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=6. M~kRZ i932 KLINISCHE ~vVOCHENSCH zustellen, insbesondere waren die oben erw/ihnten Kohlens~ure- steigerungen nut vereinzelt zu beobachten, so dab der bei der Avertinnarkose so augenscheinliche milchsAuresenkende Ein- fluB der Blutkohlensliure nicht in Frage kommt. Die Zunahme de~ Sauersto]Jde/izits scheint eher als Ursache der Milchs~uresteigerung eine Rolle zu spielen, iVIan kann sich vorstellen, dab mit zunehmendem Defizit die Sauerstoff- versorgung der Gewebe und dadurch die oxydative Phase des Milchs~urestoffwechsels (s. bei MnYER~OF) leidet. Es lieB sich in unseren Versuchen zeigen, dab in den F~tllen der ersten Gruppe, in denen es zu Milchs~uresteigerung wXhrend der Narkose kam, die durchschnittliche Defizitzunahme be- trXchtlicher war als in den F~llen der zweiten Gruppe. Aber der Defizitzuwachs erkl~trt die Milchs~ureverh~ltnisse nicht v611ig. Die Frage bleibt offen, warum in der zweiten Gruppe bei vorhandenem, wenn auch geringerem, Defizitzuwachs die Milchs~ture w~hrend der Narkose absinkt. Auch die fast durchwegs beobachtete weitere Milchs~uresteigerung I Stunde nach Ende der Narkose, l~13t sich auf Grund des O~-Defizits nicht kl~ren, das zfl dieser Zeit bereits wieder abnimmt. Der Faktor, der neben dem arteriellen O2-Defizit mal3- gebenden Einflut3 auf den Milchs~urespiegel besitzt, ist unseres Erachtens in Vera'nderungeu des Kreislaujs begrfindet. Durch die oben beschriebene Zunahme der Bindungsf~higkeit des Blutes ftir O2 und durch die yon FRANKEN und SCHURMEIER festgestellte Zunahme der zirkulierenden t31utmenge wi~hrend der Narcylennarkose kommt es zu einer besseren Versorgung der Gewebe mit O~ in der Zeiteinheit, selbst wenn die S~ttigung des arteriellen Blutes abnimmt. Trotz mtiBigen Defizit- zuwachses leidet daher die O2-Versorgung nicht, ja sie kann besser sein als normalerweise. Daher tritt bei m~13igem arte- riellem Defizit wXhrend der Narkose keine Milchs~iuresteige- rung, sondern sogar eine Abnahme des MilchsXurespiegels auf. Nur bei starkem Defizit steigt die Milchstture w~thrend der Narkose an. Der nach Absetzung der Narkose fast durchwegs beobachtete MilchsXureanstieg erM~rt sich ebenfalls aus den KreislaufverhXltnissen. Denn nach den Untersuchungen HILDEBRANDTS, BOLLERTS und EICHLERS sowie den Be- obachtungen 1REHNS und KILLIANS folgt der durch Gef~g- kontraktion im ]3ereiche des Splanchnicusgebietes bedingten besseren Durchblutung der Peripherie nach Absetzung des Narcylens eine reaktive Erweiterung der Splanchnicus- gef~Be mit verschlechterter Blutversorgung der Haut nnd der Muskeln. Der Milchs~urebildung kommt wohl eine gewisse Bedeutung bei der Senkung der Alkalireserve zu. Dem Anstieg der Milch- sXure entsprach stets eine Abnahme der Alkalireserve, und in den beidert F~llen mit steigerlder Alkalireserve sank die Mil5hs~ure durchwegs. Abet in einigen F~tllen der Gruppe 2 war trotz Abnahme des Milchs~urespiegels wXhrend der Narkose eine Verminderung der Alkalireserve nachweisbar, ein Beweis, dab die Milchs~ure nicht die alleinige Ursache der Abnahme der Alkalireserve ist. Neben dem Milchs~urespiegel ~inderte sich auch der BlUtzucker w~ihrend der Nareylennarkose. Er war mehr oder weniger erh6ht. Es war jedoch keinerlei Parallelismus zwischen den beiden Gr6Ben nachzuweisen. Man kann also weder das erh6hte Zuckerangebot in der Peripherie Itir die Milch- s~uresteigerung verantwortlich machen (im Sinne einer Vermehrung der ersten anoxydativen Phase des Zuckerabbaus), noch kann man die Milchs~urebildung als ausl6sendes Mo- ment fiir die Zuckermobilisation betrachten. Vielmehr scheint die Blutzuckersteigerung von den dutch die Hemmung yon Oxydationsvorgdingen bedingten St6rungen des Milchs~iurestoJJ- wechsels unabhdngig zu sein. Literatur: v. A~NON u. SCHaOnD~R, Dtsch. Z. Chir. 22e, 145 (193o). -- FRANKEN U. SCHORMEIER, Narkose u. Anasth. I928, 437- -- Fuss u. DERRA, Klin. Wschr. I93o, Nr 45, 2115 -- Arch. f. exper. Path. x56, 66 (193 ~) -- Klin, Wschrl 2932, Nr i, 19 -- Dtsch. Z. Chit. 235, 2Ol (I932). -- GAUSS 11. WIELAND, Klin. Wschr: I923, Nr 3 u~ 4, -- HILDEBRANDT, B6LL/i;RT U. EICHLER, Klin. Wschr. :t9z6 Nr 38, I756: -- REHN U. KILLIAN, Dtsch. reed. Wschr. I926, Nr 38, 1585. -- SCHOEN U. SLIWKA, Hoppe-Seylers Z. x31, I31 (1923). Klinische Wochenschrift, iI. Jahrg. RIFT. II. JAIIRGANG. Nr. 13 545 ZUR KENNTNiS DER ,,PSEUDO-CHOLELITHIASIS" UND ,,AKZIDENTELLER" SCHMERZEN IM ABDOMEN. "v-on Prof. Dr. RUDOLf SCH~IDT. Aus der I. lV[edizinischen Klinik tier Deutschen Universit~it ill Prag (Vorstand: Prof. Dr. RUDOLF SCHMIDT). Sowie sich bei der Auskultation des Herzens eine Ein- teilung in organische und akzidentelle Ger~tusche praktisch bewXhrt hat, empfiehlt es sich vielleicht im Bereich des Ab- domens auch yon organiseh fundierten und ,,akzidentellen" Schmerzzust~nden und Sctlmerzanf~llen zu sprechen. Genau wie bei den akzidentellen GerXuschen w~tre auch der begriff- liche Inhalt der ,,akzidentellen" Schmerzen mehr in negativer Richtung abzugrenzen: Es sind Schmerzen, welche nicht bedingt sind durch eine grob organische L~tsion und -- darin liegt die praktische Bedeutung ihrer Abgrenzung -- im all- gemeinen kein chirurgisches Einschreiten erfordern. In An- betracht der groBen AktivitXt inancher Chirurgen ist es viM- leicht keine 1Jbertreibung zu sagen, dab t~tglich derartige Kranke mit ,,akzidentellen" Schmerzen im Abdomen zweck- losen und sehr h~tufig,sch/tdlichen und irreparablen Operationen zugeffihrt werden. Ein ziemlich typischer Fall dieser Gruppe ist die ,,dreimalig operierte ttysterie", operiert meist unter Verdaeht eines Ulcus ventriculi oder duodeni, einer Chole- lithiasis und Appendicitis. Gelegentlich kommt es auch noch zu einer Nephropexie. Gerade derartige F~lle lassen die Forderung berechtigt er- scheinen, dab bei unklaren abdominalen Schmerzzust~tnden, besonders mit chronischem Verlaufe, der Entscheidung fiber blutige oder unblutige Behandlung stets eine Beratung zwischen dem Chirurgen und einem internen Facharzte vorausgehen sollte. ]?;s sind dies FXlle, welche natfirlicherweise der Internist ungleich hXufiger sieht als der Chirurg und es sind dies gleich- zeitig FXlle, welche oft eine so grfindliche Untersuchung mit dem gesamten Rfistzeug der inneren Medizin erfordern, wie sie der Chirurg h~ufig schon aus Mangel an Zeit nicht durchfiihren kann. Es gibt kaum eine grob anatomisch fundierte Krankheit des Abdomens, welche nicht gelegentlich durch akzidentelle Schmerzzust~nde und SchmerzantMle imitiert werden k6nnte, besonders hXufig ergeben sich Schmerzzust/~nde, welche den Gedanken an Konkremente der Gallenblase schon mit 1Rfick- sicht auf die H~ufigkeitsskala nahelegen. Nur in diesem Sinne yon ]unktionellen Doppelg~ngern m6chte ich yon Pseudo- cholelithiasis spreehen, da es mir wenig Sinn zu haben scheint, ein Ulcus duodeni, eine Appendicitis, eine rechtsseitige Pteuritis, eine Intercostalneuralgie oder -neuritis oder eine Nephrolithiasis, ein Carcinom der Papilla Yateri oder ein Pankreaskopfcarcinom u. dgl. als Pseudocholelithiasis zu be- zeichnen. Gewitl k6nnen alle diese Erkrankungen bei un- genfigender Untersuchung mit Cholelithiasis verwechselt werden. Bei der BeschrXnkung auf nicht grob anatomisch bedingte Schmerzzustgnde engt sicll der t3egriff der Pseudo- Cbolelithiasis genfigend ein und scheint mir yon praktischen Gesichtspunkten aus daseinsberechtigt zu sein. Es seien zungchst einige derartige F~lle kurz skizziert, um die Art der F~lle, die bier ins Auge gefaBt werden, etwas sch~trfer zu umgrenzen. Milieu. Es handelt sich hier vielfach um Kranke, welche in ihrer psychischen Struktur oft weitgehende Jkhnlichkeit aufweisen. Bei weiblichen Kranken ist mir h~ufig eine gewisse Exhibi- tionstendenz aufgefallen, insofern sie unautgefordert Ober- k6rper und Abdomen entbl6Ben. Vielfach handelt es sich auch um Dauerredner, die in einem uneind~immbaren Schwall yon Worten ihre Leidensgeschichte vorbringen (Logorrhoe). Dem raschen Sprechen entspricht oft auch ein zu rasches Essen, ein pathogenetisch bedeutsamer Faktor, dabei ist oft die Grundstimmung heiter und obwohl sie meist yon ,,furcht- baren" Schmerzanf~llen erz~thlen oder auch wMlrend der 38

Zur Kenntnis der „Pseudo-Cholelithiasis” und „Akzidenteller” Schmerzen im Abdomen

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Page 1: Zur Kenntnis der „Pseudo-Cholelithiasis” und „Akzidenteller” Schmerzen im Abdomen

=6. M~kRZ i932 K L I N I S C H E ~ v V O C H E N S C H

zuste l len, i n sbesonde re w a r e n die o b e n e r w / i h n t e n Koh lens~ure - s t e i ge rungen n u t v e r e i n z e l t zu b e o b a c h t e n , so d a b de r bei de r A v e r t i n n a r k o s e so augensche in l i che mi lchsAuresenkende E i n - fluB der B lu tkoh lens l iu re n i c h t in F r a g e k o m m t .

Die Zunahme de~ Sauersto]Jde/izits s che i n t eher als U r s a c h e de r Mi lchs~ures t e ige rung eine Rol le zu spielen, iVIan k a n n s ich vors te l len , d a b m i t z u n e h m e n d e m Def iz i t die Sauers to f f - v e r s o r g u n g der Gewebe u n d d a d u r c h die o x y d a t i v e P h a s e des Mi lchs~ures tof fwechse ls (s. bei MnYER~OF) leidet . Es lieB s ich in u n s e r e n V e r s u c h e n zeigen, d a b in d e n F~tllen de r e r s t e n Gruppe , in d e n e n es zu Mi lchs~ures t e ige rung wXhrend de r Na rkose k a m , die d u r c h s c h n i t t l i c h e D e f i z i t z u n a h m e be- t rXcht l i cher wa r als in den F~l len der zwe i t en Gruppe . Abe r de r Def i z i t zuwachs erkl~trt die Mi lchs~ureve rh~ l tn i s se n i c h t v611ig. Die F rage b l e i b t offen, w a r u m in de r zwei ten G r u p p e bei v o r h a n d e n e m , w e n n a u c h ger ingerem, De f i z i t zuwachs die Milchs~ture w ~ h r e n d der Narkose a b s i n k t . A u c h die f a s t d u r c h w e g s b e o b a c h t e t e wei tere Mi lchs~ures t e ige rung I S t u n d e n a c h E n d e de r Narkose , l~13t s ich au f G r u n d des O~-Defizits n i c h t kl~ren, das zfl dieser Zei t be re i t s wieder a b n i m m t .

Der F a k t o r , de r n e b e n d e m a r t e r i e l l en O2-Defizi t mal3- g e b e n d e n Einflut3 au f d e n Milchs~urespiegel bes i tz t , i s t unseres E r a c h t e n s in Vera'nderungeu des Kreislaujs begrf inde t . D u r c h die o b e n be sch r i ebene Z u n a h m e de r B i n d u n g s f ~ h i g k e i t des B lu t e s ftir O2 u n d d u r c h die y o n FRANKEN u n d SCHURMEIER fes tges te l l t e Z u n a h m e de r z i rku l i e r enden t31utmenge wi~hrend de r N a r c y l e n n a r k o s e k o m m t es zu e iner besse ren Ver so rgung de r Gewebe m i t O~ in der Ze i te inhe i t , s e lbs t w e n n d i e S ~ t t i g u n g des a r t e r i e l l en B lu tes a b n i m m t . T r o t z mtiBigen Def iz i t - zuwachses le ide t d a h e r die O2-Versorgung n ich t , ja sie k a n n besser se in als normalerweise . D a h e r t r i t t bei m~13igem a r t e - r ie l lem Def iz i t wXhrend der N a r kos e ke ine Milchs~iuresteige- rung, s o n d e r n sogar eine A b n a h m e des MilchsXurespiegels auf. N u r bei s t a r k e m Def iz i t s t e ig t die Milchstture w~thrend de r Narkose an. Der n a c h A b s e t z u n g de r Narkose f a s t d u r c h w e g s b e o b a c h t e t e MilchsXureans t ieg e rM~r t s ich ebenfa l l s aus d e n Kre i s laufverhXl tn i s sen . D e n n n a c h den U n t e r s u c h u n g e n H I L D E B R A N D T S , BOLLERTS u n d EICHLERS sowie d e n Be- o b a c h t u n g e n 1REHNS u n d KILLIANS folgt de r d u r c h Gef~g- k o n t r a k t i o n i m ]3ereiche des S p l a n c h n i c u s g e b i e t e s b e d i n g t e n besse ren D u r c h b l u t u n g de r Pe r iphe r i e n a c h A b s e t z u n g des N a r c y l e n s e ine r e a k t i v e E r w e i t e r u n g de r S p l a n c h n i c u s - gef~Be m i t v e r s c h l e c h t e r t e r B l u t v e r s o r g u n g de r H a u t n n d de r Muske ln .

Der Milchs~urebildung k o m m t wohl eine gewisse B e d e u t u n g bei der Senkung der Alkalireserve zu. D e m A ns t i eg de r Milch- sXure e n t s p r a c h s t e t s eine A b n a h m e de r Alka l i reserve , u n d in den beidert F~l len m i t s teigerlder Alka l i r e se rve s a n k die Mil5hs~ure durchwegs . A b e t in e in igen F~tllen der G r u p p e 2 wa r t r o t z A b n a h m e des Milchs~urespiegels wXhrend de r Narkose eine V e r m i n d e r u n g der Alka l i r e se rve nachwe i sba r , e in Beweis, d a b die Milchs~ure n i c h t die al leinige U r s a c h e de r A b n a h m e de r Alka l i rese rve is t .

N e b e n d e m Milchs~urespiegel ~inderte s ich a u c h de r BlUtzucker w~ihrend der N a r e y l e n n a r k o s e . E r wa r m e h r oder weniger e rh6h t . Es war j e d o c h keiner le i P a r a l l e l i s m u s zwischen d e n b e i d e n Gr6Ben nachzuweisen . M a n k a n n also weder d a s e r h 6 h t e Z u c k e r a n g e b o t in de r P e r i p h e r i e Itir die Milch- s~u res t e ige rung v e r a n t w o r t l i c h m a c h e n (im Sinne e iner V e r m e h r u n g der e r s t en a n o x y d a t i v e n P h a s e des Z u c k e r a b b a u s ) , n o c h k a n n m a n die Mi l chs~ureb i ldung als aus l6sendes Mo- m e n t fiir die Z u c k e r m o b i l i s a t i o n b e t r a c h t e n . V i e l m e h r s c h e i n t die Blutzuckersteigerung von den dutch die Hemmung yon Oxydationsvorgdingen bedingten St6rungen des Milchs~iurestoJJ- wechsels unabhdngig zu sein.

L i t e r a t u r : v. A~NON u. SCHaOnD~R, Dtsch. Z. Chir. 22e, 145 (193o). - - FRANKEN U. SCHORMEIER, Narkose u. Anasth. I928, 437- -- Fuss u. DERRA, Klin. Wschr. I93o, Nr 45, 2115 -- Arch. f. exper. Path . x56, 66 (193 ~ ) - - Klin, Wschrl 2932, Nr i, 19 -- Dtsch. Z. Chit. 235, 2Ol (I932). - - GAUSS 11. WIELAND, Klin. Wschr: I923, Nr 3 u~ 4, - - HILDEBRANDT, B6LL/i;RT U. EICHLER, Klin. Wschr. :t9z6 Nr 38, I756: -- REHN U. KILLIAN, Dtsch. reed. Wschr. I926, Nr 38, 1585. -- SCHOEN U. SLIWKA, Hoppe-Seylers Z. x31, I31 (1923).

Klinische Wochenschrift, iI . Jahrg.

R I F T . I I . J A I I R G A N G . N r . 13 545

ZUR KENNTNiS DER ,,PSEUDO-CHOLELITHIASIS" UND ,,AKZIDENTELLER" SCHMERZEN

IM ABDOMEN. "v-on

P ro f . Dr . RUDOLf SCH~IDT. Aus der I. lV[edizinischen Klinik tier Deutschen Universit~it ill Prag

(Vorstand: Prof. Dr. RUDOLF SCHMIDT).

Sowie s ich bei de r A u s k u l t a t i o n des He rzens eine E in - t e i l ung in o rgan i sche u n d akz iden te l l e Ger~tusche p r a k t i s c h bewXhr t ha t , e m p f i e h l t es s ich v ie l l e i ch t i m Bere ich des Ab- d o m e n s a u c h y o n organiseh f u n d i e r t e n u n d ,,akzidentellen" S c h m e r z z u s t ~ n d e n u n d Sc t lmerzanf~ l len zu sprechen . G e n a u wie bei den a k z i d e n t e l l e n GerXuschen w~tre a u c h de r begr i f f - l iche I n h a l t de r , , akz iden t e l l en" S c h m e r z e n m e h r in n e g a t i v e r R i c h t u n g a b z u g r e n z e n : Es s ind Schmerzen , welche n i c h t b e d i n g t s ind d u r c h eine grob o rgan i sche L~tsion u n d -- d a r i n l ieg t die p r a k t i s c h e B e d e u t u n g ih re r A b g r e n z u n g -- i m all- g e m e i n e n ke in ch i ru rg i sches E i n s c h r e i t e n e r fordern . I n An- b e t r a c h t der groBen Ak t iv i tX t i n a n c h e r Ch i ru rgen i s t es viM- le ich t ke ine 1Jbe r t r e ibung zu sagen, d a b t~tglich d e r a r t i g e K r a n k e m i t , , a k z i d e n t e l l e n " S c h m e r z e n i m A b d o m e n zweck- losen u n d sehr h~tufig,sch/tdl ichen u n d i r r e p a r a b l e n O p e r a t i o n e n zugef f ih r t werden . E i n z ieml ich t y p i s c h e r Fal l d ieser G r u p p e i s t die , , d re imal ig ope r i e r t e t t y s t e r i e " , ope r i e r t m e i s t u n t e r V e r d a e h t eines Ulcus ven t r i cu l i oder duodeni , e iner Chole- l i th ias i s u n d Append ic i t i s . Ge legen t l i ch k o m m t es a u c h noch zu e iner Nephropex ie .

Gerade de ra r t i ge F~lle l a s sen die F o r d e r u n g b e r e c h t i g t er- sche inen , d a b bei u n k l a r e n a b d o m i n a l e n Schmerzzus t~tnden, besonde r s m i t c h r o n i s c h e m Verlaufe , de r E n t s c h e i d u n g f iber b lu t ige oder u n b l u t i g e B e h a n d l u n g s t e t s eine B e r a t u n g zwischen d e m Ch i ru rgen u n d e inem i n t e r n e n F a c h a r z t e v o r a u s g e h e n sollte. ]?;s s ind dies FXlle, welche na t f i r l i cherweise de r I n t e r n i s t ung le ich hXufiger s i e h t als de r Ch i ru rg u n d es s ind dies gleich- ze i t ig FXlle, welche of t eine so gr f indl iche U n t e r s u c h u n g m i t d e m g e s a m t e n Rf i s t zeug de r i n n e r e n Mediz in e r fordern , wie sie der Ch i ru rg h~uf ig schon aus Mange l a n Ze i t n i c h t d u r c h f i i h r e n k a n n .

Es g ib t k a u m eine grob a n a t o m i s c h fund i e r t e K r a n k h e i t des A b d o m e n s , welche n i c h t ge legen t l i ch d u r c h akz iden te l l e S c h m e r z z u s t ~ n d e u n d S c h m e r z a n t M l e i m i t i e r t w e r d e n k 6 n n t e , be sonde r s hXufig e rgeben s ich Schmerzzust /~nde, welche d e n G e d a n k e n a n K o n k r e m e n t e de r Ga l l enb la se s c h o n m i t 1Rfick- s i ch t auf die H ~ u f i g k e i t s s k a l a nahe legen . N u r in d i e sem Sinne yon ]unktionellen D o p p e l g ~ n g e r n m 6 c h t e ich y o n Pseudo- cholelithiasis spreehen , da es m i r wen ig S inn zu h a b e n sche in t , ein Ulcus duoden i , eine Append ic i t i s , eine rech t s se i t ige P teur i t i s , eine I n t e r c o s t a l n e u r a l g i e oder -neur i t i s ode r e ine Nephro l i th i a s i s , ein Ca rc inom der P a p i l l a Ya te r i ode r e in P a n k r e a s k o p f c a r c i n o m u. dgl. als Pseudocho le l i t h i a s i s zu be- ze ichnen. Gewitl k 6 n n e n alle diese E r k r a n k u n g e n bei un - genf igender U n t e r s u c h u n g m i t Chole l i th ias is v e r w e c h s e l t werden . Bei de r B e s c h r X n k u n g auf n i c h t g rob a n a t o m i s c h bed ing t e S c h m e r z z u s t g n d e eng t sicll d e r t3egriff de r P s e u d o - Cbole l i th ias is genf igend e in u n d s che in t m i r y o n p r a k t i s c h e n G e s i c h t s p u n k t e n aus d a s e i n s b e r e c h t i g t zu sein.

Es seien z u n g c h s t einige de ra r t i ge F~lle ku rz skizzier t , u m die A r t de r F~lle, die b ie r ins Auge gefaBt werden , e t w a s sch~trfer zu u m g r e n z e n .

Milieu. Es h a n d e l t s ich h ie r v ie l f ach u m K r a n k e , welche in i h r e r

p s y c h i s c h e n S t r u k t u r of t we i t gehende Jkhnl ichke i t aufweisen . Bei we ib l i chen K r a n k e n is t m i r h~uf ig eine gewisse E x h i b i - t i o n s t e n d e n z aufgefal len , in so fe rn sie u n a u t g e f o r d e r t Ober - k 6 r p e r u n d A b d o m e n en tb l6Ben . Vie l fach h a n d e l t es s ich a u c h u m D a u e r r e d n e r , die in e i n e m u n e i n d ~ i m m b a r e n Schwal l y o n W o r t e n ih re Le idensgesch ich te v o r b r i n g e n (Logorrhoe) . D e m r a s c h e n S p r e c h e n e n t s p r i c h t o f t a u c h e in zu rasches Essen , e in p a t h o g e n e t i s c h b e d e u t s a m e r Fak to r , d a b e i i s t o f t die G r u n d s t i m m u n g he i t e r u n d o b w o h l sie m e i s t y o n , , f u r ch t - b a r e n " Schmerzan f~ l l en erz~thlen oder a u c h wMlrend de r

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Page 2: Zur Kenntnis der „Pseudo-Cholelithiasis” und „Akzidenteller” Schmerzen im Abdomen

546 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Untersuchung darunter leiden, drtickt ihre Facies Heiterkeit aus. Sie sind wie fiberhaupt Psychopathen sehr operations- freudig und operationsbereit, was ihnen h~tufig zum Verh~ng- nis wird; Freude an Sensation dfirfte bier zugrunde liegen. Der meist kurz vorfibergehende Scheinerfolg yon Operationen ist wohl meist suggestiv bedingt. Auffallend oft notiert Iinde ich in meinell e. t3. eine H~tufung von Krebserkrankungen in der nahen Verwandtschaft und Aszendenz. Es mag sein, dab manchmal dutch diese Familienvorgeschichte eine gewisse Hypochondrie ausgel6st wurde und unterhalten wird. Ffir ungleich wichtiger halte ich aber das 13estehen abnormer kon- stitutioneller Einstellung und damit zusammenh~ngender Stoff- wechselstSrungen, wie sie bei solcher Aszendenz sehr hXufig festzustellen sind. Sehr h~ufig handelt es sich um Anzeichen yon uratischer Diathese oder leichter Glykosurie, manchmal mit l~bergang in sthenischen Diabetes. Im Harn ergeben sich hAufig auch bei quant i ta t iv und qual i ta t iv normaler ge- mischter Kost abnorm rasch ausfallende krystallinische Sedi- mente (Harns~ure, Urate, Oxalate) und sind Neuralgien und Arthralgien hXufig zu verzeichnen. Gelegentlich linden sich auch multiple Lipome iml Unterhautzellgewebe und erweist sich das Fettgewebe oft als druckempfindlich. Nicht selten besteht abnorm geringes Bedfirfnis ffir Flfissigkeitsaufnahme im Sinne yon Olig0dipsiel.

Von sonstigell Begleiterscheillungen seien erwXhnt Ek- zeme, vasomotorische Taches fiber Manubrium und am Hals, Urticaria, hartn~ckige Geschmackspar/isthesien, Migr~ne, SeufzerkrankheitS, unregelm~tBige Darmentleerung, Neigung zu Flatulenz und explosives LuftaufstoBen, konstitutioneller Unterdruck, Darmparasiten. Die Vorgeschichte ergibt nicht selten unlustbetonte Daueraftekte, berufliche l)beranstren- gung (kein Urlaub!), nicht allzu selten starker Nicotinabusus.

Ort und Art der Sehmerzsensationen. Die Schmerzfigur der Anf/~lle deckt sich oft vollkommen

mit der Schmerztopographie bei Anf~llen yon Cholelithiasis; dort wo dauernd Schmerzempfindungen bestehen, ent- sprechen sie h~ufig genau der Gallenblasengegend.

Die yon den Krankell gew~hlten Vergleiche, unl die Art der Sensationen zu charakterisieren, sind hXufig sehr bizarr und unterscheiden sich voll den mehr ntichternen Angabell Gallensteinkranker.

So teilte ein 56j~hr. Kranker mit, am Tage nach dem Anfall sei der Magen ,,wie gl~sern", eine andere Kranke empfindet am Tage nach dem Anfall im Magen wie , ,Zahnschmerzen". Wieder eine andere empfindet vor dem Krampfanfall wie ein, ,Zirpen", bis dann pl6tzlich der IZrampf einsetzt, der hinauf bis zur Kehle sich erstreckt unter Er- stickungsgeffihl, ohne Sensationell im Rficken; manchmal wird fiber ein Geffihl der K~Llte in der Lebergegend geklagt oder aber fiber ein Geffihl der W/irme, die aber in einem Falle e. ]3. nur einen stecknadelkopfgrol3en Bezirk betraf. Gelegentlich besteht bei dell Schmerzen das Geftihl, ,,als ob im Bauch alles verschlossen w~re"; oder aber es bAumt sich rechts unterhalb des Rippenbogens etwas auf und stSl3t gegen die Rippen. In einem Falle e. B. bestand im Anfall das Geffihl, ,,der Magell arbeite n icht" ; manchmal wird geklagt es sei wie ein ,,Geschwfir" im Magen. Der Irradationsbereich ist h~ufig ein aul3erordentlich weiter, so z. ]3. ill allen Extremit~ten oder im rechten Arm und rechten Bein, nicht selten gegen die rechte Halsseite, eine Ausstrahlung, die in einem Falle e. B. auch vor der Stuhl- entleerung sich einstellte; einer meiner Kranken klagte beim Anfall fiber Hitze im rechten Arm, Druck in der Gallenblasen- gegend erzeugt manchmal ausstrahlende Sensationen gegen die rechte Halsseite.

Prodrome, Begleiterscheinungen und Auslclingen der An]~ille. Die Anf~tlle kSllnen eingeleitet werden durch Empfin-

dungen yon Heit3hunger. Dem Anfall kann einige Tage a11- gemeines Unbehagen, Mfidigkeit vorausgehen mit reichlichem Ausfallen yon Uratell, w~hrend nach den Anf~llen besondere Frische und Heiterkeit besteht. In einem Falle e. 13. bestand meist 3 Tage vor den Anf~llen auffallende Bl~tsse, auch be-

R I F T . II. J A H R G ' A N G . Nr. 13 26. Mfi.-RZ 1932

sondere 5{fidigkeit und G~hnen leitetell manchmal die Anf~tlle eill. Das kSrperliche Verhalten im Anfall ist verschieden. Manchmal wird genau wie meist bei Gallensteinkoliken Rficken- lage festgehalten und Seitenlage unangenehm empfunden. Manchmal aber w/~lzen sich die Kranken im Anfall vor Schmer- zen; es besteht manchmal gleichzeitig 13rechreiz, Drang zu Stuhl- und Urinentleerung. Es kommt gelegentlich zu Regur- gitationen essigsaurer Flfissigkeit mit Stumpfwerden der ZXhne.

St6rungen in der uropoetischen Sphere sind h~ufig, und zwar in dem Sinne, dal3 schon wXhrend der Anf/ille Urindrang besteht, besonders aber wird zum Sehlusse sehr reichlicher und sehr lichter Urin entleert; aber auch im Anfall selbst ist die Urinmenge oft vermehrt und der Urin lichter. Erbrechen kanll dauernd fehlen, so in einem Falle e .B. bei 3oj~Lhr. Bestand der Anf~lle. Gegen Ende der AnfXlle kommt es manchmal zu ellorm reichlichem Abgang yon Winden. In einem Falle e. 13. gab die Kranke an, daB, wenn es zu rollen beginne und der Urin reichlich werde, dies das Ende des Anfalles bedeute. Manchmal endet der Anfall mit Erbrechen oder mit reichlichem Luftaufstol3en.

]3eaehtung verdient, dab bei Anf~llen im Sinne yon Pseudo- Cholelithiasis der Appeti t oft gut erhalten ist, ja sogar Heil3- hunger bestehen kann. Im Harnsediment findet sich manch- mal reichlichst Oxalatsediment. In einem Falle e. I3. war interessant ein vikariierendes Verhalten gegenfiber Migraine. Seit den Anf~tllen yon Pseudo-Cholelithiasis hatte die Migraine vollkommen aufgehSrt; frfiher hat te die Kranke bei jeder plStzlichen Freude oder bei Schreck SchfittelfrSste bekommen mit Erbrechen und sehr starken Kopfschmerzen.

Zeitliehes Verhalten. Sehr h~ufig stellen sich die Anf~lle zur Nachtzeit ein und

wecken die Kranken aus dem Schlafe; manchmal Xul3ern sie sich meist frfihmorgens vor dem Friihstfick. Die nieht kolik- artigen Schmlerzeln in der Gallenblasengegend zeichnen sich oft durch ihre besondere Hartn~ckigkeit und monatelange Dauer aus.

Beein]lussungssph~re. a) In ungi~nstigem Sinne, Mechanisch scheint besonders

vornfibergebeugtes Sitzen entschieden ungfinstig zu wirken. Auch Erschiit terung beim Reiten und Fahrell wirkt sich manchmal ungfinstig aus; es genfigt manchmal rasches Gehen oder Abw/irtsgehen fiber Stiegen, es treten dabei unangenehme Sensationen in der Gallenblasengegend auf. Ein Kranker gab an, er babe dabei das Geffihl, als ob er eine Nadel ge- schluckt h~tte. Die Gallenblasengegend ist hXufig aus- gesprochen druckempfindlich. H~ufig bestehen 13eziehungen zur Menstruation, wobei vor, w~thrend oder nach der Periode die Schmerzen sich steigern. Ulllustbetonte psychische Emotionen haben besonders innige Beziehungen zur Aus- 15sung yon Schmerzanf~llen. In einem Falle e. B. wurde die Angabe gemacht, jeder trfibe Gedanke 16se Schmerzen unter- halb des reehtell 1Rippenbogells aus. Die aliment~re Beein- fluBbarkeit ist sehr verschieden; am h~ufigsten scheint mir die Angabe zu sein, dab die Schmerzen mit GenuB voll 13rot in Zusammenhang stehen. Ein Krallker teilte mit, haupt- sXchlieh nach starkem Kaffee, nach Malaga und Salami ver- spfire er sofort eill Stechen unterhalb des rechten Rippen- bogens. Karlsbaderkuren beeinflussen den Zustand dieser Kranken oft direkt ungfinstig.

b) In gftnstigem Sinne. In manchen F~llen scheint reich- liche Bewegung, Skifahren u. dgl. auBerordentlich gfinstig auf dell Zustand einzuwirken. Tragen eines Mieders scheint manchmal wesentliche Erleichterung zu bringen. Einem Krankell e. B. schaffte Druck auf die Gallenblasengegend Er- leichterung; er ffihrte dies selbst auf Verteilung yon Gasen zuriick. Die sofortige und bedeutende Erleichterung dutch AufstoBen yon Gas oder Abgang yon Flatus ist oft sehr auf- fallend. In diesem Sinne wirkt Siphon, Speisepulver, Spirit. camphorat, manchmal gfinstig. Ein Kranker erkl~trte, besser als jedes Medikament sei kandierte Kalmuswurzel. Giinstige Wirkungen sehe ich auch 5fters yon eiller Verordllung yon Solut. Nitroglycerin, mit Aqua Laurocerasi, und Spirit. aeth.

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nitrosi . Ni t roglycer in bew~hrt sich gelegentl ich auch bei schwerei i Anf~llen, ohne dab i rgendwelche Anha l t spunk te ffir eine abdomina le Angina pectoris bestehen.

Pflanzl iche Drogeii wie H e r b a Asperulae , Agrimonii , Chenopodi i u. dgl. in F o r m eines heil3en Teeinfuses werden of t sehr gelobt. Er le ich te rung schaff t m a n c h m a l auch schwarzer Kaffee. E in Kranker e. ]3. lobte sich den Genug yon Ret t ich . Die Anf&lle yon Pseudo-Cholel i thiasis s t ehen manchmal , was die In tens i t~ t der Schmerzen betriff t , den Anf~llen yon Gal lenste inkol iken nicht nach und erforderI1 Morphium- oder Pantoponin jek t ionen , die hier meis t p r o m p t w i rksam sind. In e inem Fal le e. ]3. lieBen angebl ich die Schmerzen nach Morph iumin jek t ionen un te r wei thi i i h6r- ba ren 13orborygmi nach. Es bedarf eigentl ich keiner beson- deren Erw~hnung , dab m a n in diesem meis t psycho- pa th i schen Milieu nur ungern yon der Morphiumspr i tze Ge- b rauch machen wird.

WArmeappl ika t ionen schaffen meis t Er le ichterung. Auch dort , wo Anzeichen ffir Hyperch lo rhydr ie und Parasekre t ion bes tehen mi t enorm saureln Anfstogen, wird Ci t ronensaf t oft gu t ve r t r agen und als gfinstig wirkend empfunden. Von Recresal (Mononatr iumphosphat) habe ich gelegentl ich gtinstige Wirkungen gesehen. Geistige Ruhe in 1/indlicher U m g e b u n g bed ing t oft in kfirzester Zeit Nachlassen der Beschwerden und unbeschr~tnkte Nahrungstoleranz . In e inem Falle wurde der Kranke nach einem Fieberzus tand v o l l k o m m e n beschwerde- frei, so dab gelegentl ich auch an Pro te ink6rper therap ie ge- dach t werden kSnnte.

Pathogenese der Schmerzen. Die hier er6r ter ten akzidentel len Schmerzen und Schmerz-

komplexe sind gewil3 nur erkl~rlich im R a h m e n der Gesamt- pers6nl ichkei t der Kranken. Es hande l t sich um besonders in de r vege ta t iven Sphere hochgradig sensibil isierte Indiv iduen, wobei als sensibil isierende Fak to ren endokrine Abwegigkei ten und Stoffwechselst6rungen, chronische Infekt ionsprozesse (Lues!), unhygienische Lebensft ihrung, un lus tbe ton te Dauer- affekte, Nicot in ismus u. dgl. in Be t r ach t zu ziehen sind.

In manchen F~llen l iegt der Gedanke nahe, an Reizzust~tnde des P lexus solaris in seiner Gesamthe i t oder in b e s t i m m t e n Prov inzen desselben zu denken. Die akzidente l len Schmerzen des Abdomens sind ganz vorwiegend rechts lokal is ier t und er- innern durch ihr oft jahrzehnte langes , m a n c h m a l ill die Kind- he i t zurf ickdat ierendes Bestehen an kons t i tu t ione l l bedingte Zust~nde yon habi tue l lem Kopfschmerz oder Migraine. Da Kranke sehr of t das dr ingende Bedfirfnis haben, den N a m e n ihrer Krankhe i t zu erfahren, selbst wenn sie sich dabei nichts Besonderes vors te l len k6nnen und ein solcher N a m e sie oft sehr beruhigt , pflege ich in solchen FAllen gelegentl ich yon Bauchmigr~ne zu sprechen. Auch Zeichen vasomotor i scher Labi l i t~ t l inden sich in solchen F~llen nicht selten, und die gelegent l ich auffal lende giinstige Wi rkung yon Ni t roglycer in k6nnte an vasoconstr ic tor ische Vorg~tnge denken lassen. GewiB spielen aber in diesen F~tllen auch lokale Organ- zustAnde und -vorgAnge eine wicht ige Rolle, ganz besonders im Bereiche des Gal lenkanalsystems, wie z. ]3. Tonusanomal ien der Gallenblase, MuskelschwXche derselbeii, Ptose, erh6hte Wandspannung , Inne rva t ionsanomal i en der Sphincteren im Bereich des Cysticus oder in der Papi l la Vateri , andersei ts Pylorusspasmen, Para- ulld Hypersekre t ion u. dgl., P i tu i t r in- versuehe ~vgl. W. SCI-IONDUBE, Z. klin. Med. 1o9, H. 5 (1928)], Un te r suchung der Galle, Tetraff i l lung der Gallenblase, Ident i - f iz ierung eines jeweil igen Druckpunk tes m i t dem Gallen- b lasenscha t t en u. dgl. werden hier t ro tz Vieldeut igkei t der Untersuchungsergebnisse zweifellos bei tragen, unseren Ein- b l ick in die Kine t ik der Gal lenwege und ill die D e u t u n g der Schmerzph~nomene zu vert iefen.

Sehr in Be t r ach t k o m m e n di i r f ten auch lokale Gas- ansammlungen , so viel leicht auch im Duodenum, welche ref lektorische StSrungeii ausl6sen kSnnen. I m konkre ten Einzelfa l l yon akzidentel lei i Bauchschmerzen wird es s tets unser 13estreben sein mfissen, uns n icht nur fiber die all- gemeine Grundlage, sondern auch fiber den speziellen Mecha- n ismus derselben Kla rhe i t zu verschaffen.

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Ftir diesen Zweck ist am wicht igs ten eine genaue Analyse der Schmerzph~tnomene, allseitige Er fassung der Beglei t - ph~tnomene und ganz besonders eine genaue Fes ts te l lung der Beeinflussungssph~tre in posi t iver und nega t iver Richtung.

So wird das EinSetzen s tarker Polyurie, Beeinf lussung durch Nitroglycerin, 6rt l iche Hi tzesensa t ionen im Abdomen an vasomotor ische Vorg~nge denken lassen. Prodrome im Sinne besonderer Abgeschlagenhei t , Mfidigkeit, h~tufiges GXhnen, m a n c h m a l tagelang, den Anf~tllen vorausgehend, kOnnten bei der H~tufigkeit abnormer Stoffwechsel lagen an tox~Lmische Zust~Lnde denken lassen, die im Anfal l gewisser- inagen zur Explos ion gelangen.

Borborygmi am Ende der Anf~tlle lassen an die L6sung yon Pylorus- oder D a r m s p a s m e n denken Druckpunk te werden natf ir l ich stets un ter Kontrol le des R6ntgensch i rmes auf ihre Koinzidenz mi t b e s t i m m t e n Organbezi rken (Gallenblase, Duodenum, F l exu ra hepa t ica usw.) zu tiberprtifen sein. Be- ach tung verd ien t das gelegentl iche Al te rn ieren yon Migr~tne- anfXllen mi t akzidente l len Schmerzanf~l len im Abdomen. Vor- wiegend nokturnes Auf t r e t en legt IIatfirlich den Gedanken an Vorg~nge in der g la t t en Muskula tur nahe. Bei Schmerz- s te igerung durch Sei tenlage sind lokale mechanische Ur- sachen wahrscheinl ich, die aber auch beispielsweise du tch 6rt- l iche Gasanh/iufung, s tarke W a n d s p a n n u n g der Gallenblase u. dgl. bed ingt sein k6nnen. Dies gi l t auch beztiglich des ungtinst igei i Einflusses von vornf ibergebeugtem Sitzen. Un- gtinstige E inwi rkung von Bro t l~tBt an meteor is t i sche Ein- flfisse denken, ebenso die m a n c h m a l sehr gfinstige E inwi rkung yon reichl icher Bewegung.

Ft i r Vorg~tnge an der Gallenblase sprechen m a n c h m a l Empf indungen , ,,als ob ein runder Gegens tand gegen den R ippenbogen sich ans t emme" , als ob sich hier e twas aufb~tulne, ffir hepa ta l e Vorg~nge t iberhaupt Auss t r ah lung von rechts un te rha lb des Rippenbogens gegen die rechte Halssei te oder in die reehte obere Ex t r emi t~ t . Angaben. wie ,,der Magen arbei te n i e h t " , der Bauch sei wie verschlossen, lassen an StOrungen im normalen Ablauf per is ta l t i scher Vorg~nge und an abnorme Tonus lagen denken. He ighunge r bei den An- f~tllen k6nnte gelegentl ich durch Parasekre t ion der Magen- sch le imhaut zu erkl~tren sein.

Di//erentialdiagnostik. Die grol3e Schwier igkei t der Diagnose einer Pseudo-

Choleli thiasis lind akzidentel ler Schmerzzust~tnde im Abdomen t iberhaupt l iegt dar in begrt indet , dab es sich hier weniger u m eine Diagnos t ik aus b e s t i m m t e n Indizien, als v ie lmehr u m eine Diagnos t ik per exclus ionem handel t . Jeder einzelne Fal l ist ein P rob lem ffir sich ; nur grt indlichste und allseitige Durch- arbei tung, Beobach tung en gros und en deta i l kann hier vor I r r t f imern schfitzen. W e n n im nachfolgenden in d e m Be- streben, Pseudo-Cholel i thiasis und Choleli thiasis abzu t rennen auf b e s t i m m t e Gedankeng~tnge verwiesen wird, so sei gleich- zeit ig davor gewariit , i rgendeines dieser S y m p t o m e e twa in der E inzah l zur Abgrenzung zu verwer ten .

Dies gil t selbst v o m hochwer t igs ten Symptom, dem r6ntgenologischen Nachweis yon Konkrementen , wie er ja m a n c h m a l auch schon bei Lee rau fnahmen gelingt. E in Stein- tr~ger b rauch t deshalb kein S te inkranker zu sein. E in Kranke r mi t Bleikolik kann sehr wohl auch Gallensteine haben, und so ist auch mi t der MSglichkeit einer Pseudo-Chole- l i thiasis mi t mehr Ininder nebensAchlicher Anwesenhe i t von Steinen zu rechiien. I n solcheii FAllen werden auch nach En t f e rnung der Steine und der Gallenblase die Anfitlle wei ter- bes tehen ! Die Annahme einer Pseudocholel i thias is is t deshalb auch ffir die Chancen eines ope ra t iven Eingriffes bei sicher nachgewiesenen Konkremen ten yon grol3er Bedeutung.

Un te r der schon ausdri ickl ich be ton ten EinschrAnkung, dab einzelne S y m p t o m e oder eine einzelne Erw~tgung nie entscheidend sein kann, sei nunmehr auf einzelne Gedanken- g~tnge hingewiesen, welche zuguns ten einer Pseudo-Chole- l i thiasis sprechen k6nnen.

Die Fe t to le ranz ist of t eine auffal lend gute ; die DiAt spiel t bei AuslSsung der Anf~tlle keine besondere Rolle. Auch w~hrend der AnfAlle, selbst bei gr613ten Schmerzen, is t Appe t i t

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v o r h a n d e n u n d die a l i m e n t ~ r e To le ranz n i c h t e ingeengt , ge legent l ich k a n n sogar He iBhunge r b e s t e h e n ; se lbs t Schweine- b r a t e n , S a u e r k r a u t u. dgl. wi rd of t g u t v e r t r a g e n . Der K r a n k e b e n i m m t s ich of t t hea t r a l i s ch , reiBt s ich H a a r e aus, zerreil3t e in T a s c h e n t u c h . Die K r a n k e n walzen s ich bei d e n S c h m e r z e n h e r u m oder abe r e m p f i n d e n B e w e g u n g e n a m a n g e n e h m s t e n . Die Anfal le b e s t e h e n sei t J a h r z e h n t e n , d a t i e r e n in die K ind - he f t zurt ick, nie is t es dabe i zu Ik te rus , nie zu E r b r e c h e n ge- k o m m e n . Die Anf~l le v e r l a u f e n s t e t s ohne Herpes , ohne n e n n e n s w e r t e T e m p e r a t u r s t e i g e r u n g . E r b r e c h e n feh l t bei d e n Anfa l len , obwohl es sons t bei F reude u. dgl. sehr l e ich t zu E r b r e c h e n k o m m t , K a r l s b a d e r k u r e n h a b e n ausgesp rochen ung t ins t ig gewirkt . Die Anf~tlle s ind se i t J a h r e n aul3erordent- l ich hauf ig . Die Anfal le h 6 r e n p l6 tz l i ch au f d u r c h Auf- s toBen yon G a s e n oder u n t e r l e b h a f t e n B o r b o r y g m i . D r u c k in de r Ga l l enb l a s engegend scha f f t E r l e i ch t e rung . Die Anfal le v e r l a u f e n be sonde r s gegen E n d e m i t E n t l e e r u n g r e i ch l i chen l i c h t e n Ha rnes . Es b e s t e h t v ika r i i e r endes V e r h a l t e n h in s i ch t - l ich Migr~neanf~l le oder 131asenkrampfe.

Jede dieser Fes t s t e l l ungen , die n u r e inzelne E i g e n b e o b a c h - t u n g e n be t r e f f en u n d k e i n e n D u r c h s c h n i t t dars te l len , k a n n ge legent l i ch a u c h bei ech te r Chole l i th ias is g e m a c h t werden. E n t s c h e i d e n d k a n n also, wie n o c h m a l s b e t o n t werden m6ge, n u r die al lsei t ige Z u s a m m e n f a s s u n g der 13eobach tungen sein sowohl in ih re r o b j e k t i v e n als s u b j e k t i v e n Sphare .

Die groBe p r a k t i s c h e B e d e u t u n g der Pseudo-Chole l i th ias i s u n d akz iden te l l e r a b d o m i n e l l e r S c h m e r z p h g n o m e n e l iegt in de r M6gl ichkei t , f iberf l t issigen und u n t e r U m s t a n d e n den K r a n k e n schwer s c h a d i g e n d e n O p e r a t i o n e n vo rzubeugen . H i n s i c h t l i c h de r e x a k t e n l?;rkenntnis u n d D e u t u n g der Schmerz- p a t h o g e n e s e s ind diese Krankhe i t s zus tSmde v ie l fach noch sehr unbe f r i ed igend .

Es s che in t m i r abe r e in sch lech tes P r i nz ip zu sein, y o n D i n g e n wegzusehen, n u r well sie b i s h e r e iner i oop roz , r ich- t i gen D e u t u n g n i c h t zugang l i ch sind.

L i t e r a t u r : 1 Med. Klin. 1911, Nr 49. -- 2 Med. Klin. 1926, Nr I/2.

ZUR BEHANDLUNG DER POSTANGINOSEN PYAMIE MITTELS J UGULARISUNTERBINDUNG*.

V o n

Pro f . ]~DUARD MELCHIOR. Aus der Chirurgisehen Abteilung des St~tdtisehen Wenzei Haneke-Krankenhauses Breslau.

Zwischen d e m W e s e n m a n c h e r a k u t e i t r iger Prozesse u n d de r dagegen g e r i c h t e t e n o p e r a t i v e n M a B n a h m e n t e h l t m i t - u n t e r eine res t los bef r ied igende l ~ b e r e i n s t i m m u n g . D e n n n i c h t se l t en g ipfe l t die zu b e k ~ m p f e n d e G e f a h r v o r n e h m l i c h in de r d r o h e n d e n Allgemeinin#ktion, w~thrend das ch i ru rg i sche V o r g e h e n z u n a c h s t n u r au f die I n a n g r i f f n a h m e des 5rtlichen Herdes e inges te l l t ist. Glf ickl icherweise l e h r t n u n die E r - f ah rung , d a b a u c h dies a l le in in de r Regel aus re ich t , u m der I n f e k t i o n H e r r zu werden . K o m m t es abe r trotzdem zur m a s s i v e n 1 ) b e r s c h w e m m u n g des Kre i s laufs m i t B a k t e r i e n u n d i h r e n G i f t p r o d u k t e n , wie es e t w a bei d e n m a l i g n e n Ober- l i p p e n f u r u n k e l n eine so b e d e u t s a m e Rol le spielt , so i s t wei te res o p e r a t i v e s H a n d e l n zum e i s t zwecklos. Keineswegs gi l t abe r diese R e s i g n a t i o n fiir j ene Fal le , in d e n e n die I n v a s i o n m e h r schubweise n n d au f u m s c h r i e b e n e r B a h n vo r s ich g e h t . D e n n w e n n es gel ingt , diese l e tz te re abzur iege ln , b e v o r eine a l lzu e rheb l i che I n v a s i o n er fo lg t i s t bzw. b e v o r e t w a be re i t s zu- s t a n d e g e k o m m e n e M e t a s t a s e n -- z. t3. des Geh i rns oder de r L u n g e n -- e ine i r r e p a r a b l e s e lb s t and ige 13edeutung g e w o n n e n h a b e n , so k a n n n o c h R e t t u n g auf o p e r a t i v e m Wege m6gl i ch sein. Die y o n ZAUFAL zur B e h a n d l u n g de r o t i t i s c h e n Sinus- t h r o m b o s e , y o n TRENDELENBURG gegen die t h r o m b o p h l e b i - t i s che F o r m des K i n d b e t t f i e b e r s angegebene Venenligatur b i l d e n das k lass i sche Beispiel hierftir . N u r z6gernd i s t in de r Folge : dieses P r i nz i p a u c h auf die B e h a n d l u n g sons t ige r a h n l i c h s ich v e r h a l t e n d e r I n f e k t i o n s f o r m e n t i b e r t r a g e n worden , wie e t w a b e s t i m m t e E x t r e m i t a t e n p h l e g m o n e n oder die t h r o m b o p h l e b i t i s c h e F o r m der Append ic i t i s . E i n e r s t j f ings t

Naeh einer Demonstration in der Schles. Ges. L Vaterl. Kultur yore 6. November x 93 I.

R I F T . I I . J A H R G A N G . N r . 13 26. M~RZ 193z

erschlossenes u n d gewiB noch 1Angst n i c h t gent igend b e a c h t e t e s wei teres Fe ld ffir de ra r t iges V o r g e h e n b i lden die p y a m i s c h e n F o r m e n der a k u t e n unspez i f i s chen Angina. K o m m t es i ra Anschlul3 h ie ran , zume i s t v e r m i t t e l t d u t c h v o r a u s g e h e n d e Absced ie rung , zu Schf i t te l f r6s ten , so d e u t e t dies au f Be- t e i l igung tier a b f t i h r e n d e n Ver~en, i n sbesonde re de r dugularis, h im Sich se lbs t t iber lassen, f t ih r t diese K o m p l i k a t i o n , z u m e i s t u n t e r d e n a u c h k l in i sch e r k e n n b a r e n E r s c h e i n u n g e n de r en t - z t ind l i chen J u g u l a r i s t h r o m b o s e , zu e inem schweren , ,sep- t i s chen , ' K r a n k h e i t s b i l d m i t H e r v o r t r e t e n yon L u n g e n - abscessen und in der Regel zu u n a u f h a l t s a m e m t 6 d l i c h e m Aus- gang. Es e r s che in t b e m e r k e n s w e r t , d a b TRENDELENBURG schon in seiner g r u n d l e g e n d e n A r b e i t yo re J a h r e 19o21 t iber e inen Fa l l dieser A r t b e r i c h t e n konn te , bei d e m eine e rwe i t e r t e Zaufa l sche O p e r a t i o n -- L i g a t u r de r V. a n o n y m a n a c h Resek- t i o n de r Clavicula und E x s t i r p a t i o n de r t h r o m b o s i e r t e n J u g u l a r i s - obwohl vergebl ich , v o r g e n o m m e n wurde, l ) b e r ahn l i che 13eobachtungen, ebenfa l l s m i t t 6 d l i c h e m Ausgang , m a c h t e MARTENS auf d e m Chirurgenkongre l3 1921 Mi t t e i lung . 1925 k o n n t e ich als e r s t e r in D e u t s c h l a n d fiber zwei e igene au f diese Weise gehei l te Fal le b e r i c h t e n 2, n a c h d e m schon vor - he r zwei a m e r i k a n i s c h e Au to ren , LoNe n n d GOODMAN, d e n gle ichen Eingr i f f u n t e r a h n l i c h e n V e r h a l t n i s s e n in je e i n e m Fal le m i t Er fo lg ausgef t ih r t h a t t e n . Chi rurg ischerse i t s l a n d meine M i t t e i l u n g ba ld B e a c h t u n g -- BERTELSMANN k o n n t e 1927 be re i t s eine G e s a m t z a h l y o n 9 gehe i l t en Fa l l en er- m i t t e l n 3 - - weniger dagegen in der o to - l a ryngo log i schen L i t e r a t u r , obwohl UFFENORDE, CLAUS U. a. dieser F rage in t ier Folge besonde re A u f m e r k s a m k e i t z u w a n d t e n und die Ziffer der bis t ler o p e r a t i v b e h a n d e l t e n Fal le m i t e iner Mor ta l i - t~tt, welche bei CLAUS zu le tz t n u r noch 3 ~ % b e t r u g 4, be re i t s eine r e c h t b e t r a c h t l i c h e ist.

W e n n ich h e u t e auf dieses T h e m a e r n e u t zur t i ckkomme, so gesch ieh t es ledigl ich desha lb , weil die K e n n t n i s der p y a m i - schen F o r m de r A n g i n a u n d ih r e r B e e i n f l u g b a r k e i t d u t c h J u g u l a r i s l i g a t u r leider noch 1/ingst n i c h t d ie jenige a l lgemeine 13eachtung ge funden ha t , die ih r t a t s a c h l i c h z u k o m m t . Be- s t i m m t e pers6n l iche E r f a h r u n g e n in der Zwischenze i t l a ssen dies e indeu t ig e rkennen . D e n n t r o t z a u s g e d e h n t e r o p e r a t i v e r T~ t igke i t b a b e ich j a h r e l a n g n i c h t m e h r Ge legenhe i t gehab t , aus g e n a n n t e r I n d i k a t i o n e inzugrei fen, wogegen ich wieder- h o l t v o n Fa l l en erfuhr , die i m A n s c h l u g a n eine A n g i n a m i t Sch t i t t e l f r6 s t en und den Ze ichen schwerer A l lgeme in in fek t i on e r k r a n k t e n u n d s t a rben , ohne d a b f i b e r h a u p t n u t a n die MSgl ichkei t ch i ru rg i sche r Hilfe g e d a c h t wurde . . . .

Besonders t ragisc t l ges t a l t e t e sictl h i e r u n t e r Io lgende B e o b a c h t u n g :

32j~hr. Frau, aufgenomnlen am 26. VII I . 1931. Vor eiwa 9 Tagen all linksseitiger Angina mi t nachfolgender Abscedierung erkrankt ; im Anschlug daran Schiittelfr6ste und bedrohliches sep- tisches Krankheitsbild. Sub finem vitae in schwerstem Kollaps eingeliefert wegen eines kleinen Pleuraempyems, das offenbar yon Lungenabscessen ausgegangen war. An eine Inangriffnahme der Jugularis war in diesem Zustande n icht mehr zu denken; t wenige Stunden nach der Aufnahme.

E r s t in a l le r le tz te r Zei t l a n d ich wieder Ge legenhe i t , bei e inem so lchen Fal le zu e t w a s f r t ihe rem T e r m i n o p e r a t i v v o r z u g e h e n :

G.K. , 23j~hr. Mann, Konsil. am 14 .X. 1931 . Am 27 . IX. 1931 erkrankt an linksseitiger Angina, die bald zur Abscedierung ffihrte. Incision am I . X . Die Schmerzen lieBen hierauf nicht nach; erstmaliger Sehi~ttelJrost am 3. X. ; unter hohem Fieber wiederholten sieh diese seitdem fast t~glich. In den letzten Tagen leichte Lungen- erscheinungen in Gestalt yon Stechen auf der Brus t und schleimigem Auswurf. Zuletzt hinzutretende leichte SchWellung tier l inken Gesichts- und Halsseite erweckte Verdacht auf Jugularisthrombose. Be/und: Schwerkrankes Aussehen, Puls sehr frequent, profuses Schwitzen, am Herzen fiberalI ein leises systolisches Hauchen, fiber dem rechten Lungenhilus RasselgerXusche, spontane und Druck- schmerzhaftigkeit im Bereiche tier unteren Rippen rechts; am linken Kieferwinkel sowie i n der Massetergegend eine leichte Schwellung, ebenso im Bereiche des l inken I<opfnickers. Druck wird in letzterem Bereiche his zum Jugulum als sehr schmerzhaft angegeben; Einzelheiten sind n ich t durchzuffihlen. Die Diagnose einer entzfindlichen Thrombose der dugularis erscheint dami t ge- geben; t rotz der offenbar schon vorhandenen Lungenabscesse,