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Umgang mit Unterrichtsstörungen
Weiterbildung SZPI vom 17. September 2015Urs Büeler, Dozent PHSZ
aus: Bulletin. Für die Schulzahnpflege, Nr. 126, Frühjahr 2015
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http://www.schulzahnpflege.ch/fileadmin/user_upload/6_Schulzahnpflege/Vademecum_Web.pdf
Was mache ich, wenn Schulkinder während der Schulzahnpflege stören?
Wer stört wen, weshalb, womit, bei was?
Ziel:
Auf der Suche nach möglichen Präventions- und Interventionsmassnahmen werden wir gemeinsam verschiedene Tipps und Tricks finden, die zwar nicht immer helfen, dafür Sicherheit im Umgang mit Unterrichtsstörungen geben.
www.surfboard.ch/2015wbszpi
Unterrichtsstörungen
Unterrichtsstörungen sind Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden kann, teilweise oder ganz ausser Kraft setzen.
Lohmann, Gert: Mit Schülern klarkommen, 2003
Eine Unterrichtsstörung liegt dann vor, wenn der Unterricht gestört ist, d.h. wenn das Lehren und Lernen stockt, aufhört, pervertiert, unerträglich oder inhuman wird.
Winkel, Rainer: Der gestörte Unterricht, 2011, 10.Auflage
Unterrichtsstörungen
Äussere StörungenStundenplan, Wetter, Lärm, …
Innere Störungenphysisch > Herumlaufenpsychisch > Konzentration
Verursacher Lernende, Lehrpersonen oder Umwelt
http://www.viktoriaschule-aachen.de/
aus: Broschüre: 5000 Frauen — Millionen gesunder Zähne — Stiftung SZPI 2008
http://www.schulzahnpflege.ch/fileadmin/user_upload/3_Bulletins/2015/web_Bulletin127_d.pdf
Wer stört wen?
Unterrichtsstörungen sind Signale der Schulkinder, die etwas mitteilen wollen:
• dass der Unterrichts langweilig und uninteressant ist.
• dass man ganz andere Lern-, Lebens- und Beziehungsprobleme hat.
• dass die Normen der Lehrperson fragwürdig sind.
• dass man zwar lernen möchte, aber eben anderes auf eine andere Weise.
• dass einem der Sinn des schulischen Unterrichts fehlt.
• dass…
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... vielfältige UrsachenstrukturEntwicklungsprobleme
Hirnfunktionsstörungen
Familiäre ErziehungsfehlerSchulische Erziehungsfehler
Unterrichtsfehler
Gesellschaftliche Einflüsse
Aktuelle Familienprobleme
Störungsfreier Unterricht ist einedidaktische Fiktion!
Lohmann, Gert: Mit Schülern klarkommen, 2003
Eigene Erfahrungen
• Was ist mir gut gelungen?
• Was hat mich gestört?
• Was möchte ich wissen?
Was versteht man unter Klassenmanagement bzw. Klassenführung?
Unter Klassenmanagement werden alle Massnahmen der Lehrperson verstanden, die dazu führen, dass die Lehr-Lernprozesse in der Schule möglichst reibungslos und störungsarm ablaufen und die Kinder sich möglichst aktiv, engagiert und konstruktiv mit den Lerninhalten auseinandersetzen können.
Classroom Management
Ohne ein gutes Klassenmanagement ist ein wirksames Unterrichten nicht möglich. In einer Klasse mit vielen Störungen können kein effektiver Unterricht und motiviertes Lernen stattfinden.
Das Ausmass der aktiven Lernzeit im Unterricht ist derbeste Prädiktor für den Schulerfolg.
A. Der traditionelle Ansatz: Reagieren mit Belehrung und Sanktionen
B. Klassenmanagement als konstruktives Agieren in der Klasse
C. Klassenmanagement als vorausplanendes Handeln
Drei Ansätze des Classroom Managements
Es wird auf die Wirksamkeit von Sanktionen und Belehrungen gesetzt. Der Glaube an die Einsicht der Kinder spielt eine wichtige Rolle.
A. Der traditionelle Ansatz: Reagieren mit Belehrung und Sanktionen
A. Der traditionelle Ansatz: Reagieren mit Belehrung und Sanktionen
Wenn sich eine Lehrperson überwiegend positiv und respektvoll verhält, darf strafendes Verhalten durchaus zu ihrem Verhaltensrepertoir gehören.
Der traditionelle Ansatz muss aber zwingend erweitert werden durch die Belohnung von erwünschtem Verhalten.
Wie können Belohnung und Bestrafung in der Schule sinnvoll und wirksam eingesetzt werden?
Welche sinnvollen Belohnungs- und Bestrafungssysteme für die Schule haben Sie kennen gelernt?
Bedingungen sinnvoller und wirksamer Strafen:
- Das Kind versteht, wofür es bestraft wird (eine Regel wurde
vereinbart).
- Die Strafe steht in inhaltlichem Bezug zur verletzten Regel
und wird fair eingesetzt.
- Die Strafe folgt möglichst unmittelbar auf die Verletzung
der Regel.
- Die Strafe ist nur von kurzer Dauer und nicht ansteigend in
der Stärke.
Bedingungen sinnvoller und wirksamer Strafen:
- Jede Regelübertretung wird bestraft (Konsequenz).
- Die Kinder sollen durch die Strafe eine Chance zur
Wiedergutmachung, zur Kompensation des Fehlverhaltens
erhalten.
- Die Bestrafung darf nicht durch verletzende Äusserungen
begleitet sein.
- Durch die Bestrafung soll der Unterrichtsprozess möglichst
wenig gestört werden.
Vorsicht:
Strafen können auch als positive Verstärkung wahrgenommen
werden (Aufmerksamkeit erlangen) oder für die Kinder sehr
belastend wirken.
Bei Bestrafungen ist eher Zurückhaltung angezeigt.
Besser:
- Verstärkung/Belohnung von erwünschtem Verhalten
- Die Lehrperson ist ein wichtiges Verhaltensmodell.
Matrix der Verstärkung
Hinzufügen/Auftreten Wegnehmen/Aufhören
angenehme Reize/Zustände
Erleben einer angenehmen Konsequenz
= Belohnung
= positive Verstärkung
Wegnahme einer angenehmen Konsequenz
= Bestrafung II
(passive Bestrafung)
unangenehme Reize/Zustände
Erleben einer unangenehmen Konsequenz
= Bestrafung I
(aktive Bestrafung)
Wegfall einer unangenehmen Konsequenz
= Entlastung
= negative Verstärkung
erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten / stärkt Verhaltenstendenzenvermindert die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten
Nicht die Art der Disziplinierungsmassnahmen bei
Unterrichtsstörungen sind entscheidend,
sondern die Art und Weise, wie Lehrpersonen
während des Unterrichts in der Klasse agieren,
d.h. den Unterrichtsverlauf organisieren,
überwachen und durch Abwechslung für eine
kognitiv aktivierende Lernumgebung sorgen.
(Kounin, 1976, 2006)
B. Klassenmanagement als konstruktives Agieren in der Klasse
Es ist wichtig, die Aufmerksamkeit der Kinder zu gewinnen und
den Unterricht aktivierend zu gestalten.
Vor allem agieren,
nicht nur reagieren.
Vier Merkmalsbereiche einer effektiven Klassenführung:
1. Allgegenwärtigkeit und Überlappung
Der Lehrer vermittelt den Schülern durch sein Verhalten das Gefühl,
dass er alle Vorgänge in der Klasse mitbekommt („Augen im
Hinterkopf“) und gegebenenfalls einschreiten wird. Er kann zudem bei
gleichzeitig auftretenden Problemen die Aufmerksamkeit simultan auf
mehrere Dinge richten.
Vier Merkmalsbereiche einer effektiven Klassenführung:
2. Zügigkeit des Unterrichts
Im Unterricht geht es flüssig, mit Schwung, ohne grossen
Leerlauf und ohne Sprünge voran. Abschweifungen vom
Thema werden vermieden.
Vier Merkmalsbereiche einer effektiven Klassenführung:
3. Gruppenaktivierung
Die Lehrperson macht durch ihr Verhalten deutlich, dass sie von allen
Schülern Aufmerksamkeit und Konzentration fordert. Allen Schülern
wird das Gefühl vermittelt, dass ihre Teilnahme beobachtet und
bewertet wird. Die ganze Klasse wird aktiviert und beschäftigt, wenn
die Lehrperson sich einem Schüler zuwendet.
Vier Merkmalsbereiche einer effektiven Klassenführung:
4. Abwechslung und Herausforderung
Die Lehrperson variiert die Unterrichtsmethode, um
Langeweile zu verhindern. Die Lernaktivitäten sollen als
abwechslungsreich und herausfordernd erlebt werden.
Die Lehrperson soll bei Störungen durch
Schülerinnen und Schüler zudem auf eine
klare, feste und nicht auf zu harte Weise
reagieren.
B. Klassenmanagement als konstruktives Agieren in der Klasse (Kounin, 1976, 2006)
Führungstipps
Unterrichtsstörungen sollen
vorweggenommen werden, in dem
vor dem Unterricht sorgfältig geplant und
vorbereitet wird.
(Evertson et al., 1983, 2012)
C. Klassenmanagement als vorausplanendes Handeln
Wie können Lehrpersonen durch vorausplanendes Handeln Unterrichtsstörungen vermeiden?
Das vorausplanende Handeln
bezieht sich gemäss diesem Ansatz vor allem auf drei Bereiche:
- die Einrichtung des Klassenzimmers
- die geltenden Regeln und Rituale
- den Unterricht
Foto: www.ublu.ch
- Klassenraum einrichten, so dass Störungen möglichst vermieden werden
- Regeln und Verfahrensweisen planen, kommunizieren und mit Kindern einüben
- Konsequenzen für angemessenes und unangemessenes Verhalten festlegen
- Strategien für potentielle Probleme entwickeln
- Aufmerksame Beaufsichtigung der Kinder
- Aktivitäten zur Entwicklung einer Klassengemeinschaft durchführen
- den Kindern Verantwortlichkeiten zuweisen
- Unterricht den unterschiedlichen Fähigkeiten der Kinder anpassen (Differenzierung)
- Klarheit in der Kommunikation und im Aufbau des Unterrichts
Merkmale eines effektiven vorausplanenden Klassenmanagements:
Der Unterricht muss so gestaltet werden, dass
- die Kinder Kompetenzerfahrungen machen
- die Kinder Autonomie, Selbständigkeit erfahren und erlernen
- die Kinder sich sozial eingebunden und akzeptiert fühlen.
Klassenmanagement im Sinne der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 1993)
Strategien der Klassenführung
• Vorausplanende Prävention – Regeln und Organisation
• Prävention durch breite Aktivierung
• Prävention durch Unterrichts«fluss»
• Prävention durch Präsenz- und Stoppsignale
(Nolting, 2011)
Intervention und Prävention
• Erwartungen / Regeln > Kommunikation
• Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung
• Körpersprache / Haltung / Stimme > Auftreten
• Motivation klären
• Beziehung
• Name der Kinder kennen
• Interesse an den Kindern zeigen
• Aufträge klar formulieren
• Unterrichtsorganisation
http://www.schulzahnpflege.ch/fileadmin/user_upload/3_Bulletins/2015/web_Bulletin127_d.pdf
1. Lösen Sie sich von der Vorstellung,Sie könnten bei allen Schülern Interessewecken. Aber: Zeigen Sie, was Sie interessiert. Seien Sie leidenschaftlich dabei! Man solle sich ruhig ein wenig der Lächerlichkeitpreisgeben: «Nachgeahmt wird mansowieso.»2. Machen Sie den Schülerinnen undSchülern klar: Ich will, dass ihr daslernt.3. Unterstellen Sie Kompetenz: Ihr könntdas. Ich glaube an euch.4. Zeigen Sie Initiative: Ich helfe euchdabei, die Ziele zu erreichen.
http://www.schulzahnpflege.ch/fileadmin/user_upload/3_Bulletins/2015/web_Bulletin126_d.pdf
http://www.schulzahnpflege.ch/fileadmin/user_upload/3_Bulletins/2014/web_Bulletin123_d.pdf
http://www.schulzahnpflege.ch/fileadmin/user_upload/6_Schulzahnpflege/Vademecum_Web.pdf
1. Welche Regeln gelten in der Klasse bzw. in der Schule?
2. Wie kamen die Regeln zustande?
3. Wie wurden die Regeln den Schülerinnen und Schülern
erklärt und transparent gemacht?
4. Was passiert, wenn Schülerinnen und Schülern gegen diese
Regeln verstossen?
5. Hat die Lehrperson ein "Bestrafungssystem" (Vorwarnung,
Ultimatum, Strichlisten, usw.)
(Vergleich Lehrer- und Schülerperspektive)
6. Finden die Schülerinnen und Schülern die Regeln bzw.
Sanktionen gerecht?
Disziplin und Bestrafung
aus: Bulletin. Für die Schulzahnpflege, Nr. 123, Sommer 2014
Handlungsalternativen
• Klasse halbieren
• Mit oder ohne Klassenlehrperson im Schulzimmer
• Klassenlehrperson putzt die Zähne auch
• ohne Zahnpasta putzen
• vorzeigen und zu Hause putzen lassen
• Zimmer wechseln
• Schwierige Schulkinder nach draussen schicken
• Zusatzstunde für störende Schulkinder
• …
aus: Bulletin. Für die Schulzahnpflege, Nr. 115, Sommer 2012
Literaturverzeichnis
• Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39, 223-238.
• Emmer, E. T., & Evertson, C. M. (2012). Classroom Management for Middle and High School Teachers (Revised.). Boston: Addison Wesley Pub Co Inc.
• Keller, G. (2011). Disziplinmanagement in der Schulklasse. Unterrichtsstörungen vorbeugen - Unterrichtsstörungen bewältigen (2. Aufl.). Verlag Hans Huber.
• Kounin, J. S. (2006). Techniken der Klassenführung: Standardwerke aus Psychologie und Pädagogik. Reprints. Waxmann.
• Lohmann, G., & Meyer, H. (2003). Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten. Cornelsen: Scriptor.
• Nolting, H.-P. (2011). Störungen in der Schulklasse: Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung (9. Aufl.). Beltz.
• Winkel, R. (2011). Der gestörte Unterricht: Diagnostische und therapeutische Möglichkeiten (10. Aufl.). Schneider Hohengehren.
• Bulletin SZPI. Für die Schulzahnpflege: http://www.schulzahnpflege.ch/bulletin.html