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Organisationsethik Der Weg vom konkurrierenden zum kooperativen Handeln 1. Ausgangslage 1.1. Menschen wollen und können (in Kleingruppen) miteinander kooperieren 1.2. Konkurrenz und Machtkampf ist eine (Zwischen)Etappe in jeder Gruppenentwicklung 1.3. Gruppen verstehen sich (auch innerhalb von Organisationen) als Konkurrenten (Grabenkämpfe zwischen den Abteilungen) 2. Wege, Gruppen zu kooperierenden Verhalten zu bewegen (interne Netzwerke) 2.1. erfolgreiche Beispiele (regionaler bzw. überregionaler Netzwerke) Die Identifikation mit der Organisation ist eine wichtige Voraussetzung für Engagement und Einsatzbereitschaft bei der alltäglichen Arbeit. Doch was ist organisationale Identifikation? Und wie kann man sie fördern? 1 - Einigung der Mongolen unter Tschingis Khan - Völkerschlacht - Schlacht am Little Bighorn - Frühe (!) Kirche (Bibel, Bischof, Bekenntnis) - Erfolgreiche Firmen wie die in Silicon Valley (USA) 2 2.2. eingesetzte Strategien 2.2.1. verbindende Ideen und Ziele (?) - reichen nicht aus 2.2.2. gemeinsame Feinde und Bedrohungen - reichen nicht aus (Beispiel: Bürgerkrieg in Griechenland 1944-49) 2.2.3. Macht und Druck 2.2.4. Commitment, Corporate Identity (wodurch?) 2.2.5. Group Resource Management-Training (GRM-T) 2.2.6. interne Netzwerke 1 Stephan Böhm: Organisationale Identifikation als Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung: Eine wissenschaftliche Analyse mit Ansatzpunkten für das Management 2 Stanford Industrial Park ein Industriegebiet neben der Stanford University mit Firmen wie: Intel, Google, AMD, Adobe, Symantec, Yahoo, eBay, Nvidia, Hewlett-Packard, Oracle, Cisco Systems, Facebook Inc, amazon.com und Apple.

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OrganisationsethikDer Weg vom konkurrierenden zum kooperativen Handeln

1. Ausgangslage1.1. Menschen wollen und können (in Kleingruppen) miteinander kooperieren1.2. Konkurrenz und Machtkampf ist eine (Zwischen)Etappe in jeder Gruppenentwicklung1.3. Gruppen verstehen sich (auch innerhalb von Organisationen) als Konkurrenten

(Grabenkämpfe zwischen den Abteilungen)2. Wege, Gruppen zu kooperierenden Verhalten zu bewegen (interne Netzwerke)

2.1. erfolgreiche Beispiele (regionaler bzw. überregionaler Netzwerke)Die Identifikation mit der Organisation ist eine wichtige Voraussetzung für Engagement und Einsatzbereitschaft bei der alltäglichen Arbeit. Doch was ist organisationale Identifikation? Und wie kann man sie fördern?1

- Einigung der Mongolen unter Tschingis Khan- Völkerschlacht- Schlacht am Little Bighorn- Frühe (!) Kirche (Bibel, Bischof, Bekenntnis)- Erfolgreiche Firmen wie die in Silicon Valley (USA)2

2.2. eingesetzte Strategien2.2.1. verbindende Ideen und Ziele (?) - reichen nicht aus2.2.2. gemeinsame Feinde und Bedrohungen - reichen nicht aus

(Beispiel: Bürgerkrieg in Griechenland 1944-49) 2.2.3. Macht und Druck2.2.4. Commitment, Corporate Identity (wodurch?)2.2.5. Group Resource Management-Training (GRM-T)2.2.6. interne Netzwerke

3. Netzwerke knüpfen3.1. Gegenkräfte – unwirksame Konfliktlösungsstrategien3.2. Netzwerkförderer –

3.2.1. Wir-Gefühl3.2.2. Teammanager3.2.3. Organisationskultur (Erinnerungs-, Streit-, Feierkultur …)3.2.4. Doppelmitgliedschaften

4. offene Aufgaben4.1. (was verbindet) Europa (Christentum, Aufklärung …)?4.2. Kliniken, Stationen und Abteilungen im Klinikum4.3. Zusammenschluss von Kirchgemeinde A und B4.4. Zusammenarbeit Verfassungsschutz - Polizei

1 Stephan Böhm: Organisationale Identifikation als Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung:

Eine wissenschaftliche Analyse mit Ansatzpunkten für das Management 2 Stanford Industrial Park ein Industriegebiet neben der Stanford University mit Firmen wie: Intel, Google, AMD, Adobe, Symantec, Yahoo, eBay, Nvidia, Hewlett-Packard, Oracle, Cisco Systems, Facebook Inc, amazon.com und Apple.

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1. AusgangslageIm menschlichen Verhalten sind archaische Muster vorherrschend.3

1.1. Menschen wollen und können (in Kleingruppen) miteinander kooperierenErwiesen ist: Darwin (struggle of life) und Dawkin („das egoistische Gen“) irren.Spieltheorie …

1.2. Konkurrenz und Machtkampf ist eine (Zwischen)Etappe in jeder GruppenentwicklungStufen der Gruppenentwicklung (siehe Tabelle am Ende)

1Anfang

Fremdsein und Orientierung

2Machtkampf

Platz finden,Grenzen ausloten

3Vertrautheit

sich nach und nach sicher fühlen

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UnterscheidungAnderssein und doch

dazu gehören

5Abschied

sich trennen und ablösen

1.3. Gruppen verstehen sich (auch innerhalb von Organisationen) als KonkurrentenGruppen können von sich aus nicht kooperieren. Es gibt dafür keine angeborenen bzw. eingegrabenen Muster.„Abteilungsegoismus“ in Banken, Unternehmen, sozialen Einrichtungen -> „Interessenskonflikte“(Dienstvertretung in der anderen Wohngruppe ist so, als ob „Feindesland betreten würde.Untergruppen sabotieren sich gegenseitig – wenn dieser Konflikt nicht bearbeitet wird!)Lot und Abraham müssen sich trennen. Gen 13,5: „Auch Lot, der mit Abram besaß Schafe, Rinder und Zelte. Darum ertrug das Land nicht mehr, dass sie beisammen blieben …(7) Es entstand Streit zwischen den Hirten der Herden Abrams und den Hirten der Herden Lots.“Gen 4,2: „Abel wurde ein Schafhirt, Kain aber wurde ein Ackerbauer.“Ackerbauern und Viehzüchter erzeugen Überfluss -> handeln an Tauschzentren -> Überfall und Vernichtung durch jagende Gruppen -> späte Reaktion = Hierarchie4 Lösung: Ein Zentrum koordiniert die Gruppen.Folge: Neues Konfliktfeld: Zentrale gegen Außenstellen

3 „Die Evolution der Medizin zur Evolutionären Medizin“4 Gerhard Schwarz: Die `Heilige Ordnung´ der Männer. Patriarchalische Hierarchie und Gruppendynamik, Opladen 1985

Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,behaart und mit böser Visage.Dann hat man sie aus dem Urwald gelocktund die Welt asphaltiert und aufgestockt,bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,in zentralgeheizten Räumen.Da sitzen sie nun am Telefon.Und es herrscht noch genau derselbe Tonwie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.Die Erde ist ein gebildeter Sternmit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.Sie jagen und züchten Mikroben.Sie versehn die Natur mit allem Komfort.Sie fliegen steil in den Himmel emporund bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,das verarbeiten sie zu Watte.Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem MundDen Fortschritt der Menschheit geschaffen.Doch davon mal abgesehen undbei Lichte betrachtet sind sie im Grundnoch immer die alten Affen.

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2.1. erfolgreiche Beispiele

- Einigung der Mongolen unter Tschingis KhanDurch geschickte Diplomatie gelang es Tschingis Khan, seine Gegner nach und nach für sich zu gewinnen oder auszuschalten. Als Anreiz für den unbedingten Gehorsam seiner Kämpfer versprach er ihnen reiche Beute auf den noch kommenden Kriegszügen. In blutigen Kämpfen besiegte er die vier Stämme der Tataren und nach den Angaben der „Geheimen Geschichte der Mongolen“ ließ er bei den Besiegten nur diejenigen am Leben, welche nicht größer als die Achshöhe eines Ochsenkarren waren. 1203 schlug er die Keraiten unter Toghril Khan und Nilkha und 1204 die Naimanen unter Tayang Baybugha im Westen. Damit waren die letzten Hürden auf dem Weg zur uneingeschränkten Macht überwunden.

- VölkerschlachtVom 16. bis 19. Oktober 1813 kämpften die Truppen der Verbündeten Österreich, Preußen, Russisches Kaiserreich und Schweden gegen die Truppen Kaiser Napoleon Bonapartes. Mit bis zu 600.000 beteiligten Soldaten aus über einem Dutzend Völkern war dieser Kampf die erste Feldschlacht der Geschichte in der das Handeln so vieler verschiedener nationaler Armeen erfolgreich koordiniert werden konnte.

- Schlacht am Little BighornIn der Schlacht am Little Bighorn am 25. Juni 1876 wurde das 7. US-Kavallerieregiment unter George Armstrong Custer von Indianern der Lakota-Sioux, Arapaho und Cheyenne unter ihren Führern Sitting Bull, Crazy Horse und Gall am Little Bighorn River im heutigen Montana vernichtend geschlagen.

- Frühe (!) Kirche (Bibel, Bischof, Bekenntnis)- Erfolgreiche Firmen wie Porsche … Silicon Valley (USA)

Als frühes Beispiel von Netzwerken zwischen Organisationen dient der vorindustrielle Fernhandel. Einzelne, nur lose kooperierende Kaufleute waren auf Informations-, Koordinations- und Überwachungsleistungen der anderen Akteure im Netzwerk angewiesen. Die Ambivalenzen eines solchen vertrauensbasierten Netzwerkes zeigen Ulf Christian Ewert und Stephan Selzer am Beispiel der hansischen Kaufleute im Spätmittelalter auf. Dieses Vertrauen blieb – neben Hierarchie und Preisen - nach der Analyse von Christof Dejung auch innerhalb der horizontalen Netzwerke der schweizerischen Baumwollhändler Gebrüderc Volkart bis in das 20. Jahrhundert ein bedeutender Kontrollmechanismus.

Insbesondere im Handel mit Indien spielten stabile Handelsnetze mit einheimischen Brokern eine wichtige Rolle. Später wandelten sie sich durch neue Kommunikations- und Transportmittel zu integrierten Einkaufsagenturen der europäischen Fernhändler, wodurch es zu einer Mischung aus Hierarchie und Netzwerk kam.

2.2 eingesetzte Strategien – NetworkingVon Arthur Koestler wurde der Begriff Holon (von griech. ὅλος, hólos und ὀν, on „ganzes Seiendes“) geprägt und bedeutet ein Ganzes, das Teil eines anderen Ganzen ist. Es wird auch als "Ganzes/Teil" umschrieben.So ist zum Beispiel eine Zelle für sich ein Ganzes, jedoch Teil eines umfassenderen Ganzen, eines Organs, das wiederum Teil des Körpers ist. Solch eine Hierarchie von Holons ergibt eine Holarchie.Nach Ken Wilber5 hat jedes Holon "vier Triebe" zwei "Triebe" oder "Tendenzen": seine Ganzheit zu bewahren ("Agenz") und seine Teilheit zu bewahren

("Kommunion") ein "vertikales Vermögen" zur "Selbstranszendenz" (Bildung höherer Einheiten) und "Selbstauflösung"

(Zerfall in seine Bestandteile). Wenn man sich ein holares System als Schichtmodell vorstellt, ist seine besondere Eigenschaft, dass jede einzelne Schicht lediglich sich selbst zu reflektieren vermag, jedoch in der Lage ist, seine untergeordnete(n) Schicht(en) zu transzendieren. Dabei ist jedes Holon stets bestrebt autonom zu bleiben.

5 Wilber, Ken: Eine kurze Geschichte des Kosmos., 7. Aufl., Fischer, Frankfurt, ISBN 3-596-13397-1, S. 40 ff.

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Damit Unternehmen die Herausforderungen durch zunehmende Dynamisierung von Märkten durch die Globalisierung bestehen können, ist eine hohe Flexibilität erforderlich. Klassisch-hierarchische Unternehmensorganisationen weisen diesbezüglich Mängel auf, da sie oftmals nicht in der Lage sind, auf Veränderungen an den Märkten schnell zu reagieren. Aus diesem Nachteil heraus entwickelten sich in den letzten Jahren neue Organisationsstrukturen, die diese erforderliche Flexibilität mitbrachten. Die Idee ist, unternehmensintern und unternehmensübergreifend netzwerkartige Strukturen aufzubauen und so die Kompetenzen der einzelnen Organisationseinheiten zu bündeln, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Die Netzwerktheorie als Teil der Organisationstheorie ist ein sehr junges Thema in der betriebswirtschaftlichen Forschung. Wenn man überhaupt, trotz des rein deskriptiven Charakters der bisherigen Ansätze, von einer Theorie sprechen darf, dann steckt diese noch in den Kinderschuhen.

Sofern Netzwerkorganisation zwischen Unternehmen besteht, wird von interorganisationalen Netzwerken (oder externen (Unternehmens-) Netzwerken) gesprochen.

Dem gegenüber stehen Netzwerke innerhalb von Unternehmensorganisationen, den so genannten intraorganisationalen Netzwerken (oder internen Netzwerken).

Im Vergleich zu interorganisationalen Netzwerken, ist das intraorganisationale Netzwerk bisher nur mässig gut erforscht.

Netzwerktypen

Sydow (2010b) typisiert anhand der Matrix in der Abbildung unten die vier wichtigsten Netzwerkformen innerhalb von interorganisationalen Netzwerken. Im Rahmen dieser Arbeit genügt die Unterscheidung in vier generelle Typen.

Typologie von Unternehmensnetzwerken. Sydow (2001), S. 280

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Strategische Netzwerke (SN)

Charakteristisch für strategische Netzwerke ist, dass sie von mindestens einer fokalen Unternehmung strategisch und langfristig geführt werden. Diese ist häufig auch der Hersteller des Endproduktes (wie z.B. Daimler AG, IBM, …) und übernimmt sowohl die strategische „Meta-Koordination“ als auch die Definition expliziter Ziele des Netzwerkes.

Typische Beispiele sind in der Automobilindustrie, in der Mikroelektronik sowie im Dienstleistungssektor zu verorten. Sowohl formale als auch informelle Koordination sind von Bedeutung. Es bestehen vertragliche Regelungen (vor allem in Produktionsnetzwerken) genauso wie nicht festgeschriebene Koordinationsmuster.

Regionale Netzwerke (RN)

Einen gewissen Gegenpol zu den strategischen Netzwerken stellen die regionalen Netzwerke dar. Häufig sind sie ein Verbund aus kleineren und mittleren Unternehmungen (KMU), die auch auf einem regional begrenzten Raum angesiedelt sind. Weiterhin besteht ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darin, dass sie eine heterarchische bzw. polyzentrische Organisationsstruktur aufweisen. Es fehlt somit eine fokale Unternehmung, d.h. eine strategische Netzwerkführerschaft. Gerade in Zeiten verschärften Wettbewerbs nimmt die Attraktivität dieser Organisationsform zu, da den KMU hierdurch der Zugang zu Know- How, Technologie und neuen Märkten erleichtert wird. Beispielhaft sei hier das Silicon Valley in den USA zu nennen. Je nach Branche kann das Regionale Netzwerk dauerhaft oder temporär bestehen.

Projektnetzwerke (PN)

Als Abgrenzungsmerkmal zu den oben genannten Netzwerktypen haben Projektnetzwerke eine zeitliche Befristung. Sie bestehen häufig nicht länger als die Projektdauer es erfordert. In einigen Fällen überdauern die Beziehungen jedoch den Projektabschluss, um ggf. bei neuen Projekten im Netzwerk anzuknüpfen. Projektnetzwerke können sowohl mit als auch ohne einer fokalen Unternehmung auskommen. In Praxisfällen, z.B. in der Filmindustrie, kann die fokale Unternehmung der Produzent sein.

Virtuelle Unternehmung (VU)

Sydow und Möllering (2004, S. 251) definieren die VU als ein durch Informationstechnik unterstütztes Projektnetzwerk, dessen Produkte und Dienstleistungen den Kunden so erscheinen, als dass sie von einer integrierten Unternehmung stammen. In Produktionsnetzwerken tritt die VU oft als „virtuelle Fabrik“ auf, wie beispielsweise Euregio Bodensee, deren Netzwerk aus vielen KMU aus, u.a., dem Engeneering- und Designbereich besteht. Sie arbeiten auftragsbezogen und projektartig über einen gewissen Zeitraum zusammen (Sydow und Möllering 2004, S. 252).

Elementar für eine solche Zusammenarbeit ist die intensive Nutzung von Informations- Kommunikationstechnologien.

Interne Netzwerke Interne oder intraorganisationale Netzwerke bestehen aus Mitgliedern einer Organisation, die in intensiven sowohl horizontalen als auch vertikalen Beziehungen zueinander stehen. Interne Netzwerke sind vor allem durch kollegiale Beziehungen zwischen gleichrangigen Fachkräften und partnerschaftliche Zusammenarbeit charakterisiert. Sie beruhen in erster Linie auf persönlichen Kontakten. Derartige Netzwerke ergänzen oder überlagern die vorhandene Organisationsstruktur und sind deshalb der Sekundärorganisation zuzuordnen.

Literatur: Sebastian Wiesnet: Die Organisation als Netzwerk - Oder: Wie muss das intraorganisationale Netzwerk beschaffen sein, damit pathologische Formen der Arbeitsteilung verhindert und Innovationen ermöglicht werden?

„ Klassifikation und Aufbau von NetzwerkorganisationenNetzwerke sind aus vielen anderen Kontexten bekannt und zeichnen sich abstrakt formuliert durch ein System von Knoten und Kanten aus. Diese beiden Struktur gebenden Elemente sind im Fall von Netzwerkorganisationen durch Unternehmen bzw. Organisationseinheiten (Knoten) und die (teilweise sehr komplexen) Beziehungen zwischen diesen (Kanten) bestimmt (Sydow und Möllering 2004, S. 18).Als Abgrenzung zu verwandten Organisationskonzepten, wie klassischen Kooperationen (vor allem Allianzen und Joint Ventures), besitzen Netzwerke eine deutlich komplexere Beziehungsstruktur. Diese resultiert vor allem aus der größeren Zahl an Organisationseinheiten, da ein Netzwerk mindestens drei,

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häufig jedoch zehn und mehr Mitglieder zählt. Dies ist eines der deutlichsten Unterscheidungskriterien, die in der Literatur zu finden ist. Andere Betrachtungsebenen, wie Entstehungsmotive und Erfolgsfaktoren weisen deutlich mehr Schnittmengen zu (klassischen) Unternehmenskooperationen auf. Dies erscheint jedoch nicht verwunderlich, da in einigen theoretischen Ansätzen die Netzwerktheorie als Erweiterung der Kooperationstheorie gesehen wird (z.B. Liu 2008).Die Einordnung von Netzwerken in die ökonomische Theorie der Koordinationsformen Markt und Hierarchie ist in der Literatur sehr verschieden. So gibt es Autoren, die Netzwerkorganisationen als Zwischen- bzw. Hybridstruktur von Markt und Hierarchie sehen, wogegen ebenso die Meinung vertreten wird, Netzwerke seien eine eigenständige Koordinationsform (Schell 2006, S. 10).6 Intraorganisationale NetzwerkeEine vergleichsweise untergeordnete Rolle in der Literatur spielen die Netzwerke innerhalb von Organisationen, die als intraorganisationalen Netzwerke bezeichnet werden. Die prinzipielle Idee von Netzwerkorganisationen, nämlich die Auflösung der Hierarchie, wird in internen Netzwerken nur bedingt berücksichtigt, da sie in eine bestehende Organisation (mit hierarchischem Charakter) eingebettet werden. Da die Austauschbeziehungen häufig informell ablaufen, ähneln sie sozialen Netzwerken und stellen somit eine Sekundärorganisation dar (Bergmann und Garrecht 2008, S. 173 – 174). Intraorganisationale Netzwerke lassen sich prinzipiell in drei Arten unterscheiden (Berghoff und Sydow 2007, S. 36):1. Personale NetzwerkePersonale Netzwerke bezeichnen informelle Beziehungen in Organisationen, um Informationsflüsse zu beschleunigen, Komplexität zu reduzieren und als Innovationstreiber zu dienen. Gerade aufgrund dieser Vorzüge werden sie heute vielfach zum Organisieren genutzt. Manager beziehen sich sowohl auf formale und informelle Strukturen und reproduzieren bzw. transformieren diese, um koordiniertes Handeln zu befördern.2. Netzwerke zur Vermarktlichung unternehmensinterner KoordinationEin ebenfalls wichtiges Konzept sind organisatorische Veränderungen, die darauf abzielen, eine größere Marktnähe zu erreichen. Dabei beziehen sich diese Veränderungen auf die Bildung verschiedener Center (insb. Profit-Center) und auf rechtliche Verselbstständigung von Unternehmensteilen.3. Netzwerke in multinationalen, insbesondere transnationalen UnternehmenTransnationale Unternehmen unterscheiden sich von multinationalen (oder global agierenden) Unternehmen dadurch, dass sie nicht nur eine große Marktnähe aufweisen und variabel aufgestellt sind, sondern auch eine Internationalisierungsstrategie fahren. Diese kann so aussehen, dass durch die Konzentration auf Kompetenzen an einem Ort und die Verknüpfung von unternehmensweiten Lernprozessen (Kosten-) Vorteile erreicht werden. Es wird somit auf bereichsübergreifende Kooperation und kulturelle Integration gesetzt und damit bleibt auch hier, trotz der Teilautonomie in z.B. Tochtergesellschaften, ein hierarchischer Charakter bestehen.

Nach Rüegg-Stürm und Young7 bilden vier Grundmerkmale die konstituierenden Eckpfeiler einer intraorganisationalen Netzwerkorganisation:

„flache Hierarchie mit transparenter Legitimation von Autorität; Dezentralisierung der Verantwortung mit teamorientierten Arbeitsformen; breit verankerte, d.h. vertikal und horizontal ausgerichtete organisationale Bezi hungs- und

Kommunikationsprozesse; Koordination durch klare Regeln (Standards) der Zusammenarbeit, hoch a spruchsvolle Ziele

und eine rigorose, mehrdimensional ausgerichtete (d.h. nicht auf Finanzgrößen verkürzte) Leistungsbewertung“

6 Diese Einordnung ist vor allem für Untersuchungen im Rahmen der Transaktionskostentheorie wichtig. Darauf wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch verzichtet. Stattdessen soll vielmehr darauf hingewiesen werden, dass Netzwerkorganisation, wie im weiten Verlauf deutlich wird, sowohl marktliche als auch hierarchische Elemente vereinen.

7 Rüegg-Stürm/Young 2001: 192

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3. Netzwerke knüpfen3.1. Gegenkräfte – unwirksame KonfliktlösungenIn der Regel bevorzugen Menschen und Gruppen Strategien von Konfliktlösungen, die den Problemen gegenüber unangemessen sind. 1.FluchtPrimaten sind aufgrund mangelnder spezifischer Waffen Fluchtwesen (sagt die Verhaltensforschung). Das Gefühl "nichts wie weg" ist das ursprünglichste (Fahrerflucht, Wegsehen, auf die lange Bank schieben, unter den Teppich kehren, verleugnen, verdrängen...)

Vorteile:

man entkommt rasch einer K.situationes ist oft einfach und schmerzlosenergiesparendDistanzwenig Risiko

Nachteile:

K. wird nicht gelösthinterlässt DepressionenWiederkehr des Verdrängten

lässt keine Weiterentwicklung zu!Die "Zwillingsschwester" der Flucht ist die Aggression (Umschlag von Angst in Aggression "Anschiss, Be-Schiss").2. VernichtungDer Übergang vom Jäger zum Bauern machte anderes Verhalten notwendig.Ein Konflikt, der nicht mehr durch Flucht gelöst werden kann zwingt die Beteiligten zum Kampf.K. Lorenz: Die Instinktreglung, die bei Tieren verhindert, einen erschöpften Gegner zu töten (Tötungshemmung), ist beim Menschen außer Kraft gesetzt. Vernichtung als angestrebt Lösung ist sehr verbreitet.Rufmord, "ethnische Säuberung"

Vorteile:

Gegner wird rasch und dauerhaft beseitigt

Selektion

Nachteile:

mit dem Verlust des Gegners Verlust einer Alternative Entwicklung ist stark gefährdetFehler sind nicht korrigierbarAusleseprinzip (der Stärkere überlebt) ist einseitigman muss man immer gewinnen

3. Unterwerfung (Unterordnung)bedeutet großer Einschnitt in der Konfliktgeschichte der MenschheitNeues Zeitalter -> SklavereiAristoteles: Sklave ist jemand, der um des Überlebens willen auf seine Freiheit verzichtet hat.Voraussetzung ist "Besitz" (erst Tiere, später Äcker, Menschen)Der Mensch erwies sich im Laufe der Geschichte als das am universellsten einsetzbare Werkzeug.Die Unterwerfung ist später in den Systemen der Hierarchie institutionalisiert worden.U. ist überall dann als Konfliktlösung möglich, wenn sich von den zwei entgegen gesetzten Positionen nur eine als brauchbar erweist und die andere dies auch in irgendeiner Form, wenn auch gezwungenermaßen, anerkennt.Strategien: Überzeugen, Überreden, Nachgeben, Bestechen, Manipulieren, Drohen, Intrigieren, Abstimmen

Vorteile:

Möglichkeit einer ArbeitsteilungSicherheitMöglichkeit der Umkehrbarkeit und der längerfristigen Auseinandersetzunges überleben wesentlich mehr Menschen, die voneinander lernen könnenerstmals in der Geschichte ist differenzierte Traditionsbildung möglich

Nachteile:

Umkehrbarkeit - Konflikte werden nicht gelöst, sondern nur perpetuiert.starre Rollenverteilung ist oft unflexibel und schafft neue Konflikteder Stärkere muss nicht recht habenMilitarisierung

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4. DelegationEin "ausgeschlossener Dritter" wird einbezogen - - kann vermitteln und womöglich eine Lösung herbeiführen,- Konfliktpartner kommunizieren über ihn- sinnvoll, wenn Konfliktpartner nicht mehr (offen/direkt) miteinander kommunizierenEs wurde nun notwendig, Systeme anonymer Kommunikation (Schrift, Normensysteme, Gesetze ...) zu entwickeln.Der "ausgeschlossene Dritte" ist in der Geschichte der streitenden Menschen das wahrscheinlich erfolgreichste Konzept bei der Weiterentwicklung von Konfliktlösungsstrategien.Wer an eine Autorität delegiert, will sein Problem von jemanden lösen lassen, der mit dem Problem primär nichts zu tun hat. Das Verfremden von Konfliktsituationen schafft Abstand und erleichtert so mögliche Lösungen.Entstehung von Hierarchien (Exodus 18, 13-27)Diese Art Ordnung erfordert Triebverzichtsmomente (die schon in Gruppen vorhanden sein müssen) -> unmittelbare Bedürfnisse müssen zugunsten allgemeiner, höherer zurückgestellt werden.)Damit diese Art Ordnung funktioniert, muss sie von einem Normensystem mit stabilen Sanktionsmöglichkeiten durchgesetzt und gestützt werden.Voraussetzungen:1. dass es im jeweiligen Konflikt eine richtige und eine falsche Lösung gibt2. dass die höhere Instanz auch die richtige Lösung findet.3. Konfliktpartner müssen Interventen als (Lösungs-)Autorität akzeptierenNachteile:- individuelle Identifikation mit der Lösung ist geringer als wenn beide Partner sie erarbeitet hätten- Was jemand wirklich will, stellt sich oft erst im Zuge eines Kommunikations- und Entscheidungsprozesses heraus. ("Ich wusste nicht, was ich sagte, ehe ich nicht die Antwort darauf hörte.")- Delegation von VerantwortungZiele der Intervention:1.Akkumulation von Autorität an einer zentralen Stelle (Eltern, Vorgesetzte, Richte usw.)2. Erhöhung der Konfliktkompetenz der (potentiellen) Streitparteien (konträr zum ersten Ziel)Methoden:Reflexion auf der Metaebene In Hierarchien gilt es den Widerspruch zwischen direkter und indirekter Kommunikation hervorzuheben und zu beachten. 5. Kompromissbedeutet, dass in einem bestimmten Bereich eine Teileinigung erzielt werden kann."Faule" Kompromisse sind die, bei denen wichtige kontroverse Themen ausgeklammert werden. Teileinigung ist natürlich auch Teilverlust.6. KonsensDie Suche nach einem Konsens hat erst dann Sinn, wenn die bisher aufgezählten Methoden versagen;wenn die Kontroverse nicht nur emotional, sondern auch sachlich den Axiomen der Logik widerspricht.-> Aporie = Ausweglosigkeit (Zielkonflikt, Dilemma)Eigenschaften:1. zwei einander widersprechende Behauptungen oder Interessen,2. beide sind wahr bzw. berechtigt,3. beide sind voneinander abhängig. Nur wenn die eine Behauptung wahr ist, kann es auch die andere sein und umgekehrt.

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3.2. Netzwerkförderer

3.2.1. Wir-Gefühl

Das Wir-Gefühl im Team stärken

Haben Sie mit Ihrem Kollegium schon einmal ein Feuerlauf- Event oder ein Outdoor Training im Hochseilgarten absolviert, mit dem Sie die Teambildung voranbringen wollen? Angebote gibt es zuhauf „schon“ ab 3.000 €! Doch Ihr Team kann auch mit weit weniger aufwändigen Methoden zusammenwachsen. Nutzen Sie dazu viele kleine und manche großen Gelegenheiten und stärken Sie das Wir-Gefühl mit effektiven hauseigenen Methoden.

1. Mit Erfolgserlebnissen den Teamgeist stärken

„Nichts motiviert mehr als der Erfolg.“ Nehmen Sie diesen Grundsatz aus der Motivationspsychologie als Leitlinie für die Teambildung in Ihrer Einrichtung. Beachten Sie dabei die 3 „S“ des Erfolgs: schnell, sicher und sichtbar muss er eintreten. Unterstützen Sie die Mitarbeiterinnen deshalb bei Aktionen mit Öffentlichkeitscharakter und garantieren Sie so den Erfolg. Ihre MitarbeiterInnen erleben: Gemeinsam sind wir stark. Und sie begreifen das Team als eine Einheit.

2. Die Gemeinschaftsleistung hervorheben

Betonen Sie nach Beendigung eines Projekts, wie stolz Sie auf diese Gemeinschaftsleistung sind. Ziehen Sie außerdem in jeder Schlussbesprechung Bilanz: Was haben w i r geleistet? Führen Sie es buchstäblich vor Augen: durch Fotoshows, Videosequenzen über gelungene Projekte und einen Pressespiegel. So machen Sie bewusst, was in Ihrer Einrichtung geleistet wird. Laden Sie dazu auch Ihren Träger ein.

3. Mit Teamstrukturen den Mehrwert des Teams erfahren

Übertragen Sie Aufgaben, die die Gruppe betreffen, nicht immer nur an die Gruppenleiterin. Sprechen Sie an alle Mitarbeiterinnen die Erwartung aus, dass sie als Team die Aufgaben der Organisation voranbringen. Dazu gehören Absprachen und Kooperation, die den Tagesablauf und Aktionen betreffen, ebenso wie Grundsätze. In kollegialen Fallberatungsgruppen wächst ihr Vertrauen in das Team: Hier darf ich mich zu meinen Schwächen bekennen, ohne „unten durch“ zu sein. Bilden Sie einzelne Teams für die verschiedenen Projekte in Ihrer Organisation. Wenn Sie diese als Matrix von Teams organisieren, wächst das Bewusstsein Ihrer Mitarbeiterinnen, für die Einrichtung als Ganzes zuständig zu sein.

4. Mit Rückhalt das Vertrauen stärken

Bei Beschwerden gilt der Grundsatz: keine Vorverurteilung! Zuerst wird der Beschuldigte gefragt. Stellen Sie sich als Erstes hinter Ihre Mitarbeiterin mit der Ankündigung, die Vorwürfe zu klären. Unterstützen Sie bei einem berechtigten Vorwurf Ihre Mitarbeiterin darin, die Sache in Ordnung zu bringen. So wächst das Vertrauen, in diesem Team gut aufgehoben zu sein.

5. Mit Ritualen die Gemeinschaftsleistung betonen

Mit dem gemeinsamen Essen zu Jahresbeginn drücken Sie aus: „Wir packen es gemeinsam an.“ Und zum Jahresende: „Zusammen haben wir wieder ein gutes Jahr geschafft.“ Nutzen Sie diese Gelegenheiten zu einer kurzen Ansprache: Mut machen im 1. Fall, danken im 2. Geburtstagsfeiern und Jubiläen erfüllen eine ähnliche Funktion. Wenn die nächste Besprechung mit einem stilvoll gedeckten Tisch beginnt, bei der ein oder mehrere Mitarbeiterinnen „einen ausgeben“ und aus der Teamkasse ein farbenfroher Blumenstrauß übergeben wird, erlebt jede Ihrer Mitarbeiterinnen 1-mal im Jahr ausdrücklich: „Ich gehöre zu diesem Team.“

Bei all Ihren Versuchen, das Wir-Gefühl im Team zu stärken, sollten Sie nie aus den Augen verlieren, dass gemeinsamer Spaß eines der besten Bindemittel ist, um Ihr Team zusammenzuschweißen.

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3.2.4. Doppelmitgliedschaften

Um den (zermürbenden) Kampf zwischen benachbarten Gruppen und Stämmen zu minimieren, begannen Menschen Verbindungen über die Gruppen- und Stammesgrenzen hinweg zu organisieren. Die erste Form war höchstwahrscheinlich der Frauen- oder Männertausch (Exogamie), deren Sinn darin bestand, Geiseln vom anderen Stamm im eigenen zu haben. Diese Geiseln waren sozusagen Mitglieder zweier verschiedener Gruppen und legten es durch ihre Doppelmitgliedschaft nahe, auftretende Konflikte möglichst friedlich zu lösen. Zusätzlich entstand ein Synenergieeffekt, der es möglich machte, die eigenen Kräfte zu potenzieren.

Diese Exogamie oder Geiselhaft hat sich dann zu einem hierarchischen System weiter entwickelt. Vorgesetzte werden nun durch Über- und Unterordnung zu jeweils Mitgliedliedern zweier Gruppen. So ist ein Vorgesetzter sowohl Mitglied der Gruppe „Abteilungsleiter“ als auch als Leiter seiner Gruppe Mitglied dieser Abteilung. In allen Bereichen, in denen es zwischen den Bedürfnissen der Menschen und den Interessen der Organisation zu Gegensätzen kommt, ist es seine Aufgabe, diese Gegensätze auszugleichen. In dieser Rolle besteht nun allerdings die Tendenz, dass dieser Vorgesetzte aufgrund mangelnder Information und mangelnder Ressourcen (Zeit) als „Verräter“ in beiden Gruppen erlebt wird. Der Umgang mit dieser Rolle erfordert deswegen Stärke (Ich-Stabilität), Klarheit und Empathiefähigkeit.

„Der wirklich brauchbare Vorgesetzte… ist einer, der den Gegensatz zwischen den Interessen und Bedürfnissen der Gruppen und des Systems so gut auszubalancieren versteht, dass er immer von beiden Seiten des „Verrats bezichtigt wird, aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen auch von beiden Seiten Vertrauen genießt.“8 Bei der Organisationsgestaltung zählen Koordination und die Kooperation zwischen den Mitgliedern von (autonomen) Gruppen zu den Schlüsselfaktoren (vgl. Picot/ Reichwald/Wigand 2001: 252 ff.). Eine teilautonome Gruppe hat folgende Merkmale:

„Kleine (6-20 Personen umfassende) funktionale Einheit, der die Erstellung eines kompletten Produkts oder einer sonstigen Leistung (Kernaufgaben) sowie unterstützende Nebenaufgaben eigenverantwortlich übertragen werden, wobei die Gruppe weitgehend selbständig [sic] handelt und auch Planungs-, Organisations-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben übernimmt“

(Bea/Göbel 2002: 367).

8 Gerhard Schwarz: Konfliktmanagement, 1999 S.166

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Das Konzept der überlappenden Gruppen von Likert, beschreibt den Koordinations- und Synchronisationsaufwand, der zwischen verschiedenen Modulen auf verschiedenen Ebenen notwendig ist. Der Ansatz geht davon aus, dass das ganze Unternehmen aus kleinen überschaubaren Gruppen auf verschiedenen Hierarchieebenen aufgebaut ist, die sich z. T. gegenseitig überlappen. Die Überlappung entsteht dadurch, dass der jeweilige Vorgesetzte eines Teams gleichzeitig Mitglied im nächstübergeordneten Team ist. Er stellt somit das Bindeglied, den sog. „linking pin", zwischen zwei Ebenen dar (vgl. Picot/Reichwald/Wigand 2001: 255 f.). Bea und Göbel (vgl. 2002: 370) interpretieren die Überlappung noch etwas weiter und unterscheiden zwischen horizontalen und vertikalen „linking pins" (vgl. Abb. 2-1).

Hier entspricht der vertikale „linking pin" dem oben erklärten und der horizontale ergibt sich zusätzlich durch die Mitgliedschaft eines Mitarbeiters in zwei Modulen der gleichen Hierarchieebene.

Diese Verlinkung von Mitarbeitern auf der gleichen Hierarchieebene erweist sich als äußerst effektiv und sinnvoll, wenn es darum geht innerhalb von Organisationen kooperatives Verhalten anzustoßen. Es geht also darum, Doppelmitgliedschaften für die Mitglieder der verschiedenen Gruppen in einer Organisation zu schaffen. Das gelingt, wenn Gruppenidentitäten kreiert oder bewusst gemacht werden können, mit denen sich die Mitglieder der verschiedenen Gruppen zusätzlich zu ihrer Kerngruppe noch identifizieren.

Beispiele:

Rauchergruppen

Weiterbildungsgruppen

Supervisionsgruppen

Sportgruppen

Kulturgruppen

Überall dort, wo Menschen eine gemeinsame Aufgabe zu lösen haben, die nur durch gemeinschaftliche Anstrengung zu lösen ist, besteht die Chance eine Gruppenidentifikation zu entwickeln.

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Ulrich Deller (Hrsg.): Kooperationsmanagement. Ein Lehrbuch- und Arbeitsbuch für Sozial- und Gesundheitsdienste. Verlag Barbara Budrich (Opladen) 2009. 362 Seiten. ISBN 978-3-938094-74-7. D: 36,00 EUR, A: 20,50 EUR, CH: 35,90 sFr.

Kooperation und Vernetzung werden zuweilen als Imperative für moderne Gesundheits- und Sozialsysteme bezeichnet und als unabdingbare Voraussetzungen für deren Zielerreichung und Funktionssicherung angesehen. Doch wie funktionieren Kooperation und Netzwerkarbeit überhaupt und welche Aspekte gilt es dabei zu berücksichtigen? Lässt sich durch gezieltes Kooperationsmanage-ment den schnell unübersichtlich werdenden Netzwerkstrukturen und den damit verbundenen Steuerungsherausforderungen begegnen? Wie wird sichergestellt, dass durch den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Kooperationsbeziehungen die Aufgabenerfüllung arbeitsteilig vorgehender Sozial- und Gesundheitseinrichtungen erleichtert und nicht lediglich komplexer und somit schwieriger wird? Fragen wie diese werden in dem hier vorgestellten Reader zum Thema Kooperationsmanagement aufgegriffen und erörtert.

Herausgeber und Entstehungshintergrund

Herausgeber ist der Diplompädagoge Dr. phil. Ulrich Deller, Professor für das Lehrgebiet Soziale Arbeit und zugleich Prorektor der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (KathHO). Das Buch entstammt dem Lehr- und Studienbetrieb im Masterstudiengang „Kooperationsmanagement“ am Fachbereich Sozialwesen der KathHO, am Standort Aachen. Das Ziel des postgradualen Studienangebots besteht darin, Führungskräfte für Einrichtungen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zu qualifizieren und sie mit den erforderlichen Kompetenzen auszustatten, um den Managementanforderungen in diesem Bereich zu begegnen – darunter auch denen im Bereich der Kooperation und Vernetzung. Das Lehr- und Arbeitsbuch ist somit als eine Form der Ergebnissicherung der im Rahmen der Lehre mit den Studierenden gesammelten und verdichteten Erkenntnisse angelegt und zugleich als eine Grundlage für die Gestaltung künftiger Lehrveranstaltungen und für das Selbststudium gedacht.

Aufbau und Inhalt

Der in der Schriftenreihe der KathHO NRW erschienene und 362 Seiten umfassende Reader enthält neben einem Vorwort des Herausgebers vier thematische Teile mit insgesamt 14 Aufsätzen von 12 Autorinnen und Autoren sowie ein ergänzendes Stichwort- und ein Autorenverzeichnis.

Teil 1 mit dem programmatischen Titel „Kooperationsmanagement – eine allgemeine Perspektive“ beschränkt sich auf einen von Ulrich Deller verfassten einleitenden Beitrag, der in erster Linie der wissenschaftlichen Einbettung des Themas und der Anknüpfung an Erkenntnisse der soziologischen Netzwerk- und der Managementtheorie dient.

Teil 2 rückt dann in vier weiteren Beiträgen „Die Personen“ ins Blickfeld. Dabei reicht die thematische Spannbreite von der Beschäftigung mit der Führungspersönlichkeit in intra- und interorganisationellen Kooperationssystemen (Jörg Baur), über Genderfragen (Liane Schirra-Weirich) und eine professionstheoretische Annäherung (Ulrich Deller) bis hin zur „Phänomenologie und Logik des Gerüchts als Kommunikationsform“ (Heribert W. Gärtner).

Teil 3 richtet das Augenmerk anschließend auf „Die Strukturen“. Ein Beitrag ist den für die Kooperations- und Vernetzungsarbeit so wichtigen „Organisationskulturen und -subkulturen“ gewidmet (Johannes Jungbauer), ein weiterer dem Thema „Netzwerkarbeit als Hintergrund für Unternehmenskooperation“ (Ulrich Deller). Je ein Beitrag befasst sich mit Fragen des Arbeits- (Dirk Brust) und des Gesellschaftsrechts (Johannes Delheid) im Umfeld des Kooperationsmanagements und ein letzter Beitrag schließlich betrachtet das Thema des Buches anhand der „Kooperation kommunaler Krankenhäuser in Klinikverbünden“ (Patrick Fränkel).

Teil 4 konzentriert sich unter der Überschrift „Der ökonomische Kontext“ auf wirtschaftliche und ethische Fragestellungen, so beispielsweise die nach der „Wertschöpfung des Sozialen“ (Ralf

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Welter). Zur Sprache kommt aber auch die „Die besondere Komplexität multiprofessioneller Organisationen“ (Peter Borges), das Spannungsverhältnis „Zwischen sozialem Auftrag und ökonomischen Rationalitäten“ (Nadia Kutscher) wie schließlich auch die besondere „Führungsverantwortung für eine Kultur multiprofessioneller Kooperationen“ (Rainer Krockauer) in Organisationen der Caritas.

Diskussion

Das Buch greift ein aktuelles Thema auf und ist mit seinen Beiträgen anschlussfähig an viele in gesundheits-, pflege- und sozialwissenschaftlichen Kreisen derzeit geführte Debatten. Die äußere Gestaltung und drucktechnische Aufbereitung des Readers sind schlicht, aber praktikabel und ansprechend. Die Texte sind flüssig geschrieben und die sprachliche Ausdrucksweise ist einem wissenschaftlichen Werk angemessen. Die Grafiken hätten durch eine fachkundige Bearbeitung seitens des Verlages sicherlich noch profitieren können, genügen aber den Anforderungen.

Die Beiträge des Readers zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem aufgegriffenen Thema, zugleich dokumentieren sie den Sachverstand der einzelnen Autoren. Überzeugend sind die immer wieder erkennbaren Bemühungen um Explikation wie auch um Bezugnahme auf aktuelle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Hier dokumentiert sich die fachwissenschaftliche Expertise der Autoren wie auch die vermutlich im Lehrbetrieb und im Diskurs mit den Studierenden gesammelten Erfahrungen in der Vermittlung der aufgegriffenen Inhalte und Forschungserkenntnisse. Für ein klassisches Lehrbuch hätten die Beiträge in sich noch etwas einheitlicher und systematischer gestaltet sowie gegebenenfalls didaktisch aufbereitet werden dürfen. Als Grundlage für das Selbststudium und damit als Lektüre- und Arbeitsbuch sind die Texte aber durchaus geeignet.

Für den an Fragen der Kooperation und Vernetzung interessierten Leser aus Wissenschaft und Praxis sind nicht unbedingt alle Beiträge gleichermaßen bedeutsam oder anschlussfähig. Dies gilt insbesondere für den vierten Teil des Buches „Der ökonomische Kontext“. Die vier, darin enthaltenen Beiträge setzen sich mit übergeordneten volkswirtschaftlichen und sozialökonomischen Fragen auseinander oder aber sie thematisieren Besonderheiten kirchlicher Organisationen und nicht immer will es den Autoren gelingen, den Bezug zum Thema „Kooperationsmanagement“ überzeugend herauszuarbeiten oder eine Antwort auf die eingangs aufgeworfenen Fragestellungen zu entwickeln. Zwar betont der Herausgeber, dass diese Beiträge im Spannungsfeld von Ökonomie und Ethik angesiedelt und eben aus diesem Grund für das Kooperationsmanagement in Gesundheits- und Sozialdiensten von wachsender Bedeutung seien. Doch selbst wenn man ihm in dieser Einschätzung folgt, hätten die Autoren ihre jeweiligen Beiträge durchaus stärker auf das eigentliche Thema des Buches beziehen und den Leser somit in ihre Überlegungen einbinden dürfen.

Fazit

Der von Ulrich Deller herausgegebene Reader zum Thema „Kooperationsmanagement“ bietet einen informativen und solide gearbeiteten Überblick zu Fragen der Kooperation und Vernetzung in modernen, hochgradig arbeitsteilig angelegten Gesundheits- und Sozialsystemen. Die in dem Buch enthaltenen Texte eröffnen zugleich Zugänge zu weiterführenden wissenschaftlichen Diskursen und eigenen sich insofern auch für den bereits fortgeschrittenen Leser. Zudem finden sich Ideen und Anregungen für künftige Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Wenn gleich in der Sozialen Arbeit beheimatet und in weiten Teilen auch auf diese Disziplin und ihre Diskurskultur zielend, dürften sich zumindest einige der in dem Buch enthaltenen Beiträge auch für andere Disziplinen – etwa Pflege- und Gesundheitswissenschaftler – als interessant erweisen. Dem Buch sind folglich viele kritische Leser zu wünschen, die sich künftig mit eigenen Überlegungen an der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den vielen offen Fragen zur Kooperation und Vernetzung im Sozial- und Gesundheitswesen beteiligen.

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Stufen der Gruppenentwicklung

Stufe1

- Anfang -

Fremdsein und Orientierung

2- Machtkampf -

Platz finden, Grenzen ausloten

3- Vertrautheit -

sich nach und nach sicher fühlen

4- Unterscheidung -

Anderssein und doch dazu gehören

5- Abschied -

sich trennen und ablösen

Situation HoffnungenWünscheÄngsteFantasien Neugier

Bedürfnis nach Anerkennung und Sicherheit

Große ErleichterungAufgeschlossene Stimmung

Konflikte sind keine Pannen

TrennungsängsteVerlustängste

Vor-erfahrungen

Kontakt-Sicherheitsstrategienstrategien

Durchsetzungsstrategien FamilieNest

Neue Erfahrungen TrennungVerlassen werden

Gefahren Rückzug BündnisseCliquenSündenböckeAbsprung

PseudonäheKonformitätsdruckAbschottung

KonfliktlösungenImpulse zur VeränderungWertschätzungRespekt

Verleugnen (Adressen tauschen)

Programm OrientierungSicherheitAnerkennungRegelnKontakt

Vielseitige und verschiedene Tätigkeiten(flexible Rollenübernahme)

Förderung der Selbstständigkeit,Miteinander handeln und entscheiden,Verantwortung übernehmen,

TransferRückblick Trauerarbeit Rituale

Ideen Kalenderblättern Turmbau Laufen im RaumReigentänze (grch.)