alkohol, Vasodilatanzien, Diuretika,
Phenothiazine, Antidepressiva
Drogen/Medikamenten-induzierte Proarrhythmie
Volumenmangel-
Hämorrhagie, Diarrhoe, Erbrechen, M. Addison)
Strukurelle HerzerkrankungHerz: Klappenfehler (AS), AMI, HOCM, Myxom, PerikardtamponadeAndere: Embolie, Aortendissektion, PAH
www.escardio.org/guidelines
Klassifikation und PathophysiologiePathophysiologische Grundlagen
ANF = autonomic nervous failureANS = autonomic nervous systemBP = blood pressureOH = orthostatic hypotension
www.escardio.org/guidelines
www.escardio.org/guidelines
EpidemiologieAltersverteilung und Häufigkeit
Erfassen von SynkopenNotaufnahme – Allgemeinarzt -Bevölkerung
ED = Emergency Department
Häufigkeit von Synkopen verschiedener Genese und Bezug zum Ater
Basisdiagnostik
Anamnese
Körperliche Untersuchung
EKG
RR-Messung im Stehen und im Liegen
Basisdiagnostik
Ziel der Basisdiagnostik:
Überlebensprognose und Rezidivwahrscheinlichkeit abschätzen
1. Ist der Bewusstseinsverlust tatsächlich auf eine Synkope zurückzuführen?
2. Liegt eine organische Herzerkrankung vor?
3. Gibt es anamnestische oder klinische Zeichen, die eine bestimmte Diagnose sehr wahrscheinlich machen?
Wesentliche Fragen und Befunde bei plötzlicher Bewusstlosigkeit
Anamnese
Vasovagale Synkope ist diagnostiziert, wenn der Synkope Ereignisse wie Angst, starke Schmerzen, emotionale Bedrängung, Eingriff (Venenpunktion) oder längeres Stehen sowie typische Prodromi vorausgingen.Situationssynkope ist diagnostiziert, wenn die Synkope während oder unmittelbar nach Miktion, Defäkation, Husten oder Erbrechen auftrat.Orthostatische Synkope ist diagnostiziert, wenn eine dokumentierte orthostatische Hypotension in Verbindung mit eine Synkope oder Präsynkope auftrat.Kardiale, ischämie-getriggerte Synkope ist diagnostiziert, wenn die Synkope zusammen mit EKG Veränderungen als Hinweis für eine akute Myokardischämie mit oder ohne Myokardinfarkt auftrat.Arrhythmie-induzierte Synkope ist diagnostiziert bei folg. EKG-Veränderungen:
−
Sinusbradykardie < 40 bpm, SA-Block oder Sinuspausen > 3s−
AV-Block II°
Mobitz II, AV-Block III°−
Alternierender LSB oder RSB−
Schnelle paroxysmale SVT oder VT−
HSM oder ICD-DysfunktionKardiovaskuäre Synkope ist diagnostiziert, wenn die Synkope im Zusammhang mit Myoxom, AS, PAH, Lungenembolie oder Aortendissektion auftrat.
Ergebnisse der Basisdiagnostik sind ausreichend für Ursache der Synkope:
Diagnostischer Algorithmus bei Patienten mit transientem Bewusstseinsverlust
Von Scheidt W. et al Kardiologe 2010* Evtl . Laboruntersuchungen, **ernsthafte Ereignisse
Weiterführende Diagnostik
ine Reihe oft veranlasster Untersuchungen ist nur selten indiziert:
1. aborchemische Untersuchungen nur bei Diabetikern und Patienten mit Verdacht auf Hypovolämie
2. achärztliche-neurologische Untersuchung nur bei eigen- oder fremdanamnestsich berichteter neurolog. Symptomatik
3. sychiatrische Abklärung nur bei Verdacht auf psychogene
Weiterführende Diagnostik
eiterführende Untersuchungen wie Doppler- bzw. Duplexsonographie der Halsgefäße, Computertomographie oder MR-Tomographie des Gehirns sind nur in begründeten Ausnahmefällen gerechtfertigt
Seidl K. et al Z Kardiol 94:592-612 (2005)
EmpfehlungenStehversuch (Schellong-Test)
Indikation (Basisdiagnostik)−
Vor Stehversuch min. 5 min liegen, Messung mit Blutdruckmessgerät nach (1 oder) 3 min
−
Kontinuierliche Schlag-zu-Schlag Messung kann in Zweifelsfällen hilfreich sein
Diagnostischer Stellenwert−
Stehversuch ist positiv, bei symptomatischem oder asymptomatischem Abfall von SBP ≥
20 mmHg oder
DBP ≥
10 mm Hg oder Abnahme des SBP auf < 90 mmHg
EmpfehlungenKarotissinusmassage (CSM)
Indikation−
CSM ist indiziert bei Patienten > 40 Jahre mit Synkopen unklarer Ursache ohne wegweisenden Befund nach Basisdiagnostik
−
CSM sollte nicht bei TIA, Schlaganfall und Strömungsgeräusch durchgeführt werden
Diagnostischer Stellenwert−
CSM ist positiv, wenn Synkope mit Asystolie > 3 s oder RR- Abfall ≥
50
mm Hg auftritt
EmpfehlungenEchokardiographie
Indikation−
Echokardiographische Untersuchung wird empfohlen, wenn der Verdacht auf eine strukturelle Herzerkrankung besteht.
Diagnostischer Stellenwert−
Echokardiographie ist nützlich bei kardialem Substrat: Aortenklappenstenose, hypertroph obstruktive Kardiomyopathie (HOCM). Vorhofmyxom, Perikardtamponade, Lungenembolie, Aortendissektion, kongenitale Anomalie der Koronargefässe
EmpfehlungenBelastungsergometrie
Indikation−
Belastungsergometrie ist indiziert, wenn die Synkope während oder kurz nach körperlicher Belastung auftritt
Diagnostischer Stellenwert−
Belastungsergometrie dient zur Reproduktion von Synkopen, die unter oder während der Belastung mit EKG Veränderungen oder Hypotension einhergehen.
−
Belastungsergometrie diagnostiziert belastungsabhängiges Auftreten von AV-Blockierungen (AV Block II°, Mobitz II oder AVB III°)
EmpfehlungenEKG-Monitoring: Langzeit-EKG
Indikation−
Verdacht auf arrhythmogene Synkope
Diagnostischer Stellenwert−
Symptom-Rhythmus-Korrelation im Holter > 12h nur 19%
−
Detektion von Indikatorarrhythmien im 24h-Holter 15%, im 48h Holter 26%, im 72h-Holter 30%
EmpfehlungenEKG-Monitoring:
Externer Ereignis-Rekorder
Indikation−
Verdacht auf arrhythmogene Synkope bei häufiger Symptomatik (Rezidivintervall 2 bis 4 Wochen), motivierter Patient
Diagnostischer Stellenwert−
Dokumentationszeitraum von etwa 4 Wochen
−
Symptom-Rhythmus-Korrelation zwischen 20 und 47%
EmpfehlungenEKG-Monitoring:
Implantierbare Ereignis Rekoder (ILR)
Indikation−
Dringender Verdacht auf arrhythmogene Synkope, seltene rezidivierende Synkopen
Diagnostischer Stellenwert−
Symptom-Rhythmus-Korrelation zwischen 59 und 88%
−
Nachteile: operativer Eingriff mit 3% Blutungs- und Infektionsrisiko, kosmetische Beeinträchtigung, Kosten
Fallbericht:Externer 3K-Loop-Rekorder
Fall−
58jähriger Architekt, herzgesund, schlank, keine Vorerkrankungen
Anamnese−
Rezidivierende Synkopen von ca. 30 Sekunden Dauer
−
Normales EKG
−
LZ-EKG, Bel.-EKG, Carotis-Doppler o.B.
−
Vorstellung zu 3K-Loop-Rekorder über 1 -2 Wochen
Patient remote control
Externer 3K-Loop-Rekorder
Episode 1nach 56 h
Externer 3K-Loop-Rekorder
Episode 2nach 72 h
EmpfehlungenKipptisch (Tilt Testing)
Indikation−
Abklärung von vasovagalen Synkopen (Reflexsynkopen) bei Hochrisikobedingungen (Verletzungsrisiko bei Synkopen, Berufsrisiko)
Diagnostischer Stellenwert−
Exakte Durchführung des Kipptisch-Protokolls, Isoproterenol, Nitrogylyerin
−
Positiver Test bei Auslösen einer Synkope, Bradykardie < 40/min über 3 Min., totaler AV-Block, Asystolie > 3 Sek., SBP < 90 mmHg
EmpfehlungenElektrophysiologisch Untersuchung
(EPU)
Indikation−
Hochgradiger Verdacht auf arrhythmogene Synkope (Keine Indikation bei herzgesunden Pat mit normalem EKG ohne Palpitationen)
Diagnostischer Stellenwert−
Sinusbradykardie/ verlängert korrigierte Sinusknotenerholungszeit
−
Bifaszikulärer Block und höhergradiger infrahisärer Block
−
Induktion monomorpher VT (HF gilt als unspezifisch bei Post-MI)
−
Polymorphe VT bei Brugada Syndrom oder ARVD
Kostenträgerrechnung als Element zur Krankenhaussteuerung
Prozessorientierte KostenträgerrechnungK. Emmerich, Leiter Controlling, KK LK Amberg-Sulzbach
Schlussfolgerung
Synkope ist eine vorübergehende Bewusstlosigkeit mit
plötzlichem Beginn, kurzer Dauer und vollständiger
Erholung
Die Leitlinien empfehlen eine Basisdiagnostik, mit der
in der Mehrzahl die Diagnose gesichert werden kann
Keine Schrottschussdiagnostik
Weiterführende Diagnostik ist nur in bestimmten Fällen
erforderlich
30% aller Synkopen bleiben ungeklärt