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Wilhelm Kulisch Nanotechnologie für Einsteiger Herstellung und Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanostrukturen

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  • Wilhelm Kulisch

    Nanotechnologie für EinsteigerHerstellung und Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanostrukturen

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  • Wilhelm Kulisch

    Nanotechnologiefür Einsteiger

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  • Wilhelm Kulisch

    Nanotechnologie für Einsteiger

    Herstellung und Eigenschaftenvon Kohlenstoff-Nanostrukturen

  • Autor

    Wilhelm KulischFriedenstraße 834121 KasselDeutschland

    Unter Mitarbeit von Regine Freudenstein

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    Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältigerarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren,Herausgeber und Verlag in keinem Fall,einschließlich des vorliegenden Werkes, für dieRichtigkeit von Angaben, Hinweisen undRatschlägen sowie für eventuelle Druckfehlerirgendeine Haftung.

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    © 2016WILEY-VCHVerlagGmbH&Co. KGaA,Boschstr. 12, 69469 Weinheim, Germany

    Alle Rechte, insbesondere die der Überset-zung in andere Sprachen, vorbehalten. KeinTeil dieses Buches darf ohne schriftliche Ge-nehmigung des Verlages in irgendeiner Form– durch Photokopie, Mikroverfilmung oderirgendein anderes Verfahren – reproduziertoder in eine vonMaschinen, insbesondere vonDatenverarbeitungsmaschinen, verwendbareSprache übertragen oder übersetzt werden.Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen,Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen indiesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme,dass diese von jedermann frei benutzt werdendürfen. Vielmehr kann es sich auch dann umeingetragene Warenzeichen oder sonstige ge-setzlich geschützte Kennzeichen handeln, wennsie nicht eigens als solche markiert sind.

    Umschlaggestaltung Blue Sea Design, SimoneBenjamin, McLeese Lake, CanadaSatz le-tex publishing services GmbH, Leipzig,Deutschland

    Print ISBN 978-3-527-33956-3ePDF ISBN 978-3-527-69532-4ePub ISBN 978-3-527-69533-1Mobi ISBN 978-3-527-69534-8

    Gedruckt auf säurefreiem Papier.

  • V

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort XI

    1 Einführung 11.1 Nanowissenschaften und Nanotechnologie 11.2 Nanowissenschaften sind interdisziplinär 31.3 Nanotechnologie – Heilsbringer oder Risiko? 31.4 Kohlenstoffnanostrukturen 41.5 Der Aufbau dieses Buchs 5

    Literatur 7

    Teil I Nanotechnologie und Nanostrukturen 9

    2 Nanostrukturen 112.1 Definition 112.2 Physik und Chemie im Nanometerbereich 122.2.1 Der Einfluss der Oberfläche 132.2.2 Platzersparnis 142.2.3 Kritische Längen 162.2.4 Quantenmechanik 222.3 Arten von Nanostrukturen 252.4 Vorbilder in der Natur 312.5 Wissen testen 34

    Literatur 35

    3 Herstellung von Nanostrukturen 373.1 Grundlegende Ansätze zur Herstellung von Nanostrukturen 373.2 Top-down-Verfahren 373.2.1 Erzeugung von Nanopartikeln durch Mahlen 393.2.2 Mechanische Oberflächenermüdung 403.2.3 Lithografie und Ätzen 413.3 Irgendwo dazwischen: die weiche Lithografie 44

  • VI Inhaltsverzeichnis

    3.3.1 Nanokontaktdruck 453.3.2 Weitere auf Stempeln beruhende Verfahren der weichen

    Lithografie 463.3.3 Dip-Pen-Nanolithografie 473.4 Bottom-up-Verfahren 483.4.1 Selbstassemblierte Systeme und Schichten 503.4.2 Verwendung von Templates 523.4.3 Verwendung von DNA 543.4.4 Prozessführung 553.5 Funktionalisierung 553.5.1 Möglichkeiten zur Funktionalisierung 563.5.2 Verleihung von Funktionalitäten 593.6 Wissen testen 62

    Literatur 62

    4 Charakterisierung von Nanostrukturen 654.1 Kann man Atome sehen? 654.1.1 Das Rayleigh-Kriterium 654.1.2 Reduzierung der Wellenlänge elektromagnetischer Strahlung 664.1.3 Die Lösung: Teilchenstrahlen 674.2 Elektronenstrahlverfahren 684.2.1 SEM 684.2.2 TEM und HRTEM 704.2.3 TED und EELS 714.3 Charakterisierung mittels Nanosystemen:

    Rastersondenmikroskopie 724.3.1 Rastertunnelmikroskopie 734.3.2 AFM 764.3.3 Weitere Verfahren 794.4 Makroskopische Verfahren 824.4.1 Raman-Spektroskopie 824.4.2 Weitere spektroskopische Verfahren 854.4.3 Verfahren zur Bestimmung der Zusammensetzung 854.4.4 Beugungsverfahren zur Ermittlung der Kristallinität 884.5 Wissen testen 90

    Literatur 90

    Teil II Das Element Kohlenstoff 93

    5 Das Element Kohlenstoff 955.1 Vorkommen 955.1.1 Die Entstehung von Kohlenstoff 965.1.2 Bedeutung als Energieträger 975.1.3 Bedeutung in der Biologie 97

  • VIIInhaltsverzeichnis

    5.2 Die besondere Chemie des Kohlenstoffs 985.2.1 Hybridisierung 985.2.2 Ring- und Kettenbildung 1005.2.3 Polymere 1035.2.4 Fremdatome und funktionelle Gruppen 1045.3 Wissen testen 107

    Literatur 108

    6 Kohlenstofffestkörpermodifikationen 1096.1 Diamant 1116.1.1 Vorkommen und Herstellung 1116.1.2 Physikalische Eigenschaften 1186.1.3 Chemische Eigenschaften 1216.1.4 Anwendungen 1216.2 Graphit 1226.2.1 Struktur 1226.2.2 Gewinnung bzw. Herstellung 1236.2.3 Physikalische Eigenschaften 1236.2.4 Chemische Eigenschaften 1246.2.5 Anwendungen 1256.3 Weitere Modifikationen 1276.3.1 Glaskohlenstoff 1276.3.2 Ruß 1286.3.3 Amorpher Kohlenstoff 1296.4 Wissen testen 130

    Literatur 131

    Teil III Kohlenstoff-Nanostrukturen 133

    7 Punktförmige Kohlenstoffnanostrukturen: Fullerene 1357.1 Entdeckung 1357.2 Struktur 1377.2.1 Die große Varietät der Fullerene 1377.2.2 C60 und C70 1397.2.3 Nomenklatur 1407.3 Fullerite 1407.4 Fullerene mit Fremdatomen 1417.4.1 Heterofullerene 1417.4.2 Endohedrale Komplexe 1427.5 Herstellung 1447.5.1 Laserablation 1447.5.2 Thermische Zersetzung 1447.5.3 Vakuum-Bogenentladung 1467.5.4 Pyrolyse 146

  • VIII Inhaltsverzeichnis

    7.5.5 Verbrennungsverfahren 1477.5.6 Vergleich der Verfahren 1477.6 Weiterverarbeitung 1487.6.1 Reinigung und Anreicherung 1487.6.2 Funktionalisierung 1497.6.3 Polymerisation 1507.7 Eigenschaften von Fullerenen 1507.7.1 Chemische Eigenschaften 1517.7.2 Mechanische Eigenschaften 1517.7.3 Optische Eigenschaften 1527.8 Anwendungen 1527.8.1 Wasserstoffspeicherung 1557.8.2 Härtung von Materialien 1557.8.3 Medizin 1557.9 Wissen testen 159

    Literatur 160

    8 Eindimensionale Kohlenstoffnanostrukturen: Nanoröhrchen 1638.1 Entdeckung 1638.2 Beschreibung, Klassifizierung und Nomenklatur 1648.2.1 Armchair-, Zigzag- und chirale Röhrchen 1648.2.2 Singlewall- and Multiwall-Röhrchen 1678.2.3 Die Enden der Nanoröhrchen 1688.2.4 Spezielle Arten von CNTs 1688.2.5 Nanoröhrchenmit Fremdatomen 1708.2.6 Nanoröhrchen aus anderen Materialien 1728.3 Herstellung 1728.3.1 Physikalische Verfahren 1728.3.2 CVD-Verfahren 1738.3.3 Ein spezielles Beispiel: das HiPCO-Verfahren 1778.3.4 Zusammenfassender Vergleich 1788.3.5 Reinigung, Trennung und Aufbereitung 1798.3.6 CNT-Bündel, -Fasern und -Filme 1818.4 Eigenschaften 1858.4.1 Mechanische Eigenschaften 1868.4.2 Elektrische und elektronische Eigenschaften 1868.4.3 Thermische Eigenschaften 1878.4.4 Chemische Eigenschaften 1888.5 Anwendungen 1888.5.1 Nanoverbundwerkstoffe 1898.5.2 Anwendungen in elektronischen Bauelementen 1908.5.3 Feldemission 1968.5.4 Sensoren 1978.5.5 Anwendung von CNTs in der Medizin 1988.5.6 Weitere Anwendungen 200

  • IXInhaltsverzeichnis

    8.5.7 Gegenwärtige Probleme 2008.6 Wissen testen 201

    Literatur 201

    9 Zweidimensionale Kohlenstoffnanostrukturen: Graphen 2059.1 Entdeckung 2059.2 Struktur 2069.3 Herstellung 2079.3.1 Ablöseverfahren 2089.3.2 CVD-Verfahren 2089.3.3 Direktes epitaktisches Wachstum durch Segregation 2099.3.4 Transfer auf geeignete Substrate 2109.3.5 Graphenwachstum auf SiC 2119.3.6 Reduktion von Graphenoxid 2129.4 Eigenschaften 2149.4.1 Mechanische Eigenschaften 2159.4.2 Elektrische und elektronische Eigenschaften 2159.4.3 Thermische Eigenschaften 2169.4.4 Optische Eigenschaften 2169.4.5 Chemische Eigenschaften 2179.4.6 Weitere Eigenschaften 2179.5 Anwendungen 2189.5.1 Graphentransistor 2189.5.2 Chemische Sensoren und Biosensoren 2199.5.3 Nanoverbundwerkstoffe 2219.6 Wissen testen 221

    Literatur 223

    10 Dreidimensionale Kohlenstoffnanostrukturen 22510.1 Kohlenstoffnanozwiebeln 22510.1.1 Struktur 22510.1.2 Herstellung 22710.1.3 Eigenschaften 23010.1.4 Anwendungen 23010.2 Kohlenstoffnanohörner 23110.3 Weitere graphitische dreidimensionale

    Kohlenstoffnanostrukturen 23410.4 Zusammenfassung: graphitähnliche dreidimensionale

    Kohlenstoffnanostrukturen 23610.5 Diamantnanopartikel 23610.5.1 Herstellungsverfahren 23710.5.2 Struktur, Aufbereitung und Funktionalisierung 23910.5.3 Anwendungen 24010.6 Nano- und ultrananokristalline Diamantschichten 24010.7 Diamantnanosäulen und Nanostäbe 24310.8 Wissen testen 243

    Literatur 244

  • X Inhaltsverzeichnis

    11 Verwandte Nanostrukturen aus anderen Elementen 24711.1 Bornitrid 24711.1.1 Herstellung von BN 24911.1.2 Eigenschaften von BN 24911.1.3 BN-Nanostrukturen 25011.1.4 BN-Nanoröhrchen 25111.1.5 Weitere BN-Nanostrukturen 25511.2 Silizium 26011.2.1 Siliziumnanodrähte 26111.2.2 Siliziumquantenpunkte 26211.2.3 Mesoporöse SiO2-Nanoteilchen 26411.3 Wissen testen 265

    Literatur 266

    Richtig gelöst 269

    Stichwortverzeichnis 283

  • XI

    Vorwort

    Zwei Themen haben die wissenschaftlichen Arbeiten der Autoren von Beginn anstets begleitet: Die Nanotechnologie (ausgehend von der Mikrostrukturtechno-logie) sowie das Material Kohlenstoff und seine Verwandten. Beide Themenbe-reiche sind sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus technologischer Sicht äu-ßerst faszinierend. Kohlenstoffnanostrukturen verfügen nicht nur eine hochinte-ressante Chemie, sondern bieten auch eine Technologie mit beinahe unbegrenz-ten Möglichkeiten.In diesem Buch versuchen wir, diese außergewöhnliche Kombination zu nut-

    zen, um in die heute immer wichtiger werdende Nanotechnologie einzufüh-ren, wobei die wissenschaftlich/physikalischen Grundlagen, die technologischenMöglichkeiten und Herausforderungen sowie bereits realisierte oder angedachteAnwendungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Kohlenstoff und die aufihm beruhenden Nanostrukturen wie etwa Fullerene, Nanoröhrchen, Graphenund Nanozwiebeln bieten eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Nanotechnologieund ihre Prinzipien, Herausforderungen und Grenzen darzustellen.Die Autoren danken ihrem Freund und Kollegen Dr. Cyril Popov vom Institut

    für Nanostrukturtechnologie und Analytik (INA) der Universität Kassel für seineHilfe bei der Literatursuche.

    Juli 2016, Kassel Wilhelm Kulisch

  • 1

    Einführung 11.1 Nanowissenschaften und Nanotechnologie

    DasWort „Nano“ stammt aus demGriechischen und bedeutet Zwerg. In denNa-turwissenschaften wird „nano“ seit langer Zeit als Vorsilbe für Einheiten benutztund bedeutet 10−9, genauso wie „mikro“ 10−6 bedeutet oder „kilo“ 103. Im Zu-sammenhang mit der Nanotechnologie bezieht sich die Vorsilbe zunächst aus-schließlich auf die Längeneinheit Meter, das Wort „Nano“ ist also als Nanometerzu lesen.Die Nanowissenschaften und die Nanotechnologie beschäftigen sich also mit

    Objekten, deren Abmessungen im Nanometerbereich liegen [5]. Diese sind in-folgedessen auch die Themen dieses Buchs. Daher stellt sich die Frage, warumdieser Größenbereich einer gesonderten Darstellung bedarf und warum die Na-notechnologie in Wissenschaft, Forschung und vor allem auch in der Industrieeine immer gewichtigere Rolle spielt. Die Antwort ist, dass in diesem Größenbe-reich sich viele Aspekte der Physik und der Chemie gegenüber den von der ma-kroskopischenWelt her bekannten ändern. Dies gilt gleichermaßen für physika-lisch/chemische Effekte wie für die Eigenschaften von Materialien mit Nanome-terabmessungen. Dies ist eines der Hauptthemen dieses Buchs, das insbesonderein Kapitel 2 diskutiert wird.Die Beschäftigung mit diesen Themen ist keineswegs neu, sie begann spätes-

    tens Ende des 19. Jahrhunderts mit der Etablierung der atomaren Struktur derMaterie und führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung der Quan-tenmechanik und weiterer quantenphysikalischer Theorien.Die Entwicklung der Nanotechnologie als eigenständige Wissenschaft, die sich

    mit der Herstellung, der Charakterisierung und der Anwendung von Nanoobjek-ten beschäftigt, begann eher im Stillen (der Begriff Nanotechnologie wurde erst-mals 1974 von N. Taniguchi [12] verwendet, der auch eines der ersten wichtigenBücher über das Thema schrieb [13]). Dies änderte sich durch zwei Nobelpreisein den 1980er- und 1990er-Jahren, durch die die Nanotechnologie in das Ram-penlicht einer breiteren Öffentlichkeit gelangte:

    ∙ Den Physiknobelpreis für 1986 erhielten G. Binnig und H. Rohrer für dieEntwicklung des Rastertunnelmikroskops (STM), das es zum ersten Mal er-

    Nanotechnologie für Einsteiger, 1. Auflage. Wilhelm Kulisch.©2016WILEY-VCHVerlagGmbH&Co.KGaA.Published2016byWILEY-VCHVerlagGmbH&Co.KGaA.

  • 2 1 Einführung

    möglichte, Strukturen mit atomarer und sogar subatomarer Auflösung abzu-bilden [1]. Das STM wird ausführlich in Kapitel 4 vorgestellt.

    ∙ Im Jahr 1996 erhielten H. Kroto, F. Curl und R. Smalley den Nobelpreis fürChemie für die Entdeckung der Fullerene, einer speziellen Form von Kohlen-stoffnanostrukturen (Kapitel 7), die sie im Jahr 1985 veröffentlicht haben.

    Die Begriffe „Nanowissenschaften“ und „Nanotechnologie“ sind also eher neue-ren Ursprungs. Allerdings wurde die Nanophysik im eigentlichen Sinn zu Be-ginn des 20. Jahrhunderts ins Leben gerufen, jedoch wurde diese Entwicklung alsQuantenmechanik oder Quantenphysik bezeichnet. Die daran beteiligten Wis-senschaftler dachten zudem – historisch bedingt – eher in Ångström (10−10 m),der damals in diesem Bereich verwendeten Längeneinheit, als in Nanometern.1)

    Vielfach wird ein Vortrag des amerikanischen Physikers Richard Feynman alsGeburtsstunde der Nanotechnologie gewertet, den er 1959 am California Insti-tute of Technology hielt. Feynman sagte in diesem Vortrag „There is plenty ofroom at the bottom“ (Ganz unten ist eine Menge Platz) [4]. (Für meine Begriffeist dieser Satz viel zu unklar, um eine solche Einschätzung zu rechtfertigen. Denheutigen Stellenwert als Startpunkt der Nanotechnologie erhielt dieser Satz erstin den 80er-Jahren, als sich die Nanotechnologie unter ihrem heutigen Namen zuentwickeln begann.) In der wissenschaftlichen Literatur taucht der Begriff Nano-technologie zum erstenMal 1974 in dembereits erwähntenArtikel vonTaniguchiauf [12].

    Nanoinformationen von der Bundesregierung

    Bis Mitte 2015 bediente sich die Bundesregierung des sogenannten Na-notrucks, um über die Nanotechnologie zu informieren. Dabei handelte essich zum einen um einen 16,5m langen Truck, der durchDeutschland tourte,Themen der Nanotechnologie ausstellte und auf informative Weise präsen-tierte. Darüber hinaus war die dazugehörige Seite http://www.nanotruck.de/die Webseite der Bundesregierung, auf der sie über die Nanotechnologie, de-ren Aufgaben, Ziele, Chancen und mögliche Risiken informierte. Darüberhinaus wurde ständig über die neuesten Entwicklungen berichtet. Diese Seitegehört zu den besten, die ich im Internet zum Thema Nanotechnologie ge-funden habe. Die Seite existiert immer noch, allerdings wird sie nicht mehrerweitert. Dennoch lohnt sich ein Besuch immer noch.Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Webseiten, die zum Teil auf die In-itiative der Bundesregung zurückgehen und häufig sehr informiert über dieNanotechnologie berichten. Dazu gehören:

    ∙ der Deutsche Verband Nanotechnologie:

    1) Wenn man es auf die Spitze treiben will, könnte man sagen, dass sich eine Nanotechnologieerst entwickeln konnte, nachdem das Internationale Einheitensystem (SI-System) eingeführtwurde. Ansonsten würde man von einer „Ångström-Technologie“ reden.

  • 31.2 Nanowissenschaften sind interdisziplinär

    http://www.dv-nano.de/infoportal/nanodialog.html∙ die Nationale Kontaktstelle Nanotechnologie: http://www.nks-nano.de/∙ Aktionsplan Nanotechnologie 2015: http://www.nanopartikel.info/files/

    downloads/Broschüre-BMBF-aktionsplan-nanotechnologie-2015.pdf

    1.2 Nanowissenschaften sind interdisziplinär

    Das Thema dieses Buchs ist die Beschäftigung mit Objekten im Nanometer-maßstab, also die Nanowissenschaften bzw. die Nanotechnologie. Einer der in-teressantesten Aspekte dabei ist, dass sie nur interdisziplinär betrieben werdenkönnen. Schon die Herstellung von Kohlenstoffnanostrukturen erfordert eineenge Zusammenarbeit von Chemikern und Physikern (und teilweise auch vonProzessingenieuren). Die Anwendung von Kohlenstoffnanostrukturen bedingt invielen Fällen auch die Mitarbeit von Biologen und/oder Medizinern. An dieserStelle sei meine Heimatuniversität Kassel angeführt:

    ∙ Dort existiert ein „Center for Interdisciplinary Nanostructure Science andTechnology“ (CINSaT), an dem unter anderem die Physik, die Chemie, dieBiologie, der Maschinenbau, die Elektrotechnik, das Ingenieurwesen, die Ar-chitektur und die Philosophie beteiligt sind.

    ∙ Die Universität bietet einen Bachelor- und einen Master-Studiengang „Nano-strukturwissenschaften“ an, der gemeinsam von den Instituten für Physik, Bio-logie und Chemie durchgeführt wird.

    Infolgedessen ist auch dieses Buch interdisziplinär. Bei der Diskussion der Her-stellung von Nanostrukturen müssen sowohl physikalische als auch chemischeAspekte betrachtet werden. Ähnliches gilt auch für die Diskussion ihrer Eigen-schaften. Die zahlreichen in diesem Buch vorgestellten Anwendungsbeispielestammen unter anderem aus den Bereichen Physik, Chemie, Elektronik, Senso-rik, Materialwissenschaften, Biologie und Medizin.

    1.3 Nanotechnologie – Heilsbringer oder Risiko?

    Wenn man heute im Internet das Wort Nanotechnologie eingibt, hängt das Er-gebnis auf erschreckende Weise von der Schreibweise ab. Gibt man „Nanotech-nology“ ein, erhält man Hinweise auf englischsprachige Seiten, die die Nanotech-nologie in höchsten Tönen loben und von ihr die Lösung aller derzeitigen Pro-bleme unserer Welt erwarten (Energieversorgung, Umweltschutz, Wasser- undNahrungsversorgung, Gesundheit usw.).Gibt man den Begriff hingegen deutsch als „Nanotechnologie“ ein, so befassen

    sich die meisten der ersten Seiten, die man erhält, fast ausschließlich mit der Ge-

  • 4 1 Einführung

    fährlichkeit der Nanotechnologie, wobei insbesondere die Themen Gesundheitund Umweltschutz im Vordergrund stehen.Es ist nicht Aufgabe dieses Buchs, zwischen diesen beiden extrem konträ-

    ren Einschätzungen abzuwägen, zumal ich der Meinung bin, dass beide reineSchwarz-Weiß-Malerei sind und keine von ihnen der Realität entspricht. Wiebei jeder anderen neuen Technologie und jedem anderen neuen Produkt mussman im Einzelfall entscheiden, inwieweit eine Gesundheits- oder Umweltgefähr-dung vorliegt, und dann die entsprechende Technik/das entsprechende Produktentweder zulassen oder verbieten (siehe zu diesem Thema auch [7]).Man kann heute mit Sicherheit sagen, dass man die Nanotechnologie nicht als

    Ganzes als gefährlich einordnen kann (siehe auch unten), aber ebenso klar ist,dass eine Reihe von Produkten erhebliche Risiken aufweisen (ein Beispiel dafürist das Nanosilber [11]).Darüber hinaus muss man sich stets vor Augen halten, dass die Nanotechno-

    logie in manchen Bereichen längst Wirklichkeit geworden ist (was gleichzeitiggegen eine generelle Gefährlichkeit der Nanotechnologie spricht):

    ∙ In der modernen Halbleiterindustrie, d. h. in den Computern, die Sie heuteoder in der nächsten Zeit kaufen können, ist die kleinste Strukturweite 22 nm.Ihr Computer ist also ein nanotechnologisches Produkt.

    ∙ Ähnliches gilt für die modernen Datenspeicher, etwa die Festplatte in ihremComputer oder auch den USB-Stick, den Sie gerade benutzen. Auch hier liegtder für die Speicherung eines Bits benötigte Platz im Bereich von einigen100 nm2.

    ∙ Wenn Sie heute eine Flasche Sonnenmilch kaufen, werden Sie auf der Packungeventuell Hinweise darauf finden, dass das Produkt Nanopartikel enthält.

    Die Nanotechnologie hat also bereits Einzug in unser Leben gehalten. Dabei spie-len aber Nanostrukturen auf Kohlenstoffbasis (noch) eine eher untergeordneteRolle.

    1.4 Kohlenstoffnanostrukturen

    In diesemBuchwird dieNanotechnologie amBeispiel vonKohlenstoffnanostruk-turen vorgestellt. Es ist daher erforderlich, sich eingehend mit dem Element Koh-lenstoff und seiner besonderen Chemie zu beschäftigen. Aus der Darstellung imzweiten Teil des Buchs geht hervor, dass der Kohlenstoff eines der interessantenchemischen Elemente ist. Auf ihm basiert eine eigenständige chemischeWissen-schaft, die organische Chemie. Zudem beruht die in biologischen Prozessen statt-findende Chemie vorwiegend auf dem Kohlenstoff.Mit dem Diamant und dem Graphit gibt es zwei äußerst wichtige Festkörper-

    modifikationen des Kohlenstoffs. Dessen enormeBedeutung hat sich im Jahr 1985noch einmal schlagartig erhöht, als Kroto et al. [8] die Existenz einer völlig neuenKohlenstoff(nano)modifikation nachwiesen, der sogenannten Fullerene, die zu-

  • 51.5 Der Aufbau dieses Buchs

    sammen mit ihren Verwandten eine eigene, gleichberechtigte Klasse darstellen.In den 30 Jahren seit dieser bahnbrechenden Veröffentlichung wurden in regel-mäßigen Abständen neue Kohlenstoffnanostrukturen entdeckt, von denen diewichtigsten die Kohlenstoffnanoröhrchen [6] und das Graphen [10] sind, aber dieSpanne ist weitaus umfangreicher. Mittlerweile gibt es unter anderem endohe-drale Fullerene, Kohlenstoffnanozwiebeln, Kohlenstoffnanohörner, Kohlenstoff-nanoknospen und viele andere mehr. Viele von diesen neuen Strukturen werdenin diesem Buch diskutiert, aber bei Weitem nicht alle.Interessanterweise lassen sich diese Kohlenstoffnanostrukturen [2, 3, 9] sehr

    einfach anhand ihrer Dimensionalität klassifizieren:

    ∙ Fullerene sind nahezu punktförmig, also nulldimensional;∙ Kohlenstoffnanoröhrchen sind eindimensional;∙ Graphen besteht aus zweidimensionalen Ebenen;∙ Es gibt auch dreidimensionale Kohlenstoffnanostrukturen. Zu ihnen gehören

    unter anderem Kohlenstoffnanozwiebeln, aber auch Diamantnanopartikel.

    Diese Kohlenstoffnanostrukturenwerden imHauptteil des Buchs ausführlich dis-kutiert, wobei jeder Dimensionalität ein eigenes Kapitel gewidmet ist.

    1.5 Der Aufbau dieses Buchs

    Bevor allerdings diese Kohlenstoffnanostrukturen in den Kapitel 7–10 im Ein-zelnen vorgestellt werden, müssen die Grundlagen gelegt werden. Das heißt, diefolgenden beiden Fragen müssen diskutiert werden:

    ∙ Warum beschäftigt man sich mit Nanoobjekten? Warum ist die Nanotechno-logie von so großem Interesse? In Kapitel 2 wird dargestellt, dass sich die physi-kalischen und chemischen Eigenschaften eines Materials grundlegend ändernkönnen, wenn seine Abmessungen im Nanometerbereich liegen. Diese neuenEigenschaften können zu Effekten führen, die mit makroskopischenVerfahrenoder Objekten nicht erreichbar sind. Das anschließende Kapitel 3 beschäftigtsich mit der Herstellung von Nanostrukturen, Kapitel 4 schließlich mit ihrerCharakterisierung.

    ∙ Warum spielt Kohlenstoff bei Nanostrukturen eine so große Rolle? In Kapitel 5wird erläutert, dass das Element Kohlenstoff eine besondere Chemie aufweist,die es deutlich von allen anderen Elementen abhebt. Aus diesem Grund besit-zen Kohlenstoffnanostrukturen eine Vielzahl von interessanten und originä-ren Eigenschaften, diewiederumzu interessanten, zukunftsweisendenAnwen-dungen führen können, die in diesemBuch vorgestellt werden. Die wichtigstenKohlenstofffestkörpermodifikationenwerden in Kapitel 6 behandelt.

    Aus der obigen Diskussion ergibt sich eine Dreiteilung dieses Buchs:

    ∙ Im ersten Teil wird der Aspekt „Nano“ betrachtet. Der Begriff Nanotechno-logie wird definiert. Zudem wird erläutert, warum sich die Eigenschaften von

  • 6 1 Einführung

    Nanomaterialien zum Teil erheblich von denen makroskopischer Körper un-terscheiden. Weitere Themen dieses Teils sind die Herstellung und die Cha-rakterisierung von Nanomaterialien.

    ∙ Das Thema des zweiten Teils des Buchs ist das Element Kohlenstoff, das einezentrale Rolle für unser aller Leben spielt. Der Grund ist die spezielle Kohlen-stoffchemie, die ausführlich erläutert wird. Zudem werden in diesem Teil diewichtigsten (makroskopischen) Kohlenstoffmodifikationen vorgestellt.

    ∙ Nachdem die Grundlagen gelegt sind, ist der dritte Teil des Buchs den Koh-lenstoffnanostrukturen gewidmet. Dabei werden diese Strukturen in der Rei-henfolge aufsteigenderDimensionalität betrachtet, die Vorstellung beginntmitden nulldimensionalen Fullerenen und endet mit dreidimensionalen Nano-zwiebeln und ähnlichen Strukturen. Das letzte Kapitel behandelt die Frage, obsich die zuvor vorgestellten Nanostrukturen auch mit anderen Elementen rea-lisieren lassen.

    Die in den einzelnen Kapiteln aufgeführten Literaturstellen betreffen zum einendie wichtigsten Originalarbeiten, in denen eine Nanostruktur oder ein bestimm-tes Verfahren zum ersten Mal eingeführt wurde. Darüber hinaus werden Bücherund Artikel angeführt, die einen guten, möglichst aktuellen Überblick über dasjeweilige Thema geben. Mein Ziel ist es keineswegs, ein Thema Schritt für Schrittdurch Zitate zu belegen; vielmehr sollen die angeführten Arbeiten es Ihnen er-möglichen, sich mit einem Thema näher zu beschäftigen, das Sie besonders in-teressiert.AmEnde eines jeden Kapitels finden Sie einige Übungsaufgaben, mit derenHil-

    fe Sie überprüfen können, ob Sie den Inhalt des jeweiligen Kapitels verinnerlichthaben. Die Lösungen dieser Aufgaben finden Sie im Anhang des Buchs. Bei denAufgaben bin ich davon ausgegangen, dass Sie in der Lage sind zu recherchie-ren (in einer Bibliothek oder im Internet). Wenn Sie also irgendwelche Angabenvermissen, ist es Ihre Aufgabe, die entsprechenden Werte zu ermitteln. Die Auf-gaben dienen auch nicht dazu, Ihnenwilde Rechnungen abzuverlangen. Vielmehrmöchte ich Sie mit den Aufgaben dazu bringen, noch einmal über den Inhalt desKapitels nachzudenken.Beim Lesen dieses Buchs werden Sie feststellen, dass viele der zurzeit unter-

    suchten oder auch nur angedachten Anwendungen von Kohlenstoffnanostruktu-ren nicht nur auf eine spezielle Struktur beschränkt sind, sondern bei mehrerenoder sogar bei allen von Bedeutung sind. Um dieser Tatsache Rechnung zu tra-gen, finden Sie in den Kapitel 7–10 jeweils einen Kasten, in dem die grundsätz-lichen Fragestellungen einer bestimmten Anwendung dargelegt werden, sodasssich die Darstellung in den Kapiteln zu den einzelnen Strukturen auf spezielle As-pekte beschränken kann. Die Kästen behandeln im Einzelnen Solarzellen (Kapi-tel 7), Superkondensatoren (Kapitel 8), Lithiumbatterien (Kapitel 9) und dieWas-serstoffspeicherung (Kapitel 10).

  • 7Literatur

    Literatur

    1 Binnig, G. und Rohrer, H. (1986)Scanning tunneling microscopy. IBMJ. Res. Dev., 30, 355.

    2 Delgado, J.L., Herranz, M.A. und Mar-tin, N. (2008) The nano-forms of carbon.J. Mater. Chem., 18, 1417.

    3 Dresselhaus, M.S., Dresselhaus, G. undEklund, P.C. (1996) Science of Fullerenesand Carbon Nanotubes: Their Propertiesand Applications, Academic Press, NewYork.

    4 Feynman, R. (1961) There‘s plenty ofroom at the bottom, in Miniaturizati-on (Hrsg. H.D. Gilbert), Reinhold, NewYork.

    5 Hartmann, U. (2012) Nanostrukturfor-schung und Nanotechnologie: Band 1:Grundlagen, Oldenbourg, München.

    6 Iijima, S. (1991) Helical microtubules ofgraphitic carbon. Nature, 354, 56.

    7 Krug, H. (2005) Auswirkungen nano-technologischer Entwicklungen auf die

    Umwelt. Z. Umweltchem. Ökotoxikol.,16, doi:101065/uwsf2005.08.103.

    8 Kroto, H.W., Heath, J.R., O’Brien, S.C.,Curl, R.F. und Smalley, R.E. (1985) C60:Buckminsterfullerene. Nature, 318, 162.

    9 Krüger, A. (2007) Neue Kohlenstoffmate-rialien, Teubner, Wiesbaden.

    10 Novoselov, K.S., Geim, A.K., Morozov,S.V., Jiang, D., Zhang, Y., Dubonos, S.V.,Grigorieva, I.V. und Firsov, A.A. (2004)Electric field effect in atomically thincarbon films. Science, 306, 666.

    11 Seltenrich, N. (2013) Nanosilver: Weigh-ing the risks and benefits. Environ. HealthPerspect., 121, a220.

    12 Taniguchi, N. (1974) On the Basic Con-cept of ,Nanotechnology‘. Proc. Int. Conf.Prod. Eng. Tokyo, Part II, Japan Society ofPrecision Engineering, Tokyo.

    13 Taniguchi, N. (1996) Nanotechnology:Integrated Processing Systems for Ultra-precision and Ultra-fine products, OxfordUniversity Press, Oxford.

  • Teil INanotechnologie und Nanostrukturen

    Das Thema des ersten Teils dieses Buchs ist das Wort „Nano“. Im zweiten Kapitelwird der Begriff definiert. Er bezieht sich im Rahmen dieses Buchs ausschließ-lich auf die Längeneinheit Meter. Nanowissenschaften und Nanotechnologie be-schäftigen sich also mit Objekten, deren Größen imNanometerbreich liegen. DasHauptthema des zweiten Kapitels ist darzulegen, warum es lohnend ist, sich mitNanometerobjekten zu beschäftigen.Dabei wird gezeigt, dass auf derNanometer-ebene sich Materialeigenschaften grundlegend ändern können. Dadurch werdenEffekte hervorgerufen, die mit mikroskopischen oder makroskopischenMateria-lien nicht erzielt werden können. Ein weiteres Thema von Kapitel 2 ist die Vor-stellung einer ganzen Reihe verschiedener Nanostrukturen, ihrer Eigenschaftenund möglicher Anwendungen.Kapitel 3 beschäftigt sich – zunächst auf einer eher abstrakten Basis – mit der

    Frage, wie man Nanostrukturen herstellen kann. Es wird sich zeigen, dass manalle Verfahren in zwei grundlegende Kategorien unterteilen kann:

    ∙ Bei Top-down-Verfahren werden zunächst makroskopische Körper herge-stellt, aus denen dann durch geeignete Maßnahmen Nanostrukturen erzeugtwerden;

    ∙ bei Bottom-up-Verfahrenwird versucht, die gewünschte Struktur durch geeig-nete Prozessschritte direkt herzustellen.

    Beide Ansätze werden ausführlich diskutiert, wobei bei den Top-down-VerfahrenMethoden im Mittelpunkt stehen, die auf Lithografie und Ätzen beruhen. DenSchwerpunkt der Diskussion der Bottom-up-Methoden bildenMechanismen derSelbstassemblierung.Kapitel 4 beschäftigt sich dannmit der Charakterisierung von Nanostrukturen.

    Zunächst wird gezeigt, dass man (aus physikalischen Gründen) Nanostrukturenniemals wird sehen können, sie aber abbilden kann. Danach werden Verfahrenvorgestellt, mit denen Abbildungen im atomaren oder sogar subatomaren Be-reich möglich sind. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Elektronenstrahlverfahren,ein zweiter auf den in den letzten Jahrzehnten entwickelten Rastersondenmikro-skopien. Schließlichwird gezeigt, dass auchVerfahrenmit relativ schlechterOrts-auflösung durchaus eine große Rolle bei der Charakterisierung von Nanostruktu-ren spielen können.

  • 11

    Nanostrukturen 2In diesem Kapitel werden die Begriffe „Nano“ und „Nanotechnologie“ definiert.Davon ausgehendwird erläutert, warumdie Physik und die Technologie imNano-meterbereich besonders sind und die Beschäftigung mit diesen Themen es Wertist, einen eigenen Wissenschaftszweig zu bilden. Zudem wird dargelegt, dass dieNanotechnologie ein weites Anwendungsfeld eröffnet, also nicht nur aus wissen-schaftlicher Sicht interessant, sondern auch von enormer wirtschaftlicher Bedeu-tung ist. Dabei wird deutlich werden, dass dafür sowohl chemische als auch phy-sikalische Gründe verantwortlich sind.Anschließend werden in diesem Kapitel die wichtigsten Arten von Nanostruk-

    turen vorgestellt, wobei sich die Darstellung nicht ausschließlich auf Kohlenstoff-nanostrukturen beschränkt.

    2.1 Definition

    Eine heute allgemein akzeptierte Definition der Nanotechnologie lautet: Ein Ob-jekt wird als nanotechnologisch betrachtet, wenn mindestens eine seiner Dimen-sionen unter 100 nm liegt [1]. Dies betrifft sowohl Nanoteilchen, die diese Bedin-gung für alle drei Dimensionen erfüllen, als auch dünne Schichten, deren Schicht-dicke unter 100nm liegt.Es ist natürlich schwer, sich die Größenordnung eines Nanometers vorzustel-

    len. Betrachten Sie einen Zollstock. Die kleinste Unterteilung ist üblicherweise1mm. Der Zollstock ist ein oder zwei Meter lang, also umfasst er drei Größen-ordnungen oder etwas mehr. 1 km ist noch einmal drei Größenordnungen größer,die Spanne von 1mm auf Ihrem Zollstock bis zu einem Kilometer umfasst alsosechs Größenordnungen. Ebenfalls sechs Größenordnungen beträgt die Spannevon 1 nm bis zu einem 1mm; bis hin zu einem Meter sind es also neun Größen-ordnungen. Am besten lässt sich dies grafisch darstellen, wie es in Abb. 2.1 gezeigtist.Der Durchmesser des Universums beträgt etwa 8,6 ⋅ 1026 m, der eines Elemen-

    tarteilchens (etwa eines Quarks) weniger als 10−18 m. Also existieren in der NaturObjekte, deren Abmessungen sich ummehr als 44 Größenordnungen unterschei-

    Nanotechnologie für Einsteiger, 1. Auflage. Wilhelm Kulisch.©2016WILEY-VCHVerlagGmbH&Co.KGaA.Published2016byWILEY-VCHVerlagGmbH&Co.KGaA.

  • 12 2 Nanostrukturen

    1 nm 1 mm 1 m

    Wasser-molekül

    Glucose Anti-körper

    Virus Blut-körperchen

    FussballFloh

    1 μm

    Abb. 2.1 Größe einiger wichtiger Körper in unserer Welt. Beachten Sie die logarithmischeDarstellung.

    den. Ich weiß nicht, ob Sie das tröstet, aber in diesemBuch sind die Größenunter-schiede auf etwa zehn Größenordnungen beschränkt (von etwa 0,1 nm bis 1m).

    2.2 Physik und Chemie imNanometerbereich

    Die meisten Menschen und vor allem die Wissenschaftler gehen davon aus, dassphysikalische Gesetze allgemeingültig sind. Das ist natürlich richtig, aber allge-meingültige Gesetze sind im Allgemeinen sehr kompliziert. Daher werden in derPhysik häufigNäherungen verwendet, die ihre Gültigkeit verlieren, wenn die Vor-aussetzungen nicht länger erfüllt sind. In vielen Fällen tritt dies auf, wenn eine be-stimmte kritische Länge unterschritten wird. Dann ist die Näherung nicht längergültig, und die Gesetze nehmen eine andere Form an. Beispielewerden imVerlaufdieses Kapitels vorgestellt.Dies bedeutet, dass viele physikalische Gesetze, die im makroskopischen Be-

    reich gelten, in dieser Form nicht mehr gültig sind, wenn es in den Nanometerbe-reich geht. Infolgedessen unterscheiden sich auch die Eigenschaften von Nano-materialien deutlich von denen makroskopischer Körper, wie im Verlauf diesesKapitels erläutert wird.Die Veränderungen der physikalischenund chemischen Eigenschaften vonMa-

    terialien und Körpern, wenn eine oder mehrere Dimensionen im Nanometerbe-reich liegen, können auf insgesamt vier Ursachen zurückgeführt werden:

    ∙ Je kleiner die Dimensionen einzelner Strukturen sind, desto größer ist dasOberflächen/Volumen-Verhältnis. Die Bedeutung dieses relativ einsichtigenEffekts darf auf keinen Fall unterschätzt werden.

    ∙ Je kleiner ein Objekt ist, desto mehr Objekte kann man auf einer gegebenenFläche bzw. in einem gegebenen Volumen unterbringen.

    ∙ Die klassische Physik benutzt vielfach Näherungen, in denen die entwickeltenGleichungen nur gelten, wenn die Dimensionen eines Körpers einen bestimm-tenWert überschreiten, der sich als kritische Länge darstellen lässt. Wenn dieDimensionen im Nanometerbereich liegen, sind diese Näherungen vielfachnicht mehr gültig. Daraus ergeben sich zum Teil drastische Änderungen der

  • 132.2 Physik und Chemie im Nanometerbereich

    Eigenschaften von Nanomaterialien, die im Verlauf dieses Kapitels diskutiertwerden.

    ∙ Wenn man es mit Strukturen im Nanometerbereich zu tun hat, kann man dieQuantenmechanik nicht außen vor lassen. Je kleiner die Objekte sind, destomehr spielen quantenmechanische Effekte eine Rolle.

    Um es noch einmal schlagwortartig zusammenzufassen: ImNanometerbereichkönnen drastische Änderungen der Eigenschaften vonMaterialien auftreten. Da-für sind imWesentlichen folgendeGründe verantwortlich: Erhöhung desOberflä-chen/Volumen-Verhältnisses, Platzersparnis, Unterschreitung kritischer Längenund die Quantenmechanik.Die Auswirkungen dieser veränderten Bedingungen auf Körper imNanometer-

    bereich und damit auf Materialien mit Nanometerabmessungen werden im wei-teren Verlauf dieses Kapitels ausführlich diskutiert.

    2.2.1 Der Einfluss der Oberfläche

    Einer der wichtigsten Effekte, die auftreten, wenn es umNanoobjekte geht, ist diedrastischeÄnderung desVerhältnisses vonOberfläche zuVolumen. EinewichtigeMaßeinheit in diesemZusammenhhang ist die spezifischeOberflächeAs, also dieOberfläche pro Masseneinheit. Geht man von kugelförmigen Partikeln mit demRadius r aus, so ergibt sie sich zu:

    As =4πr2m

    (2.1)

    Auf der andern Seite lässt sich die Masse m schreiben als

    m = ρ 43πr3 (2.2)

    Dabei ist ρ die Dichte des Materials. Setzt man dies ineinander ein, so folgt:

    As =3ρr

    (2.3)

    Für ein gegebenes Material ist die spezifische Oberfläche also umgekehrt propor-tional zum Radius der Partikel.Das Verhältnis Oberfläche/Volumen nimmt drastisch zu, wennman in denNa-

    nometerbereich gelangt. Beeindruckend ist vielleicht das folgende Beispiel: Beieinem Teilchendurchmesser von 1 nm und einer Atomgröße von 0,15 nm befin-den sich 60% der Atome an der Oberfläche. Beträgt die Teilchengröße hingegen100nm, ist der Anteil der Oberflächenatome hingegen 0,6% (siehe auch Aufga-be 2.3). Diese Oberflächenatome sind in der Lage, chemische Bindungen einzu-gehen und beispielsweise andere Elemente anzulagern, sodass chemische Effekteeine immer wichtigere Rolle spielen, je kleiner die Teilchen sind. Dies bedeutetauch, dass man sehr viel mehr Spezies an einMaterial mit einer Nanostruktur an-lagern kann als an Standardmaterialien. Dieser Aspekt wird im Laufe des Buchsnoch häufig eine Rolle spielen.

  • 14 2 Nanostrukturen

    2.2.2 Platzersparnis

    Ein weiterer Effekt, der eine große Rolle spielt, wenn man es mit Objekten im Na-nometerbereich zu tun hat, ist der der Platzersparnis. Dieser Aspekt kann nichthoch genug angesiedelt werden. Mit anderen Worten: Je kleiner ein Objekt ist,desto mehr Objekte kann man auf einer vorgegebenen Fläche oder in einem vor-gegebenen Volumen unterbringen. Dies ist die treibende Kraft hinter der moder-nen Halbleitertechnologie und auch den modernen Speichertechnologien.1965 machte Gordon Moore, einer der Mitbegründer der Firma Intel, die fol-

    gende Vorhersage: Wenn sich die Halbleitertechnologie finanziell lohnen soll,muss sich die Zahl der auf einem Halbleiterchip befindenden Elemente (Tran-sistoren) alle 1,5 Jahre verdoppeln. Dies ist als Moore’sches Gesetz bekannt [10].1965 konnteMoore nur auf wenige Daten aus den frühen 60er-Jahren zurückgrei-fen (Abb. 2.2). Erstaunlicherweise hat sich seine Voraussage bis heute bewahr-heitet (d. h. über 50 Jahre).1) Interessanterweise begründete er diese Vorhersagenicht allein mit physikalischen oder wissenschaftlichen Argumenten, sonderngleichermaßen mit wirtschaftlichen Aspekten. Moores Argumentation war in et-wa: Um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, muss die Halbleitertechnologie dieBauelemente verkleinern. Allerdings erfordert diese Verkleinerung auch Investi-tionen in neue Technologien, die zudem immer höher werden. Die von Moorevorhergesagte Zeitspanne von 1,5 Jahren für die Verdopplung der Strukturdichteauf einem Chip stellt dabei einen Kompromiss aus dem zu erwartenden Gewinndurch die Erhöhung der Anzahl an Bauelementen und den damit verbundenenKosten dar. Wie Abb. 2.2 zeigt, war das Moore’sche Gesetz bis 2005 gültig undwird auch, nach allen Informationen, über die ich verfüge, heute noch erfüllt.2)

    Dieser Aspekt wird in Kapitel 3 weiterverfolgt.Das Moore’sche Gesetz ist natürlich kein Gesetz im klassischen physikalischen

    Sinn, sondern eine Vorhersage. Vermutlich hat es sogar selbst dazu beigetragen,die Entwicklung der Halbleitertechnologie voranzutreiben. Es gab allen Beteilig-ten eine Zeitvorgabe, was in den nächsten 1,5 Jahren erreicht werden muss. Ineinem gewissen Sinn kann man von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiungsprechen.Aus Abb. 2.2 geht hervor, dass bis etwa 2005 das Moore’sche Gesetz genau er-

    füllt wurde. Es ist aber auch klar, dass dies mit den Mitteln der Standardsilizium-technologie, auf der die Halbleitertechnologie auch heute noch beruht, nicht sehrviel länger der Fall sein kann. Dies ergibt sich direkt aus den in diesem und denfolgenden Kapiteln dargestellten Zusammenhängen.

    1) Die Daten in der Abbildung stammen voneiner Internetseite von Intel, die der Autor2008 gefunden hat. Leider konnte ich keineexakten Daten für die letzten etwa 10 Jahrefinden, aber allen Informationen zufolge,über die ich verfüge, wird das Moore’scheGesetz auch heute noch erfüllt.

    2) Der gegenwärtige Stand der Halbleitertech-nologie und die neuesten Prognosen überzukünftige Entwicklungen lassen sich aufder Webseite „International TechnologyRoadmap for Semiconductors“ (ITRS)verfolgen, die von einem Gremium interna-tionaler Experten der Halbleitertechnologieherausgegeben wird [5].

  • 152.2 Physik und Chemie im Nanometerbereich

    Abb. 2.2 Das Moore’sche Gesetz zur Entwicklung der Halbleitertechnologie.

    ∙ DieHalbleitertechnologie beruht auf einem inKapitel 3 erläutertenTop-down-Verfahren, dessenwichtigstes Arbeitsmittel die Fotolithografie ist, die ausführ-lich imnächstenKapitel erläutertwird. Dabei erfolgt die Strukturierungmittelsoptischer Verfahren.Wie in Kapitel 4 erläutert wird, ist das Auflösungsvermö-gen optischer Verfahren auf etwa 1/4 der benutzten Wellenlänge beschränkt.Heutzutage werden fotolithografische Prozesse bei λ = 193 nm durchgeführt,also im tiefen Ultraviolett. Aus physikalischen Gründen kann diese Wellen-länge nicht weiter verkleinert werden. 193∕4 nm = 48,3 nm; daher sollte dieGrenze der Fotolithografiemit dieserWellenlänge bei etwa 50nmerreicht sein.Tatsächlich werden heute mithilfe von Tricks Strukturen mit Minimalabmes-sungen von 22nm erreicht. Es ist allerdings auch klar, dass man diese Tricksnicht bis ins Unendliche fortsetzen kann.

    ∙ Je kleiner die Strukturen, desto mehr spielen unerwünschte Nebeneffekte eineRolle. Dazu zählen unter anderem Tunnelströme, Streukapazitäten und Ein-flüsse benachbarter Bauelemente (deren Abstände ständig geringer werden).

    ∙ Je mehr Elemente sich auf einem Chip befinden, desto größer ist die beim Be-trieb anfallende Wärme. Daher wächst mit zunehmender Verkleinerung dasProblem der Wärmeabfuhr.

    ∙ Schließlich spielt auch noch die Physik bzw. die Quantenmechanik eine Rolle.Wenn die Strukturen nur noch einige Nanometer groß sind, funktionieren dieBauelemente nicht mehr so, wie man es vom Mikrometerbereich her kennt(siehe unten).

    Andererseits kann man die Physik im Nanometerbereich auch für neue Bau-elemente ausnutzen, etwa die Tunneldiode, den Einelektronentransistor sowieQuantenpunkte und Quantendrähte. Eine detaillierte Diskussion dieser Bauele-

  • 16 2 Nanostrukturen

    mente geht aber weit über den Rahmen dieses Buchs hinaus (obwohl Quanten-punkte beispielsweise weiter unten vorgestellt werden).Eine weitere Anwendung, in der Platzersparnis eine wesentliche Rolle spielt, ist

    die Speicherung von Daten. Gerade in diesem Bereich hat es im letzten Jahrzehntenorme Fortschritte gegeben. Auf die physikalischen Hintergründe wird weiterunten in diesem Kapitel eingegangen. An dieser Stelle reicht es, darauf hinzuwei-sen, dass mittlerweile der Platz zur Speicherung eines Bits deutlich im Nanome-terbereich liegt (siehe auch Aufgabe 2.4).

    2.2.3 Kritische Längen

    Die Eigenschaften eines Festkörpers können sich erheblich ändern, wenn seineDimensionen (oder die Dimensionen der ihn bildenden Bestandteile), die soge-nannten Größenparameter, kleiner als bestimmte kritische Längen werden, diemit diesen Eigenschaften verbunden sind.Dies kann anhand eines einfachen Beispiels erläutert werden: Ferromagneti-

    sche Materialien bestehen üblicherweise aus Domänen, in denen die Magneti-sierung einheitlich ausgerichtet ist, den sogenannten Weiss’schen Bezirken. Legtman ein äußeres Magnetfeld an, richten sich dieMagnetisierungen der Domänenso aus, dass alle die gleiche Magnetisierungsrichtung besitzen. Macht man denKörper immer kleiner, kann er allerdings unterhalb eines kritischen Domänen-durchmessers aus energetischenGründen nur noch eine Domäne beinhalten.DasNanopartikel ist nicht länger ferromagnetisch, sondern superparamagnetisch. IndiesemFall ist derDomänendurchmesser derGrößenparameter, der kritischeDo-mänendurchmesser die kritische Länge. Ein Superparamagnet hat den Vorteil,dass er zwar eine hohe Magnetisierung besitzt, aber keine Remanenz (d. h., dieMagnetisierung ohne äußeres Feld ist gleich null).Tabelle 2.1 fasst einige dieser kritischen Längen zusammen. Die wichtigsten

    dieser Längen und die aus ihnen folgendenMaterialeigenschaften werden im Fol-genden näher betrachtet.

    2.2.3.1 Elektrische und elektronische EigenschaftenIm Zusammenhang mit den elektronischen Eigenschaften von Nanomaterialiensind vor allem die Elektronenwellenlänge und der Bohr’sche Exzitonenradius alskritische Längen zu nennen. Für die Elektronenwellenlänge λe gilt (siehe auchKapitel 4):

    λe =h√

    2me ⋅ E(2.4)

    Dabei ist h das Planck’scheWirkungsquantum,me die Elektronenmasse und E dieElektronenenergie. Im Falle von Halbleitern besitzen die Elektronen Energien inder Nähe der Fermienergie. Hier ist also die entscheidende Größe die sogenannteFermiwellenlänge, also λF = λe(EF).

  • 172.2 Physik und Chemie im Nanometerbereich

    Tab. 2.1 Überblick über Größenparameter und die entsprechenden kritischen Längen, die dieEigenschaften von nanostrukturierten Matrialien bestimmen.

    Eigenschaft Größenparameter Kritische Länge Effekt

    Elektrisch Schichtdicke, Elektronenwellenlänge Einschließung des Elektrons→Quantendrahtgröße quantisierte ZuständeQuantenpunktgröße,Partikelgröße Quantisierte Ströme

    (Einzelelektronen)

    Magnetisch Schichtdicke Elektronenwellenlänge Riesenmagnetowiderstandoszillierende Kopplung

    Partikelgröße Kritischer SuperparamagnetismusDomänendurchmesser

    Optisch Partikelgröße, Bohr’scher Exzitonenradius Verschiebung der Absorptions-Quantenpunktgröße kante, Trennung von LinienPartikelgröße Einfallende Wellenlänge OberflächenplasmonenresonanzPartikelgröße, Elektronenwellenlänge LumineszenzQuantenpunktgröße

    Mechanisch Korngröße Hall-Petch-Länge Verhinderung des GleitensSchichtdicke, Radius von von Versetzungen →Periodizität Frank-Read-Quellen Erhöhung der HärteHindernisabstand Griffith-Länge Verhinderung der Rissausbreitung

    → Erhöhung der Zähigkeit

    Die Grenzen der klassischen Physik werden erreicht, wenn die Dimensionenkleiner werden als die Elektronenwellenlänge. Diese liegt üblicherweise im Be-reich von 1–10nm.Ein Exziton ist ein gebundenes Elektron/Loch-Paar in einem Halbleiter oder

    einem Isolator. Im Bohr’schenModell desWasserstoffatoms kannman dem Elek-tron imGrundzustand einenRadius für seineKreisbahn umdas Proton zuordnen,den sogenannten Bohr’schen Radius:

    a0 =4π𝜖0ℏ2

    mee2= 0,053 nm (2.5)

    Dabei ist ℏ= h∕(2π),me die Elektronenmasse und e die Elementarladung. In ähn-licher Weise kann man auch einem Exziton einen Bohr’schen Exzitonenradiuszuordnen, der den mittleren Abstand zwischen Elektron und Loch angibt. Dabeimuss man allerdings die reduzierte Masse μ von Elektron und Loch verwenden,