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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn Das Heilbronner Rathaus ca. 1905 1.4.1909 Walter Vielhauer wird am 1.4.1909 in Reutlingen geboren 1914 Vielhauer kommt als Kind einfacher Verhältnisse nach Heilbronn 11.2.1924 Lehre zum Silberschmied bei Fa. Bruckmann in Heilbronn 1927 Mitglied im Deutschen Metallarbeiter Verband (DMV) 1928 Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschland (KJVD) 1930 Mitglied in der KPD 11.11.1932 Entlassung bei Fa. Bruckmann März 1933 Verhaftung; Gefängnis 28. März 1933 KZ Heuberg/Stetten am kalten Markt Mai 1933 KZ Oberer Kuhberg/Ulm Juli 1933 Vorübergehende Entlassung aus dem KZ und antifaschistische Untergrundarbeit 25.10.1933 Verhaftung, Folter Sommer 1934 Verurteilung zu 5 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus, Einzelhaft in Ludwigsburg 19. Juni 1939 Entlassung aus der Einzelhaft, Verlegung ins Schutzhaftlager Welzheim Mitte Juli 1939 als Häftling Nr. 240 ins KZ Dachau September 1939 bis Februar 1940 im Außenkommando Mauthausen 1940 wieder im KZ Dachau, teilweise Einzelhaft, Mitglied in der geheimen Widerstandsorganisation in Dachau Sommer 1944 Todesurteil 19. Juli 1944 Verlegung ins KZ Buchenwald bei Weimar, Häftling Nr. 39282, Mitglied des illegalen Lagerkomitees, Betreuung des jüdischen Kindes Stefan Jerzy Zweig 11.4.1945 Beteiligung am Häftlingsaufstand und an der Befreiung des KZ Buchenwald April 1945 Rückkehr nach Heilbronn 1945 Ehe mit Helene geb. Stegmaier 30. Juni 1945 Berufung zum Dezernenten unter OB Beutinger für Wohnungs-, Arbeits- und Fürsorgefragen (Lebensmittelverteilung) durch die amerikanische Militärregierung 1946 Geburt des Sohnes Walter Peter Vielhauer 1946 bis 1948 Mitwirkung beim Aufbau der örtlichen Gewerkschaft ÖTV 29. April 1948 Einführung als Gemeinderat (für die KPD) 1957 bis 1964 Kaufmännischer Angestellter bei Valentin Mehler AG in Fulda 1958 Ausschluss aus dem Gemeinderat Heilbronn (wg. KPD-Verbot) 1964 Rückkehr nach Heilbronn, beschäftigt bei Fa. F. M. Haakh 1968 Gründungsmitglied der DKP Heilbronn 8.10.1970 Helene Vielhauer stirbt 1973 Rentner Sept. 1984 Aufnahme in das „Buch der Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem, Israel 1984 Initiator der Ehrung Gottlob Feidengrubers durch eine Gedenktafel in Heilbronn Bis 1986 Engagement bei antifaschistischen, gewerkschaftlichen und friedenspolitischen Aktionen 19.4.1986 Walter Vielhauer stirbt nach kurzer Erkrankung in seinem Haus in Heilbronn Lebensdaten Walter Viel- hauer war von 1933 bis 1945 in Haft

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Das Heilbronner Rathaus ca. 1905

1.4.1909 Walter Vielhauer wird am 1.4.1909 in Reutlingen geboren

1914 Vielhauer kommt als Kind einfacher Verhältnisse nach Heilbronn

11.2.1924 Lehre zum Silberschmied bei Fa. Bruckmann in Heilbronn

1927 Mitglied im Deutschen Metallarbeiter Verband (DMV)

1928 Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschland (KJVD)

1930 Mitglied in der KPD

11.11.1932 Entlassung bei Fa. Bruckmann

März1933 Verhaftung; Gefängnis

28.März1933 KZ Heuberg/Stetten am kalten Markt

Mai1933 KZ Oberer Kuhberg/Ulm

Juli1933 Vorübergehende Entlassung aus dem KZ und antifaschistische Untergrundarbeit

25.10.1933 Verhaftung, Folter

Sommer1934 Verurteilung zu 5 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus, Einzelhaft in Ludwigsburg

19.Juni1939 Entlassung aus der Einzelhaft, Verlegung ins Schutzhaftlager Welzheim

MitteJuli1939 als Häftling Nr. 240 ins KZ Dachau

September1939bisFebruar1940 im Außenkommando Mauthausen

1940 wieder im KZ Dachau, teilweise Einzelhaft, Mitglied in der geheimen Widerstandsorganisation in Dachau

Sommer1944 Todesurteil

19.Juli1944 Verlegung ins KZ Buchenwald bei Weimar, Häftling Nr. 39282, Mitglied des illegalen Lagerkomitees, Betreuung des jüdischen Kindes Stefan Jerzy Zweig

11.4.1945 Beteiligung am Häftlingsaufstand und an der Befreiung des KZ Buchenwald

April1945 Rückkehr nach Heilbronn

1945 Ehe mit Helene geb. Stegmaier

30.Juni1945 Berufung zum Dezernenten unter OB Beutinger für Wohnungs-, Arbeits- und Fürsorgefragen (Lebensmittelverteilung) durch die amerikanische Militärregierung

1946 Geburt des Sohnes Walter Peter Vielhauer

1946bis1948 Mitwirkung beim Aufbau der örtlichen Gewerkschaft ÖTV

29.April1948 Einführung als Gemeinderat (für die KPD)

1957bis1964 Kaufmännischer Angestellter bei Valentin Mehler AG in Fulda

1958 Ausschluss aus dem Gemeinderat Heilbronn (wg. KPD-Verbot)

1964 Rückkehr nach Heilbronn, beschäftigt bei Fa. F. M. Haakh

1968 Gründungsmitglied der DKP Heilbronn

8.10.1970 Helene Vielhauer stirbt

1973 Rentner

Sept.1984 Aufnahme in das „Buch der Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem, Israel

1984 Initiator der Ehrung Gottlob Feidengrubers durch eine Gedenktafel in Heilbronn

Bis1986 Engagement bei antifaschistischen, gewerkschaftlichen und friedenspolitischen Aktionen

19.4.1986 Walter Vielhauer stirbt nach kurzer Erkrankung in seinem Haus in Heilbronn

Lebensdaten

WalterViel-hauerwarvon1933bis1945inHaft

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Walter Vielhauer wächst im Arbeiterviertel der Nordstadt in der Dammstraße auf. In der offenen liberalen Industriestadt engagiert er sich als Jugendlicher im CVJM und spielt auch Theater, so die Hauptrolle in Büchners „Leonce und Lena“ auf der Waldheide mit der Anarcho-Syndikalistin Martha Woll.

Während seiner Ausbildung zum Silberschmied bei der Heilbronner Traditionsfirma Bruckmann findet er Kontakt zu gewerkschaftlichen und politischen Kollegen und wird bald deren aktiver Mitstreiter. 1927 wird Walter Vielhauer Mitglied im Deutschen Metallarbeiterverband (DMV), 1928 tritt er dem KJVD (Kommunistischer Jugendver-band Deutschlands) bei. 1930 wird er Mitglied der KPD und rückt in die regio- nale Parteiführung auf. Zunächst leitet Vielhau- er die Betriebszelle bei der Firma Bruckmann mit ca. 10 Mitgliedern. Ab 1932 organisiert sich die KPD in Heilbronn mit Hinblick auf die erstarkenden Natio- nalsozialisten neu in kleinen Straßen- und Betriebszellen, zuerst in Fünfer-, später in Dreiergruppen.

Nach seiner Entlassung bei der Fa. Bruckmann am 11.11.1932 geht er im November 1932 zur Marxistischen Arbeiterschule (MASCH) nach Berlin und erlebt dort am 30. Januar 1933 die Machtergreifung der Nazis.

In den örtlichen KPD-Gruppen werden Dis-kussionen über die Politik der KPD-Führung vor und nach dem Machtantritt der Faschis-ten geführt, weil „die Haltung der Partei uns unverständlich war“ (Zitat Bruno Vogelmann, S. 131 M. Dieterich). Unabhängig davon wird die politische Arbeit weitergeführt.

Neben Flugblättern werden Zeitungen und politische Druckschriften verbreitet: die „Süd-deutsche Arbeiterzeitung“ SAZ, die „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ AIZ, die „Rote Fahne“ und der „Rote Sportler“ verteilt. Dazu gehören auch Diskussionsabende unter Intellektuellen über marxistische Theorie. Ein solcher Gesprächszirkel existiert um das Heilbronner Ehepaar Lindenmayer in der David-Friedrich-Strauß-Stra-ße 5 (heute Erlenbacher Straße). Dort hält Walter Vielhauer im Sommer

1932 ein Referat über Marxismus. In dem Zirkel arbeiten neben Kommunisten auch der Stuttgarter Jurist Richard

Schmid (SAP-Mitglied) sowie der damalige Studienassessor Hellmut Riegraf (Sohn

des SPD-Gemeinderates Ernst Riegraf) mit.

Bei Fa. Bruckmann, allgemeine politische Aktivitäten, DMV und KPD

AIZ - Ausgabe vom 14.9. 1933

Werksgebäude der Firma Bruckmann Quelle: Silber aus Heilbronn für die Welt, P. Bruckmann und Söhne, Städt. Museen Heilbronn

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Das Heilbronner Rathaus 1933

Aktiv im Widerstand – Transportkolonne Otto

Walter Vielhauer erlebt als junger Idealist mit 24 Jahren den Unter-gang der Demokratie. Im Februar 1933 kehrt er nach Heilbronn zurück und wird schon am 3. März 1933 zusammen mit vielen weiteren KPD-Mitgliedern in Schutzhaft genommen, darunter auch Erich Leucht (KPD-Stadtrat und 1946 bis 1966 Erster Bevollmächtigter der IGM Heilbronn). Inhaftierung im Polizeigefängnis Heilbronn in der Wilhelmstraße 4.

Am 28. März 1933 werden 60 Anti-faschisten in zwei Bussen der Fa. Gross ohne vorherigen Pro-zess ins KZ Heuberg bei Stetten a. k. Markt transportiert. Es war das früheste Kon-zentrationslager im Raum Württemberg/Baden mit zeitweise über 2000 politischen Gefangenen, vor allem aus KPD und SPD.

Im Mai 1933 wird Walter Vielhauer ins KZ Oberer Kuhberg nach Ulm verlegt und kommt nach einem Krankenhausaufenthalt im Juli wieder zur Genesung nach Heilbronn zurück.

Die Heilbronner KPD hat sich inzwischen im Untergrund formiert. Im Jargon der NS-Justiz liest sich dieser Sachverhalt so:

„Die nationale Erhebung im Frühjahr 1933 vermochte in Heilbronn, einer der bisherigen Hochburgen des Marxismus, die staatsfeindlichen Bestrebungen des internationalen Proletariats nicht auszurotten. Noch im März 1933 schlossen sich eine Anzahl eingefleischter Kommunisten um so enger zusammen, in dem Willen, die KPD in Heilbronn und Umgebung unter allen Umständen aufrechtzuerhalten.“

Transportkolonne OttoEin nicht unbeträchtlicher Teil des illegalen politischen Materials, das nach Heilbronn gelangt, wird im Ausland, insbesondere in der Schweiz, hergestellt und dann nach Stuttgart geschmuggelt. Dies besorgt in der Regel die „Transportkolonne Otto“, die durch den Stuttgarter Journalisten Willi Bohn (KPD) geleitet wird und der deutsche und schweizerische Antifaschisten angehören. Die nach Stuttgart transportierten Druckschriften verteilen Mitglieder der KPD, unter anderem auch der Heilbronner Walter Vielhauer, zunächst auf die einzelnen Stadtteile. Der Rest wird dann an weitere illegale Ortsgruppen weitergeleitet, darunter auch an die Heilbronner. Auch der Widerstandsgruppe um Karl und Sascha Kaiser und Hellmut Riegraf 1933 liefert er Flug-blätter und Zeitschriften.

„Heilbronn a. N., Wilhelmstr.“, Kreuzung Cäcilienstraße; Blick in die Wilhelmstraße mit Kiliansturm und Straßenbahn; Wilhelmsbau, Hersteller: Gebrüder Metz, Tübingen, 1905

IllegaleInformations-ketten

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Im Zusammenhang mit der Transportkolonne Otto wird Walter Vielhau-er zum zweiten Mal verhaftet. Sein Stuttgarter Instrukteur Wilhelm Class bereitet ihn darauf vor:

„Er empfahl mir..., bei Gefahr im Verzuge [...] zu versuchen, einer erneuten Verhaftung zu entgehen und zu versuchen, nach Stuttgart zu kommen. Ich erhielt Erkennungszeichen und Anlaufadresse. Schon nach…vier Wochen erschienen eines Morgens Beamte der politischen Polizei in der Frühe in der Wohnung meiner Mutter, um mich wieder abzuholen.“

Die beiden Polizeibeamten werden unter einem Vorwand hingehalten und Walter Vielhauer kann „in einem geeigneten Augenblick aus einem Hochparterrefenster im rückwärtigen Teil des Hauses springen“. Walter Vielhauer flieht nach Stuttgart.Im Oktober 1933 kann die Stuttgarter Polizei mehrere Mitglieder der Transportko-lonne Otto verhaften. Nach Angaben Walter Vielhauers gibt die Züricher Polizei der Stuttgarter Gestapo einen Hinweis. Sie macht einen Heuschober an der deutsch-schweizerischen Grenze ausfindig, verfolgt den Kurier und entdeckt dann die „Anlaufstelle“ Wilhelm Dollmaier in Stutt-gart, der am 24.10.1933 verhaftet wird. Die Gestapo setzt Dollmaiers Frau „mit dem Versprechen, ihren Mann …vor der Hinrichtung zu bewahren, [wenn sie] durch das Herausstellen eines Blumentopfes ein Zeichen [gibt], wenn jemand [kommt und] sich nach ihrem Mann erkundigt, unter Druck“. Am 25.10. kommt Walter Vielhauer in Dollmai-ers Wohnung, will Material (u. a. „Das Braunbuch“) abholen und wird verhaftet.

Vielhauer wird in der U-Haft schwer misshandelt. Durch Folter während der Verhöre bleibt seine

linke Gesichtshälfte sein Leben lang gelähmt. Vom Oberlandesgericht wird er 1934 zu 5 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Während seiner Einzelhaft in Ludwigsburg liest er so viel er kann

und lernt auch französisch. Den Nazis gelingt es nicht, den aufrechten Mann zu brechen.

Am 19. Juni 1939 wird er aus dem Gefängnis entlassen. Er kommt aber nicht in Freiheit, sondern wird in das Schutzhaftlager Welzheim transportiert, wo er bis Mitte Juli 1939 bleibt.

Danach kommt Walter Vielhauer als Häftling Nr. 240 ins KZ Dachau, wo er den Kriegsbeginn erlebt.

„Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt Krieg.“Wahlspruch der KPD im Sommer 1932

Verhaftung, Folter und Verurteilung

Dauerausstellung im Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg Gefängniszelle um 1930 Foto: Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg

FolterundMisshandlung

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Zwischen dem 27. September 1939 und dem 18. Februar 1940 wurden die Häftlinge in andere Lager verlegt.In Dachau wurden währenddessen 7.000 Angehörige der SS-Totenkopf-verbände ausgebildet. Die Häftlinge wurden umgesiedelt: 2.138 nach Buchenwald, 1.600 nach Mauthausen, 981 nach Flossenbürg. Lediglich ein Arbeitskommando von etwa 100 Häftlingen verblieb im Lager.

Das Konzentrationslager Dachau, kurz KZ Dachau, be-steht vom 22. März 1933 bis zu seiner Befreiung durch Soldaten der 7. US-Armee am 29. April 1945. Das NS-Regime errichtet es bereits wenige Wochen nach Adolf Hitlers Machtergreifung. Es ist das erste ununterbrochen betriebene KZ und wird da-durch eines der bekanntes-ten Konzen trationslager. Es ist zwölf Jahre durchgehend in Betrieb, d. h. mehr als doppelt so lange wie die meisten späteren Konzentrationslager.

Karl Wagner und Walter Viel-hauer sind von 1939 bis 1945 zusammen sowohl im KZ Da-chau als auch in Mauthausen und später im KZ Buchenwald. Sie bleiben ihr Leben lang enge Freunde.

Hilde Wagner schreibt Karl Wagners Erinnerungen auf. Die darin geschilderten Bege-benheiten entsprechen der Wirklichkeit. Es sind die Tatsachen eines mutigen, kämpferischen Lebens. Das Buch wurde 1984, nach Wagners Tod, geschrie-ben und von seinem ehemaligen KZ-Kameraden Walter Vielhauer auf seine Richtigkeit überprüft.

Am ersten September 1939 fallen die Deutschen in Polen ein. Der Angriff erfolgt ohne vorherige Kriegserklärung, wie es von nun an für die völker-rechtswidrige Praxis der faschistischen Kriegfüh-rung charakteristisch werden soll.

In der Baracke diskutieren die Kameraden aufgeregt miteinander und Karl [Wagner] erfährt, daß die Sow-jetunion mit Hitlerdeutschland einen Nichtangriffs-pakt abgeschlossen hatte. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander, sie reichen von Ungläubig-keit bis zur Verzweiflung.

Aus „Karl Wagner – Kapo der Kretiner“, von Hilde Wagner

KZ Dachau I

Blick durch den Durchgang des Jourhauses auf das Tor mit der Inschrift „Arbeit macht frei“. Andrew Bossi CC-BY-SA-2.5

Zugänge im KZ Dachau

1933 4.821

1934 1.990.

1935 2.111

1936 2.323

1937 2.015

1938 18.681

1939 3.932

1940 22.675

1941 6.135

1942 12.572

1943 19.358

1944 78.635

1945 30.958

Insgesamt: 206.206 Häftlinge

registrierte Einlieferungen, nach den Ermittlungen des Internationalen Such-dienstes Arolsen Quelle: Dachau-Archiv

Strafstehen auf dem Appellplatz, 28. Juni 1938. Foto: Friedrich Franz Bauer im Auftrag der SS. Bundesarchiv Bild 152-23-34A

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

KZ MauthausenIm September 1939 wird Walter Vielhauer zusammen mit 1600 Häftlin-gen nach Mauthausen bei Linz in Österreich verlegt. Das „Barackenbau-kommando“ muss das Lager Mauthausen aufbauen.

In dem Film „Dachau, Mauthausen, Buchenwald und zurück“ (1986) erzählt Walter Vielhauer: „Eines Tages erwachte ich zwischen den Toten und Halbtoten des Krankenbaus. Nur mit allerletzter Willenskraft konnte ich hervorkriechen und einen Kapo (den ich von Dachau her kannte) auf mich aufmerksam machen. Aber er wollte mir nicht helfen, da er schon den Totenschein für mich ausgestellt hatte und sagte: ‚Du wirst sowieso bald sterben, also werde ich die Todesmeldung nicht mehr ändern.‘ Daraufhin drohte ich ihm, daß ich meine Dachauer Kameraden benachrichtigen werde. Diese würden ihn bei der Rückkehr nach Dachau zur Verantwortung ziehen. So wurde ich gerettet“.

Zurück nach DachauWalter Vielhauer kommt am 2. Februar 1940 (zusammen mit Karl Wagner) nach Dachau zurück. Er arbeitet u.a. in der Porzellan-Manufaktur in Allach und als Schreibkraft für Dr. Siegmund Rascher.

Von 1600 Häftlingen kommen nur knapp 300 lebend zurück nach Dachau, von den 147 „Politischen“ kommen 86 als lebende Skelette in Dachau an.

„Es war meine grausamste Zeit in den ganzen 11 Jahren Haft“.In Dachau beginnen die Kommunisten eine geheime Lager-Wider-stands-Organisation aufzubauen. Walter Vielhauer hat dabei die Aufga-be, Kontakte zu den deutschsprachigen Häftlingen aus der Tschecho-slowakei und Jugoslawien, aber auch zu Häftlingen aus Frank-reich und Belgien aufzunehmen. Am 1. April 1944 entdeckt die SS zufällig die Widerstandsgruppe. Vielhauer, Wagner und andere kommen in den Stehbunker, ihnen droht die Erschießung. Um großes Aufsehen zu vermeiden, werden die 6 Betroffenen zur Liquidierung am 19. und 20. Juli 1944 ins KZ Buchenwald verlegt.

KZ Mauthausen und KZ Dachau II

Lageplan des KZ Mauthausen CC BY-SA 3.0

KZ Mauthausen, Häftlinge im Steinbruch Bundesarchiv Bild 192-269,

Eine der härtesten Bestrafungen waren die Stehzellen, die eine Größe von ca. 70 x 70 cm aufwie-sen. Dort blieben die Gefangenen manchmal bis zu elf oder sogar zwölf Tage eingesperrt Foto: https://mapio.net/pic/p-6485369/

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Das zerbombte Heilbronner Rathaus 1945

KZ BuchenwaldIn den Nachmittagsstunden des 20. Juli Ankunft im Lager Buchenwald. In der Effektenkammer bekommen sie die erste Tuchfühlung mit ihren Buchenwalder Kameraden, die die Brüllerei eines SS-Unterführers gelassen über sich hinwegrauschen lassen. „Kopf hoch, Jungens, wir sind schon auf euch vorbereitet“, flüstert ihnen der Kapo zu, den Walter von Stuttgart her kannte. [Willi Bleicher, der spätere Bezirksleiter IGM Baden-Württemberg]. Wieso und über welche Kanäle man hier im KZ-Buchenwald über die Dachauer unterrichtet ist, wissen sie nicht.

Fotografie von Willi Bleicher 1945 – die Zeit im Lager ist ihm noch anzusehen. Die Büste von Willi Bleicher, der später IG-Metall-Chef wurde, schuf der Künstler Klaus Mausner, der in den 70er Jahren Berufsverbot als Kunsterzieher an staatlichen Schulen bekam.

Häftlinge im Kleinen Lager, Juni 1944. Der Qua-rantänebereich ist mit Stacheldraht vom Rest des Lagers abgetrennt. Als Unterkünfte dienen fensterlose Pferdestallbara-cken oder Zelte. Foto: Georges Angéli. SGBuMD

Diese Angstperiode dauert an bis zum 24. August 1944, dem Tag des großen Luftangriffs auf die im äußeren Lagerbereich gelegenen Gust-loff-Werke, der 320 Tote, viele Verwundete und viele Verschüttete zur Folge hat….Es entsteht ein unbeschreibliches Chaos….Mit Hilfe der Kameraden von der Ar-beitsstatistik tauchen sie im inneren Lagerbereich unter. Walter Vielhauer bekommt die Häftlings-nummer eines toten Franzosen und wird später Kapo der Effektenkam-mer, in der das jüdische Kind Stefan Jerzy Zweig versteckt wird.

Emil Carlebach, jüdischer Journalist aus Frankfurt, KPD-Mitglied, 1945 Mitheraus-geber der Frankfurter Rundschau: „Nachdem Willi Bleicher den dreijährigen Jerschi vor der Vergasung rettet, wird dieser im sogenannten kleinen Lager versteckt. …In einer Zwischenwand …ist die Schlaf- und Lebensstelle des Kindes. Sein Betreuer und Beschützer heißt Walter Vielhauer.“Rede von Emil Carlebach am 25.4.1986 am Grab von Walter Vielhauer (Quelle privat)

Das Eingangstor zum KZ Buchenwald

Stefan Jerzy Zweig Foto: Alfred Stüber

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Über den AusbruchZum engeren Kreis des Widerstandes im Lager gehört auch Edo Leitner (* 1907 in Künzelsau). Er baut den illegalen Sender im Lager auf, gibt später das erste Zeichen zum Ausbruch, der bewaffneten Selbstbefreiung. Walter Vielhauer hilft, die versteckten Waffen auszugeben.

Edo Leitner funkt mit seinem illegalen Sender am 8. April 1945„An die Alliierten. An die Armee des Generals Patton. Hier Konzentrations-lager Buchenwald. SOS! Wir bitten um Hilfe. Man will uns evakuieren. Die SS will uns vernichten.“

Die Antwort lautet: „Ausdauern. Wir kommen zur Hilfe“

„Walter war einer derer, die das Ausgraben und die Übergabe der Waffen zu beaufsichtigten hatten. Und er war einer derer, die dann mit uns allen zusammen den Sturm auf den Stacheldraht, die Eroberung der Wachtürme, die Gefangennahme von über 200 SS-Verbrecher miterleben konnte.“Rede von Emil Carlebach am 25.4.1986 am Grab von Walter Vielhauer (Quelle privat)

Das Kriegstagebuch des Hauptquartiers der 4. Gepanzerten Division, auch G-2 Journal genannt, bestätigt Folgendes mit Datum vom 13. April 1945:

„Vor unserer Ankunft waren die Wachtürme erobert und 125 SS-Männer gefangengenommen worden, die noch im Gewahrsam des Lagers sind.“Modern Military Archives, Washington, 4. armoured division, 604-2.2-daily reports, June 1944-May 1945.

Schwur von Buchenwald 19. April 1945Bei einem Gedenkappell für die Ermordeten des Konzentrationsla-gers Buchenwald wird ein Gelöbnis der Überlebenden verlesen, der Schwur von Buchenwald:

„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Ver-nichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Auf-bau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Mehr als 400 Insassen sind seit der Befreiung gestorben.

KZ Buchenwald – Aufstand und Befreiung

Edo Leitner – Standbilder aus dem Dokumentarfilm „Edo Leitner“

NiewiederFaschismus,niewiederKrieg!

Mit Gewehren bewaffnete Häftlinge nehmen wenige Stunden nach der Befreiung des Lagers SS-Männer gefangen. Paul Bodot, 3rd U.S. Army, 11. April 1945 Assoçiation Française Buchenwald-Dora, Paris

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Das wiederaufgebaute Heilbronner Rathaus 1953

1945 Neuanfang, Bürgermeister, Einheitsgewerkschaft

Nach 1945Nach dem Einmarsch der US-Truppen in Heilbronn setzen sie Emil Beutinger wieder in sein früheres Amt als Oberbürgermeister von Heilbronn ein. Im Juli 1945 kehrt Walter Vielhauer nach Heilbronn zurück. Die Amerikaner ernennen ihn zum Dezernenten für Wohnungswirtschaft, Arbeitsverwaltung und sozi ale Angelegenheiten.

Walter Vielhauer heiratet 1945 Helene Stegmaier, die er während der Widerstandsarbeit kennen lernt. Sie stammt aus einer kommunisti-

schen Familie in Stuttgart. Sohn Walter Peter wird 1946 geboren.

Die Aufgaben der provisorischen Verwaltung sind enorm: Die Innenstadt von Heilbronn ist nach dem 4. Dezember 1944 vollstän-dig zerstört. Viele Betriebe sind entweder zerstört oder müssen erst von Rüstungs- auf Zivilfertigung umgestellt werden.

Von Juli 1947 bis Juni 1948 ist Wal-ter Vielhauer Ankläger bei der Spruchkammer zur Entnazifizierung in Heilbronn. Dort ist er auch mit dem Fall des früheren NS-Bürgermeis-ters Hugo Kölle betraut. Gemeinsam mit Hellmut Riegraf ist er an der Entnazifizierung beteiligt – doch beide sind fassungslos enttäuscht, wie sich die Verfahren zur wirkungslosen Farce entwickeln. So stellen sich beide bald nicht mehr zur Verfügung.

Neben der Versorgung der Bevölkerung mit dem Nötigsten und der Aufarbeitung der Nazi-zeit widmen sich die Antifaschisten, Demokra-ten und Gewerkschafter dem demokratischen Neuanfang. In Heilbronn gibt es Versuche, eine einheitliche Arbeiterpartei zu gründen. In der SPD will ein starker Teil einen neuen „Bruder-kampf“ vermeiden. Im Herbst 1945 werden SPD und KPD neu gegründet, bis Anfang der 50er Jahre gibt es immer wieder gemeinsame Absprachen.

Ein großes Anliegen ist Walter Vielhauer der Wiederaufbau der Gewerkschaften. Die Zusammenarbeit funktioniert parteiübergreifend. Im Herbst 1945 wird der Gewerk-schaftsbund Heilbronn mit 7000 Mitgliedern neu gegrün-det. Die Lehre aus der Zeit des Faschismus ist die Bildung von Einheitsgewerkschaften.

Walter Vielhauer ist Gründungsmitglied der ÖTV (Vorgänger von ver.di) und wird im März 1947 zum 2. Vorsitzenden in Heilbronn gewählt.

Von den 14.350 Gebäuden in Heilbronn und seinen Stadt-teilen sind 62% beschädigt und 31% zerstört. Die zerstörte Stadt – Götzenturmstraße; 1945 Bild: LMZ Stuttgart

Viele Heilbronner mussten noch lange in Kellerwohnungen leben. Fotosammlung Stadt-archiv Heilbronn/Aufnahme Richard Ruff 1947

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Stadtrat, KPD-Verbot, wirtschaftliche Not

Gemeinderatswahlen 1946: 16 Gemeinderäte SPD, 9 CDU, 8 DVP (FDP) und 3 KPD. Gemeinderatswahlen 1947: 14 Gemeinderäte SPD, 11 DVP (FDP), 8 CDU, und 3 KPD. Einer davon ist Walter Vielhauer, danach scheidet er aus der Stadtverwaltung aus.

1946 Gründung der „Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft“ durch Walter Viel-hauer, Hellmut Riegraf, Bruno Vogelmann. Sie führt im Rahmen der Volkshochschule Vorträge u.a. zu Marx und Engels durch.

Ab 1947 beginnt für die kommunistischen Antifaschisten wieder eine schwere Zeit.

Walter Vielhauer 1983:„Die westlichen Besatzungsmächte hatten er-kannt, daß sie für die Wiederherstellung der monokapitalistischen Gesellschaftsordnung deren ökonomische und politische Stützen, die nazistischen Wehrwirtschaftsführer und die Verwaltungsbeamten, Juristen und

Generale Adolf Hitlers, benötigten. Der „Kalte Krieg“ begann….Wer zwölf Jahre einen zähen und opferreichen Widerstand gegen Kriegsvorbereitung und Krieg geführt hatte, sollte aus dem öffentlichen Leben verschwinden.“Walter Vielhauer in „Willi Bleicher – ein Leben für die Gewerkschaften“ NVG 1983

Der Chef des SS-Hinrichtungskommandos in Buchenwald, Wolfgang Otto, kehrt 1954 in den Staatsdienst zurück, wird als Lehrer in Geldern verbeamtet, Fach Religion.

Walter Vielhauer stemmt sich gegen den zunehmenden An-tikommunismus. Er kandidiert 1953 zum Bundestag, 1956 zum Landtag und 1954 als Oberbürgermeister in Heil-bronn. Nach dem Verbot der KPD am 17.8.1956 wird Walter

Vielhauer in die politische Isolation gedrängt und scheidet am 3.7.1958 aus dem Gemeinderat aus.

Die wirtschaftliche Situation wird für ihn und seine Familie existenzbedrohend. Während alte Nazis überall wieder Fuß fassen, kämpfen er und seine

Familie um ihre Existenz. Zeitweise arbeitet er bei der IG Metall in Heilbronn auf Honorarbasis, von 1955

bis zum 17.8.1956 als 2. Sekretär der Landesleitung der KPD und nach dem KPD-Verbot ist er arbeitslos.

Ein Freund, Walter Albert Bauer, verhilft ihm zu neuer Arbeit. Bauer, aus dem Widerstandkreis der Bekennenden Kirche und CDU-Mitglied, beschäftigt Walter Vielhauer ab 1957 in seiner Firma Valentin Mehler AG in Fulda. 1964 kehrt er nach Heilbronn zurück und arbeitet bei der Firma F. M. Haakh, die ebenfalls zur Mehler AG gehört.

Sammlung Stadtarchiv Heilbronn, Signatur: D100-83, CC BY-SA

April 1947, U.S. Army Signal Corps, gemeinfrei

Aufruf zur Gedenkfeier 1952 auf dem Neckargartacher KZ-Friedhof Sammlung Stadtarchiv Heilbronn

RückfallindenKaltenKrieg

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Foto: Nuri Musluoglu

Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Das Heilbronner Rathaus heute

Gewerkschaftliche Niederlagen und Solidarität

1927 tritt Walter Vielhauer als Silberschmied in den Deut-schen Metallarbeiterverband (DMV) ein.

Die Zeit des Faschismus in Deutschland wird für die Gewerkschaften zum dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte.

So sehr sie vor 1933 gegeneinander gekämpft haben – sie werden in den Gefängnissen und Konzentrationslager zusam-

men eingesperrt und gefoltert.

Die Konsequenz daraus ziehen Gewerkschaf-ter unmittelbar nach der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 1945: In einem sind sich die Gewerkschaftsgründer indessen einig: Die weltanschaulich und parteipolitisch getrennten Richtungsgewerkschaften gehören der Vergan-genheit an. Die Gewerkschaftsversammlungen auf betrieblicher und lokaler Ebene ebenso wie die Veranstaltungen zum 1. Mai stehen ganz im Zeichen der Gewerkschaftseinheit.

Wilhelm Leuschner: „Morgen werde ich gehängt, schafft die Einheit!“Leuschner am Vorabend seiner Hinrichtung am 29.9.1944 zu seinem Mithäftling, dem ehemaligen Reichstagsabgeordneten Gustav Dahrendorff

Nach seiner Rückkehr aus dem KZ fördert Walter Vielhauer als zuständiger Dezernent im Juli 1945 die Gründung der örtlichen Gewerkschaften. Er ist einer der „Männer der ersten Stunde“ des „Gesamt-verban- des des Personals der öffentli- chen Dienste und des Verkehrs“, (Vorgänger von ÖTV bzw. ver.di) und wird 1947 zum zweiten Vorsitzenden von Heilbronn gewählt.

Im Laufe der nächsten Jahre gibt es auch in den Gewerkschaften Auseinandersetzungen auf parteipolitischen Hintergründen. Als Walter Vielhauer in den 50er Jahren wirtschaftlicher Not ausgesetzt ist, hilft ihm auch die gewerkschaftliche Solidarität über die Runden: Willi Bleicher „hat auch mir geholfen, das materielle Leben unserer Familie zu erhalten.“ Quelle: „Willi Bleicher-Ein Leben für die Gewerkschaften“, NVG Frankfurt, 1983

Trotz allem gelingt es, die Gewerkschaften als gemeinsame Orga-nisation aller Arbeiter und Angestellten und zu einer Organisation

zur Durchsetzung sozialer Forderungen zu entwickeln.

1. Mai 1984: Bis ins hohe Alter ist es für Walter Vielhauer eine Selbstverständ-lichkeit, an der 1. Mai-Demonstration der Heilbronner Gewerkschaften teilzunehmen.

Wilhelm Leuschner, bis April 1933 Vorsitzender des Allgemei-nen Deutschen Gewerkschafts-bundes ADGB Foto: AdsD/FES

Gewerkschaftshaus Heilbronn Foto: Peter Schmelzle BY-SA 3.0

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Bis kurz vor seinem Tod engagiert sich Walter Vielhauer gegen alte und neue Nazis. Ob auf Kundge-bungen, bei Filmveranstaltungen, ob bei der Gewerkschaftsjugend oder in Jugendhäusern – seine Veranstaltungen sind immer gut besucht und er ist ein vielgefragter

Redner im ganzen Land. Jahrelang organisiert er die Gedenkveran-staltungen im November auf dem KZ-Friedhof am Ortsrand von Amorbach bei Neckar-sulm. Bis zu seinem Tod ist er auch Kreisvorsitzender der VVN-Bund der Antifaschisten in Heilbronn. Walter Vielhauer engagiert sich Anfang der 80er Jahre auch mit ganzer Kraft in der Friedensbewegung.

Emil Carlebach bei der Trauerfeier von Walter Vielhauer am 25.4.1986:

„In siebenundsiebzig Jahren seines Lebens hatte er in diesem Land 11 Jahre und 9 Monate hinter Gitter und Stacheldraht, unter Folter und Hunger, unter Kälte und Massenmord durchhalten müssen. In dieser seiner Lebenszeit hat er 25 Jahre Illegalität erlebt. Die Hälfte unter Hitler, die Hälfte unter Adenauer….

Aber er hinterläßt viel viel …Nachfahren, die von ihm gelernt haben, was es heißt zu leben als ein mensch-liches Wesen, in der Erkenntnis, daß man für alle und nicht nur für sich selbst den Frieden, die Freiheit, die soziale Gerechtigkeit erkämpfen muß.“

Die Hauptsorge nach dem Ende der Hitlerherrschaft gilt den Antifa-schisten wie Walter Vielhauer oder Willi Bleicher den jungen Menschen, vor allem der Arbeiterjugend: „Die Kinder sind unsere Zukunft“ sagt ein-mal Willi Bleicher zu ihm. „In diesen liegt die Gestaltung einer besseren Zeit als die war, die hinter uns liegt“.

Antifaschist und Friedensaktivist

Emil Carlebach, Mithäftling im KZ Buchenwald und 1945 Mitherausgeber der Frankfurter Rundschau

Walter Vielhauer am Infostand der VVN bei der Friedenswoche 1984 Foto: Nuri Musluoglu

Bei der Menschenkette gegen Atomraketen 1983 Foto Bernhard Mainz

Beim Friedenszug des DGB Heilbronn 1982 Fotos: Wilfried Pabst

Beim Ostermarsch 1984 auf der Waldheide Heilbronn Foto: Joachim Holstein

OhneFriedenistallesnichts

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Walter Vielhauer Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn

Antifaschistisches GedenkenSeinen leidenschaftlichen Kampf gegen den Nationalsozialismus bezahlte der Heilbronner Kommunist Gottlob Feidengruber mit dem Leben: Ende der 1920er Jahre hatte er sich mit seiner Frau Rose der Kommunistischen Partei Deutschlands angeschlossen. Als Mitglied des seit 1929 verbotenen Rot-frontkämpferbunds wurde Feidengruber 1931 verhaftet und 1932 zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner Rückkehr nach Heilbronn im Mai 1933 ging

Feidengruber in den Widerstand und kam im Frühjahr 1934 erneut in Haft.

Aber er konnte sich mit Hilfe seiner Frau befreien; sie setzten sich ins damals französische Saargebiet ab und flohen nach dessen Anschluss an Nazideutschland weiter nach Frankreich. Feidengruber zog mit den Internationalen Brigaden in den spanischen Freiheitskampf und blieb nach Francos Sieg im besetzten Frankreich im Widerstand aktiv.

1943 wurde er verhaftet und im Januar 1944 in Paris wegen Zerset-zung der Wehrkraft zum Tode verurteilt. Am 26. Januar wurde er – wie viele andere Widerstandskämpfer auch – auf dem Mont Valerien in der Nähe von Paris erschossen.

Würdigung von Walter Vielhauer1984 wird Walter Vielhauer ins Buch der Gerech-ten von Yad Vashem in Israel aufgenommen.

Am 19. April 1986 stirbt Walter Vielhauer nach kurzer Krankheit in seinem Haus in Heilbronn.

Die Gedenktafel für Gottlob Feiden-gruber wird auf Initiative von Walter Vielhauer 1984 an einem Mauerrest des Heilbronner Klaraklosters in der Siebeneichgasse angebracht Foto: Nuri Musluoglu

Gottlob Feidengruber Foto: Sammlung Stadtarchiv Heilbronn

Heilbronner Stimme 14. September 1984

Unterstützende des Projekts: DGB-Region Nordwürttemberg, VVN-BdA Kreisvereinigung Heilbronn, DIE LINKE Kreisverband Heilbronn Unterland, Netzwerk gegen Rechts Heilbronn, Heilbronn sagt nein, SPD im Landkreis Heilbronn, SPD-Kreisverband Heilbronn-Stadt, Rosa-Luxemburg-Club Heilbronn der Rosa Luxemburg Stiftung Baden-Württemberg

Erstellung:Arbeitskreis Walter Vielhauer, c/o DGB-Region Nordwürttemberg, Gartenstraße 64, 74072 HeilbronnText: Konrad Wanner, Layout: Mediendesign Jörg Munder

Ein Nachruf in der Heilbronner Stimme am 22. April 1986 würdigt sein Leben